1848 / 50 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Abgeordn. von Brünneck: J weiß nicht, ob es in der Ab- fit der hohen Versammlung liegt, auch das, was man Klatscherei nennt und mir in hohem Grade zuwider ist, zu bestrafen. Wäre dem so, so würde der Pdragraph, so wie er ist, ohne Bedenken anz zunehmen sein. Denn so wie dieser gefaßt ist, muß ih voraussehen, daß nit nur die Behauptung und Verbreitung von Thatsachen in der Absicht, Jemand zu verleßen, sondern daß auch die Untugend, zu flatschen, oder die, andere nachtheilige Gerüchte weiter zu verbreiten, als Ehrverleßungen bestraft werden soll. Liegt dies in der Absich der Versammlung, besonders wenn diese Untugend zur Gewohnhei eworden ist, so würde der Paragraph diesem Zwecke entsprechen

ch glaube aber, wir müssen uns klar machen, daß danu auch all Klatschereien demselben verfallen würden.

Justiz = Minister von Savigny: Jch glaube, bei der Klatscherei muß man den Jnhalt und Gegenstand der Klatscherei berücksihtigen. Wenn Jemand etwas Nachtheiliges, aber Unschuldiges, wenngleich viel- leicht Lächerliches, von einem Anderen erzählt, so ist es ciue nicht straf- bare Klatschersi, wenn er aber von dem Anderen erzählt, daß er ein Mörder oder ein Dieb sei, \o is dies eine ernste Klatscherei, die wohl gestraft werden muß. i

Abgeordn. Freiherr von Gudenau: Jch weiß niht geuau, wie der Antrag des Referenten war, ob sich die Einschaltung des Wortes „öffentlich“ auh auf das Verbreiten oder nur auf das Behaupten beziehen soll,

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: Auf Beides, Vor „„Thatsachen““ soll das Wort „öffentlih“ eingeschaltet werden, J vereinige meinen Vorschlag mit dem Antrage des Abgeordneten von Gudenau.

Abgeordn. Frhr. von Gudenagau: Da muß ih sagen , daß die hier mehrmals gemachte Bemerkung allerdings viel für sih hat, daß eine verbreitete Verleumdung, die im Finstern schleicht, viel nachthei= liger sein kann, als eine öffentlihe, gegen die man sih öffentlich ver= theidigen kann. Jch finde das größte Bedenken, das Wort behaup= tet ohne Weiteres anzunehmen, weil dies jede Privatmittheilung, jede leichtsinnige oder unüberlegte Privatmittheilung einer Kriminal - Be- strafung ausseßen kann. Jch glaube daher, daß das Wort „öffent- lih““ sih jedenfalls auf die bloße Behauptung, aber auch nur auf diese, erstrecken müßte. Die Beifügung dieses Wortes ist durchaus nothwendig, wenn nicht Privatgespräche der Bestrafung preisgegeben werden sollen. Meine Meinung ist zusammengefaßt in den Worten : „Wer in Beziehung auf einen Anderen Thatsachen verbreitet oder öffentlih behauptet.“ Jch glaube, daß dies das Zweckmäßigste und Richtigste sein würde.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch glaube, daß, wenn man die Angemessenheit der Begriffsbestimmung der Verleumdung richtig beurtheilen will, man sih vergegenwärtigen muß, welches die Stra- fen sind. Es sind nah §. 190 Gefängnißstrafe und Festungshaft ohne Minimum, Geldbuße ebenfalls ohne Minimum. Bei diesem Strafmaß wird die Definition wohl anzunehmen sein, wie sie §. 189 gegeben hat, und zwar so, daß die Thatsachen, welche verbreitet worden sind, nach dem gewöhnlichen Lause der Dinge diejenigen Fol=

gen hervorzubringen geeignet sind, welche der Paragraph erfordert. Marschall: Wir können abst:mmen. j Der Referent hat erklärt, doß er mit dem Vorschlag des Ab- neordueten von Gudengu cinverstanden sei und auf seinen ersten Vorschlag verzichte. Es wird deshalb die Frage auf den zuleßt gemahten Vorschlag zu rihten sein und so lauten : U Soll beantragt werden, daß der Paragraph die Fassung erhalte : „Wer in Beziehung auf einen Anderen \olche Thatsachen verbrei- tet oder öffentlich behauptet“ u. }. w. und diejenigen, welche diese Fassung in Vorschlag bringen , es durch Aufstehen zu erkennen geben. (Es erheben sich nur wenig Mitglieder.) Es if nicht beigestimmt. Es is zu ermitteln, ob noch der Vorschlag des Abgeordneten Sperling « | Abgeordn, Frhr. von Gudenau: Die Abstimmung is zwar ge- \chehen, aber der Antrag und auch die Frage über Unterstüßung desselben war noch niht zur Diskus{ion gestellt worden. i Marschall: Es war nicht erforderlih , eine Frage darauf zu stellen, ob der Antrag Unterstüßung finde, weil der Vorschlag des Referenten Unterstüßung gefunden und der Referent erklärt hatte, sich mit dem Vorschlag des Abgeordneten von Gudenau zu ver- einigen. Die nächste Frage heißt also : Soll beantragt werden, daß vor dem Worte „solhe Thatsachen““ das Wort „geslissentlich“ eingeschaltet werde ? Diejenigen, welche die Frage bejahen, würden es durch Aufstehen zu erkennen geben, j

würden

i (Es erhebt sich keine Majorität.)

Man ist nicht beigetreten.

Es fragt sich nun, ob der Abgeordnete Dittrich seine vorhin vor- behaltene Bemerkung an den bisher verlesenen Theil des Gutachtens anzuknüpfen willens ist. / i

__ Abgeordn. Dittrich : Die Debatte hat ergeben, daß die Be- griffsbestimmung doch etwas zweifelhaft is. Von tem Herrn Direk- tor der Abtheilung is zwar angeführt, daß fein Minimum bestimmt sei, es is aber hier ein Maximum bestimmt, und ginge man darauf hinaus, durch Weglassung des mindesten Strafmaßes die cinfache Ehrenkränkung unter diesem Begriffe zugleich zu strafen, \o durfte man die Verleumdung nicht scheiden, wie sie doch geschieden ist, Das Bedenken, welches der Herr Referent ausgeführt, hat mir auch vor= geshwebt, aber in anderer Art. Wenn ih die Worte des §. 189 zusammenstelle, in denen es heißt: „Wer in Beziehung T n Anderen solche Thatsachen behauptet, welche denselben in der öffent- lichen Meinung herabzuwürdigen geeignet sind“, \o habe ih den vollständigen Begriff der einfahen Ehrenkränkung und nicht den der Verleumdung. Es ist eine einfahe Ehrenkränkung, wenn solche That-= sachen behauptet werden, die geeignet sind, einen Anderen in der öffentlihen Achtung herabzuseßen. Mir liegt der Zweifel in dem Worte oder, Dieses oder einmal zu entfernen, is mein Antrag. Verleumdung muß unzweifelhaft härter gex! werden, als einfache Ehrenkränkung. Der Begriff muß aber so geschieden sein, daß er mit der einfahen CEhrenkränkung nicht zusammenfallen kann. Das scheint mir aber hier der Fall zu sein, Jm Entwurf von 1845 war eine andere Begriffsbestimmung gegeben, mit der ih aber auch nicht einverstanden bin ; der Entwurf von 1845 sagt:

„Wer in Beziehung auf einen Anderen solhe Thatsachen behauptet

oder demselben solhe Eigenschaften beilegt, welche dessen sittlichen

Werth in der öffentlichen Meinung herabzuseßen geeignet siud.“

Dieser Begriff is hier uicht angenommen, es geht also auch hieraus hervor, daß man bei Abfassung des Entwurfs in der Be- griffsbestimmung geshwankt hat. Mein Antrag geht dahin, das r iracis f iz 54 L 2A baß dieser Vorschlag , Marschall: muß bemerken, daß dieser Vorschlag schon Seite 76 des Gutachtens gemacht is, Es fragt sih, ob der Ab- geordnete etwas bemerkt, was nicht in diesem Theile des Gutachtens

erithalten ist. J} es darin enthalten, so würde es aufzuschieben sein bis wir dahin kommen, ae fzusch sein,

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Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius (liest vor :)

_Der §. 189 erklärt ferner nur solche Thatsachen für verleum- derish, welche niht erweislich wahr sind, und gestattet hierdurch den Beweis der exceptio veritatis in der ausgedehntesten Weise.

Zunächst ward angetragen, die Worte: „weun nicht die behaup- teten oder verbreiteten Thatsachen wahr sind“, ganz zu streichen und die exceptio veritatis hierturch völlig auszuschließen, indem es in keines Menschen Befugniß zu stellen fe, den guten Ruf und die Ehre cines Anderen anzugreifen oder zu verleßben. ;

Es beschloß die Abtheilung jedo, daß diesem Antrage feine Folge zu geben, indem derjenige keinenfalls zu strafen, der ohne allen animus injuriandi vollständig wahre und erweislihe Thatsachen zum Gegenstande seiner Mittheilungen gemacht habe.

Es ward sodann die Ansicht aufgestellt, daß der Beweis der exceptio veritatis, wie dies auch im rheinischen Rechte geschehen, jedenfalls zu beschränken und namentlih der Zeugen-Beweis auszu= ließen sei. Die unbedingte Nothwendigkeit einer solchen Beschrän- fung liege überall da vor, wo die Oeffentlichkeit des Verfahrens cs unmöglih mache, cinen Gegenstand der gerihtlihen Verhandlung der Kenntniß des Publikums vorzuenthalten, wie dies auch die Geseh- gebung aller Länder, in welchen cin öffentliches Verfahren stattfinde, anerkaunt habe.

Sei der Zeugenbeweis zulässig, so sei hierdurh immer der Weg gebahnt, eine Menge Dinge zur größten Oeffentlichkeit zu bringen, deren Nichtveröffentlichung sowohl im Juteresse der Staatsregierung als der Privaten liege, zudem aber sei es aus inneren Gründen unzulässig, den objektiven Thatbestand eines Vergehens von dem Um- stande abhängig zu machen, ob ein Beweis erbraht worden oder nicht, ein Umstand, der überall, wo eine bestimmte Beweistheorie nicht vorhanden, immer zu den zweifelhaften gehören werde,

Die Abtheilung is jedoch auf diese Gründe nicht eingegangen. Sie war vielmehr der Ansicht, daß, die Wahrheit zu sagen, unter allen Umständen gestattet sein müsse, daß namentlich Niemand, der in gutem Glauben und im Bewußtsein seines Rechts geredet, für das- jenige, was er gesprochen, verantwortlih sei, wenn er den Beweis dieser Wahrheit zu führen im Stande, daß es aber nicht gerechtfer- tigt, für diesen Beweis irgend eine Schranke zu ziehen, indem der Umstand, ob für eine Thatsache Urtheile oder \riftliche Urkunden vorhanden, ein rein zufälliger, von welchem die Strafbarkeit der Hand- lung nicht abhängig gemacht werden dürfe.

Es is daher der Antrag, die Worte :

wenn nicht die behaupteten oder verbreiteten Thatsachen er- weislich wahr sind, dahin zu ändern: wenn niht die behaupteten oder verbreiteten Thatsachen durch Urtheile oder \hriftliche Urkunden zu beweisen sind, mit 8 gegen 6 Stimmen von der Abtheilung abgewiesen worden und mit 9 gegen 5 Stimmen aus den oben bereits erwähnten Grün- den ein fernerer Antrag: das „oder‘’ in dem ersten Alinea des §. 189 in „und‘‘“ zu verwandeln, abgelehnt,“

Der Antrag, diese Beschränkung eintreten zu lassen für den Beweis, is} ebenfalls von mir gestellt worden. Jch beziehe mich auf die Gründe, welche bereits vorgetragen worden sind, und erlaube mir noch darauf aufmerksam zu machen, daß überall, wo öffentliches Ver- fahren existirt, es auf der Haud liegt, daß gerade durch dasselbe eine Menge Dinge dem Verleumder zu veröffentlichen gestattet sein wer- den, die zu vershweigen das Juteresse der Staatsregierung und der Einzelnen Ee nothwendig gebietet, daß daher auch in den Gesehen aller Länder darauf Rücksicht genommen is, einen solchen Beweis der Wahrheit nicht zu gestatten, und daß nameutlih auch niemals abzusehen is, welche Thatsachen erweislih sind oder nicht, indem das Urtheil hier immer von einer Menge Umstände abhängig isl, die im voraus der, welcher verurtheilt werden soll, niht wissen

ann,

Marschall: Es is also die Absicht des Referenten, den Vor- {chlag, welchen die Abtheilung nicht befürwortet hat, hier als Amen- dement vorzubringeuz in diesem Falle ist es erforderlih, zu ermit- teln, ob er die nothwendige Unterstüßung von 8# Mitgliedern findet, i

(Wird unterstüßt.)

Er hat sie gefunden,

Regierungs-Kommissar Bischoff: Dieser Antrag würde auf das Prinzip zurückführen, welhes das rheinishe Strafrecht im Art. 370 angenommen hat. Es ist daselbst bestimmt, daß, wenn die Thatsache, deren Jemand beschuldigt wird, auf geseblihe Weise als wahr bewiesen wird, der Beschuldigte mit keiner Strafe belegt wer- den kann, Allein es is demnächst die Beschränkung hinzugefügt, daß nur derjenige Beweis als geseblih angesehen werden soll, der aus einem Urtheil oder aus einer authentishen Urkunde hervorgeht. Es sind also die Beweismittel außerordentlich beschränkt, und es is na- mentlich nicht zugelassen der Zeugenbeweis. Jch glaube nun, daß, wenn man dieses Prinzip des rheinishen Rechts annehmen wollte, alsdann derjenige, welcher angeblich unwahre Thatsachen behauptet hat, in die übelste Lage fommen würde. Denn gerade Thatsachen dieser Art werden in der Regel sih niht durch Urkunden oder an- dere scriftlihe Beweise darthun lassen, Es fragt sich also, ob man eine solhe Beschränkung annehmen könne, ob dieselbe durh die Na- tur der Sache hier vorzugsweise gerechtfertigt sei. Davon vermag ih mich nicht zu überzeugen. Die Frage der Beweisführung kann in dieser Hinsicht nicht allein bei dem Verbrechen der Verleumdung vou Jnteresse sein, sondern auch bei mehreren anderen Arten von Ver- brehen, wo der Entschuldigungs - Beweis in der Form von Civil- Einreden geführt wird. So kann es sih bei dem Diebstahle gestal- ten, daß derjenige, der des Diebstahls beschuldigt wird, behauptet, daß die Sache nicht eine fremde, sondern seine eigene Sache sei. Nun würde es in Fällen dieser Art gewiß außerordentlich beschränkend und nicht zu rechtfertigen sein, wenn man dem Angeschuldigten in der Wahl der Beweise Vorschriften machen, ihm Beschränkungen auferlegen wollte. Der Richter wird immer schon selbst ermessen, wie weit er in der Zulassung anderer Beweismittel gehen darf; er wird wohl er- fennen, ob der Angeschuldigte die Beweis = Aufnahme nur beantragt, um Zeit zu gewinnen oder Ausflüchte zu machen, und wenn das der Fall is, wird er eine weitere Beweis-Aufnahme abschneiden. Dieses Auskunstsmittel steht ihm auch hier bei der Verleumdung zuz sieht er, daß der, welher der Verleumdung beschuldigt is, Ausflüchte macht, daß er sih zu diesem Behufe auf Zeugen beruft, so wird er darauf nicht weiter eingehen. Wenn gesagt worden is, daß, wenn man den Zeugenbeweis zulasse, bei dem öffentlichen Gerichtsverfah- ren Uebelstände im Juteresse des Staats sowohl, als der Verlebten selbst daraus hervorgehen könnten, so muß ich bekennen, daß ih mich von der Richtigkeit dieser Einwendung nicht zu überzeugen vermag; denn die Erörterung solcher Thatsachen würde au nicht ausgeschlo|- sen sein, wenn man die Beweisführung auf schriftliche Urkunden be- schränken wollte, da leßtere doch auf jene Thatsachen sich würden er- strecken müssen, Sodann glaube ih, daß dem, welcher sih für ver- leumdet hält, gerade daran viel gelegen sein muß, daß der wahre Sachverhalt auf alle mögliche Art und Weise festgestellt werde ; ihm

also kann es nicht haden, sondern nur ersprießlih sein, wenn eine

Erörterung im weitesten Umfange und na ih ei E Zeugen fatisidet fang mentlih eine Vernehmung geordu, Keumann: alte es zuvörderst / daß wir uns doch näher ube di Begrife der Ehrenfrinendil, Verleumdung verständigen, weil es sonst kaum mögli wird, über den aragraphen ein angemessenes Urtheil zu fällen. Nach meiner An- iht ist der Paragraph nit so gefaßt, wie er, um einen sicheren und bestimmten Begriff aufzustellen, gefaßt sein müßte. Jch bin der Ansicht, daß, wie bereits der Abgeordnete der Städte Schlesiens ge- sagt hat, wenn es heißt, „Jedermann“, der solche Thatsachen von Anderen behauptet, welhe denselben gehässig zu machen oder in der öffentlihen Meinung herabzuwürdigen geeignet sind“, dies nur eine gewöhnlihe Jnjurie ist und keine Verleumdung, und mein An= trag geht, da nur von Verleumdungen die Rede is, dahin, das Wort „behauptet“ zu streichen, und ih erlaube mir, diesen Antrag zu stellen weil ih das, was er beabsichtigt, durch die zu erwartende Diskussion über die Anträge der Abtheilung nicht für erledigt halte. Jh mache in dieser Hinsicht darauf aufmerksam, daß, was den ersten Begriff nämlih den der Verleumdung, betrifft, nah dem Sprachgebrauche des gemeinen Lebens, noch etwas Anderes darunter zu verstchen if, Man versteht darunter nämlich die Verbreitung falscher Thatsachen hinter dem Rücken eines Anderen, während, wenn ich Einem etwas in gleiher Art Beleidigendes ins Gesicht sage, dies eine gewöhuliche Jujurie ist. Ju dieser Hinsicht ist also der Begriff hier geändert worden, Der Herr Regierungs=- Kommissar hat uun zwar sehr rich= tig erinnert, daß es nicht erforderlich sei, daß dem Vorsabß oder die Absicht dargethan werde, Jemand in der öffentlichen Meinung herab-= zuseßenz allein das muß jedenfalls dargethan werden, daß der Belei diger wußte, daß cs eine falsche Thatsache sei, die er gegen Jemand behauptet oder verbreitet. Dieser Begriff fehlt hier ganz und gar, ih glaube aber niht, daß man hier über diese Begriffe, wie ich sie mir eben aufzustellen erlaubt habe, hinweggehen könne. Jch bean= trage also zunächst die Streichung des Wortes „behauptet“, indem die Sache nah meiner Ueberzeugung durch §. 193 erledigt wird, welcher von den gewöhnlichen Beleidigungen handelt.

Marschall: Wir wollen ermitteln, ob der Vorschlag, das Wort „behauptet“ zu streichen, die Unterstüßung von 8 Mitgliedern findet.

(Wird unterstüßt.)

Abgeordn. Dittrich : Wenn nun in Bezug auf den Einwand der Wahrheit von dem Herrn Referenten beantragt ist, daß die Be=- weismittel eingeshränkt werden sollen, so muß ih mich dagegen er- flären. Jch halte den umfassendsten Beweis der Wahrheit für noth= wendig und finde gerade ‘darin einen der wesentlichsten Unterschiede der Verleumdung gegen die einfahe Ehrenkränkung, denn nah dem Entwurfe is bei der einfacheu Ehrenkränkung der Beweis der Wahr= heit nicht zulässig. :

Abgeordn. Camphausen: Es ist uicht zu bezweifeln, daß die Erledigung des Gegenstandes, der uns vorliegt, seine eigenthümlichen Schwierigkeiten hat, und daß, wenn man die Art der Lösung dieser Schwierigkeiten, sowohl im rheinischen Rechte, als im Eniwurse be trachtet, man sich wird gestehen müssen, daß in beiden noch erhebliche Mängel und Gebrechen liegen, Jn dem Entwurfe leitete cin natür liches Gefühl zu der Annahme, daß bei erweislicher Wahrheit das Verbrechen der Verleumdung nicht bestehen könne. Es läßt sich {wer dagegen streiten, wenn man den Saß ausstellt,

„die Wahrheit darf man sagen““,

aber cine Menge von Rücksichten machen sih geltend, wenn nun von der Strafbarkeit derartiger Handlungen die Rede is und von der Art ünd Weise ihrer Verfolgung vor Gericht, Da muß ih nun gestehen, daß ih es meinerseits nicht auffassen kann, wie der Herr Regierungs-Kommissar es für bedenklich nicht ansieht, beim öffentlichen Verfahren den Beweis zu sehr zu erleihtern. Zu erleichtern, sage ih und schalte ein, daß das rheinishe Recht den Beweis uicht aus schließt, aber ihn nicht erleihtert, sondern ershwert. Das würde also nur die Frage sein, an welche Formen man den Beweis knüpfen will, Das rheinishe Recht fordert, daß der Beweis sofort und durch authentische Urkunden geführt werdez es hat also zwei Beschränkun= gen, einerseits hinfihtlich der Zeit, indem es keinen langen Spielraum zuläßt, um die Beweise zu sammeln, und andererseits hinsichtlich der Form, indem es Urkunden verlangt und den Zeugenbeweis ausschließt. Nicht. sowohl darin liegt nun das Bedenken, daß in den jeßt vor- fommenden Fällen die Verhandlung öffentlich is, sondern daß nach dem Entwurfe ganzandere Fälle, als nach dem rheinischen Rechte, zur Erörterung fommen. Der Entwurf erzeugt den Reiz, eine Klage blos des= halb zu erheben, um die Gelegenheit herbeizuführen, gewisse Dinge öffentlich zu sagen; es ist eine Möglichkeit gegeben, den Beweis der Wahrheit zu versuchen, die auf dem auderen Wege nicht statt= finden würde, Die Erfahrung hat bestätigt, daß das öffentliche Ver-= fahren namentlich sich der allzu großen Erleichterung des Erweises der Wahrheit entgegenstellt, Man hat in Frankreich auch die Härte eingesehen , die in dem Gesche liegt, und Veränderungen versucht, sich aber bald in der Nothwendigkeit befunden, wieder zu den frühe- ren Bestimmungen zurüczugehen, namentlih den Zeugenbeweis aus- zuschließen. Jh sehe voraus, daß dessenungeachtet die Versammlung si dafür entscheiden wird, den Beweis der Wahrheit auch durch Zeugen zuzulassenz ih möchte nur davon Aft nehmen, daß, wenn später diese Bestimmung nicht nur für Privatpersonen , sondern auch für die Re- gierung, und für die Regierung insbesondere, sehr erhebliche Jnkon- venienzen zur Folge hat, daun nicht dem öffentlichen Verfahren ein Vorwurf gemacht werden möge, sondern dem Beschlusse, den wir heute gefaßt, und der dann vielleicht einer Aenderung unterworfen werden fann.,

Abgeordn, Graf von Renard: Jch muß zurlüickgehen auf das, was das geehrte Mitglied aus Schlesien gesagt hat, daß der Begris} {wer zu scheiden is zwischen Ehrverleßung und zwischen Verleum= dung. M “wein Jemand darauf ausgeht und Handlungen begeht, um Je- manden in der öffentlichen Achtung herabzuwürdigen so is es eine cinfahe Ehrenkränkungz wenn er aber, um diese Absicht durchzufüh- ren, sich der Aufführung falscher Thatsachen bedient, so E Ver leumdung. Dadurh hebt sich auch zum Theil das Bedenken des geehrten Mitgliedes vom Rheine, denn wenn Jemand nicht Wegen Verleumdung bestraft werden kann, so kann er doch Wegen Ehren- fränfung bestraft werden, welche stattfinden fann ohne Anwendung des Mittels der Verleumdung.

Marschall: Wenn weiter keine Bemerlung erfolgt, so Finan wir zur Abstimmung. Es is die Frage zu stellen auf den Borschlag des Abgeordneten Neumann, daß das Wort „behauptet wegfallen möge. , : , T ;

«Minister von Savigny: Die Frage is mir noch nicht vie Diten also die Worte „behauptet oder“ wegfallen, so daß es dann heißen würde: si in Beziehung auf einen Anderen solche

reitet u. s. w. Thai agen Iod, Frhr. von Mylius : Der Vorschlag des Abgeordneten Dittrich wird später von mir nachgetragen werden. Marschall: Diejenigen, welche dem Antrage beitreten, daß die Worte : A OERAUNIE oder‘’ wegfallen , werden dies durch Aufstehen zu erfennen geben,

Erste Beilage

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inen Preußischen Zeitung.

Sonnabend den 19. Febr.

(Es erhebt sich eine Anzahl Mitglieder.)

Man is dem nicht beigetreten.

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: Es handelt sich noch um die Frage, ob die hohe Versammlung sich dem Autrage anschlicße, wie ih ihn vorgeschlagen habe, nämlih den Beweis der Wahrheit auf die Fälle zu beschränken , die durch sriftlihe Urkunden fonstatirt werden können. j

Justiz- Minister von Savigny: Jch bitte, zu bedenken , wie sich die Fälle sonderbar gestalten fönnen. Wenn Jemand sih z. B. in einer öffentlichen Gesellschast auf eine sehr unanständige Weije benimmt, durch Trunkenheit zu groben Unanständigkeiten veranlaßt wird und nachher einer der gegenwärtig Gewesenen davon erzählt, was ohne alle Absicht der Klatscherei vielleicht zu einem ernsten Zwecke geschehen kann, und wenn er sich nun dabei darauf beruft, daß er selbst dabei gewesen sei, so ist dies gewiß eine Thatsache, welche geeignet scheint, in der öffentlihen Achtung herabzuseßen, aber \{werlich wird darüber cine öffentliche Urkunde aufgenommen worden jein, und er kann sich also nur auf die Zeugen berufen. Hier würde es nun bedenflih sein, dieses Beweismittel auszuschließen.

_ Marschall: Wir können zur Abstimmung fommen , nund die eFrage heißt : j Soll beantragt werden, daß statt der Worte: wenn nicht die behaupteten oder verbreiteten Thatsachen erweislich wahr sind, | die Worte aufgenommen werden : wenn nicht die behaupteten oder verbreiteten Thatsachen durch Urtheile oder schriftlihe Urkunden zu beweisen sind? und die dies vorschlagen wollen, werden es durch Aufstehen zu er- kennen geben, E E (Es erhebt sich keine Majorität.)

Man ist dem Vorschlage nicht beigetreten.

P ai “bgeordu. Frhr. von Mylius: Dann ist noch des vén: M aa Ms au erwähnen, der von der Abtheilung gemacht wor=-

/ Wort „oder“ in dem ersten Alinea des §. 189 in „und“ zu verwandeln, weil der Begriff der Verleumdung dadurch schärfer getroffen erscheint, wenn es heißt: „behauptet und verbreitet“. Die Gründe dafür und dagegen sind bereits vorgetragen worden.

Marschall: Es ist nicht erforderlih, noch eîiumal darüber ah= zustimmen , da die Versammlung schon bei Gelegenheit eines anderen Antrages sich dahin ausgesprochen hat, daß sie uiht wünscht, daß das Wort „oder“ wegfalle, Wenn aber ein Werth darauf gelegt roird, so muß allerdings noch eine Abstimmung vorgenommen werden,

Ce O8 ijt nicht für erforderlih erachtet worden, und es würde zu- nächst zu §9. 190 überzugehen sein. Um jedoch Alles, was vorbehal= ten worden is, nachzuholen, wird es nöthig sein, daß wir zur Be-= richterstattung und Berathung über den an die Abtheilung verwiese= nen Antrag des Abgeordneten Camphausen kommen, i ; Landtags - Kommissar: Jch gebe anheim, ob nicht mit Bera= tung der vorliegenden Materie fortgefahren werden soll, um den

Gang der Verhandlung nicht zu unterbrechen.

_ Marschall: Dann müßte es jedenfalls morgen zum Beginn der Sißung geschehen. Jch finde aber kein Bedenken darin, die Bera= thung an der Stelle, an welcher wir stehen, zu unterbrechen.

Candtags-Rommissar: Jch habe nur deshalb den Vorschlag gemacht, weil ih nicht die Ursache einer Unterbrehung dcr Berathung sein möchte, Uebrigens bin ih bereit, mich morgen bei Anfang der Sibßung einzufinden,

Marschall: Es fann fein auderes Bedenken bestehen, als die Berathung nicht zu unterbrechen, und da sie doch in jedem Falle un- terbrochen werden muß, so ist dies ein verschwindendes Bedenken, und wix kommen also zur Berathung des Gutachtens über den An- trag wegen der Folgen der zeitweisen Entziehung der bürgerlichen Ehre in Bezug auf die Standschaft.

Fürst Boguslaw Radziwill : ist nicht egen S : i:

Marschall: Er is vielleicht in einem Nebenzimmer. :

Referent Abgeordn. Nagumann : Gutachten der vorberathenden Abtheilung des Vereinigten ständischen Ausschusses, betreffend die Folgen der zeitweisen Entziehung der bürgerlichen Ehre, e

® Jn der Sißung des Vereinigten ständischen Ausschusses am 3. Februar c. hat der Abgeordnete Camphaujen P S Beschlüsse rücdsichtlih der Folgen bei zeitweijer Aberfennung der bür- gerlichen Ehre durch die Annahme folgender Bestimmungen zu mo difiziren : Wenn di

p pp

Der Vorsißende der Abtheilung

e Entziehung der im §. 20 des Entwurfs verzeichneten Rechte auf bestimmte Zeit ausgesprochen ist, “so joll zu den nach deren Ablauf von Rechts wegen wieder auflebenden Rechten die Theilnahme an Stimm- und Ehreurechten in Gemeinden und Cor- porationen und die Theilnahme an den Wahlen zu ständischen Ber- ammlungen gehören; dagegen soll das Recht an ständischen Ver sammlungen, S S 7 wozu auch die freisständischen Versammlungen gehören, Theil zu nehmen oder als Mitglied emer ständischen Versammlung gewählt zu werden, ohne vorangegangene Rehabilitation nicht wie- der aufleben.‘/“ : E Dieser Vorschlag, welchen der Antragsteller durch ktie cingerüc- ten Worte erläutert hat, is der vorberathenden Abtheilung zur Be» tachtung überwiesen worden. E | M Die in dem Gutachten vom 26. Januar d. J. und in der Dis- fussion über die Bedeutung des Verlustes der bürgerlichen Ehre zur Sprache gebrachten Gründe wurden von neuem in Erwägung ge= ogen. ; - | Gegen den Vorschlag wurde die Ansicht geltend gemacht, einmal in formeller Beziehung, daß dem Vorschlage der bereits am 29sten v. M. gefaßte Beschluß des Plenums entgegenstehe, indem der Vorschlag, sv weit er sich auf das Recht der Theilnahme an Stimms- und Ehrenrcchten in Gemeinden und Corporationen beziehe, gegen die klaren Worte der Abstimmung vom 29sten verstoße, und weil anderentheils bei dieser Abstimmung ein Unterschied zwischen afti vem und passivem ständischen Wahlrechte nicht gemacht sei, sodann in materieller Beziehaing, daß in denjenigen Gemeinden, so- wohl der Rhein-Provinz, als. Westfalen, wo die Gemeinde-Ver- saminlung (Gemeinde-Rath) nicht aus von der (Gemeinde gewähl- ten Verordneten, sondern aus sämmtlichen Höchstbesteuerten resp. Meistbeerbten bestehe, das aktive und passive Wahlrecht zusammen- falle, mithin von ciner Trennung desselben in dieser Beziehung bei deu gedachten beiden Provinzen wenigstens nicht die Rede sein könne; daß ferner, wenn man nur einem Manne von unbefleckter Ehrenhasftigfeit den Eintritt in die ständischen Versammlungen ge- statten wolle, folgerechwt auch der Wahlkörper, das Wahl-Kollegium, aus dem der Abgeordnete hervorgegangen, nicht von dem gering= sten Hauche der Unehrenhaftigkeit infizirt sein dürfe, und daß es endlih den Kommittenten gegenüber ein niht zu rechtfertigender

Egoismus sein würde, wenn man ihre Versammlungen in Bezie-

hung auf die Ehrenhaftigkeit mit weniger Aengstlichkeit behandle sie \chlehter stellen wolle, als die von ihnen Kommittirten, i Zur Unterstüßung des Antrages wurde wiederholt darauf hin- gewiesen, daß die in demselben erwähnten Rechte ganz besonders als die nothwendig in dem Staatsbürgerthum begründeten anzusehen seien und daß ohne Wiedergewährung derselben die wieder erworbene bür- gerliche Ehre fast ohne alle Bedeutung bleiben würde. Auch wurde darauf aufmerksam gemadht, daß nach bestehendem Rechte die Befähigung zur Theilnahme an Stimm-=- und Ehrenrehten in Gemeinden und Corporationen mit der Wiedererlangung der National-Kokarde eintrete. Die Abtheilung is mit 9 Stimmen gegen 7 zu dem Beschlusse gekommen, daß angetragen werde, f sich mit dem Vorschlage des Abgeordneten Camphausen cinver= standen zu erklären. Berlin, den 10, Februar 1848,

Die vorberathende Abtheilung. (gez) Graf von Schwerin. Freiherr von Lilien. örhr. von Mylius, Wodiczka. von Brodowsfki. Gießler, Schulze-Dellwig. Kuschke. Dansmann. Naumann. Grabow. Siegfried. Donimierski.“

__ Abgeordn, Camphausen: Der Gegenstand ist in einer zwei- tägigen Berathung erörtert und in späteren Verhandlungen erneuert berührt worden. Zugleich habe ih den Jnhalt des von mir einge- gebenen Vorschlages zur Zeit, als ih ihn einreihte, seinem wesent= lichen Jnhalte nah entwickelt. Er enthält eine ungemein leise Ab- weichung von dem, was theils in den Worten des früheren Be- schlusses liegt und theils in der Gesinnung der Majorität der Ver= sammlung gelegen hat. Die Regierung hat sich nicht für den Vorschlag, sie hat sich auch nicht dagegen erklärt, und unter diesen Umständen habe ih feine Veranlassung, eine Erörterung darüber hervorzurufen, würde vielmehr für meinen Theil bereit sein, mi blos für Einho- lung einer Entscheidung durch Abstimmung zu erklären, und nur dann

darauf zurückkommen, wenn der Vorschlag bestritten würde. ; Abgeordn, Prüfer: Als der in Rede befindliche Gegenstand in der hohen Versanmlung verhandelt wurde, habe auh ih mi ent- schieden dafür erklärt, daß demjenigen, welhem durch Richter und Recht die bürgerlichen Ehrenrechte, wenn auch nur auf Zeit, _ab- erfannt würden, die Wiedererlangung dieser Rechte nicht eher gestat- tet sein sollten, bevor uicht seine Genossen unter besonderer Vermit= telung der Gnade Sr. Majestät des Königs den also Bestrasten für würdig erachtet haben, in die vollen Rechte wieder einzutreten, und daß bis zu diesem Zeitpunkte der Verurtheilte weder an einem Stimm- rechte theilnehmen, noch gewählt werden, noch irgend eine städtische Beamtung antreten könne. Bei dieser Ansicht muß ich auch heute noch verbleiben, und wenn auch der geehrte Abgeordnete aus der Rhein-Provinz, welcher uns diesen Vorschlag gemacht hat, \chon zwei spezielle Rechte von ven allgemeinen Rechten aus\chloß, nämlich das Standschastsöreht und das Recht, an kreisständischen Versammlungen theilzunehmen, welche Rechte nicht wieder von selbst aufleben sollen, so muß ih do der hohen Versammlung zu bedenken geben, daß uns die Chrenhaftigkeit des Gemeinde-Vorstandes im kleinsten Dorfe, die Ehrenhaftigkeit der Stadtverordneten - Versammlung und des Magi- strats in der kleinsten Stadt eben so hoh stehen und eben |o theuer scin muß, als die jeder ständischen Corporation, und daß es im Volke einen sehr üblen Eindruck machen würde, wenn_ diejem Vorschlage nachgegangen werden sollte, weil man von dieser Seite gewissermaßen eine Verleßung daraus entnehmen könnte. Also schon aus diejen Gründen allein würde ich mich gegen den Vorschlag erklären und dessen Annahme nicht räthlich finden; aber auch im Anbelange der Vorsicht scheint mir das Vonselbstaufleben der bezeihneten Rechte nicht gerechtfertigt 2u sein, deun schon das alte Sprüchwort sagt : „Wer einmal lügt, dem glaubt man selten wieder“, und analog ge- traue ih mir damit den Beweis darüber zu führen, daß man immer niht so ganz sicher is, daß derjenige, welcher wegen irgend eines Verbrechens bestraft worden ist, bei seiner Entlassung aus der Stras= Anstalt sich auch wirkli so gebessert habe, daß er dadurch die Be= fähigung erlangen könne, irgendwie in eine Beamtung zu treten. Jedenfalls aber würde es bei den Wählern großes Aufsehen, ja, großen Widerwillen erregen, wenn ein eben gus der Strafanstali Ent-= lassener sofort wieder an jeder Wahl Theil nehmen und am Cnde als Gewählter in den Gemeinden-Vorstand, in die Stadtverordneten- Versammlung, ja, sogar als Mitglied des Magistrates wieder ein- treten könnte. Offenbar gehört eine gewisse Zeit dazu, um sih da= von zu überzeugen, daß der Bestrafte wirklich sich gebessert habe, daß er dadurch die Achtung sciner Mitblirger wieder erworben, und somit Gelegenheit und Veranlassung vorhanden sei, ihn in seine vollen Rechte wieder eintreten zu lassen. Wenn nun namentlich in den früheren Diskussionen. hervorgehoben wurde , daß nach rheinischen Geseßen solche Leute sogar Geschworene sein können und somit über Leben und Tod zu erkennen befugt seien, sto würde ih das mit Beziehung auf das von mir Ausgesprochene als einen Uebelstand betrachten und wünschen, daß demjelben mindestens für unjere preußischen Mitbürger sehr bald begegnet werden möge, weil ich denjenigen bedaure, welcher von einem solchen Richter, d. h. von einem Richter, der nicht malkel= frei i, verurtheilt wird, Unter diesen Umständen bin ih veranlaßt, mich dem Vorschlage des geehrten Abgeordneten aus der Rhein-Pro- vinz und somit der Ansicht der Majorität der Abtheilung entschieden entgegen zu erklären und dabei meinerseits den Antrag zu stellen, daß es bei der Beschlußnahme, welhe man, wenn ih nicht ganz irre, am 29sten v. M. über die Sache faßte, sein Bewenden behalte. h

Abgeordn. von Olfers: Der Redner, welcher so eben vor mir sprach, hat ganz klar die Gründe entwickelt, welhe auh ih vor- bringen wollte, ich will also die verehrte Versammlung nicht damit belästigen. Allein selbs aus dem Antrage des verehrten Abgeordneten aus der Rhein - Provinz geht hervor, daß die Ehrenhasftigkeit des Maunes, der nah abgelaufener Straszeit in den Versammlungen der Gemeinden einen Plaß wieder einnehmen soll, uicht aber in den stän- dischen Versammlungen, cinc angehauchte Ehrenhasftigfeit ist, und so lange sie das is, werden wir gewiß uns selbst nicht verurtheilen, mit dem, den wir deshalb zu ständischen Versammlungen nicht zulassen, in städ- tischen und Gemeinde- Versammlungen zujammen zu sißen. Mir scheint die Sache ganz klar zu sein in Beziehung auf unseren früheren Be- {luß, der also lautet: Es soll beantragt werden, daß nach Ablauf der Zeit, in welcher die Ausübung der bürgerlichen Ehren - Rechte untersagt war, das Wiederanfleben des Rechts der Standschast und der Befähigung zur Theilnahme an Stimm - und Ehren - Rechten in Gemeinden und Corporationen von dem Urtheile der Genossenschaft nah landesherrlicher Bestätigung abhängen soll. E

Dieser Antrag is mit mehr als zwei Dritteln der Stimmen ge-

nehmigt worden.

Dadurch haben wir dem Manne den Weg gezeigt, wie er die Rehabilitation erlangen kann; ihm von vorn herein ein Recht zu

jedoch in diesem Augenblicke noch nicht,

geben, sofort wieder in städtishe und Gemeinde - Versammlungen zu treten, halte ih nicht für passend.

Abgeordn. von Werdeck: Jch glaube, daß die Herren Redner, welche so eben gesprochen haben, sich in einem kleinen Mißverständ=- nisse über den Sinn des Antrags des Abgeordneten der Rhein-Pro= vinz befinden. Jh will mich nicht mehr darauf einlassen, dies hier zu erörtern, viclmehr nur einen Antrag stellin, welcher sich auf die formelle Behandlung der Sache bezieht, zu dessen Begründung ih mir aber erlauben muß, dem Materiellen der Sache etwas näher zu treten. Die Tendenz des zur Berathung gestellten Antrags geht dahin, eine Modification in denjenigen Beschlüssen hervorzurufen, welche bis jeßt über die Ehrenstrafen gefaßt sind. Nach meinem Dafürhalten bedürfen diese allerdings einer Modification; ih würde aber im Augen= blie mich leider in der Lage besinden, mich unbedingt gegen jeden weiter abändernden Beschluß erklären zu müssen, weil ich nämlich glaube, daß dieselben Umstände, welche bis jeßt obgewaltet und ver- hindert haben, zur Klarheit über die Lage der Sache zu gelangen, auch jeßt in diesem Augenblicke noch vorhanden sind. Der Vorschlag, wie er gegenwärtig vorliegt, beabsichtigt, eine wesentlihe Aenderung des bestehenden Rechts, nicht blos des Kriminal-Rechts, sondern au eines bedeutenden Theiles unseres öffentlichen Rechtes hereorzurufen. Fch erlaube mir, daran zu erinnern, daß in unserer Gemeinde-Geseh= gebung sehr bestimmte Vorschriften darüber vorhanden sind, inwiefern ein Gemeindemitglied durh die Bescholtenheit seines Rufes unfähig sei, an den Gemeinde- Versammlungen und Gemeinde -Rechten Theil zu nehmen. Jch will hier niht auf das Detail der Sache eingehen; im Wesentlichen kann ih aber mit Beiseitesebung der sehr speziellen und verwickelten Vorschriften der alten Städte-Ordnung von 1808 es dahin zusammenfassen, daß, wenn die Ehrenrehte aberkannt sind, auch das Bürgerrecht ausgeschlossen ist, ferner, daß eine zweijährige Zuchthausstrafe den Verlust des Bürgerrehts ih bin mir schr wohl bewußt, ih bemerke das hierbei, daß das Bürgerrecht in ge- genwärtigem Sinne nur die politischen Rechte des Bürgerthums unter sich begreift also daß eine zweijsährige Zuchthausstrase die Aus= übung des Bürgerrehts ausschließt, daß ferner die Verurtheilung 1) wegen Diebstahls, 2) wegen qualifizirten Betruges und 3) wegen Meincides ebenfalls die Ausübung des Bürgerrechts ausschließt. Ganz ähnlich steht das Verhältniß in den beiden westlihen Gemeinde= Ordnungen ; wollen wir nun jeßt hier den Beschluß fassen, der in der Art präzisirt würde, wie der geehrte Abgeord- nete für die Rhein - Provinz ANROSERE e so nes E i ieser Bezie odisicationen Yervor , 1 in dieser Beziehung ebenfalls fi ns Blase wir fassen

/ T {5 ie Meineidigen Ur werben in Ansehung, ber Chremredte fir e 'pvhi vente, Und es is vedis G bun Gutachten ver Abtheilung vorgeschlagen , unter ge=

wissen Umständen bei den Dieben Bas. Be ogar A eliteiüee Ehrenrechte cintreten zu lassen, und ich ha E a N N fonsequent, ich bin aber doch auf der anderen Seite sehr zweifelhaft, ob unsere Gemeinden damit einverstanden sein würd en, wenn die po sitiven und speziellen Bestimmungen unjerer Gemeinde-Ordnung indi= rekt auf diese Weise geändert würden. Jh habe indeß noch einen anderen Gesichtspunkt im Auge; ich bin der Ansicht, daß die Vor=- schriften, die wir neulih in Ansehung der Aberkeunung der Chren= rechte für die Hochverräther beschlossen haben, in feiner Weise die Sache vollständig erschöpfen. Der Gesichtspunkt , den ih im Auge habe, is zum Theil bercits früher von dem geehrten Mitgliede der Rhein - Provinz, welches den seßt zu erörternden Voi! schlag gemacht hat, ebenfalls in Anregung gebraht worden ; es ist von ihm darauf

aufmerksam gemacht worden, daß den Personen, die wegen Hochver=- raths verurtheilt worden sind, tiíe politischen Ehrenrechte nicht wieder zugestanden werden fönnen. Jch muß mih mit einem Beispiele deutlich machen. Es ist früherhin wiederholt auf die Zeit von 1807 bis 1813 verwiesen worden, ich eriunere aber daran, daß in dem Jahre 1813 eine Menge der chrenwerthesten Jünglinge und Mäuner auf den Aufruf unseres Königs zu den preußischeu Fahnen eilten uud unter diesen den Feldzug mitmahten. Angenommen, der Feldzug wäre nicht glücflih abgelaufen, die französischen Waffen hätten ge= siegt, so wären diese Kombattauten ich habe vorhin cine Omission begangen, die mir eben einfällt , nämlich ih habe sagen wollen, daß eine große Menge von Leuten gus den über - elbeschen, altpreußischen Provinzen, die damals zu dem Königreich Westfalen gehörten, zu den preußischen Fahnen traten, Wäre also der Feldzug unglücklich ab= gelaufen, so wären unstreitig alle diese Individuen wegen Hochver- raths gegen den westsälischen Staat verurtheilt worden. Jch weiß nicht, welchen weiteren Verlauf die Sache genommen hätte, aber es ist ganz klar, daß, wenn in der Folge diese Judividuen ihre Strafe abgebüßt hätten, der westfälishe Staat niemals in die Lage lommen durfte, diesen Judividuen die vollständigen politischen Rechte wieder zuzugestehen. Wenn ih davon ausgehe, so is es weiter flar, daß wir in unseren Beschlüssen in Ansehung der Hochverräther ncch ge= wisse Modificationen eintreten lassen mühen. “Wenn ich von diesen beiden Standpunkten die Sache ansehe, so bin ih entschieden der Ansicht, daß im Augenblicke der Zeitpunkt noch nicht gekommen is}, wo wir die an sich nothwendigen Modificationen in Ansehung der Beschlüsse übcr §. 20 eintreten lassen können, und ich werde daher in diesem Augenblicke in der Lage sein, mich jeder weiteren Aende= rung derselben zu widerseßen. : L : | Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch möchte die hohe Ver sammlung nicht gern auf die Diskussion zurückführen, die wir 2 Tage lang geführt haben, es sind dabei die Ansichten für und wider aus= getauscht worden, und man is auf dem Wege zu dem Resultate ge- fommen, auf welchem man überhaupt in solchen Berathungen zu Re- sultaten kommen fann, d. h. es ist abgestimmt worden, und wir sind in der Minorität geblieben. Es is durchaus nicht meine Absicht, die Diskussion zu erneuern, nur möchte ich die Bedenken, welche heute gegen L O Borschlag M worden siud, so weit mir ies möglich i u beseitigen versuhen. j p Was Zunächst vie Foemelis Frage betrifft, ob es überhaupt nas an der Zeit sein könne, die Frage jeßt zu erörtern, so L IRIN Abtheilung und, wie ich glaube, mit Recht auf den Standpun t stellen müssen, daß ihr eine Beurtheilung darüber nicht mehr zustehe. Ver Antrag des verehrten Abgeordneten aus der Rhein - Provinz as in der Plenar - Versammlung gemacht, mit der hinzuge n An daß er der Abtheilung zur Prüfung überwiesen werden möch e. Die- ser Antrag fand in der Plenar-Versammlung feinen Widerspruch, es s also die Abtheilung von vörn herein auf den Standpunkt gestellt das Materielle, die Zweckmäßigfkeit diejes Vorschlags zu S üifen, die formelle Frage schien ihr durch Ueberweisung an die Ab- theilung bereits beseitigt zu sein. Was nun das Materielle der Sache betrifft, #0 muß ih die Abtheilung und diejenigen Mitglieder, die bei der vorhergehenden Diskussion in der Minorität geblieben sind, jedenfalls gegen den Vorwurf verwahren, den wir heute gehört haben, als verlangten sie einen geringeren Grad von Ehrenhaftig-

feit für solche Leute, von denen sie früher wünschten, daß sie in stän-