1848 / 56 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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Abgeordn. Grabow: Das Allg. Landrecht hat in §s. 202 bis 207 ai spezielle Vorschriften für den vorliegenden Fall aufgestellt. Daraus is in den Entwurf nur eine ganz allgemeine Bestimmung

übergegangen. Das Allg. Landrecht enthält den Grundsaß, daß nur dann Strafe eintreten fönne, falls Jemand nit approbirt sei. Wenn nun im §. 250 des Entwurfs der Zusab gemacht wird : : „oder wer einem besonderen obrigkeitlihen Verbote zuwider andelt“, : so faube ih, daß dieser Zusaß unbedingt und unter allen Umstän- den gestrichen werden muß, weil er, wenungleich der Herr Kommissar ihn nur auf den ersten Sas: i „wer, ohne vorschciftêmäßig approbirt zu sein, gegen Belohnung eine solhe Kur vornimmt“‘, E | | beziehen will, alsdann doch ganz überflüssig sein würde. Ein „„Obrig= feitlihes Verbot“ kann unter allen Umständen ‘gar niht mehr statt= haben, weil das Geseß im Allgemeinen schon ausgesprochen hat, daß derjenige, welcher, ohne approbirt zu sein, kurirt, in Strafe ver= / fallen soll. Jch halte also jenen Zusaß für überflüssig und trete, weil möglicherweise es der Fall sein fann, daß ein Arzt auch einem solchen „obrigkeitlichen Verbote“ unterworfen werden kann, dem An= trage auf Streichung bei. i

Justiz = Minister Uhden: Dem muß ich widersprechen. Es steht niht in dem Paragraphen : „unter allen Umständen“, sondern „wenn Jemand unbefugt gegen Belohuung Kuren unternimmt.“

Abgeordn. Grabow: Wie das geehrte Mitglied aus der Mark hon bemerkt hat, sind nah der vorgelegten Fassung des §. 250 un= bedingt zwei Fälle vorhanden. Gegen nicht approbirte Personen, die gegen Belohnung kuriren , soll Strafe eintreten, und gegen appro= birte Personen deun das Wort wer kann fih auf Aerzte und Nichtärzte beziehen möglicherweise ebenfalls. Jn dem Ausdrudcke liegt der Zweifel, der hier gehoben werden muß. Jh glaube, daß des „obrigkeitlihen Verbots“ zu erwähnen nicht weiter nothwendig ist, denn dies liegt shon in dem ersten Theile des Saßes, und etwas Ueberflüssiges braucht niht aufgenommen zu werden. :

Regierungs - Kommissar Bischoff: Es würde der Saß nicht er= forderlih sein, wenn man die Worte: „gegen Belohuung““ streicht. Wenn man aber diese Worte beibehält, so würden alle diejenigen unbestraft ausgehen, welhe ohne Konzession Kuren vornehmen und sich nicht dafür bezahlen lassen. ;

Abgeordn, von Auerswald: Und Niemanden schaden. :

Abgeordn. Dittrihh: Jch habe die Bestimmung in Beziehung auf §. 194 dahin ausgelegt, daß ein rihterlihes Erkenntniß voran- gegangen scin müsse. Deshalb hielt ih dieselbe für nothwendig z nachdem der Herr Ministerial-Kommissar dieselbe aber weiter ausge- legt hat, halte ih sie für überflüssig und bin für Streichung des Paragraphen. # i :

Abgeordn, Fabricius : Wenn von mehreren Seiten eine ander- weitige Fassung des §. 250 beantragt ist, so schließe ih mich dem, indeß in einer anderen Tendenz, als der bisher hervorgehobenen, an. Jch kann nämlich die Streichung der Worte: „oder wer einem

besouderen obrigkeitlihen Verbote zuwider““, freilich nicht gerathen finden, weil ich unter der Bezeichnung obrigfeitliche nicht blos polizeiliche, sondern auch gerichtlihe Verbote verstehe, und deren Ausschluß offenbar viel zu weit gehen würde. Dagegen halte ih höchst bedenklih, daß in dem zweiten Alinea unter Unständen sogar das Zutreten von Pfuschern oder selbst von einem Verbote betrosse- nen Personen zugelassen zu werden scheint, indem damit dem Unfuge ein freier Spielraum eröffnet würde, wie mir z. B. dergleichen Fälle von Weibspersonen, die sih mit Abtreiben der Leibesfrucht befaßten, vorgekommen sind. Personen solchen Gelichters würde mit so einer Bestimmung schon die Gelegenheit zu nicht so ganz leicht zu beseiti= genden Ausflüchten gegeben werden. Mir scheint es also zweckmäßig, diesen zweiten Sah in einer zu unterstellenden Weise dahin zu re- stringiren, daß unter allen Umständen solche Personen von so einer Hülfsleistung ausgeschlossen werden, deren Treiben klar mit gemeiner Gefahr verbunden ist. : .

Marschall: Würde aus dieser Bemerkung ein Antrag auf Streichung des leßteu Sabßes zu folgern sein, oder is es eine bloße Gasungg- Seneztung? i S - ;

Abgeordn. Fabricius: Nein, ih wünsche gerade den zweiten Saß gesérft; wer keine Konzession hat, darf nie straflos bleiben fönnen.

Abgeordn. Camphausen: Jh kehre zu dem ersten Absaße zu- rück und zu dem Bedenken, welches von zwei Mitgliedern darin ge- funden worden is, daß die Bestimmung anwendbar erscheine auf die vorschriftsmäßig approbirten Aerzte, und zwar deshalb, weil am Ende der ersten Linié das Wort „wer“ wiederholt wird. Es würde die- ses Bedenken schwinden, wenn das Wort „wer“ ausgestrichen würde und es dann also hieße: „wer, ohne vorschristsmäßig appro= bixt zu sein, gegen Belohnung oder einem besonderen obrigfkeitlichen Verbote zuwider“‘; dann würde gar kein Zweifel mehr darüber he= stehen. Was nun die Sahe an si betri, so biu ih ebenfalls da- für, daß der Zwischensaß: „einem besonderen obrigkeitlichen Verbot zuwider“ gestrichen werde. Der hier ins Auge gefaßte Fall is ein- zig der der Wunderärzte, der Wunderkuren; wenn diese gegen eine Belohnung verrichtet werden, \o verfallen sie unter den Paragraphen, denn die Wunder- Doktoren sind keine approbirten Aerzte; wenn sie aber unentgeltlih verrichtet werden, so würde die Bestimmung eine Bevormundung darstellen, die ih für überflüssig halte. Daß dadurch ein Uebel entstehen kann, ein nactheiliger Zustand, das will ich nicht bestreiten, daß es aber zweckmäßiger sei, die Heilung des Zustandes von dem Uebel selbst zu erwarten, als der n das Recht zu ge- ben, in allen Fällen, wo sie es angemessen sindet, ein Verbot eintre- ten zu lassen, is der Grund, der mich bestimmt, für Streichung der Worte zu stimmen.

Abgeordn. Frhr. von Gudenau: Jh muß mi für Beibehaltung dieser Worte aussprehen, und zwar aus den Gründen, welche der Referent angeführt hat. Jh darf mir wohl au ein Urtheil darüber zutrauen, weil ich das Glück oder das Unglück gehabt habe, in mei= nem Kreise einen Wunderdoktor zu besißen, der einen Zulauf hatte, der ins Unglaubliche ging. Allerdings wurde zuleht die Heilung dur das Uebel selbst herbeigeführt, weil man sich überzeugte, daß die Kuren nichts fruchteten. Das geschah aber erst nah 6 Monaten, nachdem Tausende von Menschen gekommen waren, vergebliche Anstren- gungen und Geldopfer gebraht und bei der nassen Jahreszeit, statt geheilt zu werden, sich andere Krankheiten geholt hatten. Der Wun- derdoktor hat Belohnungen angenommen, aber auf eine \o pfiffige Art, daß es ihm nicht zu Ligen war. Die Verwaltung und die Behörden nisten zusehen, eben weil ihm nichts zu beweisen war. Die Sache is übrigens noh gut gegangen. Es sind keine Unord= nungen vorgekommen. Mir hat die Sache viel Mühe gemacht. Es ist aber nit zu leugnen, daß bei einem solhen Zusammenfluß von Menschen bedeutende Unordnungen mögli sind. Deshalb muß die Verwaltung Mittel haben, im äußersten Falle, wenn es durchaus nöthig wird, allzu argem Unfug zu steuern, ohne Rücksiht darauf, ob die Annahme einer Belohnung bewiesen werden kann oder nicht.

Abgeordn. Siegfried: Jh muß mich gegen das erklären, was mein Kollege aus dem Rheinlande ausgesprochen hat, weil dadur

eradezu abgeschnitten wird, p F Jemand der Anwendung einfa= j sogenannter Hausmittel befleißige, die do anerkannt häufig mit

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gutem Erfolg angewendet werden. Jh bin kein so großer Verehrer der sogenannten -Wunderdoktorenz es giebt aber do viele Fälle, in denen sie Nußen geshaff}t und gleichsam als Praxis der Wissenschaft gesagt haben: siehe, du bist auf einem Jrrwege! Wir sehen auch in einzelnen Fällen, daß sogenannte Wunderdoktoren von der Wissen- schaft die Anerkennung und die Bewilligung zur Praxis erhalten ha- ben. Jch darf hier auch die Homöopathie, die Priesnibsche Heil= methode nennen, die doch so viele Anhänger gefunden haben und \{werlich zu der Stufe der Ausbildung hätten kommen köunen, wenn ihnen von Hause aus so kategorisch feindlih entgegengetreten wäre z ich bin darum nit dafür, daß die Wissenschaft ein solhes Pri- vilegium erhalte, welches sich auch nicht cinmal mit ihrer Würde verträgt.

Abgeordn, von Byla : Die Gründe, welhe der Abgeordnete aus Preußen so eben angeführt, scheinen mehr für als gegen die Bei- behaltung der Worte: „wer einem besonderen obrigkeitlihen Verbote zuwider““, zu sprechen. Auch ih bin für Beibehaltung dieser Worte, jedoch aus einem anderen Grundez es fann leiht der Fall vorkom- men, daß ein nicht vorschriftêmäßig approbirtes Jndividuum scheinbar oder wirflich ohne Belohnung die Heilung äußerer und innerer Krankheiten unternimmt und dadur den größten Unfug anrichtet, wie uns bereits ein Abgeordneter der Rhein-Provinz einen Fall mit- getheilt. Ju einem solhen Falle muß im allgemeinen Jnteresse und namentlich auch im Jnteresse der approbirten Medizinal-Personen der Obrigkeit das Recht zugestanden werden, ausnahmsweise einem solchen Jndividuum, auch wenn es ohne Belohnung Heilungen unternommen, die Praxis bei Vermeidung der im §. 250 angedrohten Strafe zu untersagen. Die Abgeordneten, welche sich für Streichung der mehr= erwähnten Worte ausgesprochen, haben dem Prinzip nah ganz recht, indem sie hierdurch jede Willkür der Behörden ausschließen wollen, allein in der Praxis stellt si, wie hon gesagt, die Sache anders heraus, weshalb in dem vorliegenden Falle eine Ausnahme von der allgemeinen Regel wohl zu billigen.

Unter diesen Umständen dürfte §. 250 unverändert anzuneh- men sein.

Marschall: Wir können abstimmen. Soll auf Wegfall der Worte „oder, wer einem besonderen obrigkeitlihen Verbote zuwider“, angetra= gen werden? Diejenigen, welche für den Wegfall stimmen, würden es durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Erfolgt ziemlich zahlreich.) Jch bitte, die Zählung vorzunehmen. (Dies geschieht.) : Das Resultat der Abstimmung is folgendes: Mit Ja haben gestimmt 42 mit Nein 51.

Abgeordn. von Auerswald : §. 250 is gegen ärztliche Psusche- rei gerihtet, und ih erkenne dies als zweckmäßig an, glaube aber auh , daß er, abgesehen von dem bestrittenen, aber angenommenen Saße, seinen Zweck erreichen werde. Indessen glaube id doch, daß der Paragraph in vielen Landestheilen völlig illusorisch werden wird durch den Nachsaß, und trage daher auf Streichuug des leßten Satzes an.

Das zweite Alinea heißt :

„Diese Bestimmung findet jedoh keine Anwendung, wenn eine solche

Handlung in einem Falle vorgenommen wird, in welchem zu dem

dringend nöthigen Beistande eine approbirte Medizinalperson nicht

herbeigeshaft werden kann,“

Wenn dieser Saß keinen anderen Sinn enthielte, als den, wenn approbirte Medizinalpersonen nicht herbeigeschafft werden können, Zeder= mann, selbst auf die Gefahr einés Nachtheils, aber ohne Belohnung, zur Hülfe befugt fei, so hätte ih nichts dagegen. Wenn aber dieser Nachsaß auch auf Personen ausgedehnt wird, die es gegen Belohnung thun, so wird der Zweck des Paragraphen völlig illusorisch, die Pfu- shcrei in integrum restituirt. Jch erlaube mir, mi an die Mit- glieder der Versammlung, die auf dem Lande und in Gegenden woh- nen, wo die Aerzte Meilen weit hergeholt werden müssen, zu wenden mit der Frage, ob niht der Vorwand, der Arzt sei nicht herbeizu= hafen gewesen, nur zu häufig Plaß greifen dürfte? Ob nicht die übelverstandenen Juteressen ärmerer Kommunen, unterstüßt von dem Eigennub eines in der Nähe befindlihen Pfuschers, in unzähligen Fällen die Hèrbeischaffung des entfernten Arztes für unzulässig halten werden ? Jch glaube, daß der Nachsaß, wenn er nicht gestrihen wird, eine Beschränkung dahin erleiden muß, daß es heiße :

„Diejenigen, welche ohne Belohnung 2c.“

Vice-Marschall Abgeordn. von Rochow: Zuerst muß ich bemer- fen, daß ih vorhin für Beibehaltung des in Rede stehenden Saßes gestimmt habe, aber nur in der Vorausseßung der Bemerkung des Herrn Kommissars zur Ausführung kommen werde, daß derselbe nur auf approbirte Aerzte Bezug hätte. Was nun deu Antrag des Herrn Abgeordneten aus Preußen betrifft, so halte ih es für bedenklich, die Bestimmung zu streichen, Daß solche Hülfe in dringenden Fällen gesucht und gewährt werden muß, wir® nicht bestritten werden können, nur wird nicht zu vermeiden sein, daß die Dankbarkeit desjenigen, dem geholfen worden ist, dahin führe, eine Belohnung zu geben. Wenn der Helfende hierauf deuunziirt würde, so käme er in Strafe. Deshalb wünsche ih, daß die Bestimmung stehen bleibe,

Abgeordn. von Saucken-Tarputschen : Jh stimme dem Gesag= ten im Allgemeinen bei, glaube aber doch, daß wir der allgemeinen Nächstenliebe nicht so viel vertrauen können, daß Jemand z. B. des Nachts bei rauher Witterung und bösem Wege Meilen weit, wie es in unserem Lande, wo an vielen Orten ärztlihe Hülfe fehlt, noch häufig vorfommt, reisen soll, ohue eine Entschädigung beanspruchen zu kön= nen, Die Abänderung des Paragraphen könnte sehr nachtheilige Folgen haben und manchen Armen ganz ohne Hülfe lassen ; ih trete daher der Ansicht bei, daß der Paragraph nicht abgeändert werde.

Marschall : Wir wollen ermitteln, ob der Vorschlag auf Weg= fall des leßten Alinea die erforderliche Unterstüßung findet.

(Er erhâlt sie nicht.) Er hat sie nicht gefunden. i

Abgeordn. Graf von Schwerin: Habe ih jeßt das Wort?

Marschall: Ueber denselben Gegenstand® Dann bemerke i, daß er keine Unterstüßung gefunden hat. :

Abgeordn. Graf von Schwerin: Die Absicht is, glaube ih, wohl nicht dahin gegangen, die Bestimmung ganz fallen zu lassen, sondern nur sie zu modifiziren. Das scheint auch zweckmäßig zu sein. Die Absicht is dahin gegangeu, daß durh den Nachsaß nicht die

Bestimmung des vorigen Sabes ganz aufgehoben werde. Man muß die Verhältnisse auf dem Lande ins Auge fassen, wo in schleunigen Tállen die Zuzichung von nicht approbirten Medizinal = Personen oft nöthig is, namentlih bei den oft vorkommenden cirurgishen Opera=- tionen, namentlich Aderlassen. Man muß aber den Saß sto stellen, daß nicht dem obrigkeitlihen Verbote zuwider und nicht, wo es ge= werbsmäßig betrieben wird, die Handreichung stattfinden darf. Jch n also, daß: die Absicht des Abgeordneten aus Preußen nur da= in gegangen is, den Sab so zu modifiziren, daß nicht die ganze Bestimmung des Vordersatzes aufgehoben werde. Abgeordn. von Auerswald: Dies war allerdings meine An- sicht, und ih würde einverstanden sein, wenn bei der Fassung berück- sichtigt wird, daß ein gewerbsmäßiger Betrieb niht ftattfin-

den dürfe. 14 Justiz - Minister Uhden: Durch die Fassung „gegen vor-

bedungene Belohnung“’ könnte vielleiht dem Antrage entsprochen werden.

Marschall: §. 251!

Referent Abgeordn. Freiherr . Mylius (liest vor) :

26. S0

Medizinal - Personen, welche in Fällen einer dringenden Gefahr ohne hinreihende Ursache ihre Hülfe verweigern, sollen, wenn in Folge der verweigerten Hülfe ein erheblicher Nachtheil für den Kranken entsteht, der Befugniß zur ferneren Praxis für immer oder auf Zeit verlustig erklärt werden.

In milderen Fällen is der Richter ermächtigt, auf Geldbuße bis zu fünfhundert Thalern zu erkcunen.““

Das Gutachten lautet :

U C NOL,

Es ward der Antrag gestellt, dun Paragraphen zum Wegfall in Vorschlag zu bringen.

Denn es sei eine solhe Sträfbestimmung gegen Aerzte, deren Beruf in der Ausübung eines freien Gewerbes bestehe, keineêweges motivirt, wie denn Andere, namentlich Advoïaten und Notarien, deren Beruf eine bestimmte Wissenschast und Kenntniß, in gleicher Weise wie dies bei den Aerzten geschche, vorausseße, mit keiner ähnlichen Strafbestimmung bedroht worden ; dann sei auh die Begriffsbestim- mung desjenigen, was hier eigentlich verboten worden, viel zu unge- nau, indem die Beurtheilung, was „dringende Gefahr“, „ohne Ur= sache verweigerte Hülfe“ und „als Folge derselben entstandener er= hebliher Nachtheil sür die Gesundheit sei“, durch Strafrichter nicht füglich erfolgen könne; endlih auch sei die Bestimmung unnüß, in- dem das Publikum sich gegen gewissenlose Aerzte selber sicerstelle, namentli wenn die Disztplinargewalt des Staates die Galle der Sorglosigkeit oder Pflichtwidrigfeit konstatire. i

Die Abtheilung ließ sich jedoch hierdurch nicht bestimmen. Sie berücksichtigte, daß der Schuß des Publikums, namentlich der Schuß unvermögender Kranken, Strafbestimmungen wie die vorgeschlagene nothwendig mache, daß aber in Gegenden, wo noch Mangel an Aerzten sei, eine jede Verweigerung eines um semen Beistand ersuch- ten Arztes, wegen der nicht zu vermeidenden erheblichen Nachtheile, immer als eine Pflichtwidrigkeit erscheine.

Sie bat daher den Antrag,

den g. 251 zu streichen, .

mit 13 gegen 2 Stimmen und einen ferneren Antrag, den lebens=- länglichen Verlust der Praxis als Strase wegsallen zu lassen, mit gleiher Majorität abgelehnt, indem sie hier erwog, daß bei der großen Gefäßrlichkeit ärztliher Pflichtwidrigkeit die Untersagung der Ausübung des ärztlichen Berufes das einzige sicher wirksame Mit- L He E e

Jch wiederhole hier den Autrag, den Paragrapden tin Wegfall zu bringen. Hauptsächlich war gegen denselben angeführt worden, daß sich das Vedürfniß herausgestellt habe, cinen folchen Paragra=

| phen in das Geseß aufzunebmenz ih glaube aber, daß ein solches

Bedürfniß nicht vorliegt. Jch beziehe mich namentlich darauf, daß, wenn cin solches Bedürfniß vorläge, es auch im Wesen der Sache begründet wäre. Alle übrigen Gesetgebungen, nameutlich die srau- zösische, baben das Bedürfniß nicht anerkannt, und ich glaube, day es die deutsche ebenfalls uicht anerfennen wird. Jch gebe zu erwa gen, daß an einer anderen Stelle des Geseßes daraus Bezug genom= men is, daß gerade die Standesverhältnisse ein bejond.res Zarkge fühl in Anspruch nehmen, und daß gerade die Rücksicht auf die gau- zen Ständen, nämlich zu gemecinschaftlichem Berufe verbundenen Per= sonen schuldige Achtung, der Grund sei, weshalb, wo diese Achtung verleßt, jedes der Standes - Mitglieder eine Klage . erheben dürfe. Wenn ein solches Zartgefühl in Bezug auf bestimmte Stände existirt, soll uns das nicht abhalten, wären auch einzelne Pflichtwidrigkeitcn vorgekommen, auh den ganzen Stand der Aerzte mit einer solchen Strafe zu bedrohen? Jch bitte zu erwägen, daß der Stand der Aerzte auf wissenschaftlihem Boden steht, und, abvgeschen von der Achtung vor dem Stande, auch die Achtung vor der Wissenschaft uns abhalten möge, die deutsche Wissenschaft in Deutschland geringer zu stellen, als es das Ausland gethan ÿat. : e Abgeordn. Keumann: Jch trete zunächst allem demjenigen bei, was der Herr Referent so eben ausgeführt hat, und erkläre mih für sten gänzlichen Wegfall des §. 251, weil ih glaube, der Humanität unserer Aerzte vertrauen zu können, daß es einer solden Strafbe= dimmung, welche seither nicht existirt hat, für sie nicht bedürfe. Wenn gessenungeachtet dieser Antrag auf gänzliche Entfernung des Para- braphen niht zur Geltung gelangen sollte, so würde ih mir erlau den, auf das wieder zurückzugehen, was schon früher in eimer der Sitzungen, wo man sich mit einem ähnlichen Gegenstande beschäftigte, hier bestimmt worden is, und was sich auf gleichartige Fälle bezog, indem es sodann zur Frage kommen muß, ob die Eutziehuug der Befugniß zur Praxis auf immer oder auf Zeit gerechtfertigt jet. Dies muß ich bestreiten. Es is schon damals von mir auszusühreu versucht worden, daß der Arzt dem Staate gegenüber nicht in dem Verhältnisse steht, daß es gerechtfertigt wäre, thm die Praxis ganz oder theilweise zu entziehen, weil er zunächst nur Privatperjon und Mann der Wissenschaft is, der nur seine Qualification dem Staate zu erweisen hat, der sich im Ucbrigen seiner weiter mch? annimmt. Es fönnen nun allerdings Rücksichten mancher Art eintreten, die es für den Staat wünschenswerth machen, eine Bestimmung, wie die hier in Rede stehende, zu treffen; aber ih erinnere au dasjenige, was der Herr Referent bereits gesagt hat, wie bedenklich es set, einen ganzen Stand, und zwar einen ganzen Stand aus wissenschaftlich ebildeten Mäunern bestehend, hier unter ein solhes Strasgejeß zu stellen. Weun aber auch dies nicht zur Geltung gelangen und eine Strafbestimmung erlassen werden sollte, so muß 1h endlich noch dar- auf aufmerksam machen, wie höchst unbestimmt die Fassung dicser ganzen Bestimmung überhaupt is. Wie soll der Richter beurtheilen, ob eine dringende Gefahr vorhanden war, wie fann es der Arzt selbst zu der Zeit, wenn er gerufen wird, wissen? Wie kann der „erhebliche Nachtheil““ einen Einfluß auf die Bestrafung haben, da feine Strafe dohch von dem Erfolge allein abhängen darf, und warum soll es denn dem Richter überlassen sein, zu beurtheilen, ob vielleicht ein milderer Fall vorhanden gewesen sei? Worauf wollte dieser sein Urtheil grün- den? Jh würde also zunächst mit dem Herrn Refereuten auf Strei- chung des Paragraphen antragen, dann würde ich einen besonderen Antrag dahin richten , daß die Entziehung der Praxis auf Zeik oder für immer ganz in Wegfall gebracht würde, und endlich pte id wenigstens für eine angemessenere Fassung der ganzen Vorschrift immen. : l Regierungs - Kommissar Bischoff: Ib habe Folgendes zu be- merken. Zunächst is gesagt worden, es würde das Zartgefühl des Standes verlebt, wenn die Bestimmung aufgenommen würde. Gerade die Aerzte baben besondere Pflichten , sie stehen zum Gemeinwesen in einem analogen Verhältnisse, wie die Beamten, und wie über die Verbrechen der Beamten Bestimmungen in das Geseß aufgenommen werden, ohne in Ansehung dieses Standes derartigen Bedenken Raum zu geben, glaube ih au, ie Hine besorgen zu dürfen, einen ehreu- werthen Stand zu verleßen, die Geseßbgebung, wenn sie andererseits Veranlassung zu solchen Bestimmungen findet, befugt und verpflichtet ist, dasselbe auch in Ansehung ter Aerzte zu thun. Sodann is ge- sagt worden, es fände sich diese Bestimmung in der bestehendeu Ge-

seggebung nihtz man hat bezweifelt, ob genügende Veranlassung zur Aufnahme derselben vorhanden sei. Allein es hat sih die Veran- lassung dazu dur die Erfahrung ergeben; es hat das Medizinal- Departement mehrere Fälle dieser Art angezeigt; in Folge dessen hat man diese Bestimmung aufgenommen, man is zu derselben dur das Bedürfniß nicht auf dem abstraktem Wege der Doktrin gelangt.

Ferner i erwähnt worden, es sei die Bestimmung ungenau, ohne Gränzen. Jndessen glaube ih, daß der Thatbestand des Ver- gehens, als solcher, deutlih angegeben is, das Weitere muß dem Richter überlassen bleiben; er wird am besten ermessen, inwiefern der Fall des Paragraphen vorliegt. Jun vielen Fällen lassen si die faftishen Gränzen eines Vergehens niht zum voraus genau prazt= sirenz es muß mehr oder weniger dem richterlichen Urtheil vertraut werden.

Endlich i gesagt worden, es stände dem Staate überhaupt nicht zu, einem Arzte die Praxis zu untersagen. Jndessen bemerfe id, daß darüber die bestehende Gesetzgebung gar niht in Zweifel ist. Die Aerzte gehören zu den Sewerkieribeudan, welche vom Staate

ihre Approbation und Konzession bekommen, sie können _sie unter gewissen Umständen verlieren, sie kann ihnen 1m Ver- waltungêwege entzogen werden. Gerade aber, weil dies der

Fall ist, könnte nur noch die Frage entstehen, ob es überhaupt im Kriminalrechte einer solchen Bestimmung bedürfe, und deshalb bitte ih um Erlaubniß, auf das besteheude Recht in dieser Beziehung nä-= her eingehen zu dürfen, Die neue Gewerbeordnung vom Januar 1845 sagt im §. 42: : „„Aerzte, Wundärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Geburtshelfer, Apo- theker und Unternehmer: von Privat-Kranken- und P: ivat-Jrren- Anstalten bedürfen einer Approbation dcs Ministeriums- der Medi- zinal-Angelegenheiten.“ Hiernähst wird weiter im §. 71 über den Fall Bestimmung getroffen, wo diese Personen der Konzession verlustig gehen sollen, und da heißt es: E „Die in den §g. 42 bis 55 erwähnten Konzessionen, Approbationen und Bestallungen können von der Verwaltungsbehörde zurückgenuom- men werden, wenn die Unrichtigkeit der Nachweise dargethan wird, auf deren Grund solche ertheilt worden, oder wenn aus Handlun- gen oder Unterlassungen des Jnhavers der Mangel der erforderli- hen und bei Ertheilung der Konzession u. st. w. vorausgeseßten Eigenschaften klar erhellt. Jnwiefern durch die Handlungen oder Unterlassungen eine Strafe verwirkt if, bleibt der rihterlichen Beur- theilung überlassen. ““ :

Es ijt also in diesem §. 71 gesagt worden, daß, wenn sih spä- ter ergeben sollte, es hätten diese Personen nicht die vorausgeseßten Eigenschasten, alsdann die Disziplinarbehörde ihnen die Approbation entziehen fann. Unter dem Ausdruck vorausgesebte Eigenschaften ‘“ werden zunächst und hauptsächlich nur die tehnischen Eigenschaften zu verstehen sein, so daß es sich vorzugsweise darum handeln wird, ob derjenige, welher die Approbation erhalten hat, auch wirkli in- telligent, ob er fähig is und Erfahrung genug besitzt, die Kunst aus- zuüben, Andererseits läßt sich behaupten, daß des auch auf die für die Ausübung des Berufs vorausgeseßten moralischen Eigenschaften in dem Sinne würde ausgedehnt werden könuen, daß einem Arzte, welcher seinen“ ihm bei der Approbation in dieser Hinsicht ausdrücklich auferlegten Verpflichtungen entgegenhandelt, also namentlich die ver- langte Hülfe nicht leistet und dies mehrfach unterläßt, alsdann auch aus diesem Grunde die Approbation entzogen werden könnte. Allein jedenfallc is gewiß, daß in Folge einer einzeln stehenden Haudlung der leßteren Art die Disziplinarbehörde sih nicht veranlaßt finden könnte, die Approbation zurückzunehmen; es würde immer das Habituelle als Bedingung vorausgeseßt werden müssen, und Letzteres wird gewöhn= lih sich nicht mit Bestimmtheit darthun und nahweisen lassen. Es entsteht also die Frage, ob es nicht gewisse Fälle dieser Kategorie giebt, wo, abgesehen von der Disziplinargewalt und dem Disziplinar= verfahren, das Geseß ausdrülich sagen muß, daß unter gegebenen Vorausseßungen der Arzt der Praxis auf Zeit oter für immer ver-= lustig gehen müsse. Auch in dieser Hinsicht waltet cine gewisse Ana- logie zwishen Beamten und Acrzten ob. Jn Ansehung der Beam=- ten ist im Entwurfe angenommen, daß über Disziplinarvergehen der Beamten keine Bestimmung in das Strafgesexbuch ckufzunehmen sei; es sind nur einzelne besonders schwere Fälle im Entwurfe unter. cine ausdrüdcklihe Strafe gestellt und dem Kriminalrichter überwiesen. Aehnlich verhält es sich in Ansehung der Aerzte. Was den Fall betrifft, der im §. 251 vorausgeseßt ijt, so glaube ih, daß in der Beschrän= fung, wie die Bestimmung hier gefaßt is, es kein Bedenken haben fann, den Fall unter eine strengere Strafe zu stellen und der richter=- lihen Beurtheilung zu überweisen. Denn erstens wird vorausge= seßt dringende Gefahr , zweitens, daß der Arzt ohne alle hinrei- hende Ursache die Hülfe verweigert hat, und endlich drittens, daß in dem Falle der verweigerten Hülfe ein erhebliher Nachtheil für den Kranken wirklich entstanden is. Das if der Thatbestand, der im Geseße vorausgeseßt wird. Nimmt man noch dazu, daß in milderen Fällen Geldbuße ohne Minimum zulässig ist, #o glaube ih, daß es kein Bedenken haben kann, den Paragraphen anzunehmen.

Abgeordn. Zimmermann: Vor nicht langer Zeit haben wir von der Ministerbank gehört, daß der Arzt in die Kategorie der Beamten nicht zu stellen sei, auf der anderen Seite aber hören wir heute aus demselben Munde unter Bezugnahme auf andere Gesetze, daß die Disziplinarbefugniß der Behörden \o weit gegen den Arzt gehe, daß ihm die Approbation und damit die Praxis auf immer ent-= zogen werden kaun. Jch kann dies nicht für einen erfreulichen Zu- stand unserer .Geseßgebung halten. Die Reglements über die Prü- fungen der Aerzte sind so ausführlich, so gründlich, geben so strenge Bestimmungen über den Nachweis der Qualification, daß, sobald der Staat dem Arzte einmal die Approbation verlichen hat, durch die er ihn eben verpflichtet und berechtigt hat, bestimmte Obliegenheiten zu erfüllen, ihm eine solche Befugniß nicht im Disziplinarwege entzogen werden dürfez ih bin vielmehr der Meinung, wenn der Arzt sich nur geseßlih bewegt , daher keiner der Fälle eintritt, die im Strafrecht positiv vorgesehen sind, ihm die Approbation im Disziplinarwege niht entzogen werden darf. :

Die Entziehung solcher Rechte, die Jemand unter der Garantie des Staats erworben hat, die ihm die Mittel gewähren sollen, sich und den Seinigen den Lebens-Unterhalt zu verschaffen, kann uur durch das Strafrecht ausgesprochen werden, nicht durch Disziplinargewalt, Durch die Approbation wird die ganze Lebeusbahn bestimmt, durch Entziehung der Approbation wird sie gänzlich gestört. Was aber den speziellen Fall des §. 251 anlangt, so seht derselbe sür eine be- stimmte Fahrlässtgkeit eine besondere Strafe fest, wo der Ärzt scine Pflichten unter gewissen Bedingungen verabsäumt. Es fragt sich nun: Kann der Arzt überhaupt fahrlässig handeln und dadurch Scha- den anrichten? Diese Frage is unbedenklih zu bejahen, und es fragt sich nur ferner, ob unsere allgemeinen Gesetze diesen Fall hinreichend vorgesehen haben? Und diese Vorsicht finde ich im vorliegenden Ent- wurfe in dem §. 249 auf das vollkommenste beachtet; denù dieser Paragraph sagt ganz allgemein :

O durch Fahrlässigkeit- einen Menschen körperlich verleßt oder

avi Gesundheit beshädigt, soll mit Geldbuße bis zu

Ei ert Thalern oder mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu nem Jahre bestraft werden.

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Diese Bestrafung soll nur auf den Antrag des Verleßten statt- finden, insofern die Verleßung nit mit Uebertretung einer Amts- oder Berufspfliht verübt worden ist.“

Hieraus folgt, daß auch die Fahrlässigkeit des Arztes keineswe= ges straflos bleibt. Es entsteht daher die weitere Frage: Jst es nothwendig, für den im §. 251 angedeuteten speziellen Fall besondere Strafbestimmungen zu treffen und dem ärztlichen Personal also be= sondere Pflichten aufzuerlegen? Eine solhe Nothwendigkeit seßt der Entwurf voraus, und es is nur zu bedauern, daß die mangelhaften Motive uns so wenig Auskunft über ihre Begründung geben.

(Allgemeines Murren:)

Jx, meine Herren, die Motive sind bei diesem Entwurfe höchst dürftig.

(Wachsendes Murren, o, 0!)

Meine Herren, cine entgegengeseßte Meinung, die mir auf dicse Weise ausgedrückt wird, muß ih mir zwar gefallen lassen, sie is aber niht geeignet, meine Ueberzeugung zu ändern.

__ Das vorliegende Geseß enthält im §. 251 zuvörderst mehrere Bedingungen, unter welchen die Fahrlässigkeit des Arztes besonders straffällig sein soll. Erstens. wird dringende Gefahr vorausbedingt, also eine Gefahr an und für sih selbs is nicht hinreihend, woraus leiht gefolgert werden fann, daß bei einer Gefahr an und für sih eine strafbare Fahrlässigkeit nie eintreten könne. Wo aber liegt die Gränze einer Gefahr und einer dringenden Gefahr? Alles liegt hier offenbar in der subjektiven Ucberzeuguug des Richters. Allein dieses ist nicht die einzige Schwierigkeit, über welche sih allenfalls hinweg= _kommen ließe, da für die Beurtheilung solcher technishen Fragen die Medizinal-Kollegien , in höherer Justanz die wissenschaftliche Deputa= tion vorhanden ist. Wie \hwankend aber auch hier die Beurtveilung einzeluer Fälle ist, dafür führe ich einen in neuerer Zeit vorgekom= menen Fall an, in welchem das Medizinal - Kollegium erklärt hatte, daß cin Versehen stattgefunden, wogegen die wissenschaftliche Depu- tation erklärte, daß gar kein Versehen vorlicge. Der Arzt soll aber ferner ohne hinreichende Ursache die Hülfe verweigert haben! Was

ist hinreichende Ursache, und wie soll sie der Richter prüfen? Wenn der Arzt, in der Erfüllung seines Berufes körperlich erschöpft, sich der nächtlichen Ruhe hingiebt, aus tiefem Schlafe augenblicklih geweckt wird und nah der Shwäche der menshlichen Natur sofort wieder

in Schlaf versinkt, so kaun völliges Vergesscn eintreten. (V! D

Wird das bezweifelt, mcine Herren, so beziche ih mich auf die allgemeine Erfahrung, daß ein Mensch unter solchen Umständen von plöplih vorübergehenden Ercignissen am folgenden Tage häufig feine vollständige Erinnerung hat. : S (Heiterkeit) Es wird fexner verlangt: der Arzt müsse seine Hülfe positiv verweigern, als ob nicht eine grobe Vernachlässigung auch ohne alle Wei- gerung leiht möglich wäre. Endlich soll aus der verweigerten Hülfe ein erhebliher Nachtheil entstanden scin. Jch frage, welche höchst zweifelhafte Folgerung cs sein muß, wenn bewiesen werden soll, taß der nachtheilige Erfolg gerade die Folge dieser Vernachlässigung ge= wesen sci. Aus allen diesen Gründen geht hervor, daß, wenn das Strafgeseß die Fahrlässig“eit des Arztes an und für sih bestcaft, fein hinreichendes Bedürfniß vorhanden is, daß ein besonderes Straf= geseß erlassen werde, welches so prekäre Bestimmungen wie die vor- liegenden enthält. Daß aber das vorliegende Geseß alle Strafen des §. 251 bereits enthält, erlaube ih mir fürzlich zu rcassumiren. Der vorhergehende Paragraph seßt auf Beschädigung der Gesund- heit aus Fahrlässigkeit eine Strafe von-200 Rthlri: oder Gefängniß bis zu einem Jahre fest, der vorliegende §. 251 verördnet außerdem den Verlust der Befugniß zur Praxis auf Zeit oder auf immer. Der §. 254 dagegen bestimmt in dieser Beziehung: Wenn bei einer vorsätßlih verübten Körperverleßung der Thäter die ihm vermöge seines Amtes, Berufes oder Gewerbes obliegenden besonoeren Pflich= ten übertreten hat, so solt derselbe zugleih seines Amtes entseßt oder der Befugniß zur selbstständigen Betreibung seiner Kunst oder seines Gewerbes auf Zeit oder für immer verlustig erklärt werden.“ Auch bei fahrlässig verübten Körperverleßungen kann, wegen Verleßung des besonderen Amts- Berufes oder der Gewerbspflichten, zugleih auf Amtsentseßung oder auf zeitigen oder immerwährenden Verlust der Befugniß zum selbstständigen Betrieb der Kunst erkannt werden, weun entweder besonders ershwerende Umstände vorliegen oder der Thäter sich im Rückfalle befindet. Hiernach finde ih, daß in dem vorliegenden Gescß-Entwurfe auh den erheblichen Fällen, die in §. 251 fallen können, hinlänglich vorgesehen ist, und ih muß des- halb die Streichung des §. 251 ebenfalls in Antrag bringen. Abgeordn. Camphausen: Jch habe aus der Ausführung des Herrn Regierungs - Kommissars nicht cntnehmen können, daß diese Strafbestimmung bereits im bestehenden Rechte eine Stelle gefunden habe. Sie ist nicht aufzufinden, im Allgemeinen Landrehtez sie ist nicht im rheinishen Rechte aufzufinden, und es is nur nachzuweisen versucht worden, daß gewisse Bestimmungen in den bestehenden Ge- seßen enthalten seien, die es zulassen, einen solhen Paragraphen auf- zunehmen. Es ist uns also ein vollständig neues Strafgesceß vorge- legt und deshalb der dringendste Grund vorhanden, zu fragen, ob Veranlassung dazu vorhanden, und inwiefern sie begründet sei? Daß cine solche Veranlassung nun vorliege, bestreite ih auf den Grund zahlreicher Mittheilungen und Aeußerungen, die mir gemacht worden sind; ih bestreite aber au, daß cs von der anderen Seite nachgewiesen worden. Das Einzige, was angefährt worden is, war, daß einige Fälle vorgekommen seien; ob diese aber der Natur waren, um in §. 251 zu passen, und ob, wenn sie dahin gepaßt hätten, es möglih gewesen wäre, sie durch §. 251 zur Strafe zu ziehen, darüber fehlt uns die Nachweisung, so wie uns überhaupt als Ma=- terial zur Beurtheilung der vorgelegten Strafgeseße cine Statistik, wie ih hon beianderer Veranlassung erwähnt babe, gänzlich fehlt. Es würde be= sonders in dem Falle, wo ein neues Vergehen in das Strafgesetbuch aufgenommen werden soll, für uns Alle erforderlich sein, daß uns auch genau dargelegt werde, wie eigentlih ter thatsächlihe Zustand im Lande is, damit wir nicht auf die allgemeine dunkele Vorstellung eines Bedürfnisses hin eine so wichtige Bestimmung treffen. Jch habe aber einen Beweis dafür anzuführen, daß eine dringende Ver- anlassung bisher nicht vorhanden gewesen is. Aus der Ueberschrift oder Seitenbemerkung des Allgemeinen Landrechts zu den §. 505—508 Titel 29 zweiten Theils, welche von Personen handeln, die, ohne Offizianten zu sein, dem Gemeinwesen besonders verpflichtet sind, und wozu auch die Aerzte gehören, aus dieser Ueberschrift hat die Ver- waltung das Recht sich zugemessen, die Aerzte einem disziplinarischen Verfahren zu unterwerfen. Sie hat in vielen Fällen unbedenklich dieses Recht und eine Strafgewalt ausgeübt. Wohlan, dazu ist die Verwaltung noch nicht geïommen, für die im §. 251 vorgesehenen Fälle eine Strafverordnung zu erlassen; eine solche besteht nicht. Wäre aber Veranlassung zu diesem Paragraphen vorhanden, so wird man zugebén müssen, daß er in der vorgeschlagenen Art den Zweck nicht erreihen faun, daß er unausführbar sei. Und in weiterer Ent- wickelung der Bemerkungen, die bezüglich hierauf hon vorgetragen wor- den sind, bitte ih, noch einige Worte Es zu dürfen, und zwar zuerst hinsihtlich des Ausdrucks „dringende Gefahr.“ Unter hundert Fällen, wo der Arzt gerufen wird, findet er nicht fünf, bei denen

wirkliche Gefahr im Verzuge vorhanden war. Wo ein Schlagfluß

angekündigt war, findet er Ohnmacht oder Krampf, wo Unterleibsent- zündung angekündigt war, findet er häufig eine Kolik.;

N i (Gelächter.)

Die Beurtheilung der Dringlichkeit geht nur von dem Kranken oder von der Familie oder von dem Rufenden aus. Es müßte dem Arzte, wenn der Billigkeit genügt werden soll, die Dringlichkeit der Gefahr nahgewiesen werden. Häufig verweigert der Arzt aus Gründen zum Besten der Kur, namentlich bei Damenkrankheiten und bei solchen, die mit der Gemüthsstimmung zusammenhängen, auf jeden Ruf zu erscheinen, weil er zu erfennen geben will, daßer den Fall nicht bedenklih erahte. Wenn nichtsdestoweniger ein unvorhergesehener Umstand, cine plötzliche Verschlimmerung eintritt, soll der Arzt die Schuld tragen? Der Ausdruck. „dringende Gefahr“ zwingt den Richter, in die schwierigsten Fälle der Wissenschaft einzugehen. Ueber die Frage, ob beim Shlagflusse eine augenblicklihe Blutentziehung eintreten müsse, ob bei {chwerer Kopfverlebung Trepanation erforderlich sei, darüber bestehen unter den Sachverständigen entgegengeseßte Ansichten. Wenn aber der Beweis gelicfert worden wäre, daß eine dringende Gefahr vorhanden war, so müßte auch noch der Beweis geliefert werden, daß der Arzt daran geglaubt hat, oder daß er nah der Eigenthümlichkeit und nah den Mittheilungen des Rufenden daran glauben mußte. Die Schwierigkeiten steigen dur die Bedingung, daß cin „erheblizer Nachtheil“ für die Gesundheit entstanden sein mußz man braucht nur wenigen Gerichtsverhandlungen beigewohnt zu haben, um sich zu überzeugen, day es unendlich s{wierig is, durch. Aerzte die Nachtheile olne Widerspruch feststellen zu lassen, welche Folgen einer Verleßung, einer Krankheit, eines Vergiftungs-Versuches gewesen sind. Jh kann mih wegen dieser Schwierigkeiten niht nur auf alle Richter, sondern auch auf die Redaktoren des Geseßentwurfes selbst berufen und cr=

wähne nur, daß man z. B. bei §. 233 diese Schwierigkeiten hat durchhauen müssen, indem dort ®gesagt ist: „Der Thatbestand der Tödtung i als vorhanden anzunehmen, ohne Rücksicht darauf, ob der tödtlihe Erfolg ciner Verleßung durch zeitige und zweckmäßige Hülfe hätte verhindert werden können, oder ob eine Verleßung dieser Art ín anderen Fällen durch Hülfe der Kunst geheilt worden, ius gleihen ob die Verlegung nur wegen der eigenthümlichen Leibes=- beshaffenhcit des Getödteten oder wegen der zufälligen Umstände, uuter welchen sie zugefügt wurde, den tödtlihen Erfolg gehabt hat.“ Jn diesen Worten is das Bekenntuiß niedergelegt, daß es unendliche Schwierigkeiten hat, cinen Prozeß zu Eude zu führen, wobei der Nachweis geliefert werden muß, inwiefern erheblihe Rachthcile ent- standen sind aus einer bestimmten Ursache, oder inwiefern sie auch aus einer anderen Vergulassung haben entstehen kfönneu. Um über diesen Berg hinüber zu kommen, hat man sih im §. 233 entschlossen, gar keine Nücfsiht darauf zu nehmen. Jch hätte über den dritten Ausdruck „hinreichende Ursache“ noch das zu sagen, daß es hart is für den Arzt, wenn von ihm verlangt “werden joll, daß er beweise, eine hinreihende Ursache gehabt zu haben, während der Regel nach die Anklage zu beweisen hätte, daß er keine hinreichende Ursacbe hatte. Wenn der Arzt sich unwohl fühlt und das Haus hüten will, da=- mit nicht aus einem kleinen Uebel ein größeres werde, wie soll er es vor dem Richter beweisen, wenn er geglaubt hat, sich selbst hel= fen zu können, und deshalb feinen anderen Arzt benußte? Soll es als hinreichende Ursache angesehen werden, wenn der Arzt sich er=.- chöp}t, ermüdet, wenn er sich abgestumpfst fühlt? Soll es als hinreichende Ursache angesehen werden, wenn der Arzt dem Rufe wegen angeblich dringender Gefahr nicht folgt, weil er zugleih von einer Familie gerufen wird, deren Arzt er seit langen Jahren ist und die großes Vertrauen in ihn sezt, obgleih in dem Augenblicke in dieser Familie keine dringende Gefahr vorhauden is? So viel zur Bestätiguug der aufgestellten Behauptung, daß die Strafbe= stimmung des §. 251 in der Praxis ungemein {wer ausführbar sein wird. Man möge mir nun nicht einwenden, daß die Schwierigkeit des Beweises auch die Gefahr für den Arzt vermindere, GerueiRet zu werdenz ih finde darin nur cinen Grund dafür, auf deu Para=- grapheu überbaupt zu verzihten. Wenn das Bedürfniß wirklih und dringend besteht, so muß es auh möglich sein, ein Strafgeseß zu fassen, welches Sicherheit dagegen gewährt, und wodurch es mög= lich i, die Handlung zur Strafe zu ziehen. Wenn eine solche Strafbestimmung nicht getroffen werden kann, wenn mau sie für nit möglich erklärt, so ist das ein Beweis, daß das Bedürfniß sich nicht dringend herausgestellt bat, jedenfalls i es ein Grund dafür, daß man lieber auf ein Strafgeseb verzichten soll, als daß man cin solches in die Welt seßt, welhes nur die Folge hat, anklagen, aber nicht die Folge, verurtheilen zu können. Dazu habe ih eben zu be- merken, daß nicht blos die Gefahr wegen der Verurtheilung die= jenige is, welche die Aerzte zu beanstanden haben, sondern vor allen Dingen die Gefahr, auf Grund einer folchen Bestimmung in An= klagezustand geseßt zu werden. Ferner aber kann es den Aerzten des Landes nicht gleichgültig sein, ob ein unmotivirtes, überflüssiges und exceptionelles Strafgeseß gegen sie in das Strafgeseßbuh des Landes aufgenommen werde; ein Strafgeseß, welhes gewissermaßen ein Zeugniß für die gesunkene Sittlichkeit im ärztlihen Stande ents hält, und diesem Gefühle muß ih es zuschreiben, daß beinahe alléê Aerzte der Rheinprovinz, unter ihnen unsere berühmtesten Namen, unter ihnen der Regierung befreundete Beamte, unter ihnen die Professoren unserer Universitätsstadt, sich an mich gewendet haben, um der bedrohten Ehre ihres Standes in Jhrer Mitté das Wort zu reden. Meine Herren, man macht häufig den constitutionellen Kammern anderer Länder den Vorwurf, daß sie sich vorzugsweise mit den Jnteressen derjenigen beschäftigeit , die in ihrer Mitte sißen. Einen folhen Vorwurf wird matt den ständishen Versammlungen in Preußen niht machen, abeë wir haben doppelten Grund, uns davor zu \s{hüßen, weil vielé Stände, viele Klassen der Gesellschaft unter uns nicht vértretén sind und nicht vertreten werden können. Es sigt kein Arzt untér uns; ek kann unter uns nicht sißen, (Unruhe in der Versammlung)

wie hoch er auch an Bildung, wie hoch er auch in der Achtung feiner Zeitgenossen stehe , den einzigen Fall ausgenommen, wo er stch dert Besiß eines bevorrechteten Grundeigenthums verschafft hat. Nichks= destoweniger ist der ärztliche Stand auch ein Stand, und zwar tin ehrenwerther Stand, ein Stand, der im anderen Sinne auch seïté Verfassung, der seine ständisben Rechte und seine Standesehré hat. g. 951 greift diese Verfassung an, El greift die ständischen Réchké der Aerzte an, er greift ihre Standeschre an, Alles Worte, welche sonst den lebhaftesten Auklang stunden, wenn sie in unserer Mitte ads gesprochen werden. Wenn daher §. 251 auch wirklich ausführbar wäre, so würde uns doch die Frage entgegentreten, nach dem Rechte der Gesellschaft eine solche Strafbestimmung zu erlassen, und eîn solhes Recht bestreite ih. Wenn man den Eid anführt, ben die Aerzte bei Antritt ihres Berufes abzulegen haben, und worn es loben, rüdjihtslos bei Tag und Nacht zu helfen, anktwökte ih,“ welcher Unterschied besteht zwischen einer solchen sittlichen Berpflich- tung und einem Strafgeseß, wie es hier vorliegt, und wodur einem jeden Bürger des Staates das Recht eingeräumt werden soll, dén Arzt zu zwingen, thm Hülfe zu leisten und ihn in Anklagestand zu verseßen, wenn er es nicht thätez welcher Unterschied, ob der Arzt im Gefühle seiner F erfüllt von Eifer für die leidende Mensch=- heit, seinem Berufe folgt, oder ob, wenn er in der Nacht zu einem