1848 / 44 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Jch habe hinzuzuseßen, daß die Abtheilung noch nit in Er- wägung gezogen hat, bis zu welcher Höhe Handlungen der Art be- straft twerden könen, indem nicht vorgegriffen werden kann den all- gemeinen Gritndsäßen über die Höhe der Polizeistrafen, welche erst im dritten Theile zur Erwägung kommen.

Justiz - Minister von Savigny: Jch glaube doch, daß Fälle dieser Art von eiuer solchen Bözartigkeit, Gefährlichkeit und Nicht- atung der Obrigkeit vorkommen können, baß die Strafen in den Gränzen der für Polizei - Uebertretungen zulässigen nichk- ausreichen würden. Jch gebe zu, daß auch Fälle von sehr leichter Art vorkom- men können, bitte aber, zu bedenken, daß kein Minimum vorgeschrie= ben is, also die Geldbuße auf einen halben Thaler und das Ge=- fängniß bis auf einen Tag herabgehen kann. Für geringfügige Zâlle is die gehörige Sorge getroffen, für bösartige Fälle aber reit die Polizeistrafe nicht aus.

Abgeordn. Zimmermann: Jh habe mih der Ansicht des Herrn Ministers der Geseßgebungs - Revision anschließen wollen, Ih glaube, daß der Autrag der Abtheilung, dieses Vergehen als Teeiverdayen zu betrachten, oft nit gerectsertigt ist. Es ist hier=

ei zu unterscheiden. Man kann obrigkeitlihe Verordnungen aus Muthwillen gbreißen, beschädigen u. \, w., aber auh aus bóswilli- E Pan um die Publication einer Verordnung zu verhindern. s is ferner nicht selten der Fall vorgekommen, daß aus eigennüßi- ger Absicht Subhastations =- Patente abgerissen worden sind, um das

ekanntwerden der Subhastation zu verhindern und dadur die Be- theiligten zu beeinträchtigen, Mir scheint es, daß dergleichen Ver- ges niht als Polizei = Uebertretungen angesehen werden können, onderu recht eigentlich zu den Kriminalvergehen gehören. Wo eine so böswillige Absicht vorliegt, gehört die Timna in das Krimi= nalrecht, niht in die Polizei - Bestimmungen.

Referent Naumann: Die Abtheilung is der Meinung gewesen, daß Handlungen, wie sie im §. 127 aufgeführt sind, lediglich als Polizei-Uebertretungen angesehen werden müssen. Sie verkennt nicht, daß in einzelnen Fällen eine böswillige Absicht vorkommen könne, ist aber der Meinung, daß dergleichen nate die öffentlich angeschla- gen werden, zu gleicher Zeit in vershließbaren Kästen angeschlagen werden müssen, so daß ein Unfug nicht getrieben werden kann, daß dies auch besonders bei derartigen Patenten, voa welchen der Redner vor mir gesprochen hat, uothwendig sei. Es is zu erwägen, daß, wenn auch fein Minimum festgeseßt und dem Richter gestattet wor- den is, bis auf sehr kleine Strafen herabzugehen , der Richter doch au bis auf 100 Rihlr. Geldbuße und 1 Jahr Gefängniß gehen kann, Js dies dur das Gese zugelassen, so kann der Richter auch so weit gehen, und es können auch Fälle vorkommen , in wel- chen der Richter zu hart sein und mit seiner Ansicht in Konflikt kom- men fönnte mit der eigentlichen Strafbarkeit der Handlung, weil es zu sehr von der subjektiven Auffassung abhängt, ob Muthwille oder eine strafbare Absicht zum Grunde liegt. Jch halte die Handlungen, welche unter §. 127 zu subsumiren sind, für solche, die in einen Kriminal- Strafkodex nicht aufgenommen werden dürfen; ih glaube, daß eine polizeiliche Strafe ausreichen wird. Kommen aber Fälle vor, wie das geehrte Mitglied vor mir angeführt hat , ist die Absicht vorhanden, derartige Zwede zu verfolgen, so wird die Handlung anderen Straf- geseßen unterliegen.

Abgeordn, Zimmermann: Es thut mir leid, daß ih der An- sicht des Referenten nochmals entgegentreten muß. Jch habe aus= drücklih untershieden Rechtsverlebungen, die aus Muthwillen ge= schehen, und Rechtsverleßbungen , denen eine boshaste Absicht zum Grunde liegt. Wie sie namentli da hervortritt, wo Jemand in der böswilligen Absicht eine Bekanntmachung verhindert, einem Anderen das Eigenthum zu verkümmern. Es ist ferner vorgekommen, daß bei einem Tumulte die Kommunalbehörde eine durchaus wohlwollende Bekauntmachung erlassen hatte. Es sind Personen in der Absicht umhergegangen, die Bekanntmachung überall zu entfernen, Man wird zugestehen müssen, daß in einem solchen Falle die nachtheiligen Folgen gar nicht zu berehnen sind. Wenn ih auch der Ansicht bei- trete, daß das Strafmaß von einem Jahre Gefängniß im Verhältniß zu einer Geldbuße von 100 Rthlr. etwas zu hoh sei, so shließt das do meine Ansicht nicht aus, daß die Strafbestimmung in das Kriminalrecht gehört. Jch werde daher darauf antragen, die Be- stimmung ‘in dem Kriminalreht zu belassen und das Strafmaß im Maximum auf 6 Monat herabzuseßen.

Abgeordn. Steinbeck: Unmöglich kann die Bestimmung, um die es sih hier handelt, und das is auch die Meinung der Red- ner, welche für die Abtheilung gesprochen haben an zwei ver= schiedenen Orten Plaß finden. Es kann sein, daß das Herabreißen von Bekanntmahungen öffentliher Behörden von unbedeutenden Fol- gen is; dann würde auch das Strafmaß gering sein, Dagegen können aber auch daraus die gefährlichsten Folgen für das Privat- und öffentlihe Juteresse eutstehen, dann würde auch das Strafmaß ein hohes sein missen. Wollten wix aber hiernah die Fälle und Straf- maße trennen und, nah der Gefährlihkeit der Sache, die einen in den Abschnitt von Polizei-Vergehen, die anderen in den Abschnitt von Kriminalverbrehen bringen, so würden wir die Anwendung des Ge- seßes zwecklos ershweren. Der Plaß i} ihm wohl da anzuweisen, wo sih das Verbrechen in seiner höchsten Potenz äußert, Deshalb stimme ih für den Plaß des Paragraphen eben so wie für seinen Jn- halt gerade so, wie er aufgestellt is, und bemerke, a im Entwurf von 1843 die Strafe höher gewesen und jeßt gemildert worden. Dort war das Minimum der Strafe auf 6 Monate Gefängniß an- genommen. Jeßt soll darauf stehen, Gefängniß nicht unter 6 Wo- cen oder Strafarbeit bis zu 18 Monaten. Es ist also auf das Mög- lihste herabgegangen, und ih wiederhole, die Gefahr für das öffent- liche und Privat-Wohl kann so unberechenbar sein, daß das Straf- marimum von einem Jahr nicht zu hoch erscheint,

Abgeordn. Hüffer: Jh würde mir erlauben, zu beantragen, daß das Wort öffentlih““ hinter „Bekanntmachung“ geseht werde so daß die Bestimmung des Paragraphen sih nur auf die Bekannt- machungen beziehe, die an öffentlihen Gebäuden und Pläßen, nicht aber auf solche, die an Privathäusern angeschlagen werden, da dafür ein Recht nicht besteht,

(Murren.)

Marschall : Wir können nun abstimmen.

Eventuell wird auf den Vorschlag des Abgeordneten Zimmermann, eben so auf den Antrag des Abgeordneten Hüffer, wenn er unter- stüßt wird, eine Frage gestellt werden. Die erste Frage heißt :

„soll beantragt werden, §. 127 in den dritten Theil d.s Entwurfs zu verweisen?“

Diejenigen, welche beistimmen, werden dies durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erheben sich einige Mitglieder.)

Die Frage i} nicht bejaht.

Es ist nun zu ermitteln, ob der Antrag des Abgeordneten Zim- mermann, das Strafmaß auf 6 Monate herabzuseßen, die Unter- stüßung von 8 Mitgliedern findet.

(Es erhebt ich die erforderliche Anzahl von Mitgliedern.)

Er e Fe ees oi aljo beantragt werden, daß das Straf - i 6 Monate herabgesetzt warde? R Die Bejahenden würden es durch Aufstehen zu erkennen geben,

366

Das Resultat der immung i} folgendes: Mit Ja haben estimmt 50, mit Nein haben gestimmt 40 Mitglieder. Es wird A erforderlih sein, auf den mas des Abgeordneten Hüffer eine Frage zu enz es hat das wohl nicht in seiner Absicht ge=

legen, N Abgeordn. Hüffer: Jch wünsche blos, daß er ad referendum genommen wird, : P

Korrefereut Frhr. von Mylius: Fs wollte mir noch eine Be« merkung zu §. 427 erlauben, was die Fassung anbetrifft. Es ist in der Abtheilung zur Sprache gebracht worden, ob es, namentli in Beziehung auf die Rhein-Provinz, hier niht zweckmäßiger sei, daß gefagt würde : er Beamten“‘, statt: „Obrigkeit“.

Justiz-Minister Uhden: Wird als zweckmäßig anerkannt, das Gouvernement hat nihts dagegen zu erinnern.

Marschall: Wir kommen zu .§. 128,

Referent Kaumann (liest vor) L

„S. 128.

Wer ein obrigkeitliches Siegel, welches angelegt ist, um Sachen zu verschließen, zu bezeichnen oder in Beschlag zu nehmen, unbefugter= weise und vorsäßlich erbriht, ablöst oder beschädigt, is mit Geld=- buße bis zu einhundert Thalern oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre zu bestrafen.“‘

Das Gutachten lautet:

„Zu §. 128.

Gegen die Bestimmung des §. 128 findet sich nichts zu erin- nern: indeß scheint es augemessen, statt: „obrigkeitliches““, zu seben: „amtliches Siegel“‘,

Abgeordn. Zimmermann: Jh muß mi hier doch gegen den Vors(hlag der geehrten Abtheilung aussprechen; es is hier ausdrück lich im Geseße der Fall vorgesehen, es solle ein obrigkfeitliches Sie- gel sein. Nun befinden si viele Personen im Besiß eines amtlichen Siegels, von denen man nicht sagen kann, daß sie obrigkeitlihe Rechte haben, und diesen Personen, wie möglicherweise geschehen fann, die Befuguiß zuzugestehen, Sachen zu did zu bezeichnen oder in Beschlag zu nehmen und demnächst. vorkommenden Falls diese Be- stimmung des Strafgeseßbuches anwendbar zu erklären, scheint mir doch bedeuklih. J lage vor, es bei der Fassung des Entwurses bewenden zu lassen. Aber ein anderes Bedenken is mir in Bezug auf den Ausdruck „Sachen“ entgegengetreten. Der civilrehtlihe Begriff ‘von Sachen scheint mir hier nicht unbedingt anwendbar zu sein, und wollte man ihn unbedingt anwenden, so wäre er zweisel- haft. Es scheint mir nämlich, als ob diese Verordnung auch auf Doku- mente sich beziehen solle, die mit einem obrigkeitlihen Siegel verse- hen sind. Insofern von dem Herrn Justiz-Minister etwa Erklärung gegeben würde, daß ‘die Fassung diesen Begriff mit aufnimmt, so halte ih mein Bedenken für erledigt. ;

Regierungs-Kommissar Bischoff: Dokumente sind mit inbegrif= fen, sie gehören auh unter den Begriff von Sachen. f

Korreferent Freiherr von Mylius: Jch glaube doch, daß die Abtheilung vollständig in ihrem Rechte gewesen is, wenn sie hier „amtliches“/ gesagt bis will, statt „obrigkeitlihes“/, denn sobald Jemand in seiner amtlichen Eigenschaft Siegel anzulegen berechtigt is, so muß ihm auch unter allen Umständen der Schuß des Gesehes werden. Es is aber auch die Rücksicht auf die Verhältnisse, die in der Rhein-Provinz bestehen, die gerade hier eine Aenderung sehr wünschenswerth maht. Gerichtsvollziehex, die in den Fall kommen, Siegel anzulegen, sind keine Obrigkeit, aber sie sind Beamte, und gerate mit Bezug hierauf is die Aenderung vou der Abtheilung vorgeschlagen worden, wie eine gleichartige Aenderung bei dem vor- hergehenden Paragraphen auch seitens des Gouvernements gebilligt worden i}.

Abgeordn. Fimmermann: Dur die Bemerkung des Herrn Korreferenten kanü*fch mein Bedenken nit für erledigt erahtenz ih muß doch der Anstcht beipflichten, daß der Gerichtsvollzieher, insofern er befugt ist, Siegel anzulegen, wirklih obrigkeitlihe Autorität hat und ausübt. Allerdings gebe ih zu, daß es hierbei auf den Be- griff Obrigkeit wesentlih ankommt.

Abgeordn, Dansmann : Jch bin au der Meinung, daß das Wort „amtliches“ richtiger ist, als „obrigkeitlihes‘““; es fommen auf dem Lande oft Fälle vor, daß die Dorfshulzen Sachen zu versiegeln haben, wozu sie das Dorfsiegel als ihr Amtssiegel benußen müssen, dies is aber fein obrigkeitliches, sondern ein amtliches,

Abgeordn. Zimmermann: Jh muß doch den Dorfgemeinde- Beamten, insbesondere den Dorfgerichten, die Qualification als Obrigkeit vindiziren.

(Geräusch.)

Sie sind wirkliche Obrigkeiten, sie üben nicht blos polizeiliche, sondern auch mehrfache amtliche Functionen aus, die sie ganz für die Kategorie obrigkeitlicher Personen qualifiziren, wenngleich sie nit die Polizei-Obrigkeit an und für sih bilden.

Abgeordn. Lucanus : Jch glaube, daß der Ausdruck „amtli- ches" deswegen sehr nothwendig ist, weil unter Anderem die Steuer- Offizianten oft in die Lage kommen, im Falle sie Defrauden zu er= kennen glauben, Siegel aulegen zu müssen, und diese würden verleÞ- lich sein, wenn es nicht „amtliches““ heißt.

Marschall: Es is nicht statthaft, eine Frage auf die Unter=- stüßung zu richten, weil es kein neuer Vorschlag ift, sondern cin Zu- rückgehen auf den Entwurf. Uebrigens glaube ih, daß wir zur Ab- stimmung kommen können. Es wird also die Frage sein: ob die Versammlung dem Vorschlage der Abtheilung, das Wort „amtliches“ anzunehmen, beitritt, und diejenigen, die ihm beitreten, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Der Vorschlag wird mit großer Majorität angenommen.)

Wir kommen zu §. 129.

Referent Naumann (liest vor) :

Qi 120;

Wer ohne Erlaubniß die Königlichen Lande verläßt und sich da- dur der Pflicht zum Eintritt in den Dienst des stehenden Heeres entzieht, ist mit der Confiscation seines gegenwärtigen und fünstig zu erwerbenden Vermögens zu bestrafen. Es sind in diesem Falle die- jenigen Bestimmungen anzuwenden, welche in Beziehung auf die Con- fiscation in den §§. 96 und 97 enthalten sind.

Gestellt sich der Angeschuldigte freiwillig, oder wird derselbe ver= haftet, so fällt die Confiscation des Vermögens, insoweit solches noch nicht eingezogen ist, fort, und es soll Gefängniß von einem Monate bis zu einem Jahre oder Strafarbeit bis zu einem Jahre eintreten.“

Das Gutachten lautet :

„Zu §. 129.

Wenn der Vorschlag zu §. 28, die Vermögens = Confiscation als Strafe nicht beizubehalten, angenommen wird“ (was bereits ge- schehen is), so muß die Bestimmung im ersten Alinea des §, 129 P werden. Es fommt aber alsdann in Frage, ob nit die Ce es des §. 177 aus dem Entwurfe von 41843 aufzunehmen ein wird ;

wonach eine Geldbuße von 50 Rthlr. bis 1000 Rthlr. oder Ge- fängnißstrafe nicht unter einem Monat oder Strafarbeit bis zu einem Jahre eintreten, außerdem aber der Ausgetretene die Be- fugniß, über sein Vermögen leytwillig oder unter Lebenden zu verfügen, verlieren soll, bis er sich wieder gestellt, endlih auch Sequestration seines Vermögens anzuordnen ist,

Gegen die Zulässigkeit einer Geldstrafe wu / f angeführt, welche bereits bei §. 27 ndctes a saben Fe Nothwendigkeit derselben aber wurde geltend gemacht daß Geldstrafen die einzigen anwendbaren seien, wenn der Verbrecher die Königlichen Lande verlasse und nit zurückehre. Die Abtheilung hat mit 8 pg 5 Stimmen sich dagegen erklärt, daß Gefängnißstrafen allein estgeseßt werden, und mit 11 gegen 2 Stimmen si{ch dahin entschie den, daß eine Geldbuße von 50 bis 1000 Rihlr. festgeseßt werde

Eben \}o wurden gegen die Sequestration des Bétinögend die selben Gründe wiederholt geltend gemacht, welche bei §. 27 und §. 96 erörtert worden sind. Andererseits aber wurde darauf auf- merksam gemacht, daß die Sequestration das wirksamste Mittel sei, um den Ausgetretenen zur Zurückehr zu bewegen und seinem dauernden strafbaren Verhalten ein Ziel zu seßen, und die Abtheilung hat si mit 8 gegen 5 Stimmen dahin erklärt, daß die Maßregel der Se- questration gegen Ausgetretene vorgeschrieben werde.

Es wird vorgeschlagen,

dahin anzutragen, daß, statt der im §. 129 enthaltenen, folgende

Bestimmungen festgeseßt werden : |

1) Wer ohne Erlaubniß die Königlichen Lande verläßt und \ich daburh ber Pflicht zum Eintritt in ben Dienst des stehenden Heeres entzieht, den soll eine Geltbuße von 50 bis 1000 Rthlrn. oder Gefängniß von einem Monat bis zu einem Jahre oder Strafarbeit bis zu einem Jahre treffen.

2) Das Vermögen des Angeschuldigten soll, bis er si freiwillig gestellt oder verhaftet wird, unter Sequestration gestellt, und es soll eine Kuratel über dasselbe angeordnet werden.

Weitere Beschränkungen der Dispositions - Befugniß des Ange- \{uldigten werden nicht für erforderlih gehalten.“

Abgeordn. Dittrih: Eine kurze Bemerkung in Betreff der Fassung unter Nr. 2 des Gutachtens, wo es heißt: „das Vermögen des Angeschuldigten soll, bis er sich freiwillig gestellt oder verhaftet wird“, wollte ih mir erlauben; wenn er uämlich inzwischen stirbt, \o würden wörtlih interpretirende Richter eine fortwährende Sequestra- tion verhängen können. Jh verstehe, was gemeint ist, aber ich glaube, die Fassung möchte bestimmter sein.

Referent Kaumann: Das is nicht die Meinung gewesen,

Regierungs-Kommissar Bischoff : Jch wollte anheimgeben, ob es niht das Angemessenste wäre, die Beschlußnahme über die Vor- shläge sub 2 auszuseßen. Die Bestimmung über die Sequestration gegen ausgetretene Militairpflichtige wird si anschließen mü}en an die Vorschriften, die bei Hoh- und Landesverrath in dieser Beziehung gegeben werden sollen. Die darauf bezüglichen neuen Vorschläge der Regierung sind zur Vorberathung an die verehrte Abtheilung ge- langt, und leßtere hat sih damit noch nicht beschäftigt. Jch glaube also, daß die Vorschläge der Abtheilung abzuwarten sind,

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jh will mich dem Antrage des Herrn Regierungs-Kommissars durchaus nicht entgegensrben , dic Diskussion auszuseßen, jedoch muß ich zugleich bemerken, daß nach meiner Meinung die Bestimmung wegen der Sequestration bei Hoch- und Landesverrath und die bei ausgetretenen Militgirpflichtigen ganz verschiedener Natur und von der Abtheilung auch \o behandelt sind. Hoch - und Landesverrath sfnd gemeingefährlihe Verbrechen, und die Sequestration wird hier eingeleitet, damit der Verbrecher sich niht seines Vermögens bediene, um den Hoch - oder Landesverratl) fortzuseßen oder sonst etwas Nachtheiliges gegen den Staat zu thun; bei den ausgetretenen Militairpflihtigen hat aber die Sequestration durchaus keine audere Natur, als die der Sicherung für die Einzie= hung der Strafe. Also in einem nothwendigen Zusammenhange sttc- hen beide Bestimmungen nicht, und wix können selbstständig hier die Be- stimmungen berathen und annehmen, welche die Abtheilung vorgeschla= gen hat, und unabhängig von dem, was 11 Bezug auf die Seque-= stration bei Hoch = oder Landesverrath später angenommen werden möchte. Uebrigens glaube ih, um dies noch erläuternd zu bemerken, daß morgen die Vorschläge der Regierung in der Abtheilung zur Berathung kommen und siè daun übermorgen im Staude sein wird, Bericht zu erstatten.

Candtags-Rommissar: Wenn die hohe Versammlung einen Werth darauf legen sollte, den Paragraphen gleich nah dem Vorschlage der Abtheilung anzunehmen, so wird von der Regierung nichts dage- gen eingewendet werden,

Abgeordn. Graf von Bismark-Bohlen: Ju den beiden §z. 129 und 130 i} augenscheinlich nur von denjenigen Personen die Rede, die noch im Alter der Aushebung sind, also nicht von Landwehrmän- nern, und doch ist es ein wichtiger Fall, daß diese niht ihrer Mili-= tairpflicht sich entziehen.

(Auf mehreren Seiten Murren.)

Regierungs - Kommissar von Revher: Gegen Reserve - Mann- schaften und auh wohl gegen Landwehrmänner wird in solchen Fällen der Desertions-Prozeß eingeleitet, und zwar auf der Stelle, und da- durch findet die Sache alsdann ihre Erledigung.

Abgeordn. Hüffer: Jch wollte mir nur die Frage erlauben, wie lange die Scquestration stattfinden soll, ob bis zur Einzahlung der Strafe oder für immer? Das scheint mir noch nicht klar gestellt.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Nach der Ansicht der Abthei-= lung bis dahin, wo die Geldstrafe erlegt is oder er si gestellt hat und die Gefängnißstrafe an ihm vollstreckt worden ist.

Abgeordn. Dittrich: Jh verstehe hierunter, daß auch im Fall seines Todes diese Strafe noh weiter vollstreckt werden könnte,

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch glaube, es wird in die- sem Falle so gehalten werden, wie überhaupt bei Geldstrafen: sind sie bereits rechtsfräftig erkannt, dann werden sie au aus dem Nah- lasse eingezogen, sind sie nicht rechtskräftig erkannt, jo werden sie nicht eingezogen.

Abgeordn. Dittrich: Jch glaube, daß ih uicht richtig verstan=- den worden bin. Nämlich das Vermögen des Angeschuldigten soll bis zu seiner Verhaftung fonfiszirt werden; nun fönnte man aber annehmen, daß dies auch noch dann geschehen solle, wenn der Aus- getretene gestorben ist,

Marschall: Es is angenommen worden, daß dies blos Sache der Fassung is, und da weder gegen den ersten, noh gegen den zweiten Vorschlag der Abtheilung eine Erinnerung gemacht worden ist, so werden beide Vorschläge in Eine Frage zusammengefaßt wer- den fönuen, dahin gehend: ob man den Änträgen der Abtheilung beitrete? und diejenigen, die diese Frage bejahen, werden dies durch Aufstehen zu erkennen geben. S

(Es erhebt sich eine große Anzahl Mitglieder.)

Die Frage is mit großer Majorität bejaht worden,

F. 130,

Referent Kaumann (liest p

Daß ein Militairpflichtiger das vorstehend erwähnte Verbrechen

) wird vermuthet, wenn derselbe, ungeachtet er das jp an A Bav bereits zurüdckgelegt hat, si bei der Militair-Ersab- Kommission seines Geburtsorts oder des Wohnorts seiner Aeltern oder Vormünder nicht zur Revision gestellt hat und auch bei dieser Behörde nit wenigstens innerhalb dreier Monate nah dem Abschlusse des Aushebungsgeshäftes für das laufende Jahr die amtliche Be-

nachrichtigung eingegangen oder sonst der Nachweis geführt ist, daß

der Militairpflihtige von einer anderen Ersaß - Kommission im Ji- lande zur Revision gezogen worden ist. :

Das Gutachten der Abtheilung lautet:

„ZU §. 130. E :

Die Bestimmung dieses Paragraphen seht ledigli eine Vermu-= thung der bösen Absicht ( praesumtiio doli) fest. Es ist gefährlich, derartige Vermuthungen geseßlich aufzustellen, und der Entrourf selbst hat in anderen Fällen dies sorgfältig vermieden. Wenn für diese Bestimmung angeführt wird, daß sie als Strafgeseß gegen Personen ersorderlih sei, welhe die Königlichen Lande nicht verlässen haben, fondern nur latitiren, so muß do bemerkt werden, daß sich einmal §. 130 nicht als Strafgeseß für den angegebenen Fall ansehen lasse, und daß ferner gegen latitirende Militairpflichtige die bestehenden Vorschriften über das Militair - Ersaß zeschäft vollständig ausreichen. Jm Înteresse der Verwaltung könne die Bestimmung des §. 130 nicht von Bedeutung sein, weil sie abhängig sei von den Borschriften über das Militair-Érsaßwesen und bei etwanigen Abänderungen des leßteren nicht anwendbar hleiben würde. Die Abtheilung hat sich mit 12 gegen 1 Stimme dafür entschieden,

daß angetragen werde , die Bestimmung des §. 130 ganz wegzu- lassen, /

Regierungs - Kommissar von Reyher: Die Regierung hat ein großes Interesse, daß dieser Paragraph beibehalten werde, und zwar um deshalb, weil sich die Zahl der latitirenden Militairpflichtigen sehr gesteigert hat, uamentlih in den leßten Jahren, indem sie nach einer fürzlih zusammengestellten Uebersiht über 23,000 beträgt. Diese Zahl ist so bedeutend, daß die Sache, wie bisher, nicht fort- dauern darf, und Alles, was etwa geschehen könnte, wäre, daß man den Termin verlängerte, den die Regierung auf drei Monate in dem Entwurf festgeseßt hat. Es würde sih nichts dagegen zu erinnern finden, wenn er auf ein Jahr ausgedehnt würde; sollte aber der Pa- ragraph ganz wegbleiben, so würde das mit außerordentlichen Nach theilen für die Armee und insbesondere für das Ersaßwesen verbun= den sein, und ih muß also dringend wünschen, daß die hohe Ver fammlung den Paragraphen annimmt.

Abgeordn. Zimmermann: Jch glaube mich entschieden gegen den Geseßvorshlag aussprechen zu müssen, daß sofort vermuthet werden solle, der Militairpflichtige habe das erwähnte Verbrechen begangen, Diese Präsumtion is zu hart, und ih glaube auch, daß die Erfah= rung dafür spricht, daß sie niht aufzustellen is. Jch muß daran er- innern, daß es Militairpflichtige giebt, die niht einmal ihr Gehburts- jahr wissen, also auch nicht den Termin kennen, wo sie sich stellen sollen. Außerdem giebt es welche, die eine solhe Unkunde der Ver= hältnisse haben, daß sie nit einmal diese ihre Pflicht kennen, denn unsere Jugend wird nicht bekannt gemacht mit den wesentlichen Vor- riften und Einrichtungen der Landes = Verfassung, ein Uebelstand, der den Einzeluen nicht anzurehnen und nur zu beklagen is. Auch unsere Lehrer haben feine Gelegenheit, von der eigentlihen Landes= Verfassung und namentlich von den wichtigsten Vorschriften des Kri= minalrehts bei Gelegenheit ihrer Ausbildung etwas zu erfahren; es wäre daher hart, jungen Leuten eine Unkunde \o hoh anzurehnen. Es is ferner in den Motiven darauf Bezug genommen worden, daß hon das Allgemeine Landrecht eine solche Vermuthung aufstelle; dem muß ih aber auf das entshiedenste widersprechen, denn das Allge= meine Landrecht sagt: „Wenn eine Aufforderung an die Aeltern und Angehörigen des Militairpflichtigen sruchtlos geblieben ist“, und wenn eine folhe Bestimmung in den Paragraphen mit aufgenommen wird, so habe ich nichts dagegen einzuwenden.

Regierungs - Kommissar von Reyher: Die Militairpflichtigen werden ja ohnehin alljährlih aufgefordert und darauf aufmerksam gemacht, daß sie sih in den bevorstehenden Revisions - Terminen zu gestellen haben; wenn sie sih also dessenungeahtet ohne Entschuldi= gung niht dazu einfinden, so kann darüber fein Zweifel sein, was daun geschehen soll. Sie müssen bestraft werden. Wird besonders der Termin von 3 Monaten auf 1 Jahr ausgedehnt, so haben sie Zeit genug, sich um die Erfüllung ihrer Militairpflicht zu kümmern. Jedenfalls glaube ih nicht davon abgehen zu können, daß der Pa- zagraph beibehalten werde,

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch bescheide mich sehr gern, daß man seitens des Gouvernements diese Sache besser beurtheilen fann, glaube au, daß es nicht zweifelhaft is, daß eine solche Bestimmung für zweckmäßig erachtet und ihre Rechtlichkeit niht in Zweifel gezogen werden fann. Aber in der Abtheilung gingen wir von der Ansicht aus, daß es nicht zweckmäßig sei, wenn der Paragraph gerade so stehen bleibe. Nach der Militair = Geseß- gebung steht die Sache so, daß der, welcher ein oder mehrere Jahre latitirt, primo loco eingestellt wird, wenn er sich stellt, vorzugsweise zur Einstellung ohne Rücksicht auf die Freiloosung fommt, L'adurch hat er den großen Nachtheil, daß, wenn er sich auch nach dem dritten Jahre telt, êx dennoch zum stehenden Heere herangezogen wird, während der allgemeine Grundsaß besteht, daß der, welcher bis zum dritten Jahre niht brauchbar ist, niht mehr eingezogen werden fann. Das sind so große Nachtheile, daß Jeder dadurch sich veranlaßt finden wird, rechtzeitig sich zu melden. Es werden nur die übrig bleiben, die nicht blos latitiren , sondern die Absicht haben, sih der Militairpflicht gänzlich zu entziehen. Gegen diese wird man förm= lich prozessiren, jedoch nicht vor Zurücklegung des 25sten Lebensjahres, und das sind die Gründe, die mih veranlaßt haben, eine solche Be-= stimmung für den Zweck nicht erforderlih und angemessen zu erach= ten, weil die Bestimmungen, die wir jeßt haben, nicht daneben be- stehen können. Man könnte nicht doppelte Strafen haben neben den hier festgeseßten, noch die Einstellung primo loco.

Regierungs - Kommissar von Reyher: Zur Ableistung seiner Militair - Dienstpfliht würde er immer angehalten werden müssen, aber auch zugleich die Strafe dafür erleiden, daß er sich seiner Pflicht zu entziehen versucht hat.

Abgeordn, Graf von Schwerin: Diese Strafe würde doch zu hoh sein gegen denjenigen, der blos latitirt, denn, wenn er sih dem Militairdienste hat entziehen wollen, muß die Strafe doch härter sein, als wenn er blos latitirt hat, als gegen einen, der sich mit 20 Jah= ren stellen follte und sih erst mit 21 Jahren stellt. Jch gebe dem geehrten Abgeordneten aus Spandau zu, daß in dieser Beziehung vielfache Unkenntniß vorkommt, und es muß dies freilih gebüßt wer= denz dies geschieht aber dadurch hinlänglich, daß er das Recht auf die Reihefolge verliert und primo loco eingestellt wird, und dies difte genügen, weil hier kein Verbrechen vorliegt, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit.

Candtags-Rommissar: Wenn gegen den Paragraphen einge- wendet wird, daß er eine praesumtio doli enthalte, so glaube ich, daß dies auf eine Fassungèbemerkung hinausläuft, die bei der defini- tiven Redaction sehr leicht erledigt werden kann, Wenn ferner be- merkt wurde, daß die Aufforderung an Aeltern und Angehörige vor- angegangen sein müsse, o ist dagegen um so weniger etwas zu er=- innern, als nah der bestehenden Verfassung diese Aufforderung jedes- mal den Anfang der Prozedur des Aushebungs - Geschäftes macht. Wenn ober endlih beantragt wird, den Paragraphen ganz zu stret= chen, so muß ich bemerken, daß dann etwas Anderes an einem an- deren Orte nothwendig substituirt werden müßte, indem es dem Rich= ter sonst an jedem Kriterium der Straffälligkeit fehlen würde; denn es würde ja ohne eine entsprehende Bestimmung sons Niemand

367

wissen können, ob ein abwesender Dienstpflichtiger blos latitire, vder ob er sich in der Absicht entfernt halte, sich der Militairpflicht zu entziehen. Schwerlih wird der Entweichende eine Erklärung darüber zurüdlassen, daß er sich entferne, um der Erfüllung der Militair- pflicht zu entgehen, Wenn daher zur Konstatirung der Straffällig- feit die Aufforderung an die Aeltern oder Angehörigen zur Gesteluts nicht für genügend gehalten wird, so könnte noch ein Proklama hin- zugefügt werden, welches den Abwesenden auffordert, si innerhalb einer bestimmten Frist zu stellen, und zwar mit der Drohung, daß er widrigenfalls als ungehorsamer Militairpflichtiger werde betrachtet werden. Zur Erhaltung der Ordnung halte ih die Feststellung eines solchen Kriteriums für die Consumtion des Verbrechens für unent- behrlich; ohne dasselbe würde män stets im Zweifel sein, ob man strafen könne oder niht, und es bliebe stets die Ausrede für den Militairpflichtigen offen, daß er noch einige Zeit mit Erfüllung der Stellung habe zögern wollen,“ Wenn die hohe Versammlung auf eine solhe, im Wesentlichen dem bestehenden Zustande entsprechende Bestimmung einginge, so glaube ih nicht, daß seitens der Militair Verwaltung etwas dagegen zu erinnern jein würde.

Regierungs - Kommissar von Reyher: Nein; aber auf jeden Fall würde der Paragraph dann so modifizirt beibehalten werden müssen.

Candtags-Rommissar: Es würde also zunächst eine Aufforde- rung an die Aeltern und Angehörigen des Militgirpflichtigen, und, wenn diese fruchtlos bliebe, eine öffentlihe Aufforderung zu erlassen sein, dann aber der Ausdruck: „Vermuthung“ aus dem Paragraphen wegfallen können.

Abgeordn. Dittrich : Durh das, was der Herr Landtags- Kommissar gesagt hat, ist im Allgemeinen das widerlegt, was ih in Beziehung auf die Vermuthung äußern wollte. Jh bin ein Feind jeder bösen Vermuthung, und so lange der Beweis der bösen That nit geführt is, so lange darf ein Verbrechen nicht vermuthet wer- den, denn ih glaube, daß Jedem die geseßlihe Vermuthung, er sei gut, zur Seite stehen muß, und daß gerade der Auklageprozeß dem Staatsanwalte die Verpflichtung, das Gegentheil zu beweisen, jeßt um \o \{härfer auferlegt. Weun, wie der Herr Landtags-Kommissar vorschlägt, die-angedeutete Bestimmung aufgenommen wird, o bin ich damit einverstanden; dann würde ih aber uoch anheimstellen, daß man nicht das 20ste Jahr annehme, sondern das 22ste oder 23ste At,

Regierungs - Kommissar von Reyher: Das scheint besonders deshalb bedenklich, weil es bei dem Ausbruche eines Krieges von großer Wichtigkeit is, daß man der Leute habhaft wird, um sie eint: stellen zu können. Wir haben den Fall im Jahre 1831 gehabt , wo aus einigen Gränzkreisen sich eine große Anzahl von Militair- pflichtigen in das Ausland begab und erst in die Heimat zurüd- fehrte, nachdem sih herausgestellt hatte, daß es niht zum Kriege fommen werde. Aus diesem Grunde würde es niht zweckmäßig sein, die Frist auf zwei Jahre oder auf eine noch längere Zeit aus= zudehnen.

Abgeordn. Freiherr von Patow: Das bisherige Verfahren war in der Art, daß nach dem 23sten Lebensjahre, wenn der Militairpflichtige sich dreimal nicht gestellt hatte, der Consiscations-Prozeß eingeleitet wurde.

Regierungs-Kommissar von Reyher : Nach zurückgelegtem 25sten Lebensjahre.

Abgeordn, Freiherr von Patow: Ja, allerdings erst nach dem 25sten Lebensjahre, und ih glaube, daß es hierbei auch bleiben fann. Denn es würde sons kaum auszuführen sein, alle Prozesse ein= zuleiten. Es gehen eine Menge Leute auf die Wanderschaft, die gar nicht die Absicht haben, sih der Militairpflicht zu entziehen, sie gehen aber in entfernte Länder, und sehr oft können sie nicht zurüd= gehen, Sollte uun allemal nah dem. ersten Ausbleiben gegen diese Leute das Verfahren eintreten, so würde eine unendliche Masse von Prozessen angestellt werden müssen, die am Ende keinen wesentlichen Erfolg haben würden, denn der größte Theil dieser Leute hat nichts, und ich glaube, daß es deshalb besser ist, das 25sste Lebensjahr als den Zeitpunkt anzunehmen, mit welhem das im Geseß vorgeschrie= bene Verfahren einzuleiten.

Korreferent Freiherr von Mylius : Jh wollte mir, da gerade von dem Confiscations-Prozeß die Rede is, erlauben, auf eine bereits früher gemachte Bemerkung zurückzukommen, daß in dieser Beziehung die Rheinprovinz nachtheiliger gestellt is, wie die anderen Provinzen, in denen wir für den Consfiscations - Prozeß gar keine Form haben, während in den alten Provinzen der Confiscations-Prozeß eristirt,

Landtags -RKommissar: Es is ja von dem Confiscationsprozeß feine Rede mehr.

Korreferent Freiherr von Mylius: Jch meine dasjenige Ver- fahren, welches gegen latitirende Militairpflichtige eingehalten werden soll,

Regierungs - Kommissar Simons: Das Verfahren is regulirt, wie sich dies aus §. 7 des Kompetenzgeseßes für die Rheinprovinz ergiebt, woselbst ausdrücklih das Geseß vom 26. April 1803 und die Allerhöchste Ordre vom 18. Februar 1839 aufrecht erhalten worden sind. Durch diese Bestimmungen wird aber vorgeschrieben, daß keiner für einen Refraktär erklärt werden kann, wenn nicht von der Regierung eine Aufforderung erlassen, eine Frist von 4 Wochen verstrichen und ein Beschluß, welcher sein Ausbleiben feststellt, erlassen worden i. Erst auf Grund dieses Beschlusses wird die nachtheilige Folge gegen den Ausgebliebenen ausgesprochen, welche nah der ur= sprünglichen Bestimmung des Gesehes von 1803 ebenfalls in einer Geldbuße besteht. Es ergiebt sich hieraus, daß das Verfahren voll- ständig regulirt und daß sogar die Aufforderung vorgesehen i}, die von der hohen Versammlung heute gewünscht worden ift.

Korreferent Freiherr von Mylius: Es i mir nicht unbekannt, daß dergleichen Formen in der Rheinprovinz existiren, aber meine Bemerkung hatte den Sinn, daß wir bei ihnen die gerichtlichen Ga- rantieen einführen, welche für die alten Provinzen gegeben sínd und für die Rheinprovinz nicht existiren. Jn der Rheinprovinz E, e von dem Herrn Kommissar ausgeführt worden ist, es allerdings Vor- schrift, daß auf einen gewissen, im Verwaltungswege vorgeschriebenen Modus der Strafe erkannt wird. Jch halte aber das Aus\chließen aller Verwaltungswege, da, wo es sich um Strafen handelt, für wünschenswerth. Für die alten Provinzen is der Verwaltungsweg ausgeschlossen, denn es existirt dort der Confiscationsprozeß, auch deshalb halte ih sie für besser gestellt, i

Regierungs -= Kommissar Simons: Die Hauptsache scheint zu sein , ba eine Aufforderung stattfinde, deren Erlaß nah dem in der Rheinprovinz geltenden Verfahren der Verwaltungs = Behörde über- tragen worden ist, Wenn also eine Ediktal-Ladung mit einer ange= messenen Frist ergeht und so die betreffenden Personen in den Stand geseßt werden, s\ch von dem Präjudiz dadurch zu befreien, daß sie sich zur gehörigen Zeit stellen, so kann es wohl nichts releviren, ob die Bekanntmachung von der einen oder anderen Behörde ausgeht.

Fürst Wilhelm Radziwill: Jch erlaube mir, das Wort zu ergreifen, um nochmals die Nothwendigkeit, die Bestimmung des §. 130 aufrecht zu erhalten, niht nur im Juteresse der Armee, son- dern auch in dem der Ersabpflichtigen, zu beweisen. Es isst {hon von dem Abgeordneten der Provinz Brandenburg angeführt worden, daß allerdings Viele, aus Unkenntniß der bestehenden Gesebe, gegen

die Verordnungen über das Ersaßwesett H und es is das Be- dauern zugleich ausgedrückt worben, daß die Jugend“ mit ten Ge- seßen nicht so genau bekannt gemacht, daß s in Stand gee werde, ihre wesentlichsten Bestimmungen zu befolgen. Nan b aber die Geseße über die Ableistung der Militäirpflicht durch die vifGéedenartfalión Verhältnisse, welche Sie nothwendig. in S i ziehen müssen, so komplizirter Natur, daß es. gar nicht möglich ist, die Jugend näher mit ihnen bekannt zu mahen. Jh halte es des- halb“ gerade für zweckmäßig, daß in dem Kriminalgeseße eine be= stimmte Verordnung gegeben werde, die leiht faßlih und leiht ver= ständlih i, Die beiden Paragraphen werden einen Anha iee geben für die wesentlihste Verpflichtung und . die. - wesent ibe Contravention; um die leßtere bestimmt festzustellen, is der §. 130 unentbehrlih. Die leßtgenannte Bestimmung is auch - im Vergleich zu dem bisherigen Verfahren von entschiedenem Vortheil für die Ersabpflichtigen. Wenn man die auf Grund des Aushebungsgeseßes bis jeßt befolgte Praxis ansieht, so is die Konstatirung der Ver= hältnisse, welche eine so {were Strafe, als die Confiscation es ist, nah sih zogen, ganz allein in die Häude eines einzelnen Beamten gegeben. Wenn der Landrath, auf Grund der Aushebungslisten, die Ueberzeugung gewonnen hat, daß Ersabpflihtige unter die Kategorie derjenigen zu stellen sind, welhe sich absihtlich dex Militairpflicht entzogen haben, fo reiht er eine Liste derselben bei der Regierung ein, und die Regierung requirirt die Gerichte, welhe auch ohne Wei=- teres den Confiscationsprozeß einleiten. Js nun das Vergehen, das die Präsumtion einer absichtlihen Entziehung vom Militairdienste ge- seßlih fonstatirt, allgemein faßlich bekannt, so kann ih darin nur einen großen Vortheil für diejenigen erkennen, welche von der Aus- hebung getroffen werden. Uebrigens wollte ich noch bemerken, daß die geehrten Abgeordneten, die vor mir gesprochen, und welche beide Landräthe sind, gerade gezeigt haben, wie verschiedenartig in Beur- theilung des Verbrechens der beabsichtigten Militairpflichtsentziehung in den verschiedenen Regierungsbezirken verfahren wird; wir sehen, in dem einen Regierungsbezirke sind es fünf Jahre, nachdem das Verbrechen konstatirt ist, in dem anderen sind es drei Jahre; wir haben also in dem §. 130 eine Bestimmung, welche den vérschieden- artigen Auslegungen des Geseßes vorbeugt. ;

Was nun die Bestimmung des Paragraphen selbst betrifft, #o haben wir hon von Seiten des Königl. Herrn Kommissarius und des Herrn Stellvertreters des Königl. Ministers Erklärungen gehört, die in Beziehung auf die Härte, welche allerdings in dem. Geseßz- Entwurf vorhanden is, völlig befriedigend sind. Drei Monate sind eine zu kurze Präklusionsfrist, um nicht große Uebelstände in einer so unangenehmen Formalität, wie die Einleitung der Sequestration ist, herbeizuführen. Jh glaube aber, daß, wenn von der Regierung von einem Érsaßtz - Termine zum anderen eine Aufforderung au die Aeltern, Vormünder und Angehörigen des rsaßpflichtigen erginge, ihn dahin zu veranlassen, sich in dem nächsten Ersaßtermine des folgendeu Jahres vor der Departements - Kommission zu: stellen, wenn diese Aufforderung in den öffentlichen Blättern in einer aus- kfommlichen Frist wiederholt würde, daß dann alle Rücksichten für den Militgirpflichtigen genommen sein werden, die auf seine Verhältnisse, wenn sie niht ganz exceptioneller Natur sind, billig genommen werden können: exceptionelle Verhältnisse werden aber au stets exceptionell berüdsichtigt werden. Jch würde also für den Paragraphen mit die- ser Modification stimmen. Das bisherige Verfahren is allerdings das gewesen, daß b:s zum Ablaufe des 2Asten Lebensjahres Mili= tairpflichtige unter allerdings ershwerenden Bestimmungen latitiren fonnten, die sie vorzugsweise der Einstellung überall aussebten, wo man ihrer habhaft werden konnte ; der Confiscationsprozeß wurde erst in der Regel gegen ihn eingeleitet, wenn er ins 25e Lebensjahr eintrat. Wir haben aber von dem Herrn Vertreter des Kriegs- Ministers gehört, welche Nachtheile dieses Verfahren nach sich gezogen hat, es sind über 20,000 solher vorhanden, die dem geseßlichen Ver= fahreu nicht entsprohen haben. Jch glaube, daß gerade darin der Beweis dafür liegt, daß das bisherige laxe Verfahren nicht genügt; seßen wir den Termin kürzer, so wird natürlih erst nach einer Reihe vou Jahren das Geseß seine Wirkung äußern. Jch wieder- hole es, ih glaube, daß diese Verschärfung in Beziehung auf die Konstatirung des Verbrechens wohlthätige Folgen haben wird, und wir fönnen den §. 130 unbedenklichßh annehmen, wenn die mildere hon nachgegebene Fassung in denselben aufgenommen wird, und dies umi so mehr, als {hon die Verwandlung der Confiscation in eine Sequestration an sich eine bedeutende Milderung der bestehenden Geseßgebung ist.

Abgeordn. Zimmermann: Jm Wesentlichen halte ih mein Be- denken durch die Erklärung des Hexrn Landtags-Kommissar beseitigt, muß mir aber noch einige Worte über die Frist gestatten, weil weder die dreimonatliche Frist, noch die Frist von einem Jahre genügend ist. Die dreimonatliche genügt niht, weil beispielsweise der größte Theil der hohen Versammlung über den Anfangstermin sich in diesem Augenblicke im Jrrthume befindet. Die Motive sagen nämlih, im September erfolge die Aushebung, das is aber unrichtig, die Aus= hebung erfolgt im Juli. Wenn wir uns also heute insgesammt so leiht in einem Jrrthume befinden, wie sehr erscheint derselbe bei unerfahrenen jungen Leuten entshuldbar. Jch führe dies nur als ein Beispiel an, wie leiht ein Jrrthum möglich ist. Ein Jahr halte ih aber auch nicht für ausreihend, weil das Ersaßgeschäft nur alle Jahre möglich is und der Ersabpflichtige alle Jahre nur einmal Gelegenheit hat, sich zu melden. Jch verkenne nicht, daß er sich auch außer der Zeit melden kann, er kann aber sehr leiht auch von der Voraussezung ausgehen, daß er sich nur bei der Ersaßkommission, wenn sie versammelt ist, zu melden habe. Jh würde daher darauf autragen, daß jedenfalls über ein Jahr hinausgegangen werde.

Landtags-Rommissar: Nach dem Zugeständnisse, oder, wenn Sie wollen, nah dem Vorschlage, den ih gemacht habe, würde das Pro- flama vorausgehen und dieses die Frist etwa von einem Jahre be- stimmen müssen , innerhalb welher si{ch der Ersaßpflichtige zu melden hätte. Dieses Proklama würde natürlich nit eher erfolgen können, als bis die Nichtgestellung des Aufzufordernden von der Ersaßbehörde fonstatirt is. Dann aber würde ich vorschlagen, über den eitpunkt der Erlassung des Proklama’s uichts Näheres festzuseßen. Es fann das 23ste oder auch das 25e Lebensfahr des Dienstpflichtigen abgewartet werden. Die Behörden fönnen sich inmittelst alle Mühe geben, die Aeltern und Angehörigen zur Gestellung des Ersatzpflichti e veranlässenz es kann aber auch in Zeiten

pflichtigen zu ' ; 2 ; L: der Gefahr und des Krieges nothwendig werden, das Proklama gleich der Nichtgestellung folgen zu lassen. Deshalb B ich, daß es besser ist, über den Zeitpunkt des öffentlichen Aufrufs zu s{hweigen.

Abgeordn. von Byla: Jh habe mich nur dem Antrage des Abgeordneten aus der Provinz Brandenburg anschließen wollen, so- wohl rüdsihtlich des Nachweises, daß der Militairpflichtige vorschrists- mäßig aufgefordert worden, als rüccksihtlich der Verlängerung der Frist von 3 Monaten. Durch die hierüber abgegebene Erklärung des Herrn Landtags-Kommissars dürften diese beiden Bedenken ihre Erle= digung gefunden haben, und erkläre ih mi hierdurch zufrieden=

Met gle Sbgeorbn. von Auerswald: J muß bedauern, daß ih n niht eben \o Les erklären kann, obgleich ih nicht verkenne, ‘da sowohl nach der Erklärung des Herrn Stellvertreters des Kriecs-