1848 / 58 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Abgeordn. Frhr. von Patow: Jh würde drei Jahre für an- emessen erahten. Denn ich kann mir denken, daß sehr strafbare Fälle vorkommen. Wenn der Fund abgeleugnet wird, \o tritt die Unterschlagung dem Diebstahle sehr nahe. Jh erlaube mir daher, dèn Vorschlag zu machen, daß das Maximum auf drei Jahre festge- seßt wird.

s Marschall: Es wird sih fragen, ob der Vorschlag die erfor- derlihe Unterstüßung findet. (Wird unterstüßt.)

Er hat sie gefunden.

Abgeordn. Züffer: Jch wünschte, daß für §. 273 ein Minimum gar nit gestellt würde, indem die Fälle so gering sein können, daß eine Strafe gar nicht eintreten würde.

Marschall: Es is vorhin {hon die Unterstüßung auf denselben Antrag verweigert worden, so daß füglich niht erwartet werden Fann, daß sie jeßt erfolgen werde.

Abgeordn. Brämer : Mein Antrag war allerdings niht, daß das Minimum ganz ausgeschlossen würde, ih wollte nur ein geringe- res Minimum.

Marschall: Der Antrag, auf ein Minimum von 14 Tagen berunterzugehen , i} nicht unterstüßt worden, es is also nicht wahr= scheinlich, daß der Antrag auf Wegfall des Minimums Unterstüßung finden werde. Uebrigens is es zu ermitteln.

(Der Antrag findet Unterstüßung.)

Justiz-Minister Uhden: Jh wollte nur eines in Bezug darauf bemerken; für solhe ganz geringfügige Gegenstände is durch §. 279 \chon genügender Schuß gewährt, denn es i} dort nicht blos von Entwendung, sondern auch von Unterschlagung geringfügiger Gegen- stände die Rede.

Korreferent Abgeordn. VUaumann: §. 279, darin muß ih dem Herrn Justiz-Minister“ Recht geben, wird bei sehr geringfügigen Entwendungen und Unterschlagungen zur Anwendung kommen, aber ih bitte zu berücksihtigen, daß dieser Paragraph nur von den Fällen spricht, in welchen die Absicht eines unredlihen Gewinnes nicht vor=- liegt; nun is aber der unredlihe Gewinn selbst bei den allergering- fügigsten Entwendungen und Unterschlagungen gewöhnli, und da ist §, 279, wenigstens wie er jeßt dasteht, immer ausgeschlossen, Ich halte bei sehr geringfügigen Entwendungen und Unterschlagungen, bei denen die gewinnsüchtige Absicht niht vorliegt, doch das Straf- Minimum von 14 Tagen für zu hoh, und deshalb habe ih den Antrag unterstüßt.

Abgeordn. Grabow: Jh glaube, daß, wenn die Herren Redner nur wünschen, ein geringeres Strafmaß bei geringfügigen Unter- \chlagungen zu erhalten, nicht der §. 279 maßgebend sei, sondern daß der §. 275 die sedes materiae enthalten wird. Jn ihm heißt es nämlich:

„Wenn die Unterschlagung an einer Sache von geringem Werthe

verübt wird und zugleih feine Gründe einer höheren Straf-

Zumessung vorhanden sind, so soll der Richter ermächtigt sein, die

Freiheitsstrafe bis auf Gefängniß von aht Tagen herabzuseßen.“

Es soll dana die Strafe nicht anfangen mit dem im §. 274 ge- stellten Minimum von 6 Wochen, sondern mit einem Minimum von 8 Tagen für geringere Fälle. Glaubt man nun, daß 8 Tage noch

zu gering seien, so fönnte man noh weiter heraufgehen z ih bin aber der Meinung, daß man für die Fälle des §. 272 und §. 273 mit dem im §. 275 bestimmten Strafmaße ausreihen wird. Nach dem römischen sowohl, als au nah dem deutshen Rechte stehen nämlich die Fälle des §. 272 unbestritten dem Diebstahl gleih, und nur der §. 273 enthält davon gewissermaßen eine Ausnahme, hinsihtlih des bloßen Funddiebstahls, Rücksichtlih seiner kann man heruntergehen, \owohl im Minimum als im Maximum des im §. 274 normirten Strafmaßes, und würde ich das Aberkennen der Ehrenrechte nicht für anräthlich erahten. Sonah würde ih den Antrag stellen, daß für die Fälle der im §. 272 bezeihneten eigentlihen Untershlagung die Strafe des §. 274 unverändert stehen bliebe, indem dann die milderen Fälle dieser Art dur §. 275 getroffen werden, und daß die Strafe des Funddiebstahls im §. 273. eine Aenderung in der Weise erlitte, daß für gewöhnlihe Fälle 14 Tage Gefängniß bis 2 Jahr Strafarbeit festgestellt, unter allen Umständen aber der Ver=- lust der Ehrenrehte niht ausgesprohen würde. Auch beim Fund- diebstahl mag daun in geringeren Fällen das Minimum der Sträàfe nah §, 275 bemessen werden.

Justiz - Minister Uhden: Jh muß dem Herrn Korreferenten e-wiedern, daß daraus, daß die Sache von ganz geringfügigem Werth ist, hon folgt, daß eine gewinnsüchtige Absicht niht vorhanden ist. Der Richter wird in diesen Fällen annehmen, daß der Angeschuldigte die Präsumtion für sh hat, und ihm die gewinnsüchtige Absicht nach- gewiesen werden muß,

(Ruf zur Abstimmung.)

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jh würde mich dem Antrage, das Maximum auf 2 Jahre festzuseßen, anschließen.

Abgeordn, von Patow: Um die Sache zu vereinfachen, {ließe ih mich dem auch an.

Marschall: Der Abgeordnete Graf von Schwerin hat also verzihtet auf seinen Antrag, für den Fall von §. 273 das Maximum auf 1 Jahr herabzuseßen.

Abgeordn. Graf von Schwerin : Ja wohl,

Marschall: Wenn feine weitere Bemerkung erfoigt, so is die Diskussion für geschlossen zu erklären, und wir kommen zur Abstim- mung. Die erste Frage heißt:

Soll beantragt werden, für die Fälle des g. 273 den Verlust der

Ehrenrechte nicht eintreten zu lassen? und die das beantragen, würden es durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Der größte Theil der Gerson e sich.) h

Die Frage ist mit einer Majorität von mehr als zwei Dritteln bejaht. Die zweite Frage heißt:

Soll beantragt werden, daß in den Fällen des §, 272 auf Verlust

der Ehrenrehte nur dann zu erkennen sei, wenn mit gewinnsüch-

tiger Absicht gehandelt worden ist? Diejenigen, die dies beantragen, würden es durch Ausstehen zu erkennen geben.

(Die meisten Mitglieder erheben si.) i

Eine Majorität von mehr als zwei Dritteln hat \sich dafür ausge- \sprohen. Die dritte Frage heißt :

Soll für die Fälle des §. 273 ein Minimum von 14 Tagen Ge-=

fängnißstrafe beantragt werden ? und die das beantragen, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben. Eine Majorität von mehr als zwei Dritteln hat die Frage bejaht. Eine Frage, ob gar kein Minimum stattfinden möge, kann, nachdem das Votum stattgefunden hat, welhes die Versammlung eben abgegeben hat, nicht weiter gestellt werden] und die nächste Srage heißt: y

oll beantragt werden, für die Fälle von §. 273 ein Maximum

von 2 Jahren Strafarbeit eintreten zu lassen? und diejenigen, die das beantragen, würden es durch Aufstehen zu erfennen geben.

(Die meisten Mitglieder erheben si.)

Eine Majorität von mehr als zwei Dritteln hat sich dafür ausge- \sprohen. Die Frage wegen fakultativer Aberkennung der Ehren-

522 Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Es würde wohl noch die Frage zur Abstimmung zu bringen sein, ob die polizeiliche Aufsicht bei §. 274 wegfällt. Die Abtheilung hat darauf angetra- gen, die Stellung unter polizeilihe Aufsiht ganz wegfallen zu lassen, weil kein Grund für diese Strafe vorliege. Zur weiteren Begrün- dung dieses Antrags wird nur noh anzuführen sein, daß die polizei- lihe Aufsicht, wie sie jeßt festgestellt worden is, eine sehr harte Strafe ist, die nur in den äußersten Fällen gerechtfertigt zu sein scheint; daß aber das Verbrechen hier niht von der Natur ist, daß eine dergleihen Beschränkung der gewöhnlihen Freiheit gerechtfertigt

wird.

Abgeordn. von Byla: Dem Antrage der Abtheilung kann ih niht beitreten. Es fönnen allerdings hier Fälle vorkommen, die niht nur eine ehrlose, sondern sogar eine ganz niederträhtige Ge- sinnung beweisen, und wenn da nicht sofort die Stellung unter poli zeilihe Aufsicht erfolgt, so würde ih das im höchsten Grade gefähr= lih erachten; ih glaube aber au, daß für die häufig vorkommenden milderen Fälle die fafultative Fassung des §. 272 genügend sein dürfte, um Uebelständen, die von mehreren Herren Rednern befürchtet werden, vorzubeugen. Jch stimme daher für unveränderte Beibehal- tung des Paragraphen. Korreferent Abgeordn. Kaumann: Die Abtheilung hat auf Wegfall der polizeilichen Aufsicht generell angetragen; ih glaubè, daß dieser Antrag wohl begründet ist, Es scheint mir, daß die Aufs fassung, welche das geehrte Mitglied, das zuleßt gesprochen hat, von der polizeilihen Aufsicht hat, nicht richtig is; die polizeilibe Aufsicht ist nicht eigentlich eine Strafe, sondern ein Sicherungsmittel gegen die Begehung künftiger Verbrehen. Nicht Strafe ist der Zweck der polizeilihen Aufsicht, denn sie soll nur eintreten nah Abbüßung der Strafe, wo es im Junteresse der Sicherheit erforderlich wird, Eine bloße Unterschlagung aber giebt noch keinen Grund, anzunehmen, daß derjenige, der eine solche Niederträchtigkeit sich zu Schulden kommen läßt, beaufsihtigt werden müsse, damit er nicht auswärts ein Ver- brehen begehe, und dies zu verhindern, ist doch eigentlih der Haupt- zweck, worauf es bei der polizeilihen Aufsicht ankömmt. Derjenige, der sih kein Gewissen daraus macht, fremdes Gut zu unterschlagen, wird durch keine polizeilihe Aufsicht davon abgehalten werden können; daher glaube ih, daß sie hier nicht am Orte ist. (Ruf zur Abstimmung.) Marschall: Wir können abstimmen, und die Frage heißt : Soll beantragt werden, die Stellung unter polizeilihe Aufsicht nicht eintreten zu lassen? und die dies thun, werden es durch Aufstehen zu erkennen geben. (Es erhebt sich ein Theil der Versammlung.) Die Majorität hat sich dafür ausgesprochen. S 27D, Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (liest vor): 8 2104 : Wenn die Unterschlagung an einer Sache von geringem Werthe verübt wird und zugleih keine Gründe einer höheren Straf-Zumes- sung vorhanden sind, so soll der Richter ermächtigt sein, die Frei- heitsstrafe bis auf Gefängniß von aht“ Tagen herabzuseßen,“ Marschall: §8. 276. Referent Abgeordn, Freiherr Ll Mylius (liest vor): S: 276.

Die Vorschriften über A Rückfall (§. 75) erleiden in ihrer Anwendung auf den Diebstahl und die Untershlagung folgende Abänderungen:

1) Beim ersten Rüdfalle soll die Gefängnißstrafe auch in den an

ch dazu geeigneten Fällen des gemeinen Diebstahls (§§. 268,

269) und der Untershlagung (§§. 274, 275) ausgeschlossen

sein und statt derselben stets auf Strafarbeit erfannt werden.

Beim zweiten Rückfalle ist auch wegen gemeinen Diebstahls

(§8. 268, 269) und wegen Unterschlagung (§§. 274, 275)

stets auf Zuchthausstrafe zu erkennen.

3) Beim dritten Rückfalle soll Zuchthausstrafe von fünf bis zu zwanzig Jahren eintreten.

4) Auch is beim zweiten und ferneren Rükfalle stets auf Stellung unter besondere Polizei- Aufsicht zu erkennen.“

Mit Ausnahme der allgemeinen Bemerkung wegen der Ehren- strafen hat die Abtheilung. keine Erinnerungen gemacht.

Abgeordn. von Olfers: J erlaube mir nur die Bemerkung, daß bei dem dritten Rüfalle stehen müßte: und fernerem, weil dieser sonst nicht vorgesehen sein würde.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (liest vor):

S2

Entwendungen oder Unterschlagungen, welhe von einem Che- gatten gegen den anderen oder von leiblihen Verwandten in aufs steigender Linie gegen ihre Kinder begangen werden, sind nicht zu bestrafen.“ :

U S ist bemerkt, daß eine bestimmtere Fassung desselben deshalb winschens- werth sei, damit die Straflosigkeit, die der Paragraph gewähre, auch für die Fälle des während der Ehe erfolgten Diebstahls daun eintrete, wenn die Ehe durch Scheidung gelöst worden.

Die Abtheilung beschloß mit 11 gegen 2 Stimmen:

Die Ausdehnung der Strasflosigkeit in der angetragenen Art zu befürworten, : i da diese Straflosigkeit durch das zur Zeit des Diebstahls bestandene ehelihe Verhältniß begründet werde und der Umstand, daß bie Scheidung später erfolgt, auf diese Strafbarkeit nicht von Rückwir- fung sein fönne.““ /

Justiz-Minister von Savigny: Jh glaube, daß dieser Antrag der geehrten Abtheilung auf einem völligen Mißverständnisse des Paragraphen beruht, denn es heißt aysdrüclih : „Entwendungen oder Untershlagungen, welhe. von einem Ehegatten gegen den anderen oder von leiblihen Verwandten in aufsteigender Linie gegen ihre Kin- der begangen werden 2c,“ und wenn, nachdem eine solhe Unter- \{lagung von einem Ehegatten gegen den anderen begangen worden ist, eine Scheidung erfolgt, so ist und bleibt es eine von einem Ehe- gatten gegen den anderen begangene Entwendung oder Unterschla- gungz es liegt daher der Antrag der Abtheilung bereits vollkommen im Entwurfe.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Jh habe auch das Bedenken für meine Person nicht aufgestellt, aber es is in der Ab- theilung zur Sprache gebracht, daß die Fassung des Paragraphen zweifelhaft sci, was jedoch wohl nur Fassungsbemerkung ist. j

Abgeordn. von Saucken-Tarputschen: J will noh auf eins aufmerksam machen, indem es hier heißt: „Entwendungen oder Un- tershlagungen, welhe von einem Ehegatten gegen den anderen oder von leiblihen Verwandten in aussteigender Linie gegen ihre Kinder begangen werden, sind nicht zu bestrafen.’ Nun haben wir aber die traurige Erfahrung, daß selbst Aeltern gegen Kinder nicht blos Härte ausüben, sondern ihnen auh ihr Eigenthum gefährden, und ih {le daher vor, hier noch einzuschieben: „mit Ausnahme mündiger Stief- Kinder“, daß nämlich hier die Klage zulässig erachtet werde.

Marschall: Es wird sih fragen, ob der Vorschlag die erfor- derlihe Unterstüßung findet.

rehte bei §. 273 fällt “nun weg,

Es ieht.) Er hat sie gefunden, E G

Abgeordn. von -Brünneck: Rücksihts der Entwendungen oder Untershlagungen vou Aeltern gegen ihre Kinder muß ih voraus= seßen, daß sie wenigstens, so weit dies Vergehen das freie Ver- mögen der Leßteren betrifft, den Vormündern gleich zu behandeln sein würden, und daß von den in dem späteren Titel „, von der Untreue““ für die Vergehen der Vormünder festgeseßten Strafen die Aeltern niht ausgeschlossen sein sollen, wenn sie sich Entwendungen, Untershlagungen oder Veruntreuungen gegen ihre Kinder in Betreff des ihrer Bevormundung überlassenen freien Vermögens derselben zu Schulden kommen lassen, Denn sonst würde es mir doch sehr be- denklich erscheinen, wenn der vorliegende Paragraph solhe von den E gegen ihre Kinder verübte Vergehen für unbedingt straflos erklärt,

Regterungs - Kommissar Bischoff: Das is niht die Absicht ge- wesen; man hat vielmehr angenommen, daß Unterschlagung und Dieb stahl seitens der Aeltern gegen ihre Kinder zwar in hohem Grade verwerflich is und mögliherweise das Vormundschaftsgeriht sih ver=- anlaßt sehen kann, Sicherheitsmaßregeln im Jnteresse der Kinder eintreten zu lassen, daß aber zu Kriminalstrafen niht geschritten wer- den fann, indem man angenommen hat, daß das Verhältniß zwischen Aeltern und Kindern ein zu heiliges is, als daß selbs auf Antrag cine Kriminalstrafe eintreten könne.

Abgeordn. von Weiher: Es will mir bedenklich erscheinen, Ent- wendungen und Unterschlagungeu zwishen Ehegatten ganz s\traflos zu lassen, weil diese verbrecherische Handlung doch wohl vorkommen dürfte, vorzüglih, wenn bei niht vorhandener Gütergemeinschaft der eine Ehegatte so s{chwer erkrankt, daß dessen Genesung niht wahr- \cheinlih ersheint, und nur Stieffinder des anderen Ehegatten oder gar Fremde die Erben des Erkrankten sind.

Marschall: Ein Antrag is nit gestellt worden, und es wird als eine Fassungsbemerkung zu betrachten sein.

G LTB.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (liest vor):

S: 278.

Wer sich eines Diebstahls oder einer Unterschlagung gegen leib= lihe Verwandte in aussteigender Linie, gegen Vershwägerte in auf- steigender oder abstcigender Linie, gegen Geschwister, gegen Adoptiv=- Aeltern oder Kinder, ingleihen gegen Pflege - Aeltern, Vormünder oder Erzieher s{huldig macht, is wegen dieses Verbrechens nur auf den Autrag des Verleßten (§. 70) zur Untersuchung zu ziehen,“

u S 278,

war der Antrag gestellt : :

auch die hier gedahten Diebstähle für straflos zu erklären, i indem der nämlihe Grund, wenn auch in einer nicht ganz-so ein- dringlihen Schärfe wie bei den Diebstählen des vorgedahten Para- graphen, vorliegez jedenfalls könne es nicht gebilligt werden, hier den Antrag des Verleßten zur Bedingung einer Strafe zu machenz eine derartige Bestimmung werde sogar unmoralisch zu nennen sein, indem bei durch Familienbande so nahe Verbundenen es nicht in die Befug= niß eines Familiengliedes gestellt werden könne, ihm nahestehende Personen ehrlos zu machen oder nicht. E

Die Abtheilung hat jedoch mit 11 gegen 2 Stimmen beschlossen :

den Antrag: die im §. 278 erwähnten Entwendungen für straflos

zu erklären, zurückzuweisen, E ; indem die Strasflosigkeit nur durch das nahe Verhältniß zwishen Uscen- denten und ihren Kindern motivirt werden könne, in allen übrigen Fällen aber die Klage wegen Diebstahls oft das einzige Mittel sein werde, durch welches der Verleßte sih gegen fortgeseßte neue Verluste zu shüßen im Stande sei.“

Abgeordn. von Olfers: Jch bedaure lebhaft, daß ih bei die- sem Paragraphen auf einen Antrag zurückommen muß, der schon in den Motiven als unzulässig bezeihnet worden i. Jch wünsche nämli, daß unter den Diebstählen und Unterschlagungen, welche nur auf Antrag des Verleßten zur Untersuhung kommen dürfen, auch der Diebstahl mit aufgenommen werde, der gegen das Vermögen des Hausherrn oder seiner Familie von Hausgenossen verübt wird. Auch die pommerschen und brandenburgischen Stände haben diesen Fall vorgesehen und dasseibe beantragt. Die Hausgenossen kommen nah und nach zu dem Familienleben als Glieder, und es scheint mir klar, daß sehr wichtige Gründe vorliegen fönnen, wo der Hausherr wün=- {hen muß, daß ein Diebstahl niht offenkundig werde, auch Verhält= nisse, wo er des Diebes zu schonen Ursache hat. Die Verzeihung in diesem Falle, das Begnadigungsrecht, wie es der König in seinem Staate hat, möchte ih auch in die Hand des Hausherrn legen, sto lange das Begnadigungsrecht niht in Widerspruch mit der nothwen- digen Vorsorge für die üffentlihe Sicherheit kommt, Jn den Möti= ven is zwar hingewiesen auf §. 291, aber dieser bezieht sich nux auf kleine Fälle, auh {eint er mir zu allgemein gehalten zu sein.

Marschall: Wir wollen sehen, ob dieser Vorschlag die erfor= derlihe Unterstüßung von 8 Mitgliedern sindet.

(Sie erfolgt.) Er hat sie gefunden.

Regierungs - Kommissar Bischoff : Die bestehende Geseßgebung hat eigentlich und im Wesentlichen niht die Prinzipien innegehalten, deren Annahme von dem geehrten Antragsteller befürwortet wird. Nach dem Allgemeinen Landreht kommt es auf den Antrag der Dienstherrschaft niht an, wenn es sich um qual fizirten uud gewalt- samen Diebstahl handelt, ferner nit in allen bedeutenden Fällen des gemeinen Diebstahls. Das Allgemeine Landrecht drückte sich in den 68. 1137 u. f. so aus, daß nur kleine und unbedeutende Diebstähle bis zum Betrage von fünf Thalern niht von Amts wegen, sondern nur auf den Antrag der Dienstherrschaft bestraft werden sollen. Lag aber ein Diebstahl von höherem Betrage vor, so wurde von Amts wegen eingeschritten, und es is also im Prinzip son die bestehende Gesetzgebung der Ansicht, daß man im YJuteresse der öffentlichen Sicherheit in der Regel von Amts wegen einschreiten müsse, Bei der Abfassung des gegenwärtigen Geseßentwurfs is man davon ausge- gangen, daß die Gränze zwischen kleinem und großem Diebstahl, wo es ih also um fünf Thaler oder um mehr handelt, nicht beizube- halten sei, aus mehrfahen Gründen, namentlih im Interesse der Strafgerechtigkeit, indem solche Fälle, wo das Objekt niedriger steht, dennoch unter Umständen eine höhere Strafe verdienen. Hiernach ist hon aus diesem Grunde die Distinction des Landrechts nihcht mehr anwendbar. Man muß aber die Fälle, wo es auf den Antrag des Verleßten ankommt, im Gesebe überhaupt außerordentlich beschränken. Handelt es si, wie hier, davon, die öffentliche Sicherheit zu s{üßen, so darf man von dem Grundsaße der öffentlihen Klage nur dann abgehen, wenn der Verlebte ein großes überwiegendes Interesse dabei hat, daß die Untersuhung nicht eingeleitet werde, ein solches liegt beim Familien - Diebstahl im engeren Sinne, so wie bei den Ver- brechen, welche in früheren Sißungen behandelt wurden, bei einigen Verbrechen wider die Sittlichkeit vor, wo das ganze Lebensglück des Verlehten dur die Verhandlung der Sache untergraben werden kann. Aber diese Gründe sind hier niht vorhanden, und deshalb ist in Uebereinstimmung mit anderen Geseßgebungen Untersuhung von Amts wegen angeordnet worden, Ueberhaupt wird, wenn die Dienst- herrshaft niht Klage erhebt, in solchen Fällen es überhaupt nicht zur Untersuchung kommen, und also ist in praktisher Beziehung die Sache nicht von großer Bedeutung.

Erste Beilage

Erste Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

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Sonntag den 27. Febr.

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Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Jch wollte mih dem anschließen, was so eben von dem Herrn Regierungs-Kommissar erörtert worden. is, daß der Antrag auf Untersuchung, so wie im Allgemeinen, auf mögiihst wenige Fälle zu beshränken ist, wenn das Prinzip des Anklage-Prozesses in seiner Reinheit beibehalten werden soll. Denn es wird eine Menge Fälle geben, wo aus äußeren Grün- den ein solher Antrag unterbleibt oder nicht zu erlangen is, z. B. wenn der Bestohlene stirbt, Dann wird es niht möglich sein, den Autrag zu realisiren, und doch fann der Diebstahl mit großer Freh= heit begangen worden sein, und unter Umständen, die für das öffent= lihe Rechtsgefühl empörend sind, und dennoch würde dem Geseh dur diesen Vorschlag die Macht genommen sein, den Schuldigen zu treffen. Dann is niht außer Acht zu lassen, daß in dem Verhält- nisse der Dienstherrshaften zu den Dienstboten Gründe vorliegen fönnen, welhe in einzelnen Fällen bestimmen, vom Antrage abzu= stehen; aber s{limm wäre es, wenn gar keine Strafe von Amts wegen vollsireckt werden sollte. Es kann da z. B. der Einzelne sehr wohl dur Mitleid erregt werden und kann sagen: „Ja, wenn es in meine Hände gelegt wird, ob ih den Menschen unglücklich machen soll oder nit, dann kann ich mich unmöglich entschließen, von dieser Befugniß Gebrauch zu machen‘‘, während es ihm eigentli sehr lieb ist, daß die Sache von Amts wegen zur Untersuchung gezogen und verfolgt wird. Ein Begnadigungsreht, wie es hervorgehoben wor- den ist für diesen Fall, dem Einzelnen einzuräumen, halte ih für eine sehr mißlihe Sache.

Abgeordn, von Auerswald: Jch habe nicht über di:sen Punkt zu sprechen, es is eine cinfahe Fassungsfrage, die ih nicht zur Sprache gebracht hätie, weil ste mir selbst kein Bedenken erregt, wenn ih nicht anderweitig ein Mißverstehen bemerkt hätte, nämlich: Es betrifft die Worte „Adoptiv - Aeltern oder Kinder.“ Es soll un- zweifelhaft heißen: „Adoptiv- Kinder“, und ih glaube, daß es zweckmäßig wäre, dies deutlicher auszusprechen. i

Regierungs=Kommissar Bischoff: Ja woh|!

: Abgeordn, von Olfers: Jch kann mich nicht überzeugen, daß die zarten Juteressen, die in dem Famüienfreise liegen, nicht ein Motiv abgeben könnten, daß der Hausherr das Recht haben soll, einen an ihm oder an seiner Familie gemachten Diebstahl unangezeigt zu lassen, Jadeß scheint es, daß die bohe Versammlung der Mei- nung nicht ist, aber ih halte die Sache für so wichtig, daß ih darauf antrage, darüber gefälligst abstimmen zu lassen.

e (Vielfacher Ruf zur Abstimmung.)

_, Graf Solms -Baruth: Jch glaube, daß gerade dadur die Möglichkeit gegeben wird, solche Leute der dienenden Klasse, der Gehülfen, die zum ersten Male sich einen Diebstahl zu Schulden fommen lassen, zurückzuführen, ehe man sie der Untersuchung und wirklichen Schmach preisgiebt. Jh würde aus dem Grunde die

Berechtigung für den Hausvater vindiziren, die Untersuhung und somit die Bestrafung von seinem Antrage abhängig zu machen.

, Referent Abgeordn. Freiher von Mylius: Fch wollte nur auf den Gesichtspunkt ausmerksam machen, welcher bereits hervorgehoben ist, daß in jeyr vielen Fällen gar niht die Möglichkeit vorliegt, den Untrag zu realisiren. Man nehme nur an, daß der Hausoater krank ist, ein Domestik während der Zeit einen bedeutenden Diebstahl ver= übt und nachher der Hausvater stirbt,

_ Marschall : Wir können abstimmen. Die Frage heißt : Soll beantragt werden, daß der Diebstahl von Hausgenossen nur auf den Antrag des Hausherrn zu bestrafen sei ? und die das beantragen, werden es durch Aufstehen zu erkennen geben, J dite, Die Zählung vorzunehmen. : (Dies geschieht.)

Mit Ja haben gestimmt 43, mit Nein haben gestimmt 39, Es hat sich freilich ergeben, daß mehrere Abgeordnete während der Abstim= mung in den _Nebenzimmern waren, das Resultat der Abstimmung ist aber als feststehend anzusehen.

Si 279:

Referent Abgeordn, Freiherr n Mylius (liest vor) :

n§. 4/9,

Wenn bei der Entwendung oder Unterschlagung von gering- fügigen Gegenständen, z. B, von Eßwaaren, Getränken, Garten- frühten oder Feldfrüchten, aus den Umständen erhellt, daß die Handlung nicht in der Absicht eines unredlihen Gewinnes geschehen ist, so soll dieselbe niht mit der Strafe des Diebstahls oder der Unterschlagung, sondern nur mit Geldbuße bis zu funfzig Thalern oder mit Gefängniß bis zu vier Wochen, ohne Verlust der Ehrtn- rechte, geahndet werden.

Die Bestrafung soll in diesen Fällen nur auf den Antrag des Verlebten (8. 70) eintreten.“

Das Gutachten der Abtheilung lautet :

ZU Se 2/9;

Es war die Meinung geltend gemaht worden, daß die hier gedachten Diebstähle zweckämäßiger als Polizeivergehen zu behandeln und daher auch in den betreffenden Titel zu verweisen seien. Die Abtheilung konnte dieser Meinung jedoch nicht beitreten und hat einen hierauf gerichteten Antrag mit 9 gegen 5 Stimmen abgelehnt, da nach der inneren Natur des hier gedahten Vergehens dasselbe als Diebstahl erscheint und daher die desfallsigen Strafbestimmungen hier= her gehören. i U E

Dagegen hat die Abtheilung mit 7 gegen 7 Stimmen durch die bejahende Stimme des Vorsißenden sich dafür entschieden :

daß, das Maximum der Strafe des §. 279 auf eine Geldstrafe

von 10 Thlr, oder 14tägiges Gefängniß herabzuseßen, von ihr in

Antrag zu bringen sei,“ Z

Es wird jedenfalls von mir der Antrag wiederholt, diese Ent- wendungen, die hier gedacht werden, als Polizeivergehen zu bestrafen. Es scheint namentlich der Antrag dadur begründet, daß solche kleine Entwendungen eine schnelle Anwendung der Strafe durhaus noth- wendig machen, und daß namentli die Organisation der Gerichte, die entweder überall so ist oder so sein wird, es erfordert, daß bei den Polizeigerihten in dem kürzesten summarischen . Verfahren die Strafe erkannt werde,

Justiz-Minister von Savigny: Was den ersten Punkt be- trifft, so muß ich durchaus der Majorität der Abtheilung darin bei- treten, daß dieser uicht für eine Polizei-Uebertretung im Allgemeinen erachtet werde, und zwar aus einem rein prafktishen Grunde. Jn den meisten Fällen wird sich der Unterschied der Fälle des §. 269 und des §. 279 mit einiger Sicherheit ers während der Unter- suchung ergeben. Es scheint mir daher ganz unzweckmäßig, wenn man im voraus, und che ein solher Unterschied dur die Unter- suchung begründet ist, die Sache für eine Polizei - Uebertretung er= klären will; auh is gar nit zu befürhten, daß die Fälle, welche im §, 279 aufgestellt sind, in solhen Massen vorkommen werden, daß dadurch die Gerichte übermäßig belastet würden. Was aber den Antrag betrist, welcher die Majorität der Abtheilung für sih ge- wonnen hat, auch das Maximum guf 14tägiges Gefängniß her-

unterzuseßen, so kann ih diesem niht beitreten. Allerdings geht die Abtheilung von der Ueberzeugung aus, daß Fälle dieser Art an sich gering seien; aber es kann doch auch geschehen, daß eine solhe Hand- lung auf einer so eingewurzelten Neigung beruht und so oft wieder= kehrt, daß der Richter es für zweckmäßig halten kann, eine etwas strengere Strafe eintreten zu lassen, und ih kann da das Maximum von 4 Wochen nicht für ein zu hohes Strafmaß halten.

Marschall : Wir wollen zuerst entnehmen, ob der Vorschlag des Referenten die erforderlihe Unterstüßung findet.

(Wird hinreichend unterstüßt.) Er hat sie gefunden.

Abgeordn. Wodiczka: Jh bin au der Ansicht, daß die hier bezeihneten Vergehen als Polizeivergehen zu betrahten und in den betreffenden Titel zu verweisen sind. Jh lege kein Gewicht darauf, daß, wenn der Paragraph hier beibehalten würde, den Gerichten zu viel Arbeit aufgelegt werde, aber selbst in den Motiven zu dem Entwurf von 1845 is} anerkannt, daß große Vortheile erlangt werden würden, wenn die leihteren Fälle zu einem einfaheren Ver= fahren verwiesen würden, weil dadurch für die weit überwiegende Zahl von kleinen Diebstählen eine \chleunige Bestrafung wichtiger und wirksamer i} als eine strenge Strafe. Eine schleunige Bestra=- fung fann nur in Folge eines rasch zu Ende sührenden und daher weniger kostspieligen Verfahrens stattfinden. Dieses Verfahren ist aber das polizeiliche Untersuhungsverfahren. Jch habe aber noch einen anderen Antrag zu machen. Jch vermisse hier die Bestimmung des §. 263 des Entwurfs von 1845, welher dahin lautet: „Wer Eßwaaren, Getränke, Gartenfrüchte oder Feldfrüchte entwendet oder untershlägt, um dieselben auf der Stelle zu verzehren, soll nur mit einer polizeilihen Strafe bis zu 50 Thalern Geldbuße oder bis zu 4 Wochen Gefängniß belegt werden, Die Bestrafung soll nur auf den Antrag des Beschädigten eintreten.“ Diese Fälle sind hier auês- ge\{chlossen, und wenn nun §, 279 stehen bleibt, müssen alle Fälle des §, 263 des Entwurfs von 1845 als gemeine Diebstähle ange= sehen werden. Es fönnte aber auch dieser F. 279 hier Anwendung finden, wenn aus demselben die Worte: „Wenn bei der“ und die Worte: „Aus den Umständen erhellt, daß die Handlung nicht in der Absicht eines unredlihen Gewinnes geschehen ist““, gestrihen würden z wenn das der Fall wäre, so würde ich mich damit einverstanden erflären, außerdem trage ih darauf an, daß §. 263 aus dem Ent- wurfe von 1845 hier aufgenommen werde,

Regierungs-Kommissar Bischoff : Für den Fall, daß der Antrag unterstüßt wird, is zu bemerken, daß es wünschenswerth erscheint, den §. 279 in der Fassung beizubehalten, wie er sich hier findet. Jm Entwurf von 1843, welcher sih wiedergegeben findet im Entwurfe von 1845, war eine derartige Distinction allerdings gemacht worden und bei der einen Kategorie gesagt: „wenn die Absicht eines unred- lichen Gewinnes vorliegt“, bei der anderen Kategorie niht. Zu einer solchen Distinction liegt aber kein Grund vor. Man muß es als allgemeine Bedingung ansehen, daß kein unredlicher Gewinn gemacht werden soll. Wenn eine größere Masse von Garten=- vder Feld- früchten entwendet wird, also die Absicht eines unredlichen Gewinnes vorliegt, so muß die Handlung als Diebstahl angesehen werden.

Marschall : Wir wollen ermitteln, ob der Antrag die erforder- liche Unterstüßung findet.

(Es erheben sih weniger als 8 Mitglieder.) Er hat sie nicht gefunden,

Abgeordn, Dittrich: Es is zur Unterstüßung des Paragraphen angeführt worden, daß die Gewohnheit bei dergleihen Entwendungen oder Unterschlagungen eine härtere Strafe bedinge. Dann tritt aber die Strafe des Rüdfalls ein. Jh stimme der Ansicht der Majorität der Abtheilung bei.

Justiz-Minister von Savigny: Dieser Grund kann von mir nicht als richtig eingeräumt werden. Die eingewurzelte Gewohnheit fann dem Richter sehr klar gemacht werden, wenn au vorher eine Bestrafung nicht stattgefunden hat, und diese wird stets vorausgeseßt, wenn die Strafe des Rückfalls eintreten soll.

Abgeordn. Dittrihh: Die Gewohnheit seßt aber Wiederholung voraus, und das is der Rückfall.

Abgeordn, Gießler: Da die ungeärndteten Feldfrüchte, wie es gestern vorgeshlagen wurde, niht im §. 269 aufgenommen worden sind, so finde ih die Strafe, welche die Abtheilung vorgeschlagen hat, zu gering und werde daher für die in dem Paragraphen vorgeschrie- bene Strafe stimmen.

Marschall: Wir können abstimmen, Die erste Frage is zu richten auf den Vorschlag der Abtheilung. i:

Fürst Boguslaw Radziwill : Jch würde mir die Frage erlauben, ob bei der Strafe der Antrag auf Schadenersaß ausgeschlossen ist.

Regierungs-Kommissar Bischoff: Jn §. 6. ist bestimmt: „das Recht des Beschädigten auf Schadenersaß ist von der Bestrafung des Verbrechens unabhängig.“ 5

Marschall : Die Frage heißt :

„Soll beantragt werden, daß das Maximum der Strafe auf eine

Geldstrafe von 10 Rthlrn, oder 14tägiges Gefängniß herabgeseßt

werde?‘ i Diejenigen, welche das beantragen, werden es durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Der größte Theil der Mitglieder erhebt sich.) Es ist von einer Majorität von mehr als zwei Dritteln beige- treten worden. (Mehrere Stimmen : Nein! nein!)

Dann würde es zweifelhaft sein, ob eine Majorität von mehr als zwei Dritteln stattgefunden hat; es kommt aber nicht darauf an, dies hier zu ermitteln, weil die Minorität im Einverständniß mit dem Entwurf sih befindet. i

Justiz - Minister Uhden: Es is ein Vorschlag der Regierung, und deshalb muß ermittelt werden, ob \ich zwei Drittel dagegen erflärt haben.

Marschall: Jh bitte, die Zählung vorzunehmen, i (Dies geschieht.) beg haben gestimmt 59, mit Nein 33, Die nächste Frage eißt:

Soll beantragt werden, die Fälle des §. 279 unter die Bestim- mungen des dritten Theils des Geseßes zu verweisen? Die es beantragen, würden es durch Aufstehen zu erkennen geben. Die Versammlung is niht beigetreten, §, 280.

Referent Abgeordn. Freiherr een Mylius (liest vor) :

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Einen Raub begeht, wer gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben anwendet, entweder um einen Diebstahl auszuführen, oder um sich, bei dem Diebstahle betroffen und auf frisher That verfolgt, im Besize des gestohlenen Guts zu erhalten. i _ Mit der in einer solchen Absicht verübten Gewalt oder Drohung ist der Raub vollendet,“

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Der Paragraph bestraft den Raub, ohne dabei einen Unterschied zu machen, ob derselbe vollendet oder nicht, so, daß das Verbrechen des Raubes als vollendet gilt , sobald Gewalt oder Drohung gegen die Person verübt. Es is die Frage aufgeworfen, ob dieser Auf= fassung Beifall zu geben, oder ob es nicht rihtiger sei, das Ver= brechen erst dann als vollendet zu betrahten, wenn der Zweck des Raubes, nämli die Aneignung des fremden Eigenthums oder doch die Entziehung des fremden Besizes, stattgefunden, und es ward daher ein Antrag gestellt,

den Paragraphen in einer der leßteren Ansicht entsprechenden Weise zu ändern.

Andererseits ward angeführt, daß der Entwurf den Raub mit Recht nicht sowohl als ein Verbrechen gegen das Eigenthum, wie als ein Verbrechen gegen die Freiheit betrachte, daß diese leßtere An= shauungsweise im älteren deutshen Rechts\ysteme begründet sei, und daß dem entsprehend auch der Paragraph die bezeihneten Merkmale des vollständig fonsummirten Verbrechens in die verübte Gewalt oder Drohung geseht. Die Abtheilung hat daher den gestellten Antrag mit 8 gegen 6 Stimmen abgewiesen.“

Abgeordn. Fabricius: Wir finden in diesem Paragraphen die geseßlichen Bestimmungen über ein Verbrechen, das bisher in der Volksmeinung als eines der schwersten aufgefaßt wird, und mit vollem Rechte, so daß es mir niht angemessen scheint, keinen selbstständigen Begriff des Verbrehens zu geben, wie es hier offenbar nicht ge= schieht, indem der Raub nur als eine Qualification der Ausführung eines unternommenen Diebstahls oder als ein verbreerischer Aft, um sich in dem Besiß des gestohlenen Gutes zu erhalten, hervortritt. Jch halte es aber aus Gründen, die ih shon bei anderer Gelegen- heit entwidelt, niht für gerathen, an den, wenn auch immerhin nit ganz scharf erkannten, Kriterien des Volksbewußtseins zu rütteln, sondern im Juteresse der allgemeinen Sicherheit gerathen, den Ab= heu ver einem so {weren Verbrechen, wie dem Raube, dadur zu erhalten, daß man denselbeæ als selbstständiges Verbrechen verkündet, wie er das “nah gemeinem deutschen Rechte bisher unstreitig war. Wenn diese Ansicht sich in der hohen Versammlung geltend macht, so wird allerdings der Raub mit der bestimmten verbrecherishen Ab= siht auf gewaltthätige Aneignung unternommen sein müssen und, wenn dadurch die Besißaneignung nicht erreicht sein sollte, freilich das voll= endete Verbrechen nicht vorliegen. Jch glaube, daß es keiner Ver= siherung darüber bedürfen wird, daß meine Meinung nicht dahin geht, hier eine Strafmilderung eintreten zu lassen, im Gegentheil werde ich, wenn erst der Grundsaß selbst anerkannt is, mit den hâr= testen Strafen einverstanden sein, die für das vollendete Verbrechen, so wie für den Versuch, je nachdem er sich der Vollendung nähert, irgend zulässig erachtet werden sollten, Eben so wenig geht meine Meinung irgend dahin, die jegt im Geseß hervorgehobenen Fälle milder anzusehen, sondern ih würde ganz damit einverstanden sein, den Juhalt des Paragraphen als eine eigene Disposition auf den über den Raub einzuschaltenden Paragraphen folgen zu lassen.

Justiz-Minister vou Savigny: Die Abtheiluug hat bei §. 280 die Nichtigkeit des Begrisfss vom Raube, wie er hier aufgestellt worden is, geprüft. Jch erlaube mir, darüber einige Erläuterungeu zu geben. Von jeher hat man darüber geshwankt, ob in dem Ver= brehen des Raubes als das Ueberwiegende betrachtet werden joll die gegen die Person gerichtete Gewaltthätigkeit und als sekundär der Zweck des Diebstahls oder umgekehrt, ob der Diebstahl als das

eigentlihe Verbrechen betrachtet werden soll, welches aber eine {were Natur annimmt dadurhch, daß es durch persönlihe Gewaltthätigkeit verübt ist. Als vollendeter Raub wird hier betrachtet die gegen die Person verübte Gewalt zum Zwecke des Diebstahls, wenn auch der Verbrecher die Sache noch nicht an sich genommen, sondern nur die Gewalt verübt hat. Damit schon ist das Verbrehen vollendet. Wie steht es mit unserer bisherigen Geseßgebung in den verschie= denen Landestheilen? Jm rheinishen Strafgeseßbuch kommt der Raub als eigenes Verbrehen dem Namen nah nicht vor, sondern er erscheint als qualifizirter Diebstahl, also kann die Vollendung des Raubes in diesem Geseßbuhe nur angenommen werden, wenn wirklich gestoh= len is mit Gewalt gegen die Personz der Form nah weicht also die Bestimmung des rheinischen Strafgeseßbuches von der des Entwurfes ab, Jm Allg. Landrecht ist der Begriff des Raubes dahin bestimmt : „Wer durch Gewalt an Menschen beweglihe Sachen, wozu er kein Recht hat, seines Gewinnés, Vortheils oder Genusses wegen in Besiß nimmt, macht sich eines Raubes schuldig.“ Es erscheint der Raub hier also auch nur vollendet, wenn der Dieb= stahl bewirkt worden is, und zwar mit Hülfe von persönlicher Ge= waltthätigkeit, Wenn man den Jynhalt unseres Paragraphen ver= gleicht mit diesen beiden Geseßgebungen , so scheint unsere Vorschrift härter zu sein, indem alsdann als vollendetes Verbrechen nah der neuen Bestimmung bestraft wird, was nach beiden Geseßen nur als Versuch betrachtet werden könnte, und so scheint das neu vorgeschlagene Geseß viel härter zu sein. Es ist aber nur Schein, Jm Landrecht heißt es allerdings :

„Wer durch Gewalt an Menschen beweglihe Sachen, wozu er

fein Recht hat, seines Gewinns, Vortheils oder Genusses wegen

in Besiß nimmt, macht sih eines Raubes schuldig.“ Dann folgt aber ein Paragraph (1205), der so lautet : „Der Räuber soll mit der dur die That verwirkten Strafe be- legt werden, wenn er gleih den gesuhten Vortheil noch nicht erhalten oder wieder verloren hat,“ Es wird ihn danach, wenn es ihm auch noch nicht gelungen ist, den intendirten Diebstahl zu vollenden, dieselbe Strafe treffen. Es ist also hier dieselbe Strafe bestimmt, wie im Entwurf. Aus anderen Gründen steht es auch so im rheinishen Geseßbuhe. Es is da der Raub kein eigenes Verbrechen, sondern nur einer der vielen Fälle des qualifizirten Diebstahls, und man könnte glauben, daß die Fälle, die wir hier als Raub bezeihnen, nah rheinishem Rechte nur Versuch seien, Prafktisch macht dieses aber keinen Unterschied ; denn wenn es auch Versuch wäre, so bleibt es immer ein Crime, und für alle Crimes stellt das rheinische Recht die Regel auf: der Versuh wird dem vollendeten Verbrechen gleich bestraft. Praktisch is also kein Unter- schied zwischen dem Landrehte und dem rheinishen Strafgeseßbuch auf der einen Seite und dem Entwurf auf der anderen, Es is also nur scheinbar, daß durch unsere Bestimmung eine größere Härte her= vorgebracht würde. Dadurch verliert diese Frage praktis ihre Haupt= bedeutung, und es frägt sich: was is dem Wesen der Sache ange= messener?# Man hak geglaubt, daß die Verleßung der Personen das Ueberwiegende wäre und hierauf der Begriff gestellt werden müßte. Deshalb hat man den Paragraphen so gefaßt, wie er vorliegt. Marschall: Der Abgeordnete Fabricius hat also blos den An- trag der Minorität der Abtheilung wieder aufgenommen. Abgeordn, Fabricius : Mein Antrag geht allerdings dahin, den Raub ‘als selbstständiges Verbrechen hinzustellen, so daß nicht blos accidentell ein anderes Verbrechen in den Begriff des Raubes

übergeht, Nach gemeinem Rechte is diese Auffassung nie verlassen,