1848 / 33 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

: möchte mir Aufklärung darüber j Abgeordn. pes E g Wb ove des Urtels auch die Ver= erbitten, warum E wird, ehe die Verschärfung eintreten büßung der Grafe daß gerade durch die Verbüßung der Strafe der fann. Es sein ‘ständig von den Folgen seiner That unterrichtet Verbrecher erst vollständig L lt dem 6. 77 i Einkl rb. Es würde dann §. /9 mit dem §. 77 in besserem Einklange aat der so lautet : Die Schärfung der Strafe wegen des Rü= Fils (6. 75) soll nicht eintreten, wenn seit dem Zeitpunkte, in welchem die Strafe des zuleßt begangenen früheren Verbrechens abgebüßt oder erlassen worden war, bereits zehn Jahre verflossen sind.

Regierungs -Kommissarius Bischoff: Wenn man dieses Prinzip annehmen wollte, so würde man zu dem Resultate gelangen, daß der Verbrecher, welcher nit die volle Strafe abgebüßt hat, und hiernächst ein Verbrechen begeht, auch nit wegen Riikfalls bestraft werden könnte. Es würde also gegen einen Verbrecher, welcher aus der Strafanstalt ausgebrochen ist, und ein neues Verbrechen begeht, die Strafe des Rückfalles nicht eintreten. Ueberdies hat die An- nahme des Prinzips, daß zur Begründung der Rüfallsstrafe die Strafe des früheren Verbrechens vollstreckt sein müsse, den Uebel- stand, daß man dann immer erst recherchiren muß, ob wirkli die Strafe vollstreckt worden is, und dies veranlaßt große Weitläuf- tigkeiten.

Abgeordn. von Sauken - Tarputschen : Jch wollte hier blos etwas zu prüfen hingeben, ‘was nicht meine eigene Ansicht is, was mir aber von einem anerkannt tüchtigen Juristen bemerkt worden ist, daß es nämlih gut wäre, wenn man die Worte „von preußischen Gerichten““ ausstrihe und die Strafe des Rückfalls ebenso gut eintreten müsse, wenn die erste Verurtheilung von fremden Gerichten ausgesprochen wäre. Es ist mir aber von ebenso tüchtigen Juristen das Gegentheil als besser erklärt worden ; ih will mih daher weder für das eine noch für das andere erflären und nur der hohen Ver- sammlung anheimgeben, ob sie die Frage der ferneren Beachtung werth hält.

Abgeordn, Freiherr von Wolff-Metternich : Was ih sagen wollte, fällt im Wesentlihen mit dem zusammen, was das geehrte Mitglied der Ritterschaft von Preußen gesagt hat. Jh glaube nämlich, daß eine zweckmäßige Vervollständigung des Paragraphen dadur herbei= geführt würde, wenn er fakultativ gefaßt und gesagt würde: „Der Richter kann wegen eines im Auslande begangenen und bestraften Verbrechens die Strafe des Rückfalls anordnen, wenn die verhängte Strafe ordinarie zuerkannt war.“ Es scheint mir doch ein gleiches Maß der Jmmoralität vorzuliegen, und eben dadur die Abände- rung gerechtfertigt.

Marschall: Wird verlangt, diesen Vorschlag zum Gegenstand einer Fragstellung zu machen?

Abgeordn. Frhr. von Wolff-Metternich: Jch stelle Ew. Durch- laucht anheim, zu fragen, ob die von mir beantragte Vervollständigung die nöthige Unterstüßung sindet. L

Marschall: Das wird zuerst zu ermitteln sein, Er hat sie nicht gefunden, Verlangt der Abgeordnete von Olfers

Äbgeordn. von Olfers: Jch bitte, daß versucht werde, ob mein Antrag Unterstüßung findet.

Marschall : Wir wollen ermitteln, ob der Vorschlag die erforder- liche Unterstüßung findet, daß die Verbüßung der Strafe stattgehabt haben müsse, ehe von Bestrafung des Rückfalls die Rede sein fönne. Er hat sie nicht gefunden.

Abgeordn. Sperling: Daß bei dem Rücffalle eine härtere Strafe gegen den Verbrecher ausgesprochen wird, hat darin seinen Grund, daß man bei ihm eine besouders hartnäige böse Neigung voraus- seßt, weil die Erfahrung, die er in einem früheren Falle schon ge- macht, sei es nun bloße Untersuchung oder Vollstreckung der Strafe, auf seine Moralität keinen Einfluß zu üben im Stande gewesen ist. Wenn wir aber jeßt dabei stehen bleiben wollen, daß die Vollstreckung ciner Strafe niht vorangegangen sein dürfe, so glaube ih, müssen wir wenigstens einen fleinen Schritt weiter gehen, als im Entwurfe geschehen. Ein rechtskräftiges Erkenntniß an und für sih is für den Verbrecher ein non factum, wenn es nicht zu seiner Kenntniß ge- fommen is. Daher würde ih anheimstellen, wenigstens den Zusaß zu machen, daß das Erkenntniß ihm publizirt sein müsse, wenn es seinem Verbrehen den Charakter eines Rückfalls geben soll.

Justiz - Minister Uhden: Das hat fein Bedenken; der Ver- urtheilte muß erfahren, daß er wirklich verurtheilt worden ist.

Candtags-Rommissarius: Es ist dics ein ganz unbedenkliches rihtiges Monitum.

Marschall : Wir kommen zu §. 76. “8

Regierungs-Kommissarius Bischoff: Ein rechtskräftiges Erxkennt= niß läßt sich ohne Publication {wer denken; nur im schriftlichen Prozeß, wenn das erste Erkenntniß publizirt, gegen dasselbe appellirt, und der Kondemnat vorläufig zur Strafanstalt abgeführt is, würde sich in Ansehung des zweiten Erkenntnisses dies vielleicht annehmen lassen.

Referent Kaumann (liest vor) E

18, (0: Als gleichartige Verbrechen, wodurch die erhöhte Strafe des Rück= falls begründet werden soll (§. 75), sind nur folgende zu betrachten: Diebstahl, Unterschlagung, Raub, Erpressung, Hehlerei, Betrug, Münzsälschung, ; L Urkundenfälschung in betrügerischer Absicht.“ Mel S.

Gegen die Bestimmung des § gefunden,“ -

Abgeordn, von Brodowski : Bei diesem Paragraphen hat die Abtheilung keine Bemerkung zu machen gehabt. Dagegen habe ich bei diesem Paragraphen zu bemerken, daß, nachdem wir den vorher- gehenden Paragraphen angenommen haben und hier in diesem Para- pes die Verbrechen aufgeführt sind, welche die Strafe des Rück-

alls als gleichartig begründen, zu diesen Rückfälligen wenigstens noch die Brandstiftung wird gerehnet werden müssen. Die hohe Ver- sammlung wird gewiß erfahren haben, daß wirklich in dem Menschen das Anlegen von Feuer zur Leidenschaft werden kann. Da nun aber die §9. 358 364, welche von der Brandstiftung handeln, sich nur w! gemeingefährlihe Verbrechen beziehen, aber nicht auf solche, die E einem Einzelnen einen erheblichen Schaden verursachen sollen, a eitee Gefahr vorhanden ist ; beide Verbrehen aber gleich bie anvere Act à einem und demselben Verbrecher auf die eine oder Ven ities Zub mO seine innewohnende Leidenschaft wiederholt wer- es für zwedmähßig L oft wiederholt worden sind, so halte ih unter den gleichartigen Fäl hohe Versammlung beantragen möge : daß eiti ih id ällen des Rükfalls auh die Brandstiftung als ge! gefährliches Caen oder als ielles Verb l eide ganz verschiedenen Str ra „\pezie es er rechen, we he afen unterliegen, aufgenommen werde.

Regierungs - Kommissgri ; ; Rückfall ist Mee ban, E Bischoff: Jn §. 75 ist u

/ 76 hat sich nichts zu erinnern

P, h wenn Jemand w ines s rechtskräftig verurtheilt worden i} u egen eine r en , , d oder ein gleihartiges Verbrechen Veteht Men copae Ber Frier

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eine Brandstiftung verübt hat und nun dies Verbrechen wiederholt begeht , so ist es dasselbe Verbrechen, und dann tritt die Strafe des Rüdfalls gegen ihn ein.

Abgeordn. von Brodowski: Aber in §. 76 steht „Zgleih- artige Verbrehen.“ Wenn er zum zweitenmale Feuer anlegt, ist es ein Rückfall. Das eine Mal aber steck er ein Haus an, in welchem Menschen wohnen, das andere Mal eine abgelegene Scheune, in welcher keine Menschen wohnen, und durch deren Verbrennung ein gemeingefährlihes Verbrechen niht verstanden, auch nicht herbei- geführt werden kann.

Marschall: Es is {hon erwähnt worden, daß in keiner Weise der Ansicht des Abgeordneten entgegengetreten werden fann. Es liegt das schon im §. 75. Daß der Abgeordnete Recht hat, is nicht allein nit bestritten, sondern auch von dem Herrn Regierungs-Kom- missarius ausdrücklich anerkannt worden. Wir kommen zu 6: 77;

Marschall: §. 77.

Referent Kaumann (liest vor) :

E (ie

Die Schärfung der Strafe wegen des Rückfalls (§. 75) soll niht eintreten, wenn seit dem Zeitpunkte, in welhem die Strafe des zuleßt begangenen früheren Verbrehens abgebüßt oder erlassen wor- den war, bereits zehn Jahre verflossen sind.“

i U 6 I.

An die Bestimmung dieses Paragraphen schließt sich die mit

Nr. 9 in der vorgelegten Zusammenstellung aufgeführte Frage an : Soll der Rückfall die Eigenschaft eines Schärfungsgrundes verlieren, wenn das neue Verbrechen zehn Jahre nah Ab- büßung oder Erlaß der Strafe des zuleßt begangenen Ver- brechens verübt worden ist ? e

Es wird anzuerkennen sein, daß nach Ablauf einer bestimmten

Reihe von Jahren die Gründe niht mehr entscheidend bleiben, welche

für den Rüfall eine Schärfung der Strafe nothwendig machen, und die Abtheilung s{lägt vor, : die vorgelegte Frage bejahend zu beantworten.

Daf der Rüffall als Schärfungsgrund {on nach Ablauf von fünf Jahren wegfallen könne, wurde von der Abtheilung mit 9 gegen 4 Stimmen nicht anerkannt, und es wird vorgeschlagen,

die Bestimmung des §. 77 unverändert anzunehmen,“ Marschall: §. 78. Referent Kaumann (liest vor) : 19 (8

i Durch die für den Rückfall vorgeschriebene Schärfung des höchsten geseßlihen Strafmaßes darf die Gefängnißstrafe auch auf länger als zwei Jahre, jedoh niemals über vier Jahre ausgedehnt werden.

Es is nicht gestattet, wegen Rückfalls die für zeitige Freiheits- strafen vorgeschriebene Gränze von zwanzig Jahren (§. 16) zu über- \chreiten.““

Die Bestimmung des Paragraphen hat zu keiner Bemerkung Veranlassung gegeben.

Abgeordn. Sperling: Die Worte : „Durch die für den Rückfall vorgeschriebene d gi des höchsten geseßlihen Strafmaßes““ könnten zu der Deutung Veranlassung geben, als sei für den Rük- fall immer das höchste geseßliche Strafmaß vorgeschrieben, und sol-

es noch dur den Richter zu \härfen, deshalb dürfte es der Deut- lichkeit wegen zweckmäßig sein, den Beisabß „höchsten“ wegzulassen.

Regierungs-Kommissarius Bischoff : Das is Sache der Fassung.

Marschall: §. 79. j

Referent Kaumann (liest vor) :

; S 79:

Die für den Rückfall gegebenen Vorschriften sind auch dann anzuwenden, wenn der Verbrecher in dem früheren oder in dem \pä- teren Falle, oder auch: in beiden Fällen, nur des Versuchs eines Verbrechens, oder nur der Hülfsleistung zu einem Verbrechen sich schuldig gemacht hat.“

s diese Bestimmung hat zu keiner Bemerkung Veranlassung gegeben.

Marschall: Wir kommen nun zur Berathung des Gutachtens der Abtheilung über die Vorschläge wegen der dreigliedrigen Einthei- lung der strafbaren Handlungen. Jch bitte den Referenten, das Gutachten zu verlesen. Í

Referent Naumann (liest vor) :

Ou taMGteNn

der zur Vorberathung des Strafrehts-Entwurfs ernaunten Abtheilung des Vereinigten ständischen Ausschusses, betreffend die Dreitheilung.

Jn Veranlassung der Diskussion über den Vorschlag der Abthei- lung, die Dreitheilung der strafbaren Handlungen, wie sie nach rhei- nishem Rechte besteht, allgemein in das Strafgesebbuch aufzunehmen, und ihrem Erbieten in der Plenar-Sißung vom 20. d. M. gemäß hat die hohe Staats-Regierung der Abtheilung dur den Königlichen Regierungs - Kommissarius, Herrn Geheimen Justizrath Bi\ hoff diejenigen Propositionen mittheilen lassen, welche sie für geeignet hält, um den diesfälligen Wünschen der Stände zu entsprechen.

Diese Propositionen sind O

__ In den Entwurf des Strafgesebbuches is wie im rheinischen Strafrehte die dreigliedrige Eintheilung der strafbaren Hand- lungen aufzunehmen. Danach sollen die strafbaren Handlungen sein:

1. Polizei-Uebertretungen,

2. Verbrechen oder Vergehen,

3, Schwere Verbrechen.

Die nähere Bestimmung, so wie die Abgränzung dieser drei Kategorieen muß bis zum Schlusse der Berathung ausgeseßt werden; es ist jedoch festzuhalten : i

daß alle strafbaren Handlungen, welche mit der Todesstrafe, der Zuchthausstrase oder einer Freiheitsstrafe von mehr als fünfjähriger Dauer bedroht sind, zu den {weren Ver- brechen gehören. II, Was den Verlust der Ehrenrechte betrifft, \so werden, vorbehalt= lich der näheren Ausführung im Einzelnen folgende Bestimmungen aufzunehmen sein: :

1, Hinter den §. 20, welcher eventuell nah den Vorschlägen der Abtheilung zu ändern ist, wird ein neuer Paragraph geseht des Inhalts:

daß der Verlust der Ehrenrechte (bürgerlihen Ehre) ent-

weder für immer oder die Entziehung auf bestimmte Zeit

ctwa drei bis zehn Jahren auszusprechen sei. Der Verlust der bürgerlihen Ehre für immer soll nur bei \{chweren Verbrechen angeordnet werdenz bei anderen Ver- brechen und Vergehen soll nur Entziehung auf bestimmte Zeit angeordnet werden. Jn der Rheinprovinz werden dem- nach die Zuchtpolizeigerichte nur auf zeitweise Entziehung der Ehrenrechte erkenuen dürfen. Die Entziehung der bürgerlichen Ehre auf eine bestimmte Zeit hat die Folge, daß der Verurtheilte innerhalb dieser Zeit die National-Kokarde, als das Kennzeichen der allgemeinen Bürger- ehre nicht tragen, und diejenigen Rechte niht ausüben darf, welche daran geseplich gebunden sind. Jun der Rheinprovinz

it er innerhalb dieser Zeit niht fähig, die im §. XV. des Einführungs-Geseßzes erwähnten Handlungen und Rechte aus= zuüben. Nach Ablauf der bestimmten Zeit tritt der Ver= urtheilte ohne Weiteres und von Rechtswegen wiederum in den Besiß der bürgerlichen Ehre und der damit verbundenen vorstehend erwähnten Rechte.

Wenn die Entziehung der bürgerlichen Ehre auf bestimmte Zeit ausgesprochen wird, so soll stets als Folge dieses Aus= spruchs der Verlust der besonderen Ehrenvorzüge (F. 20) für immer eintreten. Der Verurtheilte verliert also: den Adel, die öffentlihen Aemter, Würden und Titel, so wie die inlän= dischen und ausläudishen Orden und Ehrenzeichenz ingleichen verliert er auf lebenslang die Fähigkeit zur Ausübung des Patronats, der Gerichtsbarkeit und Polizeiverwaltung, so wie die Standschaft und die Befähigung zur Theilnahme an Stimm- und Ehrenrechten in Gemeinden und Corporationen.

Zu 1,

Die Abtheilung findet nichts dagegen zu erinnern, daß die dret verschiedenen Arten der strafbaren Handlungen : Polizei- Ueber - tretungen, Verbrechen oder Bergehen und \chwere Ver = brechen bezeihnet werden. Sie erkennt für richtig an, daß diese Bezeichnung shon deshalb angemessener is, als die früher vorgeschla= gene, weil der Sprachgebrauh nicht bestimmt genug zwishen Ver= brehen und Vergehen unterscheidet, und es daher vorzuziehen ist, „schwere Verbrecher“ als diejenigen zu bezeichnen, welche nah rheini= hem Rechte einfach „Verbrechen‘“ genannt werden.

Es wird angetragen :

sich mit dem Vorschlage unter No. I, einverstanden zu erklären.

Zu IIL Eben so haben die Vorschläge sub No. 1], Anerkennung erhalten. Zunächst erscheint es erforderlich, festzuseßen, | : daß eine nur zeitweise Entziehung der bürgerlichen Ehre zulässig sein soll. Denn unter den Begriff der Verbrechen oder Vergehen im Gegensate zu den schweren Verbrechen werden strafbare Hand= lungen fallen, mit deren Verübung die bürgerliche Chre zwar unver= träglich ist, bei deren Bestrafung aber es zu hart sein würde, den Verlust der bürgerlichen Chre für immer eintreten zu lassen. Jn dergleihen Fällen wird es ganz angemessen sein, die bürgerliche Ehre als Bedingung der Fähigkeit , besondere Ehrenvorzüge auszuüben oder zu erwerben, eine bestimmte Zeit hindurch zu suspendiren, nach deren Ablauf aber sie ohne weitere Förmlichkeiten der Rehabilitation wieder eintreten zu lassen. ] Was dea Zeitraum betrifft, für welchen eine zeitweise Entziehung der bürgerlichen Ehre statthaft sein dürfe, so is die Abtheilung der Ansicht:

im Allgemeinen

durch eine neue Bestimmung

daß die Dauer von fünf Jahren nah Beendigung der Frei- heitsstrafe nicht zu überschreiten sein würde, und daß anderer= seits auch auf die Dauer von Einem Jahre die Entziehung ausgesprochen werden könne.

Ein längerer Zeitraum als fünf Jahre würde sich schon aus dem Grunde nicht rechtfertigen lassen, weil die zeitweije Entziehung der bürgerlichen Ehre au für strafbare Handlungen eintreten wird, über welhe Gerichte in der Rheinprovinz die Zuchtpolizeiklammern der Landgerichte zu erkennen haben werden, welche weder durch ihre Verfassung, noch die Formen des bei denselben stattfindenden Stras= prozeß-Verfahrens ausreichende Garantieen bieten, um den Ange=-

- huldigten in seinem höchsten Gute, der bürgerlichen Ehre, zu sichern.

Außerdem aber wird in Fällen, in welchen es nicht erforderlich ist, den lebenslänglichen Verlust der bürgerlichen Ehre zu verhängen, ein fünfjähriger Zeitraum als ausreichend zu erachten sein, um die. bei nur zeitweiser Entziehung leitende Vorausseßung, daß der Verurtheilte nah Ablauf der Zeit sih in ehrenhafter Gesinnung wieder befestigt haben werde, als zutreffend anzunehmen. Andererseits wird bei min= der \{chweren Vergehen schon ein Zeitraum von einem Jahre genügen, um diese Annahme zu rechtfertigen, und es würde in vielen Fällen zu hart sein, wenn immer mindestens eine dreijährige Entziehung der bürgerlichen Ehre verhängt werden müßte,

Eine Folge der zeitweisen Entziehung der bürgerlichen Ehre muß der unbedingte Verlust aller derjenigen Chrenvorzüge sein, welche im Vertrauen auf unausgeseßtes ehrenhaftes Verhalten verliehen oder zugestanden werden. Hierher gehören unbestritten die vsfentlichen Aemter, Würden und Titel, sowie Orden und Ehrenzeichen. Rück= sichtlih des Adels is} erinneëït worden, daß zwar aus dem angeführ= ten Grunde der dem Verurtheilten selbst persöulih verliehene Adel verloren gehen müsse, daß aber der ererbte Adel nicht verloren ge= hen fönne, weil sonst dem ererbten Adel die Bedeutung einer beson= deren Ehre neben der hürgerlichen Ehre gegeben werden würde, während vielmehr nah den gegenwärtig bestehenden Verhältnissen die Ehre des Adels in der allgemeinen bürgerlichen Ehre aufgehe. Gegen diese Ansicht wurde indeß bemerflicy gemacht, daß auch der ererbte Adel noch gegenwärtig ein Ehrenvorzug sei, der bei strafba= rer unehrenhafter Handlungsweise nicht bestehen bleiben könne, und die Abtheilung hat sich mit 11 gegen 4 Stimmen dafür entschieden :

daß der Adel denjenigen Chrenvorzügen zuzuzählen sei, welche für immer verloren gehen müssen.

Was die Standschast und die Befähigung zur Theilnahme an Stimm=- und Ehren - Rechten in Gemeinden und Corporationen be= tri, so wurde zwar die Meinung geltend gemacht :

daß dies ebenfalls Ehrenvorzüge seien, welche auch bei zeit- weiser Entziehung der bürgerlichen Ehre für immer verloren gehen müßten ; allein in Betracht, daß so lange diese Rechte nicht zugestanden werden die bürgerliche Ehre selbst in ihren wesentlich|ten Attributionen geshmälert bleiben, und damit die zeitwei|e Entziehung dem Verluste derselben fast gauz gleichgestellt werden würde, sowie in Betracht, daß andererseits Entziehung oder

das Geseß vom 23. Juli 1847 über die Suspension ständischer Rechte und die Städte- und Gemeinde - Ordnungen ausreichende Mittel ge= währen, um unwürdige Personen von der Standschast und der Theilnahme an Stimm=- und Ehrenrechten in Gemeinden und Corporationen ausschließen zu fönnen, 4 j hat sich die Abtheilung mit 13 gegen 2 Stimmen für die Ansicht entschieden, i e : daß die Standschast und die Befähigung zur Theilnahme an Stimm- und Ehrenrechten in Gemeinden und Corporationen nach Ablauf der Zeit, für welche die Entziehung der bürger= lihen Ehre erkannt wird, von selbst wieder eintreten müssen. Ferner ist die Abtheilung einstimmig der Ansicht, i daß, wenn die eben erwähnten Rechte von selbst wieder ein= treten, die Befugniß zur Ausübung des Patronats, der Ge- rihtsbarkeit und der Polizei-Verwaltung eben so wenig, als für immer verloren erflärt werden dürfen,

Erste Beilage

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Die Abtheilung s{chlägt hiernah vor : die Proposition unter No. Il. dahin zu modifiziren : Hinter dem nah den Vorschlägen der Abtheilung zu ändern- den §. 20 des Entwurfs wird ein neuer Paragraph geseßt, des Inhalts : daß der Verlust der bürgerlichen Ehre entweder für immer oder die Entziehung auf die Dauer von einem bis zu fünf Jahren nach Beendigung der Freiheitsstrafe auszusprechen sei. Der Verlust der bürgerlihen Ehre für immer soll nur bei \hwoeren Verbrechen angeordnet werden ; bei anderen Verbrechen oder Vergehen soll nur Entzichung auf bestimmte Zeit an- geordnet werden. Die Entziehung der bürgerlichen Ehre auf bestimmte Zeit hat die Folge, daß der Verurtheilte innerhalb dieser Zeit die National - Kokarde, als das Kennzeichen der allgemeinen bür= gerlichen Ehre, nicht tragen und diejenigen Rechte nicht aus-= üben darf, welche daran geseßlih gebunden sind. Jn der Rheinprovinz i} er innerhalb dieser Zeit nicht fähig, die im g. XV. des Einführungs-Gesebes erwähnten Handlungen und Rechte auszuüben. i Wenn die Entziehung der bürgerlihen Ehre auf bestimmte Zeit ausgesprochen wird, so verliert der Verurtheilte für immer den Adel, die öffentlihen Aemter, Würden und Titel, \so wie die inländischen und ausländischen Orden und Ehren-= zeichen. Dagegen tritt der Verurtheilte ua Ablauf der be= stimmten Zeit ohne Weiteres und von Rechts wegen wiederum in den Besiß der bürgerlichen Ehre und mit Ausnahme der vorstehend bezeichneten in den Besitz aller durch die bürgerlihe Chre bedingten Rechte. Berlin, den 26. Januar 1848. Graf von Siegfried, Kuschke. Naumann. Sperling. Dansmaun. von

rbr, von Lilien, Wodiczka. Frhr. von Gaffron. Brodowski. Camphausen. Schulze-Dellwig. Auerswald. Grabow.“

Schwerin.

__ Referent Ugumann : Es sind zwei wesentlich verschiedene Vor- {läge in der Proposition enthalten, einmal die Dreitheilung, si bewegend in der Terminologie und Abgränzung einzelner Kategorieen, und zweites die Einführung einer doppelten Weise, die Ehrenrechte zu entziehen, erstens nämlich des Verlustes derselben für immer, und zweitens der Entziehung auf Zeit, Beide Vorschläge hängen freilich wesentlich zusammen, und es ist der lebtere bedingt durch jene Einthei= lung; sie stehen aber niht in einem solhen Zusammenhange, daß nicht über den einen oder den anderen besonders berathen und be= \{chlo}sen werden könnte. Daher stelle ih dem Herrn Marschall aun= heim, zuvörderst über die erste Proposition die Berathung stattfinden zu lassen. Marschall: Es is das durchaus zweckmäßig. Wir fommen in der Berathung zuerst auf den Vorschlag unter M Korreferent Freiherr von Mylius : Che in die Debatte cinge= gangen wird, möchte ih mir eine allgemeine Bemerkung erlauben zur Feststellung des Gesichtspunktes, von dem ih bet der Behand- lung der Sache ausgegangen bin und der in der Abtheilung auch bereits Anklang gefunden und namentlich dadurh eine Aeußerung erbalten hat, daß, wie auch seitens des Gouvernements nicht bean= standet worden, statt des Ausdrucks „„Chrenrecht““, ‘der im Entwurf enthalten ift, allgemein der Ausdruck „staatsbürgerliche Ehre“ gesetzt wird, Bürgerliche Ehren und Rechte stehen in einer jehr engen, nahe verwandten Verbindung, und es wird die Debatte wesentlich erleich= tern und darauf ankommen, wenn man namentlih über den Begriff von Ehre und Recht vollkommen flar is. Jch kaun den Standpunkt, auf dem ich stehe, nicht besser bezeihnen, als wenn uur gestattet sei, mich auf die Autoritôt des hochverehrten Juristen zu beziehen, der jeßt an der Spiße des Gese - Ministeriums steht, indem ich die Auffassung habe, die selbst von ihm in einem Werke von S A Ruf, ich nenne die Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter, aufgestellt worden ist, wo es sich gerade um Aufsassung und B lung des Begriffs von Chre und Recht in der altgermanischen BVolks- verfassung im Stande der reien handelt. Es war wenn ich nicht genau bin, so stelle ih anheim, mich zu berichtigen es war die Ehre, das positive Element in der dortigen Gemeindeverfassung, das Element der Rechtsgenossenschast und Rechtsgemeinschast, vou welchem alle Mitgliever des Standes durchdrungen waren, und wel- hes in dem Bewußtsein jedes Einzelnen über die (Existenz dieser Rechtsgenossénschaft seinen Ausdruck sand, Es fragt sich, oder- viel= mehr es ist die jeßige Aufgabe der Geseßgebung, vom politischen Stande beurtheilt, dieses positive Element der Rechtösgenossenschast und Rechtsgemeinschaft auch in unjerem Staate fräftig und lebendig werden zu lassen. Deshalb glaube ich, daß gerade der Begrisf der staatsbürgerlichen Ehre, als das Bewußtsein des Staatsbürgerrechts repräsentirend, wohl zu unterscheiden isf von den Rechten, die als Ehrenrechte und Ehrenvorzüge in emer anderen Auffassung gedeutet werden können. Es is der Boden dieses Rechts die Grundlage, auf welchem die besonderen Ehrenvorzüge wurzeln und wachsen; sie fönnen auf ihm, niemals aber außer ihm bestehen, haben aber für D Be gründung der staatlichen Ordnung selbst hier einen Werth. _Es mag des besonderen Ehrenvorzuges derjenige, der 1m Besiße desselben ist, sich erfreuen, wie des Besigthums eines Hauses, oder Ds für die politische Bedeutung und für die Construction der © rundlage des Staats sind sie unerheblich, während die bürgerliche Ehre in meiner Auffassung der Ausdruck der rechtlichen Ordnung 1m Staate im Bewußtsein des Einzelnen ist, Das sind die Momeute, von denen ausgehend ich zuerst Anträge deshalb bei der Abiheilung ge= stellt habe, das Wort „Staatsbürgerehre““ überall da zu substituiren, wo es sich um besondere Chrenrechte handelt, und ich glaube, daß, wenn die Auffassungsweise, von der ich ausgehe, getheilt wird, eine wesentlich verschiedene Beurtheilung der jeßt in Vorschlag gebrachten Bestimmungen nicht existiren S : e . Abgeordn. Camphaujen : Meine Herren, ih will reden für den Vorschlag der Abtheilung, 1n|osern derselbe die zeitlihe Aberkennung der Ehrenrehte bevorwortet. i Marschall: Das würde sich auf Nr. 11. beziehen. : Abgeordn. Camphausen: Jch muß um die Vergünstigung bit= ten, über eine so wichtige Frage im Allgemeinen reden zu dürfen, bevor auf das Einzelne eingegangen wird. Jch will reden gegen den Vorschlag der Regierung, welcher zwar einzelne Rechte auf Zeit ab= erfennen lassen will, aber die wichtigsten derselben, nämlich das Ge- meinderecht und das Staatsbürgerrecht, nur auf Lebenszeit. Insofern der Vorschlag der Regierung von dem Entwurfe nicht wesentlih ab- weicht, werde ich den Entwurf ins Auge fassen müssen, und das um \o mehr, als der Strafgeseßentwurf angebli den Stand der öffent- lihen Meinung in hiesigen Landen, im Gegensabe zu demjenigen der Rheinprovinz, repräsentiren soll und ih innigst wünsche, über diesen Punkt ein Verständniß mit der Versammlung vorzubereiten,

Wenn Sie meinem guten Willen mit einiger Nachsicht und Zunei= gung entgegenkommen, so darf ih in die Verhandlung mit der fübhnen Hoffnung eingehen, Ste zu überzeugen, daß auch in dieser Beziehung das Rheinland mit den übrigen Theilen der Monarchie harmonire. Es ist bereits zu wiederholten Malen von der Organi= (ation der rheinishen Gerichte die Rede gewesen und das klar ge- worden, was eigentlih auch durch den heute vorliegenden Vorschlag wegen der Dreitheilung besonders hervortritt, daß noch einer drei- fahen Eintheilung die Untergerichte, die Mittelgerichte und die höch= sten Gerihte über strafbare Handlungen von verschiedenartiger Schwere zu entscheiden haben. Diese Einrichtung wird auch hier eintreten; sie is zugleich die natürliche und in der Hauptsache die allgemeine. Das charafteristische Merkmal des rheinischen Verfah- rens aber is das, daß unter allen Umständen der Verlust der staatsbürgerlichen Ehrenrechte auf Lebenszeit nur von dem höchsten Gerichtshofe, “nur von den Geschwornen ausgesprochen werden kann. Es besteht hinsichtlich dieses Grundsaßes zwar eine Ausnahme nicht in dem rheinischen Rechte, sondern in Folge einer späteren Aller= hóhsten Kabinets - Ordre, betreffend die Aberkenuung der National- Kokarde. Jch muß jedoch anheimgeben ob überhaupt die NAh= erkennung der National - Kokarde, wie 1e sich praktisch gestaltet hat, als ein lebenslängliher Verlust anzujehen jt. Die Praris hat sofort ergeben, daß die Strafe feine letenslänglihe sein kann, daß, indem die National - Kokarde für kleine Vergehen aberkanut wurde, Gnadengesuhe in großer Zahl eingereiht wurden aus ihre Wieder= verleihung. Diese Wiederverleihung findet in der Regel bei kleinen Vergehen statt, und es ist geseßlich festgestellt, daß schon sechs Mo- nate nah abgestandener Strafe darguf angetragen werden Dar]. (Cs (äßt sich behaupten, daß in der Praxis in Beziehung auf nicht schwere Vergehen die Aberkennung der National - Kokarde nicht eine Stra]? auf Lebenszeit, sondern auf Zeit sei. Uebrigens wird, daß eine solche Ausnahme bestehe, niht als Grund gegen uns angewendet werden dürfen. Aus der Ausnahme darf nicht ge\{lossen werden, daß, weil sie vorhanden is, die Ausnahme selbst zur Regel gemachk werden müsse; man muß immer den befannten Saß gelten lassen, daß eine Regel etwa mit einer Ausnahme bestehen kann, daß aber nichtsde]to- weniger die Regel bestehen bleibe. Es hat nun n dem Allerhöch}ten Landtagsabschied an die rheinischen Provinzialstände von 1843 Se Majestät der Köuig huldreih geäußert, daß die Besorgniß, daß das Bestehen des rheinischen Gerichtöverfahrens gefährdet werde, bei dem von Sr. Majestät wiederholt ausgesprochenen Willen, diejes Ver-= fahren ungefährdet zu erhalten, nicht Plaß greifen dürfe. Eine solche Besorgniß würde jedo allerdings gegründet scin, wenn der Ent= wurf, wie er vorliegt, oder mit der Modification, welche jeßt seitens der Regierung vorgeschlagen is, angenommen würde , indem alsdann im Wesentlichsten das so eben genannte Prinzip des rheinischen Ge- richtäverfahrens, daß der Verlust der Ehrenrechte auf Lebenszeit nur von dem höchsten Gerichtshof erkannt werden könne, aufgehoben wäre. Es sind aber diese Bedenken nicht ausschließlich der Rhein- provinz angehörig, in der ganzen Monarchie halte ih es nicht minder, als in der Rheinprovinz, sür erforderlich, daß für die \{hwerste Strafe auh mit schüßzenden Formen umgebene Gerichte vorhanden seien. §3 ist hier durch das Gejey vom 17. Juli 1847 bereits dem Einzelrichter das Recht eingeräumt, auf Ehren- strafen zu erkennen, jedoch vorbehalten, daß es nicht geschehen dürfe, sobald die Ehrenrehte im Allgemeinen abzuerkennen seten. Jch bin überzeugt, wenn etwa in Vorschlag sein sollte, diejem Ein» zelrichter künftig auch die Aburtheilung der kleinen Diebstähle und anderen kleinen Vergehen, woran der Entwurf den Verlust der Ehren= rechte fnüpft, zuzuweisen, dies sämmtliche Provtnzen nicht befriedigen würde. Cs kömmt zunächst wohl auf dic ¿Frage an: Jt der lebens= länglihe Verlust der Chrenrechte wirklich eine {were Strafe? Ein wichtiger Punkt für einen Theil der Staatsbürger ist der Verlust des Adels, Jch untersuche die Frage nicht, inwiefern überhaupt empfehlenswerth sei, den Adel aberkennen zu lassen, allein, wenn etn= mal feststeht, daß der Adel aberkannt werden soll, so i es sür die- jenigen adeligen Familien, die hinsichtlich ihrer Angehörigen in diesen Fall kommen fönnen, von hohem Interesse, daß nicht ‘ein Unter= gericht, sondern ein den Stand shüßendes C'ericht, diese schwere Strafe ausspreche. Nehmen Sie an, meine Herren, dem leßten Sprossen eines alten adeligen Geschlechtes sei auf der Universität von einem Freunde ein reihes Kleinod anvertraut worden; der junge Mann hat sich, wie es häufig zu geschehen pflegt, dur zu rasche Ausgaben in Geldverlegenheit gestürzt; er verpfändet das Kleinodz der Freund kömmt zurück, und ex fann ijm das Psand nicht ausliefern. Eine Klage wird erhoben, und das nächste Zucht- polizeigericht verurtheilt ihn zum Verluste des Adels; es erklärt den Namen jenes alten Geschlechtes erloschen. Es i} hinsicht- lich anderer Punkte der Artikel 20 des Entwurfs von besonderer Wichtigkeit, daß beabsichtigt war, nicht nur für immer das Recht aufzuheben, sondern zugleich die Fähigkeit, es jemals wieder zu erwerben, Den Unterschied zwischen dem Verlust eines Rechtes, und zwischen dem Verlust der Fähigkeit, es wieder zu erwerben, möge die Versammlung festhalten, wenn hie die Höhe der Strafe des Verlustes der Chrenrechte ermihf, Welcher Unterschied besteht nicht darin, ob ih blos mein Vermögen verlieren soll, oder ob ich auch das Recht verlieren soll, künftig wieder Vermögen zu er= werben. Unter den Ehrenrechten giebt es ferner solche, die ererbt sind, und selche, die am Besiße haften, Vor allen Dingen aber ijt darunter das Recht der Gemeind eb ürgershaft und der Stagats- hürgershaft begriffen, Wenn wir aber Alle den Verlust der Ehrenrechte auf Lebenszeit für eine sehr {were Strafe halten, |o besteht auch für die ganze Monarchie das Erforderniß, daß die sie erkennenden Gerichte mit s{hüßenden ¿zormen umgeben seien, Dem stellt sich nun das System des Entwurfs entgegen ; zuerst die Ansicht, daß nicht die Schwere der That, sondern die Natur der That ent- scheide, diejenige Natur nämlich, welhe von ehrloser, verworfener Gesinnung Zeugniß giebt, Es joll doppelt gestraft werden, die That selbst und die Gesinnung des Thäters, insoweit sie sich in der That ab= spiegelt, Es stellt sich ferner, und dies ist die Hauptsache, die Ansicht ent- gegen, daß, wer cinmal durch eine ehrlose Handlung die Verachtung seiner Mitbürger sich zugezogen habe, diejer auf immer und unwie- derbringlich verfallen sei. Daraus folgt, daß der Verlust der Ehren- rechte auch an geringe Vergehen geknüpft werden muß, und daß der Verlust ausgesprochen werden muß dur die Untergerichte, weil es unausführbar, wie, so ih nicht irre, der Herr Geseßgebungs-Minister vor einigen Tagen gesagt hakt, absolut unmöglich sein würde, nur den höchsten Gerichtshöfen alle dieje Fälle zuzuweisen, während von anderer Seite es nah jener Ansicht unzulässig wäre, den Verlust der Ehrenrechte auf Zeit aussprechen zu lassen. : |

Hierin erblicke ih nun eine Verwechselung der Ehre mit Rechten, eine Verwechselung desjenigen, worüber das Strafgesez verfügen kann, mit demjenigen, worüber es nicht verfügen kann. Die innere Ehre ist jedem Urtheilspruche außer dem eigenen entrücktz auch über

die äußere Ehre, über die Achtung und Verachtung der Mitbürger

Mittwoch den 2. Febr.

Zeitung.

fann der Richter nicht entscheiden, darüber entscheidet die öffentliche Meinung. Der Richter kann nur eine Thatsache bekunden, nur die Vermuthung aussprechen, daß der Bestrafte die öffentliche Verach- tung si zugezogen habe, und deshalb entzieht er ihm gewisse Rechte und Vorzüge, die der mit der öffentlichen Verachtung Behaf= tete nicht ausüben und besißen soll, Das Urtheil fann nur suchen, den Stand der öffentltchen Meinung mit Wahrheit zu bezeichnen, es fann sie niht \chaffen. Bekannt ist, daß häufig die s{himp|}- lichsten Urtheile und Strafen niht vermocht haben, die dssent- liche Meinung zu erzeugen. Um nur eines Falles zu gedenken, erwähne ih, daß im siebzehnten Jahrhundert Männer in England zu der {impslihen Strafe des Ohrabschneidens verurtheilt wurden, die bald nachher von der öffentlichen Achtung zu Richtern derjenigen emporgehoben wurden, die sie verurtheilt hatten. Diese Verwechse= lung der Rechte mit der Ehre wird befördirt durch den in dem Ent- wurfe angenommenen Ausdruck „CEhrenrechte.““ Allerdings find die Rechte, die der Art. 20 aufzählt, solche, welche auszuüben eine Ehre is}; aber keinesweges schließt der Art. 20 alle Rechte ein, die auszuüben eine Chre ist oder als eine Chre angesehen werden fann. Es fann als eine Ehre angesehen werden das Recht, vor dem Priester oder Magistrat durch feierlihes Gelöbuiß eine eheliche Verbindung zu ließen; das Recht, eine Familie zu begründen; das Recht, durch Testament über sein Vermögen zu verfügen; das Recht, Grundeigen=- thum, Rittergüter zu besiben oder zu erwerben; das Recht, zu dem Gewerbe-, Fabrikanten- oder Handelsstande zu gehören ; das Recht, in Actiengesellschaften, beispielsweise in den General-Versammlungen der Betheiligten an der preußischen Bank zu berathen und zu stimmen; das Recht, auf Dampfschiffen zur Seite der Besten der Gesellschaft sich zu bewegen, auf Eisenbahnwagen neben ihnen zu siben, in dem- selben Tempel mit den Hohen und Höchsten gemeinschaftlich zu Gott zu beten. Wenn aber der Entwurf die Ehrenrechte ihrer Summe nach be- {chränken muß, #0 is es unrichtig, zu behaupten, daß er sie der Zeit nah nicht beschränfen dürfe. Von der höchsten Ehrenhastig= feit bis zur gänzlichen Ehrlosigkeit besteht eben so eine leise allmälige Abstufung, wie bei manchen Cigenschaften des Menschen, die, viel= leiht aus derselben Wurzel entspringend, von der höchsten Tugend bis zum verworfensten Laster herabsinfen; wie wir 3, B. die Neigung zum Erwerbe in dem redlichen Fleiß und in der Sparsamkeit, aber auch im CEigennuße und im Geize und tiefer herabfallend im Wucher, in der Prellerei im Betruge, 1m Diebstahle und im Raubmorde wiederfinden. Gefährlich ist es, aus dieser Gradation' von der vollen Ehrenhaftigkeit bis zur tiefszen Ehrlosigkeit den Punkt heraussuchen zu wollen, wo das Ehrgesühl völlig abgestorben und in einem Maße abgestorben sein soll, de. dessen Wiederbelebung als unmöglich anzu= sehen wäre. Doppelt gefährlich erachte ih es aber, wenn diejer Punkt in einem Gebiete gefunden wird, wo die Gränzen zwischen dem Vorhandensein einiger Ehrlicbe und dem Mangel derselben in einander fließen. Die Achtung und Verachtung wendet sih nicht noth= wendig und niht immer auf das ganze Zudividuum, sondern auch auf einzelne Eigenschaften und Handlungen, Haben wir nicht Männer gehabt, deren Ruhm und Größe Jahrhunderte durchlebt und die dennoch mit Schattenseiten behaftet waren oder sich verwerflichen oder verächtlihen Leidenschaften hingaben, vielleicht solchen, die der Entwurf mit dem Verluste der Ehreurechte bedroht? Und s{chwanken nicht an der im Entwurfe gefundenen Gränze Handlungen herüber und hinüber, von denen es zweifelhaft sein muß, ob sie zu solchen gehörcn werden, welche den Verlust der Ehrenrehte betingen. Nach §. 293 des Entwurfes verliert sie, wer in gewinnsüchtiger Ab= sicht zum Schaden eines Anderen einen Jrrthum erregt. Werden nicht manche Listen, die, wie man erzählt, beim Pferdehandel vor= fommen, unter diesen Begriff subsumirt werden fönnen? (Heiterkeit. )

Bird nicht ein Theil der hohen Aristokratie Englands unter diesen Begriff verfallen, wegen ähnlicher Listen, die bei den Pferderennen vorfallen sollen? Aber es ist nicht nöthig, Beispiele zu suchen, von denen zweifelhaft ist, ob sie nah dem Entwurfe strafbar wären oder nicht; denn es werden Handlungen int Menge begangen, die der Gewalt des Richters entricft sind und die eine weit größere Ehr= losigkeit bekunden, als manchen Handlungen zuzumessen ist, an welche der Entwurf den Verlust der Ehrenrechte knüpft. Auf der anderen Seite, finden sich niht Spuren von Ehrgefühl selbst bei den größten Trevlern und Missethätern? Es wird behauptet, und ih stimme freuvig bei, daß das deutsche Bolf vorzugsweise empfänglich Fei für das Gefühl der Ehre; aber ich widerspreche, wenn behauptet wird, daß wegen dieser Eigenschaft das deutsche Volk in demselben Maße, wie der Entwurf, gewisse Handlungen als Merkmal unbedingter und immerwährender Ehrlosigkeit ansehe. Mit dem meisten Grunde wird dies vom Diebstahle behauptet; aber aus welchem Zuge des deut- hen Volïs Charafters wollen wir den Anklang erflären, den einst bei der deutschen Nation die poetische Schilderung des Dieb- stahls und Raubes n Schillers Räubern sand; aus welchen Zuge wollen wir es erklären, daß in den Leihbibliotheken die Geschihten großmüthiger Räuber am meisten gelesen werden, daß auch das hoch gebildete Publikum zu den Darstellungen solcher Charaktere auf der Bühne sich drängt! Aus welchem Zuge wollen wir es erklären, daß im Volke wie Sagen von Mund zu Munde die Erzählungen solcher Worte und Thaten bekannter Diebe und Räuber gehen, die Spuren von Ehre zeigen. Diese Erschei- nungen sind uichts Anderes, als das Zeichen, daß im Volke der Ge- danke lebt, es sei nicht die nothwendige Folge des Diebstahls und des Raubes, daß der leßte Funke von Ehrgefühl auf immer erloschen sei. Alle diese Anführungen sollen keinesweges die Unzulässigkeit des Berlustes der Chrenrechte auf Lebenszeit darthun, sondern nur das halte ih unzulässig, daß der Punkt zu weit vorgerückt werde, wo der lebenslängliche Verlust eintreten soll. Und in diejer Beziehung geht nicht uur der Entwurf, sondern auh das rheinische Recht zu weit. Sie haben vernommen, daß vor einiger Zeit zwet junge Mánner von Bildung in Köln eine Kassette wegnahmen, zu Zwedcken, die Ihnen bekannt sind. Einer derselben ist vor die Geschworenen gestellt wor- den, und sie haben erklärt: „er sei nicht schuldig; Uten sie ihn schuldig erklärt, so mußte er zur Zuchthause und zum Verluste der Ehrenrechte verurtheilt werden. Jh glaube nicht, daß die öffentliche Meinung ein solches Urtheil bestätigt, daß sie ebenfalls jenen Mann für sein ganzes Leben ehrlos erklärt haben würde. Lie Ansicht, daß der Verlust der Chrenrehte nur auf immer auszusprechen sei, {ließt gewissermaßen die Behauptung in sich, daß das Chrgefühl nicht Biidungsfähig seiz daß es, - einmal gesam L A erstarken, einmal abgestorben, niht wieder belevt werden fönne. Dennoch würde Jedermann zurüshrecken, wenn er diese Behaup- tung in allen Konjequenzen, vertreten sollte. Sie isst nicht be= gründet in der Erfahrung, }/€ ist nicht begründet in der Natur des Menschen. Wer will behaupten, daß der 18=-, oder, wie der Ent- wurf ursprünglich vorschlug ,, der L Knabe, der, um ein leichtsinniges Gelüste zu befriedigen, _jeinem Lehrherrn einige Thaler

wegnahm, sein ganzes Leben nicht wieder ein ehrlicher Mann werden