1848 / 57 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

ine Erhöhung nichts einzuwenden; ich bin aber au zugleich ber Ueber E eas dle Stdétsen, die der neue Entwurf bestimmt, viel zu hoh sind. Die Erhöhung tritt sehr bedeutend hervor, wenn man die einzelnen Fälle vergleiht, und wenn der Herr Minister der Geseßgebung erinnerte, daß der e Gerichtsgebrauch nicht da- für sprehe, daß die Strafen zu hoch arbitrirt werden möchten, so muß ih mir erlauben, zu bemerken, daß wir in furzem ein ganz neues erihtêverfahren haben werden, und daß sih dann auch ein neuer Gerichtsbrauch bilden wird, also sich niht voraussehen läßt, in wel- chem Maße die Strafbestimmungen des neuen Entwurfs dann zur Anwendung kommen werden, und ih kann mi daher nur für eine Milderung der ausgeworfenen Strafen aussprehen. Was den zwei- ten Punkt betrifft, nämli, ob es sich von selbs versteht, daß der Verlust der Ehrenrechte mit dem Diebstahle verbunden sein müsse, \o halte ih die Sache nah dem angenommenen Begriffe des Diebstahls für höchst zweifelhaft und kann nur dem beistimmen, was von dem geehrten Abgeordneten aus Pommern beigebraht worden is. Es wird beim Diebstahle niht mehr entschieden eine gewinnsüchtige Ab- sicht vorausgeseßt; man kann also nit immer niedrige oder ehrlose Gesinnung dabei annehmen, und daher kann ih nicht dafür stimmen, daß stets und unter allen Umständen Aberkennung der Ehrenrechte stattfinden müsse. Ehrloser Charakter ist jet niht mehr allgemein beim Diebstahle anzunehmen, und so scheint es mir, daß nur wegen besonderer Umstände der Verlust der Ehrenrehte beim Diebstahl aus- zusprehen sein möchte.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Jh muß mich be- stimmt dafür aussprechen, daß dem Richter die Befugniß gegeben werde, jeden Diebstahl mit Ehrenstrafe, nämli mit zeitiger Unter- sagung der Ehrenrechte, zu belegen. Nicht b os, wenn er erwiesener- maßen in gewinusüchtiger Absicht vollbraht wurde. Das Entehrende des Diebstahls liegt nah meiner Ueberzeugung nicht in der Gewinn- suht, das Entehrende liegt darin, daß man den Besiß eines Dritten, dér uns heilig sein soll, niht achtet, daß man sich etwas Fremdes an- lügt, sich einen retlich garantirten Zustand, den Besiß nämlich, wider Recht anmaßt und dadurch die Verlepung eines faktischen Ver- hältnisses begeht, welhes das Strafgeseß hüben soll. Es ist be- reits ein Beispiel erwähnt worden , und ih will mir erlauben, noch eines hinzuzufügen. Wenn Jemand eine Anzahl Kassen - Anweisungen niht in der Absicht stiehlt, sie sich zuzueignen und sich dadurch zu bereihern , sondern um sie zu verbrennen , so ist und bleibt er ein Dieb, er mag sie nun vom Tische entwendet oder Nachschlüssel an- gewendet haben, so is und: bleibt das immer eine ehrlose Handlung, wo der Verlust der Ehrenrehte vollständig gerechtfertigt ist. Es fommt also niht auf die Absicht an, sih auf Kosten eines Anderen zu bereichern, sondern darauf kommt es an, daß der Besiß, ohne Einwilligung der Besißer, und zwar in der Absicht, dieses Besitz- Recht für sih geltend zu machen, von dem Diebe erlangt ist.

Korreserent Abgeordn. Kaumann: Dem geehrten Mitgliede, welches so eben gesprochen hat, stimme ih vollständig bei; es fragt sih jedoch, ob der Begriff des Diebstahls o hingestellt worden i,

wie dasselbe voraussezt. §. 267 spricht nicht davon, daß der Dieb- stahl allemal „heimlih“ begangen sein muß; dieses Kriterium is

darin nicht enthalten. Der Fall, der angeführt wurde, wenn Jemand Kassen-Anweisungen heimlich wegnimmt und verbrennt , is eine Ver- mögens-Beschädigung, sie würde unter den Begriff des Diebstahls im §. 267 nicht passen, und das Geseh erklärt dies ausdrücklich im §. 341. Wenn nun im §. 267 die gewinnsüchtige Absicht ausge- lassen worden is aus dem Begriffe des Diebstahls, so muß ih dem Mitgliede beistimmen, welches erklärte, daß nicht immer Verlust ter Ehrenrehte Folge des Diebstahls sein köune. Es sind verschiedene Fälle schon angeführt worden, und ih will mir au einen anzufüh- ren cilauben, der unter §. 267 passen dürfte, Es if Jemand cinem Anderen eine Summe Geldes schuldig; der Gläubiger is in Noth; ein Dritter geht zu dem Schuldner, um ihn aufzufordern, die Schuld zu bezahlen; er findet ihu uicht zu Hause, aber Geld auf dem Tische;

er nimmt es weg, schreibt dies dem Schuldner, geht zu dem nothlei-

denden Gläubiger und giebt ihm das Geld, Dieser Dritte würde

nah dem Geseh - Entwurf unbedingt ein Dieb sein. Jch will eine

solhe Handlungêweise durhaus nicht vertheidigen, aber ih kann auch

nicht zugeben, daß dieser Mensch ein „ehrloser““ Dieb sci. Jch bin

also der Meinung, daß der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte einu=-

zig dann einzutreten habe, wenn der Diebstahl in gewinnsüchtiger Ab-

siht verübt worden is. Was das Strafmaß anlangt, so trete ich

dem geehrten Mitgliede aus Schlesien bei, welches auf Festseßung

eines niedrigeren Minimums angetragen hat. Es sind die vielen

erwähnten Fälle in der That so wenig strafbarer Natur , daß man

eine Strafe von 6 Wochen gewiß als zu hoh erachten wird, und ich

glaube, daß mit 14 Tagen die geringsten Fälle, auch wenn sie unter

S. 267 Pat ausreichend bestraft sein werden.

Reserent Abgeordn, Frhr. von Mylius: Jch habe auf das, was sto eben von meinem geehrten Kollegen an meiner Seite gesagt worden is, zu erwiedern, daß ih den Begriff des Diebstahls nicht #0 feststelle, wie er im §. 267 festgestellt wird. Jst in der Behaup- tung namentlih auf das Beispiel Bezug genommen wordeu und ist gesagt worden, daß es niht guf die Worte des Gesetzes passe, so glaube ih, daß in dem Worte „ohne Einwilligung und Wegnahme“ Lnge ausgesprochen ist, von welcher Art das Wegnehmen sein soll. Denn daß von einer offenen Wegnahme, von keiner Mitbe- willigung die Rede is, folgt aus den Worten selbst, denn da, wo ih den Besiß eines Anderen ohne dessen Einwilligung ergreife, be- gehe ih eine Rechtsverleßung gegen diesen Besiß dur die Art, wie ih den Besiß ergreife, und darin liegt der Diebstahl, Jn dem von mir citirten Falle nimmt der Dieb die Kassenanweisungen weg, ver- fügt über sie als Eigenthümer, vernichtet sie vielleicht, hat dadurch den Diebstahl verübt ; es is aber niht nöthig, daß er sie mit uad Hause nehme und si bereichere.

Abgeordu. Zimmermann: Unsere bisherige (ege Bgebung über den Diebstahl war in eine solche Kasuistik gerathen, daß es nur dank- bar anzuerfennen is, daß durch das Prinzip des vorliegenden Ent- wurfes viele derartige Streitigkeiten und zweifelhafte Ansichten durch die vereinfachte Auffassung entfernt werden, Auf der anderen Seite fann man sich nit verbergen, daß die Natur des Diebstahls in einer Art und Weise aufgefaßt und t die Strafbestimmungen theilweise von einer lden Härte sind, daß sie der Kriminal - Politik nicht entsprechen. Betrachten wir die menschliche Natur unbefangen, gehen wir beispielsweise auf das Kindesalter zurück, so ist auf feine Weise zu leugnen, daß in der menschlichen Natur die tiefbegründete Idee wurzelt, den Kreis der Thätigkeit zu erweitern,

(Gelächter) j ; s und wenn der Mensch diesem natürlichen Triebe M gese bes gegeben bliebe, dann läßt sich s{hwer ermessen, wohin das führen würde. Welche Mittel wenden wir nun an, jenem natürlichen Triebe, jener Thätigkeit des Willens eine gehörige Richtung zu geben? Es ist die Erziehung, Wenn wir nun anerkennen müssen, daß die Erziehung bei vielen unserer Mitmenschen im höchsten Grade vernachlässigt wird, wenn also der natürlihe Trieb im Menschen wach bleibt, ist es danu nit theilweise unsere eigene Schuld, wenn unsere vernachlässigten Mitmenschen sich verirren, is es dann gerechtfertigt, sie beim ersten Fehltritt streng und mda zu bestrafen L Bestrafen wir in ihnen daun nicht unsere eigene Schuid? Der vorliegende Geseg-

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Entwurf bestimmt nun, daß der erste gemeine Diebstahl, d. h. also ein Diebstahl ohne alle ershwerenden Umstände, eine Strafe von 6 Wochen Gefängniß bis zu 5 Jahren Strafarbeit nah si ziehen soll. Aber nicht diese hohe Freiheitsstrafe wird ausreichend eratet, es soll jederzeit hinzutreten die Entziehung aller Ehrenrehte, und es fann daun noch drittens hinzugefügt werden die Stellung unter poli- zeilihe Aufsicht. Ja, der vorliegende Geseh - Entwurf geht so weit, daß selbst in dem Falle, wo nur ein Diebstahl an Gegenständen von geringem Werth stattgefunden hat, der alfo ausnahmsweise als mil= der betrachtet wird, der Verlust der Ehrenrechte eintreten soll. Jst es nicht außerordentli hart, daß das Geseß den Diebstahl an und für sih als geringeres Vergehen arakterisirt und dennoch die Folge daran knüpft, daß die Ehrenrete verloren gehen sollen? Das ist eine Härte, die der Ausgleihung bedarf. Auch andere Gesctgebun=- gen haben dem Grundsaße Auerkennung verschafft, daß eine solche vernalässigte Erziehung als Milderungsgrund zu betrachten sei. / Sie unterscheiden namentlich, ob der Diebstahl in einem reiferen Alter begangen worden ist oder in der Jugend. Diesen Unterschied stellen sowohl ältere als auch neuere Kriminal - Geseßgebungeu auf. Mit Recht darf man annehmen, daß in diesem Unterschiede die Grund- Ansicht als maßgebend betrachtet ist, daß die mangelnde Ausbil= dung eine solche Berücksichtigung erheisht. Andere Geseßgebungen sind mit unnahsichtlihen strengen Strafen gegen den Diebstahl vor= gegaugen. Haben sie den wünschenswerthen Erfolg gehabt ? Haben sie die Diebstähle verhindert? Diese Frage hat bis jest nohch Niemand mit Ja beantwortet. Selbst in den Ländern, wo der geringe Dieb- stahl mit dem Leben, mit dem Strange bestraft wurde, ist selbst diese harte Strafe ohne Erfolg geblieben. Nur eine bessere Erziehung fann, meines Erachtens, das Bewußtsein des Verbrecherischen einer Handlung lebendig machen, das schen wir im Gegensaße der Völker, wo Sitten und Civilisation weniger Eingang gefunden haben, zu den= jenigen Völkern, wo eine hohe sittlihe und politishe Entwickelung vorhanden is. An si erscheinen nur aber ferner diejenigen Strafen die vollkommensten, welche an si als vollendet und abgeschlossen be- trachtet werden können und das Verbrechen gesühnt haben. Dagegen sind diejenigen Strafen unvollkommene, welche eine nachhaltige, stra= fende Wirkung auf den Verbrecher haben; sie erscheinen nur als Nothbehelf für solhe Fälle, wo der Gesebgeber die Ueberzeugung hegen muß, baß die an und für sich vollendeten Strafen ihren Zweck nicht mehr erreichen, das heißt für solche Fälle, wo der Verbrecher augenscheinlih dargethan hat, daß er, der menschlichen Gesellschaft wieder hingegeben, denno seine chrlose Gesinnung kundgeben, seine verbrecherishen Neigungen fortseßen wird. Ju solchen Fällen sind derartig nahwirkende Strafen , wie der Verlust der Ehrenrehte und polizeiliche Aufsicht, gerechtfertigt. Wo aber der erste Fehltritt bei einer vernachläfsigten Erziehung im jugendlichen Alter vorhanden ist, da sind jene nachwirkenden Strafen nicht gerechtfertigt, da dürfen wir doch den Zurütritt des Jrrenden in die menschliche Gesellschaft nicht erschweren. Das ist der Hauptgesihtspunkt, worauf ih auf= merksam zu machen mich verpflichtet halte. Was hat denn unsere bisherige Geseßgebung gegen den Diebstahl eigentlih erreiht? Jun= dem sie den Verbrecher in allen Fällen fofort mit anderen Verbrechern zusammengebracht hat, machte sie den ersten Fehlgriff. Wo das erste Bergehen vielleicht aus Uebereilung, Unbesonnenheit oder in Folge mangelhaster Erziehung begangen wurde, haben die Strafen keinen anderen Erfolg gehabt, als daß sie den Verbrecher ausgebildet haben. Werfen wir einen Blick in die Strafanstalt, so finden wir, daß die meisten Verbrecher rücfällige Diebe sind. Daraus ergiebt si, daß in. dieser Beziehung der wünschenswerthe Zweck der Strafe vollkom=- men verfehlt ist, Eine Hguptaufgabe der Kriminal=Politik muß es aber sein, den Verbrecher in die menschlihe Gesellschaft dergestalt zurückzuführeu, daß er vollständige Aufnahme finde und für dieselbe

wieder brauchbar werde. Jn diesen Rücksichten halte ih es für un- abweislich nothwendig, daß bei dem ersten Diebstahle, der ohne er= shwerende Umstände in einem gewissen jugendlichen Alter begangen wird, nicht jene nahhaltigen Wirkungen der Strafe eintreten, die den Verirrten von der Gesellschaft entfernen, ja ausschlicßen. Sprechen wir diese Rücksicht nicht positiv in dem Gesebe aus, so thun wir gar feinen wesentlichen Schritt vorwärts. Ein anderes Hauptübelaber bei diesen Strafen ist, daß der Verbrecher mit auderen Verbrechern zusammenkommt, die seine Verirrung nur zu fördern geneigt sind. Jch würde daher einmal die Chreustrafeu, dann die polizeilihe Aufsiht bei dem ersten Diebstahle, bei cinem gewissen jugendlichen Alter, vollkommen _aus= schließen. Jh erinnere an die Bedeutung der polizeilichen Aufsicht. Die polizeiliche Aufsicht berechtigt die Polizeibehörde, dem Betrofse- nen die Entfernung über Nacht zu verbieten, den Aufenthaltsort zu untersagen, und berechtigt die Gerichts- und Polizeibehörde, zu jeder Zeit Haussuchung zu haltenz die leßtere Bestimmung ist zwar nur fakfultativ angenommen; aber der Verbrecher befindet sih in den Hän» den jüngerer Kriminalrichter, denen die Erfahrung häufig eine besou- dere Strenge zuspriht. Da kann die Ansicht, dem Geseße dur Strenge der Strafen Achtung zu verschaffen, leicht zu weit führen. Jh glaube aber, daß dann der Hauptzweck, deu wir vor Augen haben müssen, wo möglih den Verbrecher der mensch{lihen Gesell= schaft zurückzugeben, verloren gehen muß, Wenn ih nun ferner der Ansicht bin, daß in solchen Fällen auch Ehrenstrafen nicht erkannt weiden dürfen, daß der Richter vielmehr Rücksicht zu nehmen habe, so muß das Geseh die bestimmte Ermächtigung für den Richter aus=- sprechen, solche Rücksichten anzuerkennen, namentlih also die Jugend beim ersten Diebstahl besonders beachten. Andere Geseßgebungen geben hier ein bestimmtes Alter an, Es giebt dergleichen, welche die Majorennität annehmen, andere nehmen das 21ste oder 22ste Lebensjahr an. Jch stelle anheim, ob man ein bestimmtes Lebensjahr hier aus= sprehen will. Wenn man dies aber au nicht will, so halte ich die Ansicht dennoch gerechtfertigt, daß der Richter das beim ersten Dieb- stahl ohne ershwerende Umstände besonders berüsihtige. Aus allen diesen Rücksichten schlage ih unmaßgeblih vor, den ersten gemeinen Diebstahl, der im jugendlihen Alter und ohne ershwerende Umstände begangen wird, nur mit Gefängniß zu belegen und, weun cs irgeud ausführbar is, den jugendlichen Verbrecher vou anderen Verbrechern entfernt zu halten, dann aber auch eine nur kurze Gefängnißstrafe auszusprechen, deun die Geselischaft mit anderen Verbrechern führt ihn unmöglich auf deu Weg zurück, der ihn für die menschliche Ge- sellschaft wieder brauhbar maht. Er würde sonst die Zeit in Unter- haltungen , in solhen Amüsements hinbringen, wie sie in Gefäng= nissen gewöhnlich sind, wogegen der Verbrecher bei einer kurzen Ge- fängnißstrafe unter Gelegenheit zu angemessener Beschäftigung weit n zur F Menu fommt, als in solher Gesellshaft und dur renge Strafen.

Marschall: Wir wollen ermitteln, ob der Vorschlag des Ab-

geordneten Zimmermann: die erforderlihe Unterstüßung von 8 Mit-

gliedern findet. H (Wird hinreichend unterstüßt.)

Abgeordn, von Werdeck: Jch will dem verehrten Redner, der vor mir gesprochen hat, nicht in die Theorie der Strafmittel folgen, die wix in einer früheren Sizung abgehandelt haben, ih hoffe aber zu seiner Beruhigung darauf T machen zu können, daß das jugendliche Alter nah den früheren Beschlüssen, welhe gefaßt worden

orie über das Wesen des Diebstahls näher einlassen, ih will aber aussprechen, daß ich mi in derselben Verlegenheit befinde, die von verschiedenen verehrten Rednern vor mir angeregt worden ist in Bezug auf die Anwendung der §§. 268 und 269 auf Grund derje= nigen Beschlüsse, die wir über §.-267 gefaßt haben. Diese Verle= genheit besteht nun nah meinem Dafürhalten mit einem Worte darin, daß wir die Diebe in gewisser Beziehung unter die ehrlichen Leute aufgenommen haben ; ich muß dies durch einige praktische Beispiele, da die Herren, welche gesprochen haben, das pro und contra der The= orie hinreichend erörtert zu haben seinen, nochmals deutlih machen. Unter die Kategorie derjenigen, welhe wider den Willen des recht- mäßigen Besigers sich etwas widerrechtlich aneignen, gehört der Rei= sende, dem unterweges der Wagen zerbricht, und der einen abgehauenen Stamm im Walde findet und denselben benußt, um seinen Wagen bis zu dem nächsten Dorfe zu schleifen, er is, nah dem §. 267, ein Dieb, Der Naturforscher, der auf einem zusanmengeseßten Haufen Steine einen Ammonit oder sons ein merkwürdiges Mineral findet und si dasselbe aneignet, is ein Dieb, und derartige Fälle werden sih noch viele aufweisen lassen. Jh befände mich in dieser Vorausseßung in der größten Verlegeuhcit, wenn auf Aberkennung der Ehrenrechte ein Urtheil gesprochen werden sollte. Das Resultat von dieser Be- trahtung würde sein, daß die Entziehung der Ehrenrechte fakultativ in die Hände des Richters gelegt werden muß. Nun bin ih auf der anderen Seite von der Abtheilung darin abweichender Meinung, daß ih nicht anerkennen kann, daß gegen den Dich blos die zeitweise Entziehung der Ehrenrechte in den Fällen, wo darauf zu erkennen wäre, nah Lage der seitherigen Beschlüsse, auszusprechen seiz ih er- innere namentlich an die Jnkongruenzen, in welche man den bestehen= deu Gemeinde -Ordnungen gegenüber verfallen wird, in wclchen der Diebstahl von der Ausübung der Gemeinderechte ausschließt, ‘indem der Antrag der Abtheilung jeßt die Folge haben würde, daß nach Verstreihung der Zeit, für welche die Ehrenrehte aberkannt sind, der Dieb sofort wieder in die Gesellschaft aufgenommen und in seine Ehrenrechte eintreten würde. Dies beruht nun auf den früheren Be= schlüssen, ih erlaube mir aber auf die Jnkonsequenz aufmerksam zu machen, in welhe wir dann verfallen würden. Was das Strafmi- nimum anlangt, so gestehe ih au, es mir zu hoch is, jedoch niht im §. 268, sondern im §. 269. Jm §. 269 is das Miuimum auf 8 Tage festgeseßt; nun fällt nah den gefaßten Beschlüssen unter den Diebstahl eine Menge von Handlungen, die allerdings nicht zu dulden sind, die aber an sich doch eigentlih nur als Unordnungen betrachtet werden können und nach der bestehenden Geseßgebung bis jeßt sehr gering bestraft worden sind. Jh rechne hierhin z. B. den Gall, wo Jemand auf der Landstraße von einem an derselben stehen= den Baume Obst entwendet, um es guf der Stelle zu verzehren ; eùt solher Mensch wird gleich mit 8 Tagen Gefängniß bestraft; ein armer Mensch, der auf dem Felde Gras abschneidet, verfällt in das Mini= mum von 8 Tagen. Nach der bestehenden Geseßgebung ist, wo eine Entwendung von Gras stattfiudet, eine geringe Strafe nach den Allerhöchsten Kabinets - Ordres von 1839 und 1839 zulässig. Mein zweiter Antrag geht alfo dahin, daß der Richter in die Lage ge}eßt werde, noch unter 8 Tagen erkennen zu können. S ö 5

Marschall: Der Antrag des Abgeordneten Dittrich ging auf ein Minimum vou 14 Tagen. Das eben vorgeschlagene Minimum

von 8 Tagen is wohl zu §. 269 beantragt. Ja,- bei §. 269, aber noch unter

Abgeordn. von Werdeck : 8 Tagen. j

Marschall: Es is also zu ermitteln, ob der Antrag, das Mi- nimum im §. 269 noch unter 8 Tagen festzuseßen, die erforderliche Unterstüßung von §8 Mitgliedern findet.

(Es erhebt sih die ausreihende Anzahl Mitglieder.)

Er hat sie gefunden.

Abgeordn. Dittrich: Durch die Erläuterung des Herrn Mini- sters der Gesebgebung is zwar in Bezug auf die Höhe des Straf= masßes etwas geäußert worden, aber uihts in Betreff des geringsten Saßes. Das Bedenken, welches mich zu dem Antrage, die mindeste Strafe auf 14 Tage zu ermäßigen, gebracht hat, uud welches von dem Redner vor mir hervorgehoben worden, is ganz besonders die Begriffsbestimmung. Die Allerhöchste Kabinets-Ordre vom 20. April 1835 hatte angenommen, daß solher Werth von Sachen unter 1 Rthlr. angenommen werden könnte, der Herr Minister hat nichts darauf geäußert. Jch kaun also nux annehmen, daß dieser Satz Gegenstände von geringem Werthe bezeichnen soll. Nun stelle ich den Fall, daß ein Diebstahl nur deu Gegenstand von einem bis fünf Thalern beträgt. Wir haben im verflossenen Jahre durch dje Gnade Sr. Majestät eine schr große Masse Begnadigungen für die Fälle der Noth gehabt. Solche Fälle größter Noth, meine Herren, treten bei den Einzelnen, welche Diebstähle begehen, gewöhnlih ein. Wen nun bei dem Sah von 1 bis 5 Rthlr. nach der bestehenden Seseßzge-

bung höchstens Gefängniß von 4 Wochen, gewöhnlich aber beim erstkn

Diebstahl nur vou 7 Tagen eintritt, so würde der Thäter nah der neuen Bestimmung mindestens zu 6 Wochen Gefängniß und zum Verluste der Ehrenrechte verurtheilt, und diesen mindesten Sab halte ih für zu hart. Wenn ein armer Fanilienvater in größter Noth, und um seine Familie Brod zu verschaffen, eine Sache stichlt, die 1 Rthlr. 1 Sgr. werth is, so kommt er 6-Wochen ins Gefängniß und soll au die Ehrenrechte verlieren, Dies ijt zu hart, und des= halb erscheint eine geringere Strafe gerechtfertigt. Was nun die Entziehung der Ehrenrechte anbelangt, so wird der heute gestellte An- trag unterstüßt durch den ueuen Begriff des Diebstahls. Jh unter- stüße den Antrag auch, weil durch die Aberkennung der CEhrenrechte die Verbrechen vermehrt werden. Das Volk schon urtheilt über die Ehrlosigkeit und fühlt in sich, ob ein Verbrecher entehrt is oder nicht, und wenn eine entehrende Strafe bei so geringen Vergehen eintreten soll, so begeht der Verbrecher sicher viel leichter einen zwei- ten und dritten Diebstahl, als weun “er in Folge des ersten nicht entehrt ist. S ö U

Justiz- Minister Uhden: Jch will nur über das Minimum der Strafe des Diebstahls sprechen. Bei Abfassung des Entwurfs kam zur Sprache, ob man die Theorie des Allgemeinen Landrechts A halten und zwischen kleinem und großem Diebstahle unterscheiden wZ e, je nachdem das Objekt des Diebstahls 5 Thaler oder darüber E Man hat diese Unterscheidung als eine willkürliche, wie alle qua D ven Abmessungen, fallen lassen und nur guf die Verwer telt Ter Der Diebstahl als solcher wird im §- L R einem Minimum von sechs Wochen bedroht, es uva Mer ny F. 209 bis auf acht Tage Gefängniß zurückgegaugen O Diebstahl an einer Sache von geringem Werthe B rh Hil e gleih feine Gründe einer höheren Strafzumessung vorhanden Bl . Der Richter is alsdann ermächtigt, die greiheitsstrafe bis guf Ges fänguiß von aht Tagen herabzuseßen. Man ist aber noch Voner ge=- gangen, und dies trisft die Fälle, die ein Mitglied der märkischen Rit- terschaft angeführt hat, nämlich bei Entwendungen von geriagfügigen Gegeustäuden ohne die Absicht des unredlihen Gewinns. Dies ist im §. 279 enthalten, welcher lautet :

0-7 - 279,

r Wenn bei der Entwendung oder Unterschlagung von geringfügi- gen Gegenständen, z. B. von Eßwaaren, Getränken, Gartenfrüchten oder Feldfrüchten, aus den Umständen erhellt, daß die Handlung nicht

Handlung geschen.

sind, als. er noh nicht in unserer Mitte war, im Allgemeinen Berük-

sichtigung, gefunden hat, ih will mih auch ferner niht auf die The-

in der Absicht eines unredlichen Gewinnes geschehen ist, so soll die-

selbè niht mit der Strafe des Diebstahls oder der Unterschlagung, jondern nur mit Geldbuße bis zu funfzig Thalern oder mit Gefäng= niß bis zu vier Wochen, ohne Verlust der Ehrenrechte, geahndet werden,“

Dahin würden die Fälle gehören, wenn Jemand eine Blume abpflückt oder vou einem Steinhaufen einen s{hóönen Stein wegnimmt u. dergl. Dann würde dieser Paragraph zur Anwendung kommen und nicht die harte Bestimmung der Strafe des Diebstahls.

Justiz - Minister von Savigny: Es sind verschiedene Einwen= dungen gegen den Paragraphen gemacht worden, und ih erlgube mir, nochmals furz zusammenzufassen, was dagegen vorgebracht worden ist. Die wichtigsten Einwendungen beziehen sich auf das Minimum, und es ist behauptet worden, es sei dasselbe, verglichen mit der bestehen- den Geseßgebung, zu hoh. Man muß aber den §. 268 nicht allein, soudern in Verbindung mit §, 269 ins Auge fassen. Daß diese Be-= stimmungen in verschiedene Paragraphen geseht worden sind, is nur geschehen, um die exceptionelle Natur des §. 269 mehr ins Auge fallen zu lassen. Ständen sie beisammen, so enthielten sie dasselbe Minimum der Dicbstahlsftrafe, wie das Landrecht, nämlich : 8 Tage. Man wird einräumen, daß im Maximum eine höhere Bestimmung uöthig is, wenn ein fonsequenter Zusammenhang stattfinden solle. Wir haben noch nicht gesproheu von den Fällen des qualifi irten Diebstahles, und ich zweifle, ob wegen der Strafe des qualifizirten Diebstahles große Bedenken erhoben werden. Weun aber der nicht qualifizirte Diebstahl sich in einiger Konsequenz an die Strafe des qualisizirten anschließen soll, so is ein Maximum von fünf Jahren passend, weil Fâlle vorfommen fönnen, die, wenn sie auch nicht qua- lifizirte Diebstähle sind, doch eine hohe Strafe verdienen. Jch bitte aber noch auf etwas Rücksicht zu nehmen, was noch niht erwähnt worden is. Ju einem bedeutenden Theile unseres Laudes, in der Rhein-Provinz, wie steht es da? Nach dem bisherigen Rechte ijt da die geringste Strafe ein Jahr. Da gehen wir also ohnehin schon sehr herunter, und noch weiter herunterzugehen, ist doch auch bedenk- lich. Also, was das Minimum betrifft, so is eine gegründete Gefahr in Beziehung auf die Anwéndung dieser Regel nicht vorhanden. 23as nun besonders die Fälle betrifft, die ein geehrtes Mitglied aus der Mark erwähnt hat, so hat mein Herr Kollege bereits darauf ge= antwortet, daß diefe Fälle unter den eigentlichen Diebstahl nicht ge= horen, weder nah dem gemeinen Gefühl, noch nah der rihtigen Anwendung des Paragraphen. Es ift aber au voliständig gesorgt durch g. 279 für alle Fälle, wo die Annahme einer Gewinnsucht durch die Umstände entschieden ausgeschlossen is, und §. 279 sichert die Reisenden und Mineralogen vollkommen und steht in Verbiudung mit dem, was das Landrecht darüber sagt, wo es im §. 1113 heißt :

„Doch kaun diese Vermuthung {on durch das Verhältniß der Per- sonen gegen einander oder durch die besonderen Umstände, welche bei der Handlung vorkommen, ausgeschlossen werden.“ j Ii frage, ob diese besonderen Umstände nicht hinreichenden Schutz gewähren für alle solhe abnormen Fälle, Es bleibt übrig, zurückzu= kommen auf das, was beiläufig erwähnt worden ist, nämlich die fa= kuitative Entziehung der Ehrenrechte. Mit dieser Ansicht kaun ich mich nicht befreunden, Es is als Grund geltend gemacht worden, daß wir im §. 267 den Begriff des Diebstahls so sehr erweitert hâtten, daß eine Härte entstehen könnte. Jch bitte die besteheude Gesebgebung des größten Theils- unseres Landes ins Auge zu fassen. Wie steht es da? Jst eine Erweiterung des Begriffs des Diebstahls vorgekommen? Allerdings sagt §. 1108 des Allgemeinen Landrechts : „Wer um seines Gewinnes, Vortheils und Genusses willen.“ Wenn nun solche Fälle vorkommen, so is man einverstanden. Wenn wir aber neben diesen Paragraphen §. 1112 des Landrechts stellen, so ift prak tisch eine völlige Gleichheit zwischen dem Landrec:te und dem Ent- wurf, indem nach dem Allg. Landrecht die gewinnsüchtige Absicht stets vermuthet werden soll. Wenn man diesen Zusammenhang erwägt, so wird man ersehen, daß praktisch keine eigentlihe Differenz vor= handen ist. i

Abgeordn, Sperling: Der Herr Minister der Geselgebung hat geäußert, daß bei der Redaction des g. 268 nicht beabsihtigt wor= den, das bisher übliche Kriterium des Diebstahls, die gewinnsüchtige Absicht, auszuschließen. Weun dieses der Fall is, o wäre es zu wünschen gewesen, daß es im Paragraphen bestimmt ausgedrückt worden wärez denn der Richter muß genau wissen, wo und unter welchen Umständen er ein speziell hervorgehobenes Verbrechen anzu=

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neymen hat, und Jeder im Volke muß wissen, unter welchen Um- ständen er sih einer That shualdig mache, welche das Geseß als ein bestimmtes Verbrechen definirt. Der Herr Minister hat ferner ange- führt, über gedachtes Kriterium sei man deshalb hinweggegangen, weil sonst ein Dieb leiht sich veranlaßt finden könnte, unbegründete Einwendungen zu machen, um sich der Strafe des Diebstahls zu ent- ziehen. Dies mag allerdings ein Uebelstand sein. Aber viel mißli- her wäre es, wenn Jemand, der keinen Diebstahl begangen hat, als Dieb bestraft würde, und dahin könnte es bei der unbestimmten Gas- sung des Paragraphen in der That kommen, Es soll zum Begriffe des Diebstahls gehören, daß Jemand sich eine fremde Sache zueigne. Aus dem §. 272 ersehen wir aber, daß auch da eine Zueignung an- genommen wird, wo Jemand eine fremde Sache uur verpfändet, und es láßt sih bei einem Verpfänder sehr wohl denker, daß er die fremde Sache nur einstweilen zu seinem Vortheile gebrauchen will, keineêwe- ges die Absicht hat, sie als Eigenthum zu behalten, daß er vielmehr sie mit dem Vorsaße verpfändet, dieselbe, wenn ihm die erforderlichen Mittel wieder zu Gebote stehen, einzulösen und an den rechtmäßigen Eigenthümer abzugeben. Es soll nah dem §. 272 auch noch auf eine andere Art, als dort angegeben ist , die Zueignung stattfiuden kön- uen. Jh erinnere mich, daß in der Stadt, in der ih lebe, mitunter es vorgetommen ist, daß Studenten einem Kaufmann das Schild von seiner Thür abnahmen und es heimlih bei Nacht einem anderen Kaufmanne über seiner Thür befestigten. Dieselben thaten offenbar etwas, was als ein Zeichen der Zueignung gelten “kann. Sollten dieselben ebenfalls als Diebe bestraft neden? Der Herr Minister wird sagen, daß hier die Studenten eben so wenig, wie die Mineralogen und Reisenden, nach §. 279 etwas zu fürchten haben würden. Jch erlaube mir aber, darauf zu erwiedern, daß dieser Paragraph nur bestimmt daß diejenigen, welche sih an geringfügigen Gegenständen vergehen, nicht die Strafe des Diebstahls treffen solle, daß er aber dennoch die Handlung als Entwendung bezeichnet, unter den Begriff des Diceb= stahls subsumirt, Unter solchen Umständen, bei solher Unsicherheit im Ausdruck scheint mir der Antrag des geehrten Abgeordneten gus Pommern, daß im §. 268 der Richter nur ermächtigt, nicht un- bedingt verpflichtet werden solle, auf Verlust der Chrenrete zu er=

fennen, vollkommen begründet, und ih schließe mich demselben an. Abgeordn. Graf von Renard: Wir stoßen hier wieder auf eine be- fannte Schwierigkeit; wir wollen theilweise versuchen, die Verbrechen zu „qualifiziren , theilweise aber auch die Verbreher. Von einigen An Rednern is erwähnt worden , daß der Diebstahl aus eut= Sálle R geschehen könne; ih glaube, dies siud seltene S Aal A au mir erscheint, daß durch die Bestimmungen des E Diehsahle Bet aus entshuldbaren Motiven unter die Kategorie Klassen be Da I sind. i Wenden wir uns aber nun zu den välfern, weg val , mi denen wir die Gefängnisse so übermäßig be- uchen wir, sie zu klassifizicen, 1) Reiche Leute, die

Zur Begründung dieser meiner Ansicht beziehe ih mi auf das vor-

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werden wollen und deshalb stehlen, sind dunim, sle strafen sih selbst, sie verfehlen ihren Zweck. Beide Kategorieen sind selten. Nun kom- men wir aber an die zahlreiche Kategorie derer, die aus Noth steh- len. Vielleicht der größte Theil derer, die im Gefängniß sißen, ge- hören in diese Kategorie. Diesem Uebelstande wird durch das Ge- fänguiß nicht abgeholfen. Der Tagelöhner, der seine zahlreiche Fa=- milie niht ernähren fann dur seiner Hände Arbeit und als Sup- plement stiehlt, wird dadur nicht reicher, wenn er 8 Wochen im Gefänguiß sißt und gar nicht arbeitet; ih glaube, hier würde eine Unterstüßung passender sein, als eine Strafe, (Heiterkeit. )

So bleibt uns noch eine große Kategorie der Diebe übrig, näm- lih derjenigen, die zu träg zur Arbeit sind, und die im unwidersteh= lichen Hange nach Besiß und Genuß das Stehlen der Arbeit vor- ziehen; diese wollcu wir, und Jeder in der Versammlung wird damit übereinstimmen, streug fassen. Alleia es fragt sih, werden wir wohl die Subjekte, die den Diebstahl für leihter halten, als die Arbeit, durch strengere Strafen abschrecken und mindern? Jch sage nein, das Allgemeine Landrecht hat diese Leute streng bestraft, und tie Diebstähle haben zugenommen. Nicht durch streuge Strafen wird vorgebeugt, sondern dur eine erleichterte Be= weis-Methode. Jch weiß nicht, iawiefern diesfallsige Bestimmungen hierher oder zur Gerichtsverfassung gehören mögen; ich glaube aber, wir könnten tieser Erwägung auch hier Play geben. Die Diebe vou Profession, die ewig rückfällig werden, die alle 4, 5 Jahre wieder auf einige Zeit eingesperrt werden, zichen den Diebsthl deshalb dem Erwerbe vor, weil sie so oft durchkommen, wenn der Diebstahl nicht bewiesen werden fannz sie haben, wenn eine gestohleue Sache, der man nachgeht, bis auf sie zurückgeführt wird, zuleßt den Entschuldi- gungsgrund, daß sie sagen: Sie is gefunden worden. Wenn der Paragraph so hingestellt wird, daß gejagt würde : der schon bestrafte Dieb, bei dem eine gestohlene Sache gefunden wird, wird als der Dieb betrachtet, wenn er den Fund nicht nachweist, so kann man ge- ringere Strafen feststellen, in der sicheren Ueberzeugung, daß mehr Fälle zur Strafe gezogen werden.

Marschall: Habe ih zu entnchmen gehabt, daß es die Absicht war, einen Antrag zu stellen?

Abgeordn. Graf von Renard: Jch bin nicht der Ansicht, daß dies nothwendig hierher gehört, ih {ließe mich aber den Anträgen für ein geringeres Strafmaß im Minimum und Maximum an, weil durch strenge Strafen das Ziel picht erreicht wird.

Abg-ortn. Krause: Der Begriff dessen, was Diebstahl sei, steht in der Volksmeinung fest, ob aber hier der Begrisf der Uneig- nung der richtige sci und der Grundsaß, daß der Diebstahl als voll- endet zu betrachten, sobald der Thäter die Sache an sich genommen hat, zu weit ausgedehnt werden fönue, lasse ich dahingestellt sein. Es fann Jemand etwas ergriffen haben, ohne daß er es rechtswidrig an sih gebracht hat und als Dieb erkannt werden kanu. Jch glaube nicht, daß Jemand in der Versamnilung den Dieben das Wort reden wird; aber wenn es hier im §. 268 heißt, der Diebstaßl ist mit dem Verluste der Ehrenrechte auf immer zu bestrafen, und wenn §. 269, da diese beiden Paragraphen immer zusammengefaßt werden, auch dabin ausgedehnt werten soll, so wäre das doch wohl eine zu große Härte. Ich schließe mich der Majorität der Abtheilung au, daß die Ehren= rechte nur auf Zeit aberfannt würden, dagegen bin ih der Meinung, daß das Aberkeunen der Ehrenrehte ein wirksames Mittel i} für \ehr Viele, wenigstens nah meiner Erfahrung, da wir die körperliche Züch= tigung abgeschafft haben, Jch habe immer gefunden, daß die Leute gerade vor dem Verlust der Natioual-Kokarde eine große Furcht ha- ben, und deshalb würde ih dem nicht beistimmen, was die Minorität der Abtheilung augetragen hat, nur auf immerwährenden Verlust der Ehrenrehhte zu erkennen; das würde blos wieder dahin führen, daß Rehabilitations-Gesuche in Menge eingingen, Nach meinem Dasür- halten fann das Meiste zur Unterdrückung der gemeinen Diebstähle gewirkt werden, wenn für die Erziehung der Kinder in den Schulen zweckmäßig durch Unterricht für das Leben gesorgt wird. Das ift gewiß das sicherste Mittel gegen gemeine Diebstähle; das Ehrgefühl im Meuschen muß gewedckt werden. i , Abgeordn. von Brünneck: Ganz abgesehen von dem theoreti= hen Begriff des Diebstahls und nur auf meine eigene Erfahrung gestüßt, fühle ih mich gedrängt, mi ganz besonders dagegen zu er-= klären, daß derjenige, welcher einen Diebstahl zum erstenmal oder aus jugendlichem Leichtsinn begeht, au sofort für ehrlos erklärt werde. Jch kann mich daher nur dem Antrage des geehrten Abgeordneten aus Spandau anschließen, welcher dahin gerichtet is, daß im ersten Falle des Dizbstahls die Aberkennung der Chrenrechte nicht eintreten darf, sondern nur erst im Rükfalle, und ebeu so glaube ih auch, daß es im Juteresse der Gesellschaft nothwendig is, das jugendliche Alter dabei zu berücksihtigen. Jch habe mehrere Fälle erlebt, wo ich selbst von solchen Leuten bestohlen wuwe, die sich bis dahin, wie mir be= kannt, gut geführt hatten, also zum erstenmal einen Diebstahl begin= genz ih hobe dies mit cinem älteren verführten Soldaten und auch bei solchen erlebt, die jugendlicher Leichtsiun verleitet hatte. In die= sen Fällen brachte ih den Diebstahl nicht zur Anzeige, damit sie nicht für ehrlos erflärt und dadur für ihre ganze Lebenszeit verdorben würden, und ih habe die Genugthuung erlebt, daß sie wieder or= dentliche Menschen geworden sind.

(Bravo !) __ Abgeordn. Grabow: Die heutige Debatte, glaube ih, gewährt mir Genugthuung für meinen in der leßten Sißung vergebens for- mirten Antrag, welchem zufolge ih den Wunsch aussprach, daß in den Begriff des Diebstahls (§. 267) die gewinnsüchtige Absicht mit- ausgenommeit werden möchte. Jch that das aus feiner anderen Ab= sicht, als weil ich dabei den folgenden §. 268 im Auge hatte. Jch glaubte nämlich, daß, wenn die gewinnsüchtige Absicht niht vorhan- den sei, es unter keinen Umständen gerehtfertigt erscheine, den Ver= lust der Ehrenrechte auszusprehen. Zch glaubte dies um so mehr, als, wenn die gewinnsüchtige Absicht nicht vorhanden is, eine Hand- lung dann als Diebstahl erscheint, die ein wirklicher Diebstahl nicht is, Es sind in dieser Bezichung schon manche Beispiele iu der ho= hen Versammlung aufgeführt wo:den. Auch wir is aus der Praris ein solches Beispiel bekanut. Ein Student hatte auf einen Buch- händler einen Wechsel gezogen, um, wenu er nach der Universität kâme, denselben ven ihm zu erheben. Der Buchhändler hatte den Wesel zurückgeschickt. Der Student kam auf die Universität, fühlte Rache und Bosheit in si, ging an das Ladenfenster des Buchhäud= lers, zershlug es, nahm eine Partie Bücher heraus und verbrannte sie nah einiger Zeit auf seiner Stube. Das Gericht war zweifel- haft, ob Diebstahl oder Beschädigung fremden Eigenthums vorliege, erklärte sih jedo für leßtere und verurtheilte dana den Juful= paten. Mit Rücksicht auf solche Beispiele, die uicht selten sind, habe ih geglaubt, daß das, was seit Jahrhunderten zum Begriffe des Diebstahls mitgehörig gegolten hat, auc in unser neues Gesegbuch aufzunehmen seiz es is jedoch niht geschehen. Um deshalb fühle ich mich jeßt veranlaßt, den Antrag zu stellen, daß, wenn aus den Umständen erhellt, daß eine gewinnsüchtige Absicht nicht vorliegt, dann niemals aufden Verlust der Ehrenrehte erkannt werden darf.

liegende Geseßbuch selbst, Jn dem §. 151 desselben wird nämlich |

ehlen, \i Ê j) M Kranke, die in eine Anstalt gehören ; 2) Leute , die rei

deutlich ausgesprochen, daß, wenn „die gewinnsüchtige Absicht“ vor-

handen gewesen, der „Verlust der Ehrenrehte“/, wenn aber „die ge- winnsüchtige Absicht“ niht vorhanden gewesen, nur Gefän d strafe eintreten soll. Eben so soll nah §. 279 von einem Dieb

gar nicht die Rede sein, weun die „Absicht des unredlichen Gewinues“ fehlt, und nur auf Gefängnißstrafe „ohne Verlust der Ehrenrechte“

erfannt werden, und endlich uah §. 335 ausdrücklich der „Verlust der Ehrenrehte““ nur danu eintreten, wenn die Handlung in „gewinu-

süchtiger Absicht“ vorgenommen worden ist. i

Abgeordn. von Werdeck: Jh behalte mir das, was ih noch zu sagen habe, für §. 269 vor. Ju Ansehung ter Mineralogen und Aen bin i allerdings beruhigt, über die anderen Punkte aber noch nicht.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jh muß auch gestehen, daß mich die Deduction des Herrn Ministers der Geseßgebung nicht hat “überzeugen fönnen, daß nicht §. 267 eine wesentlich andere Begriffs= bestimmuug für den Diebstahl hat, als das Allgemeine Landrecht, uad daß, wenn das richtig is, auch nothwendig daraus folgen muß, daß nicht dieselben Konsequenzen aus dem Verbrechen des Diebstahls in Bezug auf die Sirafe gezogen werden fönneun, die gezogen worden sind nach der Definition des Landrechts. Nach der Definition des F. 267 wird Niemand leugnen , taß es einen Diebstahl geben könne ohne gewinnsüchtige Absicht ; der Herr Minister der Geseßgebung hat das zwar iu Abrede stellen wollen, es würde aber, wenn das nit die Absicht gewesen wäre, kein Grund vorhanden gewesen sein, von der Definition des Allgemeinen Landrechts abzuweihen. Der Herr Mix nister ter Gescßgebung hat gesagt, nah dem Allgemeinen Landrecht stelle sich die Sache so, daß eine gewinnsüchtige Absicht unter ällen Umständen vorausgeseßt werde; das is allerdings rihtig, aber es war dem Beschuldigten der Beweis des Gegentheils nachgelassen; wenn der Beschuldigte bewies, daß eine gewiunsüchtige Absicht nicht vor- lag, so hatte er zwar ein Verbrechen, aber fein gemeines Verbrechen begangen, während es nach dem gegenwärtigen Ente wurfe ihm nichts hilft, wenn er nahweist, daß die gewinnsüchtige Absicht nicht vorhanden giwesen is; is er der Handlung überwiesen, so soll er ein gemeines Verbrechen begangen haben. Das rechtfertigt aber, meiner Meinung nach, den Antrag des Abgeordneten aus Stral=- sund, der, wenn er nah dem Antrage des Abgeordneten aus Prenz- lau näher präzisirt wird, ganz unbedenklich wird, so daß, wenn wir den Begriff des §. 267 beibehalten, wir für die §§. 268 und 269 dea Verlust der Ehrenrechte uur erkennen können, wo die ge- winnsüchtige Absicht vorliegt. /

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: Es kommt bei der ganzen Saÿe wesentlich darauf an, worin man den Begriff des Dieb= stahis seßt, namentlih in Bezug auf den Chrenverlust. Meine Ans- sicht gcht dahin, daß das Ehrenwidrige im Diebstahl darin liegt, daß der Besiß cines Anderen verleßt worden ist, in der Absicht, diesen Besiß zu stören und sich ihn zuzueiguen. Eine andere Ansicht meint, daß der Diebstahl eine engere Bezeichnung bekommen, daß zu tieser That noch hinzukominen müsse, daß sie in gewinnsüchtiger Absicht vollbracht sei, also in d.r Absicht, sich durch diese That Bortheile zu verschaf= fen. Ob die eine oder andere die richtigere is, wie das Rechtsgefühl des Volkes darüber entscheidet, darauf kommt Alles an, und ich glaube, daß die Entscheidung des Entwurfs die richtige is , daß es nicht guf die Gewinnsucht , sondern auf die Besißverlezung beim Diebstahle ankommt.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Was findet denn dann aber fas ein Unterschied zwischen Vermögens - Beschädigung und Diebstahl statt 7

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: Es versteht sih, daß jeder Diebstahl auch eine Art Vermögens-Beschädigung ist, er bildet eine ganz bestimmte Gattung der Vermögens = Beschädigung, weil er unmittelbar gegen den Besiß gerichtet ist.

Abgeordn. Freiherr von Gaffron: Jh muß mich der Ansicht anschließen, welche da, wo eine gewinusüchtige Absicht nicht vorleuch= tct, nicht auf Verlust der Ehrenrechte erkannt wissen will, Jch will nit in Abrede stellen, daß die Definition des Herrn Referenten viel für sih hat, daß mauchmal die gewinnsüchtige Absicht schwer zu be= weisen sein wird, daß Umstände vorhanden sein fönnen, wo der Ent- wender sich dem vollen Maße einer gerechten Strafe entziehen fann z dennoch aber scheineu mir die Fälle sehr wihtig und sehr gravirend für das Recht des Einzelnen, wenu auch ohne das Vorwalten der gewinn=- süchtigen Absicht das Härteste verhängt, wenn sofort der Verlust der bürgerlichen Ehre ausgesprochen werden follte. Jch muß ferner mi der Ansicht des Herrn Marschalls aus Preußen anschließen, daß bei jugendlichen Verbrechern nicht sofort auf Verlust der Ehrenrechte er- fannt werde, weil dadurch ihr ganzes Leben vernichtet werden kann, dem vielleicht ohne dieses Strafmaß noch eine bessere Zukunft vorbe halten ist, Was die Aberkennung der Ehrenrechte beim ersten Dieb= stahle anlangt, so würde ih auch dafür stimmen , dieselbe nit in allen und selbs geringeren Fällen sofort eintreten zu lassen, wenn niht auch bei dem ersten Diebstahle schr gravirende Umstände eintre= ten, und wenn es nicht bedenklih wäre, die fakultative Bestimmung in die Hand des Richters zu legen. Vielleicht wäre darin ein Aus= weg, daß ein bestimmter Zumessungsgrund schärfer hervorgehoben würde, wo diescr Verlust eintreten soll. Was endlich das Strafmaß aulangt, so kann ich mi nicht für die geehrten Redner erklären, welche darin eine Milderung gegen den Entwurf einführen wollen. Ih glaube, es is nicht zu übersehen, daß der Begriff der Heiligkeit des Eigenthums in den leßten Jahrzehnten bedeutend lodckerer gewo- den ist, dieje Behauptung wird gewiß von vielen Seiten Unterstüßung finden, Jh mache ferner darauf aufmerksam, was bereits ein gcehrtes Mitglied aus den schlesischen Landgemeinden erwähnt hat, daß ein früheres sehr nahdrüdcklihes Strafmittel, die körperliche Züchtigung, weggefallen is, daß daher als Ersay härtere Freiheits= strafen eintrelen müssen, wenn nicht die Furt vor der Strafe des Gesezes allzu sehr vermindert werden soll. Wird also nur ein sehr geringes Strafmaß für den Diebstahl angewendet, so werden die Thäter oft straflos bleiben, denn eine geringe Freiheitsstrafe ist für Manchen gar keine Strafe, weil er nah den mit Recht getrof= fenen humanen Einrichtungeu unserer Gefängnisse dort oft viel besser und bequemer aufgehoben is, als in seinen gewöhnlichen Lebens=- Verhältuissen. Wir müssen im Auge haben, daß der Begriff des Eigenthums eine Erschütterung erleidet, weun der Verbrecher straflos bleibt, und die Heiligkeit des fremden Besißes immer mehr shwindet, Jch nehme die größte Rücksicht auf Verhältnisse der Noth; ih widme ihnen dasselbe Mitgefühl als irgend ein Mitglied in der Versamm- lungz aber ih glaube, es wäre cine gefährliche Rear "E ute zu großes Gewicht auf diese Entschuldigung legen wollte. Ih und Sie Alle, meine Herren, wollen gewiß Alles anwenden, um die un- teren Klassen zu heben, ihnen Gelegenheit E gen s rehtlihen Erwerb ihr Dasein zu begründen, ih glaube aber, daß wir damit niht so weit gehen diefen wegen Noth völlige Straslosigkeit des Nj eintreten zu tafteu.

V ‘bas. geedrte Mitglied aus Spandau behauptet hat, daß wir zu hart gegen die sein würden , die eine mangelhafte Erziéhun

| Fes vorzugoweie g gesorgt ist.

o muß ich darauf hinweisen, daß das Gebot, Du \o Lt olen, No wohl in allen Kreisen der Gelshaft bekannt ist, T eo in unserem Staate für die Erziehung der Jugend und des Vol- d Ih kann also diesen Grund halte es füx {ehr gefährlih, wenn diejenigen,

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