1848 / 38 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

vann würde es sich genau als das Gegentheil des Vorschlages der Regierung darstellen. : (Zeichen der Bejahung.)

Als i in einer früheren Sihung zum erstenmale in dieser An- gelegenheit aufgetreten bin, habe ih die hohe Versammlung ersucht, vorzubehalten, daß sie bei ihrer- Abstimmung über die von der Regie- rung vorgeschlagene \ymbolische Verschärfung . der Todesstrafe nicht zugleih darüber judiziren möge, ob niht dennoch zwischen infamiren- der und nicht infamirender Todesstrafe zu unterscheiden seiz ih habe darauf ete nl wie groß, namentlich im Punkte der Ehrenhaf- tigkeit, der Abstand zwischen den todeswürdigen Verbrechen sei, und auch darauf hingewiesen, daß die eigentlihe Jntention des Regierungs- Antrages nur dahin gegangen sei, das Gefühl des Volkes nicht da- durh zu verleßen, daß die verschiedenartigsten Verbrecheu genau mit derselben Strafe belegt würden. Jh habe darauf hingewiesen, daß allerdings zwischen entehrender und uiht entehrender Todesstrafe ein wesentliher Unterschied sei, und zwar nicht allein für den Verbrecher selbst (denn ih erkenne niht an, daß mit dem Zuerkennen der Todesstrafe Alles abgeschnitten sei, sondern ih habe behauptet und behaupte noch einmal, daß ein wesentlicher Unterschied darin liege, ob der Verbrecher den Tod mit dem Gefühle erleide, zugleich entehrt zu werden, oder ob ihm dies Gefühl der Schande erspart wird) son- dern auch für die Nachbleibenden, für die Familie dessen, der mit dieser Strafe belegt wird.

Ih weiß wohl, daß der Urtheilsspruch über die innere Ehre des Menschen im höchsten Sinne des Wortes nicht absprechen fann ; so lange wir aber Geseße und Strafen haben, wird die öffentliche Meinung auch insofern ein großes Gewicht auf den Richterspruch legen, als er die Ehrenrehte berührt, denn niht Jeder hat Gelegen- heit, einzudringen in die individuellen Motive, die dem Verbrechen zu Grunde liegen. Es fann ein Jundividuum, es köunen Tausende, ja in einzelnen Fällen Millionen über cin Verbrechen so weit aufgeklärt werden, daß sie sich eine von dem Urtheilsspruh unabhängige Mei nung von dem Verbrechen uud Verbrecher bilden; der Regel nach aber kann die nicht tiefer eingeweihte Menge nur aus dem Urtheils= \pruche des Richters ihre Meinung entnehmen, und deshalb liegt ein großer Unterschied zwishen der entehrenden und nicht entehrenden Strafe. Deshalb kann ih nur wiederholen, daß die Regierung einen großen Werth darauf legt, diesen Unterschied auch für die Todesstrafe im Geseß anerkannt zu sehen.

Marschall: Die erste Frage is zu richten auf den Antrag des Abgeordneten von Gudenau. j

__ Abgeordn, Graf von Schwerin : Darf ih mir in Bezug auf die Fragestellung ein Wort erlauben?

Marschall: Jch will die Frage erst nennen. Sie heißt: Soll beantragt werden, daß die Verurtheilung zur Todesstrafe unter allen E die Aberkennung der bürgerlichen Ehre zur Folge haben

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Abgeordn. Graf von Schwerin: Jh wollte bitten, den Autrag der Abtheilung vorausgehen zu lassen. Der Antrag der Abtheilung ist der gerade Gegensaß von dem, was der Abgeordnete von Gude- nau will, und wenn der eine angenommen wird, kaun der andere nicht mehr angenommen werden. Wie der Herr Landtags-Kommissar eben richtig entwidelt hat, erfennen wir, wenn wir den Antrag der Abtheilung annehmen, den Unterschied zwischen lodeswürdigen Ver= brecheu, die entehrend sind, und solchen, die nicht entehrend sind, an und behalten uns vor, bei der Berathung der einzelnen Paragraphen die Fälle zu bezeichnen, wo neben der Todesstrafe noch auf Verlust der Ehrenrechte erfannt werden soll; aber mit der Annahme des An- trags des Abgeordneten von Gudenau wird das abgeschnitten. Also würde wohl der Antrag der Abtheilung den Vorzug haben,

Marschall: Es giebt zwei Wege der Beurtheilung, wie die

Fragen auf einander zu folgen haben. Der eine is der, daß ein Au- trag, welcher aus der Diskussion hervorgeht, niht das Recht der Priorität in Anspruch zu nehmen habe, wenn er nicht cine Modifica= tion des Antrags der Abtheilung enthält, sondern vielmehr dahín ge- richtet ist, geradezu an die Stelle des Antrags der Abtheilung zu treten, Der andere Weg ist der, zu untersuchen, welcher Vorschlag sich am weitesten von dem Paragraphen des Entwurfs entfernt. Nach dem leßteren Wege würde der Antrag des Abgeordneten von Gude- nau zuerst zur Abstimmung kommen, weil er sich am weitesten von dem Entwurf entfernt, Da aber nicht zu verkenuen ist, daß er aller- dings sih geradezu an die Stelle des Añtrags der Abtheilung stellt, L Oa ein Grund, der für die Ansicht des Grafen von Schwerin pricht, Abgeordn, Graf von Schwerin: Jh muß mich dahin berih- tigen, daß es vielmehr der Antrag des Referenten u1d nicht der Abtheilung i}, welher von dem des Abgeordneten aus der Rhein- provinz der gerade Gegensaß ist; wenn wir uns das nur klar machen, \o wird es freilich ziemli gleichgültig sein, auf welchen von beiden die Frage zuerst gestellt wird. j

Korreserent ¿reiherr von Mylius: Es dürste am zweckmäßig- sten sein, deshalb den Antrag des Abgeordneten von Gudenau zuerst zur Abstimmung zu bringen, weil, wie auch seitens Sr. Durchlaucht ausgesprochen worden i, allerdings der Fall vorliegt, daß es sich um einen Antrag handelt, der am weitesten geht, und ih möchte mir erlauben, um das Verhältniß klar und anschaulih zu machen, in welchem beide Anträge zu einander stehen, ob es niht zweckmäßig wäre, die Frage so zu formuliren: h

Soll überhaupt beantragt werden, daß jede Schärfung der Todes-

strafe mittelst des Verlustes der Ehrenrechte stattfinde ?

(Einige Stimmen: Nein !)

Marschall: Jh würde das für einen wesentlih anderen Vor- schlag halten und erkenne die Reclamation des Vorsißenden der Ab- theilung für begründet an, welcher die Priorität in der Abstimmung für den Antrag der Abtheilung in Anspruch genommen hat. H

Die erste Frage wird die sein:

Soll auf den Wegfall des Absages unter Nr. 2, des Paragraphen

angetragen werden?

Abgeordn, Graf von Schwerin: Es is hier nicht von dem ursprünglichen Antrage der Abtheilung die Rede, sondern von dem Antrage, den der Referent erst heute gestellt hat. Er geht dahin, Nr. 1. des zweiten Alinea des Paragraphen anzunehmen, so daß nur in den im Geseß namentlich bestimmten Fällen neben der Todes- strafe auf den Verlust der bürgerlichen Ehre erkannt werden kann.

Abgeordn. Freiherr von Gudenau: Jch lege im Wesentlichen keinen Werth darauf, was zuerst zur Abstimmung fömmtz ich glaube, daß das Resultat dasselbe sein wird, glaube aber, bemerken zu müssen, daß mein Amendement um so mehr den Vorzug verdienen dürfte, weil ih es {hon neulich gestellt hatte und die Berathung darüber nur vertagt worden ist,

__ Marschall : Das würde blos ein Recht darauf begründen, daß der Vorschlag überhaupt zur Fragestellung kömmt, und es wird auch eventuell die zweite Frage ata zu stellen Zei —_ Abgeordn. Freiherr von Gudenau : ann müßte ih bitten, ihn T dürfen.

arschall: Eine dritte Frage wäre endlich noch auf die An- nume qs L MSRAAen des P gut a zu L, d D s geordn, Sperling: Dann bitte ih, daß no rüng- siche Gutachten der Abtheilung eine wen M a s

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Abgeordn. Graf von Schwerin: Wenn ih reht sehe, so würde das Abtheilungs - Gutachten dur die frühere Beschlußfassung erledigt sein, indem damals dahin abgestimmt worden ist, das Gut= achten auzunehmen, mit Vorbehalt der Frage über die Ehrenrechtez bei dieser Frage sind wir jeßt angekommen, und der Referent hat nun ausgesprochen, was seine Ansicht sei; ich bin ihm beigetreten, und wie weit dies au von den andereu Mitgliedern geschieht, wird die Abstimmung ergeben. Aber das Gutachten der Abtheilung als sol- hes is für den Augenblick erledigt. /

Abgeordu. Camphaujen : urhlauht, ich wünsche über die Fragestellung noch die Bemerkung zu machen, daß ich allerdings die Schwierigkeit einsehe, die Frage ihrem wörtlichen Inhalte nah so zu stellen, daß Jedermann darin wiederfinde, worüber er abstimmen will. Es if interpretirt worden, die Frage sei dahin gerichtet : ob eine entehrende Todesstrafe und eine niht entehrende Todesstrafe statt haben solle, Jch habe für mi und für diejenigen, die meine Ansicht theilen, zu erläutern, daß wir auf diese Frage, wenn die Abstimmung erfolgt, keine Antwort geben, sondern daß meine Antwort auf die Frage in dem Sinne erfolgt:

Soll die Todesstrafe stattfinden, ohne daß sie den Verlust der

staatsbürgerlihen Rechte einschließt ?

Das ist der Sinn, in welchem ih abstimme, und das habe ih nur wiederholen wollen.

Abgeordn. Freiherr von Gudenau: Das, was mein sehr ver- ehrter Kollege aus der Rheinprovinz gesagt hat, stimmt mit der For= mulirung meines Amendements vollkommen überein, denn dieses lautet folgendermaßen: „Soll beantragt werden, daß die Verurtheilung zur Todesstrafe den Verlust der Ehrenrehte jedesmal stillschweigend in sich schließe?“

Marschall : Jch kann keinen Unterschied finden zwischen dem und der Fragestellung, wie sie vom Referenten beantragt wurde,

Abgeordn. Graf von Schwerin : Die Frage dürfte vollkommen ershöpfend sein: Soll neben der Todesstrafe in den im Geseh be» stimmten Fällen auch die bürgerlihe Ehre aberkannt werden können?

Candtags-Kommissar : Jh würde bitten, zu sagen: „kann.“

Marschall: Es is nicht zu verkennen, daß Alles, was vom Referenten beantragt worden is, iu der Fragestellung enthalten liegt: „Soll auf Wegfall des Sabßes 2. in §. 8. angetragen werden?“ Der Referent hat die Redaction im voraus übernommen, welche die Folge der Bejahung dieser Frage sein würde, und er hat es bereits aufgeschrieben, wie der Paragraph dann lauten würde. Es würde jeder Zweifel wegfallen, wenn die Frage so gestellt würde: ob der Paragraph angenommen werde in der von dem Referenten vor= geschlagenen Fassung?

Referent Kaumann: Der Paragraph wird nach meinem Vor- schlage lauten: „die Todesstrafe is durch Enthauptung mittelst des Fallbeils zu vollstrecken.“ Neben der Todesstrafe ijt in den im Gesebe bestimmten Fällen zugleih auf den Verlust der bürgerlichen Ehre zu erkennen.

( Beifall.) Es vermeidet diese Fassung, als ob der Verlust der Ehrenrechte als Schärfung der Todesstrafe augenommen werde.

Candtags- Kommissar: Jh würde vorschlagen und bitten , zu

sagen: „es kaun darauf erfannt werden.““ j (Beifall)

Justiz-Miuister von Savigny: Ih wünsche, mich nur belehren zu können, in welchem Sinne diese Formel aufgefaßt werden soll ? Nämlich zunächst is der Antrag darauf gerichtet, daß Nr. 2. weg- fallen soll und, indem Nr. 1 beibehalten wird, das Allegat gestrichen werde, der Diskussion über den speziellen Theil aber das Weitere vorbehalten bleibe. Hierbei wünsche ih mir nur den Vorbehalt zu machen, daß dann nicht bei jedem einzelnen Verbrehen über den absoluten Verlust der Ehrenrehte abgestimmt werde, sondern daß z. B. bei dem Mord die Unterscheidung zwischen Ehrlosigkeit und Nicht- ehrlosigkeit dem Richter für jeden einzelnen Fall vorbehalten werde.

Landtags -Rommissar: Gerade deshalb habe ih gewünscht, daß das Wort „kann“ eingeschoben werde.

Vice- Marschall von Rochow : Gegen diese Fassung würde ich doh Einiges einzuwenden haben, denu wenn sie angenommen und geseßzlih ansgesprohen wird, so drüdckt sie aus, daß die Regel sei: die Ehrlosigkeit solle mit der Todesstrafe nicht verbunden sein. Dies liegt in dem Worte „nur“, Dies würde allzusehr gegen die herrshende Meinung des Volkes verstoßen, die dahin geht, daß Jeder, den ver Henker berührt, ehrlos is. Darum trage ih darauf an, daß das Wort „nur“ niht gebraucht werde.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Es ist Prinzip des Eutwurfes, daß nur da die Ehrenrechte aberkannt werden können, wo cs aus- drücklich ausgesprochen is, und davon weicht eben der Antrag des Abgeordneten aus der Rheinprovinz nah meiner Meinung ab, indem er die Todesstrafe unter allen Umständen für entehrend ansehen will.

Justiz-Minister von Savigny: Ich bitte, mit einigen Worten ein Mißverständniß erwähnen zu müssen, welches der geehrte Abge= ordnete aus der Mark sich zu Schulden gebracht hat, wenn erx sagte, in der Meinung des Volkes sei Jeder, den die Hand des Nachrichters berührt habe, ehrlos. Dies is nach der Meinung des Volkes, welche sih Jahrhunderte fortgepflanzt hat, insofern wahr, daß Jeder, den der Heuker berührt hatte, d. h. der durch den Galgen hingerichtet wurde, ehrlos war, aber nicht der, den der Scharfrichter hingerichtet hatte. Dieser Unterschied hat sih, mit Recht oder Unrecht, Jahr= hunderte lang erhalten, und es t also nach der öffentlichen Meinung die Strafe des Stranges immer entehrend gewesen, die Enthauptung nicht.

Abgeordn. Camphausen: Jh habe nur die Bemerkung zu machen, daß die Annahme des Wortes fann in direktem Wider- spruche mit den eigenen Vorschlägen des Gouvernements steht, wie aus Art. 80 zu ersehen ist; eben so sagt Art. 222: „Auf geschärste Todesstrafe i st zu erkennen, weun der Mord an einem leiblichen Verwandten der gufsteigenden Linie oder an dem Ehegatten begangen wird.“ Es sind dies fkategorische Vorschriften, die durh das Wort „ann“ in fakultative verwandelt werden, und wenn auch hier dem Richter die Wahl freisteht, so wird ihm neuerdings etwas übergeben, was da, wo Geschwornen - Gerichte bestehen, nur die Geschwornen aussprechen sollen. i

Referent Kaumann: Jh habe nur zu erinnern, daß es nicht die Absicht i, in diesem Paragraphen auszudrücken, in welchen Fällen der Verlust der Ehrenrechte neben der Todesstrafe eintreten soll , sondern daß es nur die Absicht is, auszudrücken, daß es müg-= lih is, neben der Todesstrafe auf den Verlust der Ehrenrechte zn erkennen, aber nur in den durch das Geseß ausdrüdlih bestimmten Fällen, Das ist der Sinn, obwohl ih dahingestellt sein lasse, ob die Worte ihn auch deutlich ausdrücken.

Korreferent Freiherr von Mylius : Was das von dem Abge= ordneten aus der Rheinprovinz angeregte Bedenken betrifft, \o muß ih bemerken, daß auch ich mich demselben anreihe und darauf auf- merksam mache, daß überhaupt die Frage, inwiefern dem Richter die Wahl zwischen entehrender und nicht entehrender Todesstrafe über- lassen wird, zu den sogenannten Vorbehaltsfällen gehört, hinsichtlich deren ih im Juteresse der Verfassung der Rheinprovinz die Behaup= tung d ey daß sie nur durch Geschworne abgeurtheilt werden fönnen, daß nur den Geschwornen zu überlassen ist, ob Ehrlosigkeit, möge

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Pa aeR phen in Verbindung mit anderen Strafen eintreten, zu ver- Abgeordn. Graf von Schwerin: Jh wollte nur zur Erwägung eben, ob wir niht Präziseres erreichten, wenn wir die Frage stellten: oll neben der Todesstrafe in den vom Geseh pra unten Fällen noch die bürgerlihe Ehre aberkannt werden fönnen? Dadurch würde, glaube ih, ganz flar, was die hohe Versammlung will,

Marschall: Die Frage heißt: „Sollen neben der Todesstrafe in den im Geseß namentlich bestimmten Fällen die Ehrenrehte ab- erkannt werden fönnen?“ Und die diese Frage bejahen, würden dies durch Aufstehen zu erkennen geben. Die Frage is mit großer Ma- jorität von mehr als zwei Dritteln bejaht. Auf den Vorschlag des Abgeordneten von Gudenau ist nun keine weitere Frage zu richten.

Referent Kaumann: Es is nun noch auf einige Paragraphen zuriüickzukommen, und zwar zu dem Zwee, um den doppelten Verlust der Ehrenbürgerrehte, wie wir ihn angenommen haben, dieser Einthei= lung entsprehend einzelnen Bestimmungen anzupassen. Es handelt sich zunächst von dem §. 9, wo es nun wird heißen müssen: „die Verurtheilung zur Zuchthausstrafe zieht den Verlust der bürgerlichen Ehre nach sich.“ Das isst den früheren Beschlüssen entsprechend. Jm zweiten Alinea des §. 15 is gesagt: „jedoch darf bei Verbrechen, welche den Verlust der Ehrenrehte nah sich ziehen, niemals auf Festungshaft erkannt werden.“ Es wird hier ausgedrückt werden müssen, daß dies eben so von zeitweisem wie von immerwährendem Verlust gelten müsse. Auch in dem Falle, wo auf zeitweise Entzie= hung erkannt wird, darf niemals auf Festungshaft erkanut werden. Ju zweiten Alinea des §. 36 heißt es: „ter Verlust der Ehren- rechte umfaßt bei solchen Personen zugleih den Verlust des National- Militair - Abzeichens und die Verseßung in die zweite Klasse des Soldatenstandes, so wie bei Unteroffizieren die Degradation, bei Offizieren aber die Cassation.““ :

Es is auszudrüen, daß diese Folge sowohl bei dem Verlust auf immer, wie bei dem auf Zeit, eintreten soll,

Dann fommt §. 38: „Alle Strafurtheile, in welchen auf Todes= strafe, Zuchthausstrafe, eine längere als fünfjährige Freiheitsstrafe oder auf den Verlust der Chrenrete erfanut wird, jollen öffentli bekannt gemacht werden. ““ Dex Paragraph is in der Sißung vom 26. Januar angenommen, es ist aber vorbehalten worden, darauf zurückzukommen nah erfolgter Entscheidung über die Dreitheilung, Es wurde damals geltend gemacht, daß man nicht bei allen Freiheitsstrafen blos wegen der langen Dauer auf Bekanutmachung zu bestehen habe, sondern daß wesentlih bei solhen Strafen nur, welche zuglei den Verlust der bürgerlichen Ehre nah sich ziehen, es angemessen sein fönne, das Urtheil öffentlih bekannt zu machen. Der Paragraph selbs will nur dann eine Veröffentlihung, wenn auf Todes=- strafe, Zuchthausstrafe, mehr“ als fünfjährige Freiheitsstrafe oder Verlust der Ehrenrechte erkaunt wird. Nach der früheren Dis- fussion würde es unbedenklih sein, daß in allen Fällen, wo auf Todesstrafe erkanut wird, eine öffentliche Bekanntmachung erfolge. Eben so unbedenklich würde es sein, daß, wenn auf Zuchthaus- strafe erkannt wird, die öffentliche Bekanntmachung erfolge, denn die Zuchthausstrafe involvirt immer den Verlust der Ehrenrechte. Was die geringeren Freiheitsstrafen betrifft, die niht in Zuchthaus-= strafe bestehen, so würde nah dem Entwurfe bei einer mehr als fünf- jährigen Freiheitsstrafe, also bei Strafarbeit und Festungshaft, das Urtheil publizirt werden müssen; allein für diese Fälle scheint kein Bedürfniß vorzuliegen, weil, so lange mit diesen Strafen nicht der Verlust oder die zeitweise Untersagung des Gebrauchs der bürger- lihen Ehrenrechte eintritt, für das Publikum kein Juteresse stattsin- det, von der Verurtheilung Kenntniß zu nehmen.

Selbst wenn es s{chwere Verbrechen sein sollten, wird dieselbe nicht zu erfolgen haben, sondern uur daun, wenn zuglei der Ver-= lust der Ehre oder die zeitweise Entziehung derselben ausgesprochen wird. Jn beiden Fällen nämlich werden auch die Folgen eintreten, die nothwendig-dem Publikum bekannt werden müssen, namentlich in der Rheinprovinz, wo das Recht, Geschworner und Zeuge zu sein, davon abhängig is, Ju diesem Falle wird es unbedenklich sein, die öffentlihe Befanntmachung eintreten zu lassen. Dieser Punkt ift indeß noch nicht diskutirt worden , insofern es sich um zeitweise Ent- ziehung der bürgerlihen Chre handelt.

Marschall : Wenn keine Bemerkung erfolgt, so ist dem Antrage des Referenten beigetreten. ;

Referent Kaumann: Nachdem ih die einzelnen Kategorieen durchgegangen habe, würde die Bestimmung des Paragraphen sich dahin reduziren :

„Alle Strafurtheile, in welchen auf Todesstrafe oder auf Verlust der bürgerlihen Ehre für immer erkannt wird, sollen öffentlich bekannt gemacht werden.““

Regierungs - Kommissar Sunons: Ih habe mir erlaubt, schon bei einer früheren Gelegenheit auf deu Zusammenhang ausmerksam zu machen, welcher für das rheinische Recht zwischen dem §. 38 des Entwurfs und den §§. 12 und 13 des allgemeinen Einführungs- gesebes bestcht, indem eine friminalrehtlihe Verurtheilung auch civil= rechtliche Folgen hat. Da nun die Eintheilung der Strafarten in dem Entwurf sich gegen die Vorausseßung des rheinischen Rechtes modifizirt, so ist in dem §. 4 des Kompetenzgeseßes und in den an- geführten §§. 12 und 13 ein Begriff der peinlichen Strafe aufge=- stellt worden, welcher, analog dem Begriffe der peinlichen Strafe, wie er jeßt im rheinischen Rechte besteht, die civilrehtlihen Folgen be- dingen soll, Eine peinlihe Strafe soll aber niht nur Zuchthaus- strafe, sondern auch Strafarbeit und Festungshast sein, wenn sie die Dauer von fünf Jahren übersteigt, es würde also die Konformität, welche jeßt zwischen diesen Bestimmungen vorhanden ist, zerstört wer= den, wenn man in §. 38 von der Publication die lebtgedachten Strafen ausschließen wollte, während man vielleiht nachher für an- gemessen erachten dürfte, in Beziehung auf die civilrechtlichen Folgen, welche die Strafe in der Rheinprovinz hat, den Begriff der Ppetn- lihen Strafe in dem Maße beizubehalten, wie er in §. 12 des all- gemeinen Einführungsgeseßes angegeben worden is, Wenn zun au- erkannt wird, daß dicse Konformität für die eine Provinz von Juteresse ist, daß sie mit dem jeßt angenommenen Unterschiede der shweren

Verbrechen zusammenhängt, so möchte es bedenklich seinen, in §. 38,

wie er hier formulirt worden ist, eine Aenderung vorzunehmen. Korreferent Freiherr von Mylius: Jh glaube , daß die Ge- sihtspunkte, welche so eben von Seiten des Herrn Kommissar hervor= gehoben worden sind, allerdings für die Lage der Sache in der Rheinprovinz entscheidend sind, und trete daher bem Antrage bei. Justiz - Minister Uhden: Für die Rheiuprovinz fönnte eine Ausnahme gemacht werden, wenn die hohe Versammlung es be- shließen sollte, Denn für die alten Provinzen ist keine Veranlassung vorhanden, eine Freiheitsstrafe von 9 Jahren, weun sie niht mit dem zeitweisen oder gänzlichen Verlust der Chrenrehte verbunden ist, be- fannt zu machen, wohl aber für die Rheinprovinz aus den Gründen, welche der Herr As angeführt hat. Dies könnte im Ein- ü eße erfolgen. führuugegen naumann: Der Antrag, den ih zu stellen habe, und der sich meines Erachtens an alle diejenigen Betrachtungen und Wiuswé auschließt, die in der lehten Diskussion bei diesem Para-

Erste Beilage

graphen geltend gemacht worden sind, würde dahin lauten: Alle Strafurtheile, in welchen auf Todesstrafe oder auf Verlust der bürger- lihen Ehre für immer erfannt wird, sollen öffentlich bekannt gemacht werden. L

Abgeordn. Graf von Schwerin: Das geht noh weiter als der Paragraph.

Referent Kaumann: Nein, denn der Paragraph sagt: oder auf den Verlust der Ehrenrehtez der Verlust der Ehrenrehte wäre dann allerdings ein immerwährender. ; i

Justiz - Minister Uhden: Es versteht sich von selbst, baß dieser Paragraph eine ganz andere Fassung erhalten muß, als wie sie der Entwurf des Gouvernements vorlegt, weil nah diesem nicht auf zeit- weisen Verlust der Ehrenrechte erkannt werden sollte. /

Abgeordn. Graf von Schwerin : Wenn ih mich recht erinnere, so haben wir damals beschlossen, es solle die Publication des Urtheils nur bei \{chw eren Verbrechen stattfinden. Wir haben die Desinition dieser Verbrechen gefunden, indem wir die Dreitheilung angenommen haben, wir müssen also au hier diese Definition anuehmen, und dieje ist im §. 38 gegeben. Die Bemerkung des Herrn Kommissar, welcher eben meinte, wir befänden uns in der Lage, nothwendig s. 38 annehmcn zu müssen, scheint daher ganz richtig, weil nur \{chwere Verbrechen im §. 38 bezeichnet sind und wir früher be- shlossen haben, bei {weren Verbrechen solle die Publication statt- stnden.

Justiz = Minister Uhden: Jch muß bemerken, daß mir der frübere Beschluß im Augenblicke nicht vorgeshwebt hat,

Referent Kaumann: Jch habe Veranlassung genommen, gerade die Verhandlungen durchzulesen, welhe bei §. 38 früher gepflogen worden sind. Das Resultat war die Annahme dieses Paragraphen. Es i} aber von einzelnen Mitgliedern der Vorbehalt gemacht wor- den, wieder auf diesen Paragraphen zurückzukommen, weun die Frage wegen der Dreitheilung und wegen Entziehung der bürgerlichen Ehre diskutirt sein würde, und das veranlaßt mih nun, nohmals auf diesen Paragraphen zurückzukommen. Es is damals aber nicht aus- drücklih gesagt worden, man wolle sich an die Dreitheilung an- ließen.

_ Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch habe nicht bestritten, daß beschlossen worden, man wolle auf diese Diskussion später wieder zurückkommen, ih halte das für ganz unbedenklih, ich habe aber geglaubt, wir hätten nur damals die definitive Redaction vorbehal- ten, . weil wir damals noch keine Begriffsbestimmung für {were Verbrechen hatten. Nachdem wir unn diese gefunden, müssen wir uns an diese Begrisssbestimmung anschließen und thun es, indem wir den Paragraphen in der Fassung annehmen, wie er hier steht.

Referent Naumann: Aus der Diskussion, welche damals statt- gefunden hat, habe ich Folgendes entnommen: Die meisten Mit= glieder der geehrten Versammlung hatten darin ein Bedenken gegen die öffentlihe Bekanntmachnng, wenn unter \{chweren Verbrechen jedes verstanden werde, welches eine längere als jährige Freiheits- entziehung zur Folge habe, daß dies zu manchen Jrrungen und Schwierigkeiten führen werde, indem bei Verbrechen, die nicht intensiv, nicht nah der Moralität“ des Verbrechers, \{chwer seien, kein Grund abzusehen sei, sie öffentlih bekannt zu machen. Es kam noch ein zweites Bedenken hinzu, daß es bei der zeitweisen Entziehung der bürgerlichen Ehre niht als Nothwendigkeit anzusehen sei, die öfent- lihe Bekanutmachung eintreten zu lassen, und daß namentlich nicht bei dem ersten kleinen Diebstahle sogleih die große Glocke geläutet wer- den sollte. Das erste Bedenken geht aljo dahin, daß nicht jedes {were Verbrechen bekannt gemacht werde, und das zweite dahin, daß dies nicht immer geschehe, wenn auf z eitweisen Verlust erkannt worden ift.

Candtags-Rommissar : Jh glaube, daß sih das Gouvernement vollkommen t »,mit einverstanden erklären wird, den Paragraphen dahin abzuändern, daß nur diejenigen Verbrechen öffentlich bekannt gemacht werden, welche nah „unserer neuen Nomenklatur als „schwere Ver- brechen“ bezeichnet sind, also diejenigen, welche in der Rheinprovinz als »crimes« charafterisirt sind, und die von den Assisenhöfen abge- urtheilt werden. Jh glaube faum, daß in der hohen Versammlung eine wesentliche Meinungsverschiedenheit hierüber bestehen wird,

Marschall: Es würde also die Frage heißen: Soll beantragt werden, daß die öffentlihe Bekanntmachung nur bei Straferkennt- nissen über \hwere Verbrechen erfolgen möge? und diejenigen, welche diese Frage bejahen, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben. Die Frage ist mit großer Majorität bejaht worden.

Referent Kaumann: Jm §. 41 würde auszudrücken sein, daß der Verlust der bürgerlichen Ehre für immer oder auf Zeit zu er- fennen sei, eben so im §. 44 Alinea 3. §. 46 handelt von den Be- günstigungen, in der zweiten Alinea heißt es hier: Unter derselben Poraussezung kann gegen den Begüustiger zugleih auf Verlust der gewerblichen und der Ehrenrehte, auf Landesverweisung und auf Stellung unter besondere Polizei-Aufsicht erkannt werden, wenn das Verbrechen selbst mit diesen Strafen bedroht ist, Jch bin der Mei= nung, daß hier von dem Verlust der bürgerlichen Ehre auf immer nicht die Rede sein, sondern nur die Entziehung der bürgerlichen Ehre auf Zeit eintreten köune. _ 2 ;

Regierungs - Kommissar Bischoff: Es ergiebt sih von setbst, daß hier nux Entziehung der Ehrenrechte auf Zeit eintreten kann, indem die Freiheitsstrafe eine fünfjährige Dauer nicht übersteigt; sie ist nur eine correctionelle Strafe. .

Referent Naumann : Ebenso würde bei §. 53, wo von jugend- lichen Verbrechern [die Rede ist, namentlich noch aus dem Grunde, welchen der Herr Kommissar angeführt hat, unter 3. auszudrücken sein, daß auch nicht auf den Verlust der bürgerlihen Ehre auf Zeit erkannt werden dürse. Es is immer bisher die Rede gewesen von dem Verlust der bürgerlichen Ehre auf immer, es muß also immer die Frage gestellt werden, ob nun auf zeitweise Entziehung erkannt werden dürfe, Dann kommen wir noch zu einem Hauptparagraphen, d. i. §, 64, welcher die Verjährung betrifft. Bei §. 64 hatte die Abthei= lung darauf angetragen, die einzelnen Verjährungsfristen anzuknüpfen an die Dreitheilung. Nachdem diese festgeseßt ist, aber nicht ganz dem An= trage entsprechend, welchen die Aötheilung damals gestellt hatte, würde ih mir erlauben, die Fristen folgendermaßen vorzuschlagen : ,„, Bei {weren Verbrechen , - deren höchste Strafe eine zehnjährige Frei=- heitsstrafe übersteigt, zwanzig Jahre; bei allen übrigen {weren Verbrechen zehn Jahrez bei Verbrechen und Vergehen, deren höchste Strafe eine dreimonatlihe Freiheitsstrafe oder eine Geldbuße von 300 Thalern übersteigt, fünf Jahrez bei allen übrigen Verbrechen und Vergeheu ein Jahr. Dieser Vorschlag würde sih anschließen dem Geseß-Entwurf in §. 64. Die einzige Aenderung, welche ein- tritt, ist die unter Nr, 3. des Geseg- Entwurfs, wo eine dreimonat= liche Freiheitsstrafe einer Geldbuße ‘von 100 Thalern gleichgestellt worden is, Nach den Bestimmungen aber, welche hier schon geneh- migt worden, sind 200 Thaler häufig drei Monaten Freiheitsstrafe pes, Es entspriht am nmieisten der Annahme in §. 27, wonach ei Umwandlung der Geldbuße in Gefängnißstrafe drei Thaler gleich

299 Ersie Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

Montag den 7. Febr.

einem Tage Gefängniß geachtet werden sollen. Wenn man drei Thaler Geldbuße gleich einem Tage Gefängnißstrafe annimmt, so würden drei Monate gleihkommen 270 Thaler.

Marschall: Wenu keine eutzegenstehende Bemerkung gemacht wird, so it dem Antrage des Referenten beigestimmt. Wir Meitiaien nun zur Berathung des zweiten Theils, und zwar zu §. 80.

Referent Kaumann (liest vor):

L O,

Wer es unternimmt:

1. das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit des Königs

zu gefährden, oder i

2. das Königliche Haus oder den König zu verdrängen , oder die

Throufolge zu verändern, oder

3. die Staats-Verfassung gewaltsam zu ändern, oder

4, das Staatsgebiet ganz oder theilweise der Herrschaft des Kö-

nigs zu entziehen, macht sich des Hochverraths schuldig und is mit der Todesstrafe zu belegen.

Im Falle der Gefährdung des Lebens, der Gesundheit odcr der Freiheit des Königs (Nr. 1) is auf geschärfte Todesstrafe (§. 8) zu erkennen.“

9 G1,

Der Hochverrath is mit jeder Handlung vollendet, durch welche das verbrecherishe Vorhaben unmittelbar zur Ausführung gebracht werden soll.‘

„Zu §§. 80 und 81.

Die Bestimmungen der gg. 80 und 81 stehen in so engem Zu- sammenhange, daß sie nothwendig au in einen Paragraphen hätten zusammengefaßt werden müssen. Denn nicht das bloße Unternehmen soll, wie es nah §. 80 seinen könnte, strafbar sein, sondern diese Folge tritt nah §. 81 erst dann ein, wenn dur eine Handlung das verbrecherishe Vorhaben unmittelbar zur Ausführung gebracht werden soll, Was die Bestimmungen im §. 80 darüber, welche Unterneh- mungen nach Maßgabe ihres Zwecks als Hochverrath angesehen werden, betrifft, so findet sich im Allgemeinen dagegen nichts zu erinnern. Dagegen is die Abtheilung der Meinung, daß die Be- stimmung sub Nr. 2- im Betreff des Unternehmens, die Thronfolge zu verändern, auf Handlungen zur Anwendung gebracht werden fönnte, welche weder als unerlaubt, noch weniger aber als strafbar erschienen, da nah der Fassung dieser Bestimmung schon jeder Rath, jeder Vorschlag, die Thronfolge zu ändern, selbst bei der wohl- wollendsten Absicht, Hochverrath sein würde. Um das Verbrecherische besser zu charakterisiren, und um zugleich das Unbestimmte in dem Worte „Thronfolge“ zu beseitigen, hat sih die Abtheilung mit 10 gegen 4 Stimmen dafür entschieden, daß statt der Worte: „die Thronfolge zu verändern““ gesagt werde: „die Thronfolge-Ordnung umzustoßen““.

Dic Bestimmung im zweiten Alinea des §. 80 wird in Folge der Vorschläge bei §. 8 wegfallen müssen. :

Nach alle dem \chlägt die Abtheilung vor, folgende Anträge zu stellen:

1. daß im §. 80 in der Bestimmung unter Nr. 2 statt: „die Thronfolge zu verändern““ gesagt werde: „die Thronfolge- Ordnung umzustoßen“‘.

2. daß im §. 80 die Bestimmung des zweiten Alinea gestrichen werde ;

3, daß die so abgeänderten Bestimmungen des §. 80 und die Bestimmung des §. 81 in einen Paragraphen zusammen- gezogen werden. :

Abgeordn. von Auerswald : Jh wünsche, bevor wir von der Berathung der Strafen selbst zu deren Anwendung auf die ein- zelnen Verbrechen übergehen, darauf aufmerksam machen zu dürfen, daß nah meiner Ansicht, wenn nicht im ganzen zweiten Theile, o doch in vielen Abtheilungen desselben, wesentlih abgewichen ist von dem Prinzipe, welches sons im Entwurfe vorwaltet und von der Ver- sammlung vielfach anerkannt worden ist, von dem Prinzipe einer mit dem Ernste der Geseßgebung und der Gerechtigkeit zu vereinbarenden und dem wirklihen Zustande des Landes und Volkes entsprechenden Milde. Abgewichen is, wie mir scheint, von diesem Prinzipe nicht sowohl aus einem diesem Prinzipe allgemein entgegenstehenden an- deren Prinzipe der Schärfung, als vielmehr aus einer durch nichts gerechtfertigten willkürlichen Behandlung einzelner Materien. Fch glaube, darauf vorweg aufmerksam machen zu müssen, weil, wenn ih Recht haben sollte, die genaue Prüfung der einzelnen Strafbestim- mungen wichtiger wird, als wenn ein bereits anerfanntes Prinzip fonsequent durchgeführt wäre. Um die Debatte niht zu weit von dem Nächstoorliegenden abzulenken, beschränke ih mi darauf, die Beweisführung aus dem nächsten Titel zu nehmen, welcher zum Theil von politischen Verbrechen handeit. Es is zunächst die Todesstrafe viel häufiger angeordnet, als dieses dem angedeuteten Prinzipe zu entsprechen scheint und in den Gründen liegen dürfte, welche für Beibehaltung der Todesstrafe von denjenigen Mitgliedern der Ver- sammlung am entschiedensten angeführt worden sind, welche dabei vor- aussebten, daß die Todesstrafe auf die schwersten Verbrechen werde be- {ränkt werden. Es ist zwar richtig und bereits heute im Laufe der Dis- fussion von dem Minister der Geseßgebung angeführt, daß das Land- recht gegen shwere politishe Verbrecher häufiger mit dem Tode ver=- fährt, als der Geseßentwurf, Es scheint aber darauf nicht anzu- fommen bei einem Geseh, welches auf einer wesentlich anderen Basis beruht, abgeschen davon, daß die landrechtlichen Bestimmungen wegen ihrer großen Härte selten zur Ausführung gekommen sind und die Königl. Gnade öfter hat angerufen werden müssen, als anderenfalls nöthig gewesen wäre, Jch will jedoch auf das Einzelne hier um so weniger cingehen, als ich glaube, daß dasjenige, welches ih in dieser Beziehung hätte erwähnen können, im Laufe der früheren Tiskussion von dem Marschall unserer Provinz bereits angeführt worden is, Jch will daher darüber hinweggehen. Viel bedeuten- der aber noch erscheint die Abweichung von dem erwähnten Prinzip und dieômal zugleih von dem bestehenden Rechte, in der Anwen- dung der Zuchthausstrafe auf politische Verbrechen, welche das Land- recht in dem Maße durchaus nicht gekannt hat. Jch kann mir für eine solhe Schärfung, sci es in dem Maß oder der Art der Stra- fen, nur zwei Gründe als zulässig denken, einmal, daß man besorgt, durch die bestehenden Strafen den Staat und die Gesellschaft gegen politishe Verbrechen niht genügend \{hügzen zu können, oder daß man glaubt, die bisherige Strafart wäre nicht geeignet gewesen, dem sittlihen Ernst der Geseßgebung, welher im Volksbewußtsein liegt, genügend zu entsprehen. Beide Gründe aber scheinen hierher nicht zu passen. Unser Staat hat in den bewegtesten Zeiten und namentlich zu einer Zeit, wo politische Verbrecher fast in Schaaren zur Untersuhung und Strafe gezogen wurden, gus-

ereiht mit den bestehenden Strafarten, v viel mir bekannt ist, Bar ohne zum leßten Mittel, zum Beil, greifen zu dürfen, Jene Zeiten sind vorüber, jene Verbrechen sind bestraft, sind vergessen, und viele der damals Straffälligen leben in ungeshwächtem Ansehen

reinster Gesinnung als Staatsbürger, als Staatédiener, warum? weil sie gestraft, nit entehrt siad, und weil nach der bestehenden Gesetzgebung diese Personen, was zu allen Zeiten bei politischen Ver= brechen der Fall sein wird, der überwiegenden Mehrzahl nah einem unreiferen Alter angehörend, der bürgerlichen Gesellschaft vo ständig wieder gewonnen werden fonnten, Wie würde es mit diesen Perso- nen unter dem Spruche des vorliegenden Entwurfs E haben? Würde wohl, frage ih, der Gerechtigkfeitssinn des Volkes eine hâr=- tere, eine entehrende Strafart gefordert haben? Würde wohl, frage ih ferner, der denkende Theil des Volkes heute diese entehrende Strafart fordern für diejenigen politishen Verbrecher, welche zur Zeit des Hochverraths angeklagt, des Landesverraths bereits schuldig erklärt sind? Jch glaube, es würden wenige Stimmen si dafür erheben. Wenn ih mir nun solche Thatsachen, solche Verhältnisse vergegen- wärtige, so muß ih weiter fragen: ist man denn heute berechtigt, zu sagen: ja, das war bisher ganz gut, aber wir reichen damit-niht mehr aus, wir müssen andere und härtere Strafarten gegen politi he Verbrecher haben. Wenn ih mir diese Frage stelle, so denke ih zunächst an §. 110 des Geseß-Entwurfs von 1843, wo es heißt : „Läßt das Geseß zwischen Zuhthausstrafe und Strafarbeit (Festungs- haft) die Wahl, so tritt die Zuchthausstrafe ein, wenn der Verbrecher durch die That eine völlige Verleugnung des Ehrgefühls oder einen hohen Grad von Bosheit zu erkennen gegeben hat,“ Jch erinnere mi ferner, daß ein solher Unterschicd der Gesinnung bei demselben Verbrechen unzweifelhaft stattfinden kann, daß er namentlih bei politischen Verbrehen stattfinden fann, wie in der cs Debatte vielfältig anerkannt worden ist, und daß von manchen ernsten Worten, welche der Königliche Kommissar hier gesprochen, feines einen größeren Anklang gefunden hat, als daß nach seiner Ueberzeugung Ver=- brecher aus politischer Shwärmerei nicht aller Ehre baar sein, nit mit entehreuden Strafen belegt werden dürfen. Mich diesen Aussprüchen an- shließend and danach von meinem Standpunkte aus die Frage, ob eine schärfende Aenderung der Strafart nöthig sei? verneinend , frage ih weiter: vou welchem Boden aus sind die in Rede stehenden Bestim- mungen in das Geseß gekommen? und da muß ih denn offen sagen, daß ih in denselben nichts erblicken kann, als die Spuren einer politisch aufgeregten Zeit, als dunkle ungerechtfertigte Besorgnisse ängstliher Art, wie dieselben einem Geseßbuche dieser Art fremd sein sollten. Es i} fein Vergnügen meine Herren, derartige Bemer=- funger zu machen, die eine Tendenz - Anklage in sich zu schließen cheinen. Jch bevorworte daher, daß eine derartige Färbung in einer bewegten Zeit wohl gewiß eine ganz unwillfürliche geworden sein fann. Trotzdem bin ich überzeugt, ‘daß sie vorhanden ist, und würde mich verantwortlih machen, wenn ih es nicht aussprechen wollte. Jch tarf nicht daran erinnern, daß ich \{werlich der Einzige bin, der die Ansicht hegt. Es ist dies eine Bemerkung, die man zu allen Stunden und an allen Orten von den gewichtigsten Stimmen hört, ih habe es aber für angemessen gehalten, sie in diesem Saale im Schoße dieser hohen Versammlung unverholen auszusprehen. Jch bin überzeugt, meine Herren, daß die geehrten Räthe der Krone uns gegenüber niht minder gute Patrioten sind, als wir selbst, und in dem, was i gesprochen, nicht die Absicht erblicken werden, \{chwäch- lihe Sympathieen für strafwürdige Verbrechen zu erweckden. Jch ver=- traue vielmehr, daß sie es anerkennen werden, wenn man selbst auf die Gefahr hin, mißverstanden zu werden, sich nicht scheut, Alles zu thun, um dem Geseb, vor Allem dem Strafgeseb, die Sympathieen des Volkes zu sichern, ohne welche es doch nur ein klingendes Erz, eine töónende Schelle bleibt oder ein verzehrend Feuer wird. Von diesem Gesichtépunkte das Gesetz betrahtend, werden wir, hoffe ich, wenn meine Ansicht die richtige sein sollte, jene Spuren zu verwischen im Stande sein, wirdes uns gelingen, namentlich diesen Titel, wie ih zuversichtlich hoffe, im Einverständ= nisse mit den Räthen der Krone dahin umzugestalten, daß einfache Handlungen nicht deshalb für Verbrehen erklärt werden, weil sie politischer Natur sind, daß Verbrechen nicht deshalb mit entehrenden Strafen belegt werden, weil sie politisher Natur sind, und das Beil nur auf das Haupt des Schuldigsten niederfalle, dem von der Vor sehung nicht bestimmt war, ihm zu entgehen.

Regierungs-Kommissar Bischoff: Zur Erläuterung des Systemes und der Prinzipien, von welchen die Regierung bei Abfassung der Bestimmungen in dieser wichtigen Materie ausgegangen ist, erlaube ih mir Einiges“ zu bemerken, woraus man, wie ih hoffe, die Ueber- zeugung gewinnen wird, daß der Entwurf, im Vergleich mit unserer bestehenden Geseßgebung, sowohl in den älteren Provinzen, als am Rhein, eine große Milderung enthält und als ein Fortschritt zu betrachten is. Diese Milderung liegt hauptsächlich in der verschieden= artigen Bestimmung des Zeitpunktes, mit welchem nach dem gegen= wärtigen Entwurf das Verbrecheu des Hochverraths erst als vollendet angenommen werden soll. Das Allgemeine Landrecht hatte, wie alle älteren Geseßgebungen, beim Hochverrath die Gränze, wo die Strafe des vollendeten Verbrechens eintreten sollte, bis zum Aeußersten aus=- gedehnt. Es hieß dort im §. 92:

„Éin Unternehmen, welches auf eine gewaltsame Umwälzung der

Verfassung des Staats oder gegen das Leben oder die Freiheit

seines Oberhaupts abzielt, ist Hochverrath.““ Hier war also ganz allgemein und unbestimmt gesagt, jedes Unter= nehmen, es möge in seiner Entwickelung noch so wenig vor- geschritten sein, solle vollendeter Hochverrath seinz und es stand auf ein solhes Unternehmen in dieser weiten und unbestimmten Fassung die Todesstrafe. Bei der Revision hat man si über- zeugt daß das Gese so weit, wie das Allgemeine Landrecht in Ueber= einstimmung mit dem älteren gemeinen deutschen Kriminalrehte und dem römischen Rechte ging, nit gehen dürfe, Es wurden danach Todes- urtheile erlassen, von denen Jeder zum voraus die Ueberzeugung hatte, daß man sie nicht vollstrecken könne. Allerdings erforderte das Verbrechen des Hochverraths in Ansehung des Versuches eine andere Beurtheilung, als andere Verbrechen; denn wenn man si darauf beschränken wollte, den Hochverrath erst dann als vollendet anzusehen und zu bestrafen, wenn er nah allgemeinen Prinzipien konsummirt sei, o würde man geradezu aussprechen, daß er in vielen Fällen straflos wäre. Wenn erst die Verfassung des Staates umgestürzt ist, wenn diejenigen, welche dieses verbrecherische Treiben vollführt haben, an der Spibve der Regierung stehen, wird man niht mehr im Ernste davon reden fönneù, daß noch eine Bestrafung derselben erfolgen solle. Allein wenn hiernach au zuzugeben ist, daß das Verbrechen t es Hochverraths in der Behandlung des Versuches andere Rüsich- ten erfordere, wie gemeine Verbrechen, so hat doch die bisherige Erfahrung ergeben, daß man hierin niht zu weit gehen dürfe, Denn einerseits steht es immer mit den Grundsätzen der Strafge=- rechtigkeit in Widerspruch, wenn die eniferutesten Versuchs - Hand= lungen mit gleicher Strafe, wie das vollendete Verbrechen, bedroht werden, und sodann führt dies nothwendig zu einer großen Zahl von Begnadigungen und diese wieder zur Schwächung des Gesebes und Richterspruchs. Es kömmt also darauf an, die richtige Mitte zu finden, und in dieser Hinsicht läßt sich nicht leugnen, daß man der französischen Jurisprudenz und Legislation das Verdienst aner-