1848 / 33 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Í - isar geäußert wor= merken, was von dem Her unbillig O einen Mindersäb- ben is, nämli v e des Geseßes zu unterwerfen und ibm nicht rigen der ganze!! rel! d auf Grund desselben E j pie Bes

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Genugtbuung F dden. a bendjahr angeaommen ist, dieses Alter

remungsfäbigfeit Es 1 müssen; die in Rede stehende Bestimmung

aud Bie esch genen sn 4 weniger für gerehtfertigt, als man

G Mohl den Fall deuken kaun, daß ein Vormund nachlässig is, die

Verjährungsfrist E ugt 5 oed ganz uud gar

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der Gnordn, Grabow: Ich würde auch diesen Paragraphen streichen und zwar aus folgendem Grunde. Ler Paragraph fo inmt unter Anderem zur Anwendung bei ZJnjurien. Nach dem bisherigen alten Rechte werden dic Jujnrien im Civilverfahreu verfolgf ; bei diesen entsheidet aber niem1ls die Kriminal - Mündigkeit, sondern überbaupt die Mündigkeit, welche durch das Allgem, Landrecht in Civilsachen festgestellt worden ist; es würde also meines Erachtens, wenn dieser Paragraph mit der Kriminal - Mündigkeit des l6ten Le- bensjahres stehen bliebe, eine Kontroverse gegen das bisherige Civil- Recht eintreten. Da ih nun noch nicht weiß, welches Prozeß =- Ver- fahren in Betreff der Jnjurien künftig Plaß greifen wird, so scheint es mir zweckmäßig, daß man in dieser Beziehung rein bei der bis- herigen civilrechtlichen Bestimmung stehen bleibt.

Abgeordu. Frhr. von Wolf - Metternich: Das Bedenken, welches ih gegen diesen Paragraphen habe, steht niht mit dessen Bei- behaltung in Verbindung, es i} ein anderes. Es is im vorliegenden Paragraphen nur des Falles der Minderjährigkeit gedacht worden, aber es isst nichts bestimmt worden in Betreff des Rechtes des Vor=- mundes, der für einen Blödsinnigen oder Geistesshwachen bestellt ist. Ich weiß nicht, ob etwa hier nur eine Omission zum Grunde liegt, habe aber um so mehr darauf aufmerksam machen zu müssen ge= glaubt, als im Verfolg des Entwurfes des Oefteren auf §. 70 rekur- rirt wird.

Regierungs - Kommissar Bischoff: Wenn gegen einen Blödsin- nigen ein Verbrechen begangen wird, so wird der Vormund {on nach allgemeinen Grundsäßen eintreten fönnen; das scheint auch {on in dem zweiten Alinea des Paragraphen zu liegen.

Abgeordn. Frhr. von Wolf- Metternich : Falles der Minderjährigkeit dort gedacht.

Justiz-Minister von Savigny: Jch muß bemerken, der Para- graph hat uicht erst dieses Neht dem Vormunde gegeben, der es gewiß so ohnehin haben würde, sondern es is nur neben dem Vor- munde dem Minderjährigen ein selbstständiges Antragsrecht beigelegt worden, Dieses kann aber bei einem Blödsinnigen gar nicht gedacht werden.

Abgeordu, VKeumann: Jch theile in einer Beziehung ganz die Bedenken des geehrten Abgeordneten aus Prenzlau, aber ih muß bemerken, daß in einer anderen Beziehung dadurch, daß der Para- graph gestrichen wird, der verleßte Uumündige möglicherweise ganz außer Stand geseßt werden könnte, sich Recht zu verschaffen, und \o- nach die Verlebung ganz ungeahndet bleiben würde, Jch will zu diesem Zweck ein Beispiel aufstellen, welhes mir in der Praxis vor- gekommen is. Cin Dienstmädchen von 20 Jahren wurde auf hö} sträfliche Weise gemiß{andelt, sie stellte deshalb eine Jujurienklage an, sie war aber aus einer entfernten Stadt, und die Klage wurde von ihr allein niht angenommen, Der Vater sollte hierauf die Klage anstellen, er war aber verreist, kam in längerer Zeit nicht zurück, und der ganze Vorfall blieb daher ungeahndet. Junsofern es nun nicht möglich is, daß solche Verleßungen dur das öffentlihe Amt ver- folgt werden, worüber bis jeßt eine Bestimmung nicht existirt, so werden einzelne Fälle vorkommen, wo der Verleßte außer Staud ge- seßt sein würde, sein Recht zu verfolgen, und für diese Fälle können wir den Paragraphen wohl noch nicht entbehren.

Fürst Wilhelm Radziwill : Jch wollte mir nur die Bemerkung erlauben, daß in Beziehung auf diejenigen, welche sich in dem Sol- dateustand besinden, der Paragraph vou keiner Präjudiz ist. Es fönnten nur die getroffen werden, welche vor dem 2sten Lebensjahr srei- willig cintreten. Der freiwillige Eintrit aber is abhängig von der Erlaubuiß der A-ltern und Vormünder. Derjenige, welcher im Heere aufgenommen wird, welhem der Staat die Führung der Waffen an- verkraut, ist unbedingt schon dadurch befähigt und berechtigt, die Ge- rehtsame zu wahren, welche ihm der zweite Saß des Paragraphen giebt.

q Marschall: Wir können nun zur Abstimmung über die Fragekommen: ob dic Versammlung auf den Wegfall des §. 70 antragen wolle? Würde diese Frage verneint, so wäre der Paragraph vorbehaltlich der Aende= rung der Worte „bis zum 146ten““ in die Worte „bis zum 18ten Lebensjahre‘’ angenommen. Jch frage also: Soll auf Wegfall des §. 70 angetragen werden? Diejenmgen, welche die Frage bejahen, würden es durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erheben sich nur wenige Mitglieder.)

Die Frage i} verneint und somit der Paragraph vorbehaltlich der bemerkten Aenderung in der ersten Zeile angenommen, Es ift hier ein zweckmäßiger Abschnitt, um zuerst zurückzukommen auf das Gutachten der Abtheilung über die Vorschläge, die wegen der Drei- theilung der strafbaren Handlungen gemacht worden sind,

Justiz-Minister von Savigny: Jh stelle anheim, ob es nicht zweckmäßiger gefunden werde, mit dem 7ten Titel fortzufahren, da wir nahe an der Beendigung des allgemeinen Theiles sind.

Marscha!l: Allerdings is nicht zu vermuthen, daß sih in dem nun folgenden 7ten Titel das Bedürfniß eincr früheren Erledigung des erwähnten Gegenstandes zeigen sollte, und wir können also die Berathung des Gutachtens über die Dreitheilung bis nah Beendi- gung des 7ten Titels ausseßen und nun zu §. 71 übergehen.

Referent Kaumann (liest vor):

119: T1.

Wenn durch eine und dieselbe Handlung mehrere Strafgeseßze übertreten werden, so hat der Richter auf die Sirafe des {wersten Verbrechens zu erkennen und die übrigen in der Handlung enthal- tenen Verbrechen nur bei der Zumessung der Strafe zu berücksich- tigen.“ Z s

Die Abtheilung schlägt die unveränderte Annahme dieses Arti= fels vor.

Es if blos des

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11

Js} über mehrere, durch verschiedene Handlungen derselben Per- son begangene Verbrechen zugleih die Untersuchung eingeleitet wor- den, so kann der Richter sämmtliche dadurch begründete Strafen ver- einigt aussprechen.“

Das Gutachten lautct :

1ZU §. 72.

Nach Juhalt dieser Bestimmung würde es von dem Ermessen des Richters abhängig sein, ob au im konkreten Falle nur auf die inie eines oder mehrerer oder aller durch verschiedene Handlungen

egangener Verbrechen, wegen welcher zuglei die Untersuhung ein- geleitet worden, gegen den Verbreher zu erkennen sei, Einen so

gogen Spielraum dem rihterlihen Ermessen zu lassen, is bedenk-

ch, zumal der Richter fei I j für das Eine oder das Unbere itel PuTon. wlirde, mona Ff, 10

Straflosigkeit oder Verminderung

heiden solle, An sich findet die der Strafe bei Handlungen, wegen

242 welcher oft nur zufällig die Untersuchung gleichzeitig eingeleitet wor- den, keine Rechtfertigung, und obwohl dagegen erinnert wurde, daß andererseits ein Verbrecher deshalb allein, weil er mehrere Ver- brechen begangen, nicht absolut strafbarer sci, so hat die Abthei= lung doch mit 7 gegen 6 Stimmen sich für den Vorschlag erklärt, daß angetragen werde, die Bestimmung des §. 72 durch Verände- rung des Wortes: „kann‘’ in „muß“ als Regel hinzustellen.““

Justiz =Minister von Savigny: Jch bitte ums Wort, Was diesen Punkt betrifft, so muß ih bemerken, daß die fakultative Be- stimmung, gegen welche sih jeßt die Abtheilung erklärt, in das Ge- seß aufgenommen worden is, auf den Rath der hier zugezogenen rheinishen Juristen. Es kommt aber ein besonders wihtiger Grund dabei in Frage, der auch diesen Rath hauptsächlich motivirt hat. Es ist mögli, daß Verbrechen und Vergeben, die zu gleicher Zeit in Untersuchung gezogen werden, von höchst verschiedener Schwere sind. Es fann die Rede sein von einem Verbrechen, welches der Zucht- hausstrafe unterworfen is, und von einem leihten Vergehen, auf wel- ches nur furze Gefänguißstrafe geseßt is, Es würde unzweimäßig sein, wegen des {weren Verbrehens auf 10 Jahre Zuchthaus und daneben wegen anderer Vergehen auf 14 Tage oder 3 Wochen Ge-= fängniß zu erkennen. Bei einer solhen Vereinigung mehrerer Ver= brehen von verschiedener Schwere kann man es dem Rihter über- lassen, nah den Umständen zu verfahren. Sind die Verbrechen gleich= artig und von gleicher Schwere, i auch die Strafe gleichartig , so wird der Richter über alle diese Fälle erkennen müssen, aber in den hier angeführten Fällen, die ost in Betracht kommen, würde es sehr unzweckmäßig sein,

Korreferent Freiherr von Mylius: Es handelt sich darum, welchen Grundsaß man aufstellen will. Es sind zwei verschiedene Ansichten, die sih einander gegenüberstehen, die Auffassung des rhei- nischen Rechtes ist die eine, die andere i} die Auffassung, wie sie auch hier für gewisse Fälle vorgesehen is. Die erste Auffassung geht von dem Grundsaße aus, daß eiu Verbrecher, der mehrere Strafgesetze verleßt, im ganzen Maße seiner Verschuldung beurtheilt werden solle und das s{werste Verbrechen der sicherste Ausdruck dieser Verschul= dung sei, Man sagt, der Richter solle den ganzen Umfang der Schuld, welche ein Verbrecher auf sein Haupt geladen hat, in ihrer ganzen Größe ermessen und die {werste Strafe, welhe verwirkt ist, gegen ihn aussprehen. Es ist dies ein Grundsaß, der um so leih= ter durchzuführen is, wenn das Geseßbuch nur relative Strafandro- hungen bei Freiheitsstrafen hat und dem Richter die Möglichkeit giebt, zwischen dem Minimum und Maximum einer Strafe das Maß zu bestimmen, welches er für geeignet hält, Diesem Prinzip gegenüber

steht die Auffassung, daß der Richter die verschiedenen verwirkten Strafen zusammenzählen soll, gleih als wenn die verschiedenen Ver= brechen von verschiedenen Personen verübt wären, das Prinzip der Strafvereinigung. Welches Priuzip in jedem einzelnen Falle ange- wendet werden soll, stellt der Paragraph in die Willkür des Richters, indem er sagt, der Richter solle befugt sein, sämmtliche verwirkte Strafen in ihrer Bereinigung auszusprechen. Die Abtheilung is von der Ansicht ausgegangen, daß ein solches Wahlreht zwischen den Prinzipien dem Nichter zu überlassen unmöglich sei. Möge man nun den Grundsaß annehmen, daß das Straferkenntniß nur auf das \hwerste Verbrechen gerichtet oder die Strafen in ihrer Vereinigung zusammengerehnet werden sollen, darüber mag gestritten werden, daß aber der Richter und nicht der Gesetzgeber diese wesentliche Frage entscheide, das habe ich für bedenklih gehalten und in der Abthei-= lung darauf angetragen, wenn man diesen Grundsaß aufstellen müsse, statt „Fann“ zu seßen „muß“.

Regierungs -= Kommissar Bischoff: Gegen diesen Vorschlag i} zu bemerken, daß unter Umständen die Strafe viel zu hoh werden fönnte. So i bei dem gewaltsamen Diebstahl das Minimum der Strafe drei Jahre Zühthaus. Es trist sich häufig, daß von Per- sonen, welche derartige Verbrechen begehen, uicht ein einzelnes Ver= brehen allein, sondern mehrere Verbrechen gleichzeitig verübt find. Wenn man nun annimmt, es habe ein Dieb vier gewaltsame Dieb- stähle verübt, so würde das Minimum der Strafe 12 Jahre Zucht haus sein, und wenn man die Bestimmung so dispositiv faßt, wie dies vorgeschlagen worden, so würde der Richter mindestens auf 12 Jahre Zuchthaus erkenneu müssen. Das kaun unter Umständen zu außerordentlihen Härten führen, und deshalb soll es dem Richter gestattet sein, niht das volle Maß der Strafe anzunehmen, sondern darunter herabzugehen.

Abgeordn, Camphausen: Außerdem scheint es mir ungemein chwierig für die Versammlung, die Zweckmäßigkeit oder Unzweckmä-=- ßigkeit dieses Paragraphen zu beurtheilen, weil sie niht weiß, wer der Richter is, welcher nach diesem Paragraphen zu eutscheiden ha= ben würde. Es is der Paragraph bedenklich für die Mitglieder aus den Landestheilen, wofür das künftige Verfahren nicht feststeht, und für die Rhein-Piovinz, wo das Verfahren festgestellt ist, finde ih den Paragraphen zu beanstanden deshalb, weil er den Untergerichten eine viel zu große Befugniß in die Hand giebt, Es werden die Zucht- polizei - Gerichte am Rhein nah demselben bis auf 20 Jahre Frei- heitsstrafe erkenneu fönnen.

Regierungs=sommissar Simons: An diesen Paragraphen ließt sich §. 8 des Kompeteunz=Geseßzes an, welcher das Verfahren in der Rhein=Provinz reguliren soll, und zwar in möglichster Beibehaltung der Weise, welche jeßt besteht. Es soll dadurch verhütet werden, daß uicht die höchsten Strafgerichte gezwungen werden, mit den nothwen= dig vor sie gehörenden Sachen eine Menge kleiner Vergehen abzuur- theilen, welhe den Gaug der Untersuchung unnöthig verzögern und verwicfeln würden. Deshalb is im §. 8 des CEinführungs - Gesetzes bestimmt, daß mit solchen Verbrecben nicht kounere Bergehen vor den Assijenhof nicht verwiesen werden sollen, Dies entspricht dem beste- henden Verfahren, Wenn Verbrechen mit nicht konnexen Vergehen (der nämlichen Person) koukurriren, so werden nur die Verbrechen vor deu Assisenhof verwiefen, und die Verfolgung wegen der Vergehen bleibt vorbehalten, insofern eine Freisprehung erfolgt. Jst dies der Fall, \o wird die Verfolgung des Vergehens wieder aufgegriffen. Es soll dies nah §. 8 jedoch auch dann eintreten, wenn auf kürzere Frei= heitssirafen von dem Assisenhof erkannt wird, als die in der Verwei= sung vor denselben nicht begriffenen Vergehen nach sich ziehen können,

; Dieser Zusaß is nöthig gewesen, weil die hohen Kriminal=

strafen, die nah dem Code pénal eintreten, es jeßt in der Regel überflüssig machen, noch zu untersuchen, ob eine zusäßlihe Strafe zur Anwendung zu kommen habe. Haben die von dem Assisenhofe ver- hängten Strafen eine geringere Dauer, \o kann allerdings der Fall eintreten, daß es nöthig erscheint, die Freiheitsstrafe in ihrem Maße zu erhöhen, wie es durch den zweiten Absaß des Paragraphen vor= behalten is. So scheint, daß Alles, was zur Festhaltung des beste- henden Zustandes geschehen kann, vorgesehen worden ift,

Abgeordn, Camphausen: Jch bitte, ein Wort darguf erwiedern zu dürfen. Es wird nichtsdestoweniger niht in Abrede gestellt werden können, daß die Befugniß der Zuchtpolizei-Gerichte am Rhein, die bisher höchstens und in Ausnahmefällen 10jährige Freiheitsstrafe erfennen konnten, nah diesem Artikel sih auf 20 Jahre erstrecken kann, was ih um so mehr zu beanstanden finde, da ih glaube, daß die Zuchtpolizei- Gerichte am Rheine schon jeßt nicht die Garantie darbieten , die sie nah der Schwere der von ihnen auszusprechenden

Strafen eigentlich darbieten sollten.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Es i} di i durch Annahme des Abtheilungs-Gutachtens us gee e net mehrt wird, den der Abgeorduete besorgt. Eben dann wenn die Cumulation der Strafe nit in die Befugniß des Richters gestellt ist wird es ihm zur Pflicht gemacht sein, in allen diesen Fällen eine hohe Strafe auszusprechen.

_ Abgeordn. Camphausen: Das würde mein Bedenken nicht be- beseitigen; daß dem Richter diese Willkür in die Hand gegeben werde, befürworte ich nicht. : h:

__ Abgeordn. Graf von Schwerin: Dann würde der Abgeordnete sich nicht der Minorität der Abtheilung anschließen können, denn diese ist von der Ansicht ausgegangen, daß hier lediglih der Nichter be- stimmen könne, weil nur er im einzelnen Falle zu beurtheilen im Stande, ob durch eine Mehrheit von Verbrechen der rehtswidrige

Wille intensio strafbarer geworden sei. L arauf allein kann es an fommen. Wenn auch eine verbrecherishe Handlung extensiv \{chwerer

ist, \o kann deshalb doch möglicherweise die Nechtsverleßung doch uicht intensiv \{werer sein, Dagegen kaun aber auch der umgekehrte Gall stattfinden. Es if also die Minorität der Meinung gewesen, der Paragraph könne nur so stehen bleiben, wie er im Entwurfe ge= faßt ift. :

Regierungs = Kommissar Bischoff: Das Bedenken des verehrte! Abgeordneten aus Köln wird beim §. 3 des rheinischen Kompetenz- Geseßes seine Erledigung findeu können. Dort it gesagt, daß die Zuchtpolizei-= Gerichte der Rhein - Provinz erkennen sollen über alle Handlungen, welche im höchsten Maße mit fünfjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, und dann is im zweiten Alinea gesagt, sie sollen selbst auf höhere Strafen erkennen dürfen, wenn wegen Rüdfalls oder mehrerer fonfurrirender Verbrehen eiue höhere Strafe gerechtfertigt is. Will man aussprechen, daß die Zuchtpolizei - Gerichte beschränkt werden sollen im Maximum der Dauer der Freiheitsstrafen, so wird das etwas sein, was bei dem Kompetenz-Gesecße in nähere Erwägung zu ziehen is; hier handelt es sich aber von allgemeinen Grundsäßen, und da kann man dem Kompetenz =- Gesche noch niht vorgreifen,

Abgeordn. Dittrich: Jm Juteresse der Rechtsgleichheit kann ich mich nur für das Gutachten der Majorität crklären. Es würde eine doppelte Rechtsungleichhetit entstehen. Der Verbrecher, der mehrere Verbrechen begangen hat und uach und nah zu verschiedenen Unter suchungen gezogen werden müßte, würde die Gesammtstrafe und außerdem noch deu Untersuchungs - Arrest bei jedem einzelnen Ver= brechen erleidenz also ungleih härter gestraft werden als derjenige, der gleiche Verbrechen verübt hat und doch nur für das shwerste gestrast werden sollte. Zweitens würden verschiedene Richter verschieden cr= fenuen, also auch bei gleihem Grundsaße große Rechtsverschiedenheit obwalten.

Abgeordn. von Saucken - Carputschen: Jch habe wahrgenom-= men, daß gegen das Gutachten der Abtheilung sehr ernstlihe Be= denken crhoben worden sind; es sind diese auch von dem Herrn Regie= rungs-Kommissar noch mehr hervorgehoben und dadurch noch anschaulicher gemacht worden, welche Nachtheile aus der Annahme des Vorschlages hervorgehen können; es sind im Gegensaße aber ebenfalls große Be- denken gegen den Paragraphen ausgesprochen worden, die gleichfalls viel Anklang gefunden haben. Jch weiß nicht, ob wir zu einer Ver- einigung kommen fköunten, wenn wir das, was der Abgeordnete aus Köln als am Rheine bestehend angeführt hat, als allgemein geltend annehmen, daß nämlich allemal die durch das größte Verbrechen fest= geseßte Strafe stattfinde und in dem gegebenen Spielraum die Stei gerung nah den noch außerdem begangenen Verbrechen abgemessen werde. Jch glaube, daß wir uns dadurch am besten vereinigen wür= den, da für die beiden anderen Fälle gleiche Bedenken in der Ver= fammlung wahrzunehmen gewesen sind,

Korreferent Frhr. von Mylius: Jch theile ganz die Ausicht des verehrten Abgeordneten, welcher so eben gesprochen hat, und die= ses war gleiherweise mein Prinzip, welches ih in der Abtheilung allerdings nicht zur Geltung bringen konnte, und es würde sich daher jeßt fragen, ob vielleicht die hohe Versammlung dahin antragen will, daß das Necht, das mit Bezug auf den hier vorliegenden Fall in der Rheinprovinz besteht, auch hier eingeführt werde, nämlich der Grund-= saß, daß, wenn mehrere Verbrechen verübt worden sind, immer die Strafe des schwersten Verbrechens erkannt werden foll. Es \ceint mir das, was von Seiten des Herrn Kommissars aus dem Geschz= gebungs=Ministerium vorgetragen worden is, weniger dagegen gerich tet zu sein, diesen Grundsaß anzuerkennen, als vielmehr dagegen, das auszusprechen, was die Abtheilung vorgeschlagen hat. Jndem ih dem beitreten muß, glaube ih, daß das, was die Äbtheilung vorge= schlagen hat, Bedenken aus Gründen ver Zweckmäßigkeit gegen sich haben möchte, Haben wir aber zwischen dem Prinzip zu wählen, ob maßgebend sei der Grundsaß der Strafvereinigung oder die Ansicht, daß gestraft werden müsse nach der Größe der Verschuldung und diese ihren Ausdruck erhalten habe durch das s{chwerste Verbrechen, was der Angeschuldigte verbüßt, dann, glaube ih, werden sih s{ch!a=2 gende Gründe dafür anführen lassen, daß bei dieser Wahl dem leh- teren Grundsaße man Anerkennung schenken müsse, denn es wird die größere Verschuldung nicht bestimmt nach der Reihe der auf einauder folgenden Handlungen, weun auch die Rechteverleßungen verschiedener Art sind, sondern sie wird bestimmt durch den Ausdruck, in wel= chem der Verbrecher mit der am \ch{chwersteu bedrohten That das Strafgeseß des Staates verleßt hat. Der Wille, dem Staate sich gegenüberzustellen und ein Verbrechen zu verüben , wird genauer be- zeichuet durch die Haudluag, die der Staat auch mit der schwersten Strafe bedroht, als durch eine Reihe ven Handlungen, die durch âäu- ßere Umstände in eine zufällige Verbindung mit anderen Verbrechen gebracht worden siud. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, möchte ih den Autrag stellen, ob nicht au die Stelle des §. 72 der Grund- saß auszusprechen sei, den auch der §. 71 für die dort bestimmten Fälle anerkenut, daß nämlich, wenn nicht nur durch dieselben, sondern auch durch mehrere Handlungen verschiedene Strafgeseße verleßt sind, die schwerere Strafe auszusprechen sei.

Justiz-Minister von Savigny: Es is jeßt in Antrag gebracht worden, einer Verlegenheit, cinem Bedenken, welches erhoben worden ist über dic Modalität in diesem Paragraphen, dadurh zu entgehen, daß man das ganz entgegengeseßte Prinzip anuchme, das Prinzip, daß bei mehreren verschiedenen von einander unabhängigen Handlun- gen nur eine derselben bestraft werden solle, und daß die übrigen höchstens auf die Zumessung Einfluß haben sollen. Daß dieses Prin-- zip der richtigen Theorie entgegen sei, darüber kann lein Zweifel sein, Sollen wir nun im Allgemeinen annehmen, daß Jemand für 2, 3 oder 4 Verbrechen straflos sei, blos, weil er {hon ein anderes be- gangen? Jch glaube, einer rihtigen Theorie ist das entgegen, und ih muß auch bemerken, wie es sich in der Praxis stellt. Wenn Je- mand einen einfachen Diebstahl begangen hat, für welchen, wenn er entdeckt wird, die härteste von dem Gesetße zugelassene Strafe eintre- ten müßte, so kaun er in seinem Sinne nichts Besseres thun, als uun, so viel möglich, andere Diebstähle zu begehen, weil er vollkommen. gewiß scin würde, daß er für diese alle straflos bleiben müßte, Jh gebe zu bedenken, wenn solche praktishe Bedenken mik den Grund=- säßen der Theorie zusammentreffen, ob man sih entschließen wolle, der angeführten Verlegenheit durch Annahme des entgegengeseßten Prinzips zu entgehen. ;

Marschall : Der Vorschlag; welcher von dem Abgeordneten von-

Saudckden und dem Korreferenten gemacht worden, würde bestimmt ausgedrückt sein, wenu es im §. 72 heißen würde: 2

„J| über mehrere durch verschiedeue Handlungen derselben Perso=

nen begangene Verbrechen zugleih die Untersuchung cingeleitet

worden , so is in dem Straferkenntniß uur über das s{werste der

begangenen Verbrechen zu erkennen. ““ f

Es fommt darauf an, zu ermitteln, ob dieser Vorschlag die er= forderliche Unterstüßung von 8 Mitgliedern findet.

Korreferent Frhr. von Mylius: Jch wollte mir erlauben, zur Widerlegung dessen, was der Herr Justiz - Minister der Gesebge- A

Marschall: Der Antrag is uicht unterstüßt,

Abgeordn. Camphausen : Es ist aber doch niht der Vorschlag gemacht worden, den Durchlaucht vorgetragen haben. Nach dem Vor= schlage, wie ihn Durchlaucht ausdrücken, würde der Richter nux über das \chwerste Verbrechen erkennen; der Vorschlag ist aber der, daß der Richter nur auf die Strafe des shwersten Verbrechens zu erken nen haben solle. Es liegt ein großer Unterschied darin , wenn Emer wegen vier Verbrechen vor Gericht steht, ob dann der Richter nur über das shwerste dieser Verbrechen zu erkennen hat, oder ob vor=- geschrieben is, daß dem Verbrecher nur die Strafe des schwersten dieser Verbrechen zugemessen werden soll.

Marschall: Dieser Unterschied verschwindet, weun erwogen wird, daß die übrigen Verbrechen nur als Zumessungsgründe in Be= tracht zu ziehen wären, wobei doch der Richter prinzipaliter nur über das s{chwerste Verbrechen zu erkenneu hätte.

Abgeordn. von Saucken - Tarputschen: Für den Antrag, den ich gestellt habe, finde ih allerdings, daß ein großer Unterschied darin liegt, deun es steht dann dem Richter nicht frei, gegen das \{werste Verbrechen nur zu erkennen, sondern er muß unbedingt auf die \{werste Strafe des s{hwersten Verbrechens alsdann erkennen , und das wäre eine ungeheure Schärfung,.

Marschall: Für den Fall, daß es zur Fragestellung käme, steht kein Bedenken entgegen , daß die Frage gestellt werde in der Weise, wie vorgeschlagen worden is; aber zur Ermittelung der Unterstützung, worauf es vorerst ankommt, is der Gegenstand vollkommen beleuh- tet, und es fragt si also, ob diese Unterstüßung von §8 Mitgliedern erfolgt. ;

(Dies geschieht.)

Er wird also eventuell zur Fragestellung kommen.

Vice - Marschall von Rochow: Jun Beziehung auf den eben gemachten Vorschlag, der Unterstüßung gefunden hat, kaun ih mich nur vollkommen dem anschließen, was der Herr Minister der Gesehz-= gebung bereits darüber gesagt hat, und möchte nur noch hinzufügen, daß es blos Zufall ist, ob verschiedene nah einander begangene Ver= brechen hon nah und nach bestraft worden sind, oder ob sie ohne Bestrafung geblieben sind, denn wären sie früher zur Kenutniß der aufklagenden Behörde gekommen, \o würde ihre Bestrafung n1ch und nah eingetreten sein, und daß, wenn eine große Reihe von Verbre- hen begangen worden, auf die an sich keine große Strafe gesetßt ist, sie zusammen eine große Straffälligkeit bekunden können, daher muß ih mich mit dem §, 72 vollkommen einverstanden erklären. Der Haupteinwand dagegen is , daß dem Richter dadur ein zu großer Spielraum gelassen würde. Einen solhen Spielraum halte ih im Allgemeinen auch für bedenklih, aber nur, wenn er in Beziehung auf die Schärfung einer Strafe vorhanden is. Hier steht aber die Strafe fest, und da dem Richter uur überlassen werden foll, eine Minderung derselben auszusprechen, so kann ih darin gar kein Be-= denken finden.

Korreferent Frhr. von Mylius: Jch muß um das Wort bit= ten, um gegen den Herrn Geseßgebungs-Minister zu erwiedern: Es is hier gesagt worden, daß die Theorie, die ich vertheidigt habe, unrichtig sei und bedenklih. Wir haben es hier allerdings mit einer sehr wichtigen, in das Kriminalreht tief eingreifenden Theorie zu thun; ih glaube aber, daß, da die einzig rihtige Theorie die Ge= rechtigfeit is, die Strafe gemessen werden muß nah der Größe der Verschuldung. Es fragt sich, was für einen Ausdruck das Geseß als Zeichen der Größe der Verschuldung bestimmt? Und darauf sage ih, der Ausdruck, mit welchem der Thäter dem Gesebe gegen-= über am schwersten aufgetreten is. Diesen Ausdruck finden wir aber repräsentirt im \{hwersten Verbrechen, und deshalb _glaube ih, daß dieses das beze‘ chnendste Maß für die Größe der Schuld und daher für die Strafe sei, Es ist ferner gesagt worden, daß praktische Bedenken vorlägen, indem der Verbreher durch Aufnahme des Grund- saßes, wie er im Art. 365 der rheinishen Prozeß - Ordnung aufge=- stellt i, zu dem Gedanken gesührt werde, wenn er einmal ein Vere brechen verübt habe, fönne er nun ungestraft weiter sündigen. Jch glaube niht, daß Anhaltspunkte dafür sih in den Ländern finden lassen, in welchen diese Bestimmung Jahre lang praktisch gewesen ist ; ih glaube auch nicht, daß dieje Behauptung aus der Natur dieser Bestimmung folgt, denn es ist bereits von mir erwähnt worden, daß der Entwurf in Bezug auf die Freiheitsstrafen nur relative Straf= drohung enthält, bei großen Freiheitsstrafen immer das Minimum und Maximum, und dadurch wird dem Richter stets die Möglichkeit gegeben sein, ob er eine geringere oder größere Strafe verhängen soll, zu erkennen, und der Verbrecher wird wohl wissen, daß, wenn er ein Verbrechen verübt hat und dem Geseße aufs neue entgegetn- tritt, der Richter ihn nicht mit der gelindesten Strafe belegen wird, son= dern das Maß des Maximums annehmen kanu. Jch glaube daher, daß das Bedeuken, die einmal übernommene Schuld werde den Verbrecher zu dem Wahne fernerer Straflosigkeit führen, sih uicht rechtfertigen läßt, im Gegentheil glaube ih, daß die Gewißheit einer härteren Strafe auch hier eine Drohung dem Verbrechen gegenüber sein würde. Es handelt sich aber wesentlich um das Prinzip; wenn dieser praktische Gedanke nicht durchgreist, worin findet die Schuld ihren gemessen sten Ausdru? Jm schwersten Verbrechen oder in der fortgeseh- ten Reihe von Handlungen, die der Verbrecher verübt hat? Und ich glaube, daß sie in der s{wersten That ihren gewissesten und gemes= sensten Ausdruck findet.

Abgeordn. Sperling: Jch glaube au, daß der Uebelstand, der sich für die Rheinprovinz herausstellt, durch eine Bestimmung des Kompetenz - Geseßes gehoben werden könnte. Das strenge Recht fordert allerdings, daß cin jedes Verbrechen durch die Strafe gesühnt werde, welche das Gese speziell darauf geseßt hat. Jndeß ist es nicht zu leugnen, daß dadurch oft große Härte herbeigeführt werden würde, indem durch Verbindung mehrerer Strafen jede ein- zelne Strafe einen intensiy höheren Charakter erhält. Man denke namentlich an den Fall, daß mehrere Freiheitsstrafen einem Ver= brecher zuerkaunt werden und er genöthigt würde, alle diese einzel- nen Strafen ohne Unterbrehung abzubüßen. Es ist der Grundsah, den der Entwurf hat, {hon im Allgemeinen Landrechte ausgespro= hen. Schon dieses bestimmt, daß bei einer Konkurrenz der Ver= brehen auf die \{chwerste Strafe zu erkeunen und solhe uur im äußersten Falle bis zur Summe aller einzelnen Strafen zu ver-= \härfen sei. Diesem Prinzipe schließe ih mich an, und wenn ih noch etwas zu wünschen hätte, so wäre es höchstens, daß in dem Paragraphen des Entwurfs. solhes deutlicher ausgedrückt würde,

Abgeordn. von Wodiczka: Jch {ließe mich vollkommen der Ansicht des Herrn Korreferenten in Min an, als er behauptet,

243

\hwere Strafe treffen müsse; aber seiner Ausführung kann ih darin nicht solgen, daß man, wenn mehrere Verbrehen begangen worden sind, das \{chwerste Verbrechen strafen und die anderen ungestraft lassen müsse. Dieser Grundsaß widerspricht der Gerechtigkeit, welche fein Verbrechen ungestraft lassen soll. Jh glaube, daß wir alle Ver- brechen strafen müssen. Aber der Entwurf hutdigt bei diesem Para- graphen wieder der Humanität, indem er uicht die höchste Strafe für alle Verbrechen ausspricht.

Abgeordn. von Werdeck: Jh möchte mir eine faktische Auf- flärung erbitten, so viel ih mich nämli erinnere, is in der Krimi- nal- Ordnung im Wesentlichen dasselbe Prinzip euthalten, was als ein besonderer Grundsaß des Code pénal geltend gemalt wird. Wenn also dcr vorliegende Geseßentwurf von diesem Grundsaße abweicht, so müssen wichtige praktishe Bedenken vorgelegen haben, welche ih zu erfahren wünsche. 5

Regierungs -Kommissarins Bischoff: Jh werde die Bestim-

mungeu der beiden Straf - Prozeß - Ordnungen verlesen, zunächst die Bestimmung der Kriminal - Prozeß - Ordnung von 1895, die für die alten Provinzen gilt, Dort heißt es im §. 416: „Hat sich ergeben, daß der Angeschuldigte noch mehrere Verbrechen begangen habe, und die Untersuchung derselben erfordert keinen beträchtlichen Zeitaufwand, so muß damit jederzeit verfahren werden. J dazu ein beträchtlicher Zeitaufwand erforderlich, das Verbrechen aber vou der Art, daß die Strafarbeit erheblich vermehrt werden würde, oder begründete Aus- sicht vorhanden, daß dem Beschädigten dadurch zum Schadensersabe geholfen werden könne, so muß die Untersuchung ebenfalls bis zum Schlusse fortgeseßt werden.“ _ Das i} die Bestimmung der Kriminal - Prozeß - Ordnung; sie shließt sih an die Vorschrift des Allgemeinen Landrechts an, wo im §. 97 bestimmt wird: „Wenn mehrere Leibesstrafen zusammentreffen : so muß die Strafe des schwersten Verbrehens verschärft oder ver= längert, doch muß die Summe aller Strafen der verschiedenen Ver- brechen niht überschritten werden.“

Diesen Grundsaß der älteren Geseßgebung giebt der §. 72

wieder. Anders is es mit der rheinischen Straf-Prozeß-Ordnung. Hier heißt .es im Artikel 365: „Zst der Angeklagte mehrerer

Verbrechen oder mehrerer Vergehen überführt, so wird blos die s{hwerste Strafe erkannt,“

Justiz - Minister Uhden: Es dürfte jedoh zu erwägen sein, daß nah rheinishem Rechte in der Regel eine Kriminalstrafe von min-

destens fünf Jahren Dauer eintreten wird, und deshalb eín großer Unte schied zwischen den gelinderen Strafen des Entwurfs und dem bestehenden rheinischen Rechte obwaltet.

Abgeordn. Freiherr von Gudenau: Was ih vorzubringen mich beehren wollte, ist meistens gesagt worden, und ich stimme dem Vor= schlage des Herrn Korreferenten um so mehr bei, weil bei dem großen Spielraum, der dem richterlihen Ermessen überlassen is, zwischen dem höchsten und niedrigsten Strafmaße nicht zu besorgen sein dürfte, daß, wenn nux die \{wersten Strafen angewendet werden, für die fleineren Verbrechen die nöthige Strenge fehlen werde, Wenn aber der Herr Korreferent seinen Antrag so meint, daß dieselbe Bestim- mung des Code pénal aufgenommen werde, daß nur die Strafe des schwersten Verbrechens erkannt werden folle, so kann ih mich darin nur einverstanden erklären, wenn blos von Freiheitsfstrafen die Rede is. Es müßte daher cine Bestimmung aufgenommen werden : daß, weun einer mehrere Verbrechen begangen hat, von welchen einige mit besonderen Strafen, als: Verlust gewerblicher Rechte, Polizeiauf= siht u. dgl. bedroht sind, nächst der: \{chwersten Freiheitsstrafe auch noch die besondere Strafe des geringeren Verbrehéns in Anwendung gebracht werden soll.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jh muß mich der Ansicht des Herrn Korreferenten entschieden widerseßen. und mich der Ansicht des Herrn Justiz - Ministers anschließen. Man kann die Voraus= seßung als völlig richtig anerkennen, daß das Prinzip der Straf=- gerechtigkeit erfordere, daß nach der Größe der Verschuldung das Strafmaß abgemessen werden muß, aber die gemachte Folgerung, daß der bezeihneudste Ausdruck für die Verschuldung immer das shwerste Verbrechen sei, scheint mir absolut willkürlih. Es is nicht richtig, daß die Strafe des s{chwersten Verbrechens immer der be- zeihnendste Ausdruck für die Verschuldung sei, denn wenn Jemand z. B. einen großen gemeinen Diebstahl begangen hat, ist er nicht so shwer verschuldet, als der, der Jahre lang cine Menge kleiner Diebstähle verübt hat, und nur wegen des leßten zur Untersuchung gezogen wird. Es fann sein, daß in manchen Fällen die Strafe des schwersten Verbrechens der bezeihnendste Ausdruck des \chwersten Verbrechens ist, aber es is niht immer und in der Regel der Fall. Abgeordn. Camphausen: Diejenigen, die den Grundsaß der Gerechtigkeit und die Theorie für sh anrufen, haben übersehen, daß die Durchführung dieses theoretischen Sawßes erstens unmöglich ist und zweitens im Entwurfe selbs eben \o wenig durchgeführt wird. Daß síe niht möglich i}, wird sofort klar, wenn sie an gewerbmäßige Gaunerei und Diebstahl denken; deun wenn ein Dieb erst erwischt wird, . nachdem er schon hundert Diebstähle verübt hat, müßte er Methusalems Alter erreichen, um sämmtliche Strafen abzusiben, Jm Entwurfe is der Grundsaß nicht durhgesührt, weil im §. 73 eine Zeitbeschräukung eintritt, die nah jenem theoretishen Satze unzu= lässig wäre. Jch habe zu wiederholen, daß ih gegen §. 72 stimme weil ih nicht glaube, daß er mit gehöriger Würdigung berathen werden fann, ohne daß man weiß, wie das Verfahren und wer der Richter sein wird, der zu entscheiden hat, und daß ih ferner dagegen stimme, weil das bestehende Verfahren am Rhein, welches in diesem Punkte ohnehin mangelhaft is, dadurch noch verschlimmert wird, weil er die Kompetenz der Zuchtpolizeigerichte noh weiter ausdelnt. Abgeordn. Dittrich: Jh entgegne dem gechrten Reduer vor mir , daß, damit die Konsequenz der Durchführung der Theorie nicht zu übergroßem Nachtheil führe, die Bestimmung des §. 73 noth= wendig is. Auch ih halte mit dem Herrn Direktor der Abtheilung dafür, daß die Behauptung des Herrn Korreferenten, der die Strafe immer nah der Größe der Verschuldung bemessen haben will, sehr richtig is, aber die Folgerung halte ih für unrichtig, daß nämlich nur das s{werste Verbrechen der bezeihnendste Ausdruck der Straf- barkeit sein solle, weil sih diese nur aus der Gesammtheit der ver- übten Verbrechen herausstellt.

Korreferent Freiherr von Mylius: Der Bemerkung des Herrn Vorsitzenden und einiger anderer Redner will ih ein Beispiel eut gegenhalten, und zwar das von dem Herrn Vorsißenden selbs ange= führte, Jch nehme an, daß ein Mensch eine Reihe vou Diebstählen verübte. Er würde immer nur als ein leichtsinniger Dieb erscheinen, wenn es ihm nie in den Sinn kommen würde, mit Ausübung von Gewalt sich an Eigenthum und Personen zu vergreifen, es werden seine Vergehen einen gleichartigen Charakter der Schuld an si tra= gen, der Wille, das Strafgeseß zu verleben, wird nie die Jutensität erreichen, als der Wille, welher mit Ausübung von Gewaltthat an Personen und Eigenthum sih versündigt. Jch glaube, daß, wenn ein Gesebbuh überhaupt bei einzelnen Strafen von einem richtigen Grundsabe ausgeht, es immer der sein wird, daß die Größe der Schuld des rechtswidrigen Willens immer in den größten Verbrechen offenbar geworden is. Es wird allerdings dabei vorausgeseßt, daß das Straf- geseß bei Konstituirung der einzelnen Verbrehen von einem richtigen

daß erx dem Prinzip der Gerechtigkeit huldige und {chwere Schuld

Prinzipe ausgeht, es festhalte, es sei eine \harfe äußere Gränze zu

ziehen für die Handlungen, die in dem Willen des Verbrechers liegen und dritten Personen gegenüber als verleßend si geltend machen. Jst eine solche Bezeichuung durch äußere Gränzen geschehen, so wird das Verbrechen immer das s{werste sein, welches die Rehte Anderer am meisten verlebt, und es is dadurch also auch die Absicht, die Rehte Anderer zu verleben, in dem Augenblicke am weitesten gegangen, wo das s{hwerste Ver= brehen verübt ist, es is also die schwerste Schuld da, wo das \chwerste Verbrechen is, und deshalb glaube ih, daß der von mir ausgesprochene Grundsaß gerechtfertigt ist.

Vice - Marschall von Rochow : Was der geehrte Abgeordnete aus der Rheinprovinz gesagt hat, spricht volllommen gegen den Vor- {lag der Abtheilung. Es is ganz richtig, daß es in einzelnen Fällen unmöglich sein wird, wegen einer Reihe von Verbrechen durch Cumulation, die darauf geseßten Strafen auszusprehen, weil der Verbrecher ein schr hohes Alter erreichen müßte, sie zu erdulden. Dem hilft aber gerade der §. 72 ab, indem er festseßt, daß in solchen Fällen eine geringere Strafe ausgesprohen werden müsse.

(Vielfacher Ruf: Zur Äbstimmung.) Abgeordn. Graf Renard: Stimmen schein. u zu wünschen, daß die Debatte über den Gegenstand geschlossen werde. (Ja, 5a.) Da ich blos in Erstrebung dieses Zwecckes sprechen wollte, zichte ih auf das Wort. (Erneuerter Ruf: Zur Abstimmung.)

Marschall : Die erste Frage is auf den Vorschlag zu richten, daß der §. 72 dahin gefaßt werde: „Jst über mehrere, durch ver= \chiedene Handlungen derselben Personen begangene Verbrechen zu- gleih die Untersuhung eingeleitet worden‘““ nun käme die Abän-= derung „So i} von dem Richter die Strafe des s{chwersten Ver- brechens auszusprehen““, und diejenigen, welche diesem Antrage bet= treten, welche diese Frage bejahen, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben. Es is dem Antrage nicht beigestimmt worden. Die meisten Stimmen haben sich bei der Verathung für Beibehaltung des

so ver-

Entwurfes und gegen die Abtheilung ausgesprochen; das hindert aber nicht, daß eine Frage auf den Antrag der Abtheilung gestellt werde, die so lautet: Will die Versammlung darauf antragen , der Bestimmung des §. 72 durch Veränderung des Wortes kann in muß als Regel hinzustellen? Die diese Frage bejahen und mit der Abtheilung stimmen wollen, würden das durh Aufstehen zu erkennen geben. Es ist dem Antrage nicht beigetreten, und also der Para= graph, wie er im Entwurfe steht, angenommen worden.

Abgeordn. Camphausen: Jch möchte doch bitten, ob man mit dem Paragraphen überhaupt einverstanden ist; seits stimme ih dagegen.

Marschall : Das würde also eine Frage auf Wegfall des Para=- graphen involviren. Es wird doch, wenn dem nicht besonders ent- gegengetreten wird, so anzusehen sein, daß der Paragraph ange= nommen ist.

zu fragen, mener=-

(Viele Stimmen: Ja, Ja.)

Wir kommen also zu §. 73.

Referent Kaumann (liest ag 19+ (De Diese Vorschrift (§. 72) wird durch folgende Ausnahmen be=

\chräukt :

l, is auf mehrere zeitige Freiheitsstrafen vereinigt zu erkennen, so darf auch in dieser Vereinigung die Dauer von zwanzig Jahren uicht überschritten werden (§. 16) ;

2. sind die in Vereinigung zu erkennenden Freiheitsstrafen von verschiedener Art, so is unter angemessener Verkürzung ihrer Gesammtdauer auf die {werste dieser Strafarten zu erkennen.“

Du A _Im §. 46 des Entwurfs von 1843 war bei der Strafver= einigung eine komplizirte Berehnung vorgeschrieben, in welchem Ver- hältnisse die Dauer milderer Strafarten bei Verwandlung in shwerere abgekürzt werden solle. Es scheint angemessen, cine Bestimmung hin- sihtlich dieser Berehnung niht aufzunehmen und es wird vor= geschlagen : den §. 73 unverändert anzunehmen,“ Marschall: §. 74. Referent Kaumann (liest vor):

S. 18,

Sind wegen des Zusammentreffens von Verbrehen mehrere Gefängnißstrafen zu vereinigen, so darf in dieser Vereinigung zwar die Dauer von zwei Jahren, aber niemals die Dauer von vier Fahren überschritten werden,

Diese Vorschrift soll zur Anwendung kommen, ohne Unterschied, ob die einzelnen Gefängnißstrafen unmittelbar von dem Gesebße an- gedroht waren oder erst aus der Verwandlung von Geldbußen in Gefängniß hervorgegangen sind. ‘“

120 8, A. Gegen die Bestimmung dieses Paragraphen findet sich nichts zu ETMUENN Laa: S 2 Referent Naumann (liest vor) : 8/0.

Wenn Jemand wegen eines Verbrechens von einem preußischen Gerichte rechtskräftig verurtheilt worden ist und nachher dasselbe Verbrechen oder ein gleichartiges Verbrechen begeht, so soll die duréh das neue Verbrechen an sih begründete Strafe wegen Rüdkfalls ge- \härft werden. | i -

Diese Verschärfung darf selbst das höchste geseßlihe Strafmaß des neuen Verbrechens übersteigen, jedoch niht mehr als um die Hälfte dieses höchsten Strafmaßes.“ :

B8 S: /0

Es is in Frage gestellt worden, ob der Rückfall im Allgemeinen als Schärfungsgrund anerkannt werden dürfe, oder ob er nit bloß als Zumessungsgrund anzuschen, und die Bestimmungen der §§. 75 bis 79 ganz wegzulassen seien.

Jür diese lebtere Ansicht wurde geltend gemacht,

daß der Rüffall in dasselbe oder in ein ähnliches Verbrechen häufig in Umständen oder Verhältnissen Veranlassung sinde, die nicht geeignet seien, die Wiederholung schwerer zu machen, als die erste Verübung z E s

daß eine vorhergegangene Bestrafung oft nur zufällig set;

daß sih die Neigung des Verbrechers zu strafbaren Hand- lungen derselben Art oft son bei seiner ‘ersten Bestrafung bestimmter herausstelle, als bei einem Rückfalle nah schon erfolgter Bestrafung.

Grundsätlich müsse angenommen werden, daß jedes Verbrechen dur die erfolgte Bestrafung des Verbrechers gesühnt worden sei, daß daher auf dasselbe später niht mehr zurückgegangen werden dürfe. Jn Erwägung jedo, daß bei rückfälligen Verbrechern, da sie durch eine frühere Bestrafung gewarnt worden, ein Troß gegen das Geseh offenbar werde, und daß daher der Staat gegen Personen, welche die Absicht, das Geseß zu verleßen, nachdrückliher ausgesprochen, auh mit nahdrückliheren Strafen auftreten müsse, entschied si die Abtheilung mit 11 gegen 2 Stimmen, den Rückfall nicht in die Kategorie der bloßen Zumessungsgründe zu stellen, und sie s{lägt daher vor, | sich für die Annahme des §. 75 zu erklären.“