1848 / 29 p. 4 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

meine Absicht nur halbe gn 2 Zur futter Cu 2a rey dne Hiernach ift eine Ursache zu einer weiteren Frage- ¡ht vorhanden, und es bleibt blos die Frage übrig : ob ein stellung nie im Geseb festzustellen sei? Die, welche die Mínimum für Geldbußen im Ge E ete Ai Frage bejahen wollen, werden dies dur Aufstehen zu erkennen geben. Dée Frage is verneint, und wir kommen zum nächsten Paragraphen. ch werde eben von mehreren Seiten gefragt, ob der §. 27, wie er dier steht, angenommen sei. Dem ist niht so, denn der Vorschlag des Grafen von Schwerin in Bezug guf den Wegfall des Maximums von 4 Jahren hat die Zustimmung der Versammlung erhalten. Es ist niht mehr erforderlich, die Frage zu stellen, ob außerdem der JZnhalt des Paragraphen angenommen werde. Es is das darin ent- halten, daß die Vorschläge, welche an die Stelle der Bestimmungen des §. 27 treten sollten, abgelehnt worden sind. Es is damit der Juhalt des Paragraphen angenommen, mit Ausschluß des Sahtes, welcher nah der ersten Abstimmung weggefallen i. Wir kommen

nun zum §. 28.

Referent (liest vor): 6. 28.

„„Die Confiscation des ganzen Vermögens tritt ein gegen Hoch= verräther, Landesverräther und ausgetretene Militairpflichtige (§8. 97, 429);

Außer diesen Fällen findet die Confiscation nur in Beziehung auf einzelne Gegenstände statt. Werkzeuge, welche zur Begehung ei= nes Verbrechens gebraucht oder bestimmt worden sind, sollen, sofern sie einem Theilnehmer an E gehören, konfiszirt werden. ““

¡U F. 28, Unter Nr. 7 is die Frage zur Berathung gestellt : ob die Vermögens-Confiscation beibehalten werden solle?

Für die Beibehaltung der Confiscation wird angeführt, daß sie als Sicherheits-Maßregel wirksam und in vielen Fällen unentbehrlich sei. Allein dieser Grund kann hon deshalb nicht als entscheidend erkannt werden, weil diese Strafart in sih keine Rechtfertigung findet. Sie is verwerflih, weil sie gleih strafwürdige Verbrecher ungleich und mehr noch, als bloße Geldstrafen niht den Schuldigen allein, sondern zugleih und oft vorzugsweise unschuldige Personen trifft. Durch den Schein, daß sih der Staat bereichere, beeinträchtigt sie die Wüede desselben, und dadurch, daß von ihr zugleih unschuldige Personen betroffen werden, erregt sie Haß und Erbitterung. Mag sie in einzelnen Fällen als Sicherheits-Maßregel wirksam sein : höher ist andererseits gewiß der Nachtheil für den Staat anzuschlagen, den feindliche Gefühle und Gesinnungen unschuldig von der Confiscation betroffener Personen bereiten können. Obgleich hiergegen geltend gemacht wurde, daß den s{hwersten Verbrechern gegenüber die Con- stscation eine ganz angemessene Strafe sei, daß gegen Hochverräther und gegen Landesverräther sie \ich rehtfertigen lasse, weil dergleichen Verbrecher dur ihre Handlungen selbst aus dem Staatsverbande ausscheiden, so hat die Abtheilung do mit 8 gegen 5 Stimmen be- s{lossen, darauf anzutragen,

daß die Frage, ob Vermögens-Confiscation beibehalten wer- den solle, verneinend beantwortet werde.

Eben so hat sih die Abtheilung mit 8 gegen 5 Stimmen dafür entschieden, daß auch namentlich in Betreff slüchtiger Hochverräther und Landesverräther die Vermögens - Confiscation nicht beibehalten werde, zumal konsequent dann auch andere flühtige Verbrecher mit derselben Strafe bedroht werden müßten.

Die Abtheilung s{hlägt demzufolge vor :

dahin anzutragen, daß die Bestimmung im ersten Abschnitt des §. 28 aus dem Strafgeseße ganz weggelassen werde.

Gegen die Bestimmung im zweiten Abschnitte findet sih nichts zu erinnern.“

Candtags-Rommissar: Jch bitte ums Wort.

Der Hauptgrund, weshalb die nach allen jeßt in der preußischen Monarchie bestehenden Strafgeseßzgebungen bestehende Strafe der Confiscation auch in das neue Strafgefezbuch wieder aufgenommen

ist, liegt in der Erwägung, daß es gegen anusgetretene Kantonisten faum ein anderes wirksames Strafmittel giebt, und daß es bei der Allgemeinheit unserer Wehrpflicht gleichwohl im Juteresse aller Staats-= bürger sowohl, als in dem des Staates liegt, dafür zu sorgen, daß, so weit thunlich, sich Niemand U der Militairpflicht entziehen

fönne. Jh erlaube mir hinzuzufügen, daß derjenige unter unseren Kollegen, den wir leider niht mehr in unserer Mitte zählen, und dessen Departement hierbei am nächsten berührt war, es in einer späteren Berathung über diesen Gegenstand als dringend wünschens- werth hervorgehoben hat, die Strafe der Confiscation gegen aus- getretene Militairpflichtige nicht aufzugeben.

Außerdem wurde in Erwägung gezogen, daß es in einer Zeit, wo es an frehen Angriffen gegen die Majestät, gegen die Sicherheit und Integrität des Staats leider nicht gefehlt hat, bedenklih erschei- nen könne, ein in alle unsere jeßigen Geseßgebungen aufgenommenes Strafmittel gegen diese Art von Berbtedea aufzuheben und dadurch den Ernst der Geseße gegen diese Verbrechen zu {wächen.

___ Abgeordn. von Rurcewsfki (verliest nahstehende Rede) : Es ist die ungemein große Einfachheit der uns eben vorliegenden Frage, die mich bewegen fonnte, mi, einen Neuling auf dem Felde der ju- ristishen Kontroverse, und der ih mich noch außerdem durch eine nicht genügende Fertigkeit im Gebrauche der deutshen Sprache be- hindert fühle, um das Wort zu bitten, um mich gegen die im g. 28 des Strafgeseß - Entwurfs ausgesprochene Strafe der Confis- cation auf das allerentschiedenste zu erflären.

Doch glauben Sie es nicht, meine Herren, daß es die politischen Verhältnisse sind, in denen ih mich nebst meinen Landsleuten zufällig befinde, die mih dazu veranlassen. Nein, meine Herren, es sind, wie Sie sich selbst davon werden überzeugen können, allgemeine humani- stishe Vernunft- und Gerechtigkeitêsgründe. Denn die hierder gehö- rende allgemeine Frage Nr. 7:

„Soll die Confiscation beibehalten werden?“ falls sie von dieser hohen Versammlung bejaht werden sollte, würde sich in concreto, mit Rücksicht auf den aburtheilenden Richter, nicht anders stellen können, als : i :

Soll die gegen einen Hochverräther , Landesverräther und ausge-

treteyen Militairpflihtigen zu erkennende Strafe 4 zugleich auf

seine Kinder , Erben und Verwandten insofern erstrecken , als ie des sämmtlichen von dem hingerichteten Verbrecher (denn der Rich ter muß immer [I daß das Urtheil auch vollstreckt wer= den wird) hinterlassenen Vermögens s des nah dem Civilrechte, ihnen zukommenden Pflichttheils, für verlustig erkärt werden müssen?

Wenn man aber diese Frage in dieser Art hinstellt, und anders fann sie faum dem Sinne nah estellt werden, sollten sich m noch unter Jhnen, meine Herren, Viele finden, die ín ihrem Ge- wissen eine dergleichen Strafbestimmung für zeit- und gerechtigkeits- gemäß erachten sollten? Sollte es überhaupt heutzutage noch Viele geben, die es mindestens, im Interesse der Gesammtheit, Falie Staates für durhaus nothwendig, für unentbehrlich halten ollten :

‘daß die Angehörigen eines Verurtheilten (ma sein Verbrechen so

groß sein, wie es will) zur Sicherheit des Staates, zur Sühne, zur öffentlihen Genugthuung für die beleidigte S: daß

zu diesem Behufe auch noh seine unglüliche hegattin,

198

seine unmündigen, unschuldigen Kinder, seine von Alter und Kum- mer niedergebeugten Aeltcrn der Noth und dem Elende preisgegeben werden müßten 2

Sollte es also wiederhole ih, noch Viele geben, die, aus

einem solhen Gesichtspunkte die vorliegende Frage betrahtend, im Geiste, der bei den Jsraeliten des alten Bundes herrshenden An= sicht: „daß auch Gott die Verbrehen der Väter an ihren Kindern und Kindeskiudern bis in die 10te Generation straft“ diese in Zeiten der Unwissenheit und des Despotismus, in einen verab- scheuungswürdigen Rechtsaß verwandelte Ansicht in der Ge= seßgebung des XIX. Jahrhunderts ferner noch beizubehalten für gerecht oder mindestens für rathsam und gerehtfertigt erachten sollten ? Es is faum glaublih: denn Sie werden es mir ganz gewiß zugeben, meine Herren, daß, wenn bei der heutigen gesellschaftlichen Bildung ein Strafgeseß die seinem Zwecke entsprehende Wirksam- feit haben soll, dasselbe in den Ansichten des Volkes wur= zeln muß, am wenigsten aber gegen die einfahsten Begriffe über Recht und Unrecht verstoßen darf. Jh frage Sie aber, meine Herren, giebt es eine einzige Strafbestimmung, die dem allgemeinen Gereqhtigfeitsgefühle und dem moralischen Sinne aller Urtheilsfähigen in dem Volke mehr widerstritte, als gerade diese? Nach meiner in- nigsten Ueberzeugung vielmehr würde die öffentlihe Meinung die Vollziehung einer solhen Strafe, wenn sie je stattfände, für nihts Anderes ih, für meinen Theil wenigstens, könnte es un- möglich für etwas Anderes ansehen, als für eine offenbare Be= raubung der Jntestat-Erben, wenn das ihnen nah den Landes-Civil- Geseßen zukommende hinterlassene Vermögen des hingerichteten An- gehörigen zu Gunsten des Fiskus, in Folge eines anomalen Ge- seßes, eingezogen werden sollte. Ih muß ofen gestehen, daß auch die in den Motiven zu Gun= sten dieser Strafart geltend gemachten, hauptsächlich aus der Ab- s{reckungs - Theorie geshöpften oder Nüslichkeits - Gründe mir gar nicht einleuhten und andere Ueberzeugung beibringen kfonntenz denn ih muß bestreiten, den Bchauptungen des Verfassers der Motive gegenüber, daß diese Strafart als Sicherheits - Maßregel unter irgendwelhen Umständen als wirksam, als unentbehrlih und, ih will nicht einmal sagen, als gerehcht, sondern auch nur als ge- rechtfertigt erscheinen könnte! Jch muß bestreitcn, daß der Tod durch die Hand des Henkers, sei es mit Verlust oder ohne Verlust der bürgerlichen Ehre, nicht lr hinlänglih {were Strafe, auch für die allershwersten Verbrechen, anzusehen wäre; und daß es aus die- sem Grunde in irgendwelhem Falle erforderlih erscheinen könnte, zu der erwähnten allershrecklihsten Strafe auch noch diese ungerech= teste aller erdenklichen Strafen als Zusatz hinzuzufügen. Jch muß ferner noch bestreiten, daß derjenige, der die Todesstrafe nicht fürchtet, durch den ihm angedrohten Verlust des Vermögens s\ich von seinem hochverrätherishen oder landesverrätherishen Vorhaben wird abhal- ten lassen, indem ihm, falls es ihm auf den Verlust des Vermögens mehr als auf den des Lebens was nicht einmal anzunehmen ist ankommen sollte, sehr leiht gelingen wird, dieses Vermögen mittelst Verträge unter Lebenden zu Gunsten seiner Angehörigen sicher zu stellen, es ihm also im Gegensaye zu der Behauptung der Mo= tive hundertmal leichter, \ich dieser Strafe zu entziehen, als der Todesstrafe durch die Flucht zu entgehen.

Wenn aber sogar in den Motiven behauptet und unter die ent- scheidenden Gründe für die Beibehaltung dieser Strafart aufgenom- men wird :

„daß diese Strafart ein Mittel werden wird, in den Angehörigen eines Verurtheilten eine größere Anhänglichkeit an das Gouverne-= ment hervorzurufen, indem häufig das konfiszirte Vermögen den- selben zurückgegeben wird““, s so werden Sie mir erlauben, meine Herren, es hier offen zu erklä- ren, daß ih dieser hohen Versammlung zu nahe zu treten befürchten müßte, wenn ih annehmen sollte, daß dieselbe bei ihrem Ausspruche über cine Frage des Rechtes si von dergleihen Rücksichten würde leiten lassen.

Ueberdies wage ih aber noch zu behaupten, daß der mit der Beibehaltung dieser Strafart verbundene und in den Motiven so un- umwunden ausgesprochene Zweck

„der Hervorrufung einer größeren Anhänglichkeit an das Gouver=

nement in den Angehörigen des Verurtheilten“ gänzlich verfehlt sein dürfte; denn in den allermeisten Fällen würden nah meiner unmaßgeblihen Meinung die dur die Gnade des Landesherrn zu ihrem konfiszirten Vermögen gelangenden Angehöri- gen eines hingerihteten Hoh - oder Landesverräthers diese Zurü- gabe niht anders als eine gerehte und unabweislihe Resti- tution des ihnen dur ein ungerehtes Geseß geraubten rechtmäßigen Eigenthums betrachten; auch in Folge dessen dieselbe statt für cine Wohlthat vielmehr für eine Demüthigung ansehen, die nur zu reizen, niht aber eine Anhänglichkeit hervorzurufen vermag.

Wenn es also nit geleugnet werden könne, daß die in Rede stehende Strafart vorzugsweise, man kann sagen ausschließlic die unschuldigen Angehörigen des Verurtheilten treffe, so kann Aud die von der Minorität der Abtheilung ausgesprochene Ansicht :

¡daß diese Strafe gegen die Hochverräther und Landesverräther

deshalb als angemessen erscheine, weil dergleichen Verbrecher durch

ihre Handlungen selbst aus dem Staats-Verbande ausscheiden“, keinesweges als zutreffender Grund der Beibehaltung derselben an- gesehen werden.

Unter den vielen Bedenken und Gründen, die sich gegen die Strafe der Confiscation aufdrängen, muß auch dieser als niht uner= heblih betrachtet werden: daß dergleichen Strafbestimmungen augen- scheinlich einen kommunistishen Grundsaß in die Gesetzgebung ein- führen, indem dieselbe die Rechte der Familie nicht anerkennen wolle. Diese Behauptung wird nicht als paradox angesehen werden können, wenn man in Betracht ziehen wird, daß nur zwei Arten esellschast= liher Zustände denkbar sind, in welhen dergleichen Besliyintslden mit Konsequenz bestehen können, nämlih eine autokratishe Landes= Verfassung, wenn der Alleinherrsher, wie eins Ludwig X1V., ohne einem Widerspruche zu begegnen, sagen kann: „l'état c'est moi““ oder eine auf einer fommunistishen Basis gebildete gesellschaft= lihe Ordnung, in welcher die Familie keine Rechte besißen würde. Der erste dieser Zustände is Vank dem allgemeinen Fortschritte der Bildung son vorüber; also eine in derartiger gesellschast=- liher Ordnung begründete geseßliche Bestimmung erscheint heute als ein wahrer Anachronismus ; den zweiten aber wird gewiß Keiner un- ter uns herbeizuführen wünschen und wird auch wie ih zuver=- stlich hoffe zum Glück der Menschheit nie zur Existenz ge- angen.

W068 aber entscheidend bei der vorliegenden Frage sein dürfte, ist: daß, indem diese Strafbestimmung in dem Entwurfe von 1843 nicht enthalten (sie fehlt auch in dem von 1845, die Geseß-Revisions- Kommission folgte damals ihrem besseren Gefühle) also die Mei- nung der Vertreter des Volks, in ihrer Gesammtheit, über diesen höchst wichtigen Gegenstand sich gar nicht aussprehen konnte Sie Bedenken tragen müssen, meine erren, eine Strafbestimmung anzu= nehmen, die hätte sie den Provinzial - Landtagen vorgelegen von denselben, wie ih fest überzeugt bin, und gewiß Viele unter Zhnen, meine Herren, werden diese Ueberzeugung tbeilen, verworfen

géwesen wäre,

Ss muß ih noch auf den in den Motiven für die An= nahme dieser trafbestimmung angeführten Grund dem ih noch nit begegnet zurückommen, nämlich : „daß es sih dabei nicht um die Einführung eines neuen Rechts= sabes, sondern um die fernere Anwendung einer Strafart handelt die in dem jet bestehenden Rechte, sowohl in dem Landrete, als in dem rheinischen Strafgeseßbnche, begründet ist.“ E __ Sie werden sich darüber auszusprehen haben, meine Herren, ob dieser Grund als entscheidend anzusehen is, ob seit der Einführung des Landrechts die Landes-Verfassung, die gesellschaftliche und sittliche Bildung, die Begriffe über Recht und Unreht was bei der Eín- führung einer neuen Gesebgebung allein maßgebend sein kann sich niht in dem Maße verändert hätten, daß eine Strafbestimmung, wie die in Rede stehende, unbedingt zu verwerfen sci. Sie werden dar» über Ihre Meinung abzugeben haben: ob heutzutage wie zu jener Zeit politischer Abgötterei der Mat gegenüber und der Unmíin= digkeit des Volkes ein Geseß nur zu bestehen brauche, um wirksam zu sein; oder ob es um diesen Zweck zu erreihen außerdem noch nicht eine moralische Grundlage haben müsse.

Getrost sehe ih Jhrem Ausspruche in dieser wichtigen Frage entgegen; denn ih lebe der zuversichtlichen Hoffnung, daß Sie, meine Herren, der Stimme Jhres Gewissens folgend, sich dabei niht von vorübergehenden politishen Rücfsihten dice sehr häufig niht zum Ziele führen sondern von den ewigen Grundsäßen der Gerechtig- feit und Moral werden leiten lassen.

Abgeordn. Steinbeck: Der geehrte Redner, der so eben seine Rede geschlossen, hat dasjenige, was Beccaria und die französischen Encygklopädisten gegen die Consiscation vorgetragen haben, amplifizirt, und es ist niht zu leugnen, daß, wenn man auf dem angedeuteten Standpunkte sich bewegt, man durchaus seinen Gründen beipflichten muß. Eben so is von ihm hervorgehoben worden, und zwar, wie ih glaube, mit vollem Rechte, daß wir bei unseren heutigen Betrach= tungen, wo es sich um das Strafrecht für die Zukunft handelt, eben so wie beim Todtschlage, niht danach zu fragen baben: was sagt das Allgemeine Landrecht; was sagt der Code pénal, sondern: was sagt eben das wahre Recht, welhes wir mehr und mehr geltend ma= chen wollen? Daher wenden wir zu einer anderen Seite der Frage, und dann müssen wir diejenigen Fälle genau unterscheiden, von denen der Geseß-Entwurf spriht, Der eine is die Confiscation des Ver- mögens ausgetretener Militairpflihtigen, und hier spielt das Krimi- ualreht eigentlich in das Civilreht, Der Staat hat ein gesebliches Recht guf die Person des Militairpflichtiger, entzieht sich Letzterer diesem Rechte, so raubt er dem Staate das, was nun auf andere Bürger übergeht. Er ist dem Staate Entschädigung schuldig, und es ist billig , daß er sie mit seinem Vermögen leiste. Es läßt sich aber kein gerehterer Maßstab dafür finden, als die Confiscation des ganzen Vermögens, denn je größer das Vermögen des Ausgetretenen, desto größer war seine Pflicht, dasselbe, so wie den Staat, zu ver= theidigen. Jch glaube aljo, daß, was diesen Punkt betrifft, die Ver-= sammlung der Meinung scin wird, die Confiscation des Vermögens erscheine völlig gerechtfertigt. N i

Zweifelhafter stellt sih die Frage, wenn wir die Hoch- und Lan-= desverräther ins Auge fassen. Hier sind es Gesichtspunkte nicht blos der Moral, nicht blos der Humanität, es sind auch Gesichtspunkte der Politik, die uns mitleiten werden, wenn wir uns bemühen wollen, das Recht zu finden. Die Politik spricht gegen die Confiscation, Fragen wir die Geschichte, was es mit der Confiscation für cine Be wandtniß hat, o treffen wir sie an bei den wildesten, wie bei den policirtesten Völkern, eben so gut bei den Wilden Amerika's, wie in England; allein das kann für uns anch kein Motiv für ihre Billi- gung sein. Nicht die Allgemeinheit einer praktischen Ansicht, sondern, was dieser Ansicht zu Grunde liegt, is hier aufzufassen. Wir Alle beben zurück, wenn wir uns ein römishes Geseß ins Gedächtniß ru- fen, welches sagt: die Strafe der Hochverräther durch Confiscation soll noch bis auf ihre Kinder wirken, so daß ihnen das Leben eine Qual, der Tod ein Trost sein soll. Demnach liegt die Frage so: is es politish, die Confiscation auszusprehen? Die Geschichte der Stuarts widerlegt das. Aus dem Blute der Hingerichteten, deren Vermögen konfiszirt war, bildeten sich die Köpfe der Hydra, die das Land durch mehr als ein Menschenalter in die höchste Unruhe verset- ten, weil die vermögenslos gemachten Nachkommen, von Verzweiflung ergriffen, gegen eine Verfassung ankämpften, der sie sich gefügt haben würden, wenn ihnen dur diese die Mittel friedlicher Existenz nicht geraubt worden wären. Mit der Person sühnt sih auch das Ver= brehen. Das Vermögen is nur ein Anhang der Person, darum glaube ich, daß die Confiscation des Vermögens der Hoch=- und Lan= desverräther in der Form nicht auszusprechen i, wie in dem ersten Saß dieses Paragraphen geschieht. Es wäre aber eben \o unpoli= tisch, als es unrehtlich wäre unrechtlih, indem man die Gesammt» heit aller Staatsbürger ins Auge faßt wenn man den Landes= und Hochverräthern die Mittel lassen wollte, ihren eigenen Verrath weiter fortzuspinnen.

Darum bin ih der Meinung: daß in diesem Falle die Bestim mungen in Anwendung zu bringen seien, welche der Code pénal ent- hält, und zwar in den §§. 29 und 30, wo es heißt: Jeder, der zur Strafe der {weren Arbeit auf Zeit oder zur Einsperrung oder Re= Flusion verurtheilt ist, wird unter Vormundschaft gesept, sein Vermö= gen soll administrirt und nichts davon ihm verabfolgt werden. Diese Form der Sequestrativn erscheint als eine Form, die der Staat auch seinen übrigen Bürgern schuldig is. Nun aber wird eine zweite Frage entstehen: Wie soll es mit dieser Sequestration gehalten werden ? Jh muß hier etwas tiefer auf die Frage eingehen. Ein ganz neues Geseßbuch eines Nachbarstaates erklärt im Augenblicke der Verurthei= lung den Vrrurtheilten für todt und läßt gleih sein Vermögen an seine nothwendigen Erben übergehen. Diese Art von Verfügung scheint unpolitisch, sobald man nit förmlich den politischen Tod aus= spricht, Dies is in unserem Entwurfe nicht geschehen. Ich glaube, daß die Sequestration fortdauern muß bis zum physischen Tode des Verbrechers, und daß erst nach diesem sein Vermögen seinen geseßz- lihen Erben auszuantworten ist, die Frage aber, ob und wie weit seinen Angehörigen während seines Lebens Kompetenz oder Nichtkom= petenz zuzubilligen, nicht vor den Richter, sondern vor das politische Gouvernement gehört; denn hierbei handelt es sich um die Stellung des Verbrechers zu der Gesammtheit der Nation, und das Jene Stellung, die der Richter nicht zu beurtheilen hat, sondern das Gou= vernement selbst. Alles das, was N vorgetragen habe, bezwedckt an dieser Stelle der Berathung noh keinen speziellen Antrag, sondern soll nur im Protokolle niedergelegt werden. Bei dem vorliegenden Paragraphen beantrage ih blos aus den zur Sprache gedrachten Gründen, daß bei Hochverräthern und Landesverräthern die Consis-

verde, cation niht ausgesprochen werde Ih wünschte die Diskussion

] rdn. Graf von Schwerin : ganz je A0 aal SHUEA R fee Tei zurückzuführen, und der ‘akti unkt wird immer der sein: t bie Cirse bér Confiscation entbehrlih oder nicht ?“ , Jh werde, indem ich mích sür die Entbehrlichkeit ausspreche, an die Aeußerungen mich anknüpfen, die wir von dem Herrn Landtags-Kommissar chört haben, und wenn es mir gelingt, zu beweisen, daß die Con- fiscation in beiden Beziehungen, die der Herr Kommissar hervorge- hoben hat , nicht nothwendig erscheint, wird es mir auch gelungen

sein, die Entbehrlichkeit der Confiscation bewiesen zu haben; sobald sie aber als nicht nothwendig bewiesen is, wird sle Niemand beibe- halten wollen. Der Herr Landta s = Kommissar hat zwei Momente hervorgehoben, in Bezug auf wáldé er diese Strafe für niht ent- behrlich erahtct: Einmal gegen ausgetretene Militairpflichtige , und dann für Hoh- und Landesverräther. Was die ausgetretenen Mi- litairpflihtigen betrifft , so hat der Herr Landtags - Kommissar eine Autorität angeführt, vor der ih mich in Ehrerbietung beuge, aber ih glaube, diese Autorität hat auch im Lande um deswillen so all gemeine Anerkennung, weil sie nie verlangt hat, daß man sih ohne Ueberzeugung vor der Richtigkeit ihrer Ansicht beuge, und diese Au- torität seßt gewiß voraus, daß man wie sie von der Vortrefflichkeit unserer Militair - Einrichtung überzeugt sein kann und doch nicht für die Aufrechthaltung der Confiscation sich auszusprechen braucht. Ih habe die Ueberzeugung, daß es andere Strafen giebt, die ihr substi- tuirt werden fönnen, die angewendet werden dürfen auf ausgetretene Militairs. Schon der Entwurf von 1843 hat solche Bestimmungen gegeben, und die Abtheilung hat diese Bestimmungen aufzunehmen ihrerseits bereits beschlossen. Es is nämlich eine Geldstrafe von 50 bis 1000 Nthlr., eventuell eine Gefängnißstrafe und für den Fall, daß diese niht exekutirbar wäre, der Verbrecher sich ihr dur die Flucht entzogen hat, Sequestration seines Vermögens bis zu sei- ner Zurückkunft. Mit diesen Mitteln wird vollständig der Zweck er- reiht werden, und es wird der Confiscation niht bedürfen, die um deswillen so verwerflih is, weil sie mit dem Schuldigen die Unschul- digen trifft, die Erben des Strafbaren, die an dem Verbrechen keinen Theil haben , die nicht gestraft werden können und doch für fremde Verbrechen gestraft werden. Was zweitens den Hochverrath und Landesverrath betrifft, so glau“e ih, daß auch in dieser Beziehung die Confiscation niht den Zweck crreiht, sondern ihm entgegenwirkt, Der Herr Landtags-Kommissar hat darauf hingewiesen, daß es schei- nen möchte, als habe die Gesebgebung in ihrem Ernste nachgelassen, wenn sie in politis aufgeregter Zeit, wo mehrfah das Verbrechen des Hoch= und Landesverrathes vorkomme, von der bestehenden Ge- seßgebung abweichen und die Confiêcation uiht mit aufnehmen wolle; ih glaube aber, daß gerade dem entgegen der Ernst der Geseßge- bung dadurch nicht gemildert wird, sondern man führt die Strafen auf das zurü, was sie sein sollen, wenn man sie von Bedingungen befreit, die zu ihrem Wesen nicht gehören. Gerade in Zeiten der politisihen Aufregung wird das am meisten geboten sein, damit nicht der Ver- brecher zu dem Wahne gebracht wird, es sei das gegen ibn eingelei- tete Verfahren nicht um der Strafe, sondern um der Confiscation willen eingeleitet. Wir haben in den Strafen des Gesetz: Entwurfes sür Hochverrath und Landesverrath hinreichende Mittel, um den Ver- brechen mit der vollen Strenge des Gesetzes entgegenzutreten, und es darf nicht noch hinzukommen eipe civilrechtlihe Folge, die auf die Gas des Verbrechers sich ausdehnt, die unschuldig an seiner That 5 Allerdings hat bei den Verbrechen des Hochverraths und des Landesverraths der Staat die Pslicht, darauf zu sehen, daß ein fol- cher Verbrecher, sobald die Untersuhung gegen ihn eingeleitet ist, nicht sein Vermögen noch mißbraucht, um \sich entweder der Strafe zu entziehen oder auf andere Weise es zum Nachtheil des Staats zu gebrauchen, und es sind allerdings Vorkehrungen und Maßregeln zu diesem Zwecke zu treffen, es ist darauf zu sehen, daß von dem UAugenblicke der Untersuchung an ihm die Disposition über sein Ver= mögen beschränkt werde. Dieses ist bereits von der Abtheilung in Erwägung gezogen worden, wie auch der Geseß - Entwurf von 1843 bereits in der Weise Bestimmungen getroffen, daß bei Hoch - und Landesverräthern zugleih ausgesprochen werde, daß vom Beginn der Untersuhung an ihr Vermögen unter Sequestration geseßt und jede Verfügung darüber unter den Lebenden untersagt werde. Eine solche Bestimmung halte ih für nöthig, aber darüber hinauszugehen für durchaus unnöthig und, weil nicht nothwendig, für verwerflih. Jch trete der Meinung der Abtheilung auf das entschiedenste bei.

Abgeordn. Camphausen: Meine Herren! Wir sind hier zum erstenmale an eine Verfügung des Strafgeseß = Entwurfes gelanzt, welche weder den Provinzial-Ständen vorgelegen hat, noch aus einer gutachtlihen Aeußerung der Provinzial -= Stände hervorgegangen ist, und für welche daher Viele von uns die Meinung haben, daß zu ihr der Beirath des Vereinigteu Landtages erforderli sei. Es läßt sich allerdings dagegen geltend machen, daß nach den bestehenden Gesetzen in sämmtlichen Provinzen die Confiscation eingeführt seiz inzwischen muß doch behauptet werden, daß die Gesetze, welche den Ständen zum Beirath vorgelegt werden, nur als ein Ganzes aufgenommen werden können und müssen, und dies sowohl hinsichtlich desjenigen, was sie den bisherigen Geseßen hinzufügen, als hinsichtlich dessen, was sie von den bisherigen Geseßen hinwegnehmen. Jch verkenne übrigens nicht, daß die vor Beginn unserer Berathungen von dem Herrn Landtags-Kommissar gemachten Aeußerungen allen Meinungen in der Versammlung ihre Stellung und deren Festhaltung erleichtern, deshalb darf cs mir genügen, den Grund angegeben zu haben, aus welchem ih gegen die Confiscation stimme.

Landtags - Kommissar: Jch habe feinesweges den Wunsch, daß die Debatte über die Kompetenz oder Jnkompetenz der hohen Versammlung sich erneuern möge, so wenig ih auch anderers-its Ur= sache habe, sie zu scheuen. Da aber so eben von neuem hier her- vorgehoben ist, "L ein Theil der hohen Versammlung sich rücksicht= lih des eben zur Berathung stehenden Paragraphen für inkompetent halten könnte, so halte ih es der Stellung der Regierung für ent sprechend, dieser Vorausseßung mit einigen Worten entgegen zu treten.

Jch wiederhole, daß ich die Erneuerung der allgemeinen Kom-= petenzfrage niht für wünschenswerth halte , deshalb will ih sie um so mehr einstweilen ganz unberührt lassen und mih auf den vorlie= genden Fall beshränken, als \chon dadurh jeder Zweifel beseitigt werden kann. Jn dieser Beziehung st.lle ih die Behauptung auf, daß fein Geseß die Regierung in dem Recht beschränkt, in einem Geseß-Entwurf, nachdem er den Ständen vorgelegt und von ihnen begutachtet worden, nicht beantragte Aenderungen vorzunehmen; es ist dies in sehr vielen Fällen ohne Widerspruch geschehen; die Praxis spricht dafür und kein Geseß dagegen. Dazu kommt, daß, wie der geehrte Redner selbst anerkennt, es sich nicht darum handelt, eine neue, nah dem Gescß vom 5. Juni 1823 von der Berathung der Stände abhängige Bestimmung einzuführen, sondern ledigli darum, eine Bestimmung, welche unsere Strafgesebßze in allen Theilen der Monarchie bis jelzt aufreht erhalten haben, fortbestehen zu lassen.

Hoffentlich werden diese Gründe völlig genügen, um jeden Ge- danken der Jnkompetenz bei der Berathung über den vorliegenden Paragraphen zu entfernen und jede weitere Diskussion über diesen Punkt abzuschneiden.

Abgeordn. Camphausen: Jch habe darin zuzustimmen, daß in der Praxis allerdings Aenderungen solher Geseße, welhe den Pro-=- vinzial-Ständen vorgelegen, stattgefunden haben. Es ist niht meine Absicht, und ih glaube nicht, daß die hohe Versammlung \ih die Aufgabe stellen wird , auf die Erörterung der Frage, inwiefern sie. billige, daß es geschehen, einzugehen , vielmehr wird sie sich die Er- örterung dieser Frage für die Zukunft vorbehalten. Daß am Ende der Beirath der Stände do irgend eine Bedeutung haben müsse, das wird au die Regierung zugeben. Daß er aber alle Bedeutung verlieren würde, wenn der Sab gültig wäre, daß die Beschlüsse und

199

Wünsche, welche die Stände zu den ihnen vorgelegten Entwürfen gefaßt und ausgesprochen haben, nicht allein für Aenderungen maß- gebend sein sollen, daß man in diese Geseße später ganz neue, viel- leiht ganz fremdartige Bestimmungen E E könne, daß, sage ih, wenn ein solher Saß Geltung erhält, der ständische Beirath alle Bedeutung verlieren würde, wird vou Jedermann eingesehen werden.

Abgeordn. von Auerswald: Jh habe demjenigen, was das geehrte Mitglied der pommerschen Ritterschaft gesagt hat, wenig hin- zuzufügen. Als ih die beiden Gründe des Herrn Landtags -Kom- missars für eine Bestimmung des Geseßes hörte, welche sich in keiner neueren Geseßgebung mehr findet, welche, so viel mir befannt, von keinem neueren bedeutenden Juristen in irgend einer Schrift verthei-

digt worden is, welhe noch vor kaum einem Lustrum in den den |

Ständen von der Regierung gemachten Vorlagen nicht nothwendig erachtet worden ist, welche noch später in dem Entwurfe von 1845 niht für erforderlich) gehalten wurde, als ih, muß ih wiederholen, die beiden Gründe hörte, welhe der Herr Landtags - Kommissar für diese Bestimmung anführte, drängte sich mir die Frage auf: Was hat sich denn bei uns so wesentli verändert, daß wir jeßt einer Bestimmung so bedenkliher Art kedürfen, deren wir vor 9, ja vor 3 Jahren uicht zu bedürfen glaubten? Judem ich, eine solche Ver- aulassung nicht anerkennend, Allem beistimme, was nein verehrter Freund vor mir darüber gesagt hat, muß ich nohch hinzufügen, daß au ih jene Bestimmung nicht für nothwendig halte, weder in Be- ziehung auf die Armee, noch in Betreff der Hoch - und Landesver= räther zum Schuß des Königs und Landes. Der Armee wird in ihrer gegenwärtigen Verfassung überhaupt wenig durch Austreter ent- zogen werden, und sie wird des Schußes der Confiscation entbehren fönnen. Die Anzahl der Austreter ist gewiß gering und besteht größtentheils aus Personen, bei welchen nichts zu fonfisziren ift. Was aber den zweiten Punkt betrifft, da frage ih Sie, meine Her= ren, wollen wir durh Annahme des Geseß-Entwurfes wü“ch ein solhes Zeugniß unser:s mangelnden Patriotismus, ein solches Zeug- niß von dem seit wenigen Jahren veränderten Zustande unsercs Landes ablegen, daß wir, um unseren König und unser Land gegen Hoch= und Landesverräther zu shügen, nihts Besseres glauben thun zu dürfen, als daß wir uns, nicht ohne Verleßung gerechter Begriffe über die Natur der Strafe und diese auf Unschuldige mit übertra- gend, mit ihrem fluchwürdigen Mammon beladen? Jch glaube uicht, daß wir das thun dürfen. Jch bitte Sie dringend, meine Herren, dies nicht zu thun, erheben Sie Jhre Stimmen dagegen, und auch aus diesem Grunde und in wahrem preußischem Patriotismus lassen Sie uns auf die Confiscation des Vermögens der Hoch= und Lan- desverräther verzichten. (Vielseitiger Bravoruf.)

Korreferent Freiherr von Mylius: Jch will die Versammlung nicht mit Wiederholung der allgemeinen Gründe ermüden, welche ge- gen die Confiscation bereits vorgebracht sind und wohl noch vorge- bracht werden, ich will mir nur zur Vertheidigung des Abtheilungs- Gutachtens gegen das geehrte Mitglied der Ritterschaft aus Schle- sien, welches unter den ersten Rednern gesprochen hat, ‘einige Be- merkungen gestatten. Es is gesagt worden, daß namentlich die Con- fiscation als Strafe eine innere Rechtfertigung deshalb enthalte, weil es sih hier um etwas handle, was seinem Wesen nach die Na- tur eines Civil - Anspruchs hat, denn erst wenn dieser nicht auSge- führt werden könne, trete die Vermögensstrafe als Surrogat ein. Jch glaube nicht, daß diese Auffassung richtig“ is, ih glaube viel= mehr, daß sie nicht vereinbar is mit dem, was die bestehende Ge- seßgebung in Beziehung auf die Militair-Geseßgebung aufrecht er- hält, wo die Pflicht, zu dienen, eine Ehreupflicht ist, und wo dadurch, daß ste nicht geleistet wird, ein Vermögens-Anspruch niemals hervor tritt, ih glaube daher, daß die Analogie, aus dem Civilrechte herge- nommen, sih niht rechtfertigt. Die Abtheilung hat in ihrer Majo- rität ein System aufgestellt, welchcs mit Rücksicht auf die Bestrafung viel zweckmäßiger is, und wie ih glaube, S viel mehr 1echtfertigt, als das Ausfstellen cines sogeuammten Civil-Auspruches. Man hat den ausgetretenen Kantonisten gegenüber die Ansicht gehabt, daß es sich gerade hier um ein eigenthümlihes Vergehen handle, daß der- jenige, welcher das Land in der Absicht verlasscn, um dem Kriegs- dienst sich zu entziehen, ein fortgeseßtes Vergehen begehe, und daß man dies dadurhch zu Ende führen könne, das man eine bestimmte Geldstrafe androhe. Durch diese werde eine Repressiv: Maßregel her-= beigeführt, welhe eine Wiederherstellung des Rechtszustandes zur Folge haben werde. Dies ist die Ansicht der Abtheilung, und wenn ih jie auch A theile, so halte ih sie doch für gerechtfertigt der gegenüber, welhe von einem Civil-Anspruche ausgeht. Wenn ich gegen die Confiscation im Allgemeinen spreche, besteht mit Rü- sicht auf die Rhein-Provinz und namentlich bezüglich der ausgetrete= nen Kantonisten noch ein spezieller Grund gegen sie, und dieser be- steht darin, daß wir durchaus keine prozessualische Form haben, in welcher die Confiscation ausgesprochen werden fann, und welche eine genügende Garantic für die Vertheidigung gewährt, und hier befin- den sih die alten Provinzen in einer wesentlich anderen Lage z es be- stehen bestimmte Vorschriften über den sogenannten Confiscations- Prozeß, der wenigstens gewisse Formen gewährt, durch welche die Rechte der Vertheidigung gewahrt werden können. Dagegen beste- hen solche Formen der Verfolgung gegen ausgetretene Kantonisten in der Rhein-Provinz nicht, und das Verfahren, welches dort eingeshla- gen wird, is höchst summarish. Es is daher die Rhein-Provinz hinsihtlich des Verfahrens wesentlich den alten Provinzen nach= gestellt, und das is cin aus der gescblihen Lage der Sâche herge- leiteter und mi bestimmender Grund, auch außer den allgemeinen Gründen auf Streichung der Strafe anzutragen.

Abgeordn. von Saucken-Tarputschen: Jch schließe mich Allem, was der Vorsißende der Abtheilung und mein Kollege aus Preußen ausgesprochen hat, vollklommen an und bemerke, daß, wenn wir die Vermögens-Confiscation bestehen lassen wollen, wir in eine Jnkonse= quenz verfallen würden, indem dieselbe bei Verurtheilung zum Tode doch nur als eine beabsichtigte Verschärfung der Strafe anzusehen ift, wir uns aber gegen jede Verschärfung derselben ausgesprochen, den Tod als die leßte und höchste Strafe anerkannt haben und über den- selben hinaus nicht gehen wollen, und also um so weniger dies hier thun können, als die Strafe niht mehr dem Verbrecher, bera dritte ganz unschuldige Personen träfe. Auch für den zweiten Fall kann ih die Vermögens- Confiscation als nüßlih nicht anerkennen. Meine Herren, das Vaterland zu vertheidigen, is für jeden Bürger eine \{höue Pflicht, eine Ehrensache geworden, und zwar eine so hohe, daß der Mensch, der den Werth derselben nicht aufzufassen vermag, auch niht werth is, in die Reihen der Vaterlands-Vertheidiger ein- zutreten. Jch muß gestehen, ih halte es für einen großen Vortheil für die Armee und den Staat, wenn man Personen, welche keine Liebe zum Vaterlande, feine Anhänglichkeit an den Staat mehr ha- ben, oder die sich auz noch s{lechteren Gründen im Bewußtsein der Feigheit dieser heiligsten aller Bürgerpflichten entziehen, laufen läßt, so weit sie immer laufen mögen. Wenn ih einen Engpaß mit 299 zu N habe, so sind mir diese lieber, als 300 Mann, unter denen ein Verräther is, Es is nicht die Zahl der Aerme, die Schlachten gewinnen mat, sondern es is der Muth, der jeden Einzelnen zu Thaten treibt, Eine kleinere Schaar, welche von rechtem

Heldengeiste beseelt ist, wird stets mehr thun, als eine blos größere Masse der Kombatanten , sie vermehren nur die Zahl der Zehrer, niht der Wehrer, und es fehlt bei uns niht an Männern, die Thron und Reích zu schüßen bereit sind, Jh begreife niht, wie man nur den Wunsch haben kann, Feiglinge in der Armee zu haben. Mögen die mit Schande beladenen, welche keine Liebe zum Vaterlande haben, fern aus ihr bleiben, und wenn sie noch gestraft werden sollen, so er- Fläre man solche Leute für bürgerlich todt, ihr Vermögen aber falle sofort ihren Angehörigen anheim. Dies ist eine Maßregel, die wir auch in anderen Staaten fiuden, Ju diesem Punkt hat selbst der Code Nikolai, wenn ih ihn au in feinem anderen Falle zum Muster nehme möchte, doch hier eine richtigere Bestimmung, als unser Strafgeseß-Entwourf aufgenommen, alle Confiscation des Vermögens ist aufgehoben, dasselbe geht aber sofort vom Verbrecher auf seine Erben über, und ih weiß niht, ob Preußen hinter Rußland zurück- stehen will? ih kann dies nicht glauben und trage daher auf gänz= lihe Streihung des Paragraphen an.

Abgeordn. Dittrich: Die erste Frage, welche ih mir bei jeder Strafe stelle, ist : ob die Strafe gerecht sei? Eine Strafe, welche Andere, als den Verbrecher trifft , is nie gerecht. Die Confiscations - Strafe geht aber noch weiter, als bis ins siebente Glicd. Es sind zwei Fälle herauêgehoben worden. Zuerst von dem Herrn Landtags-Kommissar der, daß es gegen ausgetretene Militairpflichtige kein anderes Strasmittel gebe. Jh frage: ob gegen andere flüchtige Verbrecher ein Strafmittel vorhanden ist|? Nein. Sodann ist von einem ge= ehrten Mitgliede der Ritterschaft Schlesiens angeführt, daß der aus= getretene Militairpflichtige für scine Person Ersatz schuldig sei. Jch glaube aber, daß wir in dieser Beziehung die Person nicht dem Ver= mögen gegenüberstellen können. Jn Betreff der Hoch = und Landes-= Verräther hat der Herr Landtags-Kommissar behauptet, daß die Straf= aat besonders deswegen nicht entbehrt werden könne, weil solche frehe Angriffe zugenommen hätten. Wenn dieses der Fall, so ist die Be= hauptung ein Beweis gegen die Strafart; denn wäre sie wirksam, so müßte sie eben die Mehrung solher Verbrechen verhindert haben. Ich kann mich daher nur gegen diese, nicht gercchte, Strafe erklären.

Abgeordu. Sperling: Was die von den geehrtem Herrn Ab= geordneten der Rhein- Provinz angeregte politische Seite der Frage betrifft, so behalte ich mir vor, zu seiner Zeit darauf zurückzukommen. Jn der Sache selbst is von mehreren Rednern die Confiscation als Strafe aufgefaßt. Dafür kaun ich sie nicht gelten lassen. Die Strafe ist ein Uebel, welches einen jeden Uebertreter des Gesetzes trifft, und wenu es in seiner Art nicht vollstreckt werden kann, ein anwendbares Surrogat hat. Bei der Confiscation i} dies nicht der Fall. Sie ist ein Uebel, welhes den Verbrecher nur dann trifft, wenn er Vermögen besißt, trifft also nicht denjenigen, welcher dessen ermangelt. Sie is nur ein Gewinn, den der Staat in einzelnen Fällen noch macht, in welchen der Verbrecher durch Erleidung seiner sonstigen geseßlichen Strafe sein Verbrechen {on büßt. Insofern halte ih sie mit der Würde des Staates nicht vereinbar. Um die übrigen Gründe, welche dagegen angeführt worden sind, nicht zu wiederholen, will ich mich nur darauf beschränken, noch gegen das Wenige anzukämpfen, was von dem Herrn Landtags - Kommissar angeführt is. Derselbe hat sich darauf berufen, daß die Confiscation im Juteresse der Militair-Ver- fassung nothwendig sei. Jch glaube, unsere Militair-Verfassung steht auf einer solhen Stufe, daß es nit mehr nöthig ist, positiven Zwang

egen Jemand anzuwenden, um ihn dem Militairdienste zu unterwer= Di Insbesondere aber mache ih die hohe Versammlung auf den Widerspruch aufmerksam, in welchem der §. 28 mit einem früheren Para- graphen des Geseß-Entwurfes steht, In §. 28 is die Rede von ausgetretenen Militairpflichtigen überhaupt, also auch von Staats= Unterthanen, welche höchst moralisch sein fönnen, aber im Auslande sih befinden und dur zufällige Umstände verhindert sind, ihrer Mi= litairpfliht zu genügen. Diese soll die Confiscation treffen. Jm §. 9 i dagegen die Bestimmung enthalten, daß die Verurtheiluug zur Zuchthausstrafe die Unfähigkeit zum Militairdienste in sich schließen solle, ohne daß dabei gesagt if, daß einen solchen Verurtheilten die Confiscation des Vermögens treffen soll, Der redliche moralische Mensch, welcher seiner Militairpflicht nicht genügt, würde also schchlech= ter zu stehen kommen, als derjenige, welcher derselben uicht genügt, weil er dur sein unsittliches Verhalten, durch die erlittene Zudht= hausstrafe sich dazu unfähig gemacht hat. Dies is} gewiß ein Grund mehr, daß wir uns gegen die Festseßung des Entwurfs in Betreff der Vermögens-Confiscation aussprechen.

Abgeordn. Freiherr von Gaffron: Jch verzichte auf das Wort.

Fürst Wilhelm Radziwill: Es is zur Bekämpfung der Con= fiscation ein Ausspruch aus der heiligen Schrift angeführt worden : Zh will die Sünden des Vaters bis ins zweite und dritte Glied ver- folgen. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß wir dies im Menschenleben schr oft verwirklicht sehen, und zwar so {hwer, daß wir mit tiefem Grauen davor stehen bleiben. Es ist ein Mysterium, welches der menshlihen Vernunft absolut unzugänglich ist, so oft sie auch erkennen fann, daß es sihch“ in besonderen Fällen gerechtfertigt hat. Dies gehört indeß in das Strafgeriht Gottes, der menschliche Richter darf meiner Ansicht nah diesem Maßstabe nicht folgen, er kann nicht weiter strafen, als den Verbrecher und seine Mitgenossen, und deshalb stimme ih gegen die Confistation.

(Vielfältiges Bravo !)

Jh erkenne aber auch an, daß bei Hochverräthern und Landesverrä= thern es nothwendig is, sie cincs mähtigen Mittels zu schaden, zu berauben, und deshalb glaube ih, daß in solhen Fällen die Seque= stration vollkommen gerechtfertigt i, wenn dabei billige Rücksicht auf die Angehörigen genommen wird. Dieses Mittel ist auch in Bezug auf die ausgetretenen Militairpflichtigen ausreihend. Jch glaube da= her, daß keine Rücksicht dafür \prit, die Confiscation als Strafe im Gesezbuche beizubehalten. :

Landtags - Rommissar: Auch ich würde noch um wenige Worte bitten. Es ist von sehr geehrten Rednern der hohen Ver= sammlung angeführt worden, daß ih die Strafe der Confiscation als unentbehrlich bezeichnet hätte. Meines Wissens habe i das nicht gethan, sondern mih darauf beschränkt, die Gründe anzuführen, aus welchen diese Strafe von neuem in den Entwurf des Strafge- seßbuhs aufgenommen sei, um sie der Berathung der hohen Ver-

ammlung zu unterwerfen. : S i | aglrhue wenn Mitglied hat bemerkt, daß derjenige meiner

i 1 ih angeführt, daß er sih lebhaft für Beibehal- ige T gegen Refractaire ausgesprochen, seine hohe Autorität theilweise dem Umstande verdanke, daß er auch den Werth abweichender Meinungen niht zu verkennen gewohnt sei. Meinerseits nehme ih diese besondere Autorität meines verehrten Kollegen nicht in Anspruch, wohl aber das Lob, daß ih auch Widerspruch ertragen könne und Gegengründen nicht unzugänç=

lih sei. f Ls E

ih is von einem anderen geehrten Mitgliede hervorgeho= ben ges ulbeareislid Pa daß eine Strafe, welche man vor einem Lustro für entbehrlich gehalten habe, jeßt plößlich unentbehrlich er= scheine und deshalb von neuem in den Geseß- Entwurf aufgenom men sei. Hierauf erwiedere ih wiederholt, und ih glaube, die Ste nographie wird es bestätigen, daß ih von der Unentbehrlichkeit der Confiscations-Strafe nicht geredet, sondern nur esagt habe, es seien Umstände eingetreten, welche es bedenklih gemacht hätten, eine ge-