1848 / 31 p. 5 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

: ng bestraft werden, als in anderen Fällen wird, sollen „fle eben se besi E orp erverleßung, wo wir gea einer E 1 haben, oder sellte hier niht der Ort sein, wo analog Be früheren Bestimmungen ein geringeres Strafmaß angegeben werden mul f ‘hof: j d im

, Z us Bischoff: Im Allgemeinen sind i Mao Kommissari L O N worden, es würde

¡emals Zumessungs gege! l, Ne letiglich. ein Bas der Zumessung sein, in solchen Fällen lebens-

ährli iShandlung niht so hoh zu strafen, als unter anderen e cir E bei _ Todscblage und der shweren Körperver- lezung festgeseßte Strafmaß wird dem Richter einen genügenden Spielraum gewähren. i E Deo n Galen : Judem ih dem im Allgemeinen voll- ständig beitrete, was das ehrenwerthe Mitglied der Ritterschaft von Schlesien gesagt hat, möchte ih noch darauf aufmerksam maten, wenn es auch vielleiht etwas zu ängstlich lautet, daß in diesem Paragraphen von Selbsthülfe, wie in den früheren von der Notowehr,

die Rede ist, Die Nothwehr will bekanntlich abwehren; die Selbst |

hülfe wird hier nur erlaubt bei frisher That und wenn die Hülse der Obrigkeit abgeht. Es is also, wenn man die Sache ganz strikte nehmen will, der Fall, daß, wenn ich in meinem Hause angegnisen werde und der Dieb das noch nicht ergriffen hat, was er ha ch7 wollte, ich mi gegen ihn zur Wehre seben kann und die §§. 59—d in Anwendung kommen; in dem Falle aber, daß der Dieb sih \chon in den Besiß der Sache gesezt hat, kann ih sie ihm nicht wieder abnehmen, ohne in Gefahr zu fommen, daß ih, wenn ih ihn lebens- gefährlich dabei verleße, auch nit straflos bleibe, J möchte daher anheim geben, ob es nit zweckmäßig wäre, den leßten Saß:

„jedoh werden lebenêgefährlihe Verleßungen durh diese Zwecke

uicht straflos“/, T : f ce L rien und die Fg. 56 und 57 auch auf diese Fälle an- wendbar zu erflären. Jch glaube auch, daß dies in der Beziehung zweckmäßig wäre, als die hohe Versammlung {hon in den ersten Sißungen sich zu der Ansicht bekannte, das Strafreht solle nicht allein den Richtern, sondern au besonders dem Volke völlig ver- ständlih sein, das Volk aber würde hier niht unterscheiden können, wo die Nothwehr aufhört und die Selbsthülfe anfängt.

Abgeordn, von Auerswald: Jch kann mich der vorgetragenen Ansicht nicht anschließen; abgesehen davon, daß durch die Worte

„jedoch werden lebensgefährliche Verlezungen durch diese Zwede

nicht straflos ‘“ noh nit gesagt is, daß sie jedenfalls bestraft werden sollen, sondern dies auf das Ermessen des Richters ankömmt, habe ih sogar eine der vorgetragenen o gegenüberstehende Ansicht , daß, wenn ih nicht bedenklih hielte, dur neue Fassungsvorschläge die Versammlung auf- zuhalten, ich vorgeschlagen haben würde: statt „lebensgefährliche““ zu segen „Förperliche““ Verleßung, denn ich halte es für bedenklih, wegen des Raubes von todten Sachen Jemand \o ganz allgemein das Recht der Verleßung eines lebendigen Menschen zu ertheilen.

Abgeordn, Graf Renard: Von diesen vier Paragraphen, die jeßt zur Berathung vorliegen, erwarte ih mehr für den großen Zwedck, die Verbrechen zu vermindern, als von allen anderen , die wir bisher berathen haben. Jch wünsche diesen großen Zweck nicht geshmälert, nicht vermindert dadur, daß dem minder gebildeten Staatsbürger aufgedrungen wird, den scharfen kafuistishen Unterschied zwischen Nothwehr und Selbsthülfe zu machen. Die Nothwehr soll gestattet werden, die Selbsthülfe aber mit der ganzen Strenge des Geseßes bestraft werden. Das halte ih nicht für konsequent,

Marschall: Es ist noch ein Vorschlag gemacht worden, in Be- zug auf welchen es erforderlih i, zu entnehmen, ob er die geseßliche Unterstübnng findet, nämlich der Vorschlag, daß der leßte Saß im

+ 08:

„Jedoch werden lebensgefährlihe Verleßungen durch diese Zwede nicht straflos ‘‘ wegfallen möge. : : Abgeordn. Graf Renard: Mein Vorschlag geht dahin, daß eine mildere Strafart festgeseßt und hier ausgesprohen werde.

Marschall: Jh hatte vorhin keinen bestimmten Antrag ent-= nommen, es würden nun aber zwei Vorschläge vorhanden sein, und zuvörderst würde, in Bezug auf den Vorschlag des Abgeordneten Grafen von Galen, daß die lebte Zeile des Paragraphen wegfallen möge, zu fragen sein: ob er die erforderliche Unterstüßung findet.

(Wird nicht unterstüßt.)

Abgeordn, Graf Gneisenau: Die Frage is hier nicht deutlich verstanden worden.

Marschall: Die Frage war, ob der Vorschlag, daß die lebte Zeile des §. 58 wegfallen möge, die erforderliche Unterstüßung findet. (Es ergiebt fih cine hinreichende Unterstüßung.)

Justiz-Minister von Savigny: Jch glaube, daß diese lebte Zeile durchaus unentbehrlih is. Sie bezieht sich nicht etwa auf seltene willfürlih erfundene Fälle, sondern gerade auf außerordent- lih häufige, Wenn ein Dieb etwas genommen hat, der Bestohlene entdeckt und verfolgt ihn, der Dieb läuft aber schneller, und jener sieht, daß er ihn nicht erreichen fann, \hießt nah ihm und schießt ihn todt, da soll er si eben der Gefahr nicht ausseßen, den Dieb zu tödten, er soll sich des Gebrauhs der Schußwaffe enthalten. Wegen dieses recht eigentlih praktischen Falles ist dieser Schlußsag gar uicht zu entbehren.

Abgeordn, von Saucken-Tarputschen: Es wird das besonders auch bei Forstfreveln im Auge zu behalten sein.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch glaube, daß, wenn wir diesen Saß streichen und damit jede Selbsthülfe für erlaubt erklären, wir in die Zeiten des Faustrechts zurüdkehren,

(Heiterkeit)

Abgeordn. Graf Renard: Gegen die Ansicht, daß ih dem Faust- rechte das Wort rede, und dessen Rückkehr herbeiführen könnte, muß ih mich verwahren. Das Faustret ist eben das Recht des Stär- feren gegen den Shwächeren, davon ist aber hier nicht die Rede, sondern von dem Rechte des Schwachen, des Einzelnen gegen den oder die Verbrecher, die ihn angreifen wollen und eben sehr wahr- \cheinlich die Stärkeren sein fönnen.

Abgeordn. Krause: Die Nothwehr scheint mir unbedingt im Strafgejeßbuche schon weit genug gezogen, o, daß jeder wohl im Stande ist, sich zu shüßen, Wenn aber am Ende Einem, der sich in einem Hause, Hofe oder Garten eingeshlihen hat und si bereits auf ter Flucht befindet, noch éine Kugel nahgeshickt werden kann, wodur er verwundet, ja vielleiht zum Krüppel wird, da will mir do bedünken, es wäre zu weit ausgedehnt, und ich würde deshalb dem Vorschlag nicht beistimmen, den leßten Saß des Paragraphen zu streichen,

Abgeordn, Steinbeck: Jch schließe mi dem an, was der ver- ehrte Abgeordnete aus Preußen vorgetragen hat, und sollte der ver- ehrte Abgeordnete einen förmlichen Antrag darauf stellen, als ein Amendement, so würde ih diesem beitretenz denn so wichtig es auch Fein fann, die een des Eigenthums im Wege der Nothwehr S lies Tue nta Ù ni jt dahin geben, ag eimer bloßen Sache wi de Persönlichkeit, w eich niht lebenëêgefähr- lich, doch dauernd zu verleßen. G Fus u d ‘nêg fäh -- Abgeordn, von Auerswald : Wenn dieser Antrag Unterstüßung

226 | findet, so würde ich gern darauf antragen, das- Wort „lebensgefähr= ihe““ ‘in „Förperlihe““ zu verwandeln.

Abgeordn. Freiherr von Gudenau: Jch muß nur bemerken, daß, wenn nah dem Antrage des verehrten Mitgliedes aus Preußen so weit gegangen werden sollte, in solhen Fällen niht einmal för- perbihe erleßzungen zu erlauben, man nit allein in sehr schwierige agen würde kommen fönnen, sondern dies auch nicht mit §. 55 übereinstimmt, der von der Nothwehr handelt. Da ist sogar die Handhabung des Hausrechtes so strenge genommen, daß jeder befugt ist, Einen geradezu niederzuschießen, der gegen seinen Willen in sein Haus eindringt. Das is doch nicht so arg, als wenn Jemand eine große Geldsumme entwendet wird, und wo er vielleicht nicht die Daten hat, sie wieder zu bekommen, wenn man nicht augenblicklich Gewalt anwendet.

Marschall: Der Abgeordnete von Gaffron hat das Wort, doch seße ih voraus, daß sich seine Bemerkung auf den Vorschlag des Grafen von Galen beziehen werde.

Abgeordn, Frhr. von Gaffron : Meine Worte haben nur Bezug auf das, was von dem geehrten Abgeordneten aus Preußen vorge- shlagen worden ist.

_ Marschall: Auch in Bezug auf diesen Vorschlag ist noh nicht die Frage gestellt worden, ob er die erforderliche Unterstüßung findet, wir würden also zuerst bei dem Vorschlage des Grafen von Galen stehen bleiben, und wenn darüber nit weiter diskutirt wird, zur Abstimmung kommen. Die Frage lautet: Soll beantragt werden, den leßten Saß des §. 58 wegfallen zu lassen? Und die, welche das beantragen würden, das durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Der Antrag wird niht angenommen.)

Es wird nun zu ermitteln sein, ob der Vorschlag des Abgeordneten Grafen Renard die erforderliche Unterstüßung findet, welher dahin ging , daß die Verleßungen, von welden im §. 58 die Rede ist, nur mit den höchsten Polizeistrafen zu belegen seien. Es kömmt darauf an, ob er die erforderliche Unterstüßung von acht Mitgliedern findet, (Die Unterstüßung erfolgt hinreichend.)

Es würde also zur Fragstellung kommen und es ist zweckmäßig, daß über denselben jeßt alsbald berathen werde.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jh müßte mich dem Vor- schlage entschieden widerseßen. Jh glaube, daß gar kein Grund dazu vorhanden is, weil der Paragraph sagt, es ist nur dann ein Verbrechen, wenn eine lebensgefährlihe Verleßung oder der Tod ein- getreten ist. Da aber solche Verbrechen nie für Polizeivergehen zu halten sind, so liegt au kein Grund zu einem solhen Vorschlage vor, wohl aber liegt ein Grund vor, solhe Verbrehen nah Umstän- den milder zu bestrafen, mit anderen Worten, es kaun ein Zumessungs- grund aus den Umständen hergenommen werden. Das Verbrechen selbst wird aber dadurch nicht ein anderes, das die Umstände der mildesten Strafe rechtfertige, Daß diese Berücksihtignng der Um- stände nicht eintreten solle, is im Paragraphen nicht ausgesprochen worden.

Marschall: Wir kommen zur Abstimmung. Die Frage heißt : Soll beantragt werden , daß bei Verleßungen, von welchen in §. 58 die Rede ist , nur eine polizeilihe Strafe zu erkennen sei?

Justiz-Minister von Savigny: So habe ih den Antrag nicht verstanden.

Abgeordn. Graf Renard: Jh habe niht die Hoffnung, den Antrag, so wie ich ihn formulirt, durch die Versammlung zu bringen, und stelle ihn nun dahin, daß Art und Maß der Strafe hier schon festgestellt werde. Jh vereinige mih mit dem Vorsißen- den der Abtheilung, aber niht darin, daß hier blos Milderungs= gründe eintreten sollen, sondern daß ein ganz anderes Strafmaß und eine ganz andere Strafart erfolge.

Marschall: Dann kommen wir aber immer wieder auf Polizei= strafen zurück.

Abgeordn, Graf von Schwerin: Aber es scheint eben so wenig zulässig, daß nur Polizeistrafen zu nehmen wären; auch das ist nicht ausführbar, was das geehrte Mitglied aus Schlesien wünscht, denn, wie gesagt, es bleiben diese Handlungen immer Verbrechen, entweder {were Verleßungen oder Tödtungen, und es finden dann die Stra- fen Anwendung, die nah dem Geseße Anwendung finden müssen. Aber allerdings werden die Umstände als Milderungsgründe gelten, insofern ein größeres oder geringeres Maß der Strafe gestattet ist.

Marschall: Es würde also nah dem nun veränderten Antrage des Abgeordneten Grafen Renard die Frage dahin zu stellen sein : Soll beantragt werden, daß bei den Verleßungen, von denen im §. 098 die Rede is, Art und Maß der Strafe im Geseg ausge- drückt werde? und die diesem Antrage beitreten nnd die Frage be- jahen, werden dies durch Aufstehen zu erkennen geben,

(Es erhebt sich feine Majorität.) Die Versammlung is dem Vorschlage nicht beigetreten. Es is nun zu ermitteln, ob der dritte Vorschlag, der des Abgeordneten von Auerswald, auf der lebten Zeile des §. 58 anstatt des Wortes ¡„lebensgefährliche ‘’ das Wort: „körperliche“ zu seßen, die erforder- liche Unterstüßung findet.

Abgeordn. von Wolf- Metternich: Vielleiht wäre der Herr Antragsteller der preußischen Rittershaft damit einverstanden, daß, statt förperlihe Verlezungen, der Ausdruck „\chwere körperliche Ver- leßungen““ gewählt würde.

Marschall: Findet dieser Vorschlag die erforderlihe Unter- stüßung? Er hat sie nit gefunden," und wir kommen also zu §. 59,

Referent Kaumann (liest vor):

8. 99.

Wer fremdes Eigenthum verleßt, um sih oder Andere aus einer gegenwärtigen dringenden Gefahr für Leib oder Leben zu retten, soll straflos bleiben, so weit seine Handlung für den Zweck der Rettung erforderlich ist.

Jedoch is der Handelnde, bei Vermeidung einer Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder einer Gefängnißstrafe bis zu drei Mo- naten, verpflichtet, die begangene Verleßung ungesäumt zur Kenntniß des Beschâdigten oder der Obrigkeit zu bringen.“

„ZU §. 99,

Es wurde zwar gegen eine ausdrüdckliche Bestimmung, daß in Fällen, welche §. 59 im ersten Alinea bezeichnet, Straslosigkeit statt- finden sollte, Bedenken erhoben, weil darin eine Erlaubniß für ar= beitssheue Personen gefunden werden könne, sich auf Kosten Anderer widerrehtlih Lebensunterhalt zu verschaffen, und aus den bei §. 57 bereits angeführten Gründen wurde ferner der Antrag gestellt , die Bestimmung des zweiten Alinea hier wegzulassen, weil die strafbare Handlung nur eine Polizei-Uebertretung sei; allein diesen leßten An- trag lehnte die Abtheilung in Tru aug, der entgegenstehenden bei S. 97 erörterten Gründe mit 7 gegen 6 Stimmen ab, und die gegen die Bestimmung des ersten Alinea geltend gemachten Besorgnisse wurden in Erwägung, daß eine gegenwärtige dringende Gefahr für Leib oder Leben ausdrücklich vorausgeseßt werde, nit für gerecht- fertigt gehalten, Die Abtheilung hat mit 11 gegen 2 Stimmen beschlossen,

die unveränderte Annahme des §. 59 zu empfehlen.“

Marschall : g, 60.

Referent Kaumann (liest vor):

1, §+ 60. Wenn die Strafbarkeit einer Handlung abhängig ist, entweder

von besonderen Eigenschaften in der Person des Thäters od Z jeni en, auf welchen si die That bezog, oder 2 den bes Umständen, unter welchen die Handlun begangen wurde, so ist eine solche Handlung demjenigen als Verbrechen niht zuzurecnen, welchem jene Verhältnisse zur Zeit der That unbekannt waren.

Wenn dur solche besondere, dem Thäter unbekannt gebliebene Verhältnisse das von ihm begangene Verbrechen die Natur eines Ea ans, als er zu begehen glaubte, annimmt, \o soll A hat nit als dieses \{chwerere Verbrechen zugerechnet

Abgeordn. Camphausen: Es scheint mir un ie Pfli des Sees auf si hat, ob der a ober der at Psióht Ge Unte S Missarius Bischoff : Es wird das Gegenstand fih das ieten, én; aus dem Verlaufe der ganzen Sache wird

Korreferent Frhr. von Mylius : Es ist die Mei j S S Meise e persönliche, d D a

et, ei dem Anklageprozesse de ä i i A pi fübten babe, geproze}s r Ankläger immer den Be ; ustiz-Minister Uhden: Die Anklage wird darau beruhen : dieses oder jenes Verbrechen begangen Dat, Sodann R e theils der Angeklagte, theils der Ankläger, je nahdem es die Ent- \huldi ung oder die Belastung betrifft, den Beweis zu führen haben. Das Nähere kann hier nicht weiter verhandelt werden, weil das Sache der Prozeßordnung ist.

_ Abgeordn. Camphausen: Es wird aber doch nüßlich s2in, zu wissen, wie das gemeint ist, denn der Fall ist wihtig. Jch will nicht darüber entscheiden, ob das Eine oder das Andere zweckmäßiger sei, aber die Verschiedenheit is groß , und ih will nur einen Fall an= führen, die Hehlerei. Die Hchlerei is viel strafbarer, wenn der Hehler weiß, unter welchen erschwerenden Umständen gestohlen wurde, und es ist nun die Frage: geht aus diesem Artikel hervor, daß die Anklage beweisen müsse, daß dem Hehler die ershwerenden Umstände bekannt waren?

Justiz-Minister Uhden : Jn einem solchen Falle is es unbedenk- lih, daß der Ankläger den Beweis führen muß, wenn er behauptet, daß der Angeklagte bei einem qualifizirten Diebstahle Hehlerei ge= trieben habe, dieser Nachweis gehört zum objektiven Thatbestande, Wird aber z. B. von dem Angeklagten ein Jrrthum in der Person, gegen den das Verbrechen verübt war, behauptet, \o gehört dies in den Exculpationsbeweis,

Abgeordn, Camphausen: Diese Erläuterung genügt, und ich habe nur noch zu bemerken, daß in der rheinischen Prozeß: Ordnung das Gegentheil festgeseßt ist, ohne es gerade für vorzüglicher erklä= ren zu wollen,

Marschall: §. 61.

Referent VUaumann (liest vor):

(S. 61.

Dagegen soll der Jrrthum über das Dasein des Strafgeseßes oder über die Art und Größe der im Geseße angedrohten Strafe die Zurechnung nicht ausschließen,“

UCarichall: 8. 62.

Referent Naumann (liest vor):

8. 62

Die Strafe eines Verbrehens wird ausgeschlossen durch Ver- jährung, deren Anfang von der Zeit des begangenen Verbrechens zu renen ist.

Wenn die Verjährung unterbrochen wird, die Untersuchung aber niht zur rechtskräftigen Verurtheilung führt, \o beginnt eine neue Verjährung nach der lebten gerichtlihen Handlung.

Diese neue Verjährung kommt jedoch demjenigen nicht zu statten, welcher sih der gegen ihn eingeleiteten Untersuhung dur die Flucht entzogen hat.“

Abgeordn. von Glffers: Jh habe mir keinen klaren Begriff davon machen können, wie die Verjährung in dieser Art gerechtfertigt ist. Jh wünschte darüber Belehrung, und um recht verstanden zu werden, will ih einen Fall aufstellen. Durch falsche Anklage und Meineid wird Jemand zu langwieriger Gefängnißstrafe verurtheilt, nah 20 Jahren würde Verjährung angenommen werden können. Wenn dieser Fall eintritt, so würde der, der in Verbindung mit An= deren dieses Verbrechen beging, dadurch straflos werden, der unge- recht Verurtheilte aber hätte sein Leben im Kerker zugebracht, viel- leiht dort schon geendet, kann dies wohl richtig sein? Jch habe nir das nicht als Recht vorstellen können.

Regierungs - Kommissarius Bischoff: Es ist richtig; wenn 20 Jahre seit Begehung des Verbrechens verflossen sind, und es is in dieser Zeit keine Untersuchung eingeleitet worden gegen den, welcher das Verbrechen beging, so ist er straflos. Es hat mit diesem Ver- brehen ganz dieselbe Bewanduiß, wie mit anderen, es bleibt dem, der unschuldig gelitten hat, nur die Entschädigung im Civil-Prozeß. Und da beträgt die Dauer der Verjährung 3 Jahre, und es muß innerhalb dieser, von dem Tage der erlangten Kenntniß zu berechnen- den Frist die Entschädigungsklage angestellt werden; im rheinischen Rechte innerhalb derselben Fristen, wie sie für die Verjährung der Verbrechen selbst bestehen.

Abgeordn, von Olffers: Das mag nah der Rechts - Theorie nothwendig sein, aber es is gewiß bedauerlich.

Referent Kaumann: Es is das sehr bedenklich und von der Abtheilung niht in Erwägung gezogen worden. Wenn der Fall ein=- tritt, daß Einer dem Anderen durch ein Verbrechen einen dauernden Schaden zufügt, und daß der, welcher durch eine verbrecherische Handlung es herbeiführt, und das Uebel zugefügt hat, dies vielleicht LUTnE unter seinen Augen hat, auf die Rehtswohlthat der

erjährung Anspruch haben sollte. Wenn z. B. Jemand in Folge einer falshen Anklage und eines Meineides verurtheilt worden , und der Meineidige zwanzig Jahre lang {weigt, während er die Leiden des Unschuldigen selbst sieht und kennt; soll ihm die Verjährung zu Statten kommen? Hier waltet gewissermaßen ein delictum conti- nuatum vorz ih weiß indeß dur feinen Vorschlag über die Klippe hinweg zu kommen.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Es is hier nur der Ausweg des Civilanspruches möglih; wenn Jemand in Schaden geseßt wor= den i, wird er ihm auf dem Civilwege erseßt werden müssen,

Regierungs-Kommissarius Bischof}: Jch glaube, man muß das Pirnzip festhalten, auf welchem die Verjährung beruht. Dies Prin- zip ist nicht, daß man den Verbrecher milder behandeln will, son- dern es beruht in der Nothwendigkeit und in der Natur der Dinge. Mit Ablauf einer gewissen Zeit verwischen sich die Beweismittel, und wenn die Untersuchung nah 20_ Jahren eingeleitet wird, so ist der Richter niht im Stande, den Sachverhalt deutlich zu übersehen. Wird dieser Standpunkt festgehalten, so kaun man nicht unterscheiden, ob dieses oder jenes Verbrechen vorliegt, Die einzige Ausnahme, die gemacht worden ist, findet bei todeswürdigen Verbrechen statt;

von ihr wird später gehandelt werden. N Marihalt: Es ist von dem Abgeordneten vou Olfers kein be-

immter Antrag gestellt worden, E ho: èn Olffers: Jh wüßte ihn au sofort nicht zu

llen. fie “Marschall : Jn diesem Falle gehen wir zu §. 63 über.

Abgeordn, von Olffers : Der Fall is doch zu wichtig, und viel«

leiht käme man darüber hinweg, wenn man statt „des begangenen Verbrechens““ sagte: „des entdeckten Verbrechens.“ a

Regierungs-Kommissarius Bischoff: Das wäre eine sehr wichtige materielle Abänderung. .

Abgeordn. Steinbeck: Jch glaube, der “Paragraph entspricht auh volifommen seinem Zwede. Es ist der von dem Herrn Refe- renten hier hervorgehobene Fall namentlih einer von denen, in wel hen das Verbrechen ein delictum continuatum. Es ísst der Anfang der Verjährung die Zeit des begangenen Verbrechens (wofür mir das Wort vollendeten“ vorzüglicher erscheint), dadurch aber, daß der, welcher falsches Zeugniß abgelegt, fortdauernd geschehen läßt, daß die Folgen davon sih eben so fortdauernd verwirklichen, fontinuirt er sein Verbrehen. Erst in dem Moment, in welchem diese Sahlage aufhört, in der Regel von dem Momente der Ent- deckung an, is es beendigt, bis dahin also existirt das Verbrechen noch, is mithin erst von da ab verjährbar. ___ Regierungs-Kommissarius Bischoff : Ein fortgeseßtes Verbrechen, über dessen Begriff bekanntli in der Jurisprudenz verschiedene Aus- legungen bestehen, existirt hier nit, sondern der Augenblick, wo das Verbrechen begangen und vollendet wurde, is der, wo der Meineid geschworen wurde; was für Folgen daraus sih entwideln, das hat auf die Frage über die Vollendung und die Zeit, wo leßtere anzu= nehmen, feinen Einfluß.

Marschall : Wenn die Diskussion fortgehen sollte, so würde ich bemerken müssen, daß sie sich über einen Gegenstand erstrecken würde,

über welchen fein Antrag vorliegt.

Fürst Bogislav Radziwill: Jh würde den Antrag stellen, daß bei allen \chweren Verbrechen die Verjährung ausgeschlossen würde; es könnte dies nur höchstens die nachtheilige Folge haben, daß ein Prozeß entstände, wo kein Beweis geführt werden kann, und das wäre eben fein großer Nachtheil.

Marschall: Das würde sich am füglichsten an §. 65 anschließen.

Abgeordn. von Weyher: Jch glaube, daß bei Verbrechen die Verjährung keine Nothwendigkeit is, ihre Nothwendigkeit wicd von dem Herrn Ministerial - Kommissarius damit vertheidigt, daß in der Regel nah 20 Jahren der Beweis so verdunkelt sein werde, daß der Richter sich von dem Thatbestande keine Keuntniß verschaffen könne, eben weil die Beweismittel unklar sind, und es werte der Hall ein= treten, daß feine Beweise des Verbrechens mehr vorliegen. Jch gebe zu, daß dieser Fall cintreten fann, aber es können eben so gut Fälle vorkommen, wo das Verbrechen klar vorliegt, uud dann würde doch die Bestrafung eintreten müssen,

Korreferent Freiherr von Mylius : -Das liegt in der Natur der Sache, und wird bei allen Verbrechen und Vergehen vorkommen, daß nah Ablauf von einer gewissen Frist es unmöglich ist, die Be- weise herzustellen, unmöglih der Beweis der Auklage, unmöglich der Beweis der Unschuld und der Vertheidigung. Es ist also aus Rücksicht , sowohl auf das Jnteresse der Anklage, als der Vertheidi- gung nothwendig, daß eine gewisse Frist für die Verjährung be- stimmt werde. Allein es ist nicht blos dieses Junteresse, sondern auch noch „ein anderes; es wird nämli der Charakter selbst der \{chwer= sten öffentlihen Rechtsverlebung nah Ablauf einer gewissen Frist ein wesentlich anderer, Es ist ein großer Unterschied, ob Jemand ge=- straft werden soll, gleich nachdem er das Verbrechen verübt, oder ob zwanzig Jahre nachher, wenn er inzwischen ein vorwurfsfreies Leben ge- führt hat, man die alte Schuld wieder aufleben lassen will. Sowohl die eine wie die andere Rücksicht wirken zusammen, um die Bestim= mung der Verjährung zu motiviren, Es können allerdings Fälle vorkommen, wie der von dem Abgeordneten aus Münster erwähnte, wo es sich besonders grell gestaltet, und wo es dem Gefühl zu widersprechen scheint, wenn auf einmal Jemand in so unmitttelbarer Beziehung zu der Folge seiner verbrecherischen That geseßt wird, Solche Fälle können aber nicht dafür entscheiden, die Regel aufzu= lösen und aufzuheben, welhe dur immer vorkommende und sih im= mer wiederholende Umstände geboten ist,

Marschall : Wir wollen entnehmen, ob der Vorschlag, welcher zuleßt gemacht worden is, und, soviel ih vernommen, dahin ging, daß die Verjährung überhaupt ausgeschlossen sein möge denn insoweit er sih auf {were Verbrechen bezieht, würde er bei §. 65 vorzu- bringen sein ob dieser Antrag die erforderliche Unterstüßung findet.

Es haben sich blos 5 Mitglieder erhoben, er hat sie also nicht gefunden , und wir kommen zu §. 63,

Referent Kaumann (liest vor):

19. 68.

Jeder Antrag und jede sonstige Handlung des Staats-Anwalts, so wie jeder Beschluß und jede sonstige Handlung des Richters, welche die Eröffnung, Fortseßung oder Beendigung der Untersuchung oder die Verhaftung des Angeschuldigten betreffen, unterbriht die Ver- jährung.““

Marschall: §. 64.

Referent Kaumann (liest vor):

„S. 64.

Zum Ablauf der Verjährung werden folgende Zeiträume erfordert :

1, bei Verbrechen, deren höchste Strafe eine zehnjährige Freiheits=

strafe übersteigt, zwanzig Jahre ;

2, bei Verbrechen, deren höchste Strafe entweder eine fünfjährige Freiheitsstrafe übersteigt oder in Cassation oder Amts-Entsebung besteht, zehn Jahre ;

3, bei Verbrechen, deren höchste Strafe eine dreimonatlihe Frei- heitsstrafe oder eine Geldbuße von einhundert Thalern über- steigt, fünf Jahre;

4, bei allen übrigen Verbrechen ein Jahr.“

Das Gutachten der Abtheilung lautet:

Ou S: 04. Die Abtheilung hat bei §. 27 angetragen, die definitive Entscheidung über das Verhältniß der Geld= bußen zu Freiheits\trafen auszuseßen.

Die Bestimmung sub Nr, 3 des §. 64 seht voraus, daß drei= monatliche Freiheitsstrafe einer Geldbuße von 100 Thlrn, gleichstehe. Diese Vorausseßung trifft nicht zu, so lange die Entscheidung über §. 27 nicht erfolgt ist.“

Dieser Antrag erledigt sich, weil von der hohen Versammlung bereits über §, 27 Beschluß gefaßt worden is, Jm Gutachten heißt es weiter :

„„Ferner aber is bei Berathung der Bestimmungen des zweiten Titels der Antrag vorgeschlagen worden, die dreigliedrige Eintheilung der Verbrechen in das Strafgeseßbuch ein- und überall durchzuführen. Diesem allgemeinen Vorschlage wird es entsprehen, auch die Ver= jährungsfristen nah der Dreitheilung abzumessen und zu bestimmen :

zum Ablaufe der Verjährung werden folgende Zeiträume erfordert :

1. bei Verbrechen, deren höchste Strafe eine zehnjährige Freiheitsstrafe übersteigt, zwanzig Jahre; 2. bei allen übrigen Verbrehen zehn Jahre; 3. bei Vergehen fünf Jahre. Es wird vorgeschlagen, daß beantragt werde, hiernach die Bestimmung des §. 64 abzuändern,“

__ Jh muß hier bemerken, daß dieser Antrag niht mehr konform

ist, den Anträgen, welhe der hohen Versammlung vorgelegt sind,

und welche sich auf die Dreitheilung beziehen, Danach wird die

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Terminologie, wie sie hier vorausgeseßt is, nicht mehr zutteffen. Es ist na den jeßigen Vorschlägen der Abtheilung nicht mehr zwischen Verbrechen und Vergehen. allein unterschieden, sondern es soll unter- schieden werden zwischen \{chweren Verbrechen, Verbrechen und Ver- gehen und Polizei-Uebertretungen. Wenn die Vorschläge angenom- men werden sollten, wie sie neuerdings von der Abtheilung vorgelegt worden sind, dann würde es heißen müssen:

1. bei {weren Verbrechen,

2, bei Verbrechen und Vergehen u. \. w.

Staats-Minister von Savigny: Jch glaube, es wird die jebige Entscheidung davon abhängen, ob und wie die dreigliedrige Einthei- lung überhaupt angenommen wird, Diese Annahme vorausgeseßt, erfläre ih mi damit einverstanden, daß, in Uebereinstimmung damit, eine ähnlihe Symyglification der Verjährungsfrist in das Gejeß auf- genommen werde, wie die, welche hier vorgeschlagen ist.

Korreferent Freiherr von Mylius: Jh wollte mir eine andere Bemerkung erlauben , die mih zu keinem Antrage veranlaßt, weil sie unter die Fassungsbemerkungen gehört. Es wird zweckmäßig sein, wenn das Verfahren, welches für Berlin existirt / allgemein wird, zu jagen, wie es im rheinischen Ret geschehen: Die Klage verjährt innerhalb „der und der Frist,“ weil es zweckmäßig und ‘angemessen erscheint, die; Bestimmung hier mit dem Prinzipe der öffentlichen Klage in Einklang zu bringen. f

Abgeordn, Dittrich : Au wenn die Dreitheilung angenommen wird, finde ih keinen Grund, wegen welchen die Bestimmung des Entwurfs nicht stehen bleiben sollte. Außer demjenigen, was der Herr Regierungs - Kommissarius für die Verjährung angeführt hat, sheint mir für dieselbe wesentlich noch der Grund zu sprechen, daß der Verbrecher oder Vergeher wenn ih mich so ausdrücken darf inzwischen sih gebessert haben kann. Warum soll bei Vergehen, deren höchste Strafe eine dreimonatliche Freiheitsstrafe oder eine Geld- buße von 100 Thalern übersteigt, eine so späte Verjährung und nicht die mildere Bestimmung eintreten, welche der Entwurf bei so gering bedrohten Vergehen haben will, :

Referent Naumann : Jch habe es so aufgefaßt, als wenn auch über die Fristen in diesem Augenblicke nicht Beschluß gefaßt werden fönne, da wir noch ncht darüber einig sind, [wie die Dreitheilung festgestellt werden soll. ]

Marschall : Mir scheint es gar nicht s{chwierig zu sein, später noh einmal in sehr furzer Weise auf den Gegenstand zurückzu- kommen,

_Referent Naumann : Es würde nur darauf ankommen, ob die Versammlung damit einverstanden ist, die Verjährung an die Drei- theilung anzuschließen. i Justiz - Minister von Savigny: Jch bitte um das Wort, um einem möglichen Mißverständnisse entgegen zu wirken, Es eint, wenn ih recht verstanden habe, \o aufgefaßt worden zu sein, als wenn nun in der Art drei Klassen von Verjährungsfristen angenom- men werden würden, die eine entspreche den {weren Verbrechen, die andere den Vergehen, die dritte den Polizei-Uebertretungen. Das wird nicht zulässig sein, deun ih muß darauf aufmerksam machen, daß für die f E S eine ganz eigene Verjährung vor=- geschrieben is, welche 3 Monate dauert. Jch würde vorschlagen vorläufig nur das Prinzip einer Simplification zu beschließen, das Genauere über die Fristen aber vorzubehalten.

Vice-Marschall von Rochow : Mein Vorschlag würde sein, gar nichts zu beschließen. Erst nachdem uns das bekannt is, was uns vorgeschlagen worden, können wir sagen, ob es uns angemessen scheint, die Verjährungsfristen der Dreitheilung anzuschließen.

Marschall : Es wird dem Referenten überlassen, äm gehörigen Orte noch einmal auf den Gegenstand zurückzuführen.

Abgeordn, von Olffers: Jst die Ausschließung der Verjährung für große Verbrehen noch vorbehalten ?

(Mehrere Stimmen: Es kommt noch.)

Referent Vaumann (liest vor) :

¡§7 60,

Bei Verbrechen, welche mit Todeéstrafe bedroht sind, \o wie

gegen rechtsfräftig erkannte Strafen, R feine Verjährung zulässig.“ Ou C 09. 5

Für die Zulässigkeit der Verjahrung in Strafsachen spricht haupt- sächlih der Grund, daß die Ausmittelung der Schuld oder Unschuld durh den Zeitverlauf unmöglih gemacht, oder doch sehr ershwert wird, daß, wenn der eingetretenen Verdunkelung ungeachtet, Unter- suchungen eingeleitet werden, gewöhnlich die Freisprechung der Ange- klagten zu erwarten steht, und daß die Autorität der Gesebe darunter leiden würde. Diese Gründe sprechen allerdings auch für die Verjährung bei Verbrechen, welhe mit Todesstrafe bedroht sind, Allein andererseits kömmt in Betracht, daß gerade diejenigen Fälle, in welchen Verbrehen so {werer Art verübt sind, sih lange in der Erinnerung des Volkes erhalten, und daß das Rechtsgefühl verleßt werden würde, wenn die Geseße selbst wegen des bloßen Ablaufs einer bestimmten Zeit so hweren Verbrechern Straflosigkeit zusichern wollten, so daß der nah zwanzig Jahren entdeckte Mörder am Orte seiner Unthat unter den Augen derer, bei welchen das Verbrechen noch in lebendiger Erinnerung i}, frei und ungestraft weilen könnte. Unter diesen Umständen scheint es angemessen, bei Verbrechen , ‘welhe mit Todesstrafe bedroht sind, keine Verjährung zuzulassen. GSür eine Ver= jährung rechtskräftig erkannter Strafen kann fein zureihender Grund geltend gemacht werden.

Die Abtheilung schlägt vor, sich mit dem §. 65 einverstanden zu erklären.“

Abgeordn. von Witte: Jch kann der Abtheilung nicht beitreten, Bei der Berathung über die Abschaffung der Todesstrafe habe ich mich dafür ausgesprochen, daß es an der Zeit sei, diese äußerste Strafe auf den engsten Kreis der Anwendung zu beschränken. Nun finde ih in diesem Paragraphen die neue Einführung der Todes- strafe in Fällen, wo sie bisher nah der Geseßgebung der alten Pro- vinzen wenigstens, \o weit mir bekannt is, nicht stattgefunden hat. Die Kriminal - Ordnung macht bei der Verjährung keine Ausnahme in Bezug auf die Verbrechen, die mit Todesstrafe belegt sind. Im Allgemeinen kann ih nicht dafür sein, im neuen Geseße eine Schär= fung eintreten zu lassen, wo aus dem bisherigen Zustande der Dinge ein Uebelstand sih nicht gezeigt hat, daß aber dies der Fall gewesen sei bei der bisherigen Verjährung der Todesstrafe, kann ich nicht

lauben, sonst würde in den Motiven etwas darüber mitgetheilt sein. ch glaube mich aus der Denkschrift, welche im Jahre 1843 den Stän- den vorgelegt worden, mit Gewißheit zu erinnern, daß das Argument, welches man benußt hat, um die Ausschließung der Verjährung der Todesstrafe zu motiviren, sich nur auf die Zukunft bezog, und man sagte: es würde einen üblen Eindruck machenz da es aber unter der Herrschaft der Kriminal - Ordnung bis jeßt keinen üblen Eindruck gemacht hat, so kann ih nicht glauben, daß es bei der vorgeschritte- nen Zeit einen solhen mahnn werde. Jh muß au sagen, daß ih es infkonsequent finde, hier eine Ausnahme eintreten zu lassen. Alle Gründe, die sich für und wider die Verjährung der Strafen über- haupt anführen lassen, finden au bei allen den Verbrechen Anwen- dung, welhe mit der Todesstrafe bedroht sind. Jch frage, ob es einen so großen Unterschied maht, wenn ein Verbrecher, der ein todeswürdiges Verbrechen begangen hat, nah zwanzig are frei umher geht, oder aber der berüchtigte Anführer einer Räuberbande,

worauf nah dem Entwurfe die Todesstrafe niht steht, nach zwanzig Jahren auf dem Schauplaß seiner Schandthaten sih zeigen darf Will man die Verjährung beibehalten, so muß sie ohne Anomalie, für alle Verbrechen ohne Unterschied stattfinden. Jh trage daher auf Streichung des ersten Sates des Paragraphen an. Regierungs - Kommissarius Bischoff: Eines der Argumente, welhes der geehrte Redner für seinen Antrag anführt, daß man nämlih mit Androhung der Todesstrafe sparsam sein müsse und nur auf die s{wersten Verbrehen die Todesstrafe geseßt werden dürfe, wie dies in der That im Entwurfe geshehen ist, spricht meines Er=- achtens gerade dafür, daß man bei diesen Verbrehen die Verjährung ausschließt. Allerdings ist dies eine Ausnahme von dem allgemeinen Prinzip der Verjährung; allein es ist diese Ausnahme tief in der Natur der Dinge begründet. Ein Verbrehen, wie Mord, Brand- stiftung erhält sich lange im Bewußtsein des Volkes, und wenn die Gesebgebung einem solchen Verbrecher gestattet, nah 20 Jahren in die Reihe seiner Mitbürger zu treten, alle Arten von Ehren- und Bürgerrechhten auszuübeu, so muß dies den nachtheiligsten Eindruck machen. Man denke sih, welhe Gefühle die nächsten Verwandten eines Ermordeten durchdringen müssen, wenn sie es ansehen sollen, wie der Mörder ungestraft nah wie vor in der bürgerlichen Ge- meinschaft lebt.

Korreferent Frhr. von Mylius: Die Ansiht, welche von dem Abgeordneten aus der Provinz Mark geltend gemaht worden, ist auch von mir in der Abtheilung geltend gemaht worden. Auch ih bin der Meinung, daß kein Grund vorliege, die Verjährung der Todesstrafe auszuschließen, indem im Jnteresse der Vertheidigung die Verjährung geboten is, und die auf den Beweis sih beziehenden Gründe, welche für die Verjährung überhaupt angeführt werden, auch hier mit erhöhter Stärke sprechen, da bei den s{chwersten Stra- fen das Jnteresse der Vertheidigung auf das Sorgsamste gewährt werden muß. Es können mih aber au die andererseits angeführ= ten Gründe nicht bestimmen, für eine Ausnahme, für den Fall der Todesstrafe zu stimmen, diejenigen Gründe nämli, welhe von dem Herrn Regierungs - Kommissarius angeführt worden sind. Wenn es au eine Verleßung für Manche, die durch ein Verbrechen berührt worden sind, sein mag, daß ein Verbrecher nah einer Reihe von Jahren wieder unter ste tritt, so ist doch nicht viel davon zu fürchten. Es ist gewiß, daß derjenige, welcher eine That verübt hat, nicht Anspruch auf Ausübung der Ehrenrehte an dem Orte der That wird machen wollen, Die Scheu vor der gerehten Verachtung wird ihn von solchem Beginnen zurückhalten. Es ist zu erwägen, daß, wo einmal zwanzig Jahre Gras gewachsen is über der Leiche des= jenigen, der durh einen Mord betreffen worden, auch wohl die Er= innerung aus dem Gedächtniß derjenigen verschwunden sein wird, welhe unmittelbare Zeugen V get gewesen sind, und wenn die Erinnerung nicht verschwunden ist, so wird die Mehrzahl der Zeugen selbs niht mehr in der Welt sein. Es wird sich das Grelle des Falls, wie es befürchtet wird, niht herausstellen; denn Beit wirkt mächtig im ‘Bewußtsein der Einzelnen und einer ganzen Körperschaft, einer ganzen Stadt.

Fürst Boguslav Radziwill: Jh würde mir erlauben, das Amendement, welches ih bei §. 62 gestellt, hier zu wiederholen, nämlih: daß, wenn die Dreitheilung der strafbaren Handlungen adoptirt würde, dann hier bei §. 65 auch alle \{chweren Ver- brechen von der Verjährung ausgeschlossen würden, wenn jedoch die Dreitheilung niht in Anwendung käme, alle Verbrechen der Ver- sährung nicht unterworfen würden.

Abgeordn. von Sauen - Tarputschen : Der Herr Kommissa- rius des Ministeriums hat für mi so überzeugend für die Noth- wendigkeit einer Verjährung gesprochen, daß ich Alles, was ér dafür gesagt hat, au auf die Fälle solcher Verbrechen beziehen kann, auf welchen die Todesstrafe steht. Kann aber bei einem Verbrechen, welches einen Menschen 20 Jahre um seine Freiheit bringt, was ih für eine härtere Strafe als den leiblihen Tod halte, Verjährung stattfinden, so kann sie bei einer That, worauf die Todesstrafe steht, eben so gut stattfinden. Jh schließe mih dem Vortrage des Abge- ordneten aus der Mark an und bemerke, wenn ih auf den Eindruck zurück= gehe, den die Verjährung auf das Volk machen könnte, daß dieser ein viel empfindlicherer sein würde, wenn Jemand nah 20 Jahren der Buße und der Reue, nah 20 Jahren des besten Lebenswandels, im Greisenalter für eine That, die er in der Jugend begangen hat, das Schaffot besteigen soll, als wenn nach 20 Jahren Vergessen und Vergeben eintritt. Dies liegt im christlichen Geiste, dies is das ristlihe Gebot, dem selbst die dur die That einst {wer Verleßten willig Gehör geben werden; au sie werden erkennen, Gott hat nicht Gefallen am Tode des Sünders, sondern daß er !sich bekehre und lebe, und werden sich auch des Spruches erinnern: Es i mehr Freude im Himmel über einen Sünder, der Buße thut, als über“ neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.

Abgeordn, Freiherr von Gudenau : Aus den Gründen, die von dem Herrn Regierungs-Kommissarius und der Majorität der Abthei-=- lung vorgetragen worden sind, kann ih mich nicht entschließen, dafür zu votiren, daß der Mörder, und um derartige Verbrechen handelt es sih hier hauptsächlich, nach Ablauf der Zeit überall wieder frei herumgehen, den vollen Genuß der bürgerlihen Rechte haben, also nur wegen Ablauf der Zeit frei und \traflos sein soll. Andererseits is nicht zu verkennen, daß die Vollstreckung der Todesstrafe nah \o lan- ger Zeit sehr hart, ih möchte sagen zu hart sein werde, Mag er noch so verstockt sein, er hat gelitten, er hat unendlich viel gelitten durch Angst und Furcht und das Brandmarken seiner Seele. Aus diesen sih entgegenstehenden Gründen beehre ih mich, nah dem Bei- spiel der österreichischen Geseßgebung folgendes Amendement vor= behaltlih der besseren Fassung vorzuschlagen: Bei Verbrechen, welche mit Todesstrafe bedroht sind, findet die Verjährung insoweit statt, daß höchstens 20 Jahre Freiheitsstrafe erkannt werden kann, wenn seitdem 20 Jahre verstrichen sind. E

Abgeordn. Frhr. von Wolff-Metternich : Das Prinzip, welches der Paragraph ausspricht, scheint mir in jeder Weise g A t d Pad us B

‘ia l che der vorhergehende ( l a, Ls redung der Stpase unter allen Umständen zu

hchträglihe Voll JETAFE ¿ A ew M elen Fällen würde hier die Strafvollstredung nachzu= holen zwedlos sein, Es scheint mir daher eine Vorschrift wünschens-

‘iber, daß die Strafvollstreckung erst eintritt, auf Antrag Er ar Ee. L Mein Amendement als Nachsaß des Para= va folgendermaßen lauten: die Strafvollstreckung

¿ürde etr j E Antrag des Staatsanwalts statt, und nur die erste Verhaftung des Kondemnaten resp- Anordnung von Sicherheits-

dessen Bestimmung geschehen. ed Gr M Schwerin: Jh kann mih dem Amen- dement des Abgeordneten aus der Rheinprovinz anschließen. Ih werde entschieden dagegen sein, die Verjährung bei todeswürdigen Verbrechen eintreten zu lassen; aber dafür kann ih sein, daß die

rafe niht vollstreckt werde, und deshalb trete id dem Amen- Tee e iches der Abgeordnete E hat. Regierungs-Kommissarius Bischoff: Man würde dann von dem rinzip abweichen, welches der Verjährung zum Grunde liegt. Es oll aber damit niht gesagt werden, daß es in Fällen dieser Art

nicht geeignet erscheinen könnte, -eine mildere Berüdsichtigung eintreten