1848 / 22 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Aus\c{uß, jo lange feine gesebliche Abänderung erfolge, alle diejenigen Befugnisse habe, welche ihm die Verordnung vom 3. Februar v. J. beilege. “Eine Abänderung des geseblihen Zustandes ist aber seitdem niht erfolgt, und fonnte ohne Verleßung des Königlichen Wortes nicht erfolgen, weil sich Se. Majestät in der Botschaft vom 27. Junî L ausdrüdcklich dahin ausgesprochen hatten, daß Sie die Anträge des Vereinigten Landtags auf Abänderung der Geseße vom 3, Fe- bruar und namentlich diejenigen auf Beschränkung der Befugnisse des ständischen Ausschusses zwar in sorgfältige Erwägung nehmen, si die Allerhöchste Entschließung aber bis dahin vorbehalten wollten, wo jene Geseße in allen ihren verschiedenen Stadien ausgeführt sein würden. Diejer Zeitpunkt war noch nicht eingetreten, und Niemand durfte daber warten, daß Se. Majestät eine Aenderung in diesem Punkte |hon jeßt geseßlich feststellen würden. Demnach is nach der deutlichen Crklârung des Landtags =- Abschiedes der jeßt berufene und bier verjammelte Vereinigte ständische Ausschuß mit allen denjenigen Rechten und Befuguissen bekleidet, welche ihm die zweite Verordnung vom 3, Gebruar zuweist, und jedes einzelne Mitglied der Versamm- lung hat die volle Befugniß, sih dieser Rechte in ihrem ganzen Um- fange zu bedienen, während der Regierung die Verpflichtung obliegt, eden, der sih dieser Rechte bedient, in deren Ausübung zu hüten. Die wird dieser Pflicht nachkommen.

__. Wie aber die Regierung bei ihrer Vorlage an den Vereinigten ständischen Ausschuß die Ausübung dieser Rechte nicht in ihrem vollen Umfange in Anspruch genommen hat und gerade diejenigen Mit= glieder der hohen Versammlung, welche in dieser Debatte zuerst auf.

getreten sind, sollten dies nit verkennen so fordert sie auch von keinem der Mitglieder, daß es von seinem Rechte den vollen Gebrauch

machen solle. Daher lag auch bis dahin noch keinerlei Veranlassung

vor, die RKompetenzfrage des Vereinigten Ausschusses zur Crörterung |

hier zu ziehen. Uebrigens trete ih der von einem anderen geehrten | Mitgliede hervorgehobenen Ansicht völlig bei, daß die Gewissen der | einzelnen Mitglieder nicht beshwert werden dürfen, und daß es jedes Ein= | zelnen Sache ist, nach seiner Ueberzeugung zu bemessen, wie weit er | sih der ihm gebotenen Rechte bedienen oder enthalten wolle. Jch glaube, daß dies genügen wird, um den Standpunkt der Regierung sestzustellen, und schließe mich dem Wunsche an, daß diese Diskussion für die ganze Dauer der Session hiermit geschlossen sein und die Versammlung nunmehr zur Lösung der ihr zunächst vorliegenden Aufgabe schreiten und solche mit Eifer und Ausdauer zum Ziele führen möge.

(Mehrere Mitglieder: Ja wohl! Ja wohl!) __ Marschall: Jch halte es nicht für erforderli, noch irgend ein Wort hinzuzufügen, und {ließe mich dem Vorschlage an, zur Lagesordnung überzugehen.

___ (Von allen Seiten Zeichen der Zustimmung.)

Wir wenden uns also zur Berathung des Gesez-Entwurfs über das Strafrecht. Jch ersuche den Referenten Naumann, den Bericht zu erstatten. j

Referent Naumann (lies vor) :

|

Gutamwtèn

der zur Vorbereitung ernannten Abtheilung des Ver-= einigten ständischen Ausschusses, betreffend den Ent- wurf eines Strafgeseßbuchs für die preußischen Staaten.

In dem Vorberichte zu den Motiven des vorliegenden Entwurfs eines Strafgeseßbuches für die preußishen Staaten wird bemerkt, daß dieser Entwurf das Ergebniß einer durhgreifenden Revision des- jenigen Entwurfs sei, welcher im Jahre 1843 den versammelten Ständen sämmtliher Provinzen zur Begutachtung vorgelegen habe. Es is uicht zu verkennen, daß bei dieser Revision die von den Pro= vinzial- Ständeu gemachten Erinnerungen in Erwägung gezogen und zum Theil berücksichtigt worden sind; außertem aber O, Die Ver oben erwähnte Vorbericht angiebt, die von einzelnen Behörden, Be= amten und Schriftstellern ausgegangenen Bemerkungen über deu Eut- wurf vom Jahre 1843 berücjihtigt worden, und es i der nunmehr dem Vereinigten ständischen Ausschusse zur Begutachtung vorgelegte Entwurf sowohl der Form als dem Juhalte nach wesentlich verschie- den von dem früheren Entwurfe,

Unter diesen Umständen konnte die Abtheilung die ihr gestellte Auf- gabe, für die Plenar-Berathungen des Vereinigten ständischen Ausschusses den vorliegenden Geseß-Entwurf vorzubereiten,

nicht anders lösen, als indem sie den ganzen Geseß-Entwurf in s\ei= nen einzelnen Bestimmungen durchgegangen is und ihn einerseits unter Berücksichtigung der früheren von den einzelnen Provinzial= Landtagen gemachten Erinnerungen, andererseits aber zuglei in sei=- uen gegenwärtigen veränderten Bestimmungen selbstständig geprüft hat.

Die zur Berathung bestimmten Hauptfragen, welche in einer Zusam- menstellung vorgelegt worden sind, beziehen sich zwar hauptsächlich auf wesentlihe Veränderungen des früheren Entwurfs; allein sie ershöpfen diese Veränderungen niht, und ihre Beantwor= tung alleïn würde weder eine Prüfung des ganzen Geseh- Entwurfes bedingen, noch würde dadurch der Vereinigte ständische Ausschuß Gelegenheit erhalten , seine Ansicht über viele der wichtig- sten Fragen kund zu geben. Aus diesen Gründen konnte die Abthei= lung sich auf eine bloße Prüfung dieser Fragen und auf Vorschläge für die Beantwortung derselben nicht beschränken. Es sind diese Fra- gen bei denjenigen einzelnen Bestimmungen des Geseh - Entwurfes, nun welche fie sich unmittelbar anschließen , zur Erörterung gezogen worden. Ae E

Was die Fassung der einzelnen Bestimmungen anbetrifft, so kann sih die Berathung und Abstimmung des Vereinigten ständischen Aus- schusses hierauf nur insoweit erstrecken , als die Fassung auf Sinn und Jnhalt des Geseß=Entwurfes von wesentlichzem Einflusse erscheint. Diese Gränze war bei Begutachtung des Geseh - Entwurfes in der Abtheilung möglichst zu berücssichtigen, und es is daber uur dann eine bestimmte veränderte Fassung Por ggen worben , wenn die Worte des Geseh - Entwurfes die einzelnen estimmungen nicht ge- nügend klar auszudrücken schienen, oder wenn eine inateriell verschie- dene vder neue Bestimmung vorzuschlagen angemessen erschien, Allein hierbei konnte doch nicht überall stehen geblieben werden. Die Be- trahtung, daß das Geseß zunächst für das Volk bestimmt is, dem es als Norm für seine Handlungen dienen soll, daß es daher noth- wendig in einfacher, klarer und allgemein verständliher Sprache ab- gefaßt sein muß, macht es unvermeidlich, auch darauf zu achten, daß diesen Anforderungen genügt werde. Die Abtheilung hat daher nicht umhin gekonnt, auch in dieser Beziehung die einzelnen Bestimmungen einer Prüfung zu unterwerfen, und sie behält sich vor, das Ergebniß dieser Prüfung und die danach erforderlichen, auf die Fassung bezüg- lichen Anträge am Schlusse ihres Berichts zusammenzustellen,

In Betreff der Eintheilung des Geseß - Entwurfs in besondere Abschnitte findet die Abtheilung zunächst die Sonderung der allgemei- uen Bestimmungen über die Gränzen der Anwendung der Strafge- seße, über die Strafen überhaupt u. \. w,, wie sie der erste Theil umfaßt, von den auf die einzeluen strafbaren Handlungen bezüglichen Bestimmungen angemessen; dagegen wird sh die weitere Sonderung der einzelnen Materien und die Ueberschrift der Theile und Titel, in welche der Geseß - Entwurf zerfällt, nothwendig modifiziren müssen, wenn diejenigen Vorschläge, welche dem Vereinigten ständischen Aus-

|

124

{usse von der Abtheilung empfohlen werden, Billigung erhalten. Wie dies am geeignetsten geschehen möge, wird der Final-Redaction des Gesebes vorzubehalten sein.

Mehrere Fragen, welche die wichtigsten Aufgaben des Entwurfs, so wie die Prinzipien der Strafgesebgebung und ihre Einführung ín das Strafgeseßbuch oder die konsequente Durchführung in demselben, betreffen, haben bei Berathung des allgemeinen Theiles des Entwurfs zur definitiven Entscheidung nicht vorbereitet werden können. Derar= tige Fragen sind: L

ob das vorliegende materielle Strafgeseßbuch eine bestimmte Prozeß= form vorausseße; E

ob eine bestimmte Entscheidung über die Zweckmäßigkeit desselben ohne gleihzeitige Kenntniß einer zu gewärtigenden neuen Strafprozeß-Ordnung möglich sei;

ob wenn eine neue, allen Landestheilen des Staats gemeinsame Prozeß-Ordnung nicht zu gewärtigen stehe der Strafgesetz= Ent zurf den Prozeß - Formen nach den gegenwärtig in den verschiedenen Landestheilen in Kraft bestehenden Prozeß-Ord- nungen entsprechen und“ namentli die Gerichts-Verfassung in der Rhein-Provinz nicht beeinträchtigen werde.

Ferner gehören hierzu die Fragen:

ob Geldstrafen als Kriminalstrafen entbehrlih seien ; ob der Verlust der bürgerlihen Ehre uur neben der Zuchthausstrafe eintreten dürfe, oder ob darauf auch neben anderen Strafen erkannt werden fönne; ob das Geseß dem Richter nicht blos die Abmessung der Strafe, sondern au die Wahl zwischen verschiedenen Strafarten über- lassen dürfe ; ob der Richter ermächtigt werden solle, in geringen Fällen, oder wenn Milderungsgründe vorwalten, auf, der Art nach, niedri gere als die gejeblihen Strafen zu erkennen ; es zulässig sei, die Bestrafung von Vergehen in besonderen Fäl- len oder unter gewissen Verhältnissen von dem Antrage einer Privatperson abhängig zu machen, ___ Die Abtheilung ift bestrebt gewesen, die Beurtheilung dieser und ähnlicher Fragen son bei Prüfung des allgemeinen Theils des Ent- wurss vorzubereiten, allein die definitive Entscheidung wird erst erfol-= gen können, wenn nah Prüfung der Bestimmungen über die einzel= nen Verbrechen und deren Strafen eine fonfretere Auffassung gewon- nen is, und es wird vorbehalten, am Schlusse dieses Berichts auf jene ¿Fragen nohmals zurückzukommen.

Abgeordn. Steinbeck: Wenn ih die Geduld der hohen Ver- sammlung vielleicht etwas länger in Anspruch nehme , als ich selbst wünsche, so geschieht es um der Wichtigkeit des Gegenstandes willen und deshalb, weil es mir durchaus nothwendig scheint, von vornher= ein fest deu Standpunkt gewonnen zu haben, von welchem prinzipiell auszugehen is, um bei Beurtheilung der einzelnen Paragraphen des Gesetzes eine

fousequent durchgeführte Ansicht festhalten zu können,

Ich erlaube mir diese Nachsicht der hohen Versammlung vielleicht deshalb in Anspruch nehmen zu dürfen, weil ih selbst in der Lage gewesen bin, eine Masse von Erfahrungen in den Bereichen der Kri-

minal = Gesehgebung z1 sammeln, wie nicht alien hier anwesenden Mitgliedern möglich gewesen sein dürfte, und weil mir Gelegenheit gegeben war, im Laufe einer bedeutenden Reihe von Jahren nicht blos die preußische Kriminal -Geseßgebung, sondern auch das Krimi-= nal-Verfahren eines Theiles der österreichischen Monarchie kennen zu lernen, welches hier vielleicht au einige Beachtung verdienen möchte, Ob jemals der Zeitpunkt, und bei welchem Volke er eintreten wird, wo das, was wir jetzt Kriminalwesen nennen, gänzlich in phi- lanthropishe Justitutionen sich auflösen wird, is eine Frage, die zu der Reihe von Fragen von dem ewigen Frieden u. s. w. gehört, welche philosophischer Speculation anheimfallen. Eín solches Jdeal muß aber auch von denen, die an die Erfüllung desselben uit glauben, ins Auge gefaßt werden, wenn sie bei dem Verfahren über Strafen und bei der Feststellung von Strafen selbst dasjenige berücksihtigen wollen, was wir zu berücsihtigen haben, da das Kriminalwesen nichts Stehenbleibendes und Petrifizirtes, soudern etwas in fortschreitender Entwickelung Begriffenes is, ctwas, was sich der Geschichte der Menschheit und des einzelnen Volkes unmittelbar anschließt. Es lehrt die Geschichte des Kriminalrechts, daß zu allen Zeiten, wenn in dem europäischen Völkerverkehr große Umwälzungen stattgefunden haben, man dann auch an die Revision der Kriminal=Geseßgebung gegangru ist, und das Studium der Kriminal - Geseßgebung in den einzelnen Perioden is höchst lehrreih, um den Geist eines Volkes in diesen Perioden aufzufassen. Auch wir sind in einem solhen Moment and Stadium angelangt. Die großen, durh Europa gegangenen Erschütterun- en haben uns aufmerksam gemacht darauf, daß die ganze sittliche Welt in dem Stadium eines großen Fortschrittes sich befindet. Politik, Sittlichkeit und juristische Ansichten durchdringen sich gegenseitig mehr als je, und es ist nothwendig, sie alle gleichzeitig ins Auge zu fassen, wenn unser Werk ein glüklihes werden soll. Wir haben dies läßt sich niht leugnen in der preußischen Monarchie einen großen Fortschritt damals gemacht, als das Allgemeine preußische Landrecht ins Leben trat. Wir haben seitdem aber cinen Zeitraum von mehr als funfzig Jahren vorübergehen sehen, und es haben die Verhält- nisse sih so mannichfaltig geändert, es haben \ich die Ansichten der Philosophie selbst auf einen Standpunkt gestellt, der damals ganz fremd, also unbeachtet g-blieben. Aber es is nicht die Theorie, welche uns lehren soll, denn die Theorie bleibt ohne Praxis stets blind und die Praxis ohne Theorie stets lahm, wie einer unserer geistreihsten Mit- bürger ausgesprochen. Theorie und Praxis müssen sich durch- dringen, dann können sie Leben schaffen , und gerade auf ein solches lebendiges Schaffen kommt es an, wo es sich um allgemeine Juter- essen der Menschheit handelt; wo Alles, was den Menschen heilig und werth is: Vermögen, Leben, Freiheit und Ehre, gleichzeitig be= rührt werde. Man hat vom theoretischen Standpunkte aus uns Theorieen der Abschreckung, der Prävension, der Correction, der Ver- geltung gegeben, und alle diese Theorieen haben in der Anwendung da, wo sie in die vereinzelten Geseßgebungen übergegangen, ihre Un- tauglichkeit bewährt. Nur wo und fo weit sie in einander vershmol- zen, gleichzeitig belebt von dem Hauche ciner würdigen Auffassung der meuschlihen Natur in die Geseßgebung übergeflossen, haben sie sich bewährt, Ein solhes Vershmelzen und Belebeu is es, was wir bei

der uns vorliegenden zu erreichen uns bemühen wollen. Nun aber bestehen in unserem Staate zwei Gesetgebungen neben einander, um deren Vereinigung cs sih handelt. Beide Gesebgebungen sind ur- sprünglih germanisher Natur. Die eine hat sich im Verlaufe der Zeit ausgebildet, in der Form, wie es die ganze Verfassung deutscher Staaten in ihrem Gange mit si führte; die andere blieb zum Theil erhalten, ward aber ausgebildet in der Form, wie es das französish- politisch - juristishe Wesen mit sich führte. __ So finden wir sie übergegangen in jenes Geseßbuh, welches sowohl in der Form, als in dem Wesen unseren deutschen Brüderu so theuer, so werth is, daß sie dieses Gut zu den s{önsten Gütern es politischen Daseins zählen und im Allgemeinen mit Recht zäh- len, So weit es möglich is, daß wir das germanishe Prinzip, welhes in beiden Geseßen waltet, in beiden ausgleichen, so weit es Ga ist, daß wir das, was eine rauhe Zeit und ein despotischer

Gesebgeber in die rheinische Gesepgebung hineinpflanzte, mildern und dem Geiste der Humanität versöhnen können, so weit, scheint es, ist

es unsere Pflicht, daß wir, besonders die den alten Provinzen anae- hörenden Mitglieder dieser Versammlung, uns alle Mühe aeaen f hin zu streben, dieses zu bewirken. Eben so werden unsere rbeini- schen Brüder, wir können dies überzeugt sein, gern anerkennen: daß in unserem Allgemeinen Landrechte und in unseren damit in D in dung stehenden Beseßen Vieles enthalten ist, was dem Geiste E Humanität mehr entspriht, als vas die französischen auf deutschen Boden übertragen haben. Wir dürfen hoffen, daß sie nit eigen- sinnig, sondern besonnen festhalten werden an dem, was ihnen werth ijt, also gern bereit sein werden, _wo es darauf aufommt, dag Nr handene aufzuopfern und das Bessere zu nehmen, gern uns die Hand dazu bieten werden. Was die Formen betrifft, so sind sie gerade vorzugsweise bei dem Kriminalrecht mit dem Wesen innig verschmol- zen. Ohne Form is das Wesen todt. Es is nicht gleichgültig

jondern von hoher Bedeutung, ob wir die eiue oder die andere Forn suUr das Kriminalverfahren wählen, allein auch hier fommt es dar= auf an, das Jdeal ins Auge zu fassen und dieses Jdeal gerade so eit zu verfolgen, als es der dermalige gegebene geschihtlich entwik- Felte Zustand des Staats erlaubt und gebietet, Es is hier zur Zeit aber nicht der Ort, weiter zu entwickeln, was dur geistreiche Schrift= steller hon weitläuftig erörtert worden ist, nämlich, daß das JÎdeal der Strafrechtspflege darin bestebt, daß die richterliche, auf Rechts- ansiht gegründete Entscheidung sich vereinige mit der Stimme des Volkes; mit einem Worte: daß das Ideal des Strafgerichts = Ver- sahrens darin besteht, daß man die Geschwornengerichte als Basis ansehe, auf welche sich alle materielle Strafgeseßze zurücizubeziehen haben. Ob dieses Geschwornengericht die englische, französische oder irgend eine andere Form annimmt, fann bei Seite gestellt werden. Hier kommt es nur darauf an, die Idee festzuhalten. Dies ist es, was ih der geehrten Versammlung vorzutragen gehabt habe, mit dem Wunsche, daß unser Wirken ein kräftiges, ein nahhaltiges sei; daß es die Herzen am Rhein, an der Oder, an der Weser und der Weich= sel fester und inniger vershmelze : daß das Volk wisse, daß Ein Necht über ihm waltet, daß in diesem die wahre Gleichheit vor dem Gesebe herrshe, und daß von diesem Gesichtspunkte aus das Geseb seine Weihe empfangen habe.

__ Korreferent Abgeordn. von Mylius: Jch stimme aus vollem Herzen den Worten bei, die von dem geehrten Mitgliede der Ritter- schast aus Schlesien gesprochen worden sind; namentlich aber auch im Znteresse der Provinz, welche ih zu vertreten die Ebre habe. Auch ich glaube, daß jeßt der Zeitpunkt gekommen is, wo eine Verschmel= zung der Formen möglich ist; ih glaube aber auch, daß jeßt der Zeitpunkt da ist, wo der Beruf der Zeit für die Geseßgebung erkannt wird, weil er niht weggeleugnet werden mag, weil wir in ein Sta

dium der politischen Bildung gekommen sind, wo die eigentliche Be= deutung desjenigen, was man unter der rheinischen Institution be

zeichnet, immer flarer hervortritt. Der Kern der rheinischen Justitu-= tion besteht in dem frei und selbstständig entwicelten Staats Bürger

thume, cmanzipirt von der bevormundenden Verwaltung, welche früher das germanische Selbstbewußtsein und die Elemente des deutschen Volkes seit vielen Jahren unterdrüdckt hat, welche dur die großartige Schöpfung Sr. Majestät des Königs durch den Vereinigten Landtag zu diesem Standpunkte politischer Entwickelung gediehen sind. Des= halb glaube ih, daß hier der Moment sein wird, wo eine Verschmel- zung desjenigen, was wir behalten wollen, und dessen, was Sie wün- schen mögen, möglih und erwünscht is, und ich pflichte der Ansicht des Redners vor mir bei, daß eine solche Vereinigung in den Prozeß formen am besten zu erreichen ift, daß aber auch hier Möglichkeit durch die Einheit der Prozeßform bedingt wird.

Abgeordn. von Donimierski: Die Abtheilung erklärt, wie wir eben gehört haben, daß sie mehrere wichtige Fragen nicht zur definitiven Entscheidung vorbereiten konnte und deshalb am Schlusse darauf zurückkommen will. Darunter sind drei Fragen wegen des Strafverfahrens. Nach meiner Ueberzeugung is es unmöglich, daß wir das Strafgeseß begutachten können, wenn wir uns nicht klar machen, in welchen Normen des Verfahrens geltend gemacht werden soll, Es is unbedingt für keinen Theil des Rechts das Prozeßver- fahren von so großer Bedeutung, als gerade für das Strafrecht; hier steht Form und Wesen in der genauesten Beziehung zu einander, wie dies eben von einem Redner schon bemerkt ist. Auf dem preußischen Landtage gingen wir bei der Begutachtung des Entwurfs von de1 Annahme aus, daß die Kriminal-Ordnung von 1805 unverändert blei ben werde, weil damals nit die geringste Erwähnung vou einer Umarbeitung derselben geshah, so schr wir auch dieselbe für wün- shenswerth erachteten. Seitdem is das Gescß vom 17, Juli 1846 ergangen. Dieses hebt die frühere Kriminal-Ordnung wesentlich auf. Das Juquisitions- und Relations=Verfahren besteht nicht mehr, die Entscheidung des Richters hängt nicht von der Geschicklichkeit des Jnquirenten, noch von den Ansichten der Referenten ab; vor seinen Augen erfolgt die Anklage, Beweisaufnahme und Vertheidigung des Angeklagten, er sieht Alles selbst, was ihm früher in dien Akten= stücken zusammengecschrieben ward. Er nmmmt jezt zwischen dem An= fläger und dem Angeklagten seine natürliche Stellung em. Nach Anhörung der Thatsachen spricht er jeßt nach seiner freien Ueberzeu- gung, unabhängig von allen positiven Beweisregelu, das Schuldig aus. Aufgehoben sind deshalb alle außerordentlihen Strafen, die in konsequenter Ausbildung der Beweistheorie entstanden waren, dic nah Größe der Jndizien höher oder geringer festgeseßt wurden, Hohn sprechend aller Gerechtigkeit, da der Angeklagte nur schuldig oder nicht schuldig scinkann. Hier bei dem mangelhaften ZIndizien-Bewcise tritt vorzüglich der Unterschied hervor zwischen demunsrigen und dem Vei fahrenin der Rhein-Provinz. Dort sißen den Richtern unparteiische Mán- ner aus dem Volke zur Seite, welche nah genauer Prüfung der Cat sachen erklären, ob der Angeklagte das Verbrechen begangen 148 oder niht. Durch diese Erklärung erhält der Richter den na gen” Beweis, uud dann erst fann er das Strafgeseß in E auduhs bringen, während der Richter weiland nah seiner freien Uc aae den mangelhaften Beweis vervollständigt und das Schuld1g Bi efitideod Wenn bei der Abfassung des Allgemeinen Landrechts E E Bestreben bestand, für jeden einzelnen Fall eine M e vtulen un Bestimmung zu geben, um die richterliche Willkür M are ¿ln wn aus eben dem Grunde eine Menge positiver N han 4 be Haa Kriminal-Orduung aufgenommen wurden, so_s{etn? man jest E

Wu AOHZ A ‘e Extrem verfallen zu sein

Geseße vom 17. Juli 1846 in das andere Eu btner Meuadiot man hat dem Richter mehr Rechte eingeräumt, 0!" er dunctio!

E ¿ G bhängigkeit des Nichters gesichert gehören. Borausgeseßt, daß die Una i idung der Strafgeseze heute is, können wir seinem Ermessen bei liche Bildung unserer Juristen ee E E: wiffsens{a n, aber nie gestatten as Mt einen möglihs großen Spielraum L lteberzou ung den man (he ften Richter im Strafprozesse nad E rrlebe er Du und Rid ns Beweis vervollständige. Des aris in Sis O 2 s gleih. Nach Aufhebung der Dewelt- N R A A le n Ne eik z chworenen cine Nothwendigkeit, Mau trägt, die Einführung der Ges dieses Institut bei uns einzufübr weil wie es scheint, Bedenken, dic S i L L zuführen, ve

feine historische Basis hier hat, vielmehr will mau durch das neue Ae y den Uebergang dazu bilden, Mit der ständischen Ver= E E A0 wird dieses Institut im vollständigen Einklange fassung denn so wie jene dem Volke eine Mitwirkung bei der Geseß= ine einräumt, \o dieses bei der Ausübung des wichtigsten Theiles

BE Rechtspflege, wo es das Leben, die Freiheit und die Ehre der

Unterthanen gilt. Neben der Städte-Ordnung und anderen Einrich- tungen aus den Jahren von 1807 bis 1845 wird dieses Jnstitut einen neuen Grundpfeiler bilden, auf welhem sich ein lebendigeres Rechts - Bewußtsein und ein gesunder Staats - Organismus bei uns entwickeln wird. Es is niht meine Absicht, von den Vorzügen der Geschwornengerichte zu sprechen, ich will nur andeuten, daß wir sie nach Aufhebung der Beweis=Theorie im Strafprozesse über kurz oder lang bekommen müssen. Es erscheint daher am zweckmäßigsten, daß wir bei der Begutachtung dieser Strafgesebe in Betress des Prozeß- Verfahrens vou einem gleichen Standpunkte mit den Abgeordneten der Rhein-Provinz ausgehen. i ù :

Referent Abgeordn. Naumann: Jch habe nur di: Absicht, die Bersammlung auf den Gesichtspunkt aufmerksam zu machen, welcher sich in der Abtheilung geltend gemacht hat, und weshalb die Eróör- terung dieser Frage gleich im Anfang der Berathung nicht zweckmäßig er)chienen ist, : gesprochen haben, eutwickelt worden sind, sind auch in der Abtheilung von vielen Mitgliedern, vielleiht von der Majorität, anerfanut Or- den, sie hatten dieselbe Ansicht, welche entwickelt worden ist, Es ist aber vorgezogen worden, die Frage: ob nur unter Vorausseßung einer bestimmten Prozeßform das Kriminalrecht zu berathen sei, bis an den Schluß der Berathung vorzubehalten, weil man nach erfolgter Berathung der Bestimmungen des Geseßentwurfes besser werde prü- fen fönnen, ob gerade dieses matcrielle Recht in der Art, wie es hier gegeben werden foll, nothwendig ein öffentliches und ein Verfahren vor Geschwornen bedinge oder nicht. Deshalb war die Abtheilung der Meinung, sich niht von vornherein auf diese Frage einzulassen, sondern die Entscheidung über dieselbe für den Schluß nach Berathung der einzelnen Bestimmungen vorzubehalten.

Marschall: Jch habe angenommen, daß die bisherigen Aeu- ßerungen sich auf das Geseß im Allgemeinen bezogen, und in dieser Beziehung waren sie vollständig zulässig. Nach den Erläuterungen, welche der Referent gegeben hat, wird es der Versammlung zweck- maßig erscheinen, daß wir den Gegenstand in diesem Augenblicke nicht weiter verfolgen und zu den einzelnen Paragraphen übergehen.

Abgeordn. v. S aucken-Tarputshen: Jch glaube doch, daß es nicht ganz zweckmäßig sein wird, wenigstens in sofern, als Viele, zu denen auch ih mich zähle, sich in einem Beschluß vereinigen wer- den. Jch glaube nicht, daß wir heute eúten Antrag stellen werden ; es 11t aber nothwendig, daß wir bei jedem §., in welchem wir für ein Vergehen die Strafe festseßen, uns bewußt werden, in welcher öorm wir sie wollen. Es if also höchst wichtig, daß die Versamm-=- ung, ehe sie sich über den g. ausspricht, sich der Ueberzeugung hin- gebe, daß in einer neuen bes}eren Prozeßordnung und nicht allein darin, jondern auch in der Bildung von Geschwornengerichten das Straf- gejeBbuch nur seine richtige Anwendung finden kann. Dieses glaube i, ist wirklich nothwendig, weil wir am Schlusse dahin kommen fonnten, daß wir einen Antrag stellten, gegen den wir uns durch unjere früheren Beschlüsse gebunden hätten.

Justiz - Minister Uhden: Zch muß bemerken, daß die Sache durchaus nicht vorbereitet i, um über die Frage zu disfutiren und zu beschließen, ob Geschwornengerihte oder das Geseß vom 17. Juli 1846, auf dessen Ausdehnung der Vereinigte Landtag fast einstimmig angetragen hat, eintreten follen. Zu einer gründlichen Berathung hierüber bedarf es einer anderen Vorlage, und man kann es der Ver= sammlung selbst niht zumuthen, daß sie ohne weitere Vorbereitung hierüber einen Beschluß fasse.

Abgeordn. Wodiczka: Jch kann der Ansicht des Herrn von aucken nit beitreten. Auch in der Abtheilung ist diese Frage zur prache gekommen; man hat aber einstimmig beshlossen, daß die Frage: ob ein Antrag auf Erlassung der Kriminal - Prozeßordnung und Geschwornengerichte zu stellen sei? zuleßt berathen werden solle. Jh schließe mich dem Referenten an und glaube, daß wir unbedingt an die Erörterung des Geseßentwurfes gehen können. Mich wenig stens wird das Fehlen der Prozeß - Ordnung nicht abhalten, meine Ansicht über den ganzen Geist des Geseßentwurfes auszusprechen.

Ubgeordn. Neumann, Es würde vielleicht möglich sein, zu ciner bestimmten Ansicht zu gelangen, ob diese &Frage schon jeßt oder besser bei Prüfung der Einführungs= Verordnung verhandelt werden tonnte. Jh erlaube mir gleichfalls auf einen Punkt aufmerksam zu machen, weshalb auf dem Provinzial-Landtage in der Provinz Bran- denburg diese Frage zur Erörterung gezogen und ebenfalls ein des- fallsiger Vorbehalî gemacht worden is. Es wird die Strafgesehz- gebung durch den Entwurf nämlich so wesentlich verändert, daß es einer besonderen Bestimmung unterliegen muß, in welcher Form dieser zur Anwendung kommen foll, indem der Unterthan niht im Stande ist, aus dem neuen Strafgesebe sih zu unterrichten, was eine straf- bare Handlung i und welches Verbrechen sie konstituirt und welche Strafe darauf geseßt ist. Der Entwurf i nur eine Norm für den Richter. Der Richter kann nah wissenschaftlichen Gründen sich bei der Unwendung des Strafgeseßes einen Anhalt schaffen, nicht aber der Unterthan. Wie wird dieser also im Stande sein, sich näher darüber zu unterrihten, was is strafbar, welhe Strafe trifft jedes Ver-= brechen. Dies kann nur geschehen dur die Art seiner Betheiligung bei der Nechtspflege, und diese kann nur durch die Prozeß - Ordnung regulirt werden. Wenn wir das alte Kriminal Verfahren neben die- sem Gescze bestehen lassen, sind Rechtsverlezungen unvermeidlich, ob die Handlungen nah dem neuen Gesetze beurtheilt werden, darüber wird also gewiß jedes Mitglied der Versammlung Beruhigung haben wollen, und es is nothwendig, darüber zu einer bestimmten Ent- scheidung der Frage zu kommen, ob bei Berathung des Einführungs- Gesebes dieser Gegenstand zur Diskussion gestellt werden wird, mit anderen Worten, in welcher Form das Kriminal - Verfahren statt= finden foll.

Ubgeordn. Graf v. Schwerin: Jch wollte nur zu der Bemer- fung des Referenten das hinzuzufügen mir erlauben, daß, wie i glaube, wir uns vor allen Dingen klar machen müssen, vou ivelchen Borausseßungen das Gouvernement bei der Vorlage des Gesetzes ausgegangen is und ob wir ihnen zustimmen oder, wenn die Vor- lage damit nicht in Einklang zu bringen ist, ob wir sie dann nicht annehmen. Diese Voraussetzungen, welche wir haben dürfen, hat der Herr Regierungs -Kommissar in seiner Eröffnungsrede klar enut- widelt, indem er sagte, es sei zu erwarten, daß in der nächsten Frist das öffentliche und mündliche Kriminalverfahren auch in den alten Provinzen eingeführt werden würde. Wix werden also bei jedem §. sehen müssen, ob er für das öffentlicbe und mündliche Verfahreu geeignet scheine oder nicht. Wollte die Versammlung eine

- -

andere Basis für die Berathung gewinnen, wollte sie den Wunsch aué|prehen, daß die Geschwornengerichte in den älteren Provinzen eingesührt werden möchten, so würde dies nur in Form einer Petition ge\hehen können, und eine solche, glaube ich, kann niht in der Ab- lit der Versammlung liegen. Es bleibt also nichts anderes übrig als diese cinzeluen Bestimmungen des Gesebes herauszunehmen und jeden S. anzusehen, ob er für dieses Verfahren paßt oder nicht, und dann, je nahdem er dafür passend erscheint oder niht, ihn anzu- nehmen oder zu verwerfen. i :

bl Justiz-Minister Uhden: Jh bemerke zu dem, was der geehrte b s eben gesprochen hat, daß die Organisation der Gerichte Ver 1 vollen Gange is, um, dem BVersprehen Sr. Majestät des

Die Ansichten, welche von den Herren, die vor mir

125

einzuführen, Wenn ein früherer Redner geäußert hat, es würde fein Unterthan aus dem Strafgeseßbuh ersehen können, was Rech tens sei, welhe Strafe auf ein Verbrechen folge, so muß ih das entschieden in Abrede stellen, da das Geseß \ich deutlich ausspricht. Ich glaube, der Redner verwechselt das Materielle mit der Form, wie Jemand zu überführen ist, ob er ein Unrecht begangen habe. Das Geseß vom 17. Juli 1846 giebt in dieser Beziehung die erfor- derlihe Garantie. Eine Kritik des Kriminal - Prozeß = Verfahrens überhaupt, liegt, wie {on bemerkt worden, aus dem gegeuwärtigen Kreise der Diskussion. i E

Abgeordn. v. Donimierski: Es is durhaus nicht cine Petition, sondern ein Beschluß nöthig, daß wir die Fragen, auf welche die Abtheilung am Schlusse zurückkommen will, jegt {on beantwor- ten und bestimmen, von welhem Gesichtspunkte wir in Betreff der Prozeßordnung bei der Begutachtung der Strafgeseße ausgehen. Wir müssen bei Begutachtung des Entwurfes wissen, in welcher Form die einzelnen Bestimmungen geltend gemacht werden sollen. Deshalb habe ich in wenig Momenten den Unterschied angedeutet, der zwischen dem Verfahren in der Rheinprovinz und dem nah dem Geseße vom 17. Juli 1846 besteht, und daß es unbedingt am zweckmäßigsten er- scheint, mit dem Abgeordneten der Rheinprovinz in dieser Beziehung von einem gleichen Standpunkte auszugehen,

Justiz-Minister Uhden: Jch bemeike, daß die Ausführungs= Verordnung gerade diese Abweichungen enthält, und das Allerhöchste Versprechen ertheilt worden ist, daß Oeffentlichkeit und Mündlichkeit nach dem Geseße vom 17. Juli 1846 eingeführt werden follen ; ih glaube also, daß die Versammlung cine gute Grundlage haben wird. Es werden vielleicht bei der Ausführungs - Verordnung noch manche Bedenken zur Sprache kommen und dort erörtert werden.

Abgeordn. Camphausen: Zur Sache selbst habe ih für jetzt feine Bemerkung zu machen, sondern nur zu versichern, daß dic von mehreren Seiten vernommenen Aeußerungen mi mit Befriedigung

Königs gemäß, das mündliche und öffentliche Kriminalverfahren überall

erfüllen. Zu der Bemerkung des Abgcordu. aus Pommern, daß, wenn die Versammlung den vorgeshlagcuen Antrag stellen sollte, ich dies niht als eine Petition von bedenkliher Natur ansehe. Der Ausschuß hat die Begutachtung des Strafgeseßes vorzunehmen, und er kann bei dieser Begutachtung die Ansicht aussprehen, daß er die Anwendung des rheinischen Verfahrens erforderlih halte, und daß er bei seiner Berathung hievon ausgegangen sei. Jch würde dies nicht als eine Petition, f

jondern als eine gutachtlihe Aeußerung ansehen.

Abgeordn. Neumann: Jch erlaube mir darauf aufmerksam zu machen, daß der Herr Justiz «Minister jedenfalls ein Mißverständniß bei mir vorausgeseßt hat. Es ist nicht meine Ansicht, daß das neue Strafgeseß so abgefaßt sei, daß überhaupt kein Mensch \ich eine Kenntniß darüber verschaffen könne, was Verbrechen sei und was für eine Strafe darauf geseßt ist, ih glaube aber bemerken zu müssen, daß das neue Strafgeseß sich wesentlih von dem bisherigen unter=- scheidet, welches eine Menge von Kasuistk und Spezialitäten enthält. Nach meiner Ueberzeugung is} das neue Strafgeseß, wie es dasteht, fast allein für den wissenschaftlich gebildeten Juristen als Norm zu betrachten, Der gemeine Mann i} nicht im Stande, darüber zu ur= theilen. Es wird ihm zwar Gelegenheit geboten, durch Oeffent=- lihfeit und Mündlichkeit des Gerichtsverfahrens sih nähere Kenntniß zu verschaffen. Es kommt hier aber wiederum darauf an, wie das Verfahren beschaffen is, ob wir Geschwornengerichte oder ständige Richter haben. Ständige Richter würden es dahin bringen, daß sich bald ein Gerichtsgebrauch bildete, der bedenklicher is, als alle Kasuistik der früheren Gesetzgebung, und da nun die Einführungs-Verordnung des Falles gedenkt, daß nach der Kriminalordnung vom Jahre 1805 das neue Strafgescß zur Auwendung kommen könnte, so cheint es mir nothwendig, daß dies auf irgend eine Weise ausgeglichen werden müsse, weil ih beide neben einander als unverträglih betrachte.

Marschall : Der Abgeordnete v. Donimierski beharrt darauf, daß die Berathung nicht füglich vorgenommen werden fönnte, ohne daß man si verständige über die Grundlage, die ihr zu geben sei, eine Grundlage, die sih auf das Gerichtsverfahren bezieht. Sein Antrag geht also dahin, daß man sich verständigen möge, eine solche gemein= same Grundlage anzuerkennen. Nun ist es aber doch deutlich, daß die Versammlung diese Anerkennung uicht aussprechen kann, obne daß sie sih darüber einige, ob das cine oder das andere Gerichtsverfahren durchaus wünschenswerth erscheine und deshalb seine Vorbereitung und spätere Einführung zu erbitten sei. Daß aber die Versammlung dazu gelange, ist nicht anders als durch eine Beschlußnahme möglich, eine Beschlußnahme, welche sich beziehen würde auf die Vorbereitung und spätere Einführung der Geschwornengerichte, und gerade diese Beschlußnahme ist es, welche, wie {on hinreichend ausgeführt worden ist, für diesen Augenblick nicht vorbereitet ist. Auch ih muß von meinem Standpunkte aus bei der Ansicht beharren, daß der Gegenstand an sich noch nicht die Borbereitung erfahren habe, welche 1hn zur weiteren Behandlung im Augenblick geeignet machen könnte. Es würde si deshalb nur fragen, ob in Beziehung auf das Gesebß im Allgemeinen noch andere Bemerkungen zu machen sind, und wäre dies nicht der Fall, so würde ih der Ansicht des Vorsißenden der Abtheilung und der Ansicht der Referenten Folge zu geben haben, welche dahin geht, daß man anhebe mit der Berathung der einzelnen Paragraphen. i:

Abgeordn, Camphausen: Es it von der Abtheilung ange- fragen wordeu, daß Bemerkungen über das Allgemeine am Schlusse folgen sollen. Jh würde also auf die Frage: ob keine Bemerkungen im Allgemeinen mehr zu machen seien? niht mit Ja antworten fönnen.

Marschall: Wohl aber ob dem Vorschlage der Abtheilung, jeßt auf die allgemeinen Fragen nicht einzugehen , beizustimmen sei, dies wäre zu bejahen oder doch dur feinen Widerspru zu ver= neinen.

Abgeordn. Krause: Jch habe blos vom praktishen Stand= punkte aus zu bemerken, daß ih bei Durchlesung des Strafgesetzbuches die Bemerkung gemacht habe, daß darin dem Richter ein sehr großes Feld gegeben ist. Jh seze dabei immer voraus, daß nicht einzelne Rich- ter dasselbe in Ausführung bringen würden, \ondern formirte Gerichte; sollte das erstere jezt noch der Fall sein, so würde mir das Feld des Richters zu groß erscheinen. Das ist das Einzige, was ih zu be=- merken habe, und es hängt mit den bereits gemachten Anträgen zu= sammen, daß man eine größere Sicherheit habe, daß dieses weite Feld nicht überschritten werde.

Marschall: Wir würden also nun zu den einzelnen §8. über- gehen und zwar zuerst zu §. 1, Wellen Sie 8. 41 verlesen.

Referent:

§. 1. Die preußischen Strafgeseßze sind anzuwenden auf alle im Zulande begangenen Verbrechen, ohne Unterschied, ob dieselben von preußischen Unterthanen oder von Ausländern verübt sind.

Korreferent: Es is bereits von der Abtheilung darauf hin- gewiejen worden, daß jedenfalls die Art der Fassung des Entwurfes au eine Prüfung der Form und namentlich der Ausdrucksweise noth- wendig macht. /

„_ Es sind hierauf auch in der Abtheilung von den Referenten An- träge genommen worden, und es ist das Einverständniß erfolgt, daß es den Referenten freistehen solle, am Schlusse der Berathung des Strafgeseß-Entwurfes selbst hieran die einzelnen Bemerkungen zu rei- hen, welche sie als Rügen der Form oder als niht scharfe und prä

zise Ausdrucksweise zu bezeichnen

es sich zeigt,

zur Anwendung des Gesetzes, in es kennen, der es achten soll. beurtheilen und zu erwägen, und

solben Strafbestimmungen nicht d

ger heißen: „sind anwendbar u.\.w. Geseßes mehr Festigkeit und eine

Richters in Anspruch genommen genen Verbrechen ohne Unterschie

flüssig erscheint, da es gewiß n

brechen anzuwenden i}, wenn sie gen sind.

worden sind.“ Eine solche in siht, welhe die Abtheilung mit

hier zu weit führen. Es würde

| | - "” | Erörterungen veranlaßt würden,

| s{hwer zu erledigen sein werden 1

gegenüber niht zweckmäßig in die

nicht so sehr an das Volk richtet, : | eigent geschrieben is, als anu die Beamten, die es anzuwenden befugt sind. Es tritt aber der Richter und der Beamte erst in zweiter Ordnung

derartige Abänderungen wünschenswerth machen.

wenn es heißt: „sind anzuwende zuwenden, daß der 2te Sab so heißt: terthanen oder von Ausländern verübt sind“ daß das preußische Strafgeseß au Wenn der §. 1 über

nügt es, wenn es heißt: „sind anwendbar auf alle in preußischen Staaten verübten Verbrechen, selbst wenn sie von Ausländern verübt

Veranlassung finden. Judessen, da

die erste Veranlassung zu einer solhen Bemerkung hier vorliegt, so glaube ih dieselbe schon hier nit unuterdrücken zu dürfen. trifft nämlich eine von denjenigen Ausdrucksweisen oder Arten der Fassung, welche die Referenten als eine nicht sahgemäße bezeichnen, wo daß die Sprache des Geschß - Entwurfes sich durhweg

És be=

für welhes das Gese eigentli

erster Ordnung ist der Bürger, der

Danach ist die Austrucksweise zu ähnlihe Rücksichten sind es, welche Es tritt bei allen as Bild dessen, was bestraft werden

soll, in so fonkfreter und anschaulicher Weise hervor, wie für die all gemeine Verständlichkeit zweckmäßig is. So

würde es 3. B, hier viel richti= ‘’z denn dadurch wird dem Begriffe des größere Bestimmtheit gegeben, als n““, wo erst die Mittelsperson des wird. So ist gegen den §. 1 ein- „auf alle im Inlande began= d, ob dieselben von preußischen Un- , was zum Theil über= ie in Zweifel gezogen werden kann, f alle im Julande begangenen Ver= von preußischen Unterthanen began= haupt etwas bestimmen soll, so ge-

das Einzelne und Spezielle gehende

| Kritik der einzelnen Worte des Geseßes würde jedoch, das is die An=

den Referenten gemeinschaftlih hat, dies zu den verwidckeltsten Contesta=-

tionen führen, da Manches die Ansicht des Einzelnen sein kann, was von der Majorität der Versammlung nicht getheilt wird, und dadurch

die durch einzelne Beshlußnahmen

11d auch dieser hohen Versammlung ser Weise zu erörtern sind. Daher,

wie ich bereits angedeutet, is die Abtheilung der Ansicht gewesen,

3

einen allgemeinen Autrag in Bezug auf die Form am Schlusse der Berathung vorzubehalten, da es hier auf allgemeine Prinzipien an= fommt, deren Erörterung eine genaue Kenntmß des Details voraus-

fönnen.

so zahlreiche Versammlung recht im strengsten Sinne des Wortes

vielen Fällen wird die Fassung

sung überzugehen. Da liegenden Paragraphen nicht der

Justiz-Minister von Savigny:

sein, daß man den Juhalt nicht beurtheilen fann, | wird Beides identisch.

daß die Regierung jeden Rath, der ibr ganzen Versammlung, sei es von der Abtheilung oder von einzelnen Mitgliedern, in Beziehung auf die Fassung bei der am Schlusse vor=

seßt. Da aber hier der erste Fall vorliegt, so habe ich geglaubt, diese allgemeine Bemerkung hinsichtlich der Form machen zu müssen,

n

um solche Fälle, wo sie vorkommen , betressenden Orts als solche zu bezeichnen, die am Schlusse zu jenem Antrage zum Anhalt dienen

Ich glaube nicht, daß eine geeignet ist, das, was man Fassung nent, zu prüfen, zu begutachten, so sehr mit -dem Juhalte verwebt ohne auf die Fas= Dies i} im vor- Fall. Es versteht \ich von felbst, gegeben wird, sei es von der

und es scheint auch die Ansicht der Referenten dahin zu geen. In

zuneymenden Redaction des Gesetzes sorgfältig benußen wird; allein

ih muß wiederholen, und es {h

ten dahin zu gehen, daß die eigentliche

der Diskussion in dieser Versam

wird auch am Ende erwogen werden,

eint auch die Meinung der Referen- Fassung nicht zum Gegenstand mlung gemacht werden kann. So wovon ich mi auf den ersten

Blick nicht überzeugen kann, ob der Ausdruck „anwendbar“ populairer

sei, als anzuwenden ‘“. daß die Worte: „ohne Unterschied,

Eben so wenig kaun ich mich überzeugen : ; Zeu /

ob dieselben von preußischen Unter-

thanen oder von Ausländern verübt sind“’, weniger deutlich sind, als

dessen glaube ih, in Uebereinstimmung mit den Referenten und der

S

Abtheilung, daß man sich alle diese Cassungs - Bemerkungen notiren

und späterhin sorgfältig erwägen,

hier aber niht zum Gegenstande

| | - Fi , , - | wenn es heißt: „auh wenn sie von Ausländern verübt p Qua

der Beschlußnabme machen könne. Landtags-Kommissar:

Zur Unterstüßung der Ansicht,

welche von meinem verehrten Kollegen fo eben ausgesprochen wurde,

erlaube ich mir auf den §. 15 des welcher ausdrülih besagt :

Reglements aufmerksam zu machen,

dcklih „Die Berathung und Abstimmung des Vereinigten ständischen Ausschusses

darf si auf die Fassung der

Gescß- oder Verordnungs- Entwürfe nur insoweit erstrecken, als die

sein kaun.“ Abgeordn. Camphausen: im Wesentlichen

die Fassung an sich nicht einzugeh diese Vorschrift auch nicht erlassen

fernerhin, möge , wärtig schon völlig zulässig wäre, der Ausschuß empfehlen wolle, rung, so würde die Versammlung

sen können. ger, sondern zum Richter spricht.

beseitigt sein,

auf hoher Tribüne stehe und have. Wiso wird ex ch

Wer von Euch mit Tode Volk, ter mit den Worten wenden : Wer

einwendet, blos dem Volke denno verständlich , dung noch weiter gehen können.

dem Richter noch ein dritter Mann sih wende und ihm sage: begeht, den sollst Du hinrichten,

sie von der Regierung adoptirt wi U Offenbar steht das Eine fest, daß §. 1 nit zum Bür-

nach preußischen Geseßen bestraft werden. Ven! 18 e Augenblick, daß der Geseßgeber, um ein Strafgeseß zu verkündigen,

ausdrücken 2? Er Ueberlegung j bestraft; er wird aber niht auf die eine auf die andere den Richter stellen und sich an den Rich-

begeht, den sollst Du mit dem Tode bestrafen. 1 es sei dies blos ein formelles Bedenken und das Gesebß so_würde man mit dieser Einwen-

Was ich zu sagen hatte, i zwar

|

|

|

| Fassung auf Sinn und Juhalt derselben von wesentlichem Einfluß l

|

bercits durch den Herrn Korreferenten vorgetragen

D

worden , indessen wünsche ich noch einige Worte hinzuzufügen. Die Abtheilung erinnert an die Vorschrift des Reglements, wonach auf

en is, und ih seße voraus, wäre worden, daß der Ausschuß dennoch

niht die Neigung haben würde, an der Redaction des Strafgesetzes zu arbeiten und seine dem Inhalte gewidmeten Kräfte an der Kritik einzelner Worte zu zersplittern; allein der Fall, vorgesehen is und wovon der Herr Justiz-Minister glaubt, daß er hier uicht vorliege, scheint mir allerdings vorhanden, und es cheint mi daß nicht nah dem Vorschlage des Referenten eine Aeu- erung darüber bis zum Schlusse der Berathung verschoben werden soudern daß eine solche Aeußerung der Versammlung gegen-

der im Reglement

Es handelt sich einzig davon, ob daß das Geseßbuch sich in seiner

Sprache an den Bürger, an das Volk, oder ob er für richtiger hâlt, daß es sich an den Richter wende.

Erfolgt eine solche Aeuße- die Anwendung derselben, insofern irde, der Regieruug selbst überlas-

Er sagt: Du Réíchter sollst, wenn

cin Verbrechen begangen worden is, die preußischen Geseße NBEHS den. Dies würde auch durch die Umänderung in „anwendbar nicht Der Artikel sollte einfa sagen, daß die Verbrechen

Denken wir uns einen das Volk um sich versammelt

wird sagen : wird mit dem Seite das

mordet ,

von ihnen einen überlegten Mord Wenn man dagegen

Stellen wir uns vor, daß neben stehe, der Geseßgeber an diesen

Wer von ihnen einen überlegten Mord

Man würde hier auch behaupten