1848 / 50 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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jese Bestimm nicht auerkenuen lasse, weil nur bezweck werden de l dem ung aube die Möglichkeit zu entziehen, für die ver- brecherishen Absichten, die er selbst versolgt habe, dur sein Ver-

¡gen zu wirken. Eine solche Gefahr walte bei Verfügungen von Todes wegen nicht ob, wenigstens werde in den seltensten Fällen an- zunehmen sein, daß die verbrecherische Absicht noh über das Leben des Verbrechers hinausgehen und ihn veranlassen werde, danach seine leptwilligen Verfügungen zu treffen. Unter diesen Umständen würde die Entziehung dieser Dispositionsbefugniß den Charakter einer Strafe annehmen, welhe dur die fragliche Bestimmung nicht beab- fans! sein fönne, und diese Strafe würde niht den Verbrecher, ondern diejenigen treffen, welhe der Verbreher aus von seinem Verbrechen in der Regel nicht abhängigen Gründen zu bevorzugen beabsihtigen möchte. Jnsbesondere würde es sih nicht billigen lassen, die Entziehung der Dispositionsbesugniß guf einseitige leßtwillige Verordnungen auszudehnen , und auf Verfügungen über die Verthei- us des künftigen Nachlasses unter die geseßlihen Erben, wenn man au unter Lebenden in der in Rede stehenden Beziehung gleiczustellen

zugeben wollte, daß Erbverträge allenfalls den Verfügungen j

seien. Aus allen diesen Gründen endlich würde es ganz unzulässig sein, selbst die früher von dem Verbrecher errihteten leßtwilligeu Ver- fügungen für ungültig zu erflären, Andererseits wurde hervorge- hoben, daß gerade der Grund, dem Verbrecher die Möglichkeit zu entziehen, dur Verfügungen über sein Vermögen seine verbrecheris{en Zwecke weiter zu verfolgen, für die von der Regierung vorgeschlagenen Bestimmungen sprehe. Es lasse sich wohl aunehmen, däß derartige Verbrecher mit Rücsicht ‘auf ihr Unternehmen, sowohl vor Ausübung desselben, als auch nach Eröffnung der Untersuchung, leßtwillige Ver- fügungen treffen würden, um ihr Vermögen entweder solchen Per- \fonen zuzuwenden, welche dieselben oder ähnliche verbrecerishe Zwecke verfolgen wollen, oder selbst ihren Mitshuldigen, und dies würde durch die vorgeschlagenen Bestimmungen verhindert werden. Wesent- lihe Nachtheile für unschuldige dritte Personen könnten daraus nicht erwachsen, weil die geseßlihen Erben in ihren Rechten gewahrt blieben,

Folgende Anträge :

1) dem Verbrecher die Befugniß, über sein Vermögen von Todes wegen zu verfügen, nit zu entziehen;

2) dem Verbrecher mindestêèns die Befugniß, über sein Vermögen durch einseitige leßtroillige Verordnungen verfügen zu dürfen, zu belassen ;

3) die früher von dem Verbrecher errichteten leßtwilligen Ver- fügungen nicht für ungültig zu erflären,

wurden nach einander von der Abtheilung mit 8 Stimmen, worunter die des Vorfißenden, gegen 8 Stimmen abgelehnt.

Es wird vorgeshlagen : k fi mit der Bestimmung in §, a. einverstanden zu erklären,“

J Felle Duréblauckt anheim, cine Diskussion über die Anträge, weile in der Leiheiluna nur von der Minorität unterstüßt worden

sind, hier zu gestatten. Jh werde Fie alle drei als Amendements in Vorschiag bringen , weil i ver Meinung bin, daß überhaupt die Bestimmungen, welthe hier getroffen werden sollen, nicht weiter gehen dürfen, als es das nothwendige Bevürfniß erheisht. Jch finde aber keinen Grund, weiter zu gehen, halle daß man dem Berbrecher die Befugniß entzieht, üver sein Vermögen unter Lebenden zu ver- fügen.

Justiz-Minister von Savigny: gegen den Paragraphen erhoben worden find, scheint der eigentliche Gesichtspunkt etwas außer Augen gesegt zu sein. Er besteht darin, daß diese Paragraphen an die Stelle treten sollen für den Fall, wenn dem Gutachten, welches die hohe Versammlung über die Con- fiscat'onsstrafe abgegeben hat, Folge gegeben werden soll, DeriHaupt- grund gegen die Confiscation is der gewesen, daß dadurch nicht so- wohl der Verbrecher als unshuldige Personen, die Familie desselben, bestraft werden. Daß dieser Grund hier niht Plah greift, ijt ein- leuhtend. Es is aber besonders zu beachten, daß in allen diesen Fällen zwei ganz verschiedene Verhältnisse neben einander in Betracht kommen, 1) das Verhältniß der strafenden Gerechtigkeit zu dem Ver= brecher, und 2) das Verhältniß des Staates zu ihm als einem Feinde, gegen welhen er sich zu sihern hat, Nun wird Niemand in einem folhen Falle, namentlih beim Hochverrathe, also einer Unternehmung gegen die Existenz des Staates, das Recht des Staates bezweifeln wollen, seinen Feind wehrlos machen zu dürfen, d. h. ihm die Mittel zur Verfolgung seines verbrecherishen Zweckes zu entziehen. Dazu sind diese Paragraphen bestimmt. Sie sollen den Verbrecher außer Stand setzen, so weit es in der Macht des Staates liegt, seine Ver= mögensmittel zu solhen Zweckten direkt oder indirekt zu benußen. Nach meiner Ueberzeugung sind die vorgeshlagenen Maßregeln in ihrer vollständigen Ausdehnung nöthig, wenn dieser Zweck mit einiger Sicherheit verfolgt werden soll, Das i} der Gesichtopunkt, von dem E Paragraphen nah meiner Ueberzeugung betrahtet werden müssen.

Abgeordn, Dittrich: Wenn der Herr Minister der Geseßgebung eben den Paragraphen dahin erläutert hat, daß er nur dazu bestimmt ist, um dem Verbrecher die Mittel zu entzichen, wodurch er seinen verbrécherischen Zweck verfolgen kann, so muß ih gestchen, daß ich den leßten Saß des Paragraphen niht nothwendig halte, nach welchem dur ein so!hes Urtheil alle früheren leßtwilligen Verord= nungen aus einer Zeit, in welcher der Verbreher an das hochver= rätherische Unternehmen noh nicht gedacht hat, für ungültig erflärt wexden sollen, Jh glaube, daß dadurch der verbrecherishe Zweck uit verhindert wird. Zweitens und das hat die Abtheilung nicht erinnert habe ih noch das Bedenken, daß, wenn die Mit Fontrahenten bei den seitens des Berbrehers getroffenen Verfügun- gen unter Lebenden von der eröffneten Untersuhung wegen des hoch= verrätherishen Unternehmens nichts gewußt haben, warum sollen diese gleichzeitig durh die Eröffnung der Untersuhung bestraft werden? Daß nah rechtsfräftigem Erkenntniß die Versügungsfähigkeit auf hört, dürfte keinem Zweifel unterliegen z aber damit, daß son die Eröffnung der Untersuchung den Zeitpunkt bestimmen soU, bin ich nicht einverstanden. : A

Abgeordn, Steinbeck: Es scheinen zwei Fälle hier unterschieden werben zu müssen, der eine, ob sich im Lauf der Untersuchung er- giebt, daß der Angeschuldigte wirklich s{uldig i, der andere, ob

si herausstellt, daß er unsulbig is, Der leytere Fall fann leider sehr oft vorfommen, er fann sogar, wenn der vorgeschlagene Para- graph angenommen wird, herbeigeführt werden im Wege der Schikane. Jch möchte in dieser Rücksiht an einen geschihtliÞ vorgekommenen sich Gottlob außerhalb unseres Baterlandes ereignet, und in dessen Folge ein gewisser fremder Staat si eines Besigthums bemeistert hat; ih meine die Grafschaft Ranßgau. Der- gleichen ist in ähnlicher Art sehr mögli, wenn der R ee

ngeschul-

Fall erinnern, der

Paragraph angenommen und danach alles das, was der digte vor der Eröffnung der Untersuchung vorgenommen hat, reht- li null und nichtig würde. Es treten für die Familien dann die allervedenflihsten Folgen ein. Wird die Sache so lange hinge- zögert, daß der angeklagte Unschuldige unterdessen stirbt, so is der Schaden, der angerihtet wird, vollends unersepbar, Deshalb bin ih der Meinung, da auf unschuldig Angeklagte (dergleichen be- fenders im Kriege sehr oft vorkommen) dieser Paragrapd niht an-

Bei den Witersprüchen, welche |

420 gewendet werden könnte, bei den Bestimmungen des code pénal lieber stehen zu bleiben, welche dahin lauten: daß die hier befrag- lihen Bestimmungen erst in Wirkung treten sollen von der Zeit an, wo das ergangene Straf - Urtheil die Rechtskraft überschritten hat, und hiecrnah den Paragraphen dahin zu ändern, daß er lautet: „Der wegen Hochverraths oder Landesverraths zum Tode oder zu lebenêwieriger Zuchthausstrafe rechtskräftig Verurtheilte verliert von dem Tage der beschrittenen Rechtskraft des Urtheils an die Fähigkeit, über sein Vermögen unter Lebenden und von Todes wegen zu ver- fügen, zugleich werden dur ein solhes Urtel alle früher von ihm seit gerihtliher Eröffnung der Untersuhung über sein Vermögen Ire selen Verfügungen, A weit sie nicht schon in Ausführung ge- treten, ungültig. Auf diese Art modifizirt sheint mir durch den Paragraphen die Absicht der Regierung mit Vermeiden jeder Unge- rehtigfeit vollkommen erreiht werden zu können und gleichzeitig ab- gewendet, daß, wenn der Paragraph feiner Modification unterliegt, Nachtheile für die Familie und für Dritte herbeigeführt werden,

Justiz - Minister von Savigny : Es sind zwei CEinwezdungen gegen den Antrag der Regierung erhoben wo1den. Die erste geht darauf, daß frühere leßtwillige Verordnungen wenn ih recht verstanden habe von dem Angeschuldigten auch zu einer Zeit haben gemacht werden fönnen, wo er noch niht an das Verbrechen gedacht habe. Es ist sehr {wer zu untersuchen, wann der Gedanke daran in ihm rege geworden, und es wird gewiß sehr häufig der Fall sein, daß, wenn Einer den Gedanken gefaßt und ausgebildet hat, cr so- gleich die nöthigen Maßregeln zu dem verbreherischen Zwecke trifft, also auch diese Maßregel, pun durch vorläufige leßtwillige Verord= nung oder turch Verträge unter Lebendigen dafür zu sorgen, daß, wenn ihm persönlich das Vorhaben verunglückt, doch sein Vermögen an Andere zur Fortseßung des verbreherishen Unternehmens über- gehe. Das is der Sinn der Sache; es sollen die Handlungen, die der Angeschuldigte zu diesem Zwecke vorgenommen hat, entkräftet werden, weil er sie möglicherweise vorgenommen haben fann und nach aller Erfahrung häufig vornimmt gerade zu dem bestimmten Zwede, um das Verbrechen, die Feindseligkeit gegen den Staat, zu unterstüßen und zu verfolgen sür den Fall, daß er perfönlih dabei untergeht. Dann ist von anderer Seite gesagt worden, es sei dies gefährlih, weil auh Unschuldige betroffen werden können, indem von Aofang der Untersuung an gewisse Handlungen des Ange=- \{uldigten ungültig sein sollenz aber in beiden Paragraphen is diese Wirkung nur nah einem rechtskräftigen U:theile vorgeschrieben, es heißt im §, a. :

„„ Zugleih werden durch ein solhes Urtheil alle früher von ihm errihtete u. s. w.“ I und eben so in dem folgenden Falle, wenn der Angeschuldigte sih dur die Flucht der Untersuchung entzogen hat, heißt es: i „nur wenn ein rehtsfräftig gewordenes Kontumazial -Urtheil era DTAE E | Marschall: Aus der Aeußerung des Abgeordneten Dittrich würde ich wohl zu entnehmen gehabt haben, daß sein Vorschlag da- hin ging, die Worte: „früher von ihm errichtete leptwillige Verord= nungen, so wie“ aus dem Paragraphen wegzulassen.

Abgeordn. Dittrich: Den ganzen leßten Saß zu streichen.

Márschall: Es fragt sich nun, ob der Abgeordnete sih einver- standen erklärt mit dem Vorschlage des Abgeordneten Steinbeck.

Abgeordn. Dittrich: Ja wohl.

Abgeordn, Steinbeck: Jch bemerke in Bezug anf das, was der Herr Minister der Gesehgebung eben vorgetragen hat: daß allerdings der Zweck, den der Staat hier hat, ein seyr wichtiger ist, daß er sich auch flar im Geseße ausgesprochen findet, daß aber, wenn die Folgen eintreten sollen, von denen die Rede ist, nach Maßgabe der uns vorgelegten Fassung des Paragraphen diese Folgen doh zurückwirkende sein würden, und ih füge noch hinzu in Betreff auf das, was die Erfahrung in vielen Fällen ergeben hat, daß der=- jenige, dem es darum zu thun is, Hochverrath oder Landesverrath mit Ueberlegung auszuführen, also in die s{hwerere Kategorie dieser Verbrechen si zu verwickelu, fast jetesmal sür die Sicherung seines Vermögens gegen die Schritte, die der Staat in Betreff dieses Vermögens thun kann, in der Regel gehörig gesorgt hat, Auch in dieser Rücksicht liegen uns #o reichliche Beispiele vor, daß ih glaube, es wird wenige Mitglieder in der hohen Versammlung geben, welche sich nicht aus der traurigen Periode von 1807 1813 die Fälle ver- gegenwärtigen, wo ausgezeichnete und treffliche deutshe Männer von dem edelsten Herzen, gegenüber der aufgedrungenên Fremdherrschaft, sich bewogen fanden, Unternehmungen zu wagen, die in den Augen des Usurpators den Charakter des Hoh- und Landesverraths trugen Der Usurpator wollte gegen diese mit aller Heftigkeit einschreiten ihr Vermögen war aber dur Hypotheken und auf andere Weise so gedeckt, daß es seiner Macht entzogen wurde. j

Referent Abgeordn, VUaumann: Zur Unteistüßung der Ansicht, auf welher das Amendement beruht, wovon ih früher O habe, bemerke ich- noch Folgendes. Die Abtheilung war früher der Ansicht, man möge alle diejenigen Versügungen als ungültig erklä ren, welhe der Verbrecher nah Eröffnung der Untersuchung unter Lebenden tri. Der Grund, r¿arum man diese Dispositions-Befug= niß dem Verbrecher entziehen wollte, war der von dem Herrn M'nister der Geseßgebung bereits erwähnte: man will den Verbrecher hin- dern, daß nicht sein Vermögen zu demselben Zwecke von ihm selbst angewendet wird, welchen er beabsichtigt, oder dazu, um ihn wider in Freiheit zu seßen. Jch bin der Ansicht, daß man sich bei einer solchen Maßregel beruhigen köune. Denn, wenn früher von dem Verbrecher Verfügungen zu hohverrätherischem Zwecfe getroffen wor= den sein sollten, so wilden diese Verfügungen {on aus anderem rechtlihen Grunde ungültig sein, und dann ist der Zweck erreicht, darauf kommt es nur an. Hat der Verbrecher früher unter Leben- den oder von Todes wegen Verfügungen getioffen, die ein hohver- rätherishes Unternchmen bezwecken, so sud gerade dieses Zweckrs wegen die Verfügungen ungültig. Allerdings könnte man sagea, es würden in diesen Verfügungen die Zwecke vielleicht verschleiert sein, und das wicd für einzelne Fälle zutrefsen; aber aus dieser Möglich= feit, daß in einzelnen Fällen denno solche sträflihe Absicht verfolgt werden kann, fönnen wir nicht wohl einen Grund hernehmen, um die Regel so allgemein hinzustellen, wie es hier gesehen soll, zumal wenn die Confiscation wegfällt. Denn es läßt sich schwer denken, daß dergleichen simulirte Versügungen gegenwärtig werden getroffen werden. Nach den Erfahrungen früherer Zeit sind dergleicheu simu- lirte Verträge und Verfügungen allerdings wahrscheiulich gewesen, aber dann haben sie lediglich den Zweck gehabt, die BVermögens- Confiscation zu beseitigen. Ju seltenen Fällen wird man annehmen fönnen, daß eine solche Verfügung getroffen worden sei, um das von

dem Verbrecher beabsichtigte Unternehmen weiter zu fördern.

Abgeordn, Graf von Schwerin: Jch habe mir nur die Frage

crlauben wollen, ob Ew. Durchlaucht bei der Abstimmung beide Fragen, die in der Ubtheilung getrennt worden sind, auch trennen werden : Die erste Frage, ob den Versügungen unter Lebenden die Verfügungen von Todes wegen gleichgestellt werden sollen, und die zweite Frage, ob vor der Eröffnung der Untersuchung gemachte Ver- fügungen ungültig sein sollen, Jh habe, wie aus dem Gutachten hervorgeht, in beiden Beziehungen mich für den Antrag der Regie-

rung ausgesprochen, aber ih glaube, daß es nothwendig ist, daß man

beide Fragen trennt und zunä diejenige ins Auge faßt j Unterschied zwischen E der ebenden ge l G E von Todes wegen zu machen sei. Die Abtheilung i von der Än- sicht ausgegangen, daß die Nothwendigkeit ‘einer solhen Unterschei= dung durchaus nicht erkennbar erscheine. Denn wenn, wie der Herr Minister der Geseßgebung schon hervorgehoben hat, die Bestimmung den Grund hat, den Verbrecher zu verhindern, dur eine solche Ver= fügung sein Vermögen zum Nachtheile des Staates anzuwenden, so ist uicht abzusehen, warum er dies niht auch durch eine Verfügung von Todes wegen thun fönne, und weil ein solher Unterschied nit erfennbar ist, so hat die Majorität der Abtheilung sich für den Vor= shlag der Regierung ausgesprohen. Es wird auch dadur vell= fommen das erreiht, was bei der Verwerfung der Vermögens= Confiscation meiner Meinung nach in der Absiht der hohen Verjammlung gelegen hat, es wird den Jutestat- Erbeu des Vera brehers das Vermögen erhalten, der Verbrecher aber darf uicht dur Testament oder auf aadere Weise darüber verfügen, nah seinem Tode treten aber die rechtmäßigen Erben wieder in den Besiß seines Vermögens.

Marschall: Mir scheint die ganze Frage in dieser Uaterschei= dung zu liegen.

Abgeordn, Graf von Schwerin: Die ersten beiden Fragen hat die Abtheilung verneint, und ih wollte Ew. Durchlaucht bitten, baß diese beiden Fragen getrenut würden von der dritten Frage, die noch vorliegt, ob die vor der Eröffnang der Untersuchung getroffenen leßtwilligen Verfügungen des Ve: brechers ungültig sein jollen,

Marschall: Es wird zweckmäßig sein, diese Fragen bei der Abst:mmung zu trennen.

Abgeord. Dittrich: Durch das, was gesagt worden is, halte ih mih noch nicht überzeugt, denn nah meiner Meinung is es uux Zweck der Strafe, den zu treffen, der das Verbrechen verübt hat. Nah der vorliegenden Bestiumnung aber werden unschuldige Dritte getroffen. Der Herr Minister der Gesepgebung hat zwar gesagt, man müsse in der Regel annehmen, daß der Verbreczer au früher errichtete leßtwillige Verordnungen nur in der Absicht getroffen habe, um seine hochverrätherishen Zwecke zu verfolgen; warum aber, frage ih, muß man das in der Regel annehmen? Man wird im Gegen- theil die gute Vermuthung müssen geltea lassen, daß er diesen Zweck niht gehabt habe. Warum sollen nun dritte Unschuldige, z. B. milde Stiftungen, deswegen, weil der Testator später das Ver= brechen beging, mit ihm zugleih bestraft werden? Ferner hat der Herr Minister angeführt, es müsse vorhec das Urtheil ergangen sein, bevor seine Verfügung unter Lebenden für ungültig erklärt werden fönnte. Dann aber hat das Urtheil eine rückwirkende Kraft, also niht nah eingetretener Rechtökfraft des Urtheils, sondern au vor= her sollen solche leßtwilligen Verfügungen dadur für ungültig erz flärt werden. Endlich scheint mir aber, daß diese Bestimmung durch §. 96 unnöthig wind. Dieser läßt das Vermögen mit Beschlag belegen; der Paragraph is angenommen, und hiernah glaube ih, daß Versügungen unter Lebenden rüsihtlich des unschuldigen Mit- anwesenden nicht für ungültig erklärt werden dürfen, denn durch die Beschlagnahme werden dergleichen Verfügungen {on verhindert,

Justiz-Minister Uhden : Das Leßte is niht richtig, denn wenn die Sequestration des Vermögens eingeleitet wird, so folgt daraus noch nicht die unbedingte Dispositions = Unfähigkeit. Aus der Sée questration folgt keinesweges die völlige Unfäbigkeit, von Todes wegen oder unter Lebenden zu versligen. ; :

Abgeordn. pon Uecchtriß: Jch muß mi einverstanden erklären mit dea Mitgliedern der Abtheilung, die sh für den Entwurf erklärt haben. Die Juntestat - Erbfolge fällt unter den Gesichtöpunkt eines Testamentes, welches das Geseß nah dem präsumtiven Willen des Erblassers errichtet; der präsumtive Wille eines Hochverräthers ist aber unter allen Umständen so zweifselhast, daß ih für ihn, dem Staate gegenüber, mir keinen anderen Rechtsschuß als erforderlich tenken kann, als den, welchen das Geseß für das Wohl der Staats= bürger dur die erwähnte Präsumtion im Allgemeinen als zusrieden- ]tellend in Anwendung bringt. Es is ferner hervorgehoben worden, daß aus exceptionellen Umständen besondere Gründe für die entgegen=- stehende Ansicht hervorgehen föunten ; die Thatsachen aber, auf die man sich berufen hat, lassen sich nun zwar nicht in Abrede stellen, aber wenn és gilt, einen geerdneten Rechtszustand ins Auge zu fassen und unter Berücksichtigung desselben Bestimmungen zu treffen, so darf man soihe exceptionelle Verhältnisse n-cht als maßgebend annehmen, denn man könnte dann der Basis verlustig werden, welche allein maßgebend sein kann, wenn man den bestehenden Rechtszustand ins Auge faßt. : :

Abgeordu. Graf von Gneisengu : Die hohe Versammlung hat sich neulich fast einstimmig gegen die Confiëcation ausgesprochen; ich finde darin eine auße: ordentliche Milderung der ursprünglich von der Regierung gemachten Vorschläge und muß gestehen, daß ih nicht geneigt wäre, über die neuen, außerocdentlich milden Vorschläge der Regierung hinaus noch eine Milderung eintreten zu lassen, Nach meiner Ansieht is die Sequestration sowohl eine Strafe, als eine Präventiv-Maßregel. Es ist neulich zwar eingewendet worden, daß die Sequestratiou eigentlih keine Strafe, sondern eine Wohlthat sei, ih gebe dics zu und glaube, daß sie unter Umständen allerdings eine Wohlthat sein könne, in dem Sinne, wie unter anderen auch das Gefängniß, welches den davon Getroffenen hindert, si ferner noh der bürgerlichen Gesellschaft s{ädlich zu wachen, Jch muß aber ge- steheu, baß ich nach meinen Begriffen eine unfreiwillige Sequestration immer für ei: e Art Strafe halte, Zur Milderung der Strafe im Allgemeinen is neulih, und auh heute wieder, Bezug genominen worden auf die Zeit zwischen den Jahren 1807 und 1813; nah meiner Ansicht aber kaun dies Beispiel hier nicht Plaß greifen Jene Zeit war eine Zeit der Ausnahmen, diejenigen Patrioten, welhe damals sich genöthigt sahen, eine der preußishen entgegengeseß?® Politik zu ergreisen, hatten die Sympathie des Königs und es ganzen Volkes für sich, sie waren nur Hochverräther gegenüber dem allgemeinen Unterdrüdker, welcher seine eigenen Mittel anwendete, Un ihrer habhaft zu werden und sie unschädlich zu machen. Da aber in einer solhen Zeit unier solchen Umständen die Geseße gegen Hochverrath keine volle Anwendung finden, hat ja eben b Zeit bes wiesen, denn in Preußen ist gegen jene Patrioten niema!s | er Hod)- verrath3prozeß zur Ausführung gekommen, i Mle blos an jene Offiziere und wir haben hier einen R Si en derselben unter uns, die, als das Schillsche Corps bet Sira June zersprengt ward, sich den preußishen Truppen E ibe 0 mit den Waffen in der Hand, Gegen feinen 4-64 érjelben is der Hoh= verrathsprozeß in Aussührung gebracht R Dh frage aber, meine Herren, sind wir deun hier versammelt, um Gesche zu machen

lir eine Zei e, sür eine Zeit der tiefsten Erniedrigung? für eine Zeit der Ausnahme, ; }

Si L n i berufen, Gesebe zu machen, wie wir sle Sind wir nicht vielmehr bc Staat 1 für den gegenwärtigen Zustand des Staaks und der Gesellschaft für passend und nothwendig erachten? Ich sehe ferner mih genöthigt, gegen eine Deutung mich zu erklären, welhe man den Worten eines von mir hochgeachteten Redners vor einiger Zeit gegeben hat oder geben könnte, daß nämlich die Sylbe „Hoh“ in dem Worte Hoch- verrath irgend eine Milderung der Beurtheilung tes Verbrechers ein- schließe oder beanspruchen fönne, Wollte ich mi hier auf etymolo- gische Auseinanderseßungen einlassen, so würde ih anführen, daß

aw

das Wort „Hochgeriht“ auch mit der Sylbe Hoh anfängt und in- sofern hier die Strase angedeutet wird, welche den Hochverräther treffen müsse. Jh erkläre, daß ih die Sequestration des Vermögens im vorliegenden Falle für eine äußerst milde Strafe halte, um so mehr, als sie jederzeit wieder aufgehoben werden fann. Jm Allgemeinen sehe ich in den Hochverräthern keine Märtyrèr, sondern Verbrecher, welche so {wer als mögli getroffen werden müssen. Jch erkläre mich daher ganz für die Vorschläge der Regierung, die ih außerordentlich milde finde. Was die Sequestrat;on aís Präventiv - Maßregel be- trifft, um die Hochverräther unschädlih zu machen, so liegt ihre Nothwendigkeit so klar auf der Hand, daß ih darüber fein Wort zu verlieren brauhe, und was den Vorschlag betrifft, in dem Paragra- phen den leßten Saß zu streiden, so ist {hon hinlänglich ausein- andergesezt worden, daß dadurch Scheinverfügungen herbeigeführt werden würden, wodurch die Präventio-Maßregel selbst ganz unwirk- sam gemacht werden könnte. Jndem ich mich nun jeder wetteren Argumentation begebe, erkläre ih mi für die von der Regierung gemachten Vorschläge und gegen alle eingebrahten Amendements.

Marschall: Wir können nunmehr abstimmen. Es wird fein Bedenken haben, und ih vermuthe, daß der Abgeordnete Steinbeck sih damit einverstanden erflären wird, daß sein Vorschlag sich auf löst in die drei zu stellende Fragen, die im Gutachten Seite 2 am Ende zu lesen sind.

Abgeordn. Steinbeck: Das Uebrige meines Vorschlages ist aller- dings insofern Fassungs - Vorschlag, ais es sih vollkommen dem Ab= theilungs-Vorschlage auschließt.

Marschall: Die erste Frage heißt: Soll beantragt werden, dem Verbrecher die Befugniß, über sein Vermögen von Todes wegen zu verfügen, nicht zu entziehen? und die das beantragen, würden das durh Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erhebt sich eine bedeutende Anzahl Mitglieder.) Die Majorität hat sich nicht dafür ausgesprochen.

Die zweite Frage heißt: Soll beantragt werden, dem Ver-= breher die Befugniß, über sein Vermögen durch einseitige leßtwillige Verordnungen verfügen zu dürfen, zu belassen? und die, welche diese Frage bejahen, würden dies durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erhebt sich wieder eine bedeutende Anzahl Mitglieder.)

Die Majorität stat sich abermals nicht dafür ausgesprochen.

Die dritte Frage heißt: Soll beantragt werden, die früher von dem Verbrecher errihtelen leßtwilligen Verfügungen niht für ungül- tig zu erflären? und au hier würden die Bejahenden aufstehen.

(Es erhebt sich wieder eine Anzakl Mitglieder.) Die M hat sich nicht dafür ausgesprochen, Wir kommen zum §. b.

Referent Abgeordn. Kaumann: g§. þ. lautet:

„Dat ein wegen Hochverraths oder Landesverraths Angeschul- digter sih der Untersuhung oder Bestrafung durch die Flucht ent= zogen, so sind die von ihm zu irgend einer Zeit errichteten leßtwilligen Verordnungen, so wie die unter Lebenden nach Eröffnung der Unter- suhung von ihm getroffenen Verfügungen, ungültig, wenn er im flüchtigen Zustande verstirbt und im Kontumazial-Verfahren auch uur auf zeitige Freiheitsstrafe wider ihn erkannt worden is, Diese Be=- shränfung der Befugniß, über sein Vermögen zu verfügen, fällt weg, sobald der Flüchtige sich zur Untersuchung gestellt hat, und es ist dann die über den rechtsfräftig Verurtheilten gegebene Bestim= mung (§. a.) anzuwenden,

Das Gutachten der Abtheilung zu diesem Paragraphen lautet :

„Gegen diese Bestimmungen is} erinnert worden, daß die Flucht des Verbrechers allein kein ausreihender, sie rechtfertigender Grund sei, und daß es nicht in der Konsequenz der Bestimniungen des g. a. liege, dieselben Folgen au dann eintreten zu lassen, wenn nur auf zeitige Freiheitsstrafe erkannt würde, zumal in solchen Fällen eine sehr geringe Verschuldung vorhanden sein fönnte.

Andererseits wurde bemerkt, daß die vorgeshlagenen Bestimmun- gen angemessen seien, weil dadurch der flühtige Verbreher veranlaßt werden würde, sih zur Untersuchung zu gestellen, und wenn dies niht erfolge durch die eintretenden Beschränkungen ihm die Mittel möglichst entzogen werden müßten, für seine verbrecherischen Zwecke zu wirken.

Folgende Anträge:

1) die Bestimmungen des §. b, niht anzuneÿmen, und 9) in Fällen des §, þ, mindestens die von dem Verbrecher errih- teten leßtwilligen Verordnungen nicht für ungültig zu erklären, wurden von der Abtheilung nah einander mit 8 Stimmen, worunter die des Vorsißenden, gegen 8 Stimmen abgelehnt.

Es wird vorgeschlagen: :

sicch auch mit den Bestimmungen im erklären.“ A |

Eine Bemerkung will ich mir erlauben; es ist die, daß ich auch bier die von der Minorität der Abtheilung gestellteu Anträge wieder aufnehmen würde, wenn ih nicht voraussehen fönnte, es würde das= selbe Resultat eintreten, welches bei dem Amendement in Betreff des g. 96 eingetreten is, und nur aus dieser Rücksicht verzichte ih auf diese Anträge,

Justiz - Minister von Savigny: Bei diesem §. b. scheint die Sache noch viel einleuhtender zu sein, als bei §. a., und ih glaube, daß wir noch viel weniger Gründe dagegen haben fönnen, denn der=- jenige, welcher si{ch durch die Flucht der Untersuchung entzieht, giebt eine starke Vermuthung der Schuld gegen sich. Mau hat gesagt, es sei möglich, daß er zu einer zeitigen Greiheitsstrafe verurtheilt werde, die schr gering sein könne, so daß er eine geringe Verschuldung auf sich habe; wenn aber dies der Fall wäre, so würde er sich {werlich durch die Flucht der Untersuchung entzichen und es darauf ankommeu lassen, daß diese nachtheiligen Folgen für ihn einträten. Jch sehe wirklih keinen Grund ein, warum man auf diesen Fall eine beson=- dere Milde anwenden sollte.

Marschall : Weun keine Bemerkung erfolgt, so is es so anzu- sehen, als sei die Versammlung dem Autrage der Abtheilung beige- treten, Wir kommen nun zur Fortseßung der in der leßten Sipung abgebrohenen Berathung, und zwar zu §. 189,

Abgeordn, Graf von Schwerin: Es steht noch der Autrag des Abgeordneten Camphausen zur Berathung.

Marschall : Es ist geäußert worden, daß der Herr Landtags- Kommissar bei der Berathung des Antrags des Abgeordneten Camphausen anwesend zu sein wünsche, und cs ist billig, diese Rück= siht eintreten zu lassen,

Referent Abgeordn. F-eiherr von Mylius: §. 189 lautet:

„Wer in Beziehung auf einen Anderen solhe Thatsachen behauptet oder verbreitet, welche denselben gehässig zu machen oder in der öffentlihen Meinung herabzuwürdigen geeignet sind, macht sich einer Verleumdung schuldig, wenn nicht die behaupteten oder ver= breiteten Thatsachen erweislich wahr siud.

Die Behauptung oder Verbreitung erweislih wahrer Thatsachen, so wie der in Beziehung auf dieselben gegen eine Person auêsge- sprochene Tadel, gilt niht als Verleumdung und ist überhaupt nur insofern strafbar , als in dex Form der Aeußerung oder in den Um= fländen, unter welchen dieselbe ersolgt, eine Ehrenfränkung (§. 193) enthalten is,“

Das Gutachten der Abtheilung lautet :

F. b, einverstanden zu

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„ZU §. 189.

Der §,. 189 bestimmt den Begriff der Verleumdung.

Gegen denselben ist zunächst bemerkt, daß nicht jedes „Behaup= ten oder Verbreiten““ straffällig sein dürfe, wenn man nicht dem Be= griff der Verleumdung in“ einer höchst bedenklihen Weise, einc viel umfassende Ausdehnung geben wolle, Privatmittheiluugen würden jedenfalls auszuschließen sein, da Aeußerungen, welche im Vertrauen auf die Vershwiegenheit Anderer, diesen gegenüber gemacht, nicht zu verbieten seienz für die Untersuchung und den Beweis sei vor allem zu fürchten, daß die Bestimmung des §. 189 ein Eindringen in ver- traulih gemachte Mittheilungen zur Folge haben werde.

Es ward daher angetragen, die Bestimmung des §. 189 dahía zu ändern, daß nur öffentlih behauptete oder verbreitete Thatsachen für Verleumdungen zu erachten. l /

Die Abtheilung zog {edoch in Erwägung, daß auch die bloße Behauptung einer verleumderishen Thatsache unter solchen Umstän= den begangen werden fönne, daß sie als eine eigeutlihe Verleßung der Ehre mit Strafe zu belegen sei, daß hierbei fein Unterschied zu machen zwischen den Mittheilungen im Gespräche gegen Privatper=- sonen und gegen solche, welhe öffentlich gesheßeu, da der Erfolg in den meisten Fällen der nämlihe sein werde, und daß die Erfahrung gelehrt, wie gerade mit Rücksicht auf den Beweis der Umstand der Oeffentlichkeit ein solher sei, über welchen immer gestritten werde, da es ihm an der nöthigen Bestimmtheit fehle,

Es ward daher mit 8 gegen 5 Stimmen beschlossen, den An- trag auf Aenderung des Paragraphen in der gedachten Art zurück- zuweijen,“

___ Ih habe in der Abtheilung den Antrag gestellt, das Wort öffentlich als bezeihnendcs Merkmal der Verleumdung aufzuneh- men, Die Gründe sind bereits vorgetragen, sie gehen dahin, daß vermieden werden müsse, daß möglicherweise cine Privat-Mittheilung, die niht in der Absicht, zu verleßen gesehen ci, Gegenstand der Untersuhung und Bestcafung werden fönne, Jch glaube, daß das Wort öffentlich, welhes den Begriff der Verleumdung, so wie die Strafbarkeit desselben, rechtfertigt, nothwendig hierher gehört, Die Schwierigkeit des Beweises existirt, das kann nicht geleugnet werden; diese Schwierigkeit rechtfertigt meines Erachtens aber keinesweges, vou einer Bestimmung Abstand zu nehmen, welche aus inneren Gründen wesentlih in den Begriff des Vergehens gehört, und Handlungen hier= nah für ftrasfällig zu erflären, die meines Erachtens nicht straffällig sind. Es fragt sich daher, ob der Antrag Unterstüßung findet.

Marschall ; Wir wollen ermitteln, ob der Vorschlag die er- forderlihe Unterstüßung findet,

(Er findet sie hinreichend.)

Abgeordn. Dittrich : Jsst die Debatte über den Paragraphen selbs eröffnet?

_ Marschall: Es wird zweckmäßig sein, um die Berathung niht zu verwickeln, sich vorerst auf den eben von dem Referenten gemachten Vorschlag zu beschränken.

Reg‘erungs - Kommissar Bischoff: Zur Erläuterung des Ent- wurses ijt zu bemerken, daß nicht allein die Rücksicht der Schwierig= keit des Beweises es is, welhe veranlaßt hat, die Prinzipien des rheinischen Strafrechtes in dieser Beziehung niht anzunehmen; viel- mehr ist man davon ausgegangen, daß auch an sich fein Grund vor- handen sei, solche Distinctionen zwischen öffentlicher und nicht öffent» liher Verleumdung eintreten zu lassen. Der Grund, weshalb die Verleumdung vorzugêweise strafbar is, besteht darin, daß der Ver- leumdete in der Achtung seiner Mitbürger herabgeseßt wird und die= ses für seine ganze Stellung, auch in privatrechtlicher Beziehung, die nachtheiligsten Folgen haben fann. Nimmt mak dies aber an, \o is niht abzusehen, weshalb eine Verleumdung, welhe zwar nicht öffent= lih geschieht, jedoch für den Verleumdeten dieselben Nachtheile her- beiführt, straflos sein sol. Wenn beispielsweise Jemand von Han- deltreibenden verbreitet, daß sie in Vermögensverfall gekommen sind, daß sle shlehte verfälschte Waare verkaufen, so, glaube ich, is der= selbe Grund, zu strafen, mag solhe Aeußerung an einem öffentlichen Orte geschehen sein oder nicht,

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: J erlaube mir zu bemerken, daß der von mir gestellte Antrag nicht lautet: an öffentlihen Otten“, sondern „öffentlich.“ Falls aber das Kriterium der Oeffentlichkeit fortbleibt, so scheint von Seiten des Herrn Kom- missars selbst anerkannt worden zu sein, daß eine einfahe Privat- Mittheilung möglicherweise in den Bereih der Strafbarkeit fallen werde, und ih frage einen Jeden, was am Ende daraus werden soll, wenn jede gewöhnliche Klatscherei die Veranlassung einer ge- rihtlihen Verfolgung und den Grund einer Strafe abgeben soll,

Regierungs-Kommissar Bischoff: Jh habe den Antrag so ver= standen, daß er sh auf den Artikel 367 des rheinishen Strafrechts bezieht, wo es heißt: „An öffentlihen Orten, in öffentlihen Ver- sammlungen oder in authentischen Urkunden, in gedruckten oder unge= druckten Schriften, welche angeschlagen, verkauft oder ausgestellt werden,“

Abgeordn. Freiherr von Gaffron: Jch würde mich für die An= sicht des Herrn Referenten erklären, wenn mir niht der Begriff öffentlich ein so shwankender zu sein schiene; der Herr Referent hat selbst erklärt, daß er nit blos Aeußerungen meine, die an öffent= lichen Orten, sondern die überhaupt öffentlich ‘geschehen seien. Nun

“frage ih, wenn in einer Gesellshaft von wenig Persouen folhe ver-

leßende Aeußerungen gethan sind, die nahher weiter verbreitet wer= den, ist das öffentlih oder uiht öffentlich? Jch glaube nun, was unter vier Augen geschieht, das kann auch weiter verbreitet werden, und es wird deshalb die Feststellung des Begriffes schr schwierig sein. Ferner, wenn Jemand, wie vorhin erwähnt worden is , einer Anzahl von Menschen einzeln ehrverlebende Aeußerungen über Andere mit= theilt, so fann daraus ein größerer Nachtheil für den Verleumder entstehen, als wenn dies in einem kleineren Kreise zugleich an mehrere Personen geschieht.

Abgeordn. Camphausen: Jch glaube, daß wir der Schwierig= feit, einen Begriff vollständig festzustellen, {hon mehrmals im Laufe unserer Verhandlungen begegnet und zuweilen darüber hinausgegan= gen sind. Es steht die Sache nicht so, daß entweder das Extrem auf der einen Seite oder das Extrem auf der anderen Seite ange= nommen werden müsse. Will man ein solhes Vergehen strafbar erachten und der Untersuhung unterwerfen, weun es iu einem kleinen Kreise unter Vertrauten begangen wurde, so entsteht jedeufalls ein praktis sehr bedeutendes Bedenken. Es kann nicht die Absicht vor= walten, die Zahl der Verleumdungs-Prozesse zu vermehren; im Ge- gentheil is es nöthig, ihre Zahl zu vermindern, und dieses Jnteresse meldet sih gerade jeßt am stärksten, wo es darauf ankommt, die Susceptibilität in solchen Dingen zu vermindern, nicht sie zu erhöhen. Das ijt ein Grund, weshalb ih dem Zusaße des Wortes „öffentlich““ den Vorzug gebe.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jh glaube, das Kriterium für die Strafbarkeit einer solhen Behauptung is ganz richtig im Entwurfe angegeben, indem es heißt: „welche denselben gehässig zu machen oder in der bfentlihen Meinung herabzuwürdigen geeignet sind‘‘; es muß also eine Thatsache in einer Weise behauptet worden sein, die geeignet is, den, gegen den sie gerihtet, gehässig zu machen oder in der öffentlihen Meinung herabzuwürdigen.

Justiz - Minister von Savigny: Auch ih glaube, daß in dem

Momente, welhes das geehrte Mitglied aus Pommern geäußert hat, die Sicherung liegt gegeu alle an sich denkbare und möglide Stika- nen, auf der anderen Seite scheint mir die Aufnahme des Wortes

„öffentlih“/ höchst gefährlih, Jch will uur an den Fall e wenn Jemand in Beziehung auf einen Handelsmann sechs oder aht Briefe an die Korrespondenten dieses Handelsmannes schreibt und jedem darin erzählt, daß dieser im Begriff sei, Bankerott zu machen, so is das gewiß niht öffentlich gesehen, sondern insgeheim an einzelne Périónen gerihtet; aber Niemand wird zweifeln, daß dies unter den Begriff der Verleumdung fallen und bestraft werden muß, Ich glaube, daß die Charakteristik, wie sie in dem Paragraphen gezeben is, vollkommen ausreiht, um den Richter auf den rictis gen Weg zu bringen.

__ Abgeordn, Graf Zech - Burkersrode: Jh kann mit der Aus sicht des Herrn Referenten mi durchaus uicht einverstanden erklären, denn ih halte die öffentlih geschehene Verleumdung sür deujenigen, der Gegenstand der Verleumdung is, viel weniger gefährlich, als die im Finstern schleihende, die wie ein geheimes Gift wirkt, Jh muß mich daher ganz entschieden für Beibehaltung der Fassung des Ent= wurfes und gegen die Aufnahme des Wortes „öffentlih“/ erflären.

Abgeordn, von Weiher: Nach meiner Ausicht kann es bei Be=- urtheilung des Strafgeseßbuches niht maßgebend sein, ob dadurch die Prozesse vermehrt oder vermindert werden, sondern es kann die Aba sicht nur die sein, gegen jede Verleßung den größtmöglihen Schuß zu gewähren. Es kann daher auf den Einwand, der gemacht wor= den ist, daß die Prozesse vermehrt würden, kein Gewicht gelegt wer= den, und scheint es blos darauf anzukommen, dafür Sorge zu tra- gen, daß nicht Jemand zu leiht an seiner Ehre gekränkt werden

önne.

Abgeordn. Sperling: Auch ih kann dem Antrage des Herrn Referenten hier nicht beitreten, weil auch mir diejenigen, die im Ges- heimen nachtheilige Gerüchte von Anderen verbreiten, wie Blindschlei- hen vorkommen, und viel gefährliher ersheinen, als diejenigen, welche öffeutlih {h über einen Auderen beleidigend aussprehen. Um indeß die vertrauliche Mittheilung nicht zu sehr zu beschränken, möchte ih mir den Vorschlag erlauben, ein Wörtchen dem Paragraphen ein- zushalten und zu sagen: „Wer geflisseutlih verbreitet.“ Auf diese Weise wüirde das in Beziehung auf die vertraulichen Mittheilungen erhobene Bedenken beseitigt werden.

Marschall: Wird gewünscht, daß eine Unterstüßungsfrage auf diesen Vorschlag gestellt werde, d. h. mit anderen Worten, daß er zum Gegenstande der Abstimmung gemacht werde ?

Abgeordn. Sperling: Wenn das Gouvernement sih bereit er- flärt, das vorgeshlagene Wort dem Paragraphen einzuschalten, #0 würde die Abstimmung uicht nöthig sein.

Marschall : Wir wollen in Kürze entnehmen, ob der Borschlag, das Wort „geflissentlih““ einzuschalten, die. erforderliche Unterstüßung von 8 Mitgliedern findet? :

(Wird unterstüßt.) /

Regierungs - Kommissar Bischoff: Jch glaube, daß dur Bei= fügung dieses Wortes der Begriff des Verbrechens eine Beschränkung erhalten würde, die sich niht rechtfertigen läßt. Das Wort ge= flissentlih würde so zu verstehen sein, daß die Verbreitung un=- wahrer Thatsachen, durch welche ein Anderer in der öffentlihen Ach= tung herabgeseßt wird, nicht strafbar sein soll, wenn nicht die Absicht, demselben zu haden, vorliegt. Jndeß muß man sich die Folgen, welche die That für den Verleßten hat, klar machen, Für dessen Ehre, für dessen Wohlstand is es gleichgültig, welche Absicht der Thäter speziell gehabt hat; ob Leßterer aus Bosheit oder Muthwillen

gehandelt hat ; die Folgen bleiben dieselben. Derjerige, welcher That=

sachen verbreitet, welhe dem Rufe eines Anderen nachtheilig sind, mag, ehe er sie verbreitet, prüfen, ob sie wirklich wahr sind, und ehe erx nicht davon die Ueberzeugung gewonnen hat, daß sie wahr sind, soll er sie nit verbreiten; das is, glaube ich, das Mindeste, was man fordern darf.

Abgeordn. Dittrih: Wenn sich die Debatte über den Para= graphen im Allgemeinen verbreitet, so bitte ich ums Wort.

Marschall: Jh gebe ganz anheim, ob sich der Abgeordnete über das Wort „öffentlih““ oder „geflissentlih““ äußern will. i

Abgeordn. Sperling: Jh muß dem Herrn Regierungs-Kom= missar erwiedern, daß, weil die Verleumdung im Kapitel von den Jnjurien abgehandelt is, es auch bei derselben auf die Absicht, zu be= - leidigen, ankommen dürfte, und ih es um so mehr wünschenswerth halte, daß das in Vorschlag gebrachte Wort eingeschaltet werde, weil außerdem eine arglose Mittheilung unter Freunden zur Strafe der Kalumnie führen könnte.

Regierungs - Kommissar Bischoff: Wer eine solche Mittheilung unter Freunden macht, mag sih vorher vergewissern, ob er sih auf deren Discretion verlassen kaun. Was die Bemerkung betrifft, daß der animus injuriandi, also die spezielle Absicht, zu beleidigen, voraus- geseßt werden müsse, \o is dies allerdings in der älteren Jurispru= denz und den älteren Geseßgebungen, namentlih im Allg. Landrechte, zum Thatbestand der Ehr - Verlegung gefordert worden; die neuen Geseßgebungen aber sind von diesem Prinzip abgegangen. Sie ha= ben bei dem Verbrechen der Ehr= Verleßung hier wie bei anderen Verbrechen nur zweierlei erfordert, nämlih in subjektiver Beziehung den Vorsaß im Allgemeinen, das Bewußtsein der That, und in ob=ch jektiver Beziehung, die Verleßung des Rechts eines Anderen, des Rechts auf Ehre. Sind beide Momente vorhanden, so liegt das Verbrechen der Ehr=-Verleßung vor. Darauf, ob Jemand die Absicht gehabt hat, zu beleidigen, oder ob er aus irgend einer anderen Jn= tention gehandelt hat, fommt es nuiht an, und daß dieses Prinzip richtig ist, ergiebt sih gerade bei dem Verbrechen der Verleumdung. Hier is es ganz gleihgültig, ob die falschen Thatsachen verbreitet werden in der Absicht, Jemanden in der Achtung Anderer herabzu= seben, oder um ihm Schaden zuzufügen, oder aus Muthwillen oder aus einem anderen Grunde.

Justiz-Minister von Savigny: Jch glaube, das geehrte Mit= glied aus Preußen wird seine Absicht, den Begriff zu beschränken, nicht erreichen, wenn „geflissentlih““ vor verbreitet“ geseßt wird. Es bliebe immer das Wort „behauptet“ unbeschränkt stehen. Wollte man aber es auch vor „behaupten“ stellen, so würde es sich ganz anders darstellen, da man etwas Anderes als i as nicht behaupten fann. Wenn ih richtig verstanden habe, so geht die Ansicht dahin, es müsse in der Absicht verbreitet worden sein, damit der Andere gehässig oder in der öffentlichen Achtung heruntergescßt werde. Das wäre sehr gefährlich. Wenn Jemand auch nur aus Leichtsinn etwas, was den Anderen gehässig oder verdächtig machen fann, verbreitet und uicht an den guten Ruf des Anderen denkt, so unterliegt er bil«-

lig dieser Strafbestimmung.

i Abgeordn, Sperling Jh mache do einen Unterschied zwischen beiden Fällen, Wenn Jemand solche Thatsachen, welche den Anderen in der allgemeinen Achtung herabseßen, behauptet, so is er der Shö« pfer der Verleumdung und ladet dadurch eine größere Verantwortung auf sich, als wenn er sie nux verbreitet, nur das sagt, was son von einem Anderen erfunden ist.

Justiz-Minister von Savigny: Jn dem Begriffe der Behaup- tung liegt nicht das Merkmal der Originalität, Jch kann etwas be- haupten, was ein Anderer vor mir auch behauptet hat,