1848 / 38 p. 4 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Fennen muß, daß es ihr gelungen is, eine solche Mitte zu finden. Es is ile: Ausweg son angedeutet im Code pénal, hauptsäch- lich aber demnähst weiter entwickelt und zu entsprehendem Erfolge geführt worden bei der Revision des Strafrehts, welche im Jabre 1832 in Frankreih stattfand. Bei dieser Revision hat mau aller= - dings den Versuch unter Umständen der Vollendung gleichgestellt ; allein man hat gesagt, es soll nur als Versuch in diesem Sinne betrachtet werden das Attentat, welches die deutschen Geseßgebun- gen, welche dem französishen Rechte gefolgt sind, ihrerseits Angriff genannt haben. Unter Angriff versteht man aber die näcstliegende unmittelbare Handlung, durch welche das hochverrätherishe Unter- nehmen direkt zum Ziele geführt werden soll, also die leßte Hand=- lung, deren sich der Verbreher {uldig maht, um seinen Zweck zu erreihen. Diese Art der Handlung is im Entwurfe, welcher den vor- stehenden Grundsäßén gefolgt ist, im §. 81 nur als diejenige be- zeichnet, welche als Hochverrath im eigentlichsten und strengsten Sinne anzusehen ist, und welche allein die eigentlihe Strafe des Hochver= raths trifft. Nächst dieser lezten unmittelbaren, auf Vollführung des hochverrätherishen Zweckes gerichteten Handlung kommt nur noch vor das Komplott, gleichfalls in Uebereinstimmung mit dem französischen Recht, und dieses is im §. 82 erwähnt. Dies is aber nicht das allgemeine Komplott, welches in hochverrätherishen Vrrbindungen be- steht, sondern die Verabredung der zur Vollführung des hochverrä= therishen Zieles unmittelbar hinführenden Handlungen. Gleicher Art ist im §. 83 erwähnt die Aufforderung zu diesen hcchverrätherishen Unternchmen, aber auch in der eben erwähnten engeu Begränzung. Also man hat das eigentli&e Verbrehen des Hochverraths, welches mit s{werer Strafe belegt werden soll, auf diese unmittelbar leßten Handlungen des Verbrechens beschränkt, alle übrigen Handlungen zu dem hochverrätherishen Zwecke sind lediglich als vorbereitende angesehen, und in Ansehung dieser vorbereitenden Handlungen sind die Strafen in den §§. 84 und 85 bestimmt, und zwar wieder mit der Maßgabe, daß im §. 84 die s{chwersten Fälle hervorgehoben sind, und hiernächst im §. 85 eine mildere Strafe für alle übrigen bestimmt is. Nach dieser Entwickelung dcs Systemes wird es, wie ih glaube, nicht {wer fallen, die Aeußerung des verehrten Redners, welcher so eben gesprochen hat, zu widerlegen, daß das Allgemeine Landreht in dieser Materie niht so {were Strafen ausspreche, als der Entwurf. Namentlich erledigt sich damit die Bemerkung, daß das Allgemeine Landreht keine Zuchthausstrafe anordne, Dies is allerdings nit der Fall, jedoch nur aus dem einfahen Grunde, weil alle politishen Verbrechen, welche in dicsem Abschnitte des Entwurfes mit Zuchthausstrase bedroht sind, im Land- recht die qualifizirte Todesstrafe na sih ziehen. Jusbesondere gilt dies von allen den politischen Verbindungen unglücklihen Andenkens, die vor längerer Zeit bei uns vorkamen, von den Verbindungen, welche geschlossen waren, um die Einheit Deutschlands herbeizuführen. Alle diese Verbrechen scheiden im System des Entwurfs ganz und gar aus dem Begriffe des eigentlichen Hochverraths aus, und fallen in die mildere Kategorie der vorbereitenden Handlungen des §. 85. Es ist nun gesagt worden, allerdings hätte man nach der bestehenden

Gesebgebung strenge bestraft, allein man hätte niht entehrt. Hir= auf f Folgendes zu bemerken: Jm §. 85, und das scheint in Rück- sicht des obenerwähnten der hauptsächlihe Fall zu sein, den der ver=- ehrte Redner im Auge hat, ist niht absolut und dispositiv nur die Zuchthausstrafe angeordnet worden, sondern sie ist angedroht worden alternativ mit Strafarbeit. Die Strafarbeit is {hon im Systeme des Entwurfes keine entehrende Strafe, und hieraus ergiebt si, daß diejenigen, gegen welhe diese Strafe erkannt wird, auch nicht entehrt sind. Öudessen muß man diese Bestimmung auch auffassen in Verbindung mit dem übrigen System des Entwurfes, 1nd da is zu bemer= fen, daß im §. 15 ganz ausdrückiich gesagt war, daß die Festungshaft eine Surrogatstrafe für Strafarbeit wäre, sofern niht ausdrücklich im Gesebe der Verlust der Ehrenrehte angedroht ist, Leßteres ist aber im §. 85 nicht geschehen; es is nicht der Verlust der Ehren= rechte absolut angedroht worden, es würde also im System des Entwurfes nach Maßgabe des §. 15 Festungshaft zur An-= wendung gebraht worden sein in allen den Fällen, wo aus dem oben erwähnten Grunde eine solhe Milderung an und für sich ge- eignet ist, Hiernach würde also {hon nah dem Gesegze selbst die Festungshaft eingetreten sein, die gegenwärtig, wo die Todeostrafe von des Königs Maz;estät in Freiheitsstrafe verwandelt wird, uur im Wege der Gnade eintreten kann. Schließlich is im Allgemeinen noch darauf aufmerksam zu machen, daß man im Wesentlichen immer die objeïtive Schwere des Verbrechens annehmen muß zur Richtschnur der Strafe im Maße und in der Art, und nicht solche Fälle, wo aus subjektiven Beziehungen eine Milderung wünschenswcrth ist. Leßtere werden immer der Art sein, daß der Gesebgeber nicht voll= kommen ausreichende Hülfe gewähren fann; hier muß mehr oder minder auf die Gnade des Königs hingewiesen werden. Wenn man aber das Verbrechen des Hochverraths nach seiner objektiven Be= schaffenheit ins Auge faßt, so ist es offenbar das {werste Verbrechen, dessen ein Staatsbürger ih \chuldig machen fann. Es liegt hon in dem Worte Verrath, daß das Verbrechen an sih entehrend ist. Liegen also niht Schwärmerei oder andere Milderungsgründe vor, so L ih, daß man gegen die \{hwerste und entehrende Freiheits-

rafe nichts einwenden kann. YJudessen wird es bei den einzelnen Bestimmungen des Entwurfs Gegenstand einer ernsten Erwägung sein, ob man nicht die Zuchthaussirafe streichen oder alternativ Straf- arbeit androhcn und Festungshast hinzufügen solle, Mit welchen Maßgaben d‘es im System des Entwurfes in den einzelnen Fällen wird geschehen müssen, wenn man nicht nah Fortfall des §. 15 eine

roße Schärfung in den neuen Entwurf hineinbringen will, alles das find Fragen, die einer ernsten Erörterung bedürfen werden, wie sie dieselbe in den bisherigen Stadien der Revision bereits gefunden

aben. ) Abgeordn. von Saucken-Tarputschen : Ich habe mich um das Wort gemeldet, um mich im Allgemeinen über diesen Theil des Gut= wurfs auszusprechen. Mein geehrter Kollege hat aber \o eben den Gegenstand so ershöpfend besprochen, daß ih über denselben füglich hinweggehen fann, und ih will nur darauf etwas erwidern, was der Herr Regierungs - Kommissar dagegen ausgesprochen hat. Cr hat gesagt, daß nach den früheren Bestimmungen diese Verbrechen mit den darauf geseßken Strafen das Geseß ohne Erhöhung derselben, diese blos uit so präzisirt habe, als der vorliegende Entwurf ; es hätte manchmal die Absicht gar nicht bestraft werden fönnen, indem erst die Ausführung einer gewissen Handlung T nitt cinen derselben möglich gean habe. Jh will darauf mich uicht einlassen, zu untersuchen, ob dies nothwendig gewesen, aber das glaube ich, wir alle werden einig sein, daß die Strafen in diesem Theile des Geseyentwurfes viel härter als in den früheren, und namentlih in dem von 1843 festgestellt sind, daß besonders entehrende Strafen

auch da angeorduet worden, wo man sie früher niht faunte. Jch

will nicht blos nah meiner eigenen Ansicht gehen, ai die allge= meine Meinung dr aussprechen, und diese, wie ih sie erfahren habe,

ist, daß das Strafgesebbuh, wenn auch in allen anderen Fällen einen milderen Geist, als die alten Geseße, athmend, bei Hochverrath und allen politischen Verbrechen aber mgs strenger und härter ist, als L LA Nun frage ih, ob Veranlassung dazu vorhanden war oder ist? Wahrlich wir haben sie bei uns nicht, Man muß nach

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diesen Verschärfungen im Auslande glauben, daß sih der preußische Staat nicht mehr so sicher als früher fühle, daß es bei uns gähre; während doch der gute Geist und der edle Patriotismus si stets leih im Allgemeinen zeigt, und das Gefühl und die Anhänglichkeit für Thron und Reich unverändert dasselbe geblieben ist. Wenn wir nun jeßt auf einmal mit härteren Strafen hervortreten, so würde man irre werden an der Gesinnung des preußischen Volkes, au dem Geiste der Milde der Regierung, und ih glaube, wir sind aus Achtung für Regierung und Volk verpflichtet, niht härtere Strafen festzuseßen, damit wir zeigen, eine solche Besorgniß is niht vorhanden, existirt nicht. Der preußishe Staat wird an sittlicher Kraft nur gewinnen, an hoher Achtung im Auslande nur zunehmen, wenn er auch bier mild und, ich möchte sagen, s{honend Verirrungen Einzelner behandelt, nicht Schärfungen der Strafen und entehrende Folgen daran fnüpft. Nachdem ih mir dies im Allgemei=- nen zu sagen gestattet habe, will ich mir noch ein Wort im Einzelnen erlauben. Jch finde hier im Strafgesebuche, daß das vierte Alinea hier nit hingehört, und daß es eigentlih besser unter die Kategorie des Landeëverraths zu verweisen i. Es steht hier: „das Staats=- gebiet ganz oder theilweise der Herrschaft des Königs entziehen.“ Wenn es theilweise is, so möchte es nah §. 101 der früheren Ge- seßgebung unter den Landesverrath gehören; und wenn es der ganze Staat is, so trifft es mit dem Alinea 2 zusammen, und is also wieder hier entbehrlich, und wäre deshalb hier zu streihen, und bei dem Landesverrath aufzunehmen.

Abgeordn. von Byla: Dem Antrage der Abtheilung, hinsicht- lih der §§. 80. u. 81, trete ich im Allgemeinen bei, namentlich theile ih ad Nr. 2 im §. 80 das Bedenken, daß der Ausdruck, die Thronfolge zu verändern, etwas zu weit umfassend sei, in- dessen der Vorschlag der Abtheilung, statt dessen zu sagen : die Thron- folge-Ordnung umzustoßen, dürfte wieder zu eng gefaßt sein. Das Wort umstohen bezeichnet nur den gänzlihen Umsturz; ih glaube aber, daß schon eine theilweise und gewaltsame Veränderung der Thronfolge als Hochverrath zu erahten, Betrachten wir das Haupt- merkmal aller Arten von Hochverrath im §. 80, so is dasselbe die Gewaltthätigkeit, und ih glaube, wenn wir dies auch in dem vor= liegenden Falle genau ausdrüden, werden wir das Bedenken der Ah- theilung beseitigen können. Mein Autrag geht sonach dahin, statt der Worte: „die Thronfolge zu verändern“, zu sagen: „die Thronfolge gewaltsam zu verändern.“ Falls mein Antrag die gehörige Unterstüßung finden sollte, bitte ih, ihn zur Fragestellung zu bringen.

Marschall: Jh habe zunächst zu fragen, ob der Antrag des Abgeordneten von Byla die Unterstüßung von aht Mitgliedern findet?

Er hat sie nicht gefunden. : i

Abgeordn. Steinbeck: Ein verehrtes Mitglied aus der Provinz Preußen hat den Gegenstand, um den es sih handelt, bereits aus dem politischen Gesichtspunkte vollständig beleuchtet, welcher hier nicht aus den Augen geseßt werden darf, wenngleich bei Abfassung von Gesetzen ein solher Gesichtspunkt dem höheren philosophischen unter- geordnet werden muß. Es is ein Fortschritt der Legislation, daß

die ältere Ansicht, wonah man die Verbrechen des Hochverrathes, der Landesverräherei, der Majestäts - Beleidigung und andere mehr unter eine einzige Kategorie subsumirte, wie das ältere römische Recht in der Lex. Julia Majestatis fie unter das Verbrechen gegen die Ma- jestät zusammenfaßt, immer mehr und mehr aufgegeben uud diese Verbrechen immer mehr getrennt hat. Wir mögen es als einen Fort-= schritt der Geseßgebung unstreitig betraten, daß auch der vorliegende Gesebß - Entwurf sich bemüht, durch scharfe Trennung dieser Art grö-= ßere Klarheit in die Auffassung der Natur des Verbrechens zu brin- gen und zu verhüten, daß man Gegenstände unter einander menge, die einander fremd sind. Was nun, dem Objekt nach, die Gewichck tigkeit des vorliegenden Gegenstandes betrifft, so liegt hier ein Mo- ment der Geseßgebung vor, bei welhem sich hier allein vou Ver- brechen, wodur ein Privatmann den anderen oder ein Staatsbür= er, eine Klasse von Staatsbürgern, ja auch nit einmal von Ver- rehen, wodur er den ganzen Staat beleidigt, sondern es handelt sich von einer Stellung, die ein Staatsbürger einzunehmen sich erdreistet, welche sein Staatsbürgerthum ausschließt. Es is ein Zustand des Krieges, in den er sich verseßt; es is ein Zustand, ih möchte sagen, ähnlich dem Zustande, in dem sich Jemand besindet, der gegen das Leben und gegen die Freiheit seiner eigenen Aeltern wüthet ; es is ein Zustand, der mit den härtesten Strafen allerdings betroffen werden soll und betroffen werden muß. Was der Staat gegen den einzelnen Ver- brecher verfügt, das is er allen seinen einzelnen Bürgern schuldig; um so vorsichtiger muß der Legislator aber bei dem Beurtheilen des Verbrechens des Hochverraths zu Werke gehen, weil er sich hier leicht auf das Gebiet der Tendenz-Prozesse verirrt und, den Einzelnen sttra- fend, Alle verleßen fann, Nicht über das Junere des Verbrechens hat der Staat überall zu urtheilen, und doch kann er bei Verbrechen der hier vorliegenden Art es unmöglich vermeiden, dieses Jnnere mit zu seiner Cognition zu ziehen. Das Motiv des Verbrechens ist es hier ganz besonders, welches seinen Charakter bestimmt, und es ist bereits seitens des Herrn Landtags-Kommissars so wahr und. schön als ergreifend bemerkt worden: daß gerade bei Verbrechen dieser Art vielleicht die edelste Gesinnung dem Verbrechen zu Grunde lag, der Staat aber do mit der vollen Gewalt seiner Strafkraft es treffen muß. Deshalb trete ih dem sehr verehrten Mitgliede aus Preußen darin vollkommen bei, daß die Strafarten, welche hier ausgesprochen sind, keinesweges überall der Natur des Verbrechens entsprechen, baß vielmehr hier durhaus das Verbrechen im Allgemeinen zu carakteri= siren is durch die Motive, aus denen es hervorgeht, und welche in der Regel nicht unedel sind. Es wird daher und das verehrte Mitglied vertheidigt, glaube ih, diese Meinung ein Parallelis- mus stattfinden; ein Parallelismus von Strafarten, welche niht ent- ehrend sind, und von solchen, welche entehrend sind. Meine Freunde, welche mit mir, die wir die Todesstrafe verwerfen, sie aber aurh an und für sich niht als die härteste der n 6 erkennen, verwerfen sie zwar -auf jeden Fall auch deshalb für dieses Verbrechen, weil sie uns nicht hart genug is. Aber da, wo nicht entehrende Motive (Bestehung und andere Unwürdigkeiten), vielleicht niedrige Rache, den Verbreher zum Hochverräther und Landesverräther ma= R "3 ist es unmöglich, anzuerkennen, daß ihn Zuchthausstrafe tref en soll.

Ein anderer verehrter Abgeordneter aus Preußen, den ih mit Freuden in \o vielen Punkten als Freund begrüße, hat gemeint : Der Entwurf sei in den Bestimmungen über den Hochverrath härter, als das Landrecht, Das fann ih nicht anerkennen. Das Land- recht \priht in einer ganzen Reihe von Paragraphen nur von Rad und Feuertod und Hinrichtung auf die \{reckbarste Weise, die sogar nicht einmal dort ausgedrüdckt ist; so daß sie der Phantasie einen weiten Spielraum läßt. Von dem Allen is im Entwurse nicht die Rede. Er hat durchaus eine andere, würdigere Ansicht gefaßt, Wende ih mich jebt speziell zu §. 80, so will ih nur bemerken, daß ih bei dem vierten Sabe ein Bedenken niht un- ausgesprochen lassen kann, Es ist nämli dort gesagt, daß der, wel= her das Staatsgebiet theilweise der Hoheit des Königs zu entziehen

bien u. st. w. Sollte nun hierbei ‘der Ausdruck: „gewaltsam“ chlen, so könnte. dieser Say“ üble Folge für Diplomaten nah sich ziehen; denn wohl ist es möglich, daß aus den weisesten und patrio-

tishsten Gründen ein Diplomat dafür stimmen und C ein Theil des Gebietes Sr. Majestät E Ruy pa bealliders den Scepter seiner Regierung zu stehen. Es kaun das der edelste Wille thun, er kann zum wahren Besten des Staats durchgeführt Bien, und der Diplomat wäre zum Danke dafür dem Beile ver=- fallen.

Regierungs- Kommissar Bischoff: Es wird hier, wie in ande- ren Bestimmungen des Kriminalrehts, der böse Vorsaß und die wider= rehtlihe Absicht vorausgeseßt, sonst würde z. B. bei Körperverleßun= gen, wenn es dort heißt, daß der Verleßende diese oder jene Strafe erleiden soll, damit auch der Chirurgus gemeint sein, welcher eine Amputation vornimmt, L (Heiterkeit.)

CLandtags-Rommissar: Jh erlaube mir in wenigen Worten über den geehrten Redner aus Preußen mich zu äußern, welcher zu= vörderst das Wort über die allgemeine Frage ergriffen hat.

Er hat mit einem anderen geehrten Redner aus Preußen die Behauptung aufgestellt, daß die Strafen für die politisheu Ver- brechen in dem neuen Geseß - Entwurfe härter seien, theilweise we= nigstens, als die bestehenden. Jch glaube, daß diese Behauptung von dem Herrn Kommissar des Justiz - Ministeriums im Allgemeinen hinlänglich widerlegt is und ih deshalb nicht darauf zurückzukommen brauche. i

Die Tendenz einer Schärfung hat bei dem Entwurfe nicht zu Grunde gelegen; sollte im Einzelnen nahgewiesen werden, daß eine wirklihe Schärfung gegen den bisherigen Zustand eingetreten sei, \o glaube ih, daß die Regierung nichts dagegen zu erinnern haben werde, von einer solihen nit beabsihtigten Veränderung zurüzutreten.

Uebrigens aber ‘hat das geehrte Mitglied aus der Provinz Preu= ßen seine Rede mit dem dreifachen Wunsche geschlossen : einmal, daß eine einfache Handlung nicht deshalb zum Verbrechen gestempelt werden möge, weil sie politischer Natur sei; zweitens, daß die Ver= brechen, welche an sih niht entehrend seien, niht blos deshalb mit einer entehrenden Strafe belegt werden möchten, weil sie politischer Natur seien, und drittens, daß das Beil nur fallen möge auf die Häupter derjenigen, die ihm (wenn ih recht verstanden habe) von der Natur bereits überwiesen oder ihm zu entgehen nicht bestimmt seien. Der Herr Deputirte hat sih bei Aussprehung dieser Wünsche auf die Sympathie der Regierung und ihrer Organe berufen.

Jh erkläre, was den ersten Punkt betri, meine vollständige Sympathiez ih bin vollkommen der Ansicht, daß eine einfache Handlung nur deshalb, weil sie politischer Natur sei, kein Verbrechen werden könne. Sollte eine solhe Bestimmung im Strafgeseß-Ent= wurf nahgewiesen werden, was ih bei den einzelnen Fällen zu ver= suchen anheimstelle, so werde ih mich gewiß mt für deren Beibe= halten aussprechen. 2 i :

Was den zweiten Punkt betrifft, so erkenne ih an, daß es in der vollen Konsequenz der von der hohen Versammlung angenomme= nen Grundsäße liegt, daß nicht eine an sich niht entehrende Hand=- lung deshalb mit einer entehrenden Strafe belegt werden dürfe, weil sie politischer Natur sei, und ih glaube daher, daß in dieser Bezie= hung einige Paragraphen des Gesebbuchs einer Aenderung bedürfen, der sih die Regierung nicht widerseßen wird. E

Was endlich den dritren Wunsch anbetrit, o bin ih wirkli nicht im Stande, mich darauf zu erklären, weil niht mir allein, son-= dern wahrscheinlich au allen Richtern es an einem Kriterium fehlen würde, um zu beurtheilen, ob ein Haupt von der Natur dem Beile verfallen sei oder niht.

Jn den wesentlichen Punkten darf der geehrte Redner demnach, was die Konklusionen seiner Rede betrifft, auf die Sympathie der Re= gierung und ihrer Organe rechnen.

(Bravoruf.)

Abgeordn. von Auerswald: Was den leßten Punkt anbetrifft, so muß ich doch bemerken, wie ich niht glaube gesagt zu haben, daß die Natur ihn dazu bestimmt habe; was ih gesagt habe, wird die Stenographie ausweisen; ih glaube das Wort Vorsehung ge= braucht zu haben,

Marschall: Die Worte waren: Welches von der Vorsehung ihm zu entgehen nicht bestimmt ist.

Abgeordn, von Auerswald: Außerdem hat diese leßte Aeuße- rung wohl auf keine Weise eine Aufforderung zu einer Erklärung seitens der geehrten Räthe der Krone darüber enthalten sollen, ob man dem beistimme, daß ein Haupt nicht fallen soll, welhes von der Vorsehung nicht dazu bestimmt sei. Jch glaube, wenigstens war dies meine Absicht, ungefähr in der Art geschlossen zu haben, daß ih aus= sprach: vorausgeseßt, meine Behauptung sei rihtig, und wenn man von den Gesichtspunkten ausginge, die ih vorgeschlagen hatte, daß alsdann nach dem Rathe der Vorsehung zur Sühnung des Ver= brechens fein Haupt als das des Schuldigsten fallen dürfte. Jch habe aber auf feine Weise den Auspruh gemacht, in dieser Beziehung eine an= dere Unterstüßung verlangen zu wollen, als für die Abänderung des Geseßes, für die Vorsehung gewiß am wenigsten, E

(Heiterkeit in der Versammlung.) Abgeordn. Camphausen: Jch beabsichtige niht, auf das All- gemeine der Fragen einzugehen , welches schon von mehreren Mit= liedern erörtert worden ist. Die Bemerkungen, die ih zu machen 8 beziehen \sih lediglih auf Nr. 3 im §. 80, ter zur Berathung vorliegt. Jch halte hohe Strafen gegen den Hochverrath für die Volksfreiheit niht sehr gefährlich , “insofern immer vor ihrer Voll= streckung die öffentliche Meinung gefragt zu werden pflegt, und wenn sie sich mit Deutlichkeit und Feuer kundgiebt, au berücksichtigt wer- den muß. Jh würde daher gegen die shweren Strafen, welche g. 80 verhängt, erheblihe Erinnerungen niht zu machen haben, wenn dieser Paragraph isolirt dastände; allein er steht in engem; unmittelbarem Zusammenhange mit den später folgenden §§. 82, #3 und 85. Von jeher is der Hochverrath das Thema gewesen, woran sich die Lehre von dem Versuche geübt, ausgebildet und ausgereckt hat; so bestraft denn auch der Entwurf zuerst das S es Hochverrathes, dann den Versuch des Hochverrathes, wie ER i Se hen selbst; sodann im §. 82 den Versuch des Versuchs, A le S abredung zu einem Versuche, und weiter in gg. 83 10 2 den Ver= su) des Versuchs eines Versuhs , nämlich die Malsor D eine Lcrabredung zu einem Versuche zu treffen , oder 1 ‘Bed il vorbe= reitende B, Bei D dem Vil es sich N E N egen den Titel sich nicht sehr steigern, / Toi iee Uenbeting e V taverfassung durh Gewalt handelt, und weil jede Regierung die Mittel haben muß, gewaltsame Angriffe auf die Staatsverfassung zurüczutreiben und mit Strenge zu bestra=- fenz auch würde ih nit darauf gekommen ed daß die klaren Worte des §. 80: „die Staatsverfassung gewaltsam zu ändern“, eine andere Deutung enthalten fönnten, wenn id) nicht vor kurzem eine Abhandlung gelesen hätte, die einem ehemaligen preußischen Justiz- Minister zugeschricben wird, und die mir Bedenken erregt hat. Nach dieser Abhandlung soll es gleichgültig sein, ob die hochverrätherische Handlung eine „Begehungs- oder Unterlassungs - Handlung“, ob sie mittelbar oder unmittelbar auf den Hochverrath gerichtet, ob sie in nähe= rem oder entfernterem Grade gefährlih, ob sie als Handlung er= laubt oder unerlaubt, ob sie öffentlih oder verborgen war. Die Jn= terpretation geht aber noch weiter. Nach dem Allg. Landrechte is ein Unternehmen, welches auf eine gewaltsame Umwälzung der Ver=-

fassung abzielt , Hochverrath. Damit stimmt §. 80 in Nr. 3 dem Sinne nah vollstäudig und auch den Worten nah überein, indem er ebenfalls von einer gewaltsamen Unternehmung spricht. Jene Abhandlung nun behauptet: es sei völlig Gei bes ob die Haudlung eine gewaltsame war oder nicht, fürden Staat sei fein Unterschied zwischen gewaltsamen und niht gewalt- samen Handlungen zu finden, im Gegentheile dürfe das slei- chende Gift der Volksverführung für den Staat und dessen Ruhe in der Regel wohl gefährlicher sein, als ofene, gewaltsame Hand- lungen. Das Beiwort gewaltsam beziehe sih nicht auf die Un- ternehmung, sondern auf die Umwälzung. Die Unternehmung fönne eine nit gewaltsame sem, die Umwälzung müsse aber allemal gewaltsam sein. ;

_ Legen wir diesen Sinn in §. 80, so würde er in den Worten sih ausdrücken lasseu: „Wer es unternimmt, ohne Anwendung von Gewalt die Staats-Verfassung gewaltsam zu ändern“, oder er würde selbst so lauten können: „Wer es unternimmt, die Staats-Verfassung zu ändern.“ Wenn aber das der Sinn des §. 80 wäre, so bitte ih, zu bedenken, ob Jemand in dieser Versammlung, uamentlich mit Rück- sicht auf die späteren Paragraphen, Sicherheit hätte, nicht auch ein- mal beschuldigt zu werden, Das weiß ich, daß wir gegenwärtig und in der nächsten Zukunft \o künstlihe Juterpretationen niht zu be- fürchten haben, allein die Zeit, wo sie wirkflich gemacht wurden , ist noch in frischer Erinnerung bei uns, und deshalb, wäre es auch nur wegen der Klarheit der Fassung, würde ih vorschlagen, daß es in Nr. 3 lautete: „Wer es unternimmt, durch Anwendung von Ge- walt die Staats -Verfassung zu ändern.“ :

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch glaube, man kaun sich freuen, daß die Abhandlung, welche eben erwähnt worden is, einem ehemaligen und nicht einem jeßigen Justiz- Minister zugeschrie- ben wird; uur wenn das Leßtere der Fall wäre, könnte sie einiger- maßen von Gewicht sein. Dann kann ih in keiner Weise finden, daß Nr. 3 dadurch prägnanter gefaßt würde, wenn er so gefaßt würde, wie der Abgeordnete aus der Nheinprovinz vorgeschlagen hat.

Abgeordn. Canphausen: Nach meinem Vorschlage sollte „ge- waltiam““ vorausgehßen.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch glaube, es wird kein Unterschied sein, und der Paragraph is so klar gefaßt, wie er nur gefaßt werden kann. Wenn man nun noch dazu nimmt, was die Abtheilung vorgeschlagen hat, daß die §§. 80 und 81 in einen Pa- ragraplen umgearbeitet werden, damit noch schärfer das bezeichnet werde, was der Herr Kommissar bereits erwähnt hat, daß es si auch im §. 80 eben nur von unmittelbar die Ausführung bezwecken- den Handlungen hier handle, wenn das dadur noch klarer wird, so dürfte ein Weiteres kaum erforderlich sein, und ich würde meinerseits wenigstens die Fassung der Nr. 1, 2, 3, 4, wie sie da stehen, an=- nehmen, jedoh mit der Modification, welche mit Beziehung auf die Thronfolge von der Abtheilung vorgeschlagen worden ist.

Abgeordn. Camphausen: Jch lege ein großes Gewicht auf die Ansicht des geehrten Abgeordneten und Vorsißenden der Abtheilung ; im gegenwärtigen Falle würde ih aber ein größeres Gewicht darauf legen, wenn von der Regierung eine Erläuterung gegeben würde.

Justiz= Minister Uhden: Das ist ganz unbedenklih und is auf feine andere Weise gedacht rvorden, als wie der geehrte Abgeordnete aus Pommern, der zugleich Vorsißender der Abtheilung is, ge- sagt hat, ; ;

Justiz - Minister von Savigny: Jch kann nur dem beitreten, was der Vorsißeude der Abtheilung gesagt hat, daß die Fassung dieser einzelnen Nummern so beschaffen is, daß ohne eine gewaltsame Behandlung der einzelnen Säße wüklih eine andere Anwendung des Gesebes, als wie sie hier gemeint ist, kaum möglich ist.

Marschall: Es fragt sich, ob der Vorschlag als ein solcher be=- zeichnet wird, welcher der Gegenstand eine Frage werden möchte, in wel=- chem Falle zu ermitteln wäre, ob er die Unterstüßung von 8 Mit= gliedern erhält.

Abgeordn. Camphausen: Jch bin allerdings durch die Erklä= rung der Herren Minister noch nicht ganz befriedigt.

Marschall: Es liegen zwei Anträge vor. Der erste is von dem Abgeordneten von Saucken dahin gemacht worden, daß Nr. 4 in Wegfall kommen möge. Es ist zu ermitteln, ob er die Unter- stüßung von 8 Mitgliedern findet.

Ex hat sie gefunden und wird Gegenstand einer Fragestellung werden. Außerdem i zu ermitteln, ob der Vorschlag des Abgeord=- neten Camphausen die Unterstüßung von 8 Mitgliedern findet,

(Er hat sie niht gefunden.)

Abgeordn, von Potworowski: Jch werde bei §. 80 unter 4 gegen die Todesstrafe stimmen, nicht blos wegen der allgemeinen Gründe, die von anderen geehrten Rednern erörtert worden sind, sondern auch wegen der eigenthümlichen Lage, in der ih und meine polnischen Landsleute uns besinden, 1m Rückblick guf die traurigen Geschicke unscrer Nation, Wir sehen uns daher veranlaßt, auf na- mentlihe Abstimmung anzutragen.

Marschall: Bezieht sih das auf Nr, 4?

Abgeordn. von Potworowski: Ja, es gehört zu Nr. 4.

Marschall: Es wurde schon vorhin auf Wegfall des vierten Satzes angetragen.

Abgeordn. von Saucken-Tarputschen: Mein Antrag ging nicht dahin, ihn ganz zu streichen, sondern nur dahin, ihn hinüber zu weisen in den Abschnitt vom Landesverrath, weil er, im Allgemeinen gedacht, hier nicht nöthig scheint, indem er im Alinea 2 begriffen ijt und, theilweise aufgefaßt, auch die frühere Geseßgebung dorthin gestellt hatte.

Marschall: Es war beantragt, ihu ganz zu streichen,

Abgeordn. von Saucken-Tarputschen: Jhu hier zu streichen und in den zweiten aufzunehmen.

Marschall: Es is zu ermitteln, ob der Vorschlag des Abgeord- neten von Potworowski, daß in Position 4 die Todesstrafe wegfallen möge, die Üntcrstüßbung von 8 Mitgliedern findet,

Er hat sie gefunden und wird zur Abstimmung kommen,

Justiz - Minister von Savigny: Es is mir nicht ganz klar ge- worden, welches jeßt der Gegenstand der Diskussion sein solle. Jch habe wohl gehört, daß von vielen Seiten Nr. 4 angefochten worden ist, Von einer Seite is gesagt worden, es gehöre nicht hierher, sondern unter den Landesverrath, von der anderen Seite is} bemerkt worden, es müsse die Todesstrafe bei Nr. 4 wegfallen. Jd weiß niht, welche spezielle Seite zur Diskussion stehe, oder ob im Allge- meinen über Nr. 4 gesprochen werden soll, Jh selbst will jeßt über die allgemeine Natur der in Nr. 4 bezeihneten Verbrechen sprechen. Es wird gleichgestellt dem Hochverrath der Fall unter Nr. 4, wenn Jemand es unternimmt, das Staatsgebiet ganz oder theilweise der Herrschaft des Königs zu entziehen. Geseut nun, es unternimmt Jemand, das - ganze Staatsgebiet der Herrschaft des Königs zu entziehen , indem er übrigens die Staatsverfassung niht ändern wollte, so heißt es nichts anderes, als den König von der Regie= rung dieses Landes zu verdrängen, Es wird also die Vertheidigung von Nr. 4 sih rihten müssen auf den Zusaß: „oder theilweise.“ Das isst eine Frage, die in der neueren Zeit vielfah angeregt wor- den is. Sollen wir sagen, wer das ganze Land der Herrschaft des Königs entzieht, is ein Hochverräther, wer ihm aber nur einen Theil

entzieht, is kein Verbrecher, oder ein Verbrecher auderer Art, also |

etwa ein Landesverräther? Der Begriff des Landesgerraths ist,

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si anschließend an die frühere Geseßgebung, auch im gegenwärtigen Gesege flar hingestell. Er bezieht sich auf das Verhältniß ad seres Staats zu einem anderen Staate, wodurch zum Verderben unseres Staats einer fremden Macht Vorschub ge!eistet werden solle. Kann man nun sagen, daß, wenn Jemand einen Theil des Gebiets dem König entziehen will, dieses stets unter den Begriff Landesverrath falle? Es giebt viele Unternehmungen solcher Ark, wobei man nit daran denken kann, die Handlung unter dem Begriff des Landesverraths zu subsumiren. Geseßt, es Fei niht von einem feindlichen Verhältnisse zu einem auswärtigen Staate die Rede, \on- dern davon, daß unsere Staatsverfassung im ganzen Gebiete des Staates oder in einzelnen Theilen des Landes so völlig verändert werde, daß dadurch die Herrschaft des Königs in diesem Theile auf= hört, es geht zum Beispiel die Unternehmung darauf, in dem ganzen Lande aus einer Monarchie eine Republik zu machen, so wird niemand zweifeln, daß dies {hon nah Nr. 2. des Paragraphen unter Hochverrath gehöre, aber auch Nr. 4. würde passen, denn das ganze Land würde der Herrschaft des Königs entzogen, Ginge aber dle Unternehmung nur auf einen Theil des Landes, etwa nur auf eine Hälfte, welche aus der Monarchie in eine Republik verwandelt werden sollte, so würde dieser Theil des Staatsgebietes, wenn das Unter= nehmen gelänge, der Herrschaft des Königs entzogen sein. Man versucht nun, diese Unternehmung Landesverrath zu nennen, es sind aber Handlungen ganz verschiedener Art. Sollen es straflose Hand= lungen sein! Das wird Niemand behaupten. Soll es also weder eine straflose Handlung sein noch Landesverrath, so bleibt unihts übrig als Hochverrath. Wenn wir nun anerkennen, daß die Verwandlung des ganzen Landes aus einer Monarchie in eine Republik Hochverrath ist, so müssen wir au dasselbe aunehmen, wenn an einem Theile des Landes diese wichtige Veränderung vollzogen wird, Ob es am Ganzen geschieht oder an einem Theile, dieses kann vielleicht die Strafbar= feit vermindern, aber die Natur der Handlung nicht veränderu. Diese Möglichkeit läßt sich auch noch auf verschiedene andere Gestalten zurük= führen. Wenn man zum Beispiel eine einzelne Provinz aus der Monarchie herausreißen und in cine Republik verwandeln will, so wird darin die Herrschaft des Königs zerstört, die Verfassung zugleih umge=- ändert. Diese Handlung is der auf das ganze Land ‘berechneten gleichartig und nur der Quantität nah von ihr verschieden. Dies gilt auch von einer einzelnen Stadt. Wenn - Jemand im ganzen preußischen Staat, mit Ausnahme einer einzigen Stadt, eine voll- ständige Umwälzung der Verfassung unternähme, wollen wir zweifeln, daß es als Hochverrath zu bezeichnen und als eine gleichartige Hand= lung mit derjenigen is, welche sh auf das gánze Staatsgebiet bezieht? Man kann daher nicht zweifeln, daß, was vom Ganzen gilt, auch von jedem einzelnen Theile gelten muß, und der Begriff des Hoch= verraths anzuwenden is auf alle Handlungen, wodurch auch nur ein et n Staatsgebiets der Herrschaft des Königs entzogen wer=- den joll.

Abgeordn. von Saucken - Tarputschen : jeßt des Worts. j

Abgeordn. von Brünneck: Jh muß zunächst, was den §. 80 betrit, in Konsequenz meines früheren Antrags und in Uebereinstim- mung mit dem Gutachten des preußischen Landtags darauf antragen, daß nur im ersten Falle des Paragraphen die Todesstrafe, für alle übrigen Fälle aber die höchste Freiheitsstrafe bestimmt werde. Jch muß ferner, was den zweiten Säh“ des §. ‘80 betrifft, glauben, daß es doch wohl nöthig sein ‘dürfte, den Saß Nr. 2 noch präziser so zu fassen, daß er heiße: „däs föniglihe Haus oder den König von der Regierung zu verdrängen.“ Deun die jeßige Fassung: „den König zu verdrängen,“ \{heint mir zu weit, und könnte doch wohl mißverstanden werden. Es is ferner hon zu dem vierten Saße bemerkt worden, daß es nothwendig sein dürfte, wie bei Nr. 3 das Wort: „gewaltsam““ einzuschalten; ih glaube aber auch, daß es selbst nothwendig sein möchte, bei Nr. 2, wo die Abtheilung schon eine andere Fassung vorgeschlagen hat, ebenfalls uoch das Wort „gewalt- sam“‘ einzuschalten. Denn wir sind bis jeßt von der Vorsehung be= sonders begnadigt worden, und haben noch nie Veranlassung gehabt, eine Veränderung in der Thronfolge zu wünschen, auh haben wir, Gott sei Dank! die Aussicht, daß es noch recht lange Zeit so bleiben werde. Wir haben in Folge unserer Thronfolge-Ordnung immer mit seltenen Eigenschaften ausgestattete Regenten gehabt, welche stets das Wohl des Vaterlandes im Auge behalten und gefördert haben. Das vorliegende Gesebß soll aber nicht allein für die nächsten funfzig Jahre, sondern noch länger dauern, und unser Vaterland könnte künftig doch auch einmal das große Unglück haben, einen geistes\{chwachen Throu= folger zu bekommen, während der nächstfolgende Prinz mit den edel= sten Eigenschaften begabt wäre. Der Wunsch würde dann eintreten fönnen, daß es anders sein möchte, und dieser würde nicht verbreche- risch sein, Jch glaube daher, daß es nothwendig is, das Wort „gewaltsam“ bei Nr. 2 gleichfalls einzuschalteu.

Abgeordn. von Byla: Das isst mein Antrag. Es i} \chon gefragt worden, ob er unterstüßt würde, er is aber nicht unterstüßt worden, und deshalb kann er gegenwärtig nicht wieder gestellt werden.

Marschall : Der Antrag is, als er von dem Abgeordneten von Byla gestellt wurde, nicht unterstügt worden. Es würde also die Unterstüßungsfrage auf den Antrag des Abgcordneten von Brün- neck zu stellen sein, die Todesstrafe uur in dem Falle unter Nr. 1. eintreten zu lassen. Er hat die erforderlihe Unterstüßung gefunden.

Landtags - Rommissar: Jn Beziehung auf diesen Vorschlag will ih mir zwar nicht erlauben , eine -Parallelle zwischen den unter Nr. 2 und 3 aufgeführten Verbrechen zu ziehen, um das eine für todeswürdiger als das andere zu erklären; darauf aber erlaube i mir hinzuweisen, welche unter positio I, zu subsumirenden Fälle vorkommen können.

Es if von meinem verehrten Kollegen bereits das Unternehmen, einzelne Theile der Monarchie in eine Republik zu verwandeln, an= geführt; ich führe weiter den Fall an, daß Jemand sih zum König oder zum Großherzog oder unter was sonst für einen Titel zum Herrscher eines Theiles der Monarchie aufwürfe, daß er sich zum Großherzog vom Niederrhein oder von Posen, oder zum Herzog von Preußen 2c. erkärte, daß es ihm gelänge, die Provinz in Aufruhr zu bringen , einen Bürgerkrieg zu entzünden, in welchem Tausende dem Tode geopfert würden, soll das kein todeswürdiges Ver= brechen fein?

Jch meinerseits bin überzeugt, daß, so lange überhaupt die Todesstrafe besteht, so lange es todeêwürdige Verbrechen giebt , auch S und ähnliche Fälle nur mit der Todesstrafe belegt werden miissen.

(Einige Stimmen: Ja! Andere. Stimmen: Abstimmen !)

Marschall: Wir kommen also zur Abstimmung, wenn keine Be- merkung weiter erfolgt. Es werden die Anträge, die gemaht worden sind, dem Autrage ‘der Abtheilung vorausgehen müssen. Der Antrag des Abgeordneten von Potworowski giebt Veranlassung zu der Frage :

Soll beantragt werden, daß in den Fällen von Nr, 4 des §. 80 auf Todesstrafe niht zu erkennen sei? Und die diese Frage bejahen, würden das durch Aufstehen zu er- kennen geben.

Abgeordn. von Auerswald: Jh habe nicht geglaubt, daß wir hon zur Abstimmung kämen, sonst hätte ih noch wenige Worte an

Jch begebe mich für

| den Herrn Landtags-Kommissar, in Betreff seiner leßten Aeußerung, zu rihten gewünscht.

Marschall : Jch bin zur Abstimmung gekommen, weil kein Mitglied sich mehr zum Worte gemeldet hatte; wird indessen ein be- sonderer Werth darauf gelegt, io habe ih nihts dagegen, daß der Abgeordnete das Wort noch ergreife.

Abgeordn. von Auerswald: Nur zwei Worte, um im Namen derjenigen, welche dafür stimmen, daß die Todesstrafe für die Fälle unter 2, 3 und 4 aufgehoben werde, namentlich aber in Bezug auf Nr. 2, was vorzugsweise von dem Herrn Landtags-Kommissar an- gegriffen werden i, mi dahin zu erklären, daß es nicht unsere Mei- nung sei, als hielten wir diese Verbrechen nicht für {hwere, sondern daß wir einen wesentlihen Unterschied zwischen solchen Verbrechen des Hochverraths machen, die, sie mögen, in welcher Art sie wollen, be- gangen sein, immer dieselbe Gefahr für das Vaterland nach sih zie- hen, und solche, wo Kewite Eventualitäten dazu kommen müssen, um sie den ersteren in dieser Beziehung gleichzustellen. Wer das Leben, die Freiheit oder die Gesundheit des Köuigs gefährdet, gefährdet jedesmal eben dadurch den ganzen Staat, wer aber auf die unter Nr. 2 angegebenen Unternehmungen verfällt, wird nur in dem Falle seltenen Gelingens und nur in den von dem Herrn Landtags - Koms missar angedeuteten und ähnlichen Fällen in demselben Maße gefähr=- lich, Von diesem Gesichtspunkte aus, von dem Gesichtspunkte einer sehr wesentlihen Unterscheidung der verschiedenen Verbrechen und getreu der Ueberzeugung, daß man die Todesstrafe, wenn sie über=- haupt zu erkennen i}, nur für die s{hwersten Verbrehen erkennen dürse, werde ih gegen die Todesstrafe unter 2, 3 und 4 stimmen. -

Marschall : Es is zweckmäßig, die Frage, welche aus dem An- trage des Abgeordneten von Brünneck hervorgeht, zuerst zur Abstim- mung zu bringen, weil sie den Antrag des Abgeordneten von Potwo- rowsfi schon in sich {ließt. Der Antrag des Abgeordneten von Brün- ned ging dahin, daß auf Todesstrafe uur in dem Falle von Nr. 1 erfannt werden möge, und giebt also Veranlassung zu der Frage:

Soll beantragt werden, daß uur bei den unter 1, aufgeführten Fällen die Todesstrafe eintreten möge ? Und diejenigen, die diese Frage bejahen, werden das durch Aufstehen zu erkennen geben.

Abgeordn. von Potworowski: Jch trage auf namentliche Ab- stimmung an,

(Mißbilligende Aeußerungen von mehreren Seiten.)

Marschall : Die Majorität hat sih nicht für den MNE des Abgeordneten von Brünneck ausgesprochen. Es würde nun die Frage - fommen, zu welcher der Vorschlag des Abgeordneten von Potwo- rowsfi Anlaß giebt; es hat derselbe auf namentliche Abstimmung an- getragen, sie würde nur stattfinden, wenn 8 Mitglieder dem bei=-

treten. (Dies geschieht.)

Die namentliche Abstimmung wird also erfolgen. heißt : Skis Soll beantragt werden, daß in ven Fällen von Nr, 4. des §. 80 auf Todesstrafe nicht zu erkennen sei?

Es antworten hierauf mit Ja :

Brämer, von Brodowski, Brown, von Brünneckt, Dittrich, Dolz, von Donimiersfi, Heinrich, Jordan, Kersten, Krause, von Kurcewsfki,

Die Frage

Lucanus, von Miszewski, Naumann, Neumann, Paternowski, Plange, von Platen, von Potworowski, Przygodzki, von Saucken-Julienfelde, von Sauckten-Tarputschen, Schier, Siegfried, Graf von Skorzewski, Sperling, Abegg, Allnoh, von Auerswald.

Mit Nein haben geantwortet :

Bauck, Becker, Graf von Bismark - Bohlen, von Bodelschwingh, Brassert, von Byla, Camphausen, Dansmann, Diethold, Graf zu Dohna-Lauck, von Eynern, von Flemming, von Friesen, Graf von Fürstenberg, von Gaffron, von Galen, von Gneisenau, Gießler, Grabow, von Gudenau, von Hagen, Hiller von Gärtringen, Graf von Hompesh, Hüffer, von Katte, Knoblauch, von Krosigk, Kuschke, von Lilien-Echthausen, Linnenbrínk, Meier, Müller, von Münchhausen, Frhr. von Mylius, Neitsh, von Olfers, von Patow, Petschow, von Pogrell, Prüfer, Fürst zu Putbus. Fürst Wilhelm Radziwill.

(Fürst Wilhelm Radziwill motivirt seine Abstimmung noch mit folgenden Worten :

Da kein Staat Privaten ohne die höchste Ahndung gestatten kann,

ihn in einen Krieg zu verwidckeln.) Fürst Boguslaw Radziwill, Herzog von Ratibor, Graf Redern, Graf Renard, von Rochow, Schulze-Dellwig, Graf Schwerin, Graf Solms- Baruth, Steinbeck, von Uechtriß, Vahl, von Weiher, von Werdeck, von Witte, Wodiczka, von Wolff - Metternich, Wulf, Graf Zech« Burkersrode, von Arnim und der Marschall, Fürst zu Solms.

Abwesend waren die Abgeordneten: Fabricius, Hausleutner, Staegemann, Urra.

Das Resultat der Abstimmung is folgendes:

Mit Ja haben gestimmt 30; mit Nein haben gestimmt 62.

Die nächste Frage i} nun zu richten auf den Antrag des Ah- geordneten von Sauen - Tarputschen und lautet: „Soll beantragt werden, Nr, 4 aus §, 80 ausscheiden zu lassen?“ Es kann jeßt nicht gesagt werden, in welhen Paragraphen dieser Saß übergehen möge z die Frage kann nur- auf Ausscheidung des Satzes aus §. 80 gerichtet werden.

Abgeordn. von Saucken - Tarputshen: Jch nehme meinen Antrag, obwohl er unterstüßt worden is, hiermit zurück und verzichte auf die Fragestellung.

Marschall: Wenn fein anderes Mitglied den Antrag auf- nimmt, so is keine Veranlassung zur Fragestellung vorhanden. Die nächste Frage is zu rihten auf den Antrag des Abgeordneten Camp- hausen. Die Frage heißt: Soll beantragt werden, Nr. 3 des §. 80 so zu fassen : Durch Anwendung von Gewalt die Staats-Verfassun zu ändern? Es is auf Fragestellung angetragen, der Antrag ift unterstüßt worden, und auf leihte Weise kommen wir zu einem Re- sultate, wenn die Besahenden aufstehen.

Die Frage is nicht bejaht worden, und wir kommen nunmehr zu der Frage, welche aus dem Antrage der Abtheilung hervorgeht, der darauf gerichtet is, daß es heißen ul statt: Die Thronfolge zu ver- ändern, „die Thronfolge - Ordnung umzustoßen.“ Hiergegen hat sich feine Bemerkung erhoben. j L

Abgeordn. von Brünneck: Jh hatte gemeint, es würde noth- wendig sein, der Nr. 2 des §. 80 das Wort „gewaltsam“ hinzu- zufügen. Jh nehme diese Bemerkung aber jeßt zurück, da ih mich überzeugt habe, taß dur den Fassungs-Vorschlag der Abtheilung der= selbe Zweck erreicht wird. z :

Marschall: Der Abtheilungs-Vorschlag hat keinen Widerspruch gefunden, er fanitn also als angenommen angesehen werden. Außer- dem is darauf angetragen worden, daß beide Paragraphen vereinigt würden; au das hat feinen Widerspruch gefunden ; das zweite Ali- nea würde in Konsequenz eines Ae ee von selbst weg= falleu, und es wird daher keine Frage zu stellen jein.

Abgeordn. Graf von Bismark - Bohlen: Wir haben beschlos- sen, die Verschärfung der Todesstrafe wegfallen zu lassen, aber kei- nesweges, daß nicht unter Umständen mit der Todesstrafe zusammen Verlust der bürgerlichen Ehre eintreten solle, und wenn wir das ganze

Alinea fortfallen lassen, so fällt das auch weg. Das is aber niht