1848 / 22 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

können, das Volk wisse durch den Befehl der Hinrichtung \{hon, daß der Mord mit dem Tode bestraft werden und daß der Richter das To- desurtheil sprechen solle. Allein die Sache hat nuit blos einen for- mellen Einwand, sondern eine sehr materielle Bedeutung. Wenn der Gesetzgeber sich nur an den Richter wendet, so glaubt er auch allen Anforderungen entsprochen zu haben, wenn angenommen werden kann, daß das, was er sagt, für den Richter verständlich sei, und er stellt an sich nicht die Anforderung, daß es auch für das Volk verständlich sei. Darauf aber kommt es aus\cließlich an, denn der innere Rich- ter kann uns nicht in allen Fällen darüber Auskunft geben, was strafbar sei; es giebt viele Vergehen, die nur deshalb strafbar sind, weil das Geseßbuch sie strafbar erklärt. Noch weniger giebt der in- nere Richter Auskunft über den Grad der Strafbarkeit; darüber muß der Bürger Belehrung im Geseße suchen, und daß das Strafgeseß= buch diese Belehrung gebe, is seine wichtigste Aufgabe. Wenn der Gesetzgeber sih diese Aufgabe stellt, so is davon shon ein bedeuten- der Einfluß auf die Deutlichkeit und Bestimmtheit der Fassung zu er- warten. Jch rede nicht in der Absicht, um eine veränderte Fassung des §. 1 vorzuschlagen oder in späteren Fällen, wo die Redeform: „„sind anzuwenden“ sich wiederbolt, darauf zurüczukommen , sondern um es der Versammlung anheimzugeben, ihre Ansicht darüber auszu- sprechen, ob sie es für nüßlih und nöthig erachtet, daß das Geseß in seiner Sprache niht an den Richter, sondern an das Volk gerich=- tet sei.

Marschall. Der Abgeordn, Grabow hat das Wort, falls si seine Aeußerung auf denselben Gegenstand bezieht.

Abgeordn. Grabow: Auf denselben Gegenstand, Auch ich bin der Ansicht, die von dem Korreferenten und vielen Mitgliedern des hochverehrten Ausschusses ausgesprochen worden ist, daß das Geseß im Jmperativ seine Bestimmungen zu treffen habe, bin aber nicht gemeint, weiter auf diese Diskussion einzugehen, weil wir aus dem Munde des Herrn Justiz-Ministers {hon erfahren haben, daß bei der definitiven Redaction dieser Punkt, der hier zur Sprache gekommen ist, noch weiter berücksihtigt werden soll, Jch habe nur in Betreff der Ueberschrift des ersten Titels eine kurze Bemerkung zu machen, Sie bezieht sih darauf, daß hier gesagt ist, „„von den Gränzen der Anwendung der Strafgeseße“. Jch bin nämlich der Ansicht, daß dieser ganze Titcl die verbindende Kraft und den Umfang des Straf- gesetzes aussprehe; ich glaube daher, daß wir nicht an die Spibe des ganzen Titels seßen können „Gränzen der Anwendung“, denn es muß vorher schon feststehen, daß und wie das Geseß angewendet werden foll. Jch würde daher, als Fassungsfrage, anheimgeben, die Ueberschrift dahin zu modifiziren: „Von den Handlungen und Personen, welche dem Strafgeseße unterworfen sind.“ Jh glaube, daß dadurch der Jnhalt des Titels sich prägnanter herausstellt.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Da in Bezug auf den Titel und | den ersten Paragraphen ein bestimmter Antrag nicht vorliegt, so kann | ih mich einer Widerlegung enthalten, ufd nux in Bezug auf das, | was ‘von dem Abgeordneten der Rhein «Provinz im Anfange seiner

Rede gesagt wurde, daß es nothwendig sei, daß der Aus\huß von

vornherein sih die Ueberzeugung verschasse, ob das Geseb, wie dies

nothwendig, an das Volk oder an den Richter gerichtet sei, erwiedern,

daß wir geglaubt haben, es sei für jeßt unmöglich, darüber eine Ueberzeugung zu gewinnen, ehe wir im Einzelnen geprüft haben, ob nicht bereits die Regierung diejenigen Rücksichten genommen hat, die zu nehmen sind. Meiner Meinung nah, kann man weder sagen, daß das Geseß nur eine Anweisung für das Volk sei, noch auch, daß es nur für den Richter bestimmt sei. Beide müssen sih desselben bedienen. Das Volk hat es als Grundlage für die Kenntniß der Rechtmäßigkeit seiner Handlungen und der Richter als eine Anwei= sung für sein Verfahren zu betrachten. Man faun weder das Eine positiv behaupten, daß es nur für das Volk sei, noh das Andere, daß es nur für den Richter sei, und wir haben geglaubt, daß beide Rücksichten neben einander bestehen müssen, und vorausge}eßt, daß

die Regierung diese Rüsihten auch hat vorwalten lassen wollen.

Ob dies nicht der Fall gewesen, wie der Korreferent bei §. 1 bereits

bemerklich machte, das hat die Abtheilung nicht bei §. 1 beurtheilen

zu können, sondern an den Schluß der Berathung verweijen zu müssen geglaubt, weil sie dann erst zu sagen im Stande, die Regie=

rung habe diese Rücksichten nicht gehörig gewürdigt, und zu bitten, daß sie mehr. gewürdigt werden. Das ist der Grund, warum die Abtheilung glaubte, über den Paragraph hinweggehen zu müssen.

Justizminister v. Savigny: Das geehrte Mitglied, welches so eben gesprochen, hat ganz die Jntentionen ausgedrückt, die bei der Regierung obgewaltet haben bei der Fassung des Geseges. Es war die Absicht, dem Richter Vorschriften und dem Volke eine Erklärung zu geben, was es in Folge der Begehung eines Verbrechens zu er- warten habe. Ob es gelungen sei, dies mit der gehörigen Deutlich= feit auszusprechen, das ist eine Fassungsfrage; über die Absicht kann fein Zweifel sein

Marschall: Es frägt sich, ob der Abgeortnete Camphausen da- von ausgegangen is, daß hierüber eine Beschlußfassung der Ver- sammlung stattfinden möge.

Abgeordn. Camphausen: Jch bin dieser Meinung durchaus. Marschall: Oder ob es blos seine Absicht gewesen, die Sache zur Sprache zu bringen,

Abgeordn. Camphausen: Nein, ih wünsche und halte für nothwendig, daß die Versammlung sih darüber förmlich und jeßt er= fläre, da viele Diskussionen für die Zukunft mit Einemmale dadurch abgeschnitten würden. Um so mehr halte ich dies für wichtig, weil der Ausschuß selbst den Standpunkt, von dem aus er das Gesetz beur= theilen will, wählen muß. Wir Alle stehen nit auf dem Stand- punkte des Richters, sondern wir werden fragen: Jst es uns klar? Wir können die Begutachtung nur von dem Standpunkte des Volkes aus übernehmen. a ; E

Abgeordn. Frhr. v. Gaffron: Es hat sih in der vorbereiten- den Abtheilung bei der Berathung der einzelnen Paragraphen allerdings mehrfach herausgestellt, daß eine präzisere Fassung, eine kategorischere Erklärung über die Anwendung der Strafen hier und da wünschens- werth sei. Es sind in einzelnen Fällen Parallelen mit dem code Napoleon gezogen worden, der sich sehr {arf und bestimmt gus= spricht und sich durch allgemeine Verständlichkeit auszeichnet. Wenn ih mich auch der Ansicht des Herrn Justiz-Ministers anschließe, und das Reglement maßgebend is, daß wir nicht berufen sind, uns auf die Fassung direkt einzulassen, so glaube ich doch, daß es zweckmäßig ist, wenn bei den Paragraphen, wo dieser Fall eintritt, wenigstens ange- deutet wird, daß hier eine Aenderung der Fassung wünschenswerth ist, damit bei dem Schlußantrage speziell darauf Rücksicht genommen werden fönne. Dieser Vorschlag dürfte vielleicht zur Vereinigung führen, so daß eine besondere Abstimmung nicht nothwendig sein wird.

Abgeordn, v. Auerswald: Jch glaube den Abgeordneten der Rheinprovinz dahin verstanden zu haben, daß wo möglich jeßt schon ein Beschluß darüber gefaßt werden möchte , welche Art der Fassung des Gesebbuches mie M ara daa erscheine. Jh weiß nicht, ob ich ihn ret verstanden ; wenn dies aber der Fall ist, so muß ih bemer= fen, daß ih zwar seine Ansicht über die Sache, wie die des Kor=- referenten, vollkommen theile, und niht nur seiner Ansicht bin, daß eine solhe populäre und dem Volke zugängliche Fassung nothwendig ist, sondern auch als Mitglied der Abtheilung für meine Person die

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Ueberzeugung gewonnen habe, daß eine solhe in dem Geseßentwurf niht durchgängig vorhanden , auch dasür stimmen zu müssen glaube, daß die Versammlung ihre Zustimmung zu deu hier gewählten Fassun- gen nicht gebe; wenn ih aber erwage, daß von den Mitgliedern, die nicht an der Abtheilung Theil genommen haben, kaum vorauszuseben ist, daß sie das Strafgesezbuch bereits so genau durchgegangen haben, daß sie sich auh mit der Fassung in diesem Sinne, in welchem jeßt davon die Rede is, beschäftigt haben, 10 besorge ih, daß eine Ab- stimmung zu dieser Stunde darüber 0b man einen Tadel gegen die Fassung aussprechen wolle, shwerlih zu einem Resultate führen würde. Jch glaube, daß die Versammlung ganz zu demselben Zwedcke gelangen und mit größerem Bewußtsein diejes Urtheil fällen wird, wenn es am Schlusse der Berathung geschieht. Darum bitte ih den Abgeordneten der Rheinprovinz, seinen Antrag dahin zu modisiziren, daß wir uns vorbehalten, jeder für sih im Stillen seine Kritif daran zu üben oder auch nach dem Antrage eines früheren Redners bei jedem Paragraphen uns Bemerkungen zu machen, aber am Schlusse nur erst defínitio entscheiden; wobei ih mich ausdrüdlich dagegen verwahre und von dem Herrn Justiz-Minister niht mißverstanden zu werden wünschte, als läge mir der Wunsch nahe, die Versammlung möge über die spezielle Fassung der einzelnen Paragraphen sich aus- lassen. Es kommt nur darauf an, ob wir finden, daß das Geseßbuch in dem Styl, Ton abgefaßt is, wie wir es wünschen, und dazu müssen wir es erst durchgehen, i E : Graf v. Shwerin. Jh wollte mi uur der Abstimmung in gegenwärtigen Augenblick eutgegenstellen, Ih glaube nicht, daß man dies für erfolgreih halten kann, denn wir sind noch nicht auf dem Standpunkte. Der Abgeordnete der Rheinprovinz selbst hat ge=- äußert, die Abstimmung über den Jnhalt des §. 1, wünsche er noch nit, sondern über den Grundsaß, ob das Geseß sich an das Volk richten oder eine Andeutung für den Richter sein solle. J glaube, es wird einer Abstimmung darüber einestheils nicht bedürfen, anderentheils wird sie noch niht möglich sein, Es wird derselben nicht bedürfen, weil der Herr Justiz-Minister anerkannt hat, daß es richtig sei, daß das Geseßbuch eine Anweisung für das Volk sein solle, was es zu thun und zu unterlassen habe, und anderentheils wird aber auh der Ab= geordnete der Rheinprovinz nicht bestreiten wollen, daß_es auch eine Anweisung für den Richter sein müsse, wonach er die Strafen anzu- wenden babe. Wir werden uns also durchaus uicht, ohne uns zu präjudiziren, dahin entscheiden können, es solle das Geseßbuch nur an das Volk gerichtet sein, was ausschlösse, day es auch für den Richter eine Justruction sein könne. Diese beiden Rücksichten, die ih mir hervorzuheben erlaubt habe, und von denen der Herr ZuUstiz= Minister anerkannt hat, daß sie die Regierung geleitet haben, ob sie hinreichend erwogen worden sind, wird nur am Schlusse der Bera- thung zu beurtheilen sein und darauf allein kömmt es an. Es würde also die Abstimmung in diesem Augenblicke über den Grundsaß noch weniger zum Ziele führen, als über eimen bestimmten Paragraphen,

‘Korreferent Frhr. von Wylich: Jh wollte mix dem verehrten Mitgliede der Rheinprovinz gegenüber noch zu erinnern erlauben, daß die Abstimmung über diesen Grundsaß shwerlih zu einem Rejultat führen würde, als die nachher allgemein zu stelleuden Anträge noch mehr andere Motive zu einer ganz veränderten Form abgeben werden. So wird es namentlich ein Motiv für viele Bestimmungen, was die formelle Fassung betrisst, abgeben, daß dahin gesehen werden müsse, daß jede Bestimmung möglichst selbstständig dastehe, daß sie nicht guf andere Bezug nehme, daß es nicht wie im 2. §. heiße: „Ebenso sind u. \. w.‘“ Es is dieses abermals einer von den Mängeln, die nach

dem

der Referenten Ansicht in dem Strafgeseßbuche wiederholt vorkommen. Es wird eine ganze Reihe von dergleichen Gesichtspunkten aufgestellt

werden müssen, die in der nämlichen Kategorie stehen, und diese wer-

den am Schlusse zu einem allgemeinen Antrage und so der Berathung

der Versammlung unterlegt werden. Das sind die Motive, welche die Abtheilung bestimmt haben, einstweilen von der näheren Erörterung einzelner Gesichtspunkte abzusehen und sih dieselben vorzubehalten, wenn die Prüfung des Ganzen ihr Ende gefunden hat.

Graf Renard: Jch halte es in der Wesenheit für vollkommen gleichgültig, ob wir gegenwärtig darüber abstimmen. Soll die Fassung des Geseßes mehr imperativ nnd an das Volk gerichtet, oder wie im Entwurfe eine Jnstruction für den Richter sein; in der Sache selbs aber, glaube ih, kommen wir eher zum Ziele und erspa- ren cine große Zeit, wenn wir, dem Antrage des Abgeordneten der Rheinprovinz gemäß, sofort darüber Beschluß fassen. Fassen wir nicht Beschluß, so wiederholt sich dieselbe Debatte bei jedem einzelnen Gegenstande, welche nah einer Abstimmung sür unmer beseitigt erscheint. Das erste Geseßbuh, die 10 Gebote Gottes, sprechen imperatiz, Wir können unser Geseßbuch, wenn auch nit so kurz, doch kürzer fassen, wenn wir diese Sprachform beibehalten,

Abgeordn. v. Auerswald: Jch wollte dem, was jo eben ge- sagt worden ist, doch entgegenstellen, daß es nicht allein darauf an= fommen fann, daß wir einen schnellen zeitabfürzenden Beschluß fassen, sondern daß er von jedem Mitgliede unt Bewußtsein gesaßt werden fönne. Js diese Vorausseßung richtig, und is au nur Einer in der Versammlung, welcher sagt: „Jh weiß nicht, wie ih dazu komme, diesen Beschluß zu fassen, da mir noch zweifelhaft ist, ob Veranlassung zu demselben vorliegt,“ -— \o muß ih wünschen, daß die Beschluß-

noch ausgeseßt wird. : : | a N Die Abtheilung hat diese Frage berathen, wie aus dem Bericht S. 2, hervorgeht. Sie hak ausdrücklich darin gesagt, daß sie, was die Fassung der einzelnen Bestimmungen anbetrisst, sich in den Schranken gehalten habe, welche von Seiten des Herrn Regierungs = Kommissärs vorhin angegeben worden sind, Sie hat ferner gesagt, daß sie eine veränderte bestimmte Fassung nux dann werde beantragen, wenn es sich um den Sun des Geseßes handelt. Endlich hat sie gesagt, daß sie sich in diesen Grenzen niht immer hat halten können, weil die Betrachtung, daß das Geseß zunächst für das Volk bestimmt ist und deshalb in einfacher allgemein ver- ständlicher Sprache abgefaßt sein müsse, es unvermeidlich mache, darauf zu achten, daß diesen Anforderungen genügt werde. Durch diese Worte hat die Abtheilung ihre Ansicht ausgesprochen, und sie hat nicht für zweckmäßig gehalten, daß die hohe Versammlung einen

bestimmten Beschluß von vorn herein hierüber fasse, sondern sie ist der Meinung ' gewesen, daß sie in diejer Beziehung die einzelnen Bestimmungen einer Prüfung unterwerfe uad si vorbehalte, das Ergebniß derselben und die darnach erforderlichen, auf die Fassung bezüglichen Anträge am Schlusse ihres Berichts zusammenzustellen. Dieses Verfahren muß meines Erachtens Billigung erhalten; es wird durch alle Gründe unterstüßt, welche vorhin son geltend gemacht worden sind. Jett ausdrücklih zu sagen, und darauf würde es nur aufkommen, die Fassung solle so oder jo sein, ist_in diesem Augenblick unmöglich; es fann nur im Allgemeinen der Gesichtspunkt angedeutet werden, welcher für die Fassung maßgebend sein mag, und dieser ist bereits angegeben, Jch halte au dasur, daß man stillschweigend die Ansicht der Abtheilung gebilligt hat, die auf der 2ten Seite aus- gesprochen worden is, und ih glaube, daß, wenn das gebilligt worden ist, man über die Frage jeßt hinweggehen kann. t Abgeordn. Graf Gneisenau: Jh wollte ‘mir nur die Bemer- fung erlauben, baß, wenn die hohe Versammlung einen Beschluß

Abgeordn. Camphausen: Jh glaube denn doch, daß meine Worte einen bestimmt formulirten Antrag enthalten haben, der auch der hohen Versammlung im Allgemeinen klar und verständlih gewor= den ist. Nachdem jedoch so viele Freunde mich ersuht haben, mei- nerseits davon abzustehen, so werde ih mich in dieser Nothwendig=- keit befinden, weil ih befürhten muß, daß diejenigen, welche für die Sache sind, sih dagegen erklären werden, weil sie die Entscheidung iht an der Zeit halten; aber ih kann nicht unbemerkt lassen, daß das Verfahren , welches der geehrte Herr Referent vorschlägt, einen bedeutenden Uebelstand hat. Es handelt sich nämlich hier von §. 1, wo wir das Wort finden: „die preußishen Strafgeseßze sind anzu- wenden“, und ih glaube, die hohe Versammlung fönnte und sollte vorbereitet sein, sich, obwohl in diesen Worten ein bedeutendes Prin= zip ausgesprochen ist, darüber zu erklären, ob sie dieses Prinzip an= nehmen will oder niht. Jh mache zugleich auf den Uebelstand auf- merksam, daß es {wer sein wird, im Laufe der Diskussion die jedes- malige Wiederkehr derselben Erörterungen zu vermeiden, und daß, wenn wir Alles bis zum Schlusse verschieben wollen, die vorberei=- tende Diskussion ein zweifelhaftes Resultat geben würde. Die Her- ren sind jedoch der entgegengeseßten Ansicht, und ih nehme daher nur für von selbst verstanden an, daß auf diese Frage speziell am Schlusse zurückgegangen werde. i

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jh glaube mit dem Herrn Referenten einverstanden sein zu können, daß es darauf ankommt, ob die hohe Versammlung die Ansicht der Abtheilung theilt, daß das Geseß, als für das Volk bestimmt, dem es als Norm dienen joll, in einer faßlichen Sprache und allgemein verständlihen Art abgefaßt werden soll. Die hohe Versammlung wird diese Ansicht theilen und es wird dies auch die Ansicht der Regierung sein, wie 1h aus den Worten des Herrn Justiz-Ministers annehmen zu können glaube. Wenn also darin Uebereinstimmung zwischen der Versammlung und Regierung stattfindet, so glaube ic, wird dies Veranlassung sein, die- sen Gegenstand jeßt zu verlasseu. i

Landtags-Kommissar: Die Absicht der Regierung kann nux dahin gehen, das Geseß so deutlih als möglih zu machen, da- mit es für jeden urtheilsfähigen Menschen verständlih werde, auch kann fein Zweifel darüber bestehen, daß die Geseße sowohl für das Volk, als für den Richter bestimmt sind. Ueber diese beiden Punkte scheint auch in der hohen Versammlung keine Meinungsverschiedendheit zu bestehen, und diese reduzirt sih daher auf die einfache Frage: ob bei jedem einzelnen Paragraphen die Stellung der Worte so zu wäh=- len sei, daß sie an das Volk und nicht an den Richter gerichtet er- cheinen, Jch glaube aber, daß ohne Gefahr der Zeitvershwendung die Frage, ob die Fassung des Geseßes rücksichtlich dieses Punktes noch einer durgreifenden Veränderung bedürfe, jo lange auf sich be- ruhen könne, bis durch die von der hohen Versammlung anscheinend beschlossene paragraphenweise Durchgehung des Gefeß - Entwur]s J- dem geehrten Mitgliede Gelegenheit gegeben jein wird, jeine Beden- fen in dieser Beziehung auszusprechen. Diese werden in das Proto- foll niedergelegt und wird sich am Schlusse Jeder ein Bild darüber machen fönnen, ob und in wie vielen Punkten die ¿Fa]sung Zegen seine Ansicht verstoße. Auch die Regierung erhält dadurch hinläng- lihe Veranlassung, die Fassung, so weit thunlich, nach der Ansicht der hohen Versammlung zu berichtigen, Wenu diese Ansicht als rich- tig angenommen wird, jo glaube ih, daß zur weiteren Diskussion uno Erörterung des Gesebes übergegangen werden könnte. |

Marschall: Der Abgeordnete Grabow hat sich noch nic darüber ausgesprochen, ob er wünsche, daß sein Vorschlag, der dal ging, den Titel so zu verändern, daß er heiße: „Bon den Perss\. u. \. w.“ Gegenstand einer Abstimmung werden möge.

Abgeordn. Grabow: Jch habe mein Bedenken nur als ein? Fassungssahe angeregt und werde durch die Erklärung des Her Justiz = Ministers bestimmt, von weiterer Diskussion abzustehen ein jedes Mitglied seine Bedenken nur zu Protokoll zu geben ha: um demnächst bei der Final-Redaction Berücksichtigung zu finden.

Marsch all: Das war der Gegenstand meiner Frage, und die Antwort is vollständig erschöpfend. Es ist also keine weitere Frag- stellung zu bewirken, sondern wir fönnen zu §. 2 übergehen.

Referent: (List den §. 2 des Gutachtens vor.)

Es erscheint unbedenklih, die preußishen Strafgeseße auch die von preußischen Unterthanen im Auslande begangenen Verbreci, zur Anwendung zu bringen, und es fann nur zweifelhaft sein, n weit diese Regel in dem Falle zu restringiren sei, wenn die begangen Handlung in den Geseßen des Anslandes nicht mit Strafe bedroht sein sollte. Der Entwurf will nur daun das preußische Strafgeseß zur Anwendung bringen lassen, E S

wenn die Handlung ein Verbrechen gegen den preußischen Staat enthält, oder wenn sie in der Absicht, das preußische Strafgeseß zu umgehen, im Auslande vorgenommen ist, : e 5

Allein einerseits is dagegen zu bemerken, daß es niht genügt, nur Verbrechen gegen den preußischen Staat selbst strafbar zu er klären. Nicht blos ihrem Staate gegenüber müssen preußische Un? thanen, wenn von dieser Auffassung ausgegangen wird, sich aller Orten an das preußische Geseg gebunden achten, sondern mik gleihem Grunde allen Personen gegenüber, mit welchen sie durcl das Genossenschafts-Verhältniß im Staate verbunden sind, -

Andererseits is zu erinnern, daß die Absicht, das Preußische Geseß zu umgehen, allein kein ausreihender Grund is, eine int Aus- lande begangene und nah den Gesegen des Auslandes nicht strafbare Handlung mit Strafe zu bedrohen, wenn weder der Staat selbft, noch eines seiner Mitglieder durch die Handlung verleßt wird. Abgesehen hiervon würde die Bestimmung in der Anwendung Schwie- rigkeiten finden, weil die Absicht, das Preußische Gejes zu umgehen, in den seltensten Fällen nahzuweisen sein würde. Aus diejen Rüd- sichten hon würde diese Bestimmung besser ganz, wegzucalen ai und sie wird ganz entbehrlih, wenn niht bloß 1m Aus Ma 99n Preußischen Unterthanen verübte Verbrechen gegen 0 Mei i Staat, sondern auch P eut gegen Preußische Unterthanen nai

reuß!shen Strafgeseßen bestraft werden. S S f ie A mit 6 gegen 5 Stimmen beschlossen, v uschlagen , A; \ S angetragen werde, das preußische Stxafgeseb g in dem

Falle für anwendbar zu erklären, wenn hie um F uslan e von einem

preußischen Unterthan begangene Handlung ein Verbrechen gegen

, 4 dern auh in dem Falle, wen den preußischen Staat enthältt, son : alle, u (rig i ein Verbrechen gegen einen preußischen Un

terthan enthält. / A : i + die Abtheilung mit 10 Stimmen gegen 1 Ferner aber ha schlagen,

j sen, vorzu] ch! » , A Absicht “das preußische Geseß zu umgehen, im Auslande vo: * Handlungen, das preußishe Strafgeseß angewendet

genommenen 9

e, fortzulassen. : m L 7 on Saucken-Julienfelde: Die Abtheiluna hat vorgeschlagen, daß der erste Saß des Paragraphen unverände: bleibe und der zweite Theil desselben fallen gelassen werde, und weit stimme ih ihr bei, sie hat aber au einen Zusaß beliebt, un gegen diesen wenigstens in seiner Allgemeinheit muß ih m

Erste Beil09:

a

fassen soll, ein Antrag darauf ihr vorliegen muß; bis jeyt aber habe ih noch feinen bestimmten Antrag gehört,

„dem eben bemerkten Falle gegen Auswärtige verübt sind.

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das Wort erlauben. Er scheint mir einestheils unbillig, anderentheils unausführlich. Unbillig, weil er verlangt, daß Viele nah Geseßen gerichtet werden sollen, die sie weder kennen, noch fennen können. Jch erinnere beispielsweise an alle preußishe Unterthanen, die vielleicht 19 Jahre in Merifo u, \. w. leben und do preußische Unterthanen ge- blieben sind. Wie sollen sie, wie ihre Kinder nach unseren Gesetzen gerichtet werden, die während threr Abwesenheit erlassen wurden? Darin scheint mir eine Ungerechtigkeit zu liegen. Dann scheint er mir aber au ungusführbar, wie nah preußischen Geseßen jedes Gez seß ert von einem bestimmten Tage der Publication an in Kraft tritt, Dieser Publicationstag aber isst selbs verschieden in unjeren Provinzen, er richtet sich nach der Entfernung von der Hauptstadt, Wir können aber keinen Tag der Publication für das Ausland, ge \hweige für andere Welttheile, festseßen, und darum muß ih mich gegen den Paragraphen aussprechen.

Justiz-Minister von Savigny: Es sind gegen §. 2 überhaupt zwei verschiedene Einwendungen erhoben worden ; erstens wird vor- geschlagen, daß dem Saye :

„Wenn die Handlung ein Verbrechen gegen den preußischen Staat enthält“, eine Erweiterung gegeben werde, die dahin gerichtet is: „Gegen den preußischen Staat oder gegen preußishe Unter= thanen.“ Zweitens wurde vorgeschlagen, den folgenden Saß : „Oder in der Absicht, das preußishe Geseß zu umgehen“, wegzulassen. Jh muß hier mit der Bemerkung anfangen, daß die beiden Säbe, die hier bestritten werden, von einer sehr mäßigen praf= tischen Erheblichkeit sind, und zwar aus folgenden Gründen: Es sind zwar die Strafgeseße der verschiedenen Staaten außerordentli ver- schieden in Ansehung des Maßes und der Art der einzelnen Straf- bestimmungen, aber es ist diese Verschiedenheit ungleih geringer in Ansehung der Zahl der für strafbar angenommenen Handlungen z denn die am meisten als Verbrehen vorkommenden Handlungen sind bei den verschiedenen Nationen auch als Verbrehen angese- ben, und (0 E o DE S Der Le uns ragen anderwärts straflosen Handlungen niht groß, und es sind diese Handlungen, was die später bei uns zu verhängende Strafe betrifft, niht von besonderer Wichtigkeit. Was nun den ersten Punkt betrisst, wonach bestimmt werden soll, daß eine Hand- lung, von einem preußischen Unterthan im Auslande vorgenommen gegen einen anderen preußischen Unterthan, auch dann nach preußi- s{hem Geseh bestraft werden soll, wenn die Handlung nah dem Ge- eße des Strafrechtes des Auslandes straflos is, \o bin ich bereit, die Gründe anzugeben, welche diese Bestimmung in dem vorgelegten Entwurfe veraulaßt haben, Es ist zunächst die Rücksicht auf den Fall, den theilweise au ein geehrter Redner erwähnt hat: wenn preußishe Unterthanen längere Zeit im Auslande ih aufhalten. Dann kann allerdings bei Verbrechen dieser Art, welche jedoch, ih wiederhole es, Verbrechen von weniger bedenkliher Natur sind, und wobei sich die Natux des Verbrechens weit weniger, als bei anderen, von selbst versteht das Bewußtsein der Strafbarkeit dieser Hand- lungen verschwunden sein, Wenn Jemand solche Handlungen oft ver- aden sieht, ohne daß sie zur Untersuhung und Strafe gezogen wer- en, so fönnen sie nahher von ihm mit dem Bewußtsein der Unschuld vorgenommen werden, was durch ein Beispiel deutlicher werden wird. Venn zwei Preußen sih eine längere Zeit in einem Lande aufhalten, mo der Wucher keiner Strafe unterliegt, wenn sie also wucherische Handlun=- gen immer straflos begehen sehen, so fannman möglicherweise annehmen, daß diese Handlungen von ihnen ohne das Bewußtsein der Strafbar- feit vorgenommen werden, und wenn nun jene Preußen nachher in unseren Staat zurückkehren, so könnte es als eine Härte betrachtet werden, wenu das preußische Wuchergeseß auf ste angewendet werden sollte. Das if der Gesichtspunkt, von welhem man ausgegangen ist, ndem man diesen Punkt nicht mit aufgenommen hat, ihn nicht gleich= estellt hat dem Falle der Verleßung gegen den preußischen Staat. Ras den anderen Punkt betrifft, den Fail, der auch als Ausnahme aufgestellt wurde, die Absicht, das preußische Geseß zu umgehen, so ist eingewendet worden, es sei diese Absiht beim Aufenthalte im Aus- lande schwer zu konstatiren, der Beweis sei sehr {wer zu führen, Dieser Umstand aber kann das Prinzip nicht umstoßen, denn wenn der Beweis nicht gesührt werden kann, so versteht es sich von selbst, daß die Strafe nicht vollzogen werden kann, wie bei jedem anderen Verbrechen. Prinzipiell is es richtig, daß, wenn ein Unterthan un- seres Landes die Oränzen desselben verläßt, um eine bei uns strafbare Handlung straflos zu machen, die Strafe nach unseren Geseßen voll- ¡zogen wird, und auch hier wird ein Beispiel die Sache deutlicher „machen. Jn manchen Ländern ist der Zweikampf nicht strafbar, zwei Preußen bereden sich zum Duell, gehen über die Gränze, um den Zweikampf zu vollziehen und kehren dann zurü, Hier wird es un- zweifelhaft sein, daß sie nur in der Absicht über die Gränze gingen, um dem Gesebe zu entgehen, welhes in diesem Falle mit vollem Rechte auf sie angewendet werden würde, Das is} der Gesichtspunkt, von welchem ausgehend man den Entwurf abgefaßt hat, wobei ich wiederholen muß, daß diese Fälle weder häufig, noch wichtig in Be- zug auf die unbedingte Anwendung der Geseße überhaupt sind. Abgeordn. Sperling: Ich muß gestehen, daß ich in einer Beziehung etwas strenger bin, als der Herr Justiz-Minister und mein verehrter Herr Kollege hier zu meiner Seite, Der Staat ist ver- pflichtet, seinen Mitgliedern den Rechts\huß wirklich zu gewähren, den er dur die Strafgeseße ihnen zugesichert hat, und ih will in Beziehung auf die Vergehen, die gegen seine Mitglieder von anderen Staats - Unterthanen begangen werden, das Geseß in allen Fällen zur Anwendung gebracht wissen, keinem Staats=Unterthan die Ent- \huldigung zu gut kommen lassen, daß er sih längere Zeit im Aus lande befunden habe. Statt dessen würde ih ihm nur anheim ge- ben, aus dem Unterthanen-Verbande ganz auszutreten. Bleibt er in demselben, #o muß er auch die Pflichten erfüllen, die er gegen das Vaterland übernommen hat, und sih mit den Gesetzen desselben in Bekanntschaft erhalten, Jch trete demnah dem Gutachten der Ab= theilung bei, wonach dem Entwurfe hinzuzufügen sein würde, daß das Strafgeseß gegen den preußischen Unterthan auch in dem Falle zur Anwendung komme, wenn die Verbrechen gegen preußische Untertha- nen begangen worden, nicht blos dann, wenn sie gegen den preußi- hen Staat gerichtet sind. Dennoch halte ih die Bestimmung, be- züglich der Absicht, die preußischen Geseße zu umgehen, für haltbar und nothwendig, denn der Staat is verpflichtet, auch den Fremden Schuß angedeihen zu lassen, die sich zeitweise in seinem Gebiete auf- halten, und in Beziehung auf sie ist es allerdings denkbar , daß jene Bestimmung zur Anwendung gebraht werden kann, namentli in dem von dem Herrn Justiz = Minister angeführten Falle, wenn mit einem Fremden, der sih zeitweise hier aufhielt, ein Duell außer- halb der Landesgränze verabredet wird. Jn dem vorliegenden Des ragraphen handelt es sich außerdem auch um Verbrechen, die außer t Jn Be= tref solcher erhebt der Staat einen Rehtsgrund zur Strafe nur durch

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Erste Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

Sonnabend den 22. Jan.

seine völkerrehtlihen Beziehungen. Er kann Verbrechen gegen auswärtige Staaten und Unterthanen nur insofern verfolgen, als der völkerreht- liche Frieden dadur gestört wird, den er aufrecht zu erhalten ver- pflichtet is. So wie ihm aber in solhem Falle nit zugemuthet werden fann, eine andere Strafe aufzuerlegen, als er in seinem Ge- seße angedroht und als retlich anerkannt hat, so würde er anderer= seits wieder zu weit gehen, wenn er ein härteres Uebel auf das Ver= brehen wollte folgen lassen, als der auswärtige Staat selbst als hin- reihende Genugthuung für seine Staats-Mitglieder erklärt hat. Er muß also, wenn der auswärtige Staat eine mildere oder gar feine Strafe feststellt, das auswärtige Strafgeseß gelten lassen, Jn dem Entwurfe is nur an den Fall gedacht worden, wenn der auswärtige Staat gänzliche Straflosigkeit statuirt hat. Jh finde aber darin feine Konsequenz, daß der Fall anders behandelt is, wenn er zwar eine Strafe, aber eine mildere, als der preußishe Staat, angedroht hat, Wenn in den Motiven gesagt is, daß der mildere Charakter der ausländischen Strafbestimmung oft {wer zu ermitteln sei, so geht meine Ansicht dahin, daß dieselbe Schwierigkeit auch bei Erörterung über die gänzlihe Straflosigkeit obwalte. Ueberhaupt wird die Schwierigkeit in allen Fällen nur darin bestehen, den gescß- lichen Begriff des Verbrecheus, den Thatbestand nah der ausläu- dischen Geseßgebung festzustellen. Wenn man diesen feststellen will, wird man immer guf die fremde Geseßgebung näher eingehen müssen, und sobald er festgestellt ist, wird man auch damit vertraut sein, ob die fremde Geseßgebung gänzliche Straflosigkeit oder nur eine mil- dere Strafe ausgesprochen hat. Es is in den Motiven ausgespro= chen, daß, wenn das ausländishe Gescß eine mildere Strafe an- drohen sollte, dem Angeklagten der Nachweis darüber überlassen bleibe und der preußische Richter darauf doch immer würde Rücksicht nehmen können. Jch sehe aber niht ab, warum man dem Angeklagten diesen Nachweis obtrudiren will, Es ist mit dem Prinzip der Ge- retigkeit niht vereinbar, daß das richterliche Urtheil, welches stets die Strafe aussprechen muß, welches das Geseß angedroht hat, von dem Beweise des Angeklagten abhängig gemacht werde, und ich stelle anheim, den §. 2 dahin zu modifiziren, daß in den Fällen, in welchen preußishe Unterthanen gegen auswärtige Staaten oder auswärtige Unterthanen Verbrechen verübt haben und die auswärtige Gesebge- bung eine mildere Strafe bestimmt, diese Geseßgebung ihnen eben jo zu statten komme, als in dem Falle gänzlicher Straflosigkeit. Abgeordn. Regierungs =-=Kommissar Bischoff: Der Antrag des verehrten Redners, welcher so eben sprah, geht im Wesentlichen dahin, das Prinzip des Allgemeinen Landrechts beizubehalten und in den Entwurf wieder aufzunehmen; er trägt darauf an, daß bei aus- wärts begangenen Verbrechen das ausländische Geseß , insofern es milder is, zur Anwendung kommen soll. Jn praktisher Beziehung ist demnach die Prüfung dieses Antrags eine Sache der Erfahrung- És muß aber behauptet werden, daß die landrechtlihen Bestimmungen zu großen Uebelständen Anlaß gegeben haben, Es sind in Preußen Wechsel - Fälschungen Gegenstand der Untersuchung geworden, welche in England, Amerika, Rußland und Schweden begangen waren. Bei Abfassung des Erkenntnisses mußten die Straf- Geseggebungen aller jener Länder’ zu Rathe gezogen werden. Dieser Zwang, dem gaus= ländischen Strafgeseß nachzuforschen und dasselbe mit dem preußischen abzuwägen, bringt den Richter in große Verlegenheit; namentlich, wenn man erwägt, daß in den meisten auswärtigen Staaten das Strafrecht niht in einen! einfachen, einzelnen Geseßbuche, sondern, wie zur Zeit bei uns, in einem Komplex von mannigfachen Vorschriften beruht. Auch kommt in Betracht, daß die auslän=- dischen Straf = Geseßgebungen nicht selten Strafen bestimmen, welche dem preußischen Strafrecht unbekannt sind, die sich hier nicht voll= strecken lassen, und von denen man niht weiß, ob man sie für bärter oder milder, als die hier angeordneten Strafen, erachten soll. Dies gilt beispielsweise von der Strafe der Deportation, welche -in der englishen Geseßgebung für eine große Anzahl von Verbrechen ange- ordnet ist. Aus allem diesem ergiebt sich, daß der landrectliche Grundsaß in praktischer Beziehung fast unausführbar is, Aber auch aus inneren Gründen is das Prinzip gerechtfertigt, daß der preußische Richter in allen Fällen, wo seine Strafgewalt überhaupt begründet ist, nux die preußischen Strafgeseße anwenden muß. Denn in diesen Geseßen hat der preußische Gesebgeber ausgesprochen, nicht nur, welche Handlungen er überhaupt für strafwürdig hält, sondern auch, daß gerade nur die von ihm bestimmten Strafen und weder größere noch geringere als eben diese erforderlih sind, um den Zwecken der Strafgeseßgebung zu genügen. Die im Entwurf aufgenommene Modification hbinsichtlih der in den ausländischen Geseßen als straf- los anerkannten Handlungen rechtfertigt sich aus Billigkeitsgründen und kann in praktischer Beziehung die erwähnten Schwierigkeiten uicht veranlassen, überhaupt sind der Fälle, wo eine Haudlung nach aus- wärtigem Recht als straflos anzunehmen is, außerordentli wenige und, wie vom Herrn Justiz-Minister für die Gesebgebung bereits be- merkt worden ist, in der Regel nur solche, die einen \{chwereren poli- zeilihen Charakter haben, wie Hazardspiel, Wucher und dergleichen. Abgeordn. Fabricius: Jh wollte mir nur die Bemerkung erlauben, daß es mir dem Prinzip zu widersprechen scheint, Ver- brechen, welhe von Ausländern im Auslande begangen wurden, nach preußishem Rechte zu bestrafen, Wenn ein Preuße im Auslande E das Ausland sich vergeht, so wird er danach zu beurtheilen ein. (Der Stenograph hat den Redner nicht weiter verstehen können.) Korreferent Freiherr von Mylius; Jch halte es für erfor= derlih, noch mit einigen Bemerkungen das Gutachten der Abtheilung zu vertheidigen. Zunächst ist von Seiten des Geseßgebungs - Mini= sters gesagt worden und dies ist allerdings eine Behauptung, die nicht wohl zu bestreiten is daß von großer praktisher Wichtig- feit die Bestimmung des Entwurfs hier nicht sein werde. Ein gar zu untergeordnetes Juteresse, ein gar zu geringes Jnteresse ihr bei= zulegen , dazu dürfte aber doch dann namentlich keine Veranlassung sein, wenn von der Vorausseßung ausgegangen wird, daß die mate- rielle Bestimmung des Entwurfs, wie sie hier vorliegt, zum Geseg erhoben wird, da es allerdings Dinge mancher Art giebt, die hier- nach verboten scin werden, obwohl sie im Auslande straffrei sein wer= den, Jch erwähne -nur manche der Vergehen, welche mit dem Titel der politischen bezeihnet werden, wie die Verbrechen gegen den deut- chen Bund, Verbrechen gegen die Sittlichkeit, ih erwähne namentlich auch die Verbrechen in Beziehung auf die Religion und gebe an-= heim, zu bedenken, ob nicht eine Untersuchung wegen einer im Aus= lande begangenen Gotteslästerung nah der Bestimmung des Ent- wurfs, und namentlich dieses Paragraphen, zulässig sein würde, je- denfalls aber zu den Dingen gehört , die keinenfalls wünschenswerth erscheinen werden. Es is nun zweitens gesagt worden, daß der Fall des Entwurfs, wenn eine Handlung ein Verbrechen gegen den preu- ßischen Staat enthält, wohl der einzige sei, wo eine Strafe eintreten dürfe, daß es aber niht zweckmäßig sein werde, den Unterthanen

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einen gleihen Schuß angedeihen zu lassen, uud man hat dabei na- mentlih auf das Beispiel des Wuchers hingewiesen, Jch glaube je- /

| do, daß eine andere Bestimmung bereits vorhanden is, wonach der=- jenige, welher im Bewußtsein der Unschuld gehandelt hat, frei von Strafe is, denn er wird die Eigenschaft als Unterthan durch seinen Aufenthalt im Auslande in einer gewissen Zeit verlieren, es wird derjenige, der sich im Auslande eine gewisse Zeit aufgehalten hat, nicht mehr preußisher Unterthan sein und deshalb niht mehr für strafbar erahtet werden können im Sinne des Paragraphen des Ent=- wurfs. Hat er aber einer äußeren Verlegung sich schuldig gemacht, und hat er einen Anderen durch Umgehung der Wuchergeseßze betro=- gen oder verleßt, so ist er mit Recht sirafbar, und es fann ihm das Betußtsein der Unschuld nicht zu Gute kommen. Es ist überhaupt hier eine Frage, die durch das ganze Kriminalrecht hindurchgeht, wor= auf mehr gesehen werden soll, ob auf das Jnnere des Menschen, auf sein Bewußtsein, oder auf die äußere Rehtsverlezung, und hier ist meine persönlihe Ansicht die, daß gerade für die Auweublua der Strafen das innere Bewußtsein des Menschen nicht maßgebend sein kann; is der äußere Rechtsfreis eines Dritten verlegt worden, und nur in diesem Falle, so ist die Strafe gerechtfertigt. Hinsichtlich des zweiten Falles des §. 2: „Es soll auch eine Hands lung strafbar sein, welche in der Absicht, das preußische Gesey zu umgehen, im Auslande vorgenommen ist“, so hat auch hier die Ab- theilung darauf angetragen, diesen zweiten Saß zu streichen, indem sie der Ansicht is, daß er mit dem ersten Haupt-Prinzip, welches die Motive des Entwurfes als leitend anerkennt, d. h. mit dem Prinzipe der Territorialität, nicht vereinbar sei. Wozu sollte es am Ende fühs ren, eine solhe Ausnahme aufzustellen, die, meines Erachtens, einen anderen Grund nicht hat, als, daß man es für eine Nothwendigkeit des Staatszweckes erachtet, den einzelnen Unterthan, selbst wenn er die Landesgränzen verläßt, zu bevormunden, seine Handlungen zu überwachen und darauf zu sehen, ob sein Bewußtsein und seine Grund= säße mit den Grundsäßen des Strafrehts in Widerspruch treten. Jch glaube, daß, so lange eine äußere Verleßung nicht vorliegt, von dem Grundsatze der Territorialität niht abgewichen und nicht auf die Ansicht übergegangen werden muß, als seien einzelne Rechte dem Unterthan durch die Geburt angeboren, von welchen er auch außerhalb der Landesgränze sih nicht freimachen dürfe, Jch glaube, daß die Anträge der Abtheilung vollständig gerechtfertig sein werden, und wünsche, daß sie den Beifall der hohen Versamms lung finden mögen. Die zuleßt von dem geehrten Abgeordneten der Stadt Königsberg angeregte Frage: Ob es nicht zweckmäßiger sei, die mildere Strafgeseßgebung Anwendung finden zu lassen, wie es im Allg. Landrehte vorgeschrieben is}, is auch in der Abtheilung zur Sprache gebraht worden. Aus den von dem Herrn Kommissar auch hier erwähnten Zweckmäßigkeitsgründen habe 1h hier auch die Bestimmung des Entwurfs für gerechtfertigt gehalten, ih glaube nämlich nicht, daß wegen der Verhältnisse, welhe vorhin hier ervr- tert worden sind, es zweckmäßig sei, den Grundsaß auszusprechen, daß immer die gelindere Strafbestimmung in Anwendung gebracht werden soll, weil der Fall vorkommen kann und zu den ‘häufigeren gehört, wo es unmöglich is, mit Bestimmtheit zu sagen, welche Strafbestimmung ist die gelindere. E : Abgeordn. von Camphausen: J gehöre nichtsdestoweniger zu denjenigen, welhe sich dem Antrage des Abgeordneten von Königs=- berg anschließen, daß nämlich in allen Fällen, so wie das Landrecht vorgesehen hat, die mildere Strafgeseßgebung zur Anwendung ge= bracht werden joll, Die großen praktischen Bedenken und diese hat man vorzugêweise dem entgegengestellt würden gänzlich ver- s{winden, wenn man den Grundsaß angenommen hätte, die Ver= brehen im Julande werden bestraft und die im Auslande begangenen nur dann, wenn sie einen Jnländer verleßen oder gegen die Sicher=- heit des Staates gerichtet sind, so daß jeder Staat in seinem Lande für Aufrehthaltung der Geseße und der Ordnung und für die Bes strafung der Verbrechen zu sorgen hätte. Vielleicht würde es Zeit aufwand sein, sich länger über diesen Saß zu verbreiten, weil der= selbe hier wenig Anerkennung zu finden sheint. Wenn aber zugege= ben wird, daß die im Auslande begangenen Verbrechen im Julande bestraft werden sollen, so wird daraus nothwendig folgen, daß auch nur die Geseße des Auslandes angewendet werden fönnen, die Ge=- seße des Ortes, wo die Handlung begangen war, wie ein sehr alter Grundsaß bestimmt. Dafür, meine Herren, hat der Minister von Savigny sehr bedeutende Gründe angeführt, die ih anecrkenue und für höchst geeignet halte, das zu widerlegen, was gegen die Anwen= dung preußischer Geseße auf im Auslande begangene Verbrechen von derselben Seite gesagt wurde. Das praktische Bedenken erscheint mir nicht erheblih genug, um deshalb über das wirkflihe Recht hinaus=- zugehen. Daß es dem preußischen Richter shwer sei, die ausländiz schen Gejeße zu kennen, is zuzugeben, aber nicht daraús zu \hließen, daß er sie nicht kennen müsse, Da, wo der Grundsat im Civilrechte gilt, daß die Handlung nach den Geseßen des Ortes, wo sie statt fand, beurtheilt werden müsse, da involvirt dies auch für den Richter die Kenntniß der auswärtigen Gesebe. Auf tas Bedenken, daß in verschiedenen Ländern verschiedene Strafarten bestehen, ist zu entgeg- nen, daß in jedem Lande auh dem Richter ein gewisser Spielraum gelassen ist, innerhalb dessen er die Strafen anwenden fann, und es wird sich selten so stellen, daß mit Benußung dieses Spielraums no Zweifel für ihn bleiben, ob die inländische Strafe nicht zu boch sei. Was 3. B. die Deportation anlangt, so scheint es mir nicht zweifel hast, daß sie jedenfalls eine Freiheitsstrafe i und also in eine ent- sprechende Freiheitsstrafe verwandelt werden kann, insoweit im ande- ren Lande noch eine Entziehung der Freiheit fortdauert. Jch würde daher bei diesem Paragraphen, so wie der Abgeordnete von Königsberg, der Meinung sein, daß die Bestimmung des Allg. Landrechts, wonach die mildeste Geseßgebung jedesmal angewendet wird, hergestellt werde, aus dem besonderen Grunde noch, weil ein absolutes Unrecht nur stattfinden kann, wenn man zu harte Strafen auflegt, nicht aber, wenn man im Falle des Zweifels die mildere Strafe anwendet, welche vielmehr in diesem Falle immer angewendet werden soll. Das erfen=- nu:n alle Länder an, welche die Begnadigung zulassen, daß eine zu milde Strafe nicht absolut unreht sein könne. Jh habe noch einen anderen Punkt zu §. 2 zu erinnern. Jch verstehe nämlich nicht, was ein Verbrechen gegen den preußischen Staat ist, und wünsche, daß das Gese, da es einmal für mich undeutlih is und für viele Andere wohl auch, so gefaßt werde, daß Jedermaun es verstchen kann. Jch verstehe wohl, daß, wenn Jemand Hochverrath im Anslande begeht, dies ein Verbrechen gegen den Staat ist. Vielleicht würde man es nicht zweifelhaft finden, daß die Verfertigung falscher preußischer Tha- ler im Auslande ein Verbrechen gegen den Staat sei. Ob aber der Agent einer Gesellschaft zur Erleichterung der Auswanderung, z. B. in Antwerpen oder in Havre, wenn er preußishe Unterthanen zur Auswanderung verleitet, ein Verbrechen gegen den preußischen Staat begehe, ist allerdings zweifelhaft. Auch würde man zweifelhaft fin- den, ob ein Ausländer wegen eines im Auslande geschriebenen Buches eines Verbrechens gegen den preußischen Staat beschuldigt werden könne. Jh wünsche, daß das Geseß sich klar darüber ausspreche,

daß es beispielsweise die Verlezung der Sicherheit des preußischen