1848 / 49 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

liche religiöse Lehren oder durch Mißbrauch religiöser Vorstellungen díe Verübung unzüchtiger Handlungen bewirken oder befördern.“

welcher angenommen wurde.

Die k Widernatürlihe Unzucht wird im §. 183: ; ;

„§. 183. Die widernatürlihe Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geshlechts oder von Menschen mit Thieren verübt wird, ist mít Strafarbeit von einem bis zu zehn Jahren oder mit Zucht- haus bis zu zehn Jahren zu bestrafen,

Wenn jedo dieses Verbrehen an einer Person mit Zwang verübt oder wenn der bewußtlose oder willenlose Zustand einer Per=- son zu dem Verbreheu der widernatürlihen Unzucht gemißbraucht wird, ingleichen wenn das Verbrechen an einer Person unter vierzehn Jahren begangen wird, so soll Zuchthausstrafe bis zu funfzehn Jah= ren eintreten. :

Ist in einem solhen Falle der Tod der gemißbrauchten Person durch die widernatürliche Unzucht herbeigeführt worden, \o kann die Strafe bis zu lebenswierigem Zuchthaus geschärft werden.“ und

Grobe Angriffe auf die Shamhaftigkeit im §. 184: s

19. 184, Grobe Angriffe auf die Schamhastigkeit sind mit Gefängniß nit unter einem Monat oder mit Strafarbeit bis zu fünf Jahren zu bestrafen, jedoch nur auf den Antrag der verlebten Person (§. 70), oder au, wenn diese eine Ehefrau ist, auf den Antrag des Ehegatten derselben.“ behandelt ; beide werden angenommen.

___ ODeffentlihe Verlebßung der Schamhastigkeit wird in den §F§. 185 und 186 behandelt.

19+ 185. Wer sih öffentlich einer groben Verleßung der Schamhasftigkeit shuldig macht, soll mit Gefängniß oder Strafarbcit bis zu einem Jahre bestraft werden.“ wird angenommen, nachdem entschieden war, daß derselbe nicht zu den Polizei-Vergehen zu stellen sei,

119. 186, Wer unzüchtige bildliche Darstellungen oder Schriften öffentlich ausstellt oder im Umhertragen feil bietet, is mit Gefäng- mh oder Strafarbeit bis zu einem Jahre zu bestrafen, Die bei ihm vorgefundenen Exemplare solcher Darstellungeu oder Schriften sind zu vernichten,“ i erhielt die Erläuterung, daß unter „Ausstellung“ nur „Ausstellung zum Verkauf“ gemeint sei, und wurde der Autrag :

soll beantragt werden, daß dic Strafbestimmungen des §. 186 als

Polizei-Vergehen in den betreffenden über dicse handelnden Titel

zu verweisen sei? fast einstimmig bejaht.

Von der Kuppelez

handeln die §§. 187 und 188.

9. 187, Wer der Unzucht dur seine Vermittelung oder durch Gewährung oder Verschafsung von Gelegenheit gewohnheitsmäßig oder aus Cigennuß Vorschub leistet, macht sich der Kuppelei {uldig

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und ist mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu bestrafen; zugleich ist gegen denselben auf Stellung unter besondere Polizei- Aufsicht zu er- ennen.“

wird ohne Bemerkung angenommen.

/-§+ 188, Die Strafe der Kuppelei (§. 187) kann bis zu zehn Jahren Zuchthaus geschärst werden, wenn auch nur in einem einzel fit Falle Gewalt oder hinterlistige Kunstgrisse angewendet worden ind,

Dieselbe Schärfung der Strafe ist zulässig, wenn das Verbrechen in Beziehung auf solhe Personen begaugen wird, gegen welche die Angeschuldigten als Aeltern, Ehegatten, Vormünder, Erzieher, Leh rer oder Geistlihe in einem besonderen persönlichen Verhältnisse stehen.“ wurde mit den Bemerkungen angenommen:

daß im zweiten Alinea die Fassung eben so gegeben werden solle, dasz sie das ausdrüce, was das Wort „kann“ im ersten Alinea besagez und daß îm zweiten Alinea auch Erz‘eheriunen und Lehre- rinnen haben eingeschlossen werden follen,

Nachdem hiermit die Verathung über den neunten Titel, wel- cher die Verbrechen wider die Sittlichkeit behandelt, beendigt war, wurde vom Marschall die Sihung geschlossen und die nächste auf Dienstag, den 15ten d, M., um 10 Uhr anberaumt, während der 12te und 14, Februar zu Sihungen der Abthcilung anheimgegeben warb.

Uichtamtlicher Theil.

Inland.

Provinz Schlesien. (Bresl. Ztg.) Se. Majestät der König hat geruht, mittelst Allerhöchster Kabinets-Ordre einen sehr großen Theil der Lazareth=-Effekten des V1. Armee-Corps, bestehend i Bekten, wollenen Decken, Kopflisson 2c, 2c., zur Benußung für die Kranken und Armen im rybuiker und pleßer Kreise zu bewilligen.

Nach einer Berflügung des Kriegs- Ministers an die Königliche Regierung in Breslau sollen st{ch 18 Militair-Aerzte ungesäumt nach Oberschlesien begeben, und zwar au die Orte, wo ihre Anwesenheit nah dem (Ermessen des Herrn Ober-Präsidenten von Wedell am n6 thigsten erscheinen wirb, Elf derselben sind in Breslau ansässig, sieben dagegen kommen von außerhalb, Außerdem is vou hier be veits am 14ten ein Civil-Arzt, Herr Per, Levy, auf ergangene Auf- forderung des Herrn Ober+ Präsidenten nah Pleß abgereist,

Deutsche Bundesstaaten.

Königreich Württemberg. (Schwäb, Merk.) Dei bei dem Kriminal-Amte in Stuttgart in Hat und Untersuchung be findliche Giiterbuchs-Commissair Kost hat neuerlich seine früheron Au- gaben größtentheils zurlilgenommenz insbesondere versichort derselbe, das er (wie bereits erwühnt) eine gegen das Loben Sr. Königlichen Hoheit des Kronprinzen gerichtete Äbsicht nie gehabt und oíîner sol chen sih nur darum sälschlih angeklagt habe, weil er sich dadurch aus der Bedränguniß seiner Schulden, worin ex damals sich befunden, zu retten gehofft,

Oesterreichische Monarchie. _ Venedig, 7. Febr. (A, Z,) Der gestrige Abond war be- Me die Theiluahme und Freude über die in Neapel ertheilte Cou- tution zu erkennen zu geben, Die Nachricht war am Tage vorher nad Veuedig gelangt. Abeuds sollte Alles in der Deputirtenkammer, D E \derzweise das Fenice-Theater zu nennen pflegt, in weißer Auonate E elben Wudschuden erscheinen (weiß und gelb sind die pstlichen Farben), ¡je Cerrito tanzte die Sicilienue, uud bei ihrem rschcinen und dem Erbliken der italienischen Farben, mit denen sie sih gepupt hatte, Yng der Lärm îm Parterre los. Ein wüthendes Vivat - und Bravoschreien bègleitete jeden ihrer Schriite, und als der Tanz zu Cude war, verlangte man stürmisch dir Wiederholung,

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die aber nicht erlaubt wurde. Plöblich ertönte aus dem Parterre der Ruf: „Alle hinaus!“/ und în wenigen Minuten stand das große Theater beinahe leer, der Vorhang ging nieder, weil man die Oper niht weiter spielen lassen wollte, und um 40 Uhr war Alles zu Ende. Der Cigarrenkrieg hat nachgelassen , dafür besteht der neueste Wiß darin, daß man die Schnalle am Hutbande nah vorn tragen soll. Einige, die den Spaß nicht mitmachten, sollen insultirt worden sein.

Heute früh langten hier wieder Dampfschiffe mit einem Gränz- Bataillon an. Das Urtheil über Manin ist bereits nah Wien ab gegangen. Die Untersuchung Tommasco's scheint si in die Länge zu ziehen.

_ Mailaud. (A. Z.) Hier wird es mit jedem Tage ärgerz die Explosionen werden zwar noch zurückgehalten, aber kein Mensch fann bestimmen, wie lange es noch mögli sein wird! Das Mili= tair is in eine Lage versest, die es kaum mehr auszuhalten vermag. Die Kinder auf den Straßen höhnen es, die Kellner in den Kaffee und Gasthäusern \shenken nicht ein und versagen die Bedienung, wenn deutsh gesprochen wird, weil sie wissen, daß die strengsten Be- fehle an die Regimenter ertheilt sind, zu feiner Thätlichkeit zu schrei- ten, Vie Seldaten aber kuirschen vor zurückgehaltener Wuth. Wo- hin soll das fommen, und was bereitet sih der italienische Leichtsiun und diejenigen, die ihm das Wort reden, vor? Die mai- länder Revolutionaire spielen ein höchst gewagtes Spiel, und es sieht niht auë, als ob sie cs gewinnen würden, Wir fonstatiren die Thatsachen und lassen der eigenen Beurtheilung die Entscheidung der Frage! Funfzig Damen haben sih zu Samm- lungen für Nothleidende vereint, und die Regierung hat diesen Verein gestattet. Wie man vernimmt, sollen von dort die Tagesbefehle für die ganze revolutionaire Bewegung ausgehen. Soll sie die Regierung bestehen lassen zu ihrem Verderben? Soll sie sie abstellen und das Zeichen zu einem allgemeinen Geschrei geben, sie übe Tyrannei und hindere die Wohlthätigkeit nur deshalb, damit sie die unteren Klassen zur Verzweiflung und zu Exzessen treibe? So stehen heute die Dinge in dem gesegnetsten Lande der Welt. Wir sind nicht in Zweifel, wer in diesem Kampfe den kürzeren zichen wird, aber uns graut vor dem Gedanken an die Möglichkeiten , die er herbeiführen könnte.

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__ Deputirten - Kammer. Sißung vom 12, Februar. Fortseßung der Debatte über das Amendement des Herrn Sallan- drouze :

_ Herr von Moruy meinte, der Opposition sei es nicht sowohl um Ne- form, als um den Sturz des Ministeriums zu thun, und deshalb scheine es ihr auch nicht zu gefallen, daß ein großer Theil der konservativen Par- tet geneigt sei, der Neform zuzustimmen, ohne deshalb dem Ministerium feindlich gegenüberzutreten. Er sei für die Reform und werde Alles auf- bieten, um sie durchzusegenz den jeßigen Augenblick erachte er jedoch nicht sur geeignet zu Neform-Versprehungen, und er werde daher zufricden cin, wenn das Ministerium in nächster Session eine zweckmäßige Neform-Maß- regel vorschlage, Herr Berrver bestieg die Tribüne, das Geräusch in der Kammer war aber so arg, daß er sie wieder verlicß, Herr Sallandrouze erflärte, daß er zur Zurücknahme seines Amendements bereit sei, wenn Herr Guizot bestimmtere Hoffnungen für die Zukunft mache, als bisher, Jm Gegen- tbeil müßten er und seine Freunde auf dem Amendement beharren. Herr Thi ers bemerkte, daß unter den verlangten zwei Reformen diejenige, um welche es sich in diesem Augenblick handle, nicht blos am wenigsten Widerspruch finde, sondern sogar, was den Grundsaß angehè, alle Schattirungen der Kammer für sich habe, Fortan sei die Stellung der Beamten in der Kammer ge- rade so, als wenn das Ministerium schon jeyt die Reformen verspräche,

Jedermann erkenne an, daß 200 Beamte in eincr Kammer von 450 De- putirten cin bedenklicher “Zustand sei, dem eine Schranke gesezt werden müsse, Noch habe zwar das Ministerium feinen bestimmteu Entschluß hin- sichtlih der parlamentarischen Reform gefaßt, und die Ansichten des Herrn (Huizot, der die Reformen erst. daun wolle, wenn die Majorität cín- stimmig sein werde, scien von deneu der Herren von Morny und Gou- lard verschieden; aus Allem aber gche hervor, daß der Erfolg der Ne- form gesichert sei, die schon jeßi das Ministerium von der Majorität soudere, „Man erlaube uns“, so schloß der Redner, „es mit Stolz zu sagen, der Erfolg dieser Maßregel is gesichertz wir zweifeln uiht mehr daran, (Ja! ja!) Es mag sich um ein Jahr früher oder später handeln, aber schon schen wir die Wahrheit hervorsprossen; Sic sind gespalten über diese Wahr- heit, die wir verlündet haben, sie hat Fortschritte gemacht, Sie sind darüber in Zwietracht. (Eine Stimme im Centrum: Nein!) Nein? Wer sagt: Nein? Wer dies sagt, der könnte die Schwierigkeit sofort lösen, wenn er auf die Tribüne stiege und die Eintracht unter der lïonservativen Partei verkündigte; er würde dadurch dem Herrn Conseil3-Präsidenten erschreckliche Schlaflojigkeit ersparen. (Seusation,) Ja, meine Herren, die Wahrheit hat Fortschritte gemacht, sie hat Sie in Spaltung gebracht, und ich will mit einer einzigen Betrachtung schließen: Wenn ich hier Deputirte, Mini- ster genöthigt sehe, dieser Wahrheit zu huldigen, so sollte man Depu- tirte, die am Ende doch nichts Anderes gethan, als dieselbe im Lande laut auszusprehen, nicht auf so s{mähliche Weise behan- deln“ ( Lebhafte Sensation. Im Centrum: Zur Abstimmung ! ) Herr Guizot äußerte, daß er, bezüglich der Neform, nichts versprochen habe, Was Herr Thiers als Spaltung der Majorität bezeichne, sei blos eine Ansichten - Verschiedenheit, und die Anstrengungen des Ministeriums wvürden dahin gerichtet sein, die Einigkeit herzustellen. Sollten die An- skrengungen der Regierung jedoch erfolglos bleiben, so werde sie Anderen die Sorge überlassen, einer Auflösung der Majorität beizuwohnen; deut- licher könne er sich nicht aussprechen. „Jch habe gesagt“, so endete der Minister seine Erklärungen, „daß vielleicht eine Vermittelung möglich wäre, die über diese Frage die Einheit in der konservativen Partei hei stellen wü: de. C8 is eben meine Pflicht, im Namen und im Juteresse der Par- tei, zu der ih zu gehören die Ehre ‘habe, diesem Zwiespalt wo möglich ein Ende zu machen, (Lebhaste Erclamationen. Herr von Ngineville; „Sie sind cine Regierung, nit cine Partei! Sie sind dexr Minister der Krone, nicht das Haupt ciner Partei.“ Stimmen zur Linken; „Man muß im Namen und im Juteresse des Landes han- deln) Die ehrenwerthen Mitglieder, die mich unterbrechen, entstellen meine Absichten und Worte auf seltsame Weise, Wir handeln hier Alle im Na- men unv îm Juteresse des Landes. (Neue Unterbrechung auf der linken Seite.) Die politischen Parteien sind nur die Vertreter gewisser Jdeen, ge- wisser allgemeiner Juteressen des Landes; sie haben nur als solche eine Bedeutung, und nur als solchen is man ihnen Treue schul- dig, Wenn ich also von meiner Treue für meine politische Partei spreche, so spreche ich von meiner Treue für die allgemeinen In teressen, sür die Gesinnungen des Laudes, die diese Partei vertritt, und deren Organ sie ist, (Veifall,) Der erhobene Einspruch verdient keine Minute der Widerlegung. Jch habe erklärt, wie die Regierung handeln wird; das sie keine Verpflichtung für die Zukunft übernimmt, daß sie aber, wenn sie eine Vermittelung ausfindig machen kann, die im Stande ist, in der großen loanservativen Meinung bierüber Einheit herzustellen, an An- strengungen und Opfern es nicht fehlen lassen wird, um zu diesem Ziele zu gelangen. Jch kann mich nicht bestimmter, parlamentaricer und deutlicher ausdnicken,* (Lebhaste Bewegung.) Herr von Remusat meinte , aus der gegenwärtigen Diskussion seien wenigstens zwei Thatsachen bervorgegangen: dic Zervissenheit der Majorität und die Ungewißheit des Ministeriums, Dar- aus dürfe man wenigstens die Hoffnung schöpfen, daß der Grundsaß der Resorm fortan gesichert sei, Das Amendement des Herrn Sallan- drouze wurde hierauf mit 222 gegen 189 Stîmmon verworfen und der ganze leßte Paragraph vollständig an genommen, ‘Man s{ritt hier- auf zur Abstimmung uber die ganze Adresse die Opposition nahm an der Abstimmung keinen Theil, und die Adresse wurde daber (wie {on in unserem vorgestrigen Blait auf telegraphischem Wege gemeldet) mit 211 ge- gen 3 Stimmen genehmigt. |

__ Paris, 13, Febr. Das Ergebniß der leßten Abstimmungen über dio Adresse veranlaßt das Journal des Débats heute zu

folgenden Bemerkungen : „Das Amendement des Herrn Sallandrouze ist nur mit einer Majorität von 33 Stimmen verworfen wörden Die Opposition wird ohne Zweifel über dieses Resultat triumphiren: wir unsererseits sind dadur weder überrascht , noch erschreckt. Ja, wir erkennen an, daß die Parlaments-Reform in der Majorität selbs eine E beträchtlihe Zahl ven Anhängern zählt. Wir E auch schon gesagt, und wir erklären cs von neuem, daß diese Frage noch vor dem Ende der gegenwärtigen Legislatur (d. h. ehe die jebige Kammer das Ende ihrer Dauer erreicht hat, aber nicht in dieser Ses sion) gründlich zu prüfen und zu entscheiden sei. Dasselbe sagen wir vou der Wahl - Reform. Das Amendement des Herrn von Sagl[- landrouze , welhes zum Zweck hatte, einen der Parla ments - Reform günstigen Wunsh in die Adresse einzuschal= ten, mußte also natürlih viel Stimmen für sich haben, Wix glauben jedoch, daß der chrenwerthe Herr Sallandrouze sich geirrt, und daß er, ohne es zu wollen, seinem eigenen Zweck entge- gen gehandelt hat. Man reinige vor Allem die Reform-Frage, wenn man die Reform um ihrer selbst willen haben will, dadurch, daß man jie dem Parteigeist entziehe, sie auf die Höhe einer Frage des Ge- meinwohls erhebe und eine neutrale Frage daraus mache! Wäre dies im gegenwärtigen Augenblicke möglih? Wäre es in diesem Jahre möglih, nah den Bauketten, nach den Debatten der lebten Tage? Und welches auch die Absicht des Herrn Sallandrouze und derjenigen seiner Freunde, die sein Amendement unterstüt- ten, gewesen sein mag, wäre es nicht, wenn die Kammer dies Amende- meut angenommen hätte, die Niederlage der Majorität, der Sieg der Op- position. gewesen, hätte das Ministerium nicht scine Entlassung nehmen inüssen? Was das Ministerium betrifft, so begreift man, daß es sich in dieser Debatte nit in lange Erklärungen einlassen fonnte. Herr Guizot hat in einigen sehr bestimmten und festen Worten die Absich« ten der Regierung deutlich bezeihnet. Keine Reform sür dieses Jahr, und keine Verpflichtung, kein Versprechen für die Zukunft; denn, wie Herr Guizot mit Recht sagte, in dergleichen Sachen cin Versprechen geben, isst mehr, als etwas thun. Indem man etwas ver spricht, zerstört man im voraus das Bestehende, ohne etwas Anderes an seine Stelle zu seßen. Aber das Ministerium erkennt mit allen Verständigen an, daß die Frage vor dem Ende der Legislatur zu erledigen ist, und daß es gilt, über diesen Punkt durch eine weise Vermittelung die Eintracht in der Majorität wiederherzu- stellen. Dies war die Erklärung der Regierung. Herr Thiers und Herr von Remusat versuchten, sich einen Triumph daraus zu machen, Jmmerhin! Wir wollen mit ihnen um dieser Genugthuung willen nicht streiten. Herr Thiers i} jetoch ein ziemlich neuer Reformer, wenn unser Gedächtniß uns nicht trügt. Die Reform is} allerdings eine wichtige Sache. Aber es giebt noch etwas Wichtigercs: die gute Eintracht der Majorität. Wir wollen nicht sagen, die konser- vative Partei sei Frankreih. Wir wollen der Opposition nicht diese Beleidigung zufügen. Auch die Minorität is Frankreih. Nur von der ganzen Kammer wird Frgnkreich repräsentirt. Was aber die kou=- servative Partei ganz besonders repräseutirt, das sind die Jdcen der Ordnung, des Friedens, der Dauerhastigkeit, und darum halteu wir cs für wichtiger als jemals, daß die fonservative Partei stark und einig jei! So crklârt jich das Wort Partei, welches im Munde des Herrn Guizot der Opposition so anstößig war. Würde die Opposi= tion nicht mit mehr Grund dagegen haben ihre Stimmen erheben fönnen, wenn Herr Guizot sich des Wortes Frankreich bedient hätte, als er blos von der Majorität sprah. Die Adresse erhielt schließlich 241 Stimmen, sie wäre also auch mit einer sehr großen Majorität angenommen gewesen, felbst wenn die ganze Opposition an der Abstimmung theilgenommen hätte, statt, wie sie es gethan, gar nicht mitzustimmen.“ Der Constitutionnel greift seinerseits zu der Wendung, daß er behauptet, die Majorität habe einen revolutionairen Weg eingeschlagen. Dieses Votum der Gewalt und Unterdrückung werde das Signal zu einem s{limmen Kampfe geben. Die Presse druckt eine nicht gehaltene, sondern nur gedachte Ab=

schiedörede an das Ministerium von Sciten ihres Haupteigenthimers Girardin an die Stelle ihres leitenden Artikels und erklärt, daß sie nun, obzwar immer noch mit guten NRegierungs-Grundsäßen, völlig zur Opposition übergehe. National und Siècle fragen, ob sie heute wirklih " noch blinde Lente seien wie gestern. Commerce, Patrie und die legitimistischen Blä ter erklären, der Auzenublick zum Handeln sei erschienen. Die Reforme sagt: „So haben denn 241 Deputirte im Angesichte Frankreihs und ganz CEuropa's hundert ihrer Kollegen für Blinde und Feinde der gegenwärtigen Regierung erklärt. Lebtere kann zufrieden sein. Uns betrübt dicse Entscheidung wenig, da wir sie voraussahen. Die Opposition is nach Verdienst gezüchtigt worden, Sie konnte ihren Gegnern Schrecken einjagen ; doch sie fürchtete sich ‘und ist unterlegen. Recht so.“ Galignani?s Messenger, der sich zwar cutschieden mißbilligend über das factiöse Treiben der Oppo- sition ausspricht, will doch audererseits die in der Kammer von den Ministern und von den ministeriellen Blättern bei Gelegenheit der Debatten über die Reformbaukette vorgebrachten Argumente gegen das Versammlungsrecht nicht gelten lassen. Die Presse will wissen, daß der Polizei-Präfekt, Herr Delessert, seine Entlassung angeboten habe, falls das Ministerium darguf bestände, die Baukctte mit Ge walt zu verhindern. Z

Der Herzog vou Nemours begab sih uach der vorgestrigen S13= zung der Deputirten-Kammer zu Fuß und uur von einem Bedienten begleitet zu Herrn Guizot, Der Prinz soll sehr mißgestimmt ausge= fehen baben.

Seit mehreren Tagen sind die Truppen der Besaßung von Paris in sämmtlichen Kasernen kousignirt und haben Munition für 14 Tage empfangen. Aus dem Kriegs - Ministerium i der Befehl ergangen, drei neue Lebensmittel-Magazine in der Umgegend von Paris anzu» legen.

Der Prinz von Syrakus, der am Donnerstag Abend wieder vom Könige empfangen wurde, muß seine Abreise noch immer ver= schiebèn, da die neapolitanische Gesandtschaft nod nmcht von Neapel den Auftrag erhalten bat, dem Prinzen seine Pässe zur Rückkebr zu visiren, Man bemerkt, daß das Hotel Douvres, wo der Prinz

{hen und ficilianischen Flüchtlingen besuct wird.

Am Douncrstag Abend war cin solcher Zudrang zu d des Grafen Molé, daß die weiten Räume schoa um angefüllt waren und Niemand mebr hinein kounte. füllten den großen Hof und die ganze lange Haupt bourg St. Honoré an. Auch der Herzog von Montpouzier dieser Soiree bei. \ E

Es beißt nun bestimmt, daß der Herzog von dem Kabinet treteu werde und das Marie - Portefeuille ral Lalande übertragen werden solle.

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ac Paris, 13. Febr. Nach drei Wochen der T Ï S d «ph pup Vat pu 4 Y einer seit langen Jahren nichk i ggr ginn Debatten it die L eputirteu-Kaume1 endli mit i Stande gekommen. Die außergewöhnlich große Anza menden, als es sih gestern um das leßte Amendement Sallandrouze , in Betreff emer Andeutung der Wabi= u tarischen Reform in der Adresse dandelte, zeigt hinreichend,

von beiden Seiten, die einander gegenuberstanden,

strenguugen gemacht hatte, um mit den mögli zahlreichsten Streit- kräften im Augenblicke der Entscheidung aufzutreten. Die Gesammt- zahl der Mitglieder der Deputirten-Kammer beträgt 459; davon waren gestern nicht weniger als 411 auf ihren Pläßen anwesend, und das Resultat der Abstimmung besiegelte volleuds die schon in der Debatte hervorgetretene Spaltung der Majorität über die Frage der Wahl- reform, Vorgestern war die Majorität des Ministeriums bei Ver- werfung des Amendements des Herrn Desmousseaux de Givré noch 43, also schon verhältnißmäßig ziemlich {wach gewesen. Gestern sank sie bei dem Amendement des Herrn Sallandrouze volleuds bis auf 33 herab, indem 189 für, 222 gegen dasselbe sih erklärten.

Die Majorität zerfällt nun in solhe, welche die Wahl - Reform noch ganz und gar zurückstoßenz in solche, die sie zwar nicht absolut zurückweisen, aber eben so wenig es gerathen finden, in irgend einer Weise derselben Vorschub zu leisten, und daher noch jedesmal mit den absoluten Gegnern derselben stimmen; die dritte Kategorie besteht aus denen, welche sie im Prinzip annehmen, aber die Sache durchaus nicht für dringend haiten, daher das Ministerium auch nicht dazu drängen; in die vierte Kategorie fallen die, welhe die Frage als einer unerläßlihen Lösung bedürfend betrachten, dem Ministerium aber vollkommen freie Hand lassen wollen, den ihm dazu gelegen dün- kenden Augenblick abzuwarten; in der fünften Kategorie finden wir solhe, welhe die Frage als dringend \{chon in ciner nahen Zukunft gelöst sehen möchten, sogar bereit wären, sogleich zu dieser Lösung mitzuwirken, aber erkennen, daß das Ministerium, wenn es jebt sogleih ans Werk schritte, den Schein auf sich z.ehen würde, als hätte es dem Andrängen der Opposition sich fügen müssen, also durch Nachgeben einen Aft der Schwäche begangen, der seinem mo- ralischen Ansehen Eintrag thun müßte; da sie aber um jeden Preis dem Eintreten einer unter den jeßigen Umständen doppelt bedenklichen Ministerkrise vorbeugen und die jeßt das Ruder führenden Männer daran erhalten wollen, \o bringen sie ihre Wünsche der Erhaltung des Kabincts zum Opfer und stimmen daher, wie gesteru die Herren von Goulard und Graf von Morny gethau; in der sechsten Kategorie erblicken wir die, welche durchaus feinen längeren Aufschub der Sache mehr zulassen wollen, die Frage für reif halten, und daher das Amendement des Herrn Sallandrouze, troß der Er- klärung der Minister dagegen, unterstützten und votirten; eine siebente Klasse endlich, die nur aus einigen wenigen Mitgliedern besteht, sind diejenigen Konservativen, welchen die Politik des Ministeriums nicht blos in der Frage der Wahl= und parlamentarischen Reform, sondern überhaupt anstößig ist, und die ihm daher den gänzlichen Scheidebrief ¿ugeschickt haben, wie die Herren Darblay, Desmousseaux de Givré und Emil von Girardin, welcher Leßtgenannte übrigens in so manchen Beziehungen wieder ganz allein dasteht. Die Männer der sechsten Kategorie sind die sogenannten Progressisten, die gestern Abends in öffentlichen Blättern eine Erklärung über ihr Verhalten bei der rep Sorvatie niedergelegt haben, worin sie ausdrücklich hervorheben, daß sie wohl in einigen Fragen gegen das Ministerium mit der Opposition stimmen Fonnten, darum aber eben so wenig von der fon- servativen Majorität sih lossagen, als die Taktik und die Manöver der T pposlflion unterstüßen wollen. Als verwerfliche Taktik und nicht zu billigendes Manöver erscheint ihnen vorzugsweise die Thatsache, daß die Opposition sich der Abstimmung über die ganze Adresse enthielt, in der Hoffnung, dadurch eine gültige Abstimmung überhaupt unmög-= lih zu machen. Die Progressisten, von dem Grundsabe ausgehend, daß jeder Deputirte zu stimmen verpflichtet sei, wenn nicht das Re-= präsentativ-System von Grund aus umgestürzt werden solle, und daß man sich dem Votum der Majorität unterwerfen müsse , vereitelten durch ihre Theilnahme an der Abstimmung, von welcher man sie von Seiten der eigentlichen Opposition abzubringen suchte, das Manöver dieser und haben sonach unbestreitbar als loyale Männer gehandelt, und so ergaben sih denn, statt der nöthigen 230 Abstimmenden, sogar 244, von welhen 241 die ganze Adresse annahmen, nur drei sie verwarfen. Daraus ergiebt sih der Beweis, daß also auch die Pro= grefsisten nachträglih in ihrer großen Mehrheit selbst den Paragra- phen, welcher die Theilnehmer an den Wahlreform = Banketten als feindselig oder blind bezeihunet, ihre Zustimmung gegeben haben. Angenommen, die Opposition hätte über die ganze Adresse mit ab-= gestimmt , und es wären also 414 Abstimmende gewesen, wie beim Amendement des Herrn Sallandrouze, so hätte sich das Verhältniß der Stimmen so gestellt: Zahl der Abstimmenden 411, absolute Ma- jorität 206, für die Adresse 241, gegen dieselbe 170, Die relative Majorität zu Gunsten des Ministeriums wäre also 71 gewesen, die absolute 35. Jedenfalls ist sonach die Adresse noch immer mit einer ziemlich starken Majorität durchgegangen,

Die im Schoße der konservativen Partei herrshende Spaltung bleibt aber darum nicht minder bestehen, und die Etuigkeit unter sie zurückzuführen, hat sih das Kabinet, laut der von Herru Guizot ge stern gegebenen Erklärung, zur Aufgabe gestellt. Das Werk hat seine großen Schwierigkeiten, doch sind dieselben nicht unüberfteiglich. Aber daß man auf andere Weise zum Ziele konunen werde, als durch Nachgeben des Kabinets, ist durchaus nicht abzusehen : die allgemeine Ueberzeugung if, daß die Wahl und parlamentarische Reform, sei es in welchem Maße und in welcher Weise immer, wenn auch nicht in der gegenwärtigen Session, was Niemand erwartet, doch im Lauf der gegenwärtigen Legislatur wird zu Stande kommen müssen.

Mit allen diesen Reden und Wortkämpfen sind inzwischen über sechs Wochen verloren gegangen, die wahrlich besser im Juteresse des Landes hätten angewendet werden können, Diese Debatten haben allerdings alle Gemüther lebhaft hier beschäftigt, aber man kann doch nicht sagen, daß sie unter der großen Mehrzahl der Bevölkerung von Paris eine eigentliche Aufregung hervorgebraht haben. Wohin man den Blick richten mag, bietet Paris, eie Anzahl von Brauseköpfen und jungen Leuten abgerechnet, die allerdings die Sache etwas leb= hafter nehmen, ganz seinen gewohuten ruhigen Unblick, Anders könnte sih das gestalten, wenn die Oppositions-Deputirten wirklich dabei be- harren sollten, auf offener Straße in Begleitung von uniformirten National- gardisten zu erscheinen, um zu dem ungeachtet der Untersagung noch immer beabsichtigten Bankette sich zu begeben. Jedermann weiß, wie bei allen dergleichen öffentlihen Aufzügen immer Leute in Masse, die cut- weder in s{chlimmer Absicht oder aus Neugierde herbeikommen, sich versammeln und anschließen, und augenommen auch, die auwesenden National-Gardisten, die doh auch großentheils aus mehr oder weni- ger leidenschaftlihen Leuten bestehen, geben der Stimme der Depu= tirten Gehör und halten sich innerhalb der Gränzen des Gesebes und der Mäßigung, so kaun doch Niemand verbürgen, daß die Deputirten auf die unberufenen Theilnehmer an dem Zuge die gleiche moralische und zügelnde Macht auszuüben im Stande sein werden, Die Re- gierung thut daher sehr wohl daran, daß sie sich gefaßt hält. Es is allerdings Thatsache, daß die höheren Offi- ziere der National - Garde, ecinschließlich einer großen Zahl von Compagnie - Kommandanten, befragt worden sind, inwiefern man sich auf die Nationalgarde für Mitwirkung zur Erhaltung der Ruhe und der Ordnung im Nothfalle verlassen könne. Die Antworten fielen befriedigend genug aus, so daß die Regierung, welche ohnedies auf die Treue der E Mer renen kann, die Ueberzeugung gewon- nen hat, im Falle e ersuhs zu Unordnungen denselben bemei- stern zu können, Zudessen sind viele Gemüther nichtsdestoweniger be-

tags ein Kabinetsrath im auswärtigen Amte statt.

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ängstigt und werden erst dann sih vollkommen beruhigen, wenn das Baukett entweder ganz aufgegeben oder vorüber sein wird,

Großbritanien und Irland.

London, 12. Febr. Gestern hielt die Königin im Buckingham- Palast Hof; der Erzbischof von York leistete den Eid und nahm sei nen Siß als Mitglied des Geheimenraths ein. Heute fand Mit-

Die gestrige Unterhaus-Sibung ergab das bereits (tur telegraphische Depesche) mitgetheilte Resultat, nämlich die Annahme des Prinzips der von Lord Johr Russell eingebrahten Juden- Emancipations-Bill durch die Bewilligung der zweiten Lesung der- selben. Der Anfang der Debatte bot kein besonderes Juteresse, da

meistentheils Redner untergeordueten Ranges die schon früher gel= tend gemachten Gründe für und wider die Bill wiederholten. Die Herren Pearson (ein Syndikus der City von London), Cowper (ein Neffe Lord Melbourne’s und Whig-Mitglied für Hertford), Horsman, ein schottisher Radikaler, sprachen für die Maßregel, während Lord Drumlanrig, Herr Seymer, neues Mitglicd für Dorsetshire, und Herr Baukes dieselbe bekämpften. Gegen das Ende ter Sißung wurde die Debatte indeß bedeutend durch einc Rede Sir R. Peel’s zu Gunsten der Juden. Sir R. Peel hatte bei der ersten Abstimmung dieser Frage sein Votum schweigend für die Bill abgegeben, heute motivirte er dasselbe. Er wolle jeßt an- geben, sagte er, weshalb er -nach reifer Ueberlegung für Lord J. Russell stimme, Es geschehe dies nicht aus dem Grunde, welchen Viele für ihre Unterstüßung der Maßregel angegeben haben, daß die Religion nichts mit der Regierung eines Landes zu thun hätte, son= dern im Gegentheil, weil ihm die Religion, welche stets großen Ein- fluß auf die Regierung ausüben müsse, die Pflicht auferlege, die Ju= den niht von der Gescbßgebung ausschließen zu wollcn. Er habe keinen Beruf, die Juden ihrer Glaubens - Jrrthümer wegen zu sstra

fen, noch weniger, weil ihre Vorväter Christus gckreuzigt; denn Gott sage: Die Rache is mein, Bürgerliche Beschränkungen aber wären nichts anderes als Strafen. Lord Ashley habe sich auf De, Arnold berufen, der, obglei ein duldsamer Mann, jenen Beschränkungen das Wort geredet; er wolle sih auf eine größere

Autorität berufen, auf Lord Bacon, welcher behauptete, Jeder, der in

England geboren, besie durch seine Geburt alle bürgerlichen Rechte

cines Engländers, Man hätte sih auf andere Unfähigkeiten berufen :

auf Unmündige, Geistlihe, welhe ebenfalls ausgeschlossen wären,

Aber das wären Redekünste, Wenn ein Jude umnüntig sei, so sei

er ebenfalls ausgeschlossen z es handle sih hier darum, ob ihn Aus-

schließungen deshalb tr. ffen sollten, weil er ein Jude sei. Wegen

seines Benehmens im bürgerlichen Leben, Thätigkeit, Verstand, Ver=

mögen sei eine solche Ausschließung nicht gerechtfertigt. Das Hin-

derniß, welches sih den Juden entgegenstelle, sei der verlaugte Eid beim

Eintritte in das Parlament. Er habe in der Geschichte nachgeforscht über

die Bestimmung dieses Eides und sei zu der Ueberzeugung gekommen, daß

man sih durch diesen Eid nux dex Unterthanentreue der Parlaments= glieder habe versichern wollen. Man führe gegen die Juden an, sie dürften im Parlamente nicht stimmen über Angelegenheiten der Hoch- firhe. Nun, doh am Ende eben so gut wie der Quäker, welcher der Kirche nicht einmal Zehnten gebe, dessen der Jude sich nicht weigere. Ueberdies könnten die Juden bereits hohen bürgerlichen Aemtern vorstehen! Für die Kirche besorge er nichts von ein paar jüdischen Mitgliedern des Unterhauses. Die Kirche stände kräftiger da als je durch das in ihr erwachte innere Leben; sie wurzle in den Herzen des Volkes. Jhre' Sicherheit beruhe micht auf der Aus= schließung des Herrn Rothschild. Er frene* sich, die Ueberzeugung gewonnen zu haben, däß er, indem er für Lord J. Russell stimme, weder die Verfassung des Landes, noch ‘die Kirche gefährdez er freue sih um so mehr, als man nirgends den Juden mehr Unrecht zu vergüten habe, als in England. Mau lese über die Gräuel? welche die Christen ge- gen sie in früheren Jahrhunderten verübt hätten, nur Hume und Sharon Turncr nah. Es sei zu bewundern, welchen Charakter troß aller Verfolgung und Untertrückung die Juden roh bewährt hätten. Er habe endlich noch cinen besonderen Grund, sich über dieses englische Judengeseßz zu freuen, Die Juden wären uoch in vielen Ländern beschränkt, und künftig könne man sich deshalb uiht mehr auf Eng-

lands Beispiel berufen. Englands Beispiel werde künftig cin Bal=

sam für die unterdrückten Juden an allen Orten sein und vielfach

Nachahmung finden. Aus allen diesen Gründen und vorzüglich, weil

er nicht gleichgültig gegen die Religion, sondern ftolz darauf sei, zu

cinem christlichen Volke und zu einer christlihen Geseßgebung zu ge= hören, wolle er seine Zuslimmung zu einem Geseße geben, das ge- nau übereinstimme mit dem Geiste und den Lehren der christlichen Rie= ligion. Sir Robert Peel seßte sich unter lauten und anhaltenden Beifallsbezeigungen. Kaum konnte noch Lord D. Stuart zu Worte fommen, welcher Herrn Newdegate"s Behauptung zurückwies, daß Herr Rothschild große Geldsummen aufgewendet habe, um Bittschrif- ten für die Bill zusammenzubringen. Das Haus beschloß mit 277 gegen 204 Stimmen die zweite Verlesung der Judenbill.

Im Oberhause wurde ein Antrag Lord Mou teagle's auf die zweite Verlesung der Bill über die Rechnungs - Ablegung der Ei= senbahn-Gesellschaften verhandelt. Diese Bill hat den Zweck, Actien- Jnhaber von Eisenbahnen, wenn sle mit den Rechuungen der Direk- toren unzufrieden sind, zu ermächtigen, an das Eisenbahn - Amt Ge- suche um Revision der Rechnungen zu richten. Das Eisenbahn-Amt ernennt, wenn dies Gesuch von einer bestimmten Anzahl Actien-Jn=- haber unterstüßt is, einen Kommissarius, welcher die Bücher der Ge- sellschaft einsieht und darüber berihtet. Der Bericht wird veröffent licht. Die Vill wurde nah kurzer Erörterung zum zweiteumal ver- lesen.

Die Blätter theilen jeßt die mehrbesprochene Note Lord Pal- merston’s vom 17. Nov. v. J. mit, welche die Antwort guf Herrn Bancroft's Note wegen der Schifffahrtsgeseße enthält. Ver Minister erklärt in derselben, daß die von der Regierung dem Parlamente

vorzulegenden Anträge die Absicht im Auge haben, den Handelsver=- *

fehr „auf die liberalste und breiteste Basis zu stellen in Beziehung zu allen Ländern, welche sich bereit zeigen, m entsprechendem Sinne gegen England zu verfahren.“

X London, 11. Febr, Es scheint, als weun die Besetzung der Kirchen - Aemter und die Fragen über die Ausdehuung der geist- lichen Gewalt noch immer bestimmt sind, die Gegenstände des höchsten Juteresses in diesem Lande zu bilden. Der Erzbischof vou Canterbury starb heute Morgen, gerade an dem Tage, an welchem er sein 8stes Lebensjahr vollendete, uud in dem zwanzigsten Jahre seines Primgts von England. Die ganze Reihe der Nachfolger St. Anselm?'s und St. Thomas? in dem Siße von Canterbury weist wenige Mänuer auf, welche, was die christlihe Sanftmuth des Charakters anbetrifft, so bemerkenswerth sind, wie Dr, Howley. Er regierte die Kirche in Tagen großer Verwirrung und heftiger Streitigkeiten, aber ex theilte keine der Leidenschaften der kämpfenden Parteien uud erfüllte stets mit Ruhm und Würde die Pflichten des Amtes, Ein Mann von größerer Entschlossenheit hätte an dem- Kampfe Theil genommen, ein Mann von größeren Fähigkeiten hätte ihn wirksamer überwacht ; aber Niemand hätte solche Versnhungen des Glaubens und des Charakters mit \o makellosem und apostolishem Ruhme bestehen können. Der

verstorbene Erzbischof seßte die Krone von England auf das Haupt von drei fach einander folgenden Souveraineu und verrichtete die höchsten Amtshandlungen der Kirche nihcht allein bei der Krönung der Königin Victoria, sondern auch bei ihrer Taufe (als Bischof von London ), ihrer Vermählung und der Taufe des Prinzen von Wales, Obschon kein gewöhnlicher Hofmann, war Dr. Howley doch durchaus geeignet für den Posten eines hohen Würdénträgers der Kirche und des Hofes. Sein Benehmen war überaus fein, sein Geschmack in Kunst und Wissenschaft, wie in der Einrichtung seines Haushaltcs, ohne Tadel, seine Gastlihkeit sehr groß, seine Mild=- thätigfeit das bescheidene Gegenstü seiner Gastfreundschaft. Er stirbt, beklagt von der Kirche von England, besonders in diescm Augenblicke niemals mehr, denn je.

Es ist uufruchtbar, zu untersuchen, wer sein Nachfolger sein wird. Der jeßige Bischof von Lichfield, Lonsdale, scheint die günstig en Aussichten zn haben. Lord John Russell wird sonach zwei Erz= bishöfe und vier Bischöfe in Zeit von einem Jahre ernannt haben ein Patronat ohne Beispiel.

Lord Lansdowne hat ins Oberhaus die verheißene Bill zur Herstellung diplomatischer Verbindungen zwishen den Hö- fen von England und Rom gebracht. Als Wilhelm Ul. den Thron besticg, wurde cin Gefeß erlassen (in Folge des Ueber= tritts Jakobs 11), daß jeder englische Souveraiu, welcher „eine Ge=- meinschaft‘’ mit Rom hätte, der Krone verlustig gehen sollte. Die Worte drücken deutlih geistliche Gemeinschaft aus, aber der subtile Geist der englishen Rechtsgelehrten dehnte den Sinn derselben auch auf deu diplomatischen Verkehr aus, und das ist Alles, was die in Rede stehende Bill beseitigen will. Es heißt, die Tor9-Partei, unter Leitung Lord Stanley's und Lord Eglintown?s, beabsichtige, bei der Comité - Berathung eine Klausel einzufügen, wona feine geistliche Person als römischer Gesandter am Hofe vou England empfangen werden soll, Dieser Punkt würde wohl besser dem Arrangement der beiden Regierungen überlassen.

Die irländische Geistlichkeit, und besonders der leidenschaftlichere Theil der Herren McHale und Higgins, is durch das strenge Reskript von Rom, welches der katholishen Geistlichkeit die herausfordernde Theilnahme an den politischen Angelegenhei- ten Jrlands verweist, niht wenig überrasht worden. Das Haupt der römischen Kirche scheint wenigstens eatschlossen, den irländischen Prälaten den Mantel zu nehmen, den ihr geistlicher Charakter ihren politischen Leidenschasten lieh. Es heißt, Pius IX. wolle den Pr. Murray, Erzbischof von Dublin, einen ausgezeichneten und gemäßigten Priester, zur Kardinal-Würde erheben eine schr wünschenswertl e und dem päpstlihen Stuhl zum Ruhme gereichende

aßregel. ; s PPAE erwähnte neulich, daß Lord George Bentinck seines Führer- Amtes bei der Protectionisten-Partei wegen scines Votums zu Gun= F : F \ ) i. Der junge Marquis von Granby, sten der Juden entseßt worden ist er u ge i Goes Abu Sohn tes Herzogs von Rutlaud und älterer Bruder des ort V ) A E A folger erwählt worden, aber derselbe be= Mauuers, is zu seinem Nachfolger erwahit n , ( le h: izt keine von den Eigenschasten Fine T und wird (äche iben \chlechte Figur an der Spiße etner verzweifelten und lächerlichen Partci abgeben.

Dane ae R

Kopenhagen, 12. Febr. (Alt. Merk.) Durch Reskript vom &ten hat Se. Majestät verorduct, daß an dem Tage, an welchem die sterblichen Ueberreste des hochseligen Königs Christiau's VUI. zur

Ruhe bestattet werden sollen, und welcher auf den 26sten sestgejept ist, in sämmtlichen Kirchen des Landes, sowohl in Kopevhagen als auf dei Lande, cine Trauerpredigt gehalten werden soll. Zum Texte der Trauerpredigt wählte der König, nah dem Vorschlage des Bi= schofcs des Stifts Sceland, Jeremias Kap. 3, V. 15: „Und ich will euch Hirten geben nah meinem Herzen, die cuch weiden jollen mit Lehre und Weisheit“

A ta le

Genua, 7. Febr. (A. Z.) Die Aufreguug, i die Geuua durh die Nachriht der Bewilligung einer Constitution sür Neapel verseßt wurde, hatte sich in den lebten Tagen der verflossenen Woche etwas gelegt, is aber gestern, wohl nur in Folge des Sonntags, der auch der arbeitenden Klasse freiere Hand ließ, mit erneuerter Stärke zurückgekehrt. Ju dichten Massen wogte Abends das Volk durch die Straßen, singend uud jubelnd und seine Freude in Evvivas aller Art fundgebend, deren größte Zahl aber doch der für Sardinien erwar= teten Constitution galt, Der Hauptsammelplaß war, wie gewöhnlich, vor dem Theater Carlo Felice; so laut es übrigens auch dort zuging, waren doch die Scenen im Theater selbst wo möglich noch lärmender. Schon zu Anfang der Oper (man gab die Hora= tier und Curiatier von Mercadaute) waren auf deu Ruf: „die Fahnen heraus!“ im Parterre und in den Logen Dutende von drei= farbigen Fahnen zum Vorschein gekommen, die mit ungeheurem Jubel begrüßt wurden. Später verlangte das Publikum von dem Opernperfona! die Volkshymne zu hören, bei welcher Veranlassung viele auf die Tagesverhältnisse bezügliche Evvivas ausgebracht wurden, als plößtz= lih der Ruf: „„ Evviva l’Auftria! ““ erscholl. Ein Tumult, wie er in diesen Räumen wohl noch nie erlebt worden, war die unmittel= bare Folge davon, wuthschnaubend verlangte man, daß der bald her= ausgefundene Uebelgesinnte hinausgeworfen werde, der vergebens sich Gehör zu verschaffen suchte. Nur mit vieler Mühe gelang es end= lich, die Ordnung so weit herzustellen, daß der Urheber des verhäng= nißvollen Rufes gehört werden konnte, der daun auch feierlich erklärte, er sei gänzlich mißverstanden worden, er habe gerufen: „l’aquila d’Au- slria ha perduto le penne“, die Aehnlichkeit des ersten Wortes mit Evviva habe getäuscht, und die leßteren scien von dem freilih gerade nicht sehr s{weigsamen Publikum überhört worden; seine Vaterlands= liebe fönne Niemand in- Zweifel ziehen, und eben so könne Nie- mand Oesterreih mehr hassen, als er. Diese Versicherung befriedigte und zog natürlih gebührenden Beifall nah sich. Daß übrigens solche Scenen von der Regierung ruhig angesehen werden, nachden man vor wenigen Wochen noch gedroht hatte, weit unschuldigere Dinge mit Waffengewalt zu unterdrücken, beweist nit schr für eine sichere, feste Haltung derselben, so wenig als das stillshw-rigend zurüc- genommene Verbot, neben den piemontesishen Farben noh andere zu tragen, deun nicht nur im Theater und auf der Bühne wird jeßt allabendlih die Trocolore entfaltet, sondern auch in den Straßen sieht man seit dem 1sten d. M. faum noch Jemand, der nicht die im vorigen Herbst so streng verpöute dreifarbige Kokarde auf der J s Y 4 P,

D lsten angeordnete Truppen - Aufstellung soll in Turin mißfallen haben und der Vefehl an das hiesige Gouvernement (Ta gangen sein, die Volksfreude nie mehr auf solche Weise zu stören. Der gesteru von Neapel eingetroffene „Capri““ brachte die Nath riht der Beruhigung Siciliens, nahdem alles Verlangte, Constitution von 1812, cigene Regierung, cigene Administration uud was dazu gehört 2c, bewilligt worden war. Die neapolitanischen Truppen sind zum größten Theil bereits zurückgezogen worden, und man überläßt sich der gerehten Hoffnung, daß die Ruhe in diesem Theil Jtaliens niht mehr gestört und der gauz ins Stocken gerathene Handel wie=

der einigen Aufschwung nehmen werde.