1848 / 50 p. 5 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

E

E:

E

Et

2

Verschiedenheit vorhanden, welche eine gleihe Behandlung der Sahe ausschließt. i

Marschall : Wir kommen zu §. 191. /

Referent Abgeordn. Freiherr s Mylius (liest vor):

119+ .

Js die Verleumdung durch Schrift, Abbildung oder andere Darstellung öffentlich verbreitet worden, so kann die Strafe bis auf zwei Jahre Gefängniß oder Festungshaft erhöht werden.“

Das Gutachten lautet:

M6 194.

Gegen diesen Paragraphen war nichts zu bemerken.“

Marschall: §. 192! : 214

Referent Abgeordn. Freiherr u Mylius (liest vor):

16: 192.

Jst gegen den angeblih Verleumdeten wegen der Thatsachen, durch deren Behauptung oder Verbreitung die Verleumdung began= gen sein soll, ein gerihtlihes Strafverfahren anhängig, so muß bis zu dessen Beendigung das Strafverfahren wegen Verleumdung aus= geseßt werden. ““

Das Gutachten lautet:

¡Zu 6. 192;

Die Bestimmung des §. 192 schien für den Fall, daß überhaupt der Beweis des exceptio veritatis zulässig, für gerechtfertigt.“

Marschall : §. 193.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (liest vor):

6, 493,

Wer durch Rede, Srift, Zeichen, Abbildung oder andere Dar= stellung die Ehre eines Anderen kränkt, ist mit Geldbuße bis zu drei- hundert Thalern oder mit Gefängniß oder Festungshast bis zu sechs Monaten zu bestrafen.“

Das Gutachten lautet :

¿Zu §6: 193 war der Antrag gestellt, eine Ermäßigung der Strafe auf Gefäng=

niß bis zu 6 Wochen oder Geldbuße bis zu 50 Rthlr. in Vorschlag zu bringen.

Die Abtheilung hielt jedoch das Strasmaß für Fälle boshafter und freventliher Verleßung für gerechtfertigt und beschloß mit 8 gegen 6 Stimmen, den Antrag nicht zu befürworten.“

Abgeordn. Camphausen : Hierbei is do, wie mir scheint, leh= haft das Gebrechen zu beanstanden, welhes wir in Bezug auf das Verfahren herbeiführen würden, dadur, daß der Geseß-Entwurf kei- nen Unterschied macht zwischen Jujurien und ganz gewöhnlichen Schimpf- und Schmäh= Reden, die unzählige Male vorkommen und nur einer leihten Ahndung bedürfen. Dadurh werden alle diese Fälle vor die mittleren, die kollegialishen Gerichte in den alten Pro= vinzen, am Rheine vor die Zuchtpolizeigerichte gezogen, und es ist zu befürhten, daß damit ein großer Ueberdrang eintrete, Jch weiß nicht, nachdem die Versammlung beschlossen hat, hinsichtlih der Ver= leumdung das Wort öffentlich zu streihen, ob sie ein Auskunsts= mittel, welches das rheinishe Recht darbietet, annehmen wird, wo- nah nur öffentliche Beleidigungen als {were Jujurien angesehen werden und vor die Zuchtpolizeigerichte gehören, hingegen Beleidi- gungen anderer Art vor die Polizeigerihte. Jch kann zwar nach dem Beschlusse, der heute Morgen gefaßt worden is, einen Antrag nicht stellen, indessen will ih wenigstens nicht unterlassen, auf die Jukon=- venienzen ausmerfsam zu machen, die dieser Artikel künftig mit sich führen wird.

Referent Abgeordn, Frhr. von Mylius: Die Bemerkungen, die hier vorgekommen, sind allerdings richtig; aber nah der Abstimmung, welche stattgehabt hat, glaube ih auch nit in der Lage zu sein, einen Antrag stellen zu können.

Zudem glaube ih, daß die für die Rhein-Provinz bestehenden, niht zu verfenneuden Schwierigkeiten nur dur prozessualische Be= stimmungen zu beseitigen sein werden.

Marschall: Es fragt sich, ob der Vorschlag, der zu machen wäre, die Unterstüßung von § Mitgliedern findet, Vorher müßte er freilih vernommen werden.

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: Der Antrag schien mir darauf gerichtet zu sein, das Wort „öffentlich“ unter den Begriff der Jnjurien aufzunehmen, so daß gewöhnlihe Schimpsworte unter die Polizeivergehen zu verweisen seien. Bloße Schimpfworte können niemals vor die mittleren Gerichte verwiesen werden, während sie nah dieser Bestimmung allerdings zur Kompetenz dieser Gerichte ge- hören würden. Dieses würde die Einführung der Bestimmung ver- hindern. Jh stelle anheim, ob durch eine Erklärung des Gouverne- ments ein Weg angedeutet würde, wie cin geeigneter Ausweg zu finden sei. a :

_Korreferent Abgeordn. Kaumann: Jch muß bemerken, daß der Vorschlag die Berücksichtigung der hohen Versammlung wohl ver= dient, Es liegt nicht blos im Interesse der Rheinprovinz, daß Jn- juriensahen nit vor fkollegialisch formirte Gerichte kommen, son= dern daß sie auch bei uns lediglih von den Polizei - Gerichten abge- urtheilt werden „fönnen. Wenn eine Bestimmung getroffen werden könnte, welche dies vermittelte, so würde es für unser Verfahren von großem Nußen sein.

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius:

ee z Ich glaube, daß der Abgeordnete aus Köln damit einverstanden sein wird, wenn man den Antrag stellt, den Paragraphen hier ganz zu streichen und bei den Polizei-Vergehen einen geeigneten Paragraphen einzuschalten.

Abgeordn. Camphausen: Jh würde dem Antrage nicht bei- treten fönnen und bitte überhaupt- die hohe Versammlung, eingedenk zu sein, daß ih nur deshalb feinen Antrag gestellt habe, weil es mir mit der Rücksicht, welche ich ihr verschulde, nicht vereinbar schien. Ich möchte aber noch mit wenig Worten auf den Unterschied auf- merksam machen, der zwischen dem rheinischen Rechte und dem Ent- wurfe besteht. Zur Jujurie gehört die Oeffentlichkeit und die Be- \huldigung eines bestimmten Fehlers oder Lasters, die Strafe ist eine Geldbuße. Jm Entwurfe is die Oeffentlichkeit nicht Bedingung, auch nicht die Beschuldigung eines bestimmten Fehlers oder Lasters, sondern nur die Kränkung der Ehre, und es tritt Geld - oder Frei- heitsstrafe ein. Es folgt im rheinishen Rechte später unter den Po- lizei-Vergehen die Schmähung, die Schimpfrede und Alles, was nicht Jnjurie im obigen Sinne is. Das ist hier nicht der Fall. Alle Schmähreden gehören künftig vor die mittleren Gerichte.

Justiz - Minister Uhden: Die Regierung wird die Bemerkung ad referendum nehmen und möglichst berüsihtigen.

Abgeordn. Camphausen: Würde vielleicht die Regierung an= gemessen finden, im Laufe der Verhandlungen auf den Gegenstand zurückzukommen ? y

Landtags - Rommissar: Die Regierung hat ein lebhaftes Jn- teresse, das Geseb so einzurihten, daß es sich den rheinishen Ge- richtsformen möglichst anschließe. Wenn nun in der Rhein - Provinz seither zwischen Suation, die von den correctionellen, und solchen, die von den Polizei-Gerichten bestraft werden, unterschieden ist, so halte ih es lief für unmöglich, auch im Geseyße sih jener Unterscheidung anzuschließen, Jch glaube, meine Kollegen werden nichts dagegen haben, wenn wir uns vorbehalten , einen dahin zielenden Vorschlag zu - formiren,

Marschall: Es würde dies im Laufe einer der nächsten Sißun- gen zu erwarten sein,

426 s. 194.

Justiz - Minister von Savigny : erlaube ih mir noch eine Frage. Jch habe es nit so verstanden, daß beantragt würde, §. 19; wegfallen zu lassen. Es war wohl auch die Meinung des Abgeordneten aus der Rhein-Provinz, daß er für schwere Fälle stehen bleiben solle, und ih habe nicht gehört, daß gegen die Strafbestimmung eine Einwendung gemaht worden ist, Es wurde nur gewünscht, eine Absonderung der leihteren Fälle vor= zunehmen mit geringeren Strafen und einem anderen Verfahren. Ist dies die Meinung des Abgeordneten gewesen?

Abgeordn. Camphausen: Ja,

Justiz-Minister von Savigny: Also ist der Paragraph ange= nommen worden, Es würde für die Regierung sclbst bedenklich sein, wenn es uicht geschehen wäre. i

__ Abgeordn. Camphausen: Das, glaube ih, dürfte für die Re- gierung selbst bedenklih sein, weil sie dadurch auf ein Ausgleichungs- mittel im voraus verzichtet hätte.

Marschall: Die Versammlung is nicht davon ausgegangen, daß der Paragraph \o anzunehmen sei, wie er da steht, auch nicht davon, daß er gestrichen, sondern daß vorbehalten werden soll, daß der Versammlung in einer der nächsten Sißungen von der Abthei= lung ein Vorschlag der Regierung vorgelegt werde. §. 194, Referent Abgeordn, Frhr. von Mylius (liest vor) : 6. 494:

Wenn Medizinal-Personen und deren Gehülfen die in Ausübung ihrer Kunst ihnen bekaunt gewordenen persöulichen Verhältnisse unbe- fugterweise offenbaren, so soil diese Handlung als Ehreukränkung be- trachtet und mit Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder mit Ge- fängniß oder Festungshaft bis zu drei Monaten bestraft werden.

Beim Rücfalle ist außerdem auf den immerwährenden oder zei- tigen Verlust der Befugniß zur ferneren Praxis zu erkennen,“

Das Gutachten lautet:

U 6, 194 war der Antrag gestellt, denselben aus dem Geseh ganz wegfallen zu lassen, da Gründe für dessen Aufnahme nicht ersichtlich, indem die allgemeinen Bestimmungen über Ehrenkränkungen vollkommen ausrei- hen würden. Die Abtheilung erkannte jedoh in dem Umstande, daß es si hier um Personen handle, welchen das Publikum ein gewisses Ver= trauen zu ichenken genöthigt sci, einen Grund, welcher eine höhere Strafe rechtfertige, und beschloß mit 7 gegen 6 Stimmen, die Ausf- nahme des Paragraphen in Vorschlag zu bringen.“ Ih werde den Antrag, den ih bereits gestellt habe, den ganzen Paragraphen wegfallen zu lassen, wiederholen, in- dem ih der Meinung bin, daß cin. Grund für dessen Beibehaltung nicht vorliegt. Es ist zu tadeln, daß der Paragraph hinsichtlih der Medizinal -= Personen eine praesumtio doli dahin aufstellt, daß etwas als Ehrenkränkung betrachtet werden müsse, was sehr füglich ohne alle Absicht, die Ehre zu kränken, geschehen sein kann. Das rheinishe Recht, welches hier unbedingt den Vorzug ver- dient, bestraft die Veröffentlichung der anvertrauten Geheimuisse nicht nur hinsichtlich der Aerzte, sondern aller anderen Personen, welchen diese Geheimnisse vermöge ihres Amtes, Standes oder Gewerbes anvertraut worden. Es sind aber nicht nur die Medizinal-Personen, die sich in diesem Verhältniß befinden, sondern auch eine Menge an- derer Personen, wie Advokaten, Notare und namentlich die Geistli- chen. Ju Bezug auf diese Personen gewährt die erwähnte Bestim- mung des Art. 378 des rheinishen Rechts einen Schuß, welchen man bei Aufhebung des Artikels vermissen werde, da diese Bestimmung den Grund abgiebt, daß man von keiner dieser Personen die Mit- theilung von Thatsachen verlangt, welche ihnen im Vertrauen ihres

Standes, z. B. der Geistlichen unter dem Beichtsiegel , anvertraut worden. Würde mein erster Antrag, den Paragraphen wegfallen zu lassen, keine Unterstützung fiuden, so würde ih den zweiten Antrag stellen, daß uicht nur alle Medizinal - Personen, sondern auch alle Personen unter die Strafe und daher auch unter den Schuß des Gesebes gestellt werden, denen fraft ihres Amtes oder Gewerbes oder Standes Geheimnisse anvertraut sind.

Abgeordn, Zimmermann: Dem Vorschlage, daß der Paragraph aus der vorliegeuden Geseß=Vorlage ganz verschwinde, kann ih mich uicht anschließen. Andererseits kaun ih nicht anerkennen , daß der Paragraph hierher unter die Jnjurien gehöre. Entweder liegt in der Verleßung des Geheimnisses eine Jnjurie oder niht. Liegt eine Jnjurie darin, o ist in der allgemeinen Bestimmung über Jujurien das Nôthige vorgesehen, Allerdings is es wünschenswerth, daß die Personen, welche sich dem besonderen Vertrauen des Publikums hin- geben, dasselbe zu bewahren schuldig sind, was vorzugsweise bei den Aerzten der Fall ist, Jh würde daher zunächst darauf antragen, den Paragraphen analog dahin zu verweisen, wo von den besonderen Pflichten der Beamten die Rede is. Dahin gehört er zweckmäßiger, weil, sobald cine Chrenkränkung vorliegt, hon bei den Jujurien das Nöthige hinlänglich vorgesehen is, Aber auch abgesehen davon, sind mehrere Bedenken gegen den Entwurf aufzustellen. Es is gesagt: „Medizinal - Personen und deren Gehülfen ‘““. Nach der gegenwärti- gen Medizinal = Verfassung aber haben die Medizinal - Personen keine Gehülfen, Es fragt sih, wer die genannten Personen sein sollen ; es ist daher eine genauere Fassung nöthig, da z. B. auch Apotheker ähnliche Pflichten haben. Auch durch sie kann ein solches Vergehen begangen werden. Zu allgemein is ferner der Ausdruck: „bekannt gewordenen persönlihen Verhältnisse‘, Dem Arzt werden viele Ver= hältnisse bekannt, wo die Betheiligten gar kein Juteresse an der Ge- heimhaltung haben, Es is daher wünschenöwerth, daß der Ausdruck bestimmter präzisirt werde, da nur von einem anvertrauten Ge- heimuisse die Rede sein kann, Aus diesem Grunde würde ih dar= auf antragen, die besser zu fassende materielle Strafbestimmung da=- hin zu verweisen, wo von dem Vergehen der Beamten die Rede ist.

Abgeordn. RKeumann: Jch schließe mich dem Antrage des Herrn Referenten an, den Paragraphen vollständig zu streichen. Zu- nächst bemerke ih, daß die Fassung, welche das Allgemeine Landrecht gegeben hat, den Vorzug verdient vor der des Entwurfs. Es heißt un §, 505 des Allg. Landrechts Th. 11. Tit. 20:

,Aerzte, Wundärzte und Hebeammen sollen die ihnen bekannt ge- wordenen Gebrehen und Familiengeheimnisse, insofern es ncht Verbrechen sind, bei Vermeidung einer nah den Umständen zu be- stimmenden Geldbuße von fünf bis funfzig Thalern, Niemanden offenbaren. ““

Hier wird aber etwas ganz Anderes zu einem Verbrechen ge- macht, als in dem vorliegenden Entwurfe. Es heißt hier: „wenn Medizinalpersonen und deren Gehülfen (es würde jedenfalls heißen müssen „oder“, sonst mußten sie stets in Gemeinschaft gedacht wer- den) die bei Ausübung ihrer Kunst ihnen bekannt gewordenen per= sönlichen Verhältnisse unbefugter Weise offenbaren,“ O ffenbaren ist hier zunächst ein zweifelhafter Begriff, eben so zweifelhaft erscheint die nähere Bestimmung „unbefugter Weise“, und es is auch bereits erinnert worden, wie arg die Bestimmung ist: „persönliche Verhält- nisse.“ Es handelt si eben niht um Ehrenkränkfungen,, sondern es wird eine gewöhnliche Thatsache zur Ehrenkränkung gemacht oder derselben wenigstens O Lens und ob das Verhältniß der Medi=-

In Beziehung auf §. 4193

zinalpersonen dies gestattet, das würde ih bestreiten müsfen. S Es ist hier nämlich ein solches Verhältniß, das diese exceptio-

| nellen Bestimmungen rechtfertigen könnte, darunt niht vorhanden,

weil der Arzt zunächst als Mann der Wissenschaft, die er zum Besten der leidenden Menschheit anwendet, dasteht; er hat keine Verpflich tung für den Staat, er hat rur seine Qualification prüfen zu lassen und seine Approbation erhalten, weiter bekümmert sich der Stggt nit um ihn und seine Verhältnisse. Nun fragt es sich weiter: wie übt der Arzt seine Kunst aus? Nur ín Beziehung auf diejenigen, die ipm ihr Vertrauen schenken, die seine Hülfe suchen. Welche Veran- lassung kann also für den Staat da sein, hier cine besondere Straf- bestimmung eintreten zu lassen; nach meiner Ansicht gar feine. Es handelt sih hier um feine Beaufsichtigung. Das Allergefährlichste scheint mir aber zu sein, daß der Arzt au noch mit einer Strafe möglicherweise belegt werden fann, welche alle Strafen, die wegen Chrenkränkungen zugefügt werden können, weit hinter sich lassen, Es heißt nämlich am Schluß: „es sei auf den immerwährenden oder zei= tigen Verlust der Befugniß zur ferneren Praxis zu erkennen,“ Nun erlaube ih mir darauf aufmerksam zu machen, welche immense Strafe da eintreten würde für eine möglicherweise blos unbedachtsame Aeuße= rung über persöulihe Verhältnisse. Jch kann daher nur dafür stim= men, den Paragraphen ganz zu streichen, weil, was außervem in die- ser Beziehung erforderli is, schon durch die übrigen Paragraphen seine Erledigung findet. h i

_ Regierungs - Kommissar Bischoff: Ueber die Entstehung dieser Bestimmung ist Folgendes zu bemerken: Jm Wesentlichen is dieselbe, wie auch von einem verehrten Mitgliede erwähnt wurde, im Allge- meinen Laudrechte §. 505 enthalten. Man hat diese Bestimmung nicht aufheben wollen, andererseits aber auch feine Veranlassung ge= habt, ihr eine größere Ausdehnung zu geben, Sonach is im We= sentlihen das Prinzip fo beibehalten, wie es sich im Landrehte vor= findet. Was in Ansehung der Fassung bemerkt is, wird, meines Er= achtens, nicht beweisen, daß man prinzipiell einer anderen Auffassung gefolgt is. Es ist in der heutigen Berathung ein gewisser Werth darauf gelegt worden, daß hier gesagt isl: „persönliche Verhältnisse“. Das Allgemeine Landrecht sagt allerdings, die Aerzte sollten nicht die ibnen bekannt gewordenen Gebrechen und Familien-Geheimuisse offfen= baren, Das Offenbaren von Familien-Geheimnissen hat die Rogie= rung aus dem Paragraphen ausschließen wollen, weil es nicht hier= her gehört, und statt des Wortes „Gebrechen““ is ein anderer Aus=- druck gebraucht worden, nämlich : „persönlihe Verhältnisse“, welcher mit Rücksicht auf den Zusammenhang auch wohl keiner anderen, als der landrechtlihen Deutung fähig i. Hält man dies jedoch für zwei=- felhaft, so steht einer Aenderung der Fassung nichts entgegen. Was das getadelte Wort „offenbaren“ betrifft, so findet sich dasselbe schon im Landrechte, und hat in dieser Hinsicht keine Abänderung stattge= funden. Endlich is erwähnt worden, es gehöre der Paragraph nicht hierher, sondern an einen anderen Ort. Das Allgemeine Landrecht hatte diese Bestimmung in den Titel geseßt, welcher von den Ver- brechen der Beamten handelt; allein Aerzte sind keine Beamten, und deshalb is es niht angemessen, die Bestimmung dort auf zunehmen. Wenn noch im gegenwärtigen Entwurfe ein Tis tel über die Verbrehen der Gewerbtreibenden enthalten würe, wie im Entwurfe von 1843, so könnte man die Vorschrift dorthin seßen, allein dieser Titel ist aus dem neuen Entwurfe ausgeschieden und in der Gewerbe- Ordnung aufgenommen. Aus Veranlassung die- ser Lage der Sache ist man der Meinung gewesen, daß die Bestim- mung sich wohl am besten hierher stellen ließe. Wenn gesagt wird, die Bestimmung sei überhaupt nicht erforderlich, indem sie durch die allgemeinen Bestimmungen über die Ehrenkränkungen ihre Erledigung finde, so muß darauf aufmerksam gemacht werden, daß das vorlie-

gende Vergehen an und für sich niht eine Jujurie 1, sondern ein eigenthümlihes Vergehen, bei welchem der Vorsaß in der Brdeutung, wie er bei der Junjuríe vorausgeseßt wird, nicht vorliegt.

Marschall: Wir wollen zuvörderst ermitteln, ob der Vorschlag des Abgeordueten Zimmermann, die vorliegende Bestimmung in den Titel von den Vergehen der Beamten zu verweisen, die erforderliche Unterstüßung von § Mitgliedern erhält.

Abgeordn. von Brünneck: Jch glaube, der erste Antrag ging dahin, den Paragraphen ganz zu streichen.

Marschall: Ja wohlz es handelt sich jeßt blos um den Vor schlag des Abgeordneten Zimmermann,

: (Dersclbe wird hinreihend unterstüßt.)

Es wird also eventueil auch zur Abstimmung kommen.

Abgeorda. Camphausen: Dem Antrage, den Paragraphen ganz zu streichen, würde ih niht widersprechen, insof:.rn aber auf dicsen Antrag nicht eingegangen werden möchte, will ih deu Weg verfolgen, der von anderen Rednern eingeschlagen worten is, nämlich die Be= denken gegen seinen Juhalt ansühren und die Modificationen bezeih- nen, welche wünschenswerth seinen für den Fall er uicht gestrichen wird. Da is nun bereits hervorgehoben worden, daß die allgemeinen Austiücke „persönlihe Verhältnisse“ und „unbefugterweise“/ ungemein umfassend sind und daß eine Beschräukung in dieser Beziehung erfor= derlih sei, so wie auch der Herr Regierungs = Kommissar angedeutet hat, daß er nicht abgeneigt sei, darauf einzugehen. Wenn vou ihm angeführt wurde, daß der Ausdruck „Familiengebeimnisse“ beschräntt worden sei durch den Ausdruck „persönlih?e Verhältnisse“ so möchte ih dem widersprechen, denn die persönlichen Verhältnisse schließen ohne Frage die Familiengeheimuisse ein, Jedenfalls kann es nicht die Ah sicht des Paragraphen sein, dem Arzte zu verbieten, von (Femanden zu sagen, daß er den Shnupfen habe, oder selbst, daß er eine shroache Brust habez es kayn nur gemeint sein, daß der Arzt nicht offenbaren soll, wovon er sofort we'ß, daß er es nicht offenbaren soll, also das Geheimniß Und es is um so mehr crforderlich, dies bestimmt auszudrücken, als der folgende Ausdruck „unbefugterwcije“ in noch größere Schwierigkeiten führt, und dem Gebiete eine noch größere Ausdrhnung giebt, Es kann schr zweifelhaft fein, was M der Befugniß des Arztes zu verstehen i, Wenn er z- V. H t den Gesundheitszustand eines jungen Mannes von Familie wegen eincs Heirathsprojeftes befragt würde, wäre er befugt, zu jagen, der junge Mann hat die Schwindsucht, oder wäre er verpflichtet, darüber zu s{weigen? Jm ersten Falle kann er vielleicht enua eine Heicath stören, und ih bin niht der Meinung, daß er deshalb auf Schadenersah verklagt werden könne; im anderen Falle De: die Veranlassung sein, daß eine unglückliche Heirath A aoreue fommt, und daß eine fränfliche Nachkommenschaft in fra dis wird; Jch glaube, daß diese Bedenken si erheblich A as B wenn nach dem zweiten Vorschlage des Referenten Hie a A „ihnen bekannt gewordenen persönlichen n nee Bei weise‘’ die Worte geseßt werden: „anvertraute L GaliA . A ann ist das, was man vou dem Arzte fordern Ée Beo A E \hweige, bezeihnet, Erheblicher noch s R q nten E M N zweiten Saß, der auch von dem 2g i E V teA der Mark beanstandet worden is, insofern nämlich N R “eim Me E Strafe des immerwährenden oder zeitweisen Verlustes der Befugniß zur Praxis treffea soll. Zunächst mache i1ch aufmerksam auf das bestehende Recht, welches wir häufig zur Grundlage unserer Argu- mente benußen. Die Gewerbeordnung in §, 173 bestimmt Fol-

gendes : Zweite Beilage

427

Zweite Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

Sonnabend den 19. Febr.

„Gewerbetreibende, welche zum Betriebe ihres Gewerbes einer besonderen polizeilihen Genehmigung (Konzession, Approbation, Be- stallung) bedürfen, fönnen der Befugniß zum selbstständigen Betriebe ihres Gewerbes für immer oder auf Zeit verlustig erklärt werden, wenn sie wegen eines, ihre Beruafspflihten verleßenden Verbrehens zu Zwangsarbeit oder Zuchthausstrafe verurtheilt worden; es muß auf diesen Verlust erfannt werden, wenn gegen sie wegen eines s Verbrehens {hon früher anf Freiheitsstrafe erkannt wor- den ist,“

Es is daraus zu entnehmen, daß, wenn ein Arzt ein Verbrechen begangen hat, welches mit Zwangsarbeit, also der höchsten pein= lichen Freiheitsstrafe, bestraft wird, danu erst gegen ihn erkannt wer= den kann auf zeitigen oder immerwährenden Verlust des Gewerbe- rechts. Weiter lautet §. 173:

„Auch kann auf den Verlust jener Befugniß für immer oder auf Zeit erkannt werden, wenn der Gewerbetreibende wegen eines Verbrechens, durch welches er seine Berufspflichten verleßt hat, zu einer minder s{hweren Freiheitsstrafe, als Zwangsarbeit oder Zucht=- hausstrafe, verurtheilt wird, nahdem {on früher wegen eines solchen Verbrechens auf Freiheitsstrafe gegen ihn erkannt worden ist.“

Es ist also hier bestimmt, daß im Rücfalle der Verlust auf Zeit oder für immer ausgesprochen werden Ffann. Dagegen will aber §. 194, daß beim Rückfall der Verlust der Befugniß ausgesprochen werden soll; es liegt also hierin {on eine erhebliche Schärfung des bestehenden Rehts, Jh bin übrigens der Meinung, daß auch die Gewerbe-Ordnung noch viel zu vershwenderisch mit der Strafe des Verlustes der Gewerbeberechtigung umgehe. Was fann der Grund sein, weshalb der Staat Jemandem die Befugniß, sein Ge- werbe zu treiben, untersagen will? Doch nur die spezielle Natur des Verbrechens und ihr Zusammenhang mit dem Gewerbe. Es muß daraus die Gefahr hervorgehen, daß die Fortseßung des Gewerbes durch den Bestraften der gesellshaftlihen Ordnung Gefahr drohe. Ist dieses Kriterium nicht vorhanden, so is auch die Aberkennung der Befugniß zum Gewerbebetriebe nicht gerechtfertigt, dann ist sie grausam, Meine Herren, Sie haben die Confiscation beinahe eiu=- stimmig abgelehnt, was is aber die Confiëcation gegen den Verlust des Gewerbsbetriebs? Einem Arzte, der lange Zeit und viele Arbeit aufwandte, um die ihm erforderlihen Kenntnisse zu sammeln, leistet die Gesellschaft ungemein wenig dagegen, sie sagt Jhm blos: Fa, du bist fähig, nun gehe hin und arbeite, Sie giebt ihm kein Gehalt, und ih frage, wie viele Aerzte werden wir im Staate haben, denen die Wann des Vermögens unendlih lieber wäre als der Ver= lust des Rechtes, ihr Gewerbe zu treiben ?

(Heiterkeit) Wenn nun ein dem §, 194 verfallender Arzt arm an Vermögen und reih an Familie ist, würde es eine grausame Härte sein, ihm die Möglichkeit, diese und si selbst zu ernähren, abzuschneiden, nahdem er die beste Zeit seines Lebens verbrauht hat, um \\{ch zu seinem Berufe vorzubereiten und nachdem er nicht mehr in der Lage is, die= selben Kosten noch einmal gufzuwenden, um ein anderes Fach zu ergreifen,

(Bravo!) Aber ih behaupte auch, daß die Bestimmung ih durchaus nicht in dem Sinne rechtfertigen lasse, daß durch die Fortseßung des Gewerbs - betriebs der gesellschaftlihen Ordnung irgend eine Gefahr drohe, Cs fann nur zweierlei eintreten: Entweder verliert der bestrafte Arzt das Vertrauen des Publikums nicht, dann sehe ih nicht ein, weshalb vielen und zahlreichen Familien, die vielleicht lange Zeit an ihn ge= wöhnt waren und Zutrauen zu ihm haben, verboten werden soll, ihn auch künftig zu benußen; oder er verliert das Vertrauen, daun is geschehen, was das Geseß will. Jch glaube, daß dies namentlich ein Fall ist, wo die: Bevormundung der Gesellshaft zu weit geht; ih glaube, man könnte es füglih der Gesellschaft allein überlassen, zu entscheiden, welche Aerzte, insofern sie überhaupt fähig sind, ste gebrauchen will, Man hört häufig von Spöttern, namentli so lange sie gesund sind, behaupten, der Arzt könne nicht helfen wenn die Natur nicht selbst helfe. Diese Behauptung möchte ih in dem gegenwärtigen Falle zu Gunsten der Aerzte anwenden. Jch bin der Ansicht, meine Herren, die Natur hilft sh hier selbst, Die noth= wendigste Eigenschaft eines Arztes ist, daß er uicht {hwaße ; ein {waßhaster Arzt wird nie eine große Kundschast erlangen. Jch bin dafür, daß, sollte die Versammlung den Paragraphen annehmen, in dem ersten Absahe desselben geseßt werde: „ihnen anvertrauten Ge- heimnissen‘“ und daß der zweite Absaß gestrihen werde, : (Ruf zur Abstimmung.)

Abgeordn, von Auerswald: Für den Fall, daß der ursprüng= lihe Antrag auf Streichung des Paragraphen nicht durchgehen sollte, habe ich nichts dagegen, mich dem Antrage anzuschließen, muß mir aber doch noch ein Paar Worte für die Streichung gestatten, Es ist unbestreitbar, daß die Jndiscretion und Schwahhaftigkeit an einem Arzte ein großes Uebel sein kann, aber für eine solhe Untugend und eine Untugend is es doch nur selbst wenn dieselbe nachtbei= lige Folgen für Andere mit sich führt, kann man doch unmöglich einen Menschen unter Ausnahme=Geseße stellen z dies geschieht jedoch, wenn wir den Paragraphen nur für den vorliegenden Fall und nicht auhch für andere Personen annehmen, die sich, wie {hon erwähnt, in ganz ähnlichen Verhältnissen befinden, unter ein Ausnahme-Geseß, welches bisher nicht bestanden hat. Jch kann nämlich dem Herrn Ministerial- Kommissar darin nicht Recht geben, daß im Wesontlichen das be- stehende Recht hiermit wiedergegeben sei, ih finde vielmehr ein ganz verändertes Prinzip wieder, und sehe diese Veränderung des Prinzips in der großen Ausdehnung der Strafbarkeit. Jm Allgem, Landrechte sind nur wenige spezielle Fälle aufgeführt, hier aber is das Wort: persönlihe Verhältnisse ganz im Allgemeinen gebraucht. Daher trage ih wiederholt auf gänzliche Streichung des Paragraphen anz sollte sie aber nicht beliebt werden, so muß ich wenigstens für die von dem Abgeordneten aus Köln beantragte Streichung des lebten Saßes noch einen Umstand anführen. Wir haben bei §. 135. Bedenken getragen, dem Arzte die Praxis zu entziehen, wegen eines Verbrechens, was er in seiner Eigenschaft als Arzt und als Beamter begeht, indem er der Behörde gegenüber falshe Zeugnisse ausstellt, Wir haben uns damit begnügt, ihm die Befugniß der Ausstellung von Attestaten zu neh= men, haben ihn aber der Praxis nicht berauben wollea. Wie sollen wir nun dazu kommen, wegen einer Verleßung von Privatpersonen, welche niht einmal in Ausübung des Amts und der Praxis, sondern nur bei Gelegenheit derselben erfolgt, ihm dieselbe zu nehmen, wo wir es wegen einer Verleßung der Rechte des Staates nicht gethan haben, mit welher überdies eine Verleßung von Privaten gewöhnlich auch verbunden is. Wie kommen wir nun dazu, ihn hier so hart zu strafen, wo außerdem nicht von einem Verbrechen, sondern nur von einer unvorsihtigen und abgeschmadckten Handlung die Rede is ,. die allerdings auch nachtheilige Folgen haben kann? Jh s\prehe mich also auh aus diesen Gründen für Streichung des zweiten Absatzes 9us, und trete, sollte der Streichung des ganzen Paragraphen nicht

stattgegeben werden, den von dem Abgeordneten Camphausen bean- tragten DONDERREN bei.

Marschall : Es fragt sich, ob noch etwas zu bemerken is ?

(Nein, Nein.) Da dies nicht der Fall ist, so können wir die Abstimmung vorneh- men. Die Frage lautet : Soll auf Wegfall des §. 194 angetragen werden? Und die, welhe auf Wegfall des §, 194 antragen, werden dies durch Aufstehen zu erkennen geben. N

(Es erhebt stch eine große Anzahl Mitglieder.)

Es scheint sich feine Majorität dafür ausgesprochen zu haben, ih bitte aber, die Zählung vorzunehmen.

(Dies geschieht.) Mit Ja haben gestimmt 44, Mit Nein haben gestimmt 50; und es ist nun die nächste Frage auf den Vorschlag zu stellen .…. __ Abgeordn, Graf von Schwerin: Gegen diesen Vorschlag muß ih mir noch eine Bemerkung zu machen erlauben. __ Justiz-Minister von Savigny: Aus der Diskussion entnehme ih, daß der Hauptanstoß. gesunden worden is bei dem zweiten Alinea ; es würde aber der Zweck des Paragraphen nicht versehrt werden, wenn das zweite Alinea auch wegfiele. Der Anstoß is gefunden worden an dem allerdings etwas abstrakten Ausdrude: „persönlihe Verhältnisse“, und wenn dafür ein anderer, s{üßenderer Ausdruck gefunden würde, so hâtte ih nichts dagegen einzuwenden, Der Ausdruck „anvertraute Geheimnisse“ scheint {hon viel besser gewählt,

A Ja! ja!) und ih bitte, dies als Fassungsbemerkung zu Protokoll zu nehmen.

Marschall : Es scheint kaum eine Veranlassung zur Abstimmung vorzuliegen, da seitens der Regierung erklärt worden is, daß sie nichts dagegen zu erinnern habe, daß der leßte Sah des Paragra= phen in Wegfall komme, und daß ferner die Worte: „anvertraute Geheimnisse“ in den ersten Satz aufgenommen werden, Also ist faum eine Abstimmung erforderlich.

__ Abgeordn. Zimmermann : Jch halte meine Bedenken im Wesent- lihsten für beseitigt,

Abgeordn. Graf von Schwerin; Jh acceptire bestens das Zugeständniß der Regierung, Doch lege ih Werth auf den Antrag des Abgeordneten Zimmermann, daß der Paragraph nicht unter den Titel: von den Verleßungen der Ehre, sondern unter den Titel: von den Vergehen der Beamten gebraht werde, weil der Arzt in diesem Falle nicht animo injuriandi handelt, sondern int der Eigen- schaft eines Beamten Mißbrauch des Vertrauens sich zu Schulden kommen läßt und darum besonders strafbar is, Der Herr Regie- rungs - Kommissar hat zwar gesagt, der Arzt sei kein Beamter, das ist richtig, aber er is doch vom Staate angestellt, der Staat hat ihn examiniren lassen, er giebt ihm das Recht zur Ausübung der Praxis, er nimmt ihm einen Eid ab und ‘alfo begeht der Arzt einen Mißbrauch des amtlichen Vertrauens, Darum is es wesentlih und wichtig, daß der Paragraph hier wegkomme und unter den er= wähnten Titel verseßt werde.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius : Wenn ih den Herrn Minister der Geseßgebung ret verstanden habe, so würde er sich mit der Fassung einxerstehen, welhe ih vorgeschlagen hatte, wenigstens in einer Beziehung. Es- lautet die von mir vorgeschlagene Fassung dahin :

,„Medizinal-Personen oder deren Gehülfen, sowie alle Personen, welhe Geheimnisse veröffentlihen, die ihnen fraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes anvertraut worden sind, werden mit Geldbuße bis zu 200 Thalern oder mit Gefängniß oder Festungs=- haft bis zu drei Monaten bestraft.“ Dann würde ih nihts dagegen zu erinnern haben. Wenn nach der Bemerkung des Vorsißenden der Abtheilung zufällig diese Vergehen unter die Verbrehen der Beamten kommen, so muß ih doch noch einmal darauf zurückfommen. Jch halte von mir vorgeschlagene Ausdehnung sowohl bezüglih der Geistlichen, als auch der Advo= katen und aller ihnen gleihgestellter, für einen nothwendigen Schub. Für die Geistlichen is der Art, 387 bis jeßt der einzige Schuß, daß man ihnen die Verleßung des Beichtgeheimnisses nie hat zumuthen dürfen, indem ihnen immer gestattet i, bei jedem derartigen Ansinne zu sagen: „Es ist bei uns ein Geheimniß niedergelegt worden und es ist nicht statthaft, daß eine Verleßung derselben von uns gefordert wird. Wird aber Art. 378 aufgehoben und nichts an seine Stelle gesebt, so werden sie, sowie alle, welhe sich mit ihnen in ähnlicher Lage befinden, offenbar \{chlechter gestellt, als bisher, und ih stelle deshalb die Ausdehnung des Gesehes nah meinem Vorschlage anheim.

Justiz - Minister von Savigny: Jch habe mit Vorbehalt einer vorsichtigen Fassung nihts dagegen einzuwenden, und es würde also im Wesentlihen der Jnhalt von Artikel 378 der rheinishen Geseß= gebung hier Plaß zu greifen haben,

Abgeordn. Graf von Galen: Jh glaube, bemerken zu müssen, daß unsere Kirche nicht allein aufgenommen if, sondern in allen Lan= destheilen von jeher bestanden hat. Wo sie besteht, hat Verleßung des Geheimnisses im Sakramente der Beichte nie stattfinden dürfen und nie stattgefunden, Ein Schuß für dieses Geheimniß gehört da=- her nicht hierher, nit in das uns vorliegende Strafrecht,

Fürst Wilhelm Radziwill: Es sind mir auch praktishe Fülle bekannt geworden, wo Richter-Kollegien aus irriger Ansicht über die Stellung der katholishen Geistlihen der Bewahrung des Beicht= geheimnisses sch entgegengestellt hatten, daß also ähnliche Bestim- mungen, wie die von der Ministerbank versprochene neue Fassung des Paragraphen, namentlich für die Provinzen, wo die Stellung der fatholischen Geistlihen niht so bekannt is, wie in den katholischen Provinzen, wünschenswerth, ja sogar nöthig wäre.

Abgeord. Camphausen : Jch würde doch wünschen, hinsichtlich der Abstimmung die Reihefolge beizubehalten, in welcher die Vor= schläge eingelaufen sind, Wir haben zuvörderst den Paragraphen zu streichen beantragt, das is nicht geschehen; dann is ein anderer An= trag wegen Erseßung der Worte „persönliche Verhältnisse“ durch die Worte: „anvertraute Geheimnisse“ durch Einver= ständniß der Regierung erledigt worden, Es würde also nunmehr der andere Vorschlag zu erledigen sein, daß nämlich niht auf den Verlust des Gewerbsbetriebes erkannt werden fönnez; sodann kömmt noch der neue Zusaß des Referenten.

Marschall: Blos der lebte Vorschlag liegt noch vor, und dann der Antrag, den Paragraphen in den Titel über die Vergehen der Beamten zu verweisen, Jch habe nämlih aus dem Antrage des Abgeordneten Zimmermann zu entnehmen gehabt, daß dieser Para= graph, nachdem er die vorgeschlagene Fassung erhalten haben wird, unter den Titel über die Vergehen der Beamten verwiesen werden Ste Auch habe ih zu erklären, daß seitens der Regierung die Zustimmung erfolgt ist, niht nur die Worte ee persönlichen Verhält- nisse“ in „anvertraute Geheimnissé““ zu verändern, sondern auch den zweiten Saß des Paragraphen wegfallen zu lassen,

Justiz - Minister von Savignv: Jh erlaube mir nur die Be-

merkung, daß, wenn der Paragraph die vorgeschlagene erweiterte Fassung bekömmt, und dadurch eine Annäherung an den Artikel 378 des rheinishen Strafrechts erfolgen soll, es mir viel bedenklicher er=- sheint, den Paragraphen in den Titel der Vergehen der Beamten zu seßen; denn es kommen dann Personen darunter vor, bei denen Nie- mand daran denkt, sie als Beamte anzusehen, wie z. B. Hebammen.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch sehe keine rechte Veran= lassung, von den Medizinal- Beamten auf katholishe Geistlihe zu fommen und darüber zu disfutiren, daher ih wünschte, daß wir bei dem Berathungsgegenstand verblieben.

Referent Abgeordn, Freiherr von Mylius: Zu meiner Bemer-= fung habe ih mi eben so berechtigt wie verpflichtet gehalten, weil durd) die Aufnahme des Paragraphen, wie er im Entwurfe steht, die Stellung ganzer Stände bedeutend verschlimmert werden würde.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch habe dem Herrn Refe- renten niht einen Vorwurf machen wollen, Jh glaube nur, es sei zweckmäßiger, uns rein auf den Gegenstand zu beschränken, der uns vorliegt, also rein auf die Medizinal-Beamten, und nicht hier bei= läufig wesentlihe und tiefgreifende Prinzipienfragen der Kirche zur Erledigung bringen zu wollen.

Marschall: Verzichten Sie auf den Antrag?

Referent Abgeordn, Freiherr von Mylius : Nein, ih verzichte niht darauf, sondern wünsche, daß mein Vorschlag zur Abstimmung fomme, welcher so lautet :

„„Medizinal - Personen oder deren Gehülfen, sowie alle Personen, welhe Geheimnisse veröffentlichen, die ihnen fraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes anvertraut worden sind, werden mit Geldbuße bis zu 200 Thalern oder mit Gefängniß oder Festungs- haft bis zu drei Monaten bestraft,“

Justiz-Minister von Savigny : Das is der wesentlihe Jnhalt des Artikels 378 des rheinishen Strafgeseßes, und ih habe mi bereits bereit erklärt, eine solche Fassung anzunehmen.

Abgeordn. Steinbeck: Ganz kurz in Bezug auf das, was der geehrte Herr Direktor der Abtheilung berührt, bemerke ih, daß es sich eigentlich weder um Geistlihe noch um Medizinal - Personen speziell, sondern um etwas Prinzipielles handeln soll. Dies ist, was der Herr Referent ausgesprohen hat und dadurh den Plat rechtfertigt, den der Paragraph hier einnimmt; denn eben nur das Prinzipielle is es, was den Paragraphen in die Kategorie der Ehrenkränkungen verseßt. Ob sich das auf das Beichtgeheimniß oder auf andere amtliche Geheimnisse bezieht, is gleihgültig. Es is aber auch angemessen, den Paragraphen hier aufzunehmen, weil ohnedies in dem XXVI, Titel des Entwurfs sonst eine Menge von speziellen Verhältnissen erörtert werden müßten, die bis jeßt dort nicht berührt sind, und doch prinzipiell abgemacht werden müßten. Mit Freuden isstt daher anzuerkennen, daß von dem Gouvernement die generelle Bestimmung des §. 378 in dem Code pénal hier aufzunehmen, und so auch den Aerzten die ihre Stellung würdigende Rücksicht dadurch von selbs zu Theil werden wird,

Marschall : Es is also nur noch Veranlassung da, zu fragen, ob beantragt werden soll, den Paragraphen in der Fassung, die er den gemachten Aeußerungen nach bekommen wird, in den Titel über die Vergehen der Beamten zu verweisen, und es ist nur noch zu erinnern, daß keine Veranlassung zur Fragestellung über den Antrag des Re- ferenten mehr vorhanden is, da die Regierung erklärt hat, daß bei der Fassung des Paragraphen dieser Vorschlag berücksihtigt werden würde. Die Frage heißt also blos, ob die Versammlung beantrage, daß der Paragraph, wie er gefaßt werden wird, in den Titel über die Vergehen der Beamten verwiesen werde,

Korreferent Abgeordn. Naumann: Es kann nicht die Absicht sein, diesen Paragraphen in den Titel von den Vergehen der Beam= ten zu verweisen, sondern es fann nur das die Absicht sein, ihn niht da zu lassen, wo er stffch jebt befindet, nämlih niht in dem Titel der Chrenkränkungen, Das is die ganze Absicht.

Marschall: Meine Sache ist es niht, Vorschläge, die hier ge= macht werden, zu amendiren. ,

Abgeordn. Zimmermann: Jh habe wiederholt zu erklären, daß, nahdem die Erläuterung von der Ministerbank gemacht worden ist, wie wir sie gehört haben, ich keine Veranlassung mehr zu einem speziellen Antrage habe. :

Justiz - Minister von Savigny: Jch muß nur die Befürchtung aussprehen, daß, wenn der. Paragraph hier niht stehen bleiben sollte, und er auch nicht unter den Titel von Vergehen der Beamten Pl16 findet, er überhaupt keinen Plaß finden wird,

(Heiterkeit)

Abgeordn. Graf von Schwerin: Wenn es rihtig wäre, daß der Paragraph, wenn er in dem Titel über die Vergehen der Beam- ten nicht Plaß finden kann, hier stehen müßte, so möchte er aller- dings hier stehen bleiben; aber es bleibt doh richtig, daß er hierher eigentlih niht gehört, weil er niht von einem Vergehen mit dem animus injuriandi, sondern von dem Mißbrauch des öffentlichen Vertrauens handelt, und daher möge er an die Stelle gebraht wer= den, wodur dies klarer hervortritt, Jndessen will ih auf eine Frage in dieser Beziehung Verzicht leisten. E

Marschall: Wir kommen zu §. 195.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (liest vor):

489+. 190.

Wer durch Thätlichkeiten gegen die Person die Ehre eines An= deren kränkt, is mit Gefängniß nicht unter acht Tagen oder mit Gestungshaft oder Strafarbeit bis zu drei Jahren zu bestrafen.

Unter mildernden Umständen kann anstatt der Freiheitsstrafe auf Geldbuße bis zu fünfhundert Thalern erkannt werden, Diese Ermä= ßigung der Strafe bleibt aber ausgeschlossen, wenn das Verbrechen gegen leiblihe Verwandte in Je Linie begangen wird,“

au 6. 195,

Der §. 195 stellt den Begriff der Realinjurie auf.

Es wurde die Ansicht ausgesprochen, daß es in hohem Grade wünschenswerth erscheine, Realinjurien als besondere Vergehen ganz aus dem Gesebbuche fortzulassen, und somit einen großen und wesent- lien Schritt zur Vereinfahung der dur die Auffassung des All- gemeinen Landrechts so verwickelten Lehre von den Verleßungen der Ehre zu thun. E

Zur Begründung dieser Ansicht wurde auszuführen versucht :

Jn dem Wesen der Sache sei der Begriff einer thätlihen Ehren kränkung keinesweges gegründet, indem die verübte Thätlichkeit nah ihrer äußeren Erscheinung stch immer nur als ein Angriff auf die Persönlichkeit , als die Mißhandlung cines Dritten gestalten werde. Die Gesebgebung komme zu diesem Begriffe auf einem Umwege, ine dem sie zu der äußeren Erscheinung noch ein Anderes hinzufüge, den in dem Willen des Handelnden liegenden Animus injuriandi, die Absicht zu beshimpfen. Das Einschlagen eines solhen Umweges se aber unrichtig, deun nah allgemein anerkannten Grundsäßen könne die Absicht nur insofern in Betracht kommen, als sie einen Erfolg ehabt. Die Absicht zu beshimpfen habe hier nur den Erfolg der örperlichen Mißhandlung, die Strafe der leßteren \chließe daher -die