1924 / 248 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Oct 1924 18:00:01 GMT) scan diff

Dahlem sowie des Instituts für Insektionskrankheiten Nobert Koch in Berlin und den bekannten Toxikologen der Berliner Universität, Herrn Professor Lewin, zum Studium der Krankheit und aller in Betracht kommenden Verhältnisse an Ort und Stelle entsaædt. Zur Durchsührung der notwendigen umfangreichen Untersuchungen ist außer den genannten Instituten unSs{Selchrten auch die Nahrungsmittel- untersuchungsanstalt beim Polzeipräsidium in Berlin unter Leitung von Geheimrat Juckenack herangezogen worden. Außerdem beteiligen sich auch die Kliniken und wissenschaftlihen Justitute der Königsberger Universität an der Aufklärung der Krankheit. Rach Zimmerbude habe ih cinen tüchtigen inneren Klimker entsandt, damit er die Kranken dort und in Peyse, den beiden am schwersten befallenen und ärztlich schr s{chwierig zu versorgenden Orten, behandelt, auß für die Gin- sendung des nötigen Untersuhungsmaterials Sorge trägt. Jch habe Ferner angeregt, daß die Abwässer der Zellstoffabrik niht mehr, die- jenigen der Stadt Kömgösberg erst nah gehöriger Reinigung durch Mieselung in das Haff eingeführt werden. Die Zellstoffabriken haben von sih aus bereits zugesagt, daß sie dafür Sorge tragen werden, daß in Zukunft kein Arsen mehr von ihnen in das Haff gelangt. Außerdem bin ih mit dem Auswärtigen Amt in Verbindung getreten, um durch dieses bei Polen und dem Senat der Freien Stadt Danzig darauf himvirken zu lassen, daß die Wicderzuführung des Nogatwassers zum Frischen Haff, die jeßt nach Vollendung des Elektrizitätswerks bei Mehwe für den Anfang des nächsten Jahres vorgesehen sein soU, möglichst sofort bewerkstelligt wird.

Sie sehen, meine Damen und Herren, daß von den Staats- Hebörden alles getan wurde, was zur Aufklärung der Krankheit, zur Behandlung. der Kranken und zur Beseitigung der Krankheitsursachen möglich war. Wenn im „Echo des Ostens" das Gegenteil behauptet wurde, so muß ich das als einen unsahlihen Versuch, aus einem großen Unglück Agitationsmaterial zu entnehmen, zurückweisen. Auf einer noch niedrigeren Stufe steht die Behauptung deêselben Blatts, daß die Haffkrankheit darauf beruhe, daß das Wasser des Haffs mit Lewisit, einem im Kriege verwandten Giftgase, vergiftet sei. (Abg. Peters [Hochdonn]: Die Zellulose besteht doch Jahre lang!) Aber die Haffkrankheit ist erst seit dieser Zeit aufgetreten. JedensfalUs ist es nit zutreffend, was vom „Echo des Ostens“ behauptet wurde.

Den Antrag der Konmmunistischen Partei, eine Kommission aus Fischer- und Arbeiterkreisen zur Untersuchung der Haffkrankheit ein- zuseben, bitte ih abzulehnen. Von einer solhen Kommission verspreche ih mir einer Sachlage gegenüber, die den größten Gelehrten s{chwe: Nätsel zu lösen gibt, keinen Nußen.

Zweifellos befinden sih die Haffischer, wie dies mein nah ODist- preußen entsandter Vertreter in seinem Bericht auh erwähnt hat, auch in einer Notlage. Ob es notwendig sein wird, daß von der Negierung besondere Mittel zur Unterstüßung der Fischer zur Ver- fügung gestellt werden, darüber werden die von mir veranlaßten Grhebungen noch weitere Klarheit verschaffen, und dann werden Beschlüsse und Entschließungen getroffen werden müssen.

Das seinerzeit im Reichstage vorgelegie Geseh zur Bekämpfung der Geschlehtskrankheiten ist zu meinem Bedauern niht verabschiedet worden. Die neuzeitige Be- kämpfung der Geschlehtöskrankheiten erfordert aber dringend geseßliche Grundlagen, wenn sie erfolgreich sein soll. (Sehr richtig!) Solile

“die Reichsregierung diese gesegeberishen Arbeiten nicht weiter ves folgen, so muß erwogen werden, ob niht mit Hilfe der Landesgeseh- gebung vorgegangen werden soll. (Sehr richtig! links.)

Die reihsgesebßlihe Regelung des Apotheken- wesens befindet sich noch immer im Stadiunt der Vorbereitung. Von dem mir unterstellten Ministerium werden dabei die erforder- ichen Hilfsarbeiten geleistet. Die finanziellen Gesichtspunkte, die durch die Ablösung der bestehenden Apothekengerehtsame in den Vordergrund gerückt sind, haben bei der derzeitigen finanziellen Lage des Reiches den Fortgang der geseßlihen Regelung dieser Frage er- heblich achemmti und werden auch noch für die nächste Zeit hindernd m Wege stehen.

Da die Meichsregierung die geseblihe Regelung des Frrenwesens anscheinend nicht weiter verfolgen will, habe ih die Vorbereitung eines entsprechenden Landeégeseßes angeordnet. Es verden zunächst die beteiligten Kreise, die Verbände der Jrrenärzte und der Verband der Provinzialverwaltungen, vielleiht auch der Landesgesundheitérat, zur gutahtlichen Aeußerung aufgefordert werden müssen, ebe sich die Staatöregierung mit dieser Frage cingehender beschäftigt. Für die Aerzteshaft der Proving Grenzmark Posen-West- preußen und Oberschlesien, die bisher einer \taatlich geordneten iStandeëvertretung entbehrt, ist eine solche dadurch geschaffen worden, daß die beiden vorgenannten Provinzen mit den Bezirken anderer Aerztekammern durch Geseh vereinigt worden sind, Die Grenzmark Posen-Westpreußen bildet mit der Proving Brandenburg und der Stadt Berlin, die Provinz Oberschlesien mit der Provinz Nieder- sdlesien nunmehr einen gemeinsamen Aerztekammerbezirk. Zugleich Habe ich die Vorbereitungen einer neuen Fassung des ärztlichen Ehrengerichtsgesehes angeordnet, um au hier die in der Terten Zeit bervorgetretenen Wünsche und Anregungen auf Abänderung dexs Gesetzes im neuzeitlichen Sinne zur Beratung zu stellen.

Die erhebliche Herabseßung der Widerstandsfähigkeit der Be- vólkerung machte sih sehr deutlich bei dem Auftreten der Grippe- epidemien geltend, die vielfah einen bösartigen Charakter annahmen. {5s mußte vaher mit verstärkter Vorsicht und Aufmerksamkeit das Muftreten übertragbarer Krankheiten übenvaht werden, zumal täglih dex Einbruch gemeingefährlicher Seuchen vom Osten und Südosten des Landes her droht. Es ist das unbestreitbare Verdienst der preußischen Medizinalbeamten, troß unzureihender Entschädigung während der wirtschaftlichen Not des vergangenen Jahres Tag und Nacht auf dem Posten gewesen zu sein und mit dazu beigetragen zu haben, daß große \Spidemien vermieden wurden. Jch kann besonders den Kreisärzten hier meinen Dank für ihre treue selbstlose Pflichterfüllung aus\prechen.

Im Zusammenhang hiermit halte ih es für richtig, die Dien st - tätigkeit der Kreisärzte nunmehr wieder auch bezüglich ührer Meisen zu beleben, wie das insbesondere auch von Herrn Ab- geordneten Dominicus in seiner Nede gefordert wurde, und sie auch

* mehr als bisher für die Gesunwdheitsfürsorge zu verwenden, damit die \taatlihen Gesundheitsbeamten voll und ganz an der Verbesserung der ENolfögesundheit mitarbeiten können.

Daß unter den jeßt obwaltenden Umständen bei dem allgemeinen Personakabbau bezüglih der Medizinalbeamten mit besonderer Vorsicht verfahren werden mußte, ist einleuchtend. Hierbei mußte cuch noch berücksichtigt werden, das ist von mir immer betont worden, daß es sich bei der Medizinalabteilung überwiegend um Eingelbeamte

Handelt, die ebensowenig wie die Landräte abgebaut werden können, |

Ferner mußte beachtet werden, daß bei der Mediginalverwaltung schon seit Kriegéende systematisch alles abgebaut worden is, was sih durch Organisationsänderungen usw. abbauen ließ und zu vertreten war. Gin sachliher Abbau hat überhaupt nicht stattgefunden nund auch nicht stattfinden können. h

Da alle Maßnahmen auf dem Gebiete der Volksgesundheit nur dann die erhoffte Wirkung haben werden, wenn sie von einer gut- unterrichteten und ausreihend belehrten Bevölkerung willig auf- genommen und unterstüßt werden, ist es andauernd mein Bestreben, die gesundheitliche Belehrung der Bevölkerung in engex Arbeits- gemeinschaft mit allen hierbei in Betracht kommenden Faktoren, ins- besondere auch den fozialhygienishen Fachverbänden, zu fördern.

Der von mir ins Leben gerufene Landesaus\chuß für hygienische Volksbelehrung hat im Laufe der leßten Jahre in allen Provinzen Provinzialausschüsse gegründet, die zum Teil recht exfreulide Ergebnisse erzielt haben. Von ihnen aus werden in den größeren Ortschaften Ortsausshüsse gebildet, denen die örtliche Auf- klärung in gesundheitlichen Dingen obliegt. Je größer die gefund- heitlihe Not ist, desto notwendiger ist es, daß jeder cinzelne weiß, wie cr sich gesund erhält, wie er sih vor Gesundheitsschädigungen der verschiedensten Art und vor dem Krankwerden {hüßt, wie der Schwache, WiderstandLunfähige wieder leistungsfähig und widerstands- fähig wird, endli, wie der Kranke es vermeidet, seine Umwelt, seine Angehörigen zu gefährden. Die vom Landtag für diese Zwecke be- willigten Mittel sind in erster Linie für die finanzielle Unterstüßung dieser Belehrungsorganisation verwandt worden. In zweiter Linie haben sie dazu gedient, die sozialhygienishen Akademien für die er- gänzende Ausbildung der Aerzte zu unterstüßen, denn die notwendigste Vorausseßung sür eine Besserung des Volksgesundheiiswesens ist cine gute Ausbildung des Heilpersonals. Deshalb ist auch die Ausbildung der angehenden Aerzte durch eine neue Prüfungs- ordnung, die im Juli d. J. erlassen worden ist, gefördert und vertieft worden.

Auch die Ausbildung der Zahnärzte soll den neuzeit- lichen Anfovderungen und den Fortschritten der Wissenschaft ent- sprechend ergänzt und vertieft werden. Eine Umarbeitung der geltenden Prüfungsordnung ist in Vorbereitung. Die in den leßten Monaten besonders lebhaft erörterte Frage des Verhältnisses der Zahntechniker zu den Zahnärzten und die Wünsche der Zahntechniker, durch den Staat in ihrer Lage verbessert gu werdeny haben eine große Bedeutung für die Volksgesundheit. Jch habe daher angeordnet, was ja bereits dem größten Teil des Hauses bekannt ist, daß sih zunächst der Landesgesundheiisrai mit dieser Frage beschäftigt, damit bei ihrer Lösung in erster Linie die gesundheitlichen Interessen wahrgenommen und beachtet werden. Für das Heilyersonal ist es unerläßlid, in seinen wirtschaftlichen Verhältnissen so gesteUt zu werden, daß es sich den großen Aufgaben der Gesundheitspflege ohne größere Sorge widmen kann. (Sehr richtig! links.) Deshalb habe ih Bedacht darauf genommen, in der Gebührenordnung für Aerzte und Zahnärzte deren wirtschaftliche Lage genügend zu berücksichtigen, ohne die Heilsuchenden, insbesondere auch die staatlich Versicherten und die Träger der Neichsversiherungsordnung, zu stark zu belasten. Jeßt, wo die wirtschaftlihen Verhältnisse eine gewisse Stcbilität erlangt haben, wird es auch mögli sein, für die Ent- lohnung der Aerzte und: Zahnärzte gleichmäßigere Grundlinien bver- folgen zu können. Dasselbe gilt bezüglich der Apothekertaxen, Hier ist es mein Bestreben gewesen, die Arzneitaxe an die jeweiligen Ver- hältnisse anzupassen, ‘besonders aber au auf die Erhaltung der für die Arzneiversorgung der Bevölkerung unentbehrlihen kleinen Land- apotheken Nücksicht zu nehmen.

Auch im vergangenen Berichtösjahr stand im Vordergrund der Verwaltungsmaßnahmen die Ver sorgungder Bevölkerung mit ausreihenden Nahrungsmitteln, die Mitwirkuna bei der Sicherung der Volksernährung, insbesondere bei der Ver- sorgung der Bevölkerung mit Milch, Fett und Fleish. Hier mar notwendig, die erforderlihen Kenntnisse von den Forshungs- ergebnissen der Ernährungswissenschaft im Volke zu verbreiten. Dies ist nah dem übereinstimmenden Urteil aller Sachverständigen durch die entsprechende Schrift von Geheimrat Juckenmack in besonders zweck- mäßiger Weise geschehen. (Sehr richtig! links.) Je s{wieriger die Ernährungsverhältnisse waren, um so mchr mußte Wert darauf gelegt werden, die Nahrungömittelkontrolle aufrect- zuerhalten, die infolge tes Auftretens vielfacher Fälschungen jebt be- sonders wichtig ist. Um die bestehenden Bestimmungen über den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln den neuzeitlichen Verhält- nissen anzupassen, ist seitens der Reichsregierung auf diesseitige An- regung die Umarbeitung des Nahrungsmittelgeseßes in Angriff ge- nommen worden, bei der die mix unterstellle Volksgesundheits- verwaltung eine ersprießlihe Mitarbeit leistet. i

Eine Frage, die jeßt bedeutsam geworden ist, die Frage der Arbeitszeitund der ArbeitseignunginihremWVer- hältnbs zur Volksgesundheit und zur Leistungs- fähigkeit des einzelnen Arbeitnehmers, ist von mr mit besonderem Junteresse verfolgt worden. Wenn es gelingt, die physiologishen Grenzen der Arbeit und der Gesundheit bei der Arbeit

abzugrenzen und die Arbeitnehmer in geeigneter Weise über die Berufs- |

gefahren bei der Arbeit aufzuklären, so wird es auch mögli fein, die Arbeiterschaft mehr als bisher bei der Bekämpfung dieser Arbeits- gefahren zu beteiligen und dadurch eine für die Arbeit und die Pro-

—duktivität gleih vorteilhaste Interessengemeinshaft von Arbeitgebern

und Arbeitnehmern zu schaffen und dadurch die wirtschaftliche Kraft des Gesamtvolkes zu beben,

Was den Landesgesundheitsrat angeht, so werde ih mich bemühen, Mittel dafür bereitzustellen, daß die Verhandlungen des Landesgesundheitsrats in Zukunft veröffentliht und dadurh der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden können. (Sehr gut!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn au das Ge- samtbild, das die Volksgesundheit zurzeit bietet, durhaus noch trübe und wenig erfreulich ift, so steht do zu hoffen, daß mit Anspannung aller Kräfte das, was am Volkskörper erhalten werden kann, auch erhalten wird, und daß durh geeignete Maßnahmen die Wiederstands- fähigkeit und Leistungsfähigkeit unserer Bevölkerung sih wesentl:ch bessern wird. Von mir und meinen Mitarbeitern im der Volksgesund- heitsverwaltung wird unablässig darauf Bedacht genommen werden, alles zu tun, was geschehen kann, um die Volksgesundheit und damit auh die Volkskraft zu stärken. ;

Zur Beratung bei unserem Etat steht auch die Große Anfrage der Abgeordneten Dr. Quaet-Faslem, Winckler und Gen. über die Notlage der Land- und Kleinstadtapotheker, die ih

bereits in meinem Bericht kurz gestreift habe. Als Anlwotrt gy Große Anfrage möchte ih folgendes sagen. Unter dem Zusammenbruch der deutschen Währung

f die

Land- und Kleinstadtapotheker weit mehr gelitten als die Besiy

mittlerer und großer Apotheken; denn das Sinken der Kaufkraft Bevölkerung hatte einen erheblihen Nückgang des Arzneiverbrayad d

zur Folge, weil auh der Kranke bestrebt ist, sih zunächst die fü, notwendigen Lebensmittel zu beschaffen. Der allein arbeitende dd und Kleinstadtapotheker ist niht in der Lage, bei starkem Geschäi rüdgang die allgemeinen Betriebsunkosten entsprehend einzusräut, weil für ihn die Entlassung von Personal niht in Frage ton Seitdem es gelungen ist, die deutshe Mark zu s\tabiklisieren, is i wieder ein, und zwar cin ständig zunehmender, Verbrauch von Arnd mitteln und Arzneien zu beobachten, der deswegen zu begrüßen weil es im Interesse der öffentlihen Gesundheitépflege liegt, daß d Krankheiten der verschiedensten Art rechtzeitig behandelt werda] Allerdings ist hiermit noch nit die Notlage der allein arbeiteyy, Apotheken beseitigt, weil troß der Stabilisierung der Wäh, breiteste Schichten des Volkes Not leiden und infolgedessen au be, Einkauf von Heilmitteln haushälterisch umgehen müssen. Deshali ist die Grhaltung der Land- und Kleinstadtapotheker meine besond Sorge gewesen, zumal bei dem heutigen Stande der Wissenschgst ad Arzneimittel niht mehr verzihtet werden kann. |

Bei Beantwortung der Großen Anfrage Nr. 184 habe ih bere im vorigen Jahre ausgeführt, daß es niht mögli i}, die deuts Arzneitaxe als Einheitstare so zu. gestalien, daß ly also auch der kleinsten Apotheke eine angemessene Cristenz gewi leistet wird, da andernfalls einem sehr großen Teil der übrig Apotheken ein Vorteil erwachsen würde, der sich sahlih im Hingl auf die wirtschaftlihe Lage der Krankenkassen sowie des weiy größlen Teiles der nihtversiherungspflihtigen Bevölkerung 1s rehtfertigen lassen würde, und daß daher unter Umständen ven y Gemeinden und Gemeindeverbänden, die an der Erhaltung de: MNede stehenden Apotheken wirtshaftlich und gesundheitlich interessu] sind, geholfen werden müsse. |

In der gegenwärtigen Deutschen Arzneitaxe ist bereits gesehen, daß, wenn sih an einem Orte nur eine Apotheke befind und in dieser neben dem Apothekenvorstand kein Apotheker (4 Assistent tätig ist, der Apothekenvorstand auch an Sonn- und Fe bagen von Nachmittags 1 Uhr ab dieselbe Zusaßgebühr von einer Nf berechnen darf, die im übrigen nur in der Zeit von 8 Uhr Abends 8 Uhr Morgens als sogenannte Nachtschußtaxe für die Apoth schlechthin in Betracht kommt.

Weiter habe ih inzwischen die Abschläge, die die Apotlefer uf die Nehnung der Krankenkassen zu gewähren haben, so gestaffelt, di der Lage der kleinsten und kleinen Apotheken weitgehend Ned getragen worden ist,

In sozialer Hinsicht wurde shon unter dem 18, Februar 1! angeordnet, daß in Orten mit nur einer Apotheke den Apothekn die ihre Apotheke ohne pharmazeutishes Personal betreiben, dur d Negierungspräsidenten - widerruflich gestattet werden kann, l Apotheke an Sonn- und Feiertagen von 1 Uhr Nachmittags 0b den übrigen Teil des Tages zu schließen, Die Genehmigung mi davon abhängig gemacht, daß für Notfälle gewisse, nah Art u Menge näher zu bezeichnende Heilmittel jederzeit durch Vermitilu einer zuverlässigen Person erreihbar bleiben, Weiter kann U Negierungspräsident Apothekern der genannten Art auf ihren Arlt widerxuflih gestatten, sich während bestimmter Stunden aus | Apotheke zu entfernen, wenn Vorsorge getroffen ist, daß im Bed falle der Apotheker innerhalb einer Stunde zurückgerufen werden kg Weitere Erleichterungen vermag ih nach dieser Richtung nicht zu/ währen, da auch den Bedürfnissen der Bevölkerung Nechnung geit werden muß (sehr richbig!) und der Apotheker mit Rücksicht daß daß er für sein Gewerbe einen besonderen Schuß gegen Konkun genießt, der Bevölkerung gegenüber au" erhöhte Pflichten hat,

Um jedoch im Interesse der Arzneiverordnung einen Zusauns bru der kleinsten Apotheken zu verhindern, habe ih die M präsidenten veranlaßt, mit Hilfe der ihnen nachgeordneten Behör sowie au der Apothekerkammern zu prüfen, welche allein arbeitet Land- und Kleinstadtapotheker sih in einem besonders hilfsbedürfti Zustande befinden, und im Anschluß daran zu versuchen, die an) Erhaltung dieser Apotheken besonders interessierten Kreise, name! Gemeinden, nah Maßgabe des für sie bestehenden Interesses u hilfen zu gewähren. Denn es ist niht zu verkennen, daß derl Apotheken seinerzeit hauptsählih- auf Wunsch der auch heuie 1 an ihrer Aufrechterhaltung interessierten Kreise konzessioniert wt sind. Nur eine derartige Hilfe würde einen wirksamen Erfolg l sprechen, da Zuschläge zu den Preisen der Arzneitaxe im Hinblit 8 die sehr geringe Zahl von ärztlihen Verordnungen, die tägli int betreffenden Apotheken angefertigt werden, eine wesentliche Erh der Einnahmen nit zur Folge haben können. Nach den bisher ! gegangenen Berichten haben die genannten Bemühungen der geordneten Behörden zum Teil bereits Erfolg gehabt, zum Till son eine allgemeine Besserung der Verhältnisse zu verzeichue!.

Die Reichsregierung verfolgt, ebenso wie die preußische S regierung, schr sorgfältig die Lage der allein arbeitenden Land- l Kleinstadtapotheker, und es haben im Frühjahr dieses Jahres ! den beteiligten Ressorts wieder Besprehungen darüber stattgefun? wie diesen Apothekern im Interesse der arzneibedürftigen Bevölke geholfen werden kann. Die Lösung dieser Frage ist Aveit shwier als es zunädst erscheint; denn es muß selbstverständlich vern werden, daß solchen Apothekern, die zwar ohne pharmazet!!® Personal arbeiten, aber einen guten Umsaß an Arzneimitteln hef und sih der Hilfe von pharmazeutish nicht vorgebildetem Perso zux Ersparung von Auêsgaben an Gehältern bedienen, ein wn tigter Gewinn zufließt. Darüber, welhe Maßnahmen nach Mst der zurzeit s{webenden Erörterungen noch in Frage kommen fem oder in Frage kommen werden, vermag ih zurzeit noch nit J {luß zu geben. Jm kommenden Monat wird anläßlich det j ratung der Deutschen Arzneitaxe für das Jahr 1925 wieder eine ! s{lägige Besprehung zwishen den Vertretern der Reichsre0!! und den Vertretern der Länder stattfinden.

Meinen Ausführungen bitte ih zu entnehmen, daß ih forigt bestrebt bin, sowohl die Interessen der arzneibedürftigen Bevölke als guch die der Apotheker aller Art gerecht gegeneinander abu und dort, wo, wie bei den allein arbeitenden Land- und Klein! apothekern, besondere Maßnahmen erforderlih erscheinen, Der ergreifen, soweit sie durchführbar sind” Selbstverständlih fn

Und day x i j Uj der allgemeinen Verarmung haben zweifellos die alleinarbeity.

vit alle Wünsche der allein arbeitenden Land- und - Kleinstadt- potheker erfüllt werden, aber die Wünsche, die berehtigt und erfüllbar

aschinen, werden von mir in allen Fällen sehr sorgfältig geprüft

rden, M Meine Damen und Herren, wenn ih mir dann ein paar Bemer- ingen gu den Ausführungen während der Debatte gestatten darf, y habe ih mi besonders gefreut über das Bedauern aller Parteien iter die geringen Mittel, die unserem Ministerium zur Ver- fügung stehen. Ih muß mir nur die Bemerkung gestatten, daß ih nit dem Bedauern, so {chön und gut es gemeint war, mit dem besten Pillen keine weitere Volkêswohlfahrt betreiben kann. (Sehr wahr!) Menn in der Volkswohlfahrt mehr gemacht werden soll, müssen Mittel ind Wege gesuht werden, um der Wohlfahrt in größerem Umfange (elder zur Verfügung zu stellen. (Sehr richtig! im Zentrum und links.) Denn es ist nun einmal so, daß man zur Ausübung von Mohlfahrt Mittel haben muß. Wenn man sie niht hat, kann man wohl eine Reihe von Maßnahmen treffen, die vielleiht auch ohne die Aufwendung von Mitteln eine Verbesserung versprehen; aber i muß doch sagen, daß das durhweg nur möglih ist, wenn ent- sprechende Mittel zur Verfügung stehen.

Gegenüber der Behauptung des Herrn Abgeordneten Dr. Quaet- Faólem, daß in Berlin russishe Aerzte Wohnung hekämen, deutsche Aerzte aber keine bekommen könnten, muß ih dech feststellen, daß nah einer Auskunft des Magistrats Berlin, bei dem ja meines Wissens auch die Partei des Herrn Dr. Quaet-Faslem vertreten ist, in keinem eingigen Fall nahzuweisen ist, daß ein russischer Arzt cine Wohnung bekommen hat. (Hört, hört!) Ich bitte also, nir das entsprehende Material zugänglih zu mahen. Von Privut- personen, au von Aerzten, ist aber leider russischen Aerzten Gelegen- heit gegeben worden, in möblierten Wohnungen usw. zu praktizicren. Darauf hat aber das Wohnungsamt keinen Einfluß. Ich muß also den wm Herrn Abgeordneten Quaet-Faslem erhobenen Vorwurf ent- schieden zurückweisen bis zu dem Zeitpunkt, wo mix das notwendige Pelegmaterial für diese Behauptung zugänglih gemacht wird. Wie

id überhaupt bitte, in der Debatte weniger mit allgemeinen An-

lagen zu kommen, sondern, wenn irgendwo Mißstände vorliegen, nen wir mit allem Nachdruk nahgehen wollen das nehme ih fir uns in Anspruch —, uns die notwendigen Unterlagen zu geben. Mit allgemeinen Anklagen können wir wigklich wenig anfangen.

Wenn dann gewünsht worden i}, wir möchten der Auf- flärungsßarbeitüberdie Gesundheitsverhältnisse imdeutshen Volke mehr Beachtung schenken, so kann ih nur agen, daß dieser - Angelegenheit selbstverständlih {hon heute gerade von unserem Ministerium besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Lom Wohlfahrtsministerium werden ständig Berichte und Ermitt- Iungen an die Presse gegeben, in denen Untersuchungsergebnisse, itatistishes Material usw. verarbeitet ist. Diese Berichte werden, soviel wir haben beobachten können, in großem Umfange verwendet. je Denkschrift über den Gesundheitszustand is auch für eine Auf- ärung im Auslande nußbar gemacht worden: der Pressestelle ver Reichsregierung i} eine größere Anzahl von Exemplaren diesev Denkschrift zur Verteilung an die auswärtigen Missionen zugestellt orden, und ih darf wohl annehmen, daß das geschehen ist,

Zu dem Antvage Limberß und Gen., betreffend einen Ah- chlag zur preußischen Gebührenordnung für die preußischen Krankenkassen, bemerke ih, daß bereits durh ie Bekanntmachung vom 11, Juli d. J. mit Wirkung vom 1. Juli J, den Reichsversicherungsträgern, also den Krankenkassen, den

erufsgenossenshaften und den Landesversicherungsanstalten ein Ab- schlag von 20 % von den Mindestsäßen der preußishen Gebühren- rdnung für Aerzte und Zahnärzte gewährt worden ist. Damit ift den Wünschen der Antragsteller {hon vor mehr als drei Monaten soweit wie mögli) Rechnung getragen worden. In weiterem Umfange war das nicht möglih; ih konnte auh hier die Wünsche weder des einen noch des anderen Teiles voll befriedigen, sondern mußte einen Mittelweg gehen. Dieser Abschlag ist nux so lange be- willigt, als die Notlage der Neichsversicherungsträger als nachgewiesen gilt, Ebenso wie auf die Notlage der Reichsversiherungsträger muß auf die Notlage der Aerzte Rüksiht genommen werden. Diese it in den Zeiten der fortschreitenden Geldentwertung so gestiegen, daß es unsere Gesundheitsabteilung mit {weren Sorgen erfüllt hat, Die Nücklagen, die von den älteren Aerzten in der Vorkriegs- ¡eit gemaht worden sind, sind bei der Inflation geschwunden wie lci ullen anderen Leuten auch; es ist zum Teil völlige Mittellosigkeit ein- getreten, Die Witwen und Waisen unserer medizinishen Autoritäten èr früheren Zeit sind dadur teilweise in die größte wirtschaftliche Not geraten, Die Unterstüßungsgesue, die im Wohlfahrts- ministerium eingehen, zeigen dies leider mit ershrelender Deutlichkeit. Die hohen Einnahmen einzelner “Kassenärzte helfen über dieses Elend leider nicht hinweg. Es kommt hinzu, daß der Krieg dur die Aus- bildungskürzung und durch die Notaprobationen einen Ueberfluß an Jungen Aerzten gebracht hat; dadurh ist das Einkommen der Aerzte 10 mehr gesunken, Eine Kapitalrücklage für den Fall des Alters ind der Invalidität ist bei sehr vielen einfah ausgeschlossen. i Deshalb begrüße ih den Gedanken der Sicherstellung der Aerzte durch eine geeignete Selbstverwaltung mit Genugtuung und habe bereits auf Anregung des preußischen Aerztekammeraus\usses Grmittlungen und Feststellungen über eine ürztlihe Zwangsversicherung nah dem Vorbilde Bayerns in die Wege geleitet, Nur ein materiell sichergestelltey Aerztesdand wird die hohen wesundheitlichen Anforderungen erfüllen können, die die neue Zeit von ihm fordert. (Sehr uichtig!) __ TVezüglih des Antrages dev Abg. Limberß und Genossen Nr. 8094 Üer die Unterlassung der Impfungen möchte ih mir Plane Bemerkungen gestatten. Der Antrag der Sozialdemokratischen ri, die wiederholte Aufforderung zur Impfung zu unterlassen, falls der Erziehungöberechtigte, nachdem er einmal wegen Unterlassung der Impfung seiner Pflegebefohlenen rechtskräftig bestraft worden ist, die eidesstattlihe Versicherung abgibt, daß er es mit seinem Ge- Bit niht vereinbaren kann, seine Pflegebefohlenen impfen zu assen, würde eine Durchbrehung und Aenderung des Reichsimpfgeseßes be- deuten, Dieses verlangt nämlich, daß alle Kinder geimpft werden, muêgenommen die Kinder, die nah ärztlihem Zeugnis ohne Gefahr für Leben und Gesundheit niht geimpft werden können Die Landes- regierungen sind an diese reihsgeseblihe Bestimmung gebunden, (Zu- tufe bei der Sozialdemokratischen Partei: Und Hessen?) Ich komme 00 darguf. Dem genannten Antrage kann daher nicht zugestimmt werden, Es ist richtig, daß in Hessen der Landtag Anfang Juli d. J. êinen ähnlichen Antrag angenommen hat; die hessishe Regierung hot

sich aber ebenfalls dagegen auêgesprohen und ihn dann - nicht durch- geführt. (Zuruf bei der Sozialdemokratischen Partei: Deshalb können wir ihn do hier annehmen!) Jch kann dem Landtage durchaus nicht verbieten oder den Landiag verhindern, einen solchen Antrag an- zunehmen. Ich muß nur für den gegenwärtigen Zustand auf die augenblickliche Rechtslage verweisen, und nah dem geltenden Reichs- impsgeseß bin ih nit in der Lage, dem Antrage stattzugeben. (Zuruf bei der Sozialdemokratischen Partei: Tritt denn die Preußische Staatsregierung dafür ein, daß das Neichsgesch deshalb geändert wird?) Jch-habe nicht vie Möglichkeit, für die Preußische Staats- regierung in dieser Frage eine Erklärung abzugeben, weil das Preußische Kabinett darüber bisher noch nit beraten hat.

Was nun den von dem Herrn Wg. Dr. Weyl kritisierten Ex - laß über die Jmpfversammlungen angeht, so lag- daz eine bestimmte Veranlassung vor. Es war in diesen Versammlungen öffentlih gegen die Dur(hfühvung der Schußzimpfung agitiert und aufgefordert worden, das JImpfgesetz zu sabotieren. Daß die Behörden dieser offenen Agitation gegen ein Neichsgesetz entgegentreten, ist do wohl ihre Pflicht. Daß der Erlaß nicht veröffentlicht werden sollte, lag keineswegs daran, daß er die Oeffentlichkeit scheute, sondern einzig daran, daß er nur an die Behörden und die Beamten gerichtet war. (Abg. Dr. Weyl: Aber die Bevölkerung hat ein Interesse daran, zu wissen, was ihr bevorsteht!) Jch muß noch einmal sagen, die An- gelegenheit ist Neihésache, und wir find in Preußen nicht in der Lage, sie allein abzuändern.

Sodann hat Herr Abg. Dr, Weyl vorgestern Klage darüber ge- führt, daß die Aerztekammer für Berlin-Branden- burg Normativbestimmungen fü® die von ihr eingesehte Groß- Berliner Vertragskemmission beschlossen habe und die Durchführung dieser Normativbestimmungen mit einem gewissen Terror betreibe, Herr Dr. Weyl hat dabei die Frage gestellt, ob dies Vorgehen der Aerztekammer auf wirtschaftlichem Gebiete zu ihrem Aufgabenkveis gehöre und ob hier nicht eine Ueberschreitung der Kammerbefugnis vorliege. Bei der Kürze der Zeit konnte eine Aeußerung des Herrn Oberpräsidenten als der unmittelbaren Aufsichtsbehörde über den vor- liegenden Fall nicht eingeholt werden, Es kann daher jeßt nur folgen- des dazu erklärt werden, Nach § 2 der Verordnung vom 25, Mai 1887, durch die die Aerztekammern eingerihtet worden sind, umfaßt der Geschäftskreis der Aerztekammer die Erörterung aller Fragen und Angelegenheiten, die den ärztlichen Beruf oder das Interesse der öffent- lien Gesundheitspflege betveffen oder auf die Wahrnehmung und Vertretung der ärztlichen Standesinteressen gerichtet, sind. (Abg. Dr. Weyl: Die Erörterung!) Hiernach kann es keinem Zweifel unter- liegen, daß die Erörterung von wirtschaftlichen Angelegenheiten der Aerzte im Kammerbezirk ebenfalls zu den Aufgaben der Aerzte- kammer gehört und daß die Festseßung von Normativbestimmungen in diesen Aufgabenkreis eingeschlossen ist, Zweifelhaft dagegen ist die Frage, ob die Aerztekammer berechtigt war oder berehtigt ist, eine Vertragskommission zu bestellen und deren Beschlüsse durh gewisse zwingende Maßnahmen zur Durchführung zu bringen, (Abg. Dr. Weyl: Richtig!) Diese Frage wird von mir nah Anhörung der Oberpräsidenten eingehend geprüft werden, wie ih überhaupt den von dem Herrn Abg. Dr, Weyl vorgetragenen Fall zum Gegenstande genauer Feststellungen machen werde. (Abg. Dr. Weyl: Bravo!)

Die Frage ciner geseßlihen Vorschrift betreffend den Au s- tausch von Gesundheitiszeugnissen vor der Che- \chließung habe ih bereits in der diesem hohen Hause unter dem 15, Februar 1922 vorgelegten Denkschrift über die Forderung von Gesundheitszeugnissen vor jeder Eheschließung eingehend behandelt, Jch möchte dieselben Ausführungen gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Weyl gelten lassen. Bei den im Frühjahr 1922 im Ausschuß für Bevölkerungspolitik erfolgten Beratungen über die aus meiner Denkschrift zu ziehenden Folgerungen hat sih die Mehrheit des Ausschusses zu meiner Genugtuung den von mir in jener Denk- schrift gegebenen Anregungen angeschlossen und die Forderung auf- gestellt, die Preußische Staatsregierung möge mit dem Reiche in Verbindung treten, um auf geseßlihem Wege die Einführung solcher gesundheitlihen Ehezeugnisse zu ermöglichen. Da ih an der An- gelegenheit ein lebhaftes Interesse nehme, kin ih son vor längerer Zeit mit der Reichsregierung in Verhandlungen darüber eingetreten, ob und inwieweit der Gedanke, solhe Chezeugnisse geseßlich cingu- führen, verwirklicht werden könnte. Bei diesen Verhandlungen, an denen außer dem Reichsministerium des Jnnern und dem Meichs- justizministerium auch noch das preußishe Ministerium des Innern, das preußishe Justizministerium und mein Ressort teilgenommen haben, ergab sih zunächst, daß bei der Reichsregierung noch gewisse Bedenken bestehen, der Frage der geseßlihen Einführung von Che- zeugnissen näher zu treten, und daß namentlich in den einzelnen Län- dern die Meinungen über die Zweckmäßigkeit und Durchführbarkeit einer solchen Maßnahme noch geteilt sind, Bei der weiteren Prüfung der Frage, ob es sih unter diesen Umftänden für Preußen empfehlen dürfte, zunächst mit einem nur für Preußen zu erlassenden Geseb vor- zugehen, wurden seitens der Reichsregierung Zweifel darüber ge- äußert, ob ein einseitiges Vorgehen Preußens auf diesem Gebiete nah der Rechtslage überhaupt angängig sei. Bei der weiteren Verhand- lung wurde scließlich sowohl von der Reichsregierung wie aud) von dem preußischen Justizministerium und dem preußischen Ministerium des Innern der Standpunkt vertreten, daß die geseßlihe Ginführung von Ehezeugnissen in der in unserer Denkschrift vorgeschlagenen Form nur auf dem Wege eines Neichsgeseßes möglich und infolgedessen ein gesondertes Vorgehen Preußens ausgeschlossen sei. Dieser Stand- punkt wurde auch festgehalten gegenüber unserem Cimvande, daß ja überhaupt gar nicht die Absicht bestünde, eine Geseßesvorschrift dahin- gehend zu erlassen, daß demjenigen Chebewerber, bei dessen Unter- suchung sih gesundheitliche Bedenken gegen die Schließung einer Ehe ergeben hätten, hieraus etwa ein Ehehindernis erwachsen solle, (sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei), da von uns immer nur der Gedanke vertreten worden ist, den Austausch von Gesundheits- zeugnissen vor jeder Ghe zwar allen Bewerbern zur Pflicht zu machen, im übrigen aber es demn pflihtmäßigen Ermessen des einzelnen Ghes partner zu überlassen, ob er hieraus etwaige Folgerungen im Sinne einer Abstandnahme von der Eheschließung ziehen wolle. Mit anderen Worten: unsere Absicht bestand nur darin, dur den allerdings zwangsweise einzuführenden Austausch von Gesundheitszeugnissen künftig auf die Massen unseres Volkes aufklärend dahin einzuwirken, daß der einzelne im Interesse seiner Nachkommenschaft und auch im eigenen Interesse vor Eingehen einer Ehe gewissenhaft die Frage prüfen solle, ob gegen eine solhe Ehe nicht etwa gesundheitliche Be- denken irgendwelher Art beständen, daß aber niemand gezwungen werden sollte, aus solchen Gründen die Absicht, sich mit einem anderen Teil ehelich zu verbinden, vorßer aufzugeben,

Troß dieses unseres Einwandes wurde aber von der Neichs- regierung und den übrigen beteiligten preußishen Ressorts geltend- gemacht, daß immerhin die von uns vorgeschlagene Regelung insofern einen geseßlichen Zwang und eine Aenderung der bisherigen Vor- : schriften bedeute, als ja die Einführung einer Vorschrift, betreffend die Pflicht aller Chepartner zum gegenseitigen Austaush von Gesund- heitszeugnissen, die Folge haben würde, daß diejenigen Ghebewerber, die aus irgendwelhen Gründen von dem Austausch solher Gesund- heitézeugnisse Abstand nehmen oder ihn gar verweigern sollten, vom Standesbeamten zurülgewiesen oder aber niht zur Ehe zugelassen werden können. Eine solhe Negelung sei aber tatsählich nur im Wege der Aenderung des Reichsgeseßes über die Beurkundung des Personenstandes möglih, da naturgemäß Nichterfüllung des Aus- taushes von Gesundheitszeugnissen ein Ehehindernis bilden würde, das bei der gegenwärtigen Rechtslage noch nicht besteht. Bei dieser Sachlage ist tatsählih die von mir angestrebte Regelung nur auf reichsgeseßlihem Wege angängig und es besteht meines Erachtens keine Möglichkeit für ein gesondertes Vorgehen einzelner Länder, also auch keine Möglichkeit für Erlaß eines besonderen preußischen Gesetzes auf diesem Gebiete. Selbstverständlih werde ih auch weiterhin bemüht fein, durch Verhandlungen mit der Reichsregierung zu einem positiven Ergebnis im Sinne unserer Denkschrift zu kommen und hoffe, daß es in nicht zu ferner Zeit gelingen wird, diese wichtige Frage einheit- lih für das ganze Reich zu regeln.

Jch möchte mir dann noch einige Ausführungen gestatten zu der Frage der Abteilung 2 meines Ministeriums, zum Siedlungs- und Wohnungswesen. Mit der Festigung der Währung hat auch der Wohnungsbau wieder auf eine festere Grundlage gestellt werden können. Der Betrag der zur Förderung der Neubautätigkeit in diesem Nechnungsjahre aus öffentlihen Mitteln, das heißt aus dem Auf- kommen an Hauszinésteuer, zur Verfügung steht, wird sh auf rund 200 Millionen Mark belaufen, Wie groß die Zahl der neuen Woh- nungen ist, die unter Zuhilfenahme dieser öffentlihen Mittel im laufenden Baujahre erstellt werden, ist im Augenblick noch nicht zu übersehen. Jch hoffe zuversichtlich, daß sie von 50 000 nicht allzuweit entfernt bleiben wird. Daß eine Produktion von jährlich 50 000 neuen Wohnungen oder unter Berücksichtigung der Bauten, die ohne öffentlißhe Mittel errihtet werden, von günstigstenfalls etwa 70 000 Wohnungen nicht ausreicht, um in abschbarer Zeit den dringendsten Wohnungsbedarf in Preußen zu befriedigen, liegt auf der Hand Jch darf nur daran erinnern, daß inm den Vorkriegs8jahren unter Ein rech- nung allerdings der Wohnungen, die als Ersaß für abgängig ac- wordene oder für Geschätfszwecke in Anspruh genommene Wohn- räume errichtet wurden, jährlih etwa 150 000 neue Wohnungen im Preußen erstanden. Wenn wix leider auch in den nächsten Jahren nicht mit einem Zuwachs an Haushaltungen zu rechnen haben wie in der Zeit vor dem Kriege, so ist auf der anderen Seite doch zu berück- sichtigen, daß während des Krieges überhaupt niht und danach nur in ganz geringem Umfange gebaut worden ist, so daß wir aus dieser Zeit her einen Fehlbetrag an Wohnungen haben, der unter allen Umständen ausgeglichen werden muß, wenn wir wieder in bescheidenem Umfange zu einem Wohnungsmarkte gelangen wollen. Ich glaube also, daß wir unsere Wohnungsproduktion in den nächsten Jahren zum mindesten verdoppeln müssen und daß wir deshalb auch nicht daran vorüberkommen, die Mittel, die uns in unserem Haushalt hier- für zur Verfügung zu {tellen sind, emtsprechend zu erhöhen.

Wenn ich hier gleih mit einem Worte auf das Verfahren eingehen darf, das hinsihtlich der Vergebung dev öffentlihen Mittel in diesem Jahre eingeshlagen worden ift, so glaube ih auf Grund der bis jeßt vorliegenden Erfahrungen fest- stellen zu können, daß dieses Verfahren die beteiligten Kreise im großen und ganzen recht befriedigt hat. Nur in einem Punkte, auf den ih bereits früher miv hinzuweisen erlaubt habe, erscheint die Nege- lung, und zwar die geseßlih getroffene Regelung, dringend einer Nachprüfung bedürftig. Nah den Bestimmungen der preußischen Steuernotverordnung vom 1, April 1924 sollte der für den Woh- nungsbau bestimmte Anteil an Hauszinssteuerauffommen zu 4 den Gemeinden und zu 4 dem Staate zufließen. Nach der seit dem 1, Oktober 1924 eingetretenen Erhöhung des für den Wohnungsbau bestimmten Anteils an Hauszinssteuerauflommen ändert sih dieses Anteilsverhältnis dahin, daß den Gemeinden 6, dem Staate aber nur % zuy Verfügung stehen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie die praktische Erfahrung uns Tag für Tag zeigt, ist diese

' Regelung durchaus unbefricdigend, ja sie ist staatspolitisch ungemein

bedenklih, wenn man berücksichtigt, daß der dem Staate überwiesene Anteil aw den öffenilihen Wohnungsbaumitteln niht ausreiht, um einen vernünftigen Ausgleih in dev Befriedigung der völlig ver- schieden voneinander liegenden Wohnungsbedürfnisse in den einzelnen Bezirken des Staatsgebiets herbeizuführen. Eine Umfsiedlung aus den Großstädten in die vorx den Toren liegenden Vororte oder länd- lien Gemeinden ist ohne Zuführung entsprehender Ausgleichsmittel an die leßteren kaum mögli, da diese Gemeinden selbst nur über geringe Wohnungsbaumittel verfügen, sie aber in erster Linie ihre ortsansässigen Wohnungsbedürftigen bedenken müssen. Daß eine solhe Umsiedlung aber in weitem Umfange staatspolitisch erwünscht emd deshalb zu fördern ist, wird wohl au von allew Seiten dieses hohen Hauses anerkannt werden,

Besonders ernst aber liegen die Wohnungswerhältnisse in unseren leider von den fremden Besaßungen immer noch aufs allerschwerste bedrängten westlichen Gebieten, die auh des- halb in besondêrem Maße der Unterstüßung bedürfen, weil in ihnew infolge der besonderen Verhältnisse in den leßten Jahren auf dem Gebiete des Wohnungsbaues weit weniger unternommen werden konnte, als in den unbeseßten Staatsgebieten, (Sehr richtig!)

Ebenso bedürfen der besonderen Staatswohnungsfürs- sorge die nach vielen Tausenden zählenden Flüchtlingss- familien aus den abgetretenen Ostgébieten, (Sehr vichtig!) Daß diese Flüchtlingsfamilien, zu denen im übrigen immer noch weiter in großer Zahl Familien hinzutreten, zun Teil seit Fahren in einer Weise untergebraht worden sind, die als menschen- würdig niht mehr angesprochen werden kann, die vor allem aber das nahwachsende Geschlecht gesundheitlichß und sittlih aufs allers{werste gefährdet, habe ih mir bereits früher anzudeuten erlaubt. Um hier nachhaltig helfen -zu könnm, bedarf es großer Mittel in der Hand des Staates, Í

Es sind also keineswegs Gelüste nah ecinev Erweiterung der Tätigkeit der Zentvalinstanz, wie ih etwaigen Einwendungen gegen- über vorweg bemerken möchte, sondern rein sachliche und menschliche Erwägungen, die mich veranlassen, auch jeßt wieder bei der Beratung des Etats quf die Mängel hinzuweisen, die dio gegenwärtige Negelung