1880 / 302 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 Dec 1880 18:00:01 GMT) scan diff

Sehr ernsie Nachrichten hat die Regierung auch vom Kriegsschauplaße im Basutolande empfangen. Einer Depesche des Gouverneurs aus der Kapkolonie zufolge haben die Kolonialstreitkräfte (Burghers) eine Niederlage im Felde gegen die Pondos erlitten. Die Kapbehörden fin-en, daß das

riegstheater so bedeutende Dimensionen annimmt, daß es absolut gebieterish geworden ist, die heimishe Regieruna um Entsendung britisher Truppen anzugehen. Ein solhes Gesuch soll dem Vernehmen nach im Kriegs-Ministerium in London bereits eingegangen sein.

Aus der Kapstadt wird dem Reutershen Bureau unterm 17, ds. gemeldet:

Die neuesten Nachrichten aus Mafeteng melden einize Gefechte zwischen den Basutos und den Koloaial-Streitkräften unter Oberst Carrington. Die letzteren befanden sich auf einem Streifzuge ia der Ricbtung auf Golah und Baleka, wobei die Truppen in zwei Ko- Tonnen getbeilt waren, deren eine vom Kapitän Brabant und die an- der: vom Oberst Carrington selber befehligt wurde. Der Kolonne Kapitän Brabants gelang es, Azariels Dorf einzunehmen; aber die Abtheilung unter Carrington stieß auf eine 3000 Mann starke Streitkraft Basutos, vor der sie sch zurückziehen mußte, Die Kolonne Kapitän Brabants machte zu derselben Zeit eine rüdgängige Bewegung und bewirkte ihre Vereinigung mit Oberst Carrington, so daß die Gesammistreitkraft das Lager erreichte. Der ganze Verlust der Kolonialtruppen während dieser Operationen betrug zwei Todte und aht Verwundete; der Verlust des Feindes konnte nit ermittelt werden. Gegen die Tembus, welche die An- höhen von Engobo beseßt halten, wurde ein Angriff ausgeführt, der erfolglos blieb. Nquilijo hat Versicherungen über seine freundlichen Absichten gegeben. :

Aus Teheran wird dem Reutershen Bureau vom 20. ds. gemeldet:

Aus Herat hier eingegangenen Nachrichten zufolge wünschte Ayub Khan, nachdem er die Mittheilung erhalten, daß die Stämme im Distrikt Kushk revoltirt hätten, seine Streitkraft gegen dieselben zu entsendcnz aber seine Truppen weigerten sich, zu mar- sciren, da ihnen seit längerer Zeit kein Sold bezahlt worden.

Aus Bomba y berichtet dasselbe Bureau unterm 20 ds.:

Unter den Pergunnahs im Sonthal-Lande ist jüngst in Folge der für den näcstjährigen Census getroffenen Vorbereitungen Ünzu- friedenheit entstanden. Die Aufregung, welche vor einiger Zeit einen drohenden Aspekt annahm, hat indeß jeßt nachgelassen. Die Bhownagar-Eisenbahn wurde heute von Sir James, Ferguson, dem

G ouverneur von Bombay, eröffnet. Der Herzog von Buckingham

und Chandcs, der bisherige Eouverneur von Madras, tritt heute die Rüdkreise nah England an.

22. Dezember. (W. T. B.) Der Kabinetsrath ist auf den 30. d. M. einberufen worden.

Die irische Landliga zu Bantry (Jrland) hat Befehle erlassen, um Barrett und Godfrey, zwei Beamte auf dem Gute des Ober-Kammerherrn Lord Kenmare, einzushüchtern. Mehrere Pächter und Diener Barretts haben Befehle erhal- ten, Barreit zu verlassen, und den Kaufleuten ist verboten worden, ihm etwas zu verkaufen.

23. Dezember. (W. T. B.) Nach einer amtlichen Meldung aus der Kapstadt, vom gestrigen Tage, hat Oberst Baker den Häuptling des Pondomesenstammes, Umhlonhlo, vollständig geschlagen. Der Feind verlor gegen 300 Mann. Die S erbeuteten eine große Menge Vieh. Umhlonhlo entkam. Der Verlust der Engländer betrug einen Offizier und drei Mann todt und 10 Verwundete.

Wie die „Times“ erfährt, stände die Demission des Vizekönigs von Jndien, Lord Ripon, nahe bevor, weil derselbe außer Stande is, das Klima zu ertragen. Die „Times“ dringt auf sofortige Ernennung eines Nachfolgers und empfiehlt Lord Dufferin als die geeignetste Persönlich- keit. Der Unter-Staatssekretär des Jnnern hat aus Gesundheitsrücksichten um seine Entlassung nachgesucht.

Frankreich. Paris, 22. Dezember. (W. T. B.) Der Senat hat das Ausgabebudget mit den von der Deputirten- kammer beschlossenen Positionen definitiv angenommen.

Îtalien. Rom, 22. Dezember. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer beendigte heute die Berathung des Budgets, nahm sodann den Gesetzentwurf, betreffend die Ver- längerung der Handels- und Schiffahrtsverträge mit Belgien, Frankreich, Deutschland, England und der Schweiz, ohne De- batte an, genehmigte ebenso die Handels- und Schiffahrts- Tonvention mit Rumänien und vertagte ih {ließlich bis zum 24. Februar k. J.

Griechenland. Athen, 22. Dezember. Das „RNeutersche Bureau“ läßt sich von A welden, Commuunduros habe an die Vertreter Griechenlands im Auslande ein Cir- kular erlassen, in welhem dieselben angewiesen werden, ein Schiedsgericht in der griechishen Grenzregulirungsfrage, wenn ein solhes angeboten werden sollte, abzulehnen.

Aus Rom, 20. Dezember, wird der „Pol. C.“ ge- meldet: Das Austreten des philhellenishen Comité ir Nom hat der italienishen Regierung Veranlassung gegeben, dem türkischen Geschäststräger in der italienishen Hauptstadt die formelle Versicherung zu ertheilen, daß sie sih ihrer inter- nationalen Verpflichtungen gegen die Pforte bewußt und entschlossen sei, nichts zuzulassen, was einem feindseligen Akte gegen eine befreundete Regierung gleihkäme. Jm gleichen Sinne spra sih die italienische Regierung auch in Athen aus, wie sie denn überhaupt keine Gelegenheit vorübergehen lasse, um der griehishen Regierung zur Mäßigung zu rathen und sie vor Fllusionen in Betreff einer eventuellen faktischen Unterstüßung zu warnen.

Serbien. Belgrad, 21. Dezember. (Pol. C.) Die Fürstliche Regierung hat ihren Vertretern in Wien die von den Leßteren erbetenen neuen Jnstruktionen in der Angelegenheit des zwischen Desterreih-Ungarn und Serbien abzu- schließenden Handelsvertrages bereits zugeschickt. Man giebt si in serbishen Regierungskreisen der Hoffnung hin, daß die modifizirten Jnstruktionen sich als geeignet er- weisen werden, die bei den Handelsvertragsverhandlungen aufgetauhten Schwierigkeiten zu beseitigen und einen raschen Abschluß des Vertrages herbeizuführen, so daß leßterer der im zanuar zusammentretenden Skupschtina bereits zum Zwecke der Ratifikation unterbreitet werden könnte,

Bulgarien. Sofia, 22. Dezember. (W. T. B.) Jn der gestrigen Sißung der Nationalversammlung beant- wortete der Conseils-Präsident Karaveloff eine Jnt er- pellation, betreffend die Eisenbahnen dahin, daß die Regierung mit der Prüfung der Eisenbahnfrage beschäftigt sei und zwar von dem Gesichtspunkte eines allgemeinen bul- garischen Eisenbahnneßes aus, welches die Linien Rusischuk- Tirnowa-Yenizajra , Sofia-Tirnowa, Sofia-Widdin, Sofia- Vakarelle und Sofia-Kustendje umfasse. Die Versammlung nahm darauf eine Resolution an, dur welche die Regierung

linie, welhe das europäische Eisenbahnnez mit dem orienta- lischen verbindet und den Bedürfnissen Bulgariens entspricht, fortzuseßen und érforderlihen Falls behufs Lösung der Eisen- bahnfrage die Nationalversammlung zu einer außerordent- lichen Session einzuberufen.

Amerika. Washington, 20. Dezember. (Allg. Corr.) Beide Häuser des Kongresses haben beschlossen, am nächsten Mittwoh sich für zwei Wochen zu vertagen. Das Repräsentantenhaus hat das Budget für den Konsulardienst genehmigt.

Landtags- Angelegenheiten.

Dem Hause der Abgeordneten ist folgender Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Verwendung der in Folge wei- terer Reichsfteuerreformen an Preußen zu über- weisenden Geldsummén, vorgelegt worden.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen 2c. verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtags der Mon-

archie, was folgt: Erster Mui,

Unter Aufrechterhaltung der Bestimmungen des Geseßes vom 16. Juli 1886 (Geseß-Samml. S. 287) bezüglih der Verwendung der dem preußischen Staate aus dem Ertrage der Tabakssteuer und Zölle nach §. 8 des Reichsgeseßes vom 15. Juli 1879 (Reichsgesetz- blatt S. 207) jährlich zu Üüberweisenden Geldsummen, sollen die- jenigen Mittel, welche in Folge der Einführung neuer oder der Er- höhung bestehender Reichssteuern an Preußen überwiesen werden, un- verkürzt zu den nachstehend in §8. 2—4 bezeichneten Zwecken ver- wendet werden. 5

8. 2,

Die Klassensteuer wird für die vier untersten Stufen außer Hebung gesetzt, für die übrigen Stufen aber soweit sie nit nah dem Geseße vom 16. Juli 1880 unerhoben bleibt den Kreisen überwiesen.

In Betreff der jährlichen Veranlagung, sowie der Erhebung der Klafsensteuerbeträge für die zuleßt genannten Stufen verbleibt es bei den bestehenden geseßlihen Bestimmungen.

Von den, den Kreisen überwiesenen Klassensteuerbeträgen findet tie G-währung einer Gebühr (Geseß vom 2. Januar 1874 8, 1 Gesez-Samml. S. 9) an die Gemeinden nicht statt. In denjenigen Landeétheilen, in welchen die - örtlihe Erhebung der Klasseasteuer durch Staatsorgane erfolgt, haben die Kreise von den ihnen über- E Beträgen 3 9/6 als Beitrag zu den Erhebungskosten zu ent- richten.

__ In der Provinz Hannover erfolgt bis zur Einführung der Kreisordnung die Ueberweisung an die Amtsverbände und selbständi- gen Städte.

S3

Die Grund- und Gebäudesteuer wird behufs Erleichterung der Steuerlast der Kommunalverbände bis zur Hälfte des etatsmäßigen Betrages an die in §. 2 bezeibneten Kommunalverbände überwiesen.

Die nah vorstehender Bestimmung, sowie nach §. 2 zu überwei- senden Beträge sind zunächst zum Erlaß der Kreisabgaben des be- treffenden Etatsjahres mit Einschluß der auf die Kreise vertheilten Provinzialabgaben zu verwenden. Im Falle einec Mehr- oder Min- derbelastung einzelner Kreistheile hat ein gleichmäßiger Erlaß der Abgaben einzutreten.

Ueber die Verwendung des die Summe der bezeichneten Kreis- abgaben übersteigenden Betrages hat die Kreisvertretung mit Zustim- mung des Bezirksraths, beziehungsweise bis zur Einführung desselben die Bezirksregierung (Landdroftei) Bestimmung zu treffen.

Durch Beschlußfassung der in §. 2 bezeichneten Kommunal- verbände kann mit Genehmigung des Bezirksraths, keziehungsweise der Bezirksregierung (Landdrostei), der Erlaß der vorstegend in Absay 2 bezeihneten Kreisabgaben unterbleiben und - eine anderweite Ver- wendung zur Befriedigung kommunaler Bedürfnifse oder zu sonstigen gemeinnüßzizen Zwecken erfolgen.

Die Erhebung von Kommunalzuschlägen zu den direkten Staatt- steuern beziehung8wecise die Vertheilung von Kommunallasten na denselben hat, ohne Rücksicht auf die nah den Bestimmungen dieses Gescßes eintretenden Außerhebungseßungen oder Uecberweisungen, lediglih nah Maßgabe des Veranlagungssolls der betreffenden Steuern zu erfolgen. i

Desgleichen soll in allen denjenigen Fällen, in welchen eine aktive oder passive Wahiberechtigung von der Entrichtung gewisser Steuer- beträge abhängig gemacht ift oder wo die Ausübung eines Wahl- rechtes nach Maßgabe der Besteuerung geregelt is, der bezüglichen Berechnung das Veranlagungssoll zu Grunde gelegt werden.

N Abschnitt. 5

Die Verwendung der dur Einführung neuer oder Erhöhung bestehender Reichssteuern zu gewinnenden Mittel, soweit sie an Pr-ußen überwiesen werden, erfolgt nah Maßgabe der folgenden Be- stimmungen. L

Von den dem preußischen Staate zu überweisenden Geldsummen (8. 5) ift rach Absegung des auf die Hohenzollernschen Lande (S. 9) entfallenden Antheils,

L, ein Drittheil zunä dem nach dem Gesetze vom 16. Juli 1880 verfügbaren, auf die vier untersten Stufen der Klassensteuer entfallenden Grlaßbetrage zuzurechnen und mit demselben zum Erlaß der Steuer dieser Stufen bis zu deren vollem Jahresbetrage in analoger Anwendung der 88. 2 bis 6 des gedachten Gesetzes zu verwenden, der dadur niht erschöpste Ueberschuß aber auf die in §. 2 bezeihneten Kommunalverbände nah dem Verhält- niß des Veranlagungsfolls an Klassensteuer der fünstcen bis zwölsten Steuerstufe für das betreffende Jahr zu vertheilen. Die zu diesem Zwecke verfügbaren Beträge werden durch den Staats- haushalts-Etat festgeseßt; die Vertheilung und Ueberweisung an die in §. 2 bezeichneten Kommunalverbände hat der Finanz-Minister zu veranlassen.

II, Der verbleibende Betrag der dem preußischen Staate über- wiesenen Geldsummen (§8. 1) ist auf die in §. 2 bezeichneten Kom- munalverbände nach dem Verhältnisse des Verarlagungssolls an Grund- und Gebäudesteuer für das Jahr, in welhem die Ver- theilung stattfindet und zwar bis auf Höhe der Hälfte des etats- mäßigen Sollbetrages der Grund- und Gebäudesteuer zu vertheilen.

Der hiernach zu vertheilende Betrag wird durch den Finanz- Minist:r auf Grund der im Artikel 39 der Reichsverfassung er- wähnten Jahrcsabschlüsse und der dicsen gemäß stattfindenden Abreh- nungen festgestellt. Die aus den definitiven Abrehnungen s er- gebenden Berichtigungen werden bei der nächftfolgenden Festseßung durch Zu- beziehungsweise Abrechnung ausgeglihen. Das Ergebniß der Feststellung und Vertheilung ist alljährlich zur Kenntniß des Landtages zu bringen.

_Die Auszahlung der überwiesenen Beträge hat der Finanz- Minister unmittelbar nah GENSung der Vertheilung zu veranlassen.

__ Insofern der nah §. 6 IL verfügbare Betrag denjenigen der Hälfte der Grund- und Gebäudesteuer Übersteigt, wächst der Ueber- \chuß dem nah §. 6 I. zu Ee ENEen Drittheile zu.

8. 8,

Sollten die aus den Uebershüssen der Reichsverwaltung an Preußen zu überweisenden Summen einen Betrag erreichen, welcher über die vorstehend (88. 2 und 4) bestimmten Zwecke hinauszeht, dann bleibt geseßliche Regelung der Verwendung für die überschießen- den Summen vorbehalten. Ó

bevollmächtigt wird, die Erhebungen zum Bau einer Eisenbahn-

S: 9, Die hohenzollernshe Lande nehmen an den im 88. 1 und 5 ge-

dachten, dem preußischen Staate zu ükerweisenden, zu Steuererlassen leziehungêweise Ueberweisungen verfügbaren Geldsummen na Ver- häitniß der durch die leßtvorangegangene Volkszählung ermittelten Bevölkerungszahl zu derjenigen des übrigen Staats8gebietes Theil.

Die Feststellung des Antheils erfolgt dur den Staatöhaushalts- Etat. Der festoesezte Betrag wird nach Verhältniß des für das betreffende Jahr bestehenden Veranlagungsfolls an direkten Staats- E mit Auss{luß der Hundesteuer auf de Amtsverbände vertheilt.

Den Vertretungen der leßteren steht die Beshlußfassung über die Verwendung zu.

Urkundlich 2c.

Motive zu dem Entwurfe eines Gesetzes, betreffend die Verwendung der in Folge weiterer Reichssteuerreformen an Preußen zu überweisenden

Geldsummen.

1, Aufgabe des Entwurfs im Allgemeinen.

Wie der in der Anlage gegebene Uceberblick über den Gang der bieherigen Verhandlungen bezüglih der Steuerreform des Reithes und des Staates nachweist, ist die Staatsregierung sib in Ueber- einstimmung mit der Landesvertretung ftets bewußt gewesen nud steht auch noch jeßt auf dem Standpunkte, daß der Einfluß der vermehrten und erhöhten indirekten Steucrn und Zölle auf die Leistungsfäbigkeit der verschiedenen Be- völkerungsflassen sowohl eine Erleichterung als eine anderweite Vertheilung der direkten Sieuerlast bedinge. Die Erreichung des leßtgedachien Reformzieles muß der spätestens in der nächsten Session des Landtages einzubringenden Vorlage über eine organische Umge- staltung der einzelnen direkten Steuern vorbehalten bleiben ; das gegen fällt der Geseßgebung son jeßt die Aufgabe zu, die Er- leihterung der Steuerlz st durch Steuererlasse und UVeberweisungen von Steucrbeträgen an die Kommunalverbände nah Maßgabe der zu diesem Zwecke zu verwendenden Mittel sicher ju stellen und zu regeln. Zwar hat {on das Verwendungsge|eß vom 16. Juli 18809 in dieser Beziehung Anordnungen getroffen upd die Verwendung der aus dem Reiche an Preußen zu Überweisenden Geldsummen, soweit über dieselben nicht mit Genehmigung der Landesvertretung zur Deckung der Staatsausgaben Verfügung getroffen wird, zu Steuer- erlassen vorgeschrieben. Dieses Gese verfolgte jedoch zunächst die Absicht, der Landesvertretung Bürgschaft bezüglich der verfassungs- mäßigen und angemessenen Verwendung der vom Reibe zu erwarten- den Summen zu gewähren. Die Sicherstellung der Reformziele in finanzieller und materieller Beziehung blieb dagegen späterer gesetzlicher Regelung vorbehalten und ist gegenwärtig Gegenstand eingehender Erwägungen innerhalb des Staats-Ministerit gewesen.

Mit der ratenweisen Ermäßigung der Klassensteuer und der fünf untersten Stufen der Einkommensteuer, für welche das gedachte Geseß die vom Reiche aus den Uebersbüssen der Zölle und der Tabafksfsteuer zufließenden Summen zunächst ausschließlich in Anspruch nimmt, kann das Reformwerk nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Dasselbe verfolgt vielmehr, wie die geschihtlihe Dar- stellung ergiebt, abgesehen von der organishen Reform des inneren L Steuersystems, folgende viel weiter gehende Ziele, nämlich:

1) den Grlaß der vier untersten Stufen der Klassensteuer,

2) die allmähliche Beseitigung dieser Steuer als Staatésteuer und

3) die Ueberweisung der Hälfte der Grund- und Gebäudesteuer an die Kommunalverbände.

Um diese Aufgaben in ihrem ganzen Umfange zu erreichen, ge- nügen sclbstverständlih weder die jetzigen noch die zu erwartenden Erträge der bestehenden Reichssteuern und Zölle; vielmehr ist eine weitere Durchführung der eich steuerreform die unerläßlibe Vor- bedingung für eine richtig geregelte Entlastung der Steuerzabler und der Kommunalverbände. Wie das Swicksal der dem Reichétage in seiner leßten Session vorgelegten Steuergeseßentwürfe gezeigt hat, ist, wenn völlig unfrucbtbare Verhandlungen vermieden werden sollen, auf eine Bewilligung neuer Reichssteuern nur dann zu rechnen, wenn die Verwentung der bezüglichen Mehreinnahmen zu Steuererleich- terungen in den Einzelstaaten unzweifelhaft sicher gestellt wird.

Die Staatsregierung, welhe nah Maßgabe der in der beige- fügten Anlage enthaltenen Ausführungen nicht die Absicht hat und haben kann, andere Einnahmen zu fordern, als solhe, deren Ver- wendung nacch dem von ihr befolgten System zur Erfüllung ihrer obengedahten Zwecke nothwendig ist, erkenat an, daß ohne eine solche Zweckbestimmung neue Steuern nicht wohl gefordert werden können. Sie glaubt daher, in Uebereinstimmung mit der in Coburg unter den verbündeten Regierungen erzielten Verständigung sich der Ver- pflibtung nicht entziehen zu dürfen, die unveckürzte Verwendung der aus den Erträgen neuer oder erhöhter Reichssteuern für Preußen s ergebenden Cinkünfte zu den oben gedachten Zwecken durch den Erlaß eines bezüglichen Gesetzes zu verbürFen.

Der vorliegende Entwurf hat demnach die doppelte Aufgabe zu erfüllen, einerseits Dispositionen über die unverkürzte Verwendung der in Rede stehenden Summen zu treffen und andererseits die mit diesen Mitteln zu erreihenden Zwecke geseßlih zu fixiren.

II, Die Verwendungszwecke. 1) Erlaß von Personal- steuern.

W908 die in dem ersten Abschnitte des Entwurfs behandelten Verwendungs¿wecke anlangt, so erschien es zunächst geboten, den Steuerpflichtigen der vier untersten Stufen der Klassensteuer, welce unter den Steuerzablera in Preußen dur die indirekte Besteuerung relativ mehr betroffen werden, als die Klassznsteuerpflhtigen der höheren Stufen, eine weitergehende Steuererleichterung zu Theil werden zu lassen, als dies dur die Vorschriften des Gesetzes vom 16. Juli 1880 thunlih ift. Judem der vorliegende Gesetzentwurf daher ein Drittel dec nach §8. 5 Absatz 1 zu erwartenden Mittel unter Hinzurehnung der auf diese Stufen na dem leßtzedacbten Gesetze entfallenden Erlaßbeträge in erster Reihe in Anspruch nimmt, um die vier untersten Stufen der Klassensteuer außer Hebung zu seßen, wird zuglei eine wesentliche Vereinfachung des Erhebungs- und Britreibungsverfabhrens erstrebt. Nach den Ergebnissen der Ver- anlagung für das laufende Jahr sind 4377 782 Stcueepflichtige, also 86,42 9/6 aller Klassensteuerzahlenden oder unter Zurewhnung der An- gehörigen befteuerter Haushaltungen etwa 60/9 der gesammten in den Klassensteuerrollen nachgewiesenen Bevölkerung in den vier untersten Stufen veranlagt. Davon fallen auf: Zahl der veran- lagten Personen (Haushaltungs-

vorftände und Einzelnsteuernde)

Kontingen- tirter Jahres- beitrag

Stufe 1 Einkommen von 420 bis

G

2 Einkommen von mehr als

660 bis 900 M . V

«„ 3 Einkommen von mehr als 900 bis 1030 A

4 Einkommen von mehr als

1ODO bIS 1200 A. .

2 704 132 1 044 406 345 121 284 123

7787 990 6015 779 2981 845

3 273 097

¡usammen Stufe 1 bi8 4. 4 377 782 20 058 621 Unter der Zahl ver Steuerpflichtigen, welchen dieser E.laß zu Gute kommen joll, befinden sih nicht allein die noh nit steuerfreien Handarbeiter, sondern auch decr größte Theil der kleineren Hant- werker und Geschäftstreibeaden, ein aroßer Theil des Lehrerpersonals, die Unterbeamten des Reiches, des Staates, der Kommunen und der Eisenbahnen, sowie diejenigen Grundbesißer, welhe auf Nebenverdienst durch Arbeit angewiesen sind. 5 2) Ueberweisung vou Personalsteuern an die Kommunalverbände. Da weitergehende Ermäßigungen bezw. Außerhebungsezung der 8 höheren Stufen der Klassensteuer, als solche nach Maßgabe des Gesetzes vom 16, Juli d. J. einzutreten haben, im Hinblick auf die

Leistangtfäbigfeii der in Frage kommenden Steuerpflichtigen an

und im Verhältnisse zu den höher als in den fünf ersten Stufen st@ Einkommensteuer Eingeshäßten zur Zeit nicht angezeigt sind, so ift von einer Verwendung eiwa noch weiter vorhandener diéponibler Mittel zu direkten Steuererlassen abzusehen und der Entlastung der Kommunalverbände vor der weitergehenden Ermäßigung der Personal- steuern um so mehr der Vorzug zu geben, als die Klagen über Steuerdruck hauptsächlid durch die übermäßige und noch immer steigende Belastung der direkten Staatsfteuern mit Kommunal- zuschlägen hervorgerufen werden. : 2

Der Entwurf empfiehlt daher, die Klassensteuer der verbleibenden 8 Stufen, also den Rest dieser Steuer, soweit dieselbe nidt gemäß der Bestimmung des §. 2 Absaß 1 außer Hebung geseßt oder nach Vorschrift des Verwendungs®geseßes erlaffen ift, den Kreisen um so mehr zu überweisen, als dur die gleichzeitige Ueberweisung von per- jôn[ihen und Realsteuern eine gewisse Ausgleicung für die in den einzelnen Ste. exbeträgen vorkommenden Ungleichheiten und Unter- \{iede bedingt wird und die bloße Ueberweisung der halben Grund- und Gebäudesteuer die von der Staatsregierung beabsichtigten Zwecke riht in dem Maße erfüllen würde, als dies für die Entlastung der C ommunen erwünscht ist.

3) Ueberweisung der Hälfte der Grund- und Gebäude- steuer an die Kommunalverbände.

Neben der im S8. 2 Absaß 1 des Entwurfs angeordneten Ueber- weisung von Klafsensteuerbeträgen, welche jedo nur in dem Falle in Wirksamkeit tritt, daß ein Drittel der nah den Vorschriften dieses Entwurfs zu behandelnden Geldsummen die für den Erlaß der vier untersten Stufen erforderlihen Mittel übersteigt, soll die Steverlast der Kommunalverbände dadur erleibtert werden, taß zwei Drittel der aus Erhöhung bestehender oder Einführung neuer Reichssteuern dem Staate zufließenden Erträge zur Ueberweisung ter Grund- und Gebäudesteuer bis zur Hälfte des etatsmäßigen Betrages an die Kreise verwandt werden. | :

111, Deckung des durch die Erlasse und Ueberweisungen bedingten Ausfalles im Etat der Einnahmen.

Da die Bilanzirung des preußishen Etats Deckung des Aus- falles an direkten Steuern durch anderweite Einnahmen erfordert, so können Steuererlasse und Ueberweisungent,nur in der Weise erfolgen, daß an Stelle der zu diesen Zwecken zu verwendenden Erträge aus direkten Steuern die Uebersbüsse aus Reichéeinnahmen in den Etat einzustellen sind. Auf diese Weise wird an Stelle der überwiesenen oder außer Hebung geseßten Beträge die Kontinuität der Steuer- E festgehalten und für die preußische Finanzverwaltung

r gestellt. . i ad ter diesen Umständen ist es ausgeschlossen, direkte Steuern ab- zuschaffen, oder definitiv Klassensteuererlasse oder Ermäßigungen eintre- ten zu lassen. Vielmehr können nur Ermäßigung oder Außer- hebungseßung eiazelner Stufen in Frage kommen, je nachdem aus dem Reiche Deckung erwartet werden kann. Es muß daher auch der gesammte Apparat der Klassensteuer und ihre Veranlagung um fo mehr aufiect erhalten werden, als hierdurch zugleich der unentbehr- lie Maßstab füc die Veranlagung der kommunalen Steuern gegeben, diese Veranlagung überhaupt \{hon wegen ihrer Rückwirkung auf die Wahlen nicht zu entbehren ist. y

IV. Die Kommunalverbände, an welche die Ueber- weisungen zu erfolgen haben.

Einer besonderen Erörterung bedürfen die Gründe, aus welchen die Ueberweisung der in §. 2 gedachten Klafsensteuerbeträge, sowie der in §8. 4 O GRS e Grund- und Gebäudefteuerquot: an die

reise vorgeshlagen wird. Da M Elnielaciaainden durch Kommunalabgaben E mäßig viel {werer belastet sind, als die Kreise, so hâtle es nahe gelegen, die Ersteren vorzugsweise zu berüdlsihtigen. Hiervon mußte jedoch aus folgenden Erwägungen Abstand genommen werden.

Die unerläßlihe Vorbedingung einer direkten Ueberweisung an

die Einzelgemeinden wäre die Gleichstellung der Gutsbezirke mit ten -

Gemeinden. So lange die Ersteren gleih den Leßteren kommunale Aufgaben zu erfüllen und kommunale Lasten zu tragen haben, würde eine verschiedenartige Behandlung beider als eine durch Nichts zu begrüudende Unbilligkeit gegen die Gutsbezirke betrachtet werden müssen. Dagegen steht der Betheiligung - dieser leßteren an dem Ertrage der Klassen-, wie der Grund- und Gebâäude- steuer das Bedenken entgegen, daß es in der Hank der Inhaber der Gutsbezirke liegen würde, über die ihnen zufließenden Summen willkürlih zu verfügen und dieselben, wenn au Fälle dieser Art thatsächlich, wie vertraut werden kann, nicht oder doch nur sehr vereinzelt vorgekommen sein würden, in ihrem auês{ließlihea Interesse zu verwenden. Außerdem aber würde die Ueberweisung einer Quote der Grund- und Gebäudesteuer an die Gutsbezirke den Charakter eines individuellen Steuererlasses annchmen können und als eine Bevorzugung der Eigenthümer selbständiger Gutébezirke anderen Grund- und Hausbesitßzern gegenüber dargestellt werden können.

Wenn {on mit Rücksicht auf die Gutsbezirke der Vertheilung auf die Kreise der Vorzug zu geben ist, so würde andererseits auch durch eine direkte Ueberweisung der Grund- und Gebäudesteuer an die Einzelgemeinden ein der Belaftung mit kommunalen Ausgaben und der Billigkeit entsprehentes Theilungsverhältniß zwischen Stadt und Land nicht erzielt werdea. NamentliÞ würden wohlhabende Ackerbaustädte mit größerem Weichbilde im Verhältniß zu JIn- dustriestädten mit gleicher Seelenzahl und erheblich höheren Kom- munalbedürfnissen unzweifelhaft bevorzugt werden. Ebensowenig erscheint cs durchführbar, eine Vertheilung zwischen Stadt und Land in der Art vorzunehmen, daß den Städten die fragliche Quote ter Grund- und Gebäudesteuer direkt überwiesen wird, die auf die Landgemeinden eatfallenden Beträge. dagegen den Kreisen zur Verfügung gestellt werden, Diese Unterscheidung müßte den Gegensaß zwishen Stadt und Land in unerwünschter Weise steigern und die organische Zusammengehörigkeit der zum Kreisverband gehörigen Gemeinden beeinträchtigen, eine gerechte Ver- theilung wäre aber azch auf diesem Wege nicht zu erreichen, viel- mehr würde s{hon im Hinblick auf den Mangel an charafteristischen Merkmalen für den Unterschied zwischen kleinen Städten und großen Landgemeinden eine unbillige Bevorzugung der Ersteren eintreten. Von den in Preußen vorhandenen Stadtgemeinden haben 312, also ca. 24 9/0 der Gesammtzahl, weniger als 2000 Einwohner. Dagegen

„find 526 Landgemeinden mit mehr als 2000 Einwohnern vorhanden

und befinden sih unter den leßteren 52 mit mehr als 5000, 13 mit mehr als 10000 Einwohnern. An finanzieller und fommunaler Be- deutung übertreffen viele dieser Landgemeinden eine nicht geringere Zahl der kleineren Städte. S

Es hâtte zwar auch in Frage kommen können, die Gesammt- summe der zu überweiseaden Steuern als eine zur Dot:tion der Ge- meiden bestimmte Rente zu behandeln und diese nah Maßgabe der Bevölkerungs®zahl oder der direkten Steuern oder cinem kombinirten Modus zu vertheilen. Jedoch würde durch keinen dieser Vertheilungs- maßstäbe eine der Prästationsfähigkeit und der kommunalen Be- lastung entspre&ende Repartition sih bewerkstelligen lassen. Aut- \{lagend für die Ueberweisung von Steuerquoten mußte aber die Erwägung sein, daß wiederholt eine theilweise Ueberweisung von Grurd- und Gebäudesteuer zur Erleichterung der tommunalen Lasten von Seiten der Landesvertretung gefordert uad von der Staats- regierung in Auésicbt gestellt worden ist. Ü

V, Die Verwendung der überwiesenen Beträge.

In Uebereinstimmung mit den Intentionen der Steuerreform, welche als wesentlihes Ziel eine Erleichterung der direkten Steuer- [aft der einzelnen Steuerzahler vor Augen hat, mußte als nächster und regelmäßiger Verwerdungszweck für die ten Kreisen zu über- weisende Summe der Erlaß von Kreis- und Provinzialabgaben hin- gestellt werden; denn durch diesen Erláß wird die Absicht der Ueber- weisungen am direktesten und in einfahster Art, für den etnzelnen Steuerzahler zugleich in vollkommen verständlicher Weise erreicht. Auch bielt man cs für zweckeatsprehender, den Steuerzablern durch Erleichterung der in Rete stehenden Kommunalabgaben,

als durch Erlaß von Staatsjieuern zu Hülfe zu kommen, weil

i Weblau.

niht die leßteren an s\ich, sondern deren Beshwerung mit Kom- munalzuschlägen den Steu:rdruck ¿mpfinden laffen. Um einer Be- vorzugüung bezw. Benachtheiligung, welcbe für ctwa mehr - oder minder belastete Kreistheile in Folge tes Erlasses sämmt'icher Kreisabgaten eintreten würde, vorzubeugen, mußte eiue aleihmäßige Vertheilung des zum Erlasse von Abgaben bestimmten Betrages für derartige Fälle vorgesehen werden. Obagleih ter Erlaß von Kreis- abgabea in erster Linie und als die gewöhnliche Regel als Verwen- dungs8zweck in Auesiht zu nehmen war, so konnte es do nicht in der Absicht der Staatsregierung liegen, auch da, wo die Kreis- und Provinzialabgaben nicht von Erheblichkeit und wenig drückend find, die Kreise zu deren Erlaß zu zwinçcen, während unter Umständen die Verwendung zu dringenden und durh das Interesse der Eingesessenen bedingten Ausgaben geboten ershien. Es ift daber in S. 3 Absay 3 ausnahmêweise auch cine anderweite Verwendung zuzelafsen; jedoch tür dahingehende Beschlüsse die Genehmigung des Bezirksraths 2c. vorbehalten worden, um das Interesse der Steuerzahler gegenüber etwaigen mißbräuchlihen Verwendungen zu wahren. Eine große Zahl von Kreisen wird allerdings in die Lage verseßt werden, für die ihnen zu Üüberweisenden Beträge noch andere Ver- wendungs8zwece als die Deckung der Kreisabgaben eintreten zu lassen. Nach den Angaben in der von dem Geheimen Ober-Regierungs-Rath Hertfurth und Geheimen Regierungs-Rath Studt aufgestellten Finanz- statistik der Kreise des Preußischen Staats (Ergänzungsheft VIL zur Zeitschrift des Königlichen Statistishen Büreaus) beliefen \ich im Jahre 1877/78 die Kreisabgaben in der Mehrzahl der Landkreise (beziehungsweise Aemter in Hannover) auf weniger als die Hälfte des Aufkommens an Grund- und Gebäudesteuer. Dieser letztere Betrag wurde nämlich im Jahre 1877/78 zwar in 244 Kreisen über- schritten, dagegen ia 217 nicht erreicht und in 30 Kreisen eine Kreis- steuer überhaupt nit erhoben. (Die 35 Kreise der Provinz Han- nover, von denen überhaupt nur 6 eine Kreissteuer erheben, {sind hier- bei ebenso außer Berechnung geblieben, wie die 35 Stadtkreise, in denen Kreis- und Gemeindebedürfnisse nicht gesondert zu berechnen find.) Wenn auch einem großen Theile dieser zur Zeit weniger be- lasteten Kreise, welcke meist in den neuen und westliwen Provinzen gelegen find, nah Dur{führung der Verwaltungsreform wesentlich erweiterte Aufgaben in kommunaler Beziehung zufallen werden, fo war es do erforderlich, für etwaige nah Deckung der Kreisabgaben verbleibende Ueberscbüsse Verwendung zu anderweiten Ausgabezwecken zuzulassen und dürfte es an solchen wohl kaum in einem Kreise fehlen. Insbesondere dürsten die Schulzwecke, der Wegebau und das Armen- wesen wohl in sehr vielen Fällen geeignete Gelegenheit hierzu bieten. In Folge der verschiedenartigen Verwendungen, welche der Ent- wurf nah Lage der Berhäl: nisse zulassen mußte, wird sich allerdings die Wirkung der Ueberweisungen auf die verschiedenen Kreise in sehr verschiedener Weise äußern und anscheinend zu einer ungleihmäßigen Behandlung der Steuerpflichtigen in den einzelnen Kreisen führen. Wenn auch die Möglichkeit vorliegt, daß in einem Kreise mehr, im anderen weniger oder gar keine Abgaben erlassen werden, so ift dies doch ledialih die Folge der thatsächblich bereits vorhandenen und unvermeidlichen verschiedenen kommunalen Belastung, welche ihrer- seits auch eine Ungleihmäßigkeit der Entlastung bedingt. Wenn die Staatsregierung außer Stande ift, eine Gleicbmäßig- keit der kommunalen Besteuerung herzustellen, so vermag sie auch andererseits nicht, Maßnahmen zu treffen, um die einzelnen Steuer- pflic:tigen direkt und in gleihem Maße an den, den Kommunal- verbänden zu überweisenden Beträgen partizipiren zu lassen. Ucebri- gens kommt die Dotirung der Kommunalverbände in einer oder der anderen Weise, sei es durch Erlaß von Abgaben, sei es durch Ver- meidung sonst erforderliher Erhöhung der kommunalen Laften, den einzelnen Steuerpflichtigen, wenn au indirekt, stets zu Gute. VI, Die finanzielle Bedeutung der Ueberweisungen für die betheiligten Kommunalverbände. Die finanzielle Bedeutung der vorgeschlagenen Steuerüberwei- sungen für die Kreise erhellt aus folgenden Angaben. - Die zu überweisende Klassensteuer beträgt na der Veranlagung für das laufende Jahr: M t. Á. Stufe 5 Einkommen von mehr als 1 200 bis 1350 3000119 - ¿ ¿ ¿e Ua 1500 3148 301 n Ï O00 1600 2360246 8 1600! 1820 2 7644839 9 S0 2100 2639831 10 2100 2400 3030589 l 2400 , 2700 2301062 12 : 200 3000 3086623 zusammen Stufe d bis 12 22331 260 Hiervon entfallen auf a) die Stadtkreise 6 090 371 M b) die Landkreise . 16240889 Von den angegebene: Beträgen würden jedoch die nah den Vor- {riften des Geseßes vom 16. Juli 1880 zu erlassenden Monats- raten abzusezen fein. Man darf mit einiger Sicherheit annehmen, daß auc ferner und regelmäßig, wie für das Jahr 1881/82 in Aus- sit genommen, der Erlaß einer dreimonatlihen Rate erfolgen werde. Es stellt fich die zu Überweisende Summe der Veranlagung noch auf 16 748 446 #. und zwar: für die Stadtkreise auf 4567 779 M « Bunte , 12180660 Von der Hälfte der Grunde und Gebäudesteuer mit 33 800 000 M würden erhalten: a, die Stadtkreise 6 611 050 M 27188950 ,

b, die Landkreise . Im Ganzen würden also bei vollständiger Durchführung der vorgesblagenen Anordnungen zur Ueberweisung kommen : a, für die Stadtkreise 11178 829 M D, VUndIeee. 39 369 617

Summa 50548446 M

Nach der oben angezogenen Finanzstatistik der Kceise des preußischen Staates für das Jahr 1877/78 betrugen die von den Landkreisen bezw. in der Provinz Hannover von den Aemtern erhobe- nen Abgaben 22792 614 Æ, also 187% des auf diese Verbände voraussichtlih zu überweisender. Klafsenfteuerbetrages, oder 84 9% der zu überweisenden Grund- und Gebäudesteuerquote oder 58 °%/ des Gesammtbetrazes. i

Bezüglich der Stadtkreise ließ ih eine Sonderung der Kreis- und Gemeindeabgaben nicht vornehmen und mußten der Vergleichung daber die gesammten zur Erhebung kommenden Gemeindeabgaben zu Grunde gelegt werven. Diese betrugen nach der von dem Geheimen Ober-Regierungs-Rath Herrfurth aufgesteliten Finanzstatistik der Ge- meinden in Preußen im Jahre 1876 49 194 692 M, also 1077 °%/% des zu überweisenden Klassensteuerbetrages oder 744 % der zu Üüber- weisenden Gruxd- und Gebäudesteuerquote oder 440 9%, des Gesammt- betrages. Daß die fiaanziellen Wirkungen der vorgeschlagenen Maß- regel auch für die Stadtkreise niht gering anzuschlagen sind, ergeben folgende Beispiele:

Li 2, 3. 4. f

Betrag der ¿u über- Betrag weisenden Zu- der in Grund- 1876 und erhobenen | Gebäude- Abgaben | steuer

M. i. M. A

. 119 989 060) 2 638 998! 1475 479| 4 114 477 3 631 866] 481225| 344 377| 825 602 2 799 620| 347556| 217071| 564 627 1308 6024 177 430| 146 690| 324 120

2 5941 359 609 540

sammen Spalte 5

beträgt von Spalte 3 | Spalte 2

Stadtkreise. Klafsen- steuer

Prozent

20,6 22,7 20,2 24,8

Berlin .

Cöln

Königbberg . .

Frankfurt am R «e

3098025) 251515 23,5

VII, Nothwendigkeit der Ausbildung der indirektew Kommunalbesteuerung behufs Ermäßigung des Drudckes der direkten Steuerlaft.

Die Staatsregierung verkennt keineëwegs, daß dur die in diesem Entwurfe geplanten E teuerüberweisungen der übermäßigen und für die Steuerpflichtigen drückenden Belastuna der direkten Staatsfieuer mit Kommunalzus{lägen in genügender Weise noch nicht abgeholfen werden kann. Es bedarf vielmehr rer Maßregeln, um den Druck kommunaler Steuerlaft zu mildern. Ein geeignetes Mittel zur Erreichung dieses Zweckes ist in der Regelung und Erweiterung der Befugniß der Kommunen, zur Deckung ihrer Bedürfnifse in- direïte Abgaben zu erheben, zu erblicken. Der indirekten Besteuerang ist in dem Systeme unserer Kommunalsteuergesetzgebung ein viel zu enger Spiclraum gewährt und ift es im Interesse ciner gedeiblichen Entwickeluna der Gemeinden, namentlih ter größeren Städte ge- boten, die Schranken wegzuräumen, welche der Ausbildung der indi- rekten Gemeindeabgaben entgegenstehen. Die Staatsregierung legt deshalb Werth darauf, daß diese Frage, welche in drei Sessionen des Landtages bei der Berathung des Gesetßentwurfes über die Gemeinde- abgaben eingehend erörtert ist, auch an dieser Stelle als eine be- sondere und dringende Aufgabe der Gesetzgebung Erwähnung finde, deren Lösung baldmöglichst in Angriff zu nehmen sein wird.

VIIL, Di e Vertheilung der disponiblen Summen auf

die vershiedenen Verwendungszwecke. Was die im zweiten Abschnitte des Entwurfs behandelte Ver- wendung der Mittel zu den in Abschnitt I. bezeichneten Zweckten an- langt, fo rechtfertigt sich das vorgeschlagene Theilungsverhältniß, na welchem zwei Drittel zur Ueberweisung der Grund- und Gebäude- steuer und nur ein Drittel zum Erlaß beziehungsweise zur Ueberwei- sung von Persfonalfteuern angeseßt sind, dadur, daß den leßtge-s daten Beträgen die nach dem Geseß vom 16, Juli 1880 disponiblen Summen zuzurechnen sind.

IX: Die u den in Abshnt l des Entwurfs bezeich- __ neten Zwecken erforderlihen Summen.

Die finanziellen Voraussetzungen, von welehen die Wirksamkeit ter vorstehend erörterten Anordnungen des Entwurfs abhängig sind, ergeben fc aus folgenden Daten:

Zur Außerhebungseßung von Klassensteuer müßten, da das Ver- anlagungsfoll der untersten vier Stufen nah der Veranlagung für das geaenwärtige Jahr unter Berücksichtigung der Kontingentirung 20058 621 M. beträgt, und unter Vorautseßung, daß auch fernerbin und reaelmäßig, wie dies im Entwurfe zum Staatshaushalts-Etak für 1881/82 in Auêsiht genommen if, der Erlaß einer dreimonat- lihen Rate auf Grund des Gesetzes vom 16. Juni cr erfolgen kann, rund 15 000 000 M verfügbar gemacht werden. Der den Kreisen zu Überweisende Fest der Klassensteuer würde, da nah dem Gtatsentwurfe für 1881/82 deren Gesammtbetrag sich auf 41 270 000 Æ oder nah Abzug der vorerwähnten dreimonatlichen Rate auf 30770 000 M beläuft, glei&falls in runder Summe fast 16 000 000 Æ betragen und die den Kreisen zufließende Hälfte der Grund- und Gebäudesteuer sich na demselben Entwurfe auf rund 33 800 000 Æ, der Gesammtbetrag der den Kreisen zu gewährenden Dotationen also unter Berücksichtigung der bei Aufstellung des Etats mit veranschlagten Abgänge und Ausfälle auf fast 50 Millionen Mark beziffern. Die Mindereinnahmen des Staates, deren Deckung aus Reichs8mitteln zu erfolgen hätte, würde demna ca. 65 Millionen Mark betragen. Dies würde die Bewilligung neuer Reichsfteuern im Gesammtbetrage von 105 bis 110 Millionen Mark einscließlich der Erhebungskosten erheishen. Sollte diese Summe durch neue Reihhssteuern niht zu erreichen scin, so würde man sich zunähst und mit Vorbehalt weiterer Ausbildung des Systems auf den Erlaß der vier untersten Stufen der Klassensteuer und die Ueberweisung der Hälfte der Grund- und Gebäudesteuer an die Kommunalverbände beschränken können. Jn dicsem Falle wür- den erforderlich sein: zur Außerhebungssezung der vier untersten Stufen

Der Mae behufs Ueberweisung der Hälste der Grund- und

Gebaude

15 000 000 Æ.

33 800 000 M

Sa. . 48800 000 M was einen Ertrag an neuen Reichtsteuern von ca. 80 Millionen Mark vorausseßen würde.

Es wird von der Beschlußnahme des Reihstags abhängen, ob und in welGem Maße die Mittel für die Steuerreform in Preußen flüssig zu machen sein werden. Hier kommt es ror Allem darauf an, in geseßlich bindender Weise festzustellen, in welcher Art diese Mittel, falls ihre Bewilligung erfolgen möht-, ihre Verwendung finden sollen.

Bezüglich der einzelnen Bestimmungen des Gesetßzentwurfes ist Folgendes zu bemerkten.

U S 2

tab dem leßten Absaße soüen in der Provinz Hannover bis zur Einführang der Kreisordnung die Amtsverbände und die selbft- ständizen Städte an Stelle der Kreise treten.

Die Kreise haben in der Provinz Hannover zur Zeit thatsäblich als Kommunalverbände keine Bedeutung erlangt, vielmehr können als folche Lediglich die Amtsverbände und die selbständigen Städte in Betracht kommen. Voa den 35 Kreisen dieser Provinz erheben nur 6 Kreisfteuern, während die Amtsverbände und Städte erheb- lie kommunale Abgaben zu bestreiten haben. Es wird daher dur die vorges(lagene Ausnahmebestimmung lediglih den bestehenden Verhältnissen dieser Provinz Rechnung getragen und kann darin um so weniger eine Bevorzugung derselben gefunden werden, als mit Ein- führung der dem Landtage vorliegenden Kceisordnung auch dort die Ueberweisung an die Kreise erfolgen wird.

US 0 sind die erforderlihen Erläuterungen bereits in dem allgemeinen Theile der Motive gegeben.

A4

Nach F. 10 der Kreisordnung für die östlihen Provinzen darf „die Vertheilung der Kreisabgaben nach feinem anderen Maßstabe, als nach dem Verhältnisse der von den Kreitangehörigen zu entri- tenden direkten Staatssteuern und zwar nur durch Zuscbläge zu den- selben erfolgen“, und nah §, 106 der Provinzialordaung erfolgt die Vertheilung der Provinzialabgaben auf die einzelnen Land- und Stadtkreise nah dem Maßstabe der in ihnen aufkommenden Staats- steuer mit Aus\{luß der Gewerbesteuer vom Hausirgewerbe.

Da es nicht die Absicht des Gesezes ist, den bisher für die fraglichen Kommunalabgaben gültigen Vertheilungsmaßftab zu ändern und die Kommunalverbände bei Echebung von Zuschlägen auf die JIiteinnahme der betreffenden Staat#ëstenern nah Abzug der über- wiesenen oder erlassenen Beträge zu beschränken, so crschien es den angeführten Gesetzesstellen gezenüber erforderlich, dies ausdrüdlich hervorzuheben.

In gleiter Weise war es erforderlih, bezügliß der von der Entrichtung gewisser Steuerbeträge abhängigen Wahlberechtigungen Verfügung zu treffen. :

Der leytgedachten Vorschrift liegt die Absiht zu Grunde, daß nitt allein da, wo das Recht zu wählen oder die Wählbarkeit von der Entrichtung gewisser Steuerbeträge abbängig gemacht ist, sondern auch in denjenigen Fällen, in welchen die Bildung von Wahlabthei- lungea unter Zugrundelegung von Steuerbeträgen erfolgt, das Ver- anl2gungsfoll maßgebend sein soll, Ï

Zu §8. 6.

Bezüglich der Art und Weise, in welcher die Feststellung der zn den verscbiedenen Zwecken jähriic& zu verwendenden Beträge erfolgen soll, unterscheidet der Entwurf zwischen den unter I. und unter II. be- zeichneten Beträgen. Die ersteren sollen gleih den nah dem Geseße vom 16. Juli cr. zu Steuererlassen bestimmten Summen jährlih im Staatshaushaltéetat festgestellt werden, die leßteren dagegen, obwohl selt stredend die den Kreisen zu überweisende Quote der Grunde und Gebäudesteuer gleichfalls im Etat anzuführen ist, nicht mit der dort

verans{lagten Summe, sondern nur ia derjenigen Höhe zur Verthei- lung gelangen, welhe nah Abzug des den Hohenzollernschen Landen