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Liegt das in diesen Worten? Dies ist nit der Fall, und die De=- finition, die in deu Pandekten sich befindet, und aus denen jene Defi=- nition niht übersegt, sondern abgeschrieben ist, heißt: „,con- trectatio rei fraudulosa lucri facicndi gratia“. Hat man also das Wort fraudulosa buchstäblich aufgenommen, folglih dessen Sinn niht ändern wollen, so frage ich: Hat in dem römischen Rechte der bloße Ausdruck „„fraudulosa“ die Bedeutung der gewinnsüchtigen Absicht? Jch sage: Nein, denn es steht hinterher : „lucri faciendi gratia“, also erst eine neue, davon verschiedene, zu= säblihe Bestimmung sagt, daß die contrectatio nicht nur frau- dulosa, sondern noch überdies lucri faciendi gratia geschehen sein müsse. Was liegt also darin? Die contrectatio fraudulosa sagt: Hinwegnahme der Sache im Bewußtsein des Unrehts. Das ist fraus, so viel wie dolus, das heißt die rechtswidrige Absicht, welche man also in dem römischen Rechte durch: „„fraudulosa“ ausdrüdte. Durch die in dem Entwurf gewählte Fassung is} es entbehrlich ge= worden, die Präsumtion auszusprechen, die das Landrecht für noth- wendig gefunden bat, und so glaube ich, daß die vorliegende Begriffs- Bestimmung hinreichend gerechtfertigt ijt. Indem also die rehtêwi- drige Absicht ausgesprochen is, wird dadurch der wirkliche Fall des Diebstahls von dem wirklihen und nicht blos vorgegebenen Falle der Selbsthülfe bestimmt unterschieden. — Es liegt aber dabei noch etwas Anderes im Hintergrunde, was den Meisten, die über den Begriff des Diebstahls, wie er in den verschiedenen Gesebgebungen angege=- ben wird, Zweifel erhoben haben, vorshwebte, ohne daß sie es sich recht deutlih gemacht haben. Man kann nämlich fragen: Wer sich eine Sache mit rehtswidrigem Bewußtsein aneignet, was will er da- mit ferner vornehmen? Dabei köunen sehr verschiedene, entferntere Zwecke gedacht werden. Er kann z. B. Geld stehlen, um es im Kasten aufzubewahren; er kanu es auch stehlen, um etwas dafür zu kaufen, oder um cs zu vershwenden, oder um es einem Anderen zu schenken. Alle diese im Hintergrunde als Zwecke liegenden Verwen- dungen sind für den Begriff des Diebstahls vollkommen gleichgültig. Wenn Jemand Geld stiehlt, um es augenblicklich zu Wohlthaten zu verwenden, so is er ein Dieb, und man mag ihm den Beweggrund der Wohlthätigkeit entschuldigen, wie man will, so is er darum nicht minder ein Dieb. Also bei dem Begriffe des Diebstahls is alle Be- rücksihtigung der in die Zukunft gerichteten Zwecke vollkommen gleich= gültig, und sie kann feinen Einfluß auf die Beurtheilung der Hand- lung haben. Das sind die Ansichten, welche der Fassung des Para- graphen zum Grunde liegen, :
Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: Jh würde mich au gegen die Anträge, welche von dem Abgeordneten aus Brandenburg gestellt worden sind, erklären müssen, denn ih glaube nicht, daß zu dem Begriffe des Diebstahls die gewinnsüchtige Absicht erforderlich is, ih glaube vielmehr, daß nah dem Bewußtsein des Volkes Jeder als ein Dieb gilt, der fremden Besiß ohne Recht sih aneignet, Gerade der Besiß hat eine Heiligkeit , welche geschüßt werden soll, und wer diesen verleßt, begeht eine Handlung, welche ihn in die Verachtung seiner Mitbürger bringt und seine entehrende Bestrafung in ihren Augen rechtfertigt, Es kaun nicht darauf ankommen, ob der Dieb, wenn er in betrüglicher Absicht den fremden Besiß sich anmgßt, die- ses thue um eigenen Gewinnes willen oder um Anderen eine Gefäl- ligkeit zu erzeigen, und ih glaube, daß diese Begriffs-Ausstellung des Entwurfes allerdings richtig is, und daß wir ihr beistimmen müssen. Ich möchte es blos als eine Fassungs = Bemerkung anheimgeben, ob die Worte: „rechtswidrig sich zuzueignen““, nicht besser wegzu- lassen wären, indem bereits durch die hier getroffene Begriffs - Auf- stellung vollständig Alles gesagt worden is, was dadurch ausgedrüdckt werden soll. Wer etwas sih zueignet, was ihm nicht gehört, ist be= reits ein Dieb, auf eine besondere Rechtswidrigkeit kommt es gar nicht an, sondern das Unrecht besteht darin, daß er das Recht des Anderen verleßt hat. Wenn solhe Worte im Geseßbuche stehen bleiben, so fann das leicht zu der Frage Veranlassung geben, ob außer der ver- boteneu That noch eine besondere Rechtswidrigkeit erfordert werde ? und dieses Bedenken würde mich bestimmen, auf Wegfall der Worte: „rechtswidrig sich zuzueiguen““, anzutragen,
Abgeordn. Gießler: Mir scheint es, als wenn die Worte des Paragraphen : 5
„Einen Diebstahl begeht, wer aus der Gewahrsam eines An= Dee 20,7 niht Alles in sich faßten, was gestohlen werden kann; so haben wir z. B. die Aergeräthe, welche sich auf dem Felde besinden , diese sind niht im Gewahrsam und werden gerade am häusigsten gestohlen, (Mehrere Stimmen: Die kommen später.) Dies is} zwar richtig, es handelt sich aber hier um den allgemeinen Begriff vom Diebstahl ; ih würde es daher zweckmäßiger finden, wenn die Worte : „Aus der Gewahrsam eines Anderen““,
(yen würden, oder wenn man den Paragraphen anf folgende eije: „Einen Diebstahl begeht, wer von dem Besiß oder aus dem Ge- wahrsam eines Anderen 2c.““,
faßte.
Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: Der Diebstahl von Ackergeräthen kommt in einer späteren Bestimmung vor.
Regierungs-Kommissar Bischoff: Es is zu bemerken, daß die Gewahrsam in dem civilistishen Begriffe aufgefaßt is, und ih glaube auch nicht, daß bei einem Richter Zweifel entstehen können. Die Gewahrsam is in dem Sinne genommen, daß darunter nicht allein die unmittelbare materielle Detention einer Sache, sondern auch die Fähigkeit verstanden wird, jeden Augenblick diese Detention auszu= üben. Jn leßterem Sinne ist die Detention bei vielen anderen Sachen, 3. B. Früchten auf dem Felde, Bäumen im Walde, aufzufassen. Diese alle sind in der Gewahrsam, obglei sie nicht unmittelbar und materiell detinirt sind; es kommt nur darauf an, daß der Berech- tigte sih jederzeit in diese materielle Detention verseßen kann.
I Tua dei von Savigny: Jh will nur zur Er\äuterung und Bestätiguug dessen, was der Herr Kommissar erwähnt hat, noch hinzufügen: Es ist eigentlich der Besiß gemeint, man hat aber mit Absicht diesen Ausdruck vermieden, weil bekanntlih die Lehre vom Besiß eine sehr schwere und namentlih die Arten des Besipes außer- ordentlich verschieden sind, und weil besonders im Landrecte diese Lehre eíne sehr verwickelte Gestalt an sih genommen hat. Um nun die Anwendung auf die Strafe des Diebstahls nicht von diesen juristischen Feinheiten abhängig zu maben, hat man den mehr fafkti- chen Ausdruck Gewahrsam (zu Deutsch: Detention)
(Heiterkeit in der Versammlung) genommen, um überhaupt die Sache mehr in das Praktische zu stel len, unabhängig von juristischen Subtilitäten.
Abgeordn. von Auerswald: Jndem ih mih alle dem, was der Herr Minister der Geseßgebung in seiner früheren Rede sagte, anschließe, bis auf den Schluß, in welchem er sagte, daß der Schluß des Paragraphen aus den von ihm angeführten Gründen unverän- dert stehen bleiben müsse und er in seiner Rede den Antrag meines ver- ehrten Nachbars nicht berücksichtigt hat, die Worte: „oder einem Dritten““, wegzulassen. Wenn ih noch zweifelhaft gewesen wäre, ob diese Worte weggelassen werden sollten, so habe ih aus der eigenen
Darstellung des Herrn Ministers noch einen Grund mehr für deren Weglassung entnommen, iudem er die Wegnahme an sich, ohne Rük=
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sicht auf die Verwendung, als widerrechtlich uud strafbar darstellte ; die Bezeichnung der Art der Verwendung ist hiernach überflüssig, zu derselben ist aber do unzweifelhaft zu rechnen: die Uebergabe des Gestohlenen an einen Dritten. Jch glaube, daß diese Worte min- destens überflüssig sind und den Begriff verwirren. Nächstdem möchte ih mir die Frage erlauben , ob ich Recht habe, wenn ih bei einer allerdings etwas mangelhaften Keuntniß der Geseßgebung behaupte, daß in diesem Paragraphen zum ersten - und einzigenmale, seitdem es überhaupt Geseßbücher giebt, dieser Begriff eines Dritten in den Diebstahl mit eingeführt ist. Jh weiß nicht, ob ih mi darin täu- he oder in meiner Voraussezung Recht habe; wenn das Leßtere der Fall wäre, so würde dies doch jedenfalls ein sehr bedeutendes Mo- ment für das mangelnde Bedürfniß einer solhen Begriffs - Bestim- mung sein.
Justiz-Minister von Savigny: Jch gestehe, daß ih im Eifer versäumt habe, mih auch auf den Einwurf einzulassen, welcher gegen die Worte: „oder einen Dritten“ erfolgt is. Es is nicht die Absicht gewesen, wie man aus den Worten des geehrten Abgeordneten aus Preußen eutnehmen köunte, hier gleichsam cin neues Delift zu bil- den oder den Diebstahl auf neue Fälle anzuwenden, sondern es sollte blos ein Theil desjenigen dadurch gesichert werden, was ich vorhin auêgeführt habe in Bezug auf die spätere Verwendung des Gestoh- lenen. Derjenige, welcher sich eine Sache aneignet, für sih oder einen Dritten, 1ist vorübergehender Herr derselben gewesen, und er soll sih nicht damit entschuldigen können, daß er angebli oder wirk=- lich die Absicht nicht gehabt habe, die Sache für sich zu behalten, sondern sie einem Dritten zu geben. Wenn er sie auch einem Drit- ten übergiebt, er hat sie zunächst für sich genommen, und sogar die widerrechtlihe gewinnsüchtige Absicht wird in einem solchen Fall nicht geleugnet werden können, denn auh das is Gewinn, wenn man sich einen Anderen zum Danke oder Gegendienste verpflichtet. Also et= was Unrichtiges kann in diesen Worten gewiß nicht gefunden werden, inan könnte höchstens sagen, daß sie überflüssig seienz aber sie sind deshalb auch nicht überflüssig, weil mau in solhen Fällen, wo man angeblich oder wirkflich um eines Dritten Willen gestohlen hat, eine allerdings falsche Ausfluht gegen die Anwendung der Strafe ver= suchen könnte, und dagegen sollen diese Worte Schuß gewähren.
__ Abgeordn. Keumann: Jch gebe auch nicht zu, daß es nothwen-
dig sei, zum Begriffe des Diebstahls die gewinnsüchtige Absicht vor= auszuseßen. Jch halte mich darau, daß der Diebstahl objektiv in der gewaltsamen Wegnahme einer fremden Sache aus dem Gewahrsam eincs Anderen und subjektiv darin besteht, die Sache sih anzueig= nen; aber ih muß darauf aufmerksam machen, daß dabei noch immer die Ansicht des Herrn Abgeordneten aus Königsberg bestehen bleibt, daß die Bestimmung „oder einem Dritten“ wegfallen müsse, und durch den Vortrag des Herrn Justiz -= Ministers selbst gerechtfertigt zu werden scheint, Es wurde in demselben die Ansicht ausgesprochen, daß alle in die Zukunft gerichteten Absichten bei der Begrifssbestim= mung des Diebstahls gleichgültig sind, und ih glaube deshalb, daß die Worte „oder einem Dritten“ aus dem Paragraphen wegbleiben können. Wer stiehlt, der eignet sih zunächst selbst eine fremde Sache widerrechtlih an, zu welchem Zwecke er es thut, ob für sich oder für Andere, das is gleichgültig, er bleibt der Dieb, und ih muß also dabei stehen bleiben, daß der Ausdruck: „oder einem Dritten“ mindestens überflüssig sei, ih möchte aber mehr der Ansicht sein, daß ec den Begriff selb\t noch \chwankender macht. Jch kann mich also nur da- sür guesprechen, daß dem Autrage Folge gegeben und diese Bestim- mung weggelassen werde.
Abgeordn. Graf von Renard: Jh wollte mich mit der Bitte um Aufklärung an den Herrn Regierungs-Kommissar wenden, warum der Nachsaß hier steht: „Der Diebstahl is vollendet, sobald der Thä- ter die Sache an sich genommen hat“, und welchen Zweck dieser Nachsaß verfolgt? Mir scheint die Definition durch diesen Nachsatz nicht klarer geworden zu sein. So bleibt die Frage uneutschieden : Hat der Dieb deu Diebstahl vollendet, wenn er die fremde Börse, die er genommen, noch in den Händen hat, oder erst daun, wenn er sie schon in seine Tasche gesteckt hat.
(Unruhe in der Versammlung.)
Regierungs - Kommissar Bischoff: Ueber den Zeitpunkt der Vollendung des Diebstahls bestehen im Kriminalrehte Kontroversen, indem die eine Meinung dahin geht, daß der Dieb die Sache in Sicherheit gebraht haben müsse, die andere dagegen behauptet, er dürfe sie nur an sich gebracht haben, um den Diebstahl für vollendet zu erahten. Um diese Streitsrage zu beseitigen, is hier gesagt, der Diebstahl sei vollendet, sobald der Thäter die Sache nur an sih ge= nommen habe.
Abgeordn. Sperling: Der Herr Minister der Geseßgebung hat gesagt, es sei der Zusaß: „oder einem Dritten“, gemaht worden, um zu verhüten, daß ein Dieb nicht straflos ausgehe, wenn er ein- wende, er habe die Sache nicht für sich, sondern zu Gunsten eines Dritten an sich genommen. Jch glaube, es werden noch viele andere Einwendungen von den Dieben erhoëen werden,
(Heiterkeit)
uni die Beschuldigung des Diebstahls von sich abzuwälzen, und ich möchte nicht rathen, alle diese Einwendungen hier im voraus berück=- sichtigen zu wollen. Wenn aber solches beliebt werden sollte, so würde ih eher dafür sein, daß alle diese Einwendungen in einem, in zwei oder zehn Paragraphen besonders behandelt werden, als daß man auch nur einen decselben heraushebt und in die Definition des Diebstahls aufnimmt. Jch wiederhole meinen Antrag.
Regierungs- Kommissar Simons: Es ist die Frage erhoben worden , ob der Nachsaß im Paragraphen überflüssig sei oder nicht. Jn dieser Beziehung erlaube ih mir die Bemerkung, daß nach der verlesenen Definition, welhe der Diebstahl in dem rheinishen Straf- geseßbuche erhalten hat, ein solher Nachsaß allerdings niht gemacht worden i. Allein in der Praxis haben früher viele Zweifel gerade darüber bestanden, ob der Umstand, daß der Dieb nicht im eigenen, sondern im Juteresse eines Dritten habe handeln wollen, nicht den Begriff des Diebstahls ausschließez; es sind mehrere Entscheidungen des obersten Gerichtshofes in Frankreich darüber ergangen, daß der Begriff des Diebstahls, so wie ihn das rheinische Strafgesezbuch auf= stellt, diese Konsequenz in sih \hließe. Wenn nun ein so einfacher Zusatz die Definition näher feststellt und den Zweifel ausschließt, der sehr praktisher Natur is und sih häufig ereignen kann, \#o glaube ih, daß aller Grund vorhanden sci, sich mit dieser Fassung einver= standen zu erklären, Es handelt sich, wie gesagt, von einem Zwei- fel, der niht nur entstehen kann, sondern nah der Erfahrung auch wirklich entstanden ist.
Justiz - Minister von Savigny: Zur Unterstüßung dieses Grun=- des muß ich nur noch etwas in Bezug auf die Behauptung des Mitgliedes von Königsbérg anführen, welches meinte, daß diese Be- griffsaufstellung gewissermaßen eine ganz neue Crfindung sei, wovon die Wissenschast bisher nichts gewußt habe. Dagegen habe ih zu bemerken, daß in der römischen Definition des Diebstahls allerdings davon nichts steht, wohl aber in den Erläuterungen und Ausführun= gen, welche die römischen Juristen jener Definition beigefügt haben, so daß also die hier aufgestellte Definition nicht eine neue Erfindung ist. Wenn nun hinzukommt, daß in der Praxis des französishen Rechts die in dieser Hinsicht erhobenen Zweifel erst vollständig und mit Mühe
gehoben worden sind, so sehe ih nit ein, was j gehe dieser unshuldigen Ba E fann. man gegen die Au; , Abgeordn. von Werde®: Jh muß gewissermaßen zur Rettun- meines Gewissens im Sinne des Abgeordnet i F g eten von Prenzlau noch mals das Wort ergreifen und aufmerksam darauf machen , daß das Fedenimi ae cas ist, welches darüber angeregt wurde, daß fein Steblenden h dor Î efinition vorhanden ist, daß ein Gewinn für de, l „einen Vritten beabsichtigt sein muß. Wix komm: ohne eine solhe in Gefahr, daß die unschuldigsten Handlungen Diebstahl betrachtet werden. Wir fommen in die Gefahr, gegen K: der, die von einem Chausseehaufen bunte Steine auslesen, Rutl- abschneiden, die Strafe des Diebstahls eintreten zu lassen. i , Abgeordn, von Auerswald: Jch seße voraus, daß der Mi" sterial - Kommissar, der zuleßt gesprochen hat, seine Rede auf- t zweite Alinea gerichtet hat.
Regierungs - Kommissar Simons: Auf das erste Alinea.
Abgeordn. von Auerswald : Bei den Worten des Herrn Ministe der Geseßgebung hat es mir zur Befriedigung gereicht, aus solche Munde zu hören, daß, wie bisher überhaupt fein Geseßbuch, niht die römische Definition des Diebstahls, die in Rede stehende Begriffsaufstellung gekannt hat, und daß sie sich ‘uur in der Ausfüh- rung und den Erläuterungen der römischen Juristen finde, welche diese der Definition beigefügt haben; also nicht in dem Tenor der Definition selbst, welche das römische Recht giebt.
Justiz = Minister von Savigny: És is gerade das römische Recht als solches. Die Römer haben, als jene Erläuterungen ent-= standen, kein Geseßbuh gehabt, :
__ Abgeordn. von Auerswald: Das weiß ih wohl; doch steht dies meiner Aeußerung, wie ih glaube, nicht entgegen.
Justiz = Minister von Savigny: Es steht in dem, was in der Form cines Geseßbuches zu uns nach Deutschland herübergekommeun, nur gerade nicht in der Definition des Diebstahls.
Abgeordn. von Auerowald: Auf uns übergegangen als eine Erbschaft, die wir nicht vollständig angetreten haben, da der Begrif jener Erläuterungen in neuesten Gescßbüchern nicht übergegangen ist. Das Anerkenntniß haben wir erhalten, daß die betressende Bestim= mung in keinem Geseßbuch steht. Wenn sie nun in den Ausfüh-= rungen der Rechtsgelehrten enthalten is, welhe ihrer Zeit die Stelle der Gesegbücher vertreten haben, so frage ih, ob in einer Zeit, wo Alles dahin strebt, die Geseßbücher einfah zu fassen, es zu billigen is, wenn man auf komplizirte Erläuterungen zurückgeht, welche ihrem Begriff nach seit Jahrhunderten von keinem Geseßgeber mehr rezipirt worden sind? | A 4A
Regierungs-Kommissar Simons: Es kann vielleiht mit ein paar Worten näher erläutert werden, wenn eine darauf bezügliche Vor= schrift ins Auge gefaßt wird. Sie lautet : O
„Es haftet auch der wegen Diebstahls, wer eine Sache zu dem Ende entwendet hat, um sie einem Anderen zu \chenken.““ l
Es ist dies auch eine der Auslegungen, welche das römische Recht enthält, um den Begriff des Diebstahls näher festzustellen.
Vice -= Marschall Abgeordn. von Rochow: Gegen die vorlie= gende Definition des Diebstahls sind hauptsächlich drei Einwendungen gemacht worden. Die eine geht dahin, daß man die gewinnsüchtige Absicht nicht darin ausgedrücit habe, und es ist befürchtet worden, daß dadurch die Wegnahme von Gegenständen ohne allen Werth straffällig werden könne. Judessen glaube ih, daß, wenn der Richter überhaupt die Meinung hätte, die Wegnahme solcher Gegenstände für Diebstahl zu halten, diese Ansicht dadurch nicht ausgeschlossen werden würde, wenn man jene Worte in die Definition aufnähme. Der zweite Antrag geht dahin, das Wort „rechtswidrig“/ herauszu= nehmen; dann würde aber die unerlgubte Selbsthülfe vom Diebstahl nicht unterschieden ; denn dieselbe unterscheidet sih vom Diebstahl da= durch, daß derjenige, welcher eine solche Sache in sein Gewahrsam nimmt, ein Recht daran zu haben glaubt, Endlich ist der Wunsch dahin gerichtet, daß man die Worte „oder einem Dritten“ weglasse. Dann müßte man den Saß mit dem Worte „wegnimmt“/ schließen, und da wäre der Diebstahl gar nicht bezeichuetz denn es wäre das rechtswidrige Zueignen hinweggenommen, und das is eben das Merk= mal des Diebstahls. Ließe man dies aber stehen, ohne auszudrücken, daß die Zueignuug für einen Dritten mit darin begriffen sei, #o könnte daraus gefolgert werden, daß dies Letztere erlaubt sei, und doch is das Stehlen für Dritte in feinen Motiven der Handlung eines Banditen gleich, der für einen Anderen mordct.
(Viele Stimmen: Abstimmung !)
Regierungs- Kommissar Bischoff: Jch wollte nur noch in An-= schung der neueren deutschen Strafgeseßgebungen bemerken, daß die meisten den Zusaß „oder einem Driiten“ nicht haben; dagegen hat ihn die neueste Strafgeseßgebung, die von Baden, aufgenommen, und dort beißt 20: „suv 0 oder einen Vrttten,“
Marschall: Wir können abstimmen. Ju Bezug auf §. 267 ist die Diskussion für geschlossen zu erklären und zu bemerken, daß der Referent seine Bemerkung wegen des Wortes „rechtswidrig““ nur als eine Fassungs-Bemerkung hingegeben hat, so daß uns nur übrig bleibt, über die Anträge der Abgeordneten Grabow und Sperling abzustimmen.
Die erste Frage heißt also : ; H
Soll beantragt werden, daß in die Begriffs - Bestimmung des Diebstahls die gewinnsüchtige Absicht mit aufgenommen werde ? A Diejenigen, die es beantragen, werden das durch Aufstehen zu erken= nen geben. : (Ein Theil der Versammlung erhebt sich.) Man is nicht beigetreten. Die zweite Frage heißt: i Soll auf Wegfall der Worte „oder einem Dritten““ ange- tragen werdcu? : Auch hier würden die, welche es beantragen, aufstehen, (Es erhebt sich ein Theil der Versammlung.) Man is dem Vorschlage nicht beigetreten. j E -
Die Abtheilung hat den nächsten Montag zu ihrer Sibung 10 thig z die nächste Sißung wird also Dienstag um 40 Uhr stattsluden,
Der stenographishe Bericht der heutigen Sihung wird Vienstag Morgens vor der Sipung ausgelegt sein.
(Schluß der Sißung 44 Uhr.)
Dritte Beilage
501 Beilage zur Allgemeinen Preufishen Zeitung.
Freitag den 25. Febr.
Uichtamtlicher Theil.
IAYa L E
Inland. Berlin. Hofnachribt. — Provinz Schlesien. mité zur Unterstüßung der Nothleidenden. Deutsche Bundesstaaten. Königreich Bayern.
Das Co- Thiersh zum
Vorstand der Akademie ernannt, — Vereinigungen und Liedertafel der Studirenden genehmigt, — Vermischtes. — Schreiben aus Frankfurt
a. M. (Graf von Münch- Bellinghausen; Verhaftungen in Offenbach; n e der nothleidenden Schlesierz Pferdefleish ; Börse z Eisen- ahnen,
Desterreichische Monarchie. Mailand. Bekanntmachung. — V e- nedig. Verbannungen, — Aufregung im Theater. — Herstellung der Ruhe. — Vermischtes. — Schreiben aus Wien. (Beisczung der Leiche des Grafen Hardeggz der Gymnasial-Studienplanz Vermischtes.)
Frankreich. Paris. Pairs- und Deputirten-Kammer. — Das Mini- sterium und die Maßregeln gegen das Bankett, — Vermischtes. — Schreiben aus Paris. (Die Wahl des Lokals für das Bankett.)
Großbritanien und Jrland. London, Hofnachrichten. — Par- laments-Verhandlungen: Lord John Russell's Rede über die Finanzlage Englands z sein Vorschlag zur Erhöhung der Einkommensteuer; Debatîte
darüber, — Oberhaus -Verhandlungen über die Verbindung mit dem Papst. — Vermischtes. :
Italien. Rom. Rede des Papstes an das Volk, — Der Fürst von Sd — Ministerwehsel, — Neapel. Die Verfassung. — Lord ante. |
Handels - und Börsen - Nachrichten.
Dla d.
__ Verlín, 24. Febr, Gestern fand bei Jhren Königlichen Maje- stâten im Weißen Saale des Schlosses großer Ball mit Souper statt, E welchem gegen tausend Gäste geladen waren. Die Königlichen Majestäten erschienen gegen 9 Uhr und eröffneten den Tanz mit einer Polonaise; um 11 Uhr war in den verschiedenen Gemächern das Souper jervirt, nach dessen Beendigung der Tanz ndch bis 1 Uhr fortgeseßt wurde. L i
__ Provinz Seblesien. (Schles. Ztg.) Jn der am 18. Februar stattgehabten Sibung dcs Comités zur Milderung des Noth= standes in den Kreisen Rybnik und Pleß, welcher Seine Cxcellenz der Herr Staats-Minister Graf zu Stolberg beiwohnte, brachte der Vor=
sibende den Stand der Kasse zum Vortrage, wonach die Einnahme.
sich bis zu dem genannten Tage auf circa 52,200 Rthlr. stellte. Herr Professor Runge, welcher von Sr. Excellenz dem Herrn Minister un oben, das Comité durch die Kenntniß der Fa- S toe N O und zugleich kräftigender nährender Geis O “A ist eingetroffen, Er überreichte Proben eines etra Rieienbrot mit einer Beimishung von Zudcker gefertigt, von Geshmack, Geruh und Aussehen dem ‘besten Ungarweine täuschend ähnlich, fkräftigende und gesunde Sub- \stanzen enthaltend und mit 5 Sgr. das Quart herzustellen. Desgleichen wurde die Probe eines aus Roggenmehl und Kartoffeln bereiteten Zwieback8, das Pfund zu 9 pf. übergeben welcher lediglich des Aufgusses heißen Wassers bedarf, um eine náh- rende, und wie man sich selbst überzeugte, eine wohlshmeckende Suppe zu gewähren. Eine andere Zwiebackart zu gleichem Zwee soll das nächstemal eingeliefert werden, bestehend aus Brot, Kartoffeln und Fleis, zu wenig höherem Preise, sehr nahrhaft, leiht transportabel und leiht zu \{mackhafter und stärkender Nahrung zu benußen. Die Fertigung und Absendung angemessener Quantitäten dieser lebteren Nahrungsstoffe wurde beschlossen. Von jenem obenerwähnten Getränke ist eine kleine Quantität abgesendet worden, um zu versuchen, ob dasselbe mit Erfolg zur Kräftigung der Rekonvaleszenten anzuwenden sei. Von Berlin sind 223 Pfund Tafelbouillon eingegangen, jedes der beiden Kreis-Comités erhält 100 Pfd., 23 Pfd. die barmherzigen Brüder in Pilchowib, die Leßteren zugleih 500 Thlr., da dieselben ihre Krankenpflege über die Gränzen ihres dortigen Klosters und ihrer Mittel zum Besten der Umgegend ausdehnen, auch die Verabreichung von Suppen besorgen. Für Pleß sind angekauft worden: 4 Ballen Leinwand, von zusammen 1142 Ellen zu Hemden, 300 Ellen zu Beinklei=- dern für Knaben, 1 Ballen rother Fries zu Mädchenröcken, ebenso ein Ballen wollener Zeuge. Für Rybnik werden gleiche Quantitäten beschafft, welche zum Theil hier zur Bekleidung verarbeitet, zum Theil im Stoffe zur Verarbeitung an Ort und Stelle abgeschickt werden. Aus dem Militair-Depot i} die Ueberlassung von 2000 Paar Schuhen zum Gebrauchswerthe erbeten, falls deren Verabfolgung nicht “unentgeltlich erfolgen follte. Der Herr Ober-Präsident der Provinz hatte dem Comité einen Auszug aus dem Berichte des außerordentlihen Kom- missarii Kreis-Justiz-Rath v. Göß mitgetheilt, woraus besonders hervorzuheben, daß in Alt-Berun und Schmelin neue Waisenbewähr- anstalten errichtet worden. Auch erhielt das Comité die Mittheilung, daß die Organisation der Comités im Rybuniker Kreise jeßt vollendet ist, Se. Excellenz der Herr Staats-Minister Graf zu Stolberg, welcher sich mit den bisherigen Maßnahmen des Comité's und dessen Absichten einverstanden erklärte, stellte fernere reihe Bewilligungen von Reis in Aussicht, und erösfuete dem Comité, daß (wie bereits gestern gemeldet) ein Kommando Soldaten, welche der polnischen Sprache mächtig sind, in die Kreise Rybnik und Pleß bewilligt sei, um die Lokal-Comités bei den Vertheilungen der Naturalien zu un- terstüßen, in den beiden Kreisen vertheilt, das Verpflegungsgeschäft mit zu übernehmen, und die sanitätspolizeilihen Vorschriften, nament- lih die ordnungsmäßigen Beerdigungen, zu überwachen. Der kom- mandirende General Herr Graf v. Brandenburg theilte mit, daß der schleunige Abmarsch dieses Kommando's schon angeordnet ift.
Das Comité seßte seine regelmäßigen Sißungen auf einmal wöchentlich, und zwar den Sonnabend Nachmittag 5 Uhr, fest.
Bei der erfreulihen Reichhaltigkeit des Einganges von Effekten aller Art, wurde beschlossen, ein besonderes Lokal für dieselben zu gewinnen, und einen zuverlässigen Aufseher anzustellen, der die Au- nahme und Absendung derselben besorgt.
Deutsche Bundesstaaten.
Königreich Bayern. (A. Z.) Sicherem Vernehmen nach hat Se. Majestät der König dem Königl. Universitätsprofessor und Klassensecretair der Königl, Akademie der Wissenschaften, Hofrath Dr. ortedrih Thiersch, die Stelle des Vorstands der genannten Akademie,
so wie auch die Function des General-Konservators der wisse nschast- lihen Sammlungen des Staats auf die Dauer der nächsten dreijäh- rigen Amtsperiode, welhe mit kommendem Monat März ihren Anfang zu nehmen hat, verliehen.
Se. Durchlauht der Fürst Wallerstein wurde am 18. Februar zur Königlichen Tafel gezogen.
Durch höchste Entschließung vom 18. Februar i} den Studiren- den das Recht zugestanden, Vereine in einer 100 nicht übersteigenden Zahl bilden zu dürfen, deren Versammlungen nicht, wie ehedem ge- boten war, von Gewährung spezieller polizeilicher Erlaubniß abhängig gemacht sind; es genügt jeßt bei der Polizeidirection ein für allemal die geschehene Vereinigung und den Namen des gewählten Vorstan- des anzuzeigen. Ferner hat die Studentenschaft die Genehmigung zur Gründung einer akademischen Liedertafel erhalten, ein Projekt, welches unter dem vorigen Ministerium vielfah besprochen worden, dort aber, wie es scheint, auf Hindernisse gestoßen war.
În Folge der in den leßten Tagen eingetretenen rashen Witte- rungs-= und Temperaturwechsel is die Grippe wieder im Znnehmen begriffen, doch tritt diese Krankheit wie bei ihrem früheren Erscheinen auch jeßt nicht bösartig auf. Auch die Masern kommen häufig vor.
E Frankfurt a. M., 22. Febr. Nach den leßteren 2 [en aus Wien isst noch gar nichts bestimmt, wann der Herr raf von Münch - Bellinghausen auf seinen hiesigen Posten zurück- fehren werde, man weiß aber, daß derselbe den Arbeiten der Bun- des-Bersammlung das lebhafteste Jnteresse widmet und einige der dre obshwebenden Fragen in naher Zeit ihre Lösung finden In der verflossenen Woche wurde von Verhaftungen gesprochen, welche in Vssenbach stattgefunden. Sie sollen Mitglieder der aufge- lösten Zurngemeinde betroffen haben. Es is den Behörden natürlich nicht unbekannt geblieben, daß die Turner, troß der Auflösung ihrer Gemeinden, thre Verbindungen unter jeder Form aufrecht zu erhalten suchen und sih dadurch zu Handlungen verleiten lassen, welche das Geseß nicht ungeahndet lassen kann. „Ver m einigen Theilen Oberschlesiens ausgcbrochene Hunger- Typhus hat auch hier das thätigste Mitgefühl erweckt, und nament- lich waren es unjere ehrenhaften Buchhändler, welche sich mit den Zeitungs-Redactionen zu einem Hülfscomité bildeten und die Unter= stüßung ihrer Mitbürger anriefen. Darauf flossen die Gaben so reichlich, daß bereits ansehnlihe Summen nah Breslau abgesendet werden konnten, und noch is dem Ausdrucke eines Frankfurt in \o hohem Grade eigenen Wohlthätigkeitsgefühls kein Ziel gesetzt.
Der Verein zum Schuße der Thicre hat in seiner leßten Ge- neral-Versammlung beschlossen, dem Genusse des Pferdefleisches hier nun Eingang zu verschaffen. Man verhehlt sih zwar nicht, daß da- bei ein namentlih in den niederen Ständen festgewurzeltes Vorurtheil {wer zu bekämpfen is, hofft aber dech, mit Beharrlichkeit zum Ziele zu gelangen. Die Preise aller Lebensmittel sind anhaltend im Weichen begriffen, und namentlich läßt sih dies von den Fruchtpreisen sagen. Von Speculation in Getraide ist keine Rede mehr, und da bei der wiedereröffneten Schifffahrt starke Zufubren erwartet werden und die Wintersaat sehr gut steht, so läßt sih ein bedeutendes Fallen der Fruchtpreise noch erwarten. — Aber nicht blos in Landesproduk= ten, sondern auch in Kolonialwaaren wird sehr wenig gethan.
Von dem Börsen-Umsaßz läßt sih wenig sagen. Die politischen Constellationen, die wenig aufmunternden Berichte von den auswär- tigen Pläßen und die Nachwirkungen -der Bankerotte lähmen sehr das Börsenge|häft. Der Geldüberfluß führt den solideren Fonds aber dennoch viele Kapital-Anlagen zu.
Bei dem Wiedereintritt der besseren Jahreszeit werden auch un= sere Eisenbahn-Arbeiten wieder aufgenommen, und die Main-Nedar- bahn und die Frankfurt-Hanauer werden bis zur Mitte des Sommers ganz vollendet sein.
Oesterreichische Monarchie
Mailand, 16. Febr. (A. Z.) Jn Folge der neuesten Vor- fälle in Mailand, Padua und Pavia hat die General - Direction der Polizei eine Bekanntmachung erlassen, wodurch das Tragen der soge= nannten Calabreser-, Puritaner- und Ernani-Hüte, so wie jedes poli- tischen oder sonstigen Erkennungs-Abzeichens, unter Androhung sofor- tiger Verhaftung der Zuwiderhandelnden verboten und den Behörden die strengste Ueberwachung dieses Verbots eingeshärft wird. Eben so hat die Regierung von Mailand jede politisher Zwecke halber beab- sichtigte Volksdemonstration untersagt und die Behörden zu kräftigem Einschreiten gegen dieselbe, wie gegen Alles, was die öffentliche Ruhe stören könnte, aufgefordert. Es sei der Wille Sr. Majestät, daß außerordentliche Festlichkeiten nicht gestattet, ungewöhnliche Volks- Versammlungen, namentlih zur Nachtzeit, verhindert würden; die Regierung bringe dies zur Kenntniß des Publikums in dem festen Vertrauen, daß die Bewohner der Lombardei den Kaiserlihen Befeh- len in ihrem vollen Umfange nachzukommen nicht verfehlen würden.
Venedig, 9. Febr. (A. Z.) Der lebte Volksauftritt im Fenice-Theater hat zur Folge gchabt, daß einige der vornehmen Ru- hestörer auf ihre Landgüter oder nah Laibah , Graß 2c, verwiesen wurden. Verhaftungen fanden nicht statt, aber mehr als 60 der Unruhigsten wurden durch die Polizei in Kenntniß geseßt, daß ihnen für die Zukunft der Eintritt in das Theater verboten bleibe. Der Mäßigung des Jnspections-Ofsiziers, der trefflichen Haltung des zahl reich versammelten Militairs gebührt das Verdienst, blutigen Zusam- menstoß verhindert zu haben. Der Lärm und das mit dem Flattern dreifarbiger Tücher verbundene Geschrei hatte in wenigen Minuten dermaßen zugenommen, daß man keinen Augenblick mehr für die Fol- gen gut stehen konnte, Der Schwindel hatte sich sogar auf die Schau- pieler ausgedehnt, welche mitriefen und ihre Müßen \{chwenkten. Das Drollige bei dieser leßten Scene war die Parteiung, die auh auf der Bühne stattfand. Ein Theil der zahlreihen Statisten bestand näm- lich aus öósterreichishen Soldaten. Diesen wadckeren Leuten podhte nämlich bei der Scene das Soldatenherz unter dem Theaterflitter. Das Fenice-Theater bleibt für einige Tage geschlossen,- bis die hohen Verwiesenen ihre neuen Aufenthaltsorte erreiht haben werden.
Venedig, 11. Febr. Hier is Alles ruhig; die anfangs sehr übertriebenen Berichte über die Vorfälle in Padua \{chwanden bald zusammen. Rauchen sieht man hier in der That viel weniger als sonst, von Jusulten hört man aber nirgends. Eine der vornehmen malkontenten Damen hat einen Paß fürs Ausland erhalten. Das Fenice-Theater wurde gestern wieder eröffnet, blieb aber beinahe leer, kaum hundert Personen bewegten sich in dem großen Raum. Ein Theil der aus Padua hier angekommenen Studenten fuhr mit dem gestrigen Dampfschiffe nah Zstrien und Dalmatien ab. Die Auf-
tritte, die in Mantua stattgefunden, beschränken sich, wie man aus
sicherer Quelle erfährt, auf Wirthshausscenen zwischen den Solba- ten selbst.
X Wien, 21. Febr. Die irdishe Hülle des Hof-Kriegsraths- Präsidenten, Grafen Hardegg, wurde heute Mittags mit den dem hohen Range des Verstorbenen gebührenden militairishen Ehrenbezei- gungen zur Erde bestattet. Auf Befehl des Kaisers ging der feier- liche Leichenzug vom Hof - Kriegsgebäude über den Kohlmarkt durch die Kaiserliche Hofburg, um den Dahingeschiedenen dadurch eine be- soudere leßte Ehre zu erweisen. Dem Leichenwagen folgten mehrere Erzherzoge, die Geheimen Räthe, die Gencralität, die hohe Büreau- fratie, das diplomatische Corps, die Offizier - Corps und eine Reihe von Wagen. Troß des ungünstigsten Wetters hatte sich das Publi-
fum in den Straßen zahlreich versammelt. Die Leiche des Verstorbenen wird auf der Nordbahn nach einer der Herr- schaften geführt und dort in der Familiengruft beigeseßt.
Dem ersten Hof-Kriegsraths-Vice-Präsidenten, Sr. Durhlaucht dem Fürsten zu Hohenlohe-Langenburg, is} die provisorische Leitung des erledigten Präsidiums übertragen; über die Nachfolge in demselben verlautet nichts Bestimmtes, und dürfte eine Besezung dieser Stelle dem Vernehmen nach kaum bald erfolgen.
Der Regierungs - Rath und verdiente Professor der politischen Wissenschaften an der Universität, Kudler, soll an die Stelle des ver- storbenen Regierungs - Naths , Ritter von Winiwarten , zum Vice- Direktor der juridish - politishen Studien der wiener Hochschule er- nannt werden, eine Erneunung, die gewiß alle seine Schüler, deren Zahl eine sehr große ist, mit Freude erfüllen wird.
Wie verlautet, ist der neue Gymnasial - Studienplan vorläufig in Innsbruck eingeführt; statt der früheren vier Grammatikal-Klassen und zwei Humanitäts-Klassen werden künftig drei Grammatifal- und drei Humanuitäts-Klassen, unter Beibehaltung der Klassenlehrer, beste- hen, einzelne Gegenstände, darunter die mathematischen und naturhi= storischen, mehr beachtet werden.
Da die Donau vom Eise befreit, der Stand des Wassers die Schifffahrt ohne Untezbrehung begünstigt, so hat die Donau-Dampf- \chiff\sahrt zwishen Linz und Wien und Wien und Pesth seit zwei Tagen für dieses Jahr wieder begonnen.
Gan Le:
Paris, 2. Febr. Die Frage, welche die Pairs-Kammer vorgestern in der Berathung über die Arbeit der Kinder in den Fa- briken hauptsächlih beschäftigte, is gestern durch ein neues von der Kommission vorgeshlagenes System folgenden Jnhalts erledigt woor- den, auf das die Kammer einging: „An einem Tag der Woche sol- len für alle junge Leute von zwölf bis zu sechzehn Jahren zwei Stunden von der Arbeit abgezogen und dem Elementar=Unterricht gewidmet werden. Außerdem sind an jedem Sonntag zwei Stunden dem Elementar- und Religions = Unterricht zu widmen.“ Sodann wurde die Diskussion über eine der wichtigsten Bestimmungen eröff= net, welche die Kommission dem Regierungs - Entwurf hinzugefügt hat, nämlich die Anstellung eines Juspektors, der dic Ausführung des Gesebes überwachen soll. Ueber zwei wesentliche Punkte ist man einig: daß eine solche Jnspection nöthig sei, und daß ste, um ernstlich und wirksam zu sein, besoldet werden müsse. Die Kommission hat sich aber nicht darauf beschränkt, das Prinzip dieser Einrichtung in den Ge- seßentwurf einzuschalten, sondern auh die Organisation derselben bis in die kleinsten Details vorgeschrieben, die Zahl der Jnspektoren fest- gestellt, ihre Unterordnung unter einander als General- uud Divi- sions-Jnspektoren, und das industrielle Frankreich zu diesem Zweck in eine Anzahl von mehr oder weniger willkürlicher abgesteckter Jnspec-
tions-Bezirke und Ressorts getheilt. Herr von Argout {lug als Amendement hierzu vor, sich auf das Prinzip zu beschränken und die Ausführung desselben den Anordnungen der Verwaltung zu überlassen. Dies Amendement wurde auh von Herrn Cousin unterstüßt, die Ab- stimmung aber is noch nicht erfolgt.
Die Deputirten-Kammer hat gestern mit 191 gegen 45 Stim= men den Geseßentwurf über die Abgränzung der Wahlbezirke im De- partement der Saone und Loire angenommen.
Gestern war das Gerücht verbreitet, die Minister hätten sämmt- lih dem Könige ihre Entlassung angeboten. Bis jeßt hat dasselbe aber keine Bestätigung erhalten. Jn der lehten Sißung des Mini- ster-Rathes hatte, wie es heißt, ein sehr lebhafter Wortstreit zwischen Herrn Guizot und Herrn Duchatel statt. Eine Fraction des Kabi- nets soll, wie man versichert, gegen die Ansicht des Herrn Hebert den Beschluß durchgeseßt haben, daß man sich dem Bankett niht wi- derseßen, sondern sich darauf beschränken werde, die umfassendsten Maßnahmen zu treffen, um jede Störung des öffentlichen Friedens zu verhindern. Vom Kabinette soll aber auh entschieden worden sein, daß Herr Hebert in ciner der nächsten Sißungen der Kammer einen Ge- seß-Entwurf gegen die politishen Versammlungen vorlegen solle, auf daß man fortan einen festen Auhaltspunkt gegen derartige Demon- strationen habe. Es heißt, der Caroussel-Plat, der Garten der Tuile= rieen, die Rivoli - Straße und die Quais würden am nächsten Dien- stag für den öffentlichen Verkehr gesperrt und in eine Art Bivouak umgewandelt werden. Sämmtliche Kasernen sind mit großen Vor- räthen an Waffen und Munitionen versehen worden. Sofort soll angeblich eine Königliche Verordnung, um vor Zusammenrottungen auf den Straßen zu warnen, veröffentlicht und an allen Straßenecken ange- schlagen werden. Herr Dupin, General-Prokurator am Cassationshofe, hatte vorgestern eine lange Audienz bei dem König. Als er aus dem Kabinette Sr. Majestät trat, schien er äußerst bewegt. Das Ministerium hat dem Vernehmen nah auch beschlossen, daß mehrere Nationalgardisten, welche neulich beim Beziehen der Wache i:n Hofe der Tuilerien „Es lebe die Reform!“ gerufen, vor das Disziplinar-Gericht gestellt wer- den sollen. Nach eincm übrigens unverbürgten Gerüchte soll eine Fabrik von Schießbaumwolle, wo bereits 30,000 Kilogramme verfertigt gewesen, von der Polizei aufgehoben worden sein. Nach der Presse sollte der Polizeipräfekt {on im Dezember, in Folge einer Ansichtverschiedenheit zwischen ihm und dem Justizminister über das hinsichtlih des beabfihtigten Reformbankettes in Paris zu befolgende Verfahren , seine Entlassung eingereicht und nur eingewilligt haben, bis nah dem Bankette seinen Posten noh zu bekleiden. Herr Delessert hätte die Ansicht vertreten, daß man dem parijer Bankett so wenig etwas in den Weg zu legen berechtigt sei, als „den 60 bis 70 vorhergegangenen Kundgebungen der nämlichen Art. Der heutige Moniteur erklärt dies Alles aber für ganz ungegründet eben so die Behauptung des National, daß der Präfekt des Departements der unteren Seine, Baron Dupont-Delporte, in Ruhestand verseßt werden solle. Den Erklärungen des Generäál - Majors Carbounel über das Verfahren bei Organisation des Nationalgarde-Dienstes für den Ban- fett-Tag sich anschließend, hat unterm ‘gestrigen Datum auch der Oberst der 10ten Legion, Herr Lemercier , ein Schreiben an die Presse gerichtet, worin er allen desfallsigen Behauptungen dieses Blattes und des National widerspricht; es sei durhaus unwahr sagt dersejbe, daß Befehle ertheilt worden, um Nationalgarde -Deta: