1848 / 55 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

13 in der bestehenden Geseßgebung der Fall war, und es wird Ge=- e ul der A Erörterung sein, inwiefern diese, Erhöhung ge= rechtfertigt is. Hier aber handelt es si zunächst nur um die Ver- brechen wider die Person, wider Leben und Gesundheit, und da ist es ohne Schwierigkeit nachzuweisen, daß die Bestimmungen des Ent- wurfs, welche sich auf diese Kategorie beziehen, in Ansehung der im Affekt begangenen Rechtsverleßungen sehr mild sind, bei weitem milder, als das Allgemeine Landrecht und das rheinishe Strafgesebh- buch. Läßt man die Bestimmung über den Mord auf sih beruhen, guf welches Verbrechen si der gechrte Redner meines Wissens auch nit bezogen hat, so ist beim Todtschlag zu bemerken, daß es nur mit Freiheitsstrafe belegt ist, welche im Minimum bis zu 10 ‘Jahren herabsinkt. Dagegen ist dieses Verbrechen im Landrecht mit der To- desstrafe und im rheinischen Strafgesebbuh mit lebenswieriger Frei- heitsstrafe bedroht. Der Entwurf geht noch weiter. Nachdem er im §6. 222 die Regel aufgestellt hat, giebt er im §. 224 zu erkennen, daß, wenn der Todtshlag provozirt worden is, eine mildere Strafe eintreten soll. Für diesen Fall des geretfertigten Affekts sinkt die Strafe bis zum Minimum von 2 Jahren Gefängniß herab. Was die Töd- tung durch vorsäßlihe Körperverlegung betrifft, so ist dieselbe im §. 227 mit 5- bis jähriger Strafarbeit bedroht, und im §. 229 für den Fall der Provocation eine Strafe festgeseßt, welche bis auf 6 Monate Ge-

fängniß herabsinkt. Jn Ansehung des Kindermordes, wo das Land- recht und das rheinishe Strafgeseßbbuh die Todesstrafe androht, ist nur zeitige Freiheitsstrafe festgeseßt. Nach denselben Prinzipien sind die Strafen der Körperverleßuug ermessen, indem bei der {weren Körperverleßung nah §. 238 das Minimum nur ein Jahr Strafar- beit is und nah §. 240, im Falle der Provocatjon, unter Umständen in einmonatlicher Gefängnißstrafe besteht; bei der leiten Körperver- lebung und der Körperverleßung aus Fahrlässigkeit ist überhaupt kein Minimum bestimmt. :

Aus allem diesen ergiebt si, daß man bei Abfassung des Ent- wurfs von so milden Prinzipien ausgegangen ist, daß wohl in dieser Hinsicht die äußerste Gränze erreicht ist. L

Was nun den Schlußantrag des geehrten Redners betrifft , daß niemals eine höhere, als 10jährige ¿Freiheit strafe verhängt werden solle, so glaube ih, daß über diesen Gegenstand bereits im allgemei- nen Theil dur die hohe Versammlung Beschluß gefaßt worden ist, indem dort neben der lebenswierigen Freiheitsstrafe das höchste Maß der zeitigen Freiheitsstrafe auf die Dauer von 20 Jahren bestimmt worden ist.

Abgeordn. von Auerswald: Junsofern es die Absicht des ver= ehrten Redners aus Schlesien war, darauf aufmerksam zu machen, daß wir nicht glauben möchten, der Humanität unbedingt zu huld

en, wenn wir mit Beseitigung anderer Strafarten an Freiheits- firafen festhalten und dabei zu höherem Strafmaße übergehen, und daß wir uns das Ernste und oft Furchtbare der Freiheitsstrafe verge- genwärtigen möchten, so muß ih ihm vollkommen beitreten und fann nur wünschen, daß es ihm gelungen sein möchte, die Aufmerksamkeit der Versammlung diesem Umstande zuzuwenden. Eines aber muß ih hinzufügen. Von allen Gründen, welche der Reduer ausgeführt hat,

aben mich diejenigen am wenigsten befriedigt, welhe er dasür an-

bete, daß er erst in diesem Stadium der Berathung seine Ansicht mit solcher Energie, mit so viel Scharfsinn, mit so viel Gründlichkeit vorgetragen hat, und je mehr Werth ih auch auf seine hier ausge- \prochene Ansicht im Allgemeinen und in vielen Einzelnheiten lege, um so mehr muß ich es ihm doch zum ernsten Vorwurf machen, daß er qus Rüdssichten, die er angeführt und die ih nicht anerkennen kann, uns seine volle Ueberzeugung, seine entschiedene Ansicht bis hierher vorenthalten hat. j j : Abgeordn. Graf von Renard: Da mir unmittelbar ein Vor= wurf gemacht worden ist, so glaube ich mir eine Berichtigung shul- dig zu sein. Daß ich früher geshwiegen habe, geshah aus den Gründen, welche ih bereits entwickelt habe, Es waren Nüßlichkeits= Gründe überwiegend. Sie rechtfertigen mi, sie entschuldigen mi. Um diesem Vorwurfe zu entgehen, stellte ih alle diese Momente vor= eg auf. M Attrschau: Wir wollen nun ermitteln, ob der Vorschlag des Grafen von Renard, das Maximum der Freiheitsstrafe auf 10 Jahre festzuseben, die erforderlihe Unterstüßung findet. l Abgeordn. Graf von Renard: Jh habe von mehreren Mit- liedern gehört, daß es niht mehr angeht, weil wir Freiheitsstra- bn über 10 Jahre bereits festgeseßt haben, Jh berufe mich auf das Wort des Herrn Kommissars, welcher ausgesprochen hat, daß wir der Konsequenz nicht so weit huldigen müßten, daß, wenn si

nachträglich überwiegende Gründe fänden, wir nicht von unseren frü- heren Beschlüssen abgehen dürften, Jch berufe mih darauf. Wenn

ih es für möglich halte, mit milderen Strafen durchzukommen, o will ih mich lieber einer Jukonsequenz, als einer Unmenschlichkeit shuldig machen E

Abgeordn. Siegfried: Jch halte dafür, daß die Versammlung sich augenblilih im Zweifil darüber befindet, ob diese Frage noch gestellt werden darf, nahdem so viele Beschlüsse gefaßt sind, in wel- chen über zehn Jahre greiheitsstrafe eintreten soll, Die Versamm-= lung befindet sich in der shwierigen Lage, daß sie im Augenbli nicht übersehen fann, welchen Einfluß die Entscheidung der vorge= legten Frage auf die früher gefaßten Beschlüsse haben wird. Erst wenn ih dieses übersehen fann, werde ih zum Entschluß über diese Frage fommen fönunen. Jh würde geneigt sein, den Autrag zu un=- terstüßen, jeßt fann ih. es abec nicht, weil ih befürchten muß, daß ein Mißverhältniß in die früheren Beschlüsse komme.

Abgeordn. Graf von Renard: Jh habe nicht darauf ange- tragen, daß wir die bisherigen Strafaormen sofort ändern sollen, sondern ich habe nur darauf angetragen, daß wir von uun an mil- dere Strafen festseßpen. Wenn wir diesen Weg verfolgen, \o wird sich uns vielleicht die Nothwendigkeit aufdringen, die früher ausge- sprochenen harten Strafen einer abermaligen Prüfung zu unter= iehen. n Korreferent Abgeordn. Vaumann: Allerdings muß die Ver« sammlung, wenn sie dem Vorschlage des Abgeordneten aus Schlesien beistimmen sollte, dur einen solchen Beschluß mit den früher gefaß- ten Beschlüssen in Widerspruch treten; dessenungeahtet halte ich das, was das verehrte Mitglied ausgeführt hat, jeden Augenblick an

seiner Stelle und jeden Augenblick von der Art, daß es beherzigt Es is aber eine andere Frage, als die, welche er außerdem zur Sprache gebracht hat ob man nie über cine zehnjäh- L a L | Beantwortung dieser Frage is, meines Erachtens, mcht eine noth= wendige Folge der Deductionen, die das geehrte Mitglied vorgetra- gen hat, aber sie werden in vielen Fällen maßgebend sein, in wel- hen es sich davon handelt, ob eine lange oder furze Strafe für an- Jch würde bitten, daß des Herrn die Diskussion zu= ließen, da sie einmal durch das geehrte Mitglied angeregt wor-

arschall: Jch habe die Frage noch nicht zur Abstimmung ge- stellt, sondern nur darauf, ob der Vorschlag Unterstüßung findet, und i ch zu erwähnen, daß, wenn man auch einen prinzipiellen Widerspruch gegen frühere Abstimmungen -finden möchte, doch ein Widerspruch darum nicht gerade zu bestehen scheint, weil

werden möge.

rige Dauer der Freiheitsstrafe hineusgehen solle.

emessen erachtet wird oder nicht, arschalls Durchlaucht über diese Frage noch

den i

da is no

form

476

der Abgeordnete Graf von Renard, wenn ih ihn ret verstanden habe, nit darauf angetragen hat, Abstimmungen, die früher vorge- fommen sind, zu alteriren, sondern sein Antrag ging nur dahin, in g. 223 feine höhere als zehnjährige Freiheitsstrafe eintreten zu D 4 fragt sih, ob ih darin den Abgeordneten richtig ver- anden habe.

Abgeordn. Graf von Renard: Jh habe mich bei §. 223 er- hoben, weil es der erste Paragraph des vorliegenden Titels ist, wel- her von der lebenswierigen Strafdauer spricht; die Ansicht, die ih aufgestellt habe, erstreck si auf alle fommenden Paragraphen, welche | diese Härte in sih tragen. : |

Marschall : Aber nicht auf alle dagewesenen?

Abgeordn. Graf von Renard: Wo möglich auch auf alle da- gewesenen.

Marschall: Es scheint mir aber nothwendig, hier scharf zu unterscheiden. cio Minister von Savigny: Jch fann den Vorschlag des eehrten Mitgliedes aus Schlesien nur so auffassen, daß darin eine Aufforderung an die hohe Versammlung liegen soll, vou jept an in der Prüfung der Paragraphen, worin überhaupt Freiheits\trafen an- gedroht sind, außerordentlich vorsichtig zu verfahren und darin durch- aus nicht weiter zu gehen, als durchaus nothwendig sei, So ver- standen, ist wesentli gegen den Antrag nichts einzuwenden, Wenn ¡ih ihn anders. verstehen. ollte, nämlich so, daß jeßt der Beschluß | gefaßt werden“ möge, überhaupt Freiheitsstrafen nie über 10 Jahre eintreten zu lassen oder wenigstens niht in dem Theile des Entwurfs, welcher uoch vorliegt, keine höhere Freiheitsstrafe eintreten zu lassen, so könnte ih durchaus nicht beistimmen, und zar nicht blos, weil schon entschieden entgegengeseßte Beschlüsse gefaßt worden sind, sowohl im allgemeinen Theile, als au für einzelne Verbrechen, sondern weil überhaupt eine so abstraïte Abstimmung, ein so abstrakter Beschluß, ohne Berücksichtigung der einzelnen Fälle, worauf er angewendet wer- den soll, mir im höchsten Grade gefährlih scheinen würde. Marschall: Wenn ih mi in die Lage der Mitglieder der Ver- sammlung denke, so glaube ih auch, daß sie wohl nicht leiht daran gehen werden, jeßt durch einen vorläufigen Beschluß für künftige Fälle sich zu binden; es is aber immer noch zweckmäßig, daß der Ab=- geordnete Graf Renard sih bestimmter eutsheide, ob er beantragen wolle, daß die Abstimmung sih nur richte auf den Fall des vorlie- genden Paragraphen. Dies zu ermitteln, daran habe ih besouders jeßt ein Jnteresse, um die Frage, „ob der Antrag Unterstüßung findet ‘“, in bestimmter Weise stellen zu können. - (Nah einer Pause, ohne daß der Abgeordn, Graf Renard sih erklärt :) Es würde also die Frage zu stellen sein, ; „ob der Vorschlag des Abgeordneten Grafen Renard in Bezug auf §8. 223 die erforderlihe Unterstüßung von aht Mitgliedern

findet ?““ (Wird nicht unterstüßt.) Er hat sie niht gefunden. e 4 Regierungs - Kommissar Bischof : Mit Rücksicht guf den Vor- \hlag der geehrten Abtheilung, im §. 222 das zweite Alinea fort- zulassen, wird zu erwägen sein, daß als eine Schärfung der Todess strafe im allgemeinen Theile der Verlust der Ehrenrechte angenom-

| (Heiterkeit) | |

men worden i}, Es is wohl vorausgeseßt worden, daß diese allgè- meine Beslimmung auch hier Plaß greift und hiernach das zweite Alinea umzugestalten sei. : Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Die Abtheilung hat nicht vorgeschlagen, daß das zweite Alinea gestrichen werde, sondern nux : „daß der Wegfäll des zweiten Alinea des §F, 222 davon abhängig sei, ob überhaupt und welhe Schärfung bei Todesurtheilen noch beibehalteu werden solle, in welher Beziehung die zuleßt gefaßten Beschlüsse der Plengr-Versammlung maßgebend sein werden.“ / Regierungs-Kommissar Bischoff : Wenn? ich nicht irre, so is bei der Berathung des allgemeinen Theiles angenon:men worden, es solle immer bei jedem einzelnen todeswürdigen Verbrechen speziell erwogen werden, ob diese Schärfungs - Maßregel Anwendung finde. Mit Rücksicht hierauf würde es erforderli sein, bei dem Verbrechen des Mordes allgemein zu bestimmen, daß fakultativ auf den Verlust der Ehrenrechte erkannt werden dürfe. e | , Abgeordn. Graf von Schwerin: Das heißt in dem zweiten Alinea bei dem Verwandtenmorde. Jch glaube, wir sind ganz derselben An- sicht, denn es sollen mit der Todesstrafe gleich die Ehrenrehte aber- fannt werden, und weiter zu gehen, {eint mir feine Veranlassung vorhanden zu sein. Jch würde also der Meinung sein, daß das zweite Alinea dahin geändert wird, daß bei Verwandtenmord oder Mord von Chegatten auf den Verlust der Chrenrehte miterkannt wer- den muß. ° È 5 E iti - Minister von Savigny: Ih muß do auf den früher gefaßten Beschluß über diesen Gegenstand zurückfommen. Es wurde ohne viel Widerspruch damals anerkannt, daß es in einigen wenigen ganz speziellen Fällen zweckmäßig wäre, auszusprehen, daß der Ver- [ust der Ehrenrehte immer sollte neben der Todesstrafe ausgesprochen werdenz namentlih is das für Königsmord und Aelternmord ohne vielen Widerspru anerkannt worden. Außerdem aber hat g. 8 eine generelle Bestimmung dieser Art enthalten; darüber hat man weder positiy noch negativ ctwas im voraus beschlossen , sondern cs is vor= behalten worden, sich hier jedes einzelne todeswürdige Verbrechen besonders anzusehen. Das is auch geschehen und von der Versamm- lung anerkannt worden, wenigstens in mehreren der wichtigsten Fälle des Landesverraths, obgleich diese niht unter jenen zwei Verbrechen standen, so daß also auch hier ganz im Sne des Entwurfes konse- quenterweise, nit wie bei dem Königs - und Aelternmord absolut, sondern fakultativ die Strafe vorgeschrieben worden ist. Ganz das- selbe tritt auch hier ein, und ih glaube, die fonsequente Behandlung wird sein, hier auszusprehen: „im Falle des Aelternmordes (so wie des Gattenmordes) immer, bei jedem anderen Morde fakultativ““. Denn das wird Niemand verkennen , daß an ein anderer Mord in außerordentlichen Abstufungen der Schändlichkeit vorkommen fann, Wenn Jemand {wer von einem Anderen gekränkt worden ist , sich zu dem Morde desselben entschließt und diesen vollführt, so hat er den Tod verdient, aber die Schwere der Kränkung kann unser Ur- theil bis an die Gränze des Mitleids mildern; dagegen wenn Je- maud seinen Wohlthäter mit kaltem Blute ermordet oder mit gus gesuhten Qualeu sein Schlachtopfer langsam sterben läßt, so kann der Mord zu einem Grade von Abscheulichkeit kommen , daß jedes Mittel ergriffen werden muß, um diesen intensiv shwereren Grad des strafbaren Mordes hier noch mit auszudrücken. Daher sehe ih nicht das geringste Bedenken, den Verlust der Ehrenrechte hier fakultativ auszuspreck@en,

Abgeordn, Graf von Schwerin: Jh nehme meinen Antrag une, 9E trete der Ansicht des Herrn Ministers der Gesebge- ung bei. | |

Marschall: Es würde noh die Frage zu stellen sein, oh die Versammlung von der Ansicht ausgeht, das zweite Alinea des §. 222 so zu fassen, daß auf Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte im Falle des Mordes von Ascendenten und Ehegatten immer und in

allen übrigen Fällen fakultatio zu erkennen sei. Wenn kein Wider- spruch sih ergiebt, so is anzunehmen, daß die Versammlung von die=- ser Ansicht ausgeht. E

Abgeordn. Camphausen : Jch widerspreche.

Marschall : Wenn sih kein Widerspru erhoben hätte, so wäre anzunehmen gewesen, daß die Versammlung von dieser Ansicht aus= gee, da er sich aber erhoben hat, so is darüber abzustimmen, ob die Zersammlung von dieser Ansicht ausgeht, daß nämlich auf Aberken- nung der bürgerlichen Ehrenrechte im Fall des Mordes von Ascen« denten und Ehegatten immer, in allen übrigen Fällen fakultativ zu erkennen sei, und diejenigen, die von dieser Ansicht ausgehen, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben.

Eine Majorität von mehr als zwei Drittheilen hat die Frage bejaht.

g. 224.

Referent Abgeordn. Frhr. von Es (liest vor) :

us 224,

War der Todtschläger ohne eigene Schuld durch eine ihm selbst oder seinen Angehörigen zugefügte Mißhaudlung oder schwere Belei= digung von dem Getödteten zum Zorne gereizt und dadurch auf der Stelle zur That hingerissen worden, so kann die Strafe bis auf zwei Jahre Gefängniß oder Strafarbeit herabgeseßt werden.““

Das Gutachten der Abtheilung lautet :

„Zu §. 224

war bemerkt worden, daß der Begriff von Angehörigen zu wenig be=- stimmt seiz der Schuß, welchen der §. 224 verleihe, scheine zudem in allen Fällen gerehifertigt, in welchen der Todtshläger zu der That durch eine Mißhandlung hingerissen worden, welche einer anderen

erson zugefügt worden z die Pflicht, den Shwächeren zu hüben, ei in der Regel das Motiv zu der Handlung, die den unglücklichen Ausgang zur Folge gehabt. S /

Die Abtheilung war jedoch der Meinung, daß die Schwere die- ses Erfolges die in dem Paragraphen enthaltene Beschränkung auf An- gehörige nothwendig machez nur wenn persönliches Verhältniß zwi= \chen dem Angegriffenen und dem Todtschläger existire, könne die That in dem milderen Lichte erscheinen ; die Beurtheilung, welche Personen unter Angehörigen zu verstehen, könne allerdings nur in dem konkre= ten Falle erfolgen, da d‘e Geseßgebung eine allgemeine Gränze hier zu ziehen nicht im Stande sei. V

És is daher der Antrag, statt der Worte: „seinen Angehöri= gen“ die Worte: „anderen Personen“ zur Aufnahme ín den §. 224 in Vorschlag zu bringen, von der Abtheilung mit 12 gegen 3 Stim- men abgelehnt.“ j :

Abgeordn. Fabricius: Der Paragraph giebt mir zu der Be- merkung Veranlassung, daß die Worte „ohne eigene Schuld‘ Beden- fen darüber zulassen dürften, ob die nachfolgenden Worte dieselben uur näher erläutern sollen, da sie dann überflüssig sein würden, oder ob die Meinung gewesen is, zu bestimmen, daß der Todtschläger die ihm oder seinen Angehörigen zugefügte Mißhandlung nicht dur ei= genes Verschulden herbeigeführt haben müsse. E ,

Für diesen Fall, der übrigens, wie mir deucht, füglich der rih- terlidjen Zumessung überlassen werden möge, müßten dann jedenfalls die Werte: „ohne eigene Schuld ‘“ zwischen den Worten ,, Angehöri- gen“ und „zugefügte““ eingeschaltet werden, was aber allerdings nur auf eine etwa zu Protokoll zu bemerkende Fassungsfrage hinausgehen würde. i S Regierungs - Kommissar Bischoff: Der §. 224 enthält eine jo wesentliche Ermäßigung der Strafe, daß sie nur unter ganz exceptio- nellen Verhältnissen eintreten kann. Jn dieser Beziehung 1st vor Al- lem unerläßlih , daß der Thäter nicht selbst den Anderen zur Belei- digung veranlaßt hat. Es ist diese Beschräukung um so mehr erfor= derlih, als die Strafmilderung nicht blos im Falle der Provocation dur Thätlichkeiten , sondern auch im Falle der wörtlichen Beleidis gungen angenommen ist,

Abgeordn. Fabricius: Dann müssen aber die Worte „ohne eigene Schuld“ an einer anderen Stelle stehen.

Marschall: Das würde also uur ein Fassungsvorschlag sein und keine Veranlassung zur Abstimmung geben. §, 225.

Referent Abgeordn, Frhr. von Mylius (liest vor) :

81220.

Der Todtschlag an den leiblichen Verwandten in aufsteigender Linie ist mit dem Tode zu bestrafen.“

Das Gutachten lautet:

„Zu §. 225 : war der Antrag, statt. der Todesstrafe die Zuchthausstrafe von 10 Jahren bis auf Lebensdauer in Vorschlag zu bringen, dadurch moti= virt worden, daß hier Handlungen zur Sprache gebracht, welche ohne Ueberlegung verübt worden, und daß bei solchen und_in den Fällen, wo ein zerfallenes Familienwesen, vielleicht durch die Schuld des Ge- tödteten herbeigeführt, die Todesstrafe zu hart erscheinen fönne.

Die Abtheilung war jedoh der Ansicht, daß immer, wo der Todtschläger die Hand gegen Verwandte in ausfsteigender Linie erho- ben und der Tod erfolgt, die Schwere der Schuld, die er auf sich geladen, auch seinen Tod als Sühne fordere, und hat obigen Antrag mit 13 gegen 2 Stimmen abgelehnt.“ : L an in

Abgeordn, VKeumann: Jch werde mich gegen §. 225 zunäch| deswegen erklären, weil er die Todesstrafe statuirt und ih mi damit nicht einverstanden erklären kann; dann aber besonders, weil er die Todesstrafe hier ohne alle Milderungsgründe statuirt , welche nicht ausgeschlossen bleiben dürfen, wenn wir diese Bestimmung mit den vorhergehenden in Uebereinstimmung bringen wollen. Es findet stch bei dem gewöhnlichen Todtschlage die Zulässigkeit von Milderungs- gründen allgemein angenommen, ja, es kann jogar bis zu einer Strafe von 2 Jahren Zuchthaus herabgegangen werden; nun foll aber bei dem Todtschlage an den leiblihen Verwandten in aufsteigender Linie stets die Todesstrafe absolut eintretèn. Dazu sche ich keine Be lassung, da solche Todtschläge am häufigsten bei Beleidigungen M Sclägereien zwischen Ascendenten und Descendenten vorkommen, wo #\o oft die unglücklichsten Familienverhältnisse stattfinden ‘a N liche Verlegungen gar nicht selten sind. Jch kann daher eventue nur dafür stimmen, daß der Paragraph fakultativ gefaßt werde. |

Abgeordn, Dittrich: Auch ih trage auf Streichung des Para- graphen an, denn wenn man die Pietät nur Mime n den Ver= hältnissen der Kinder zu den Aeltern, so möchte der Paragraph R tig sein, wenn man sie aber auch umgekehrt annimn.t a annehmen muß, \o glaube ih, daß das Verhältniß der Liebe Gottes 4 A4 der Spiegel solcher Pietät ist. Erst kürzlich is hier über einen Todt= schlag einer Mutter gegen ihr Kind das Urtheil era Bi A

(Viele Stimmen: Das ist ja in aussteigender inte!)

Gerade darum eben, wenn Aeltern ihre Kinder so maxtern und mißhandeln, daß sie solche Verbrechen Uet wäre der O schlag gegen einen Verwandten in aufsteigen s inie zu entschuldigen, wenn au, wie sh von selbst versteht, niema!s zu verzeihen, J finde aber uicht, daß immer eine härtere Strafe hier eintreten müßte, denn es giebt so vielfältige Arten von Qualen, die in diesen Ver= hältnissen verübt werden, welhe zum Todtschlag reizen können.

Abgeordn, Sperling: uh ih muß mi dagegen erklären und werde mich dazu veranlaßt finden, selbs wenn ih voraussehen könnte, daß der Antrag, den ih zu machen beabsichtige, von der hohen Vers sammlung nicht adoptirt werden möchte, Es is von jeher als ein

Mangel der Geseßgebung anerkannt, wenn sie Strafen, welche ihrer Art und ¡hrem Maße nach bestimmt sind, absolut androht. Kein Verbrechen kann gedaht werden, welhes nicht unter Umständen be» angen wurde, die ihm bald einen strafbareren, bald einen milderen harakter geben. Man könnte einwenden, es sei mißlih, in Be- ziehung us die Todesstrafe dem richterlichen Ermessen Spielraum, dem Richter eine Wahl zu gestatten. Aber viel mißlicher ist es, ihm solche nicht zu geben, weil dann der Richter genöthigt werden würde, entweder die Todesstrafe auszusprechen, wo sie dur die Gerechtig- keit nicht gefordert wird, oder den Verbrecher völlig freizusprechen, wo er ihn des Todes nit würdig, diese Strafe sciner That nicht angemessen hält. Eben so unbegründet, wie ih diesen Cinwand halte, ersheint mir ein anderer oft gehörter Einwand, die Hinweisung auf die Königliche Gnade. Denn, meine Herren, wo wir ein Straf- Geseßbuh zu entwerfen und Bestimmungen des Rechts zu treffen haben, dürfen wir an die Gnade nicht denken. Dies um #o weniger, als ohnedies sich Gelegenheit genug dazu finden dürfte. Es ist ein fürchterliches Verbrehen, von dem der Paragraph handelt, der Todt- schlag an Verwandten in aufsteigender Linie, indessen dürfen wir uns dabei niht von den Gefühlen leiten lassen, die uns lerfüllen, wenn wir an unser Verhältniß zu unseren Aeltern zurückdenken. Diese Be- stimmung des Paragraphen is hauptsählih gegen Personen gerich- tet, deren gegenseitiges Verhältniß nicht so sittliher Natur is , unter denen sogar oft thierische Rohheit herrscht. Wir können uns wohl auch den Fall denken, daß der Vater dem Sohne gegenüber als ein Ungeheuer dasteht, Außerdem kommt aber noch in Erwägung, daß in diesem Paragraphen nur vou einem Verbrechen die Rede ist, wel- hes im Affekt begangen worden, von demselben Verbrechen, für wel- ches, wie ein geehrter Redner {hon bemerkt hat, der §. 224, wenn es niht Aeltern betroffen hat, eine 2 jährige Gefängnißstrafe für hinreichend erklärt. Jch bin entfernt davon, das Verbrechen, als Vextrechen gegen Aeltern nicht härter bestrafen zu wollen, als wenn es gegen andere Menschen begangen is, Aber ich halte dafür, daß es genügt, dasselbe mit Todesstrafe und Zuchthausstrafe alteruagtiy zu bedrohen; und ih erlaube mir den Vorschlag, dem §. 225 die Worte hinzuzufügen: unter mildernden Umständen kann auf 10 jährige bis lebenswierige Zuchthgusstrafe erkannt werden.

Abgeordn. Freiherr von Gaffron: Jch kann der Ansicht, die wir so eben vernommen haben, nit beistimmen. Nach meiner Mei- nung is die Pietät, die Ehrfurcht gegen die Aeltern, gegen die, welche uns das Leben gegeben haben, eine so tief in der menschlichen Brust begründete, daß sie die Basis der Bande des Fanulienlebens bildetz die Familie ist aber wieder die Basis des Staates; wer die Hand gegen Vater und Mutter aufhebt, begeht einen großen Frevel, und die öffentliche Meinung hat ihn auch bisher geähtet, Geht er aber bis zum Todtschlage, so is er auch der Todesstrafe würdig, und ih kann daher nur für den Paragraphen stimmen.

_ Abgeordn. von Brünneck: Jch kann den früheren Rednern nur beistimmen, denn es is hier niht von einem vorsäßlihen Morde die Rede, sondern nur von einem in der höchsten Leidenschaft, im Zorne, begangenen Verbrechen, und so {wer und verwerflih es auch is, so muß man doch erwägen, was schon von einem Abgeordneten hervor= gehoben worden ist, daß solhe Verbrechen gegen Ascendenten, nicht blos gegen Aeltern, sondern überhaupt gegen leiblihe Verwandte in aufsteigender Linie wohl meistentheils nur unter den rohen Volksklas- sen vorkommen werden; es is also sehr wohl denkbar, daß gerade ein Vater dieser Klasse, der seine eigenen Kinder innig liebt, durch deren Mißhandlung von einem Ascendenten in die höchste Leidenschaft verseßt, zu einem solhen, doch immer niht vorbedachten, {weren Verbrechen veranlaßt wird. Jch werde daher für eine fakultative Fassung des Paragraphen stimmen, damit dem richterlichen Ermessen wenigstens ein Spielraum gelassen wird, um so mehr, als beim §. 22 gleiche Rücksicht vorgewaltet hat.

Abgeordn. Graf von Renard: Mir scheint die Absicht des Ge= \etß-Entwurfs, den Tod hier auszusprechen, eine Maßregel der Milde, denn ih gehe von der Ansicht aus, daß Jemand, der ein so s{chweres Verbrechen auf sih geladen hat, wie ein Mord an Verwandten in gufsteigender Liuie, an Vater und Mutter, an Großvater und Groß= mutter, das Leben mit diesem Bewußtsein niht mehr ertragen kann. Darin kann ih aber meinestheils feine Milde finden, wenn wir le- benswieriges Zuchthaus, mit dieser Last auf dem Gewissen, hier Plaß greifen lassen.

Korreferent Abgeordn. Kaumann: Mit dieser leßten Ansicht fann ih mi nicht befceundenz ih kann nicht finden, daß das Geseß durch die hier getroffenen Bestimmungen Milde üben wolle, indem es die Todesstrafe eintreten läßt. Jh habe mich früher gegen die Todesstrafe erklärt; ich muß aber hier davon abstrahiren und mich dem Votum der Majorität unterwerfen, die Todesstrafe in einzelnen Fällen stattfinden zu lassen. Ob aber §, 225 als eine Ausnahme von §. 224 zu gestatten sei, das i} eine andere Frage. Wir haben anerfanut, daß im §. 224 Umstände eintreten können, in welchen eine so shwere Strafe, wie die Todesstrafe, sih niht rechtfertigen läßt, Es ist hier die Frage, ob das Verhältniß der Ascendenten und De- scendenten zu einander immer Milderungsgründe, mildernde Umstände ausschließen soll, Mir scheint, daß das Geseß in der That die Men= chen in einer Vortrefflichkeit voraussebt, die sie nicht haben. Das Geseß ignorirt die Zerwürfnisse, die gerade zwishen Aeltern und Kindern in einer Art vorkommen, wie sie zwischen anderen Menschen nicht denkbar sind, Das geehrte Mitglied aus Königsberg hat sehr richtig angeführt, daß gerade diese Rücksicht eine Milderung rect- fertigen müsse. Jch erinnere daran, daß die Kinder allerdings die größte Liebe zu ihren Aeltern haben sollen und werden, wo die Ael- tern sch als Erzieher, als Ernährer und Wohlthäter darstellen; aber vergessen wir nicht, daß auch Lieblosigkeit vorherrschen kann, und daß, wenn die Lieblosigkeit von Kindesbeinen an ertragen wird, sie auch das Entgegengeseßte hervorbringen muß von dem, was hier durch das Wort Pietät ausgedrückt worden is, ja, daß der ärgste Haß eintreten kann. Und. wollen wix dann es als Regel hinstellen, daß in allen Fällen der Verbrecher sich dieses Verhältnisses bewußt sei, wie es sein sollte, aber doch nicht is? Jch stimme für Streichung des §. 225, wonach die Bestimmung von §. 224 die Regel sein wird,

Justiz-Minister von Savigny: Jch stimme mit vollster Ueber- zeugung dem geehrten Abgeordneten aus Königsberg bei, daß wir alle Ursache haben, mit der Berufung auf die Königliche Gnade äußerst sparsam umzugehen, Auch ih bin darfür, daß wir diese so selten als möglich in Anspruch nehmen müssenz indeß haben wir doch zu erwägen, daß glücklicherweise die Verbrechen selbst, von denen es sih hier handelt, zu den sehr seltenen gehören, noch mehr aber die Fälle, wo dieses Verbrechen nah der Ansicht mehrerer Mitglieder der hohen Versammlung entschuldbar erscheint, Diese gehören noch mehr zu den Seltenheiten, und so glaube ih, daß auch bei Annahme des Entwurfs nur in sehr wenigen exceptionellen Fällen die Berufung auf des Königs Gnade einzutreten haben würde.

Justiz-Minister Uhden: Hinzufügen muß ih noch, daß nach der bestehenden Verfassung jedes Todesurtheil als solhes, ehe es voll- \treckbar wird, dem König zu Allerhöchster Bestätigung vorgelegt wer= den muß, so daß also bon dadurch des Königs Majestät in jedem gisizelnen Falle die Gründe erfährt, welche für oder wider die Be- gnadigung sprechen,

477

Fürst Boguslaw Radziwill : Jh kann der Rede des geehrten Herrn Korreferenten durchaus nicht beistimmen. Die Pflichten der Kin- der gegen ihre Aeltern ist eine so beilige, daß Gott sie als ein Haupt- gebot in seinem Geseße verkündet hat, Es steht darin: Ehre Vater und Mutter, und nicht mit dem Beisaß: Ehret Vater und Mutter, wenn sie ihre Pflichten gegen euch erfüllen, sondern im Allgemeinen, ehret Vater und Mutter, ehret auch im gefallenen, im verkehrten Menschen noch immer den Vater. Wer nun seine Aeltern nicht al- lein niht ehrt, niht nur seine Hand gegen sie erhebt, sondern sie auf eine solhe Weise mißhandelt, daß dies den Tod des Vaters oder der Mutter zur Folge hat, den achte ich unter allen Umständen des Todes schuldig. l

Abgeordn, Freiherr von Rothkirch - Trah: Jh würde mich unbedingt der milderen Ansicht, welhe von mehreren geehrten Mit- gliedern vorgetragen worden ist, anschließen, wenn niht ausdrücklih im §. 225 der Todtshlag als straswürdiges Verbrechen bezeichnet worden wäre, der Todtschlag aber den Vorsaß, zu tödten, voraus- seßt. Mir scheint, daß diejenigen Herren, welche eine mildere Mei- nung ausgesprochen haben, vollständig beruhigt sein werden durch die Bestimmung des §. 229, wodurch der Tod Folge einer körperlichen Verleßung gewesen is, Meine Herren, ich bitte fes im Auge zu behalten, wie groß, wie straswürdig das Verbrechen is, den Vorsab zu haben, die Aeltern zu tödten,

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Es is nicht von dem Verbrechen des §. 222 die Rede; sondern von dem-Verbrechen des §. 223, dem sogenannten Todtschlag ohne Ueberlegung, Todt- schlag im Affekt, natürliherweise mit Vorsaß, weil der Vorsaß nah der Aufstellung des Entwurfes eine geflissentlihe Handlung bestimmt, im Gegensaß zu einer fahrlässigen.

__ Abgeordn. Fabricius: So wenig ih auch geneigt bin, dem Ernst und der Strenge des Gesetes, wo es dem Schuße der höhe- ren Rechte des Ganzen oder der Einzelnen gilt, entgegenzutreten, und so unbedenklih ih danah für die Beibehaitung der Todesstrafe vo- tirt habe, weil sie meiner Ueberzeugung nach noch zu tief in dem Rechtsgefühl des Volks als nothwendiges Schußmittel für die höch= sten Güter begründet is, so halte ich doch eben so entschieden dafür, daß bei der Anwendung dieser Strafe auf einzelne Verbrechen um o sorgfältiger erwogen werden muß, ob jene Vorausseßung dabei zu- trifft. Von dem Gesichtspunkte ausgehend, halte ih nun nicht dafür, daß in diesem Paragraphen unbedingt Todesstrafe anzudrohen nöthig sein sollte. Gewiß is es das heiligste Band, das Kinder und Aeltern mit einander verbindet, aber um so unzweifelhaster ¡wird das shreck- liche Verbrechen, welches der Paragraph bezielt, zunächst immer nur in solchen Fällen vorkommen, wo das Band der Natur zwischen bei= den Theilen längst zerrissen war, nur noch dem Namen nach bestand, und, täuschen wir uns darüber nicht, gewiß durch eigenes, {weres Verschulden der Aeltern, so daß, wie auch die Erfahrung lehrt, die Todesstrafe wirklih zu verhängen, meist bedenklich erscheinen wird. Jch finde es aber der Würde des Gesetzes entsprechender, glei neben der Todesstrafe lebenswierige Strafarbeit oder Zuchthaus anzudro= hen, statt vorweg der Gnade des Königs anheimzugeben, in dem ein=- zelnen Falle eine ungeeignete Strafe abzuwenden, und ih möchte den Vorschlag sogar dem ganzen Geiste des neuen Gesetßes entsprechender finden, als die jeßige Fassung des Paragraphen, indem hier nicht, wie beim Morde, §. 222, geshehen, der Todtschlag von Ehegatten besonders hervorgehoben i}, da doch das Band zwischen beiden an sich wahrlih nicht minder heilig zu achten ist und in demselben Maße als Grundlage des ganzen Familienverhältnisses anerkannt wer- den muß.

Marschall: Der Abgeordnete von Rothkirch hat sich zu einer persönlichen Bemerkung um das Wort gemeldet.

Abgeordn. Freiherr von Rothkirh-Trach: Es is von dem Herrn Referenten entgegnet worden, daß nicht von §. 222, sondern von §. 225 die Rede sei, Allerdings, alléîn wenn der Richter die Strafwürdigkeit eines Verbrechens beurtheilen soll, so fanu er sich nur an die Vorschrift des Gesebßes, welches vorliegt, halten, hier ist aus= drücklih der Todtschlag als Verbrechen bèzeihnet, er muß also auf die Geseßesstellen zurückgehen, wo der Todtshlag defiuirt ist, und

das ist im §. 223, Der Vorsaß muß also immer feststehenz; ob er früher überlegt worden is, oder ob dies im Augenblicke der Hand= lung geschieht, macht bei dem Todkschlage keinen Unterschied; der Vorsabß, wenn er auh nur im Augenblicke gefaßt worden ist, bleibt immer stehen, und dieser is in jedem Falle bei dem Verbrechen der Tödtung der Aeltern im höchsten Grade strafbar. : Abgeordn. Graf von Schwerin: Jh muß mih auch dem Amendement des Abgeordneten der Stadt Königsberg anschließen. Jch kann mich nicht damit befreunden, daß der Todtschlag irgend einer Qualification absolut dem Morde gleichgestellt werde. Man kann allerdings zugeben, was der durchlauchtigste Redner von der Herren- bank gesagt, daß eine Verpflichtung der Kinder unter allen Unstän- den gegen die Aeltern stattsinde@ wenn auh von den Aeltern Veran- lassung gegeben sein möchte, sie nicht stattfinden zu lassen, aber das rechtfertigt doch immer noch nicht, daß man ‘eine im Affekt began= gene Handlung absolut gleichstellt in der Strafbarkeit mit einer, welche mit Ueberlegung geschehen is, und, meines Erachtens, wird der schwerere Grad des Todtschlags an Verwandten in aufsteigender Linie hinreichend dadurch qualifizirt, wenn man, wie der geehrte Ab- geordnete aus Königsberg vorgeschlagen hat, in milderen Fällen le- benswierige Zuchthausstrafe, «ulso immer eutehrende Strafe, in sol= chen Fällen stattfinden läßt, und sie von dem Falle des §. 223 dag=- durch unterscheidet, wo man alternatiy Strafarbeit oder Zuchthazs= strafe eintreten lassen will. :

Abgeordn, Sperling: Jch glaube auf den §. 229 i} von dem geehrten Redner gus Schlesien ohue hinreichenden Grund verwiesen, da dieser Paragraph im Schlußsaße ausdrüklih die Bestimmung eyt- hält, daß eine Ermäßigung der Strafe bei Verwandten nicht statt- finden soll. Auf dasjenige, was der Herr Justiz - Minister geäußert hat is nichts zu erwiedern, Jch bleibe bei der Ansicht, daß wir hier an die Königl. Gnade nicht denken dürfen, wenn wir die Auf- gabe, die uns bei Berathung des Strafgeseßbuches gestellt worden, vollständig lösen wollen, Dagegen kaun ih nicht umhin, die hohe Versammlung noch darauf aufmerksam zu machen, daß, wenn mein Vorschlag angenommen wird, doch noch das Verbrechen, als ein be- sonders qualifizirtes, dur die Strafe ausgezeichnet wird, denn auch dann wird der Todtschlag an Verwandten aussteigender Linie mit dem Tode bestraft werden, wo der Todtshlag an anderen Personen nur mit 10jähriger bis lebenswieriger Strafarbeit zu belegen sein würde, auch daun würde er mit lebenswieriger und, wenn besonders mildernde Umstände obwalten, mit wenigstens zehujähriger Zuchthausstrafe be- legt werden, wo der Todtschlag an anderen Ln gemäß §. 224 höchstens mit 2jähriger Arbeitëstrafe zu beahnden wäre. Dies, glaube ih, dürfte hinreichend darthun, daß mein Vorschlag nur dem Gerech- tigkeitöprinzipe die Herrschaft sichern soll.

Abgeordn, Dittrih: Wenn der geehrte Redner aus der Ritter- haft Schlesiens auf das Wort vorsäulich aufmerksam gemacht hat, so muß ih auf die Worte „mit Ueberlegung‘ aufmerksam machen. Der böse Vorsatz is beim Todtschlage immer nur im Augenblicke der That entstanden; wenn aber Ueberlegung stattgefunden hat, dann ist es Mord, Die bisherige Begriffsbestimmung des Todtschlags und

des Mordes is im Entwurf nicht geändert, Weiter ist angeführt

worden, daß die Religion die Aeltern lieben und ehren lehre, sie mö= gen gut oder böse sein. Die Religion mußte diese Liebe gebieten, weil Kinderliebe bei weitem niht den Höhepunkt hat, als die Ael- ternliebe. Aelternliebe aber is in bei weitem höheren Grade ange= boren, sie liegt im innersten Gefühle, und wenn diese Liebe sih so sehr verschlechtert zeigt, daß sie im Stande is, die Kinder herabzu- würdigen, sie zu martern, geistig und förperlih, dann, glaube i, ist die That der Kinder mehr entschuldbar.

Marschall: Wir können abstimmen.

(Viele Stimmen: Ja, Ja!)

Es sind drei Vorschläge gemaht, vou welchen sich die beiden ersten, die von dem Abgeordneten Neumann und von dem Abgeordneten Sperling, in eiuer Frage werden vereinigen lassen. Nämlich der Ab- geordnete Sperling hat einfach auf fakultative Fassung angetragen, der Abgeordnete Neumann hat auf fakultative Fassung ebenfalls an= getragen, hat aber zugleich einen Zusaß vorgeschlagen, der dann im Valle der günstigeren Beurtheilung das Strafmaß zugleich festseßen würde.

Abgeordn. Ueumann: Jh \{ließe mih dem Vorschlage des Herrn Abgeordneten von Königsberg an, erlaube mir aber darauf aufmerksam zu machen, daß noch der Vorschlag da is, den Paragra- phen ganz zu streichen.

Marschall : Das is} eben der dritte, dessen ih noch zu erwäh= nen hatte, Es is nämlich außerdem noch auf Streichung des Para=- graphen von dem Korreferenten angetragen worden, und insofern auf der Fragestellung in dieser Beziehung beharrt wird, so würde diese Frage zuerst zu stellen sein.

Abgeordn. Dittrich: Durchlaucht, ih habe den Antrag auh gestellt

Abgeordn. HFabricius: Jch habe den Antrag gestellt auf To- des- oder lebenswierige Zuchthausstrafe.

Marschall: Die erste Frage heißt also: Soll auf Wegfall des Paragraphen angetragen werden, und die das thun, würden das dur Aufstehen zu erkennen geben.

(Nur einige Mitglieder erheben si.) Man i} dem nit beigetreten. Die nächste Frage heißt: Soll bean- tragt werden, daß §. 225 die Fassung erhalte: Todtschlag an leibli= hen Verwandten in aufsteigender Linie is mit dem Tode zu bestra= fen, unter mildernden Umständen kann auf 10jährige bis lebenswie= rige Zuchthausstrafe erkannt werden.

Abgeordn. Ruschke: Jh würde wünschen, daß der Ausdruck: unter milderndenu Umständen fortgelassen werde.

(Mehrere Stimmen: Das is Fassungssache.)

Marschall: Es wird dieser Ausdruck niht zu gebrauchen sein und blos in der Fragestellung das festgehalten werden müssen, daß im Falle der günstigeren Beurtheilung, was wir niht zu präzisiren haben, sondern was der Fassung überlassen bleibt —, zehn=- bis lebenswierige Zuchthaus = Strafe eintrete, und diejenigen, welche dem beitreten, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Viele Mitglieder erheben sich.)

Majorität is vorhanden, vielleicht auch Majorität von zwei

Dritteln; ich bitte deshalb, die Zählung vorzunehmen. (Nachdem dies geschehen. )

Mit Ja haben gestimmt 62, mit Nein haben gestimmt 28.

C. 226,

Abgeordn. Dansmann (konnte nicht verstanden werden ).

Referent Abgeordn. Frhr, von Mylius (liest vor ):

486 i 22D

Wer bei Unternehmung eines Verbrechens, um ein der Ausfüh- rung desselben entgegentretendes Hinderniß zu beseitigen oder um si der Ergreifung auf frischer That zu entziehen, vorsäßlih, wenn auch nicht mit Ueberlegung, einen Menschen tödtet, ist mit dem Tode zu bestrafen. ‘‘

Das Gutachten der Abtheilung lautet :

E S 220.

Auch dieser Paragraph war hier angegriffen worden, weil hier die Todesstrafe als zu hart erscheine; es ward hervorgehoben, daß hier der ín einem jeden Menschen lebende Trieb, seine Freiheit und seine Person zu retten, das einzige Motiv der That sei, und wenn es auch niht zu verkennen, daß demjenigen, welcher sich selbst in die Lage gebracht, daß seine Freiheit mit der öffentlichen Ordnung nicht vereinbar, das Recht der Selbsterhaltung niht zur Entschuldigung gereichen fönne, #o sei die bis zu lebenswieriger Dauer angedrohte Zuchthaus - Strafe von hinreichender Schwere und die Todesstrafe nicht motivirt. :

Die Abtheilung beschließt mit 9 gegen 6 Stimmen, den We des §. 226 in Vorschlag zu bringen. T S

Abgeordn. Frhr. von Gudenau: Wenn ih das Gutachten der Abtheilung richtig aufgefaßt habe, so bezieht es si aus\hließlich auf den Fall, welher im Geseß vargesehen is, „um \ih der Ergreifung auf frisher That zu entziehen.“ Das Gutachten bezieht sich aber nicht auf den Fall, wenn Jemand einen Menschen tödtet; um ein der Ausführung des Verbrechens entgegenstehendes Hinderniß zu beseiti4 gen. Jn erster Beziehung bin ih mit dem Gutachten der Abthei= lung einverstanden, nicht aber, wenn in leßterem Falle die Todes- strafe ausgeschlossen sein sollte. Jh wüßte niht, welhes Verbrechen mit der Todesstrafe belegt werden sollte, wenn uicht dieses. Es fommen die Fälle häufig vor, wo gewaltsame Einbrüche versucht wer= den. Wird nun der Verbrecher an der Ausführung des Verbrechens verhindert, so könnte er den Beschluß fassen, einen Menschen todtzu=- shlagen, um das Verbrechen ausführen zu können. Der Todtschlag eines Menschen aber, um ein Verbrechen auszuführen, is das aller= gefährlihste Verbrelen. Jch stimme für Beibehaltung des Para- graphen mit Weglassung der Worte: „um sich der Ergreifung auf frischer That zu entziehen.“

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch glaube nicht, daß man die Unterscheidung machen kann, wie sie der Abgeordnete gemacht hat, Wir sind in der Abtheilung von der Ansicht ausgegangen, daß es sich um einen qualifizirten Todtschlag hier niht handele, und sind der Meinung gewesen, daß die Todesstrafe sih nur beim Todtschlag an Aeltern rechtfertigen lasse, aber kein Grund vorhanden sei, sie anzuordnen für diejenigen Handlungen, welhe man im Affekt began- gen, um ein Hinderniß zu beseitigen oder um sich der Ergreifun, zu entziehen. Hier glaubten wir, daß eine mildere Strafe zu wählen sei. Wir unterschieden nur Mord und qualifizirten Todtschlag, wel= her gegen Verwandte begangen wird, Außerdem glaubten wir, qualifizirte Todtschläge nicht anerkennen zu können.

Abgeordn, Fabricius : Ih erkläre mich gegen das Votum der Abtheilung und vor allem freilich, was den ersten Saß anlangt , der den Fall betrifft, da zur Beseitigung eines der Ausführung entgegen=- tretenden Hindernisses eine vorsäßliche Tödtung begangen wird, also dem unternommenen Verbrechen ein noch shwereres hinzutritt. Jch bekenne mi nicht zu einer Abschreckungstheorie, aber wenn man an irgend einer Stelle des Gesebes anzuerkennen hat, daß die Straf- drohung denno allerdings so zu bemessen is, daß sie der rehts- widrigen Willensbestimmung des Einzelnen wirksam entgegentrete, so ist s hier, Jch stimme für unbedingte Annahme des Geseyz- entwurfs.

Abgeordn. Freiherr von Gaffron : Jh muß mi ebenfalls für den Paragraphen erklären, Es ist zu bedenken, daß der Verbrecher.