wollten und deshalb in der Mittagsstunde ein solcher Andrang_ war, daß die Thore des Kassen - Lokals gesperrt werden mußten. Dieses wohl niht durch Böswilligkeit, sondern aus Besorgniß von Unver- ständigen, die ohne die statutenmäßige Kündigung von 24 Stunden fogleih ihre Einlage zurückverlangten und daher ganz ordnungsmäßig zurückgewiesen wurden, verbreitete, durchaus unbegründete Gerücht hat indessen um so weniger Fuß gefaßt, als die Sparkasse mehr denn nöthig mit baaren Fonds und sogleih zu reali= sirenden Effekten versehen ist und die größte Sicherheit gewährt. Ucberhaupt is in allen Verhältnissen ein Geldmangel nirgend vor= handen, nur die Furt vor dem Kommenden hat sih der Geister be=- mächtigt und stiftet weit mehr Schaden, als die Wirklichkeit sonst ver- möchte. Der Mangel an offiziellen bestimmten Nachrichten über den Gang der Ereignisse in Jtalien is der Grund, weshalb auch den tollsten und schamlosesten Nachrichten von dort Glauben geschenkt und eine Unbehaglichkeit im Verkehr herbeigeführt wird, der bei ausgedehnterer Publizität wohl vorgebeugt werden könnte. :
AESUBR2 S.
París, 23. Febr. Unter diesem Datum theilt der Hamb. Corresp. folgende Gerüchte mit, welhe im Laufe des Mittwochs neben anderen durch den Mund der Journalisten und der Deputirten in die Kammer gelangt sein sollen : „Man hat Feuer an das Schloß von Neuilly gelegt. Die Linie soll im Weichbilde das Bajonett ge- gen die Munizipalgarde gefällt haben. Gestern Abend 9 Uhr wurde von der Regierung eine Compagnie der Linie entwaffnet und in der Kaserne konsigairt, weil sie sich weigerte, zu marschiren. Die Jndig= nation gegen die Linke, und namentli gegen Odilon Barrot, steigt von Stunde zu Stunde. Um ihr zu begegnen, läßt Herr Odilon Barrot erklären, er und 16 andere Deputirte hätten zum Bankett
ehen wollen, do seien sie überstimmt worden. Eben so erklären ast alle Anderen, wenn man sie einzeln befragt, sie seien dazu ent- lossen gewesen, doch hätten sle der Majorität weichen müssen. Herr Guizot, um nicht unangenehmen Kollisionen auf dem Wege von der Kam- mer nah seinem Hotel zu begegnen, hat diese Nacht im Palaste des Kammer-Präsidenten zugebracht,“
París, 24. Febr. Das heute Morgen erschienene Journal des Débats berichtet die Vorgänge von gestern Vormittags bis um Mitternacht in folgender Weise: „Das Ministerium vou 29. Ok- tober 1840 besteht niht mehr. Herr Guizot, Präsident des Conseils, hat gestern auf der Tribüne der Deputirten - Kammer angekündigt, daß: der König den Grafen Molé berufen und ihn beguftragt hatte, ein neues Kabinet zu bilden, Wir glauben, daß Herr Graf Molé diesen Auftrag angenommen hat. Die von Herrn Guizot abgegebene Erflärung wurde von der Opposition mit Freudenbezeugungen und von der ungeheuren Majorität der Kammer mit Kundgebungen ganz anderer Art aufgenommen. Jun allen Reihen der konservativen Par- tei \ahen wir Gefühle der s{hmerzlicsten Ueberraschung sih au =- drücken. Junmitten ciner Aufregung, auf deren Schilderung wir ver- zihten müssen, drängten die Deputirten der Majorität sich um die Minister und umgaben sie mit den hervortretendsten Beweisen von Theilnahme. Das Ministerium hat scine Pflicht gethan z- die Majo- rität wird die ihrige thunz alle guten Bürger müssen ebenfalls die ihrige thun. Wie. das Haupt des Kabinets, welches abge- treten ijt, es gesagt hat, muß die Prärogative der Krone vollkommen geachtet werden. Wir wollen in diesem Augenblicke das tiefe Bedauern schweigen lassen, welches uns der Sturz des Ministe= riums einflößt, das länger als sieben Jahre so edel und so muthig die Politik der konservativen Partci vertreten hatte. Unser aufrich= tigster Wunsch geht dahin, daß dasjenige Kabinet, welches zu seinem Nachfolger berufen werden wird, den Bedürfnissen unseres Landes mögen entsprechen können. Nach der gestern in der Deputirten-Kam-= mer durch Herrn Guizot gegebenen Erklärung wollte die Opposition den Antrag auf Verseßung des Ministeriums in Anklagestand zurück- nehmen, den sie vorgestern auf die Tafel niedergelegt hatte. Die Minister forderten inmitten des Beifallsrufens der Majorität, daß die Tagesordnung aufrecht erhalten und der Vorschlag, welcher sie in Anklagestand versebte, den Büreaus zur Prüfung überwiesen werden solle. Die Ueberweisung an die Büreaus wurde mit sehr großer Majorität ausgesprochen; alle Minister erhoben sih zuerst für dieselbe.
Man versichert, daß der vom Könige mit Bildung eines neuen Kabinets beauftragte Graf Molé bereits die Hauptbestandtheile des- selben vereinigt habe. Graf Molé würde demgemäß nebst der Con= seils - Präsitentschast das Ministerium der auswärtigen Angelegenhei= ten, Herr von Remusat das Ministerium des Junern, Herr Dufaure das der Justiz und des Kultus, Herr Passy das der Finanzen, Herr St. Marc Girardin das des öffentlichen Unterrichts, der Marquis von La Place das Portefeuille des Krieges und Herr Billault das der öffentlichen Arbeiten übernehmen.
Die Unruhen, welhe in der vorhergehenden Nacht an allen Punkten der Stadt unterdrückt worden waren, brachen gestern früh (Mittwoch, 23. Februar ) in den Vierteln St. Denis, St. Martin und im Marais wieder los, Die Truppen, welche theilweise in die Kasernen zurückgekehrt waren, nahmen ihre Stellungen von gestern Abend wieder ein. Der Generalmarsch für die Nationalgarde wurde in allen Vier= teln geshlagen. Die Legionen ergriffen die Waffen und ordneten sich vor den Mairieen ihrer Bezirke, umdie verschiedenen Posten zu beseben, welche man ihnen angewiesen hatte. Ju diescm Augenblicke war es, wo in den Reihen der Nationalgarde zahlreiche Kundgebungen zu Gunsten der Waßhlreform stattfanden. Ein Bataillon der zweiten Legion begab sich unter dem Rufe: „Es lebe die Reform!“ durch die Straße Laffitte nah den Boulevards, Dieser Ruf wurde von der Masse junger Leute wiederbolt, welhe die Nationalgarde begleitete, indem sie sih unter ihren Schuß stellte. Aehnliche Austritte erneuerten sich in mehreren anderen Legionen; überall gab die Menge, welche das Geschrei: „ Es lebe die Reform!“ ausstieß , der Nationalgarde das Geleite. Gegen 35 Uhr zog eine größtentheils aus Offizieren der vierten Legion bed ebende Deputation der Nationalgarde, ungefähr hundert Personen zählend, uach der Deputirten-Kammer. Ein Bataillon der 1Oten Legion, welches bei der Kammer den Dienst hatte, rüte ihr entgegen und versperrte ihr auf der Mitte der Konkordienbrücke den Weg, indem es der Deputation erklärte, daß es Befehl habe, keiner Deputation zu gestatten , daß sie sih in die Kammer begebe. Jn dem Augenblicke, wo dieser Auftritt sih zutrug, verfügten sih Odilon Barrot und Garnier Pagès, denen kurz darauf cine große Anzahl von Oppositions - Deputirten folgte, zu der Deputation , welche sich entfernte, nachdem sie ihre Petition Herrn Cremieux eingehäudigt hatte, Die Massen haben ihre Anstreugungen auf der einen Seite zwischen den Straßen St. Antoine und Montmartre, auf der anderen zwischen der Rue Vieille du Temple und der Straße St. Mar- tin fonzentrirt, An mehreren Punkten sind vermittelst Diligencen und Kutschen, die mit Pflastersteinen angefüllt wurden, Bar1nikaden errichtet worden. Die meisten hat man jedoch ohne Widerstand auf- gegeben. Die Gruppen flüchteten sich bei Annäherung der t'ewaffne- ten Macht, um \ich an anderen Orten wieder zu sammeln, Gegen 3 Uhr Nachmittags wurde eine Barrikade in der Straße Vieille du Temple errichtet, wo die Straßen l’Oseille und Poitou beginnen, mit einer rothen Fahne geshmückt und von einem Dußend bewaffneter Jn=
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surgenten vertheidigt. Einige Minuten nah 3 Uhr griff eine Abtheilung Kavallerie, an deren Spiße sih ein General befand, die erste Barrikade an und nahm sie nah zehn Minuten, aber niht ohne s{hmerzlihen Verlust. Der Offizier war von einer Kugel getroffen. Die JInsur= genten zogen sich hinter eine andere Barrikade zurü, die unweit der Straße Perche errichtet war. Ein Geshüß ward herbeigefahren und damit diese zweite Barrikade zerstört. Bei dem Angriffe einer Barrikade auf dem Place Chatelet ward Herr von St, Hilaire, Bataillonë-Chef im 34sten Linien-Regiment, getödtet. Mehrere Kolonnen junger Leute in der Blouse breiteten sich im Quartier St. Honoré und auf den Boulevards aus, indem sie die Mar= seillaise sangen und das Geschrei ausfstießen: „Es lebe die Re- form!“ Eine dieser Kolonnen, an deren Spiße ein Mann in der Blouse marschirte, der eine dreifarbige Fahne am Ende eines Stockes hweukte, zog über den Vendome-Plaß, dur die Rue de la Paix und rückte gegen 4 Uhr vor das Hotel des Ministeriums der auêwärtigen Angelegenheiten. Der Polizei - Kommissar erschien vor der Menge, und nachdem die geseßlichen Aufforderungen an sie ergangen waren griff die Munizipal - Garde die Gruppen an, welche sie zerstreute. Sie bemächtigte sich der Fahne und verhaftete den Menschen, welcher dieselbe trug, Gestern Abend herrschte fortwährend eine große Auf- regung in den Quartieren St. Martin und du Temple. Banden von Menschen, welche größtentheils in der Blouse waren, liefen mit Fackeln durch die Straßen und zwangen die Bewohner, die Hauser U “erleudten. Diese Banden LVverbreiteten }ich in mehrere Quartiere. Andere Banden s{chlugen an die Läden und verlangten Waffen. Einige von ihnen, welhe {hon Waf- fen hatten, zwangen die, welche in ihrer Nähe waren, zu den Ein= wohnern zu gehen, um sich die Flinten der National-Garde ausliefern zu lassen. Die Aufregung war auh im Faubourg St. Germain groß; nichtsdestoweniger haben die Demonstrationen der Menge kein Einschreiten der bewaffneten Macht nöthig gemacht; in diesem so bevölferten Stadtviertel waz1d keine Flinte abgeshossen; ers um 4 Uhr, als die Neuigkeit, das Ministerium sei geändert, bereits unter den Gruppen umlicf, fing man an, etwas unterhalb der Straße Le= noir das Pflaster aufzureißen. Vier oder fünf Reihen Pflastersteine wurden in der ganzen Breite der Straße aufgeschihtet, aber keine einzige Barrikade errichtet. Gestern Abend gegen 8 Uhr sind zwei Versuche gegen die Kaserne Reuilly gemaht, um zwei Arbeiter zu befreien, die am Morgen verhaftet worden. Zahlreiche Gruppen mit dreifarbigen Fahnen, vor denen junge Leute mit Fackeln gingen, wurden von einem Capitain, einem Lieutenant und einem Unteroffizier der National-Garde geführt und von einigen National- Gardisten begleitet, Sie marschirten vor die Pforte der Kaserne und zogen sich fast auf der Stelle zurück, als man ihnen die feierliche Versicherung gab, daß die Gefangenen entlassen wären. Aehnliche Unruhen fanden auf verschiedenen Punkteu von Paris statt. Jun der Unmöglichkeit, worin wir uns befinde», die tausend Gerüchte zu sih-= ten, welche uns zukommen, und aus Besorgniß, falsche Nachrichten mitzutheilen, enthalten wir uns fernerer Mittheilungen. Wir wissen indeß, daß gegen 10 Uhr ein wichtiges Ereigniß sich vor dem Mi-= nisterium der auswärtigen Angelegenheiten zugetragen hat. Eine ziemlich zahlreihe Bande kam von den Boulevards, die beim Lichte der Fateln marschirte ; eine dreifarbige Fahne ward vorausgetrag-n. Sie wandte sich gegen das Hotel, dessen Zugänge sie von Truppen beseßt fand, Sie wollte mit Gewalt durchdringen, und es scheint, daß auf diesem Punkte ein blutiges Zusammentreffen stattfand. Das Hotel de la Chancellerie wurde ebenfalls angegrissen ; man zertrümmerte die Fen= ster durch Steinwürfe und erzwang mit Gewalt eine Jllumination. Dies war, wie es scheint, die Losiig, welche von den Anleitern des Aufstandes gegeben warz überall wurden die Cinwohner von Leuten, die sih ins Haus begaben, aufgefordert, zu illuminiren.
Mitternaht. Die Sturmglocke, welche seit einigen Augenblicken von der Kirhe St. Germain-des-Prés stürmte, hat aufgehört, sich vernehmen zu lassen. Man schlägt in mehreren Quartieren den Ge= neralmarsch,““
Jn ciner Nachschrift von heute Vormittag 10 Uhr fügt das
Journal des Débats. den obigen Berichten noch Folgendes hinzu (wovon das Wesentlichstz, so wie auch von den in dem Vorhergehen= den berichteten Vorgängen, bereits in dem Extrablatt zur Allg. Preuß. Ztg. vom 28. Februar Abends mitgetheilt it): „Gestern Nachmittags und Abends hatte sich, nachdem das Abtreten des Mi- nisteriums in allen Stadtvierteln bekannt geworden war, die Ruhe wieder hergestellt. Als die Nacht kam, bewegte sich das Volk in Masse mit Fackteln in den Straßen und auf den Boulevards. Gegen 10 Uhr langte die Menge bcim Ministerium der auswärtigen Ange- legenheiten an. Die Soldaten, welche dieses Hotel bewachten, glaub= ten, daß man gekommen sci, um sie anzugreifen, und durch ein un- glücklihes Mißverständniß gaben dieselben Feuer. Einige zwanzig Jn- dividuen wurden getroffen, und die Menge flüchtete sich, Geschrei der Rache und der Wuth gusstoßend. Dieses unglückliche Ereigniß, welches bald in allen Stadttheilen von Paris erzählt, vergrößert, verunstaltet und als ein Verrath der Regierung an dem Volke dargestellt wurde, fachte gleih von neuem den Aufstand an. Die ganze Nacht wurden an zahlreihen Punkten Barrikaden errichtet. Das Gewehrf.uer hat seit heute Morgens im Stadtviertel von St. Martin begonnen. Man hat so eben etne Proclamation an die Einn-ohner von Paris ange- schlagen, welche ankündigt, daß der König den Herrn Thiers zum Prä- sidenten des Minister - Conseils ernannt habe, und daß er guf Ver- langen des Herrn Thiers in den Cintritt des Herrn Odilon Barrot in das Ministerium eingewilligt habe, Die Nationalgarde vereinigt sich in diesem Augenblickez; und man sagt, daß sie sich in allen Legio- nen vollständig einfinden werde, Da nun denjenigen, welche gestern den Sturz des Ministeriums verlangten , Genugthuung gegeben ift, so ist man veraulaßt, zu glauben, daß die Nationalgarde sich jept fest ent- schlossen zeigen wird, eine zwecklos gewordene Volksbewegung zu un- terdrücken, Die Linientruppen und die Reiterei versammeln sih ver- einigt mit der Nationalgarde. ‘“ i Unter den zerstreuten Notizen, welche der Courrier framnçais über die Ercignisse am 23sten bringt (und die bereits aus verschie- denen anderen Quellen in ihrem Verlauf mitgetheilt worden), befindet sich auch folgende: „Um 10 Uhr ritt der Marschall Bugeaud, be= gleitet von zwei Adjutanten und mehreren Ordonnanzen, durch einen Theil der Boulevards-Linie, Der Marschall grüßte rehts und links, abêr Niemand erwiederte seinen Gruß. ““
Der Courrier francais (das einzige Blatt, welches uns außer dem Journal des Débats aus Paris vom 24sten zugegan- gen ist) enthält folgendes von Wählern und National-Gardisten un=- L E ofument :
„Das Ministerium is gestürzt + das is gut, Aber die lehten Ereignisse, Be die Hauptstadt in Bewegung geseyt Faber: erheishen Maßregeln, die R e Y gesvötben sind, erheishen die Aufmerksamkeit aller guten id See Eine seit langer Zeit angekündigte geseßliche Kundgebung is plößp- T báne einer freiheitêmörderishen Drohung, welche ein Minister von der ribüne herab ausstieß, zu Boden gefallen. Man hat unermeßliche Kriegs- rüstungen entfaltet, als ob Paris das Ausland nicht vor seinen Thoren, sondern in seinem ZJnnern gesehen hätte, Das Volk, in allgemeiner Be- wegung und ohne Waffen, bat scine Reihen dur Soldaten zertheilen sehen, heldenmüthiges Blut is geflossen, Unter diesen Umständen machen wir, Mitglieder des demokratischen Wahl - Comité's der Seine-Bezirke, es uns zur Pflicht, laut daran zu erinnern, daß auf dem Patriotismus aller zur
î Nationalgarde organisirten Bürger nah dem Wortlaute der Charte selbst
die Bürg chaften der Freiheit beruhen. Wir haben auf mehreren Punkten die Soldaten mit edler Betrübniß, mit brüderlicher Bewegung vor dem ent- waffneten Volke innehalten sehen. Und in der That, wie schmerzlich is nicht für Männer von Ehre die Wahl, entweder gegen die Gesehe ber Disziplin zu verstoßen, oder Mitbürger zu tödten, Die Stadtder Wissenschaft, der Künste, der Gewerbe, der Civilisation, furz Paris war wohl nicht das Schlachtfeld, von dem der Muth der französischen Soldaten träumte, Jhre Haltung hat dies bewiesen, sie verwirft die Rolle, die man ihnen auferlegt, Andererseits hat die Nationalgarde, wie sie es mußten, sich energis zu Gunsten der Ne- formbewegung ausgesprochen, und es is sicher, daß das erreichte Nesultat ohne Blutvergießen wäre erlangt worden, wenn nicht von Seiten des Mi- nisteriums eine dirckte Herausforderung, eine aus brutaler Truppen - Ent- wickelung entspringende Herausforderung stattgefunden hätte, Die Mitglie- der des demokratischen Wahlcomité's schlagen daher allen Bürgern folgende Petition zur Unterzeihnung vor: Jun Betracht, daf die Verwendung der Armee zur Unterduückung bürgerlicher Unruhen, eine Verlegung der Würde eines sreien Volkes und der Moralität der Armee selbs is, daß darin der Umsturz der wahren Ordnung und daucrnde Verweigerung der Freiheit liegt, daß die Zvfluchtnahme zur bloßen Gewalt ein Verb echen gegen das Recht ift, daß es ungerecht und barbarisch ist, brave Männer zur Wahl zwischen den Pflich- ten des Kriegers und des Bürgers zu nötbigenz daß die Nationalgarde gerade dazu eingeführt ist, die Ruhe der Stadt zu sichern und die Freiheit der Nation zu schüßen, daß cs ihr allein zustehe, cine Revolution von einer Emeute zu unterscheiden, in Betracht alles dessen verlangen die unterzeich- neten Bürger, daß das ganze Volk in die Nationalgarde einverleibt werde; sie verlangen die Auflösung der Munizipalgardez sie verlangen eine legis- lative Entscheidung, daß in Zukunft die Armee nicht mehr zur Unter- drücckung bürgerliher Unruhen berufen werden könne.“ —
(Folgen die Unterschriften von Wählern und Offizieren der Na- tionalgarde, die sih als Bevollmächtigte des 1., 2, 3. Me (a is 9, 410, und 11. Bezirks von Paris bezeichnen; unter ihnen befinden sih die Capitaine Greinhcisser, Vasnier, Rciart, Louveau, Dauphin, Des- tourbét und Cerfruile von der Zten, Aten, 7ten und 8ten Legion, der Unter- Bataillons-Chef Hovvn von der 3ten Legionz die Uebrigen haben sich blos als Wähler unterzeichnet, cs sind die Namen Guinard, Louis Blanc, Da=- vid (Mitglied des Instituts), Martin (von Straßburg, ehemaliger Depu- tirter), Felix Pyat, Huguette, Gellée, Chaumier, Monduit, Barbier, Jules Bastide, Victor Masson und de la Chatre.)
Ob dies revolutionaire Aktenstück die Petition ist, welche (wie erwähnt) von der National-Garde nah der Deputirten-Kammer ge= braht wurde, wird nicht gesagt, jedenfalls läßt dasselbe cinen Blick in die Entwickelung der Dinge thun.
Außerdem befindet sich im Courrier français auch folgende Erklärung der National-Garden der Ateu Legion : E
„Wir Unterzeichnete, sämmtlich der Nationalgarde augehörend, erklären, daß, nachdem inmitten der Unruhen der Hanptstadt der Appell geschlagen und unsere Versammlung verlangt worden is, wir als Beschühßer der Ord- nung uns überall hin begeben werden, wohin man uns dirigirt, um die Ordnung herzustellen, um Blutvergießen zu verhindern oder zu hemmen z gleichzeitig erklären wir aber als Beschüßer der Freiheit, daß unsere Ver= jammlung keinesweges zum Zweck hat, die ministerielle- Politik im Jnnern oder nach Außen zu billigen, oder einem Ministerim, welches wir im Gegen- theil mit aller Energie guter Bürger für tadelnswerth erklären, irgend einex Beistand zu leihen. Wir berathschlagen nicht unter den Waffen, wir geben nur, ehe wir uns auf unseren Posten verfügen, unsere Gedanken vollständig fund. Paris, 23. Februar 1848.“
Ferner nachstehende Erklärung von Bürgern des 4ten Stadt= Bezirks :
„Wir unterzeichneten Bürger des ten Bezirks erklären, um der Wahrheit und unseren persönlichen Ueberzeugungen zu huldigen , daß wir bereit sind, in den Reihen der Nationalgarde deren Wahlspruch: Freiheit
und öffentliche Ordnung! zu vertheidigen und deshalb unter den Befehlen
unscrer Vorgeschten die Waffen zu ergreifen, um die Nuhe und Ordnung in dem Bezirke aufrecht zu erhalten; wir gebca sevoch mittelst viejer Ma- nifestation förmlich zu wissen, daß wir nicht als die Stüyen eines verderb- ten und Andere verderbenden Ministeriums auftreten wollen , dessen Politik und Handlungen wir vielmehr mit aller Kraft unserer Ucberzeugungen ver- werfen, indem es unser eifrigstes Begehren is, daß dasselbe in Anklagestand versegt und soort entlassen werde. Paris, den 23, Febr. 1848,“ :
Am 419ten Abends hat eine Versammlung der bedeutendsten
Rechtsgelehrten von Frankreich, aus Professoren der Rechts-Fakultät, Räthen des Cassationshofes, Advokaten u. st. w. bestehend, auf be= sondere Einladung des Kanzlers Pasquier und be; demselben statt= gefunden. Es wurde die Frage des Nechts, sich zu versammeln, er ötert, und nah einer mehr als vierstündigen Berathung soll ein stimmig das Gutachten gefaßt worden sein, daß die vom Justiz minister Hebert aufgestellten Grundsäße sich nicht legal begründen ließen und der Cassationshof als leßte Justanz in dieser Frage gegen die Ansichten und (Brundsäbe des Ministeriums entscheiden würde. Der Bischof von Bayonne is von dem Papste zum Grafen des römischen Reiches und Assistenten bei dem päbstlichen Stuhle ernannt worden. Das Dampfboot, der „Neptun“, hatte das Unglück, auf der Rhone auf cin anderes Dampfboot zu stoßen und unterzugehen. Glücklicherweise waren wenig Passagiere an Bord, von denen nur einer ertrank; 100,009 Kilogramm Waaren sind in die Fluthen gesunken.
Köln, 26. Februar. (Kölnische Zeitung.) Gleichzeitig mit dem Journal des Débats sind uns folgende vier Briefe aus Paris vom 24, Febr., Abends, zugegangen, die nur zu sehr die Nachricht der Jndependancc (f. das Extrablatt der Allg, Preuß. Ztg. vom 28. Febr. Abends) bestätigen:
1) Paris, 24. Febr., 1 Uhr. Der Krawall und die Emeute sind vorüber — die Revolution hat begonnen. Wie das gekommen, werde ich Jhnen in so vieler Ordnung mittheilen, als man mitten unter solchen Zuständen noch im Geiste bewahren kann. Gestern um 5 Uhr ward die Nachricht vou der Entlassung Guizot's allgemein bekannt und allen Truppen Befchl gegeben, sich zurückzuziehen. Diese sowohl, als die_Nationalgarde, traten ihren Rückzug an unter Begleitung der Volksmassen und unter dem Rufe derselben : „Es lebe die Reform! Es lebe die Linie! Es lebe die Nationalgarde! Nieder mit der Munizipal= garde!‘ Der Haß gegen die leßtere machte es nothwendig, daß alle Corps de Garde derselben durch ein Detaschenent Linientruppen oder Kavallerie beshügt wurden. Ehe jedoch diese Vorsichtömaßregel ins Werk gejebt wurde, hat das Volk mehrere Wachtl\äuser gestürmt, entwassnet, zum Theile auch in Brand gesteckt; gegen 7 Uhr Abends hatte dieser Unfug ein
Ende, und man sah auf dem Boulevard, wo das Volk die Truppen oder die Nationalgarde unter fortwährendem Geschrei der angeführten Rufe und dem Absingen der Marseillaise nach Hause geleitete, mehrere Häuser be= leuchtet, worüber die Masse in neuen Jubel ausbrach, sodann aber überall anhielt und alle Häuser durch ihre energischen Forderungen A beleuchten zwang, so daß na 8 Uhr ganz Paris beleuchtet warz das Volk durch= zog nach allen Richtungen die Stadt, welche einen reizenden Anblick darbot, Jun diesem Augenblick glaubte man allgemein , die’ Emeute sei zu Ende, denn nirgends zeigten sich Symptome zu weiterem Ausf= ruhr, man müßte denn einigen Barrikaden, die aus bloßem Muth- willen in der Rue St. Denis aufgeführt und verlassen wurden, einen rebellishen Charakter beimessen. Um 9 Uhr hieß es jedoch, cine Masse Volk sei mit mehreren Nationalgardisten vor die Polizei - Präfektur gezogen und habe die Auslieferung der Verhafteten verlangt , die Munizipalgarde habe Widerstand geleistet , und es sei zwischen bei- den Parteien zu einem lebhaften Gefechte gekommen, worin das Volk zurückgeshlagen worden, Dieser Vorfall seßte die Masse in neue Aufregung, die sich jedoch bald beshwichtigte. Um 97 Uhr ver=
i wo É ‘re nit zurügetre- breitete sich das Gerücht , das Ministerium wir u E Ee
ten, man habe das Volk nur genarrt , als ma Massen vor das neuer Kabinets verkündigte ; sofort zogen A E vefueteris Hotel Guizot's, das mit einem Detaschement L mit Guizot! Es Regiments Gen war “id sihelecit „e Mehrer ee SARO as A rate / Viele Neugierige waren son früher da und bil- CUE DIE E : D Diese fingen an, Steine deten nun dir Vorderreihen der Massen. V1e}e gie, 1 Z 10 vem Hotel zu werfen, Wor de Aruader ‘aben, wobet e gene Warnung, wel! Ladungen LE e Cann. Von diesem Augen- vierzig Menschen, die me en baticen. Die Wuth des Volkes stieg blie fann man die Meta Et gewesen, es hätte das Hotel aufs höchste , me A herbeigezogene Schwadron Dragoner nedergeri}|en. eh und sperrte cinen Theil des Boulevards so jäuberte E ves 2 ‘des Ministers führenden Straßen ab. Um die wie alle zul erte sich die öffentliche Gewalt nicht; das Volk Gefallenen E gelegene Apotheken und Häujer und führte ages A e einem einspännigen Karren unter wüthendem Racdegesberi fort. Eine Abtheilung Kavallerie folgte diesem verhängnißvollen Trauerzuge, um den sich das Volk immer dich- ter sammelte und zum ueuen Kampfe “ih entschloß. Die Nachricht von diesem Vorfalle verbreitete sh wie cim Lausfeuer , und um Mit-= ternaht war von der Rue Montmartre bis zu der Rue St. Antoine, J oulevard des Jtaliens bis zum Boulevard Skt. Antoine eine fortlaufende Reihe von Barrikaden aufgerichtet. Das Volk drang mit Gewalt in alle Haujer und verlangte die Gewehre der Nationalgarde, welche Niemand ihm zu verweigern wagte. Nach 12 Uhr wurde Generalmarsh geschlagen, und die Truppen, die kaum von den Strapazen des Tages ausgeruht hatten, mußten wieder hin- aus in den Kampf. Von 1 Uhr des Nachts bis 9 Uhr Morgens {lug man sich fast ununterbrochen, Todte nnd Verwundete zählt man jeßt nach Hunderten. Heute um 95 Uhr erschienen mehrere Adjutanten an verschiedenen Punkten des Kampfes, \hwangen ein weißes Tuch und verlangten vom Volke Gehör, das man ihnen nicht leiht gewährte. „Jh bin“, sagte jeder von ihnen, „„ Adjutant des Marschalls Bugeaud; der Marschall is zum Statthalter von Paris und zum obersten Befehlshaber der Nationalgarde er= naunt. Der Marschall mag aber den Antritt seines Amtes nicht mit Blut bezeichnenz er hat daher den Truppen Befehl gegeben, sih zu- rüzuziehen, und fordert das Volk auf, ein Gleiches zu thun.“ An einigen Orten wurde diese Meldung mit dem Rufe: „Es lebe die Linie, es lebe die National - Garde!‘ aufgenommen; in den revo- lutionairen Quartieren St. Martin, St. Denis und St. Antoine aber antwortete man: „Wir wollen den Marschall Bugeaud nicht!“ Die Truppen hatten sih indessen zurückgezogen, der Kampf hörte auf, und die Sache nahm ungefähr die Gestalt von gestern Ubends 5 Uhr an, mit dem wesentlichen Unterschiede jedo, daß die Linie und die National - Garde die Straßen durzichen, begleitet von bewassnetem Volke unter dem neuen Losungswort: „Nieder mit Ludwig Philipp, nieder mit den Ministern!“ Um 1415 Uhr sah ich diesen drohenden Zug vom Boulevard St. Antoine herab, wie es hieß, nah den Tut- lericen, sih bewegen. Es war bereits aus diesen eine Proclamation erlassen, die ungefähr so lautete: „Der König hat Befehl gegeben, das Feuer einzustellen, und die Unterzeichneten zu Ministern ernanut; General Lamoriciere is zum Kommandanten der National - Garde ernannt. Möge sich das Volk beruhigen! (Unterz.) Thiers. Odi1- lon Barrot. Duvergier d'Hauranne. Lamoriciere.“ Von 1 bis 2% Uhr. Jun dieser kurzen Zeit begann der Kampf von neuem; das Palais Royal ward gestürmt und in Brand gesteckt, Ludwig Philipp dankte ab, zu Gunsten des Grafen von Paris, unter der Regentschaft der Herzogin von Orleans. Dieser Akt, der um 9 Uhr bekannt ward, besänftigte das Volk niht; es drang in die Tuilerieen ein, nachdem die Königliche Familie ich weiß nicht, wohin sich bereits geflüchtet hatte. Die Linie verweigerte aber- mals, sih zu lagen; die National-Garde {loß sich dem Volke an, das in diesem Augenblicke in den Tuilerieen is und aus Muthwillen aus den Fenstern ießt, Alle Wagen des Königs wurden ver- brannt, die Büste Ludwig Philipp?s in den Koth gescleift, die Jn tendanz geplündert und deren Papiere zum Fenster hinaus geworfen. Wie das Ende wird, weiß Gott! Jch schließe mein Schreiben um Z Uhr, weil ih wenigstens zwei Stunden brauche, um sicher zur Post zu gelangen. Man läutet jeßt Sturm. — 34 Uhr. Folgende Mi-=- nistereBisie zirkulirt jeßt: Lamartine, Odilon Barrot, Marié, Marrasft, Vavin.
vom
2) Paris, 24. Febr. Gestern Abend war Alles in Ordnung, Alle Welt \pazierte auf den Boulevards wie zu einem Feste. Da wollten Gamins die Besaßung des Hotels des Ministers des Aus- wärtigen zwingen, zu beleuchten. Die Linie {oß dana unters Volk, 20—30 Todte, — das war der Wendepunkt. “Alle Welt sagte sich : On nous trahit! Sn der Nacht überall Barrikaden. Diesen Mor- gen waren vielleicht 20,000 Mann Soldaten, Kanonen 2c. auf den Boulevards. Ueberall wurde Rappell geschlagen. Gegen 8 Uhr versammelte sih die National - Garde. Aber sie war entrüstet über das gestrige Ercigniß vor dem Hause Guizot's. Sie verlangte, daß die Linie- versprechen solle, nicht ohne sie zu schießen. Die National- Garde und die Linie fraternisiren überall. Alle Welt rief: Vive la Ligne! Die Linie antwortete: Vive le Peuple! So schien zum zweiten Male Alles sih halbweges zu ordnen. Thiers und Odiion Barrot wurden als Minister proklamirt, Odilon Barrot, der Gene- ral Lamoriciere, Lasteyrie ritten auf den Boulevards herum, um zu beruhigen, Aber gegen 10 Uhr schaarten si viele Arbeiter, und der Ruf: Aux Tuileries! wurde vielfach laut. Bald zogen Kolonnen von 1000 Mann durch die Straßen, welche zu den Tuilerieen führen. Gegen 12 Uhr begann der Kampf. Die Nationalgarde in Massen ]stürmte mit. Die ersten Lgionen wurden zurückgeschlagen. Jch denke, die dritte drang zuerst in den Palast. Es war eine Geschichte von zwei Stunden — nicht mehr, nicht weniger. Jeßt wird Alles in den Tuilericen zerstört, aber dafür gesorgt, daß nichts gestohlen wird. Jch wollte einen Kupferstich zum Andenken mitnehmen, mußte ihn aber an der Thür des Gartens wieder herausgeben, „Das fann doh etwas werth sein!“ sagte der wahthabende Blou- fen =Mann. Es geht bunt in dem Schlosse zu. Wohin die Königliche Familie sih geflüchtet, weiß Niemand. Gegenüber dem Palais Royal brennt das Wachthaus der Munizipalgarde, die sehr viel Unheil angerichtet hat durch überflüssigen Eifer. “Es wur- den zwei Proclamationen angeschlagen, Die erste fordert das Volk auf, bewaffnet zu bleiben, die zweite proklamirt die provisorische Re= gierung. — Das Blatt, auf dem ih Jhnen schreibe, flog aus den Tuilerieen,
__3) Paris, 24. Febr. Paris ist in solhem Aufruhrzustande, daß alle Verbindungen unterbrochen sind. Jch zweifle sogar, ob diese Zeilen Sie erreihen werden, Die Juli - Revolution war nur eine Meuterei im Vergleiche mit der Bewegung des heu= tigen Tages. Die Tuilerieen werden unter dem Geschrei „Nieder n Ludwig Philipp!“ belagert. Man hatte dem Könige bis Tag Zeit zur Abdankung gegeben, — 14 Uhr. Man ver- si vert mir, daß Ludwig Philipp zu Gunsten des Grafen von Paris abgedankt habe, und daß ein Regentschaftsrath eingeseßt wor-
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den sei, zu welchem auch die Herzogin von Orleans gehört. Das | Kleingewehrfeuer dauert lebhafter als zuvor fort. — 2 Uhr. Das Volk
ist in die Tuilerieen eingedrungen; der Palast is verwüstet; Ludwig | Philipp und seine Familie sind abgereist. Das Gewehrfeuer hat |
aufgehört, und das Volk hat sih in Massen gegen Neuilly gewendet. Man spricht von keiner einzigen Regierungsform mehr. Jh bin nohch ohne Nachrichten von der Kammer, |
4) Paris, 24. Febr., Abends. Ueber die Vorgänge in der heutigen Sißung der Deputirten - Kammer kann ih Jhnen folgende Mittheilung machen: Um 125 Uhr is der König, nachdem er seine Abdankung zu Gunsten seines Enkels in den Händen der Herzogin von Orleans zurückgelassen hatte, aus den Tuilerieen abgereist. Die Herzogin von Orleans begab sich darauf zu Fuße mit dem Grafen von Paris und ihrem zweiten Sohne, dem Herzoge von Chartres, unter der Esforte von Ordonnanz-Offizieren, einfachen National-Gar= disten und Oppositions-Deputirten, worunter man Dupin und Lacrosse bemerkte, nah der Deputirten-Kammer, Herr Lacrosse ritt in den Hof des Palastes Bourbon und rief ganz laut : „Benachrichtigen Sie den Herrn Präsidenten! Es is fein Augenblick zu verlieren! ‘“ Die Herzogin von Orleans mit ihren zwei Söhnen trat nun in den Saal, wo etwa 300 Deputirte anwesend waren. Sie ließ sih in einen großen Sessel nieder, den man unten an die Tribüne hinge=- stellt hatte. Herr Dupin bestieg hinter ihr die Tribüne und fündigte der Kammer an, daß König Ludwig Philipp L. abge- dankt habe 2c., und daß er seine Gewalt auf den Grafen vou Pa- ris, seinen Enkel, und auf dessen Mutter, die Herzogin von Orleans, in der Eigenschaft einer Regentin übertrage. Dreihundert Deputirte riefen: „Es lebe Ludwig Philipp! Es lebe die Regentin!“ Einige Deputirte der Linken jedo, so wie die Legitimisten Herren von La rochejacquelin und von Genoude, riefen : „Sie haben dazu uicht das Recht !‘““ Mehrere Stimmen von den Tribünen erschollen : „Es ist zu spät! Es ist eine Komödie!‘ Herr Cremieux bestieg die Tribüne, um die Einsetzung einer provisorischen Regierung zu verlangen. Seine Worte wurden von den Tribünen mit Bravorufen begrüßt. Herr Odilon Barrot, der in diesem Augenblicke eintrat, bestieg die Tribüne, um _ zu sagen, daß gegenwärtig nur die Regierung der Herzogin von Or leans und des Grafen von Paris dem Blutvergießen Einhalt thun könne. Diesen Worten fklatschten alle Deputirten Beifall, in dem nämlichen Augenblicke aber steckten Frauen aus dem Volke auf der Tribüue die dreifarbige Fahne auf. Der ganze Halbkreis füllte sich plößlich mit Männern iu Blousen, die mit Säbclu und Flinten bewaffnet waren. Unter dem Schute dieser Männer aus dem Volke und unter ihrer Eskorte betrat Herr Ledru-Rollin die Tribüne und begehrten die Einseßung einer provisorischen Regierung uuter lautem Geschrei der Tribünen. Lamartine bestieg ebenfal,s die Tribüne und stellte cinen Antrag in gleichem Sinne, als die mit Flinten bewaff= neten Männer auf die Volksvertreter anshlugen. Herr Sauzet ver licß den Präsidentenstuhl, wo er sofort durch Herru Dupont (de l’Eurc) erseßt wurde. Jh verlasse in diesem Augenblicke die Kam= mer, um niht Zeuge oder Opfer der gewaltthätigen Auftritte zu sein, welche si vorzubereiten scheinen. — Nachschrift. Jch vernehme, daß man so eben auf dem Stadthause eine provisorische Regierung ein= gcejeßt hat,
Frankfurt a. M., 27. Febr. (Ob. P. A. Ztg.) S eben erhalten wir nachstehende telegraphische Depeschen : 1) aus Pa= ris vom 24, Febr. 10 Uhr Abends. Der Beaustragte der proviso rischen Regierung an die Herren Präfekten Die provisorische Regie= rnng besteht aus folgenden Herren: Dupont (von der Eme), Prä= sident; Arago, Marine-Minister; Lamartine, auswärtigen Angele= genheiten; Crémieux, Justizz Subervic, Kriegz Ledr u-Rol-= lin, Juneresz; Marie, Haudel; Garnier-Pagés, Maire von Paris. — 2) Paris, 25. Febr., 2 Uhr Nachmittags. Der Kriegs Minister an die General - Lieutenants im Namen der provisorischen Regierung: Der Gencral - Lieutenant Subervic is Kriegs - Minister z er befiehlt den Militair - Divisionen und Unter-Divisionen lommandi- renden Gencral = Licutenants, auf ihren Posten zu bleiben, die Trup= pen zu mustern, die Disziplin und die Ordnung in allen Armee-Corps aufrecht zu erhalten.
Berlin, 29. Febr. Wir schen uns veranlaßt, zu erklären, daß beim Schlusse unseres heutigen Blattes, bis Nachuuittag 34 Uhr, der Regierung neuere Nachrichten über die Ereignisse in Paris nicht zugegangen sind.
Ueber Hamburg geht uns die Nachricht zu, daß König Ludwig Philipp mit seiner Familie am 25, Februar Nachmittags in Folkestone an der englischen Küste gelandet is, von wo er sich nach London be- geben haben soll.
Großbritanien und Irland.
London, 24, Febr. Jun der gestrigen Unter haus=-Sißung nahm Herr An sey seinen vor acht Tagen verun((lücten Angriff ge= gen Lord Palmerston wieder auf. Die Rede, welche derselbe hielt, holte wieder eben so weit aus, wie damals, und fand gleich geringen Antheil. Er begann mit dem wiener Kongreß und endigte mit dem Jahre 1848, um den Beweis zu führen, daß England sich in cinem höchst beklagenswerthen Zustande befinde und Lord Palmerston der Einzige sei, der das unermeßliche Unglück verschuldet. Jn der poli tischen Revue , die der Redner giebt , sagt er, Polen sei von Lord Palmerston in Rußland aufgeopfert, Jtalien, an Hand und Fuß ge= fesselt, Oesterreich überliefert worden, die Türkei wäre 1829 Rußland preisgegeben, Mehmed Ali ebenfalls betrogen worden u. w. Wie im Uebrigen, so war die Rede des Herrn Anstey auch darin einzig, daß er Herrn Urquhart zum Himmel erhob, der sonst in der Mei nung aller Menschen bekanntlich ziemlich tief gesunken ist. Lord Pal-= merston hörte geduldig zuz nur einmal sagte er: „Jch bitte um Entschuldigung , das is nicht wahr!“ Herr An Den N ms widersprochen ! ‘“ Lord Palmerston: „Jh widerspreche jeßt.“ Herr Anstey: „Es steht gedruckt,“ Lord Palmerston: „Die Unwahr- heit is also im Drucke erschienen! Dann fuhr Herr A nstey unge-= stört fort, aus einander zu seßen, daß Lord Palmerston fortwährend das Parlament und seinen Souverain mit falshen Angaben hinter= gangen habe, Er vertheidigte unter Anderem selbs Köuig Ludwig Philipp und das französische Ministerium in Sachen der spanischen Heirath. Lord Palmerston habe sich bei dieser Gelegenheit auf den Frieden von Utrecht berufen, wissend, daß jedes Wort, welches er äußere, eine Falschheit sei. Dies Alles bezog sich blos auf Europa. Herr Anstey ging hierauf nah Amerika und enthüllte die Ursachen des Krieges der Vereinigten Staaten mit Mexiko. Dieser sei auch ein Werk Lord Palmerston's. Er be- wirkte nämlich, daß Texas, cin neuer Sklavenstaat, in den Verein aufge- nommen ward, damit ganz Nord- Amerika dadurch gencigter würde, die Pläne der nördlichen Staaten auf Kanada zu unterstüßen. Asien ward ebenfalls durhgenommen, und den Schluß machte Afrika. Hier hätte Lord Palmerston durch seine Verträge über den Skla= venhandel England mit allen gebildeten Völkern verfeindet. Dies wären aber nicht alle Anklagen, welche er gegen den edlen Lord vor- zubringen habe; er habe manche derselben vershwiegen, aus Achtung vor dem Sprecher, der Herrn Anstey ein paar Mal zur Ordnung verwics, Herr Shiel unternahm es, Lord Palmerston oder vielmehr das
Parlament gegen Reden dieser Art in Schuß zu nehmen. Es wäre seine Absicht gewesen, für Lord Palmerston zu sprechen, zu sagen: daß erín seiner Person würdig die sittlichen Eigenschaften darstelle, welche die große Nation auszeichneten, deren Sache er vertrete; zu sagen: daßer stets hochgesinnt, ge=- rade aus und wahrhaft gewesen, daß er stets ein Vertheidiger der enschlih= feit und der Bildung gewesen, stets hier und in jedem Lande der Welt eine geordnete Verfassung und die Freiheit befördert habe. Aber er stehe davon abz; denn Herrn Anstey's Rede sei ein Angriff“ niht sowohl auf Lord Palmerston, als auf allen Anstand und die Würde des Par- laments. Herr Urquhart, der einzige Freund dcs Herrn Anstey, warf Lord Palmerston aufs neue ‘vor, dem bittersten Feinde Englands, Rußland, in die Hände zu arbeiten. Er füllte das Haus mit schal- lendem Gelächter, als er sagte, Lord Palmerston werde ne wieder die Stelle einnehmen können, welche er vor der heutigen Verhand= lung ine gehabt. Lord Palmerston hatte lange ruhig zugehört, do als Herr Urquhart geendet, sagte er: „Jh hoffe, in dem, was ih zu sagen habe, so viel Selbstüberwindung zu zeigen, daß ich die Achtung vor dem Hause uicht verleße und eine Sprache, die nur den beschimpft, der sie gebraucht, nicht nahahme, sondern vermeide ; eine Sprache, die eben so gegen die Geseße des Hauses, als gegen die gesellschaftliche Höflichkeit und die Sitte gebildeter Männer verstößt. Jch weise die Anklage, welche die beiden Redner heute gegen mich vor= gebracht, auf das entschiedenste und unzweideutigste zurück. Wäre €s niht aus Achtung vor dem Hause und aus Rücksicht für das, was ein Staatsmann seinem Lande schuldig ist, so zweifle ib, ob ih mich herablassen würde, Notiz davon zu nehmen; ih zweifle, ob ih mich herablassen würde, ihren Beschuldigungen auch nur zu widersprechen. Jch weise diesc falschen und grundlosen Anklagen mit dem Unwillen und der Verachtung, die einem Manne in meiner Lage, falschen An= flagen gegenüber, erlaubt ist, nicht blos zurück, sondern ih erfläre auch dem Hause, daß, wenn es ihm gefällt, über meine ganze öffentliche Thätigkeit seit dem ersten Tage, an dem ih in den Staatsdienst trat, bis zu der Minute, in der ich jcbt spreche, eine Untersuchung anzustellen, es fein Dokument, kein amtliches Blatt im Foreigu Office, nicht ein= mal einen Privat-Brief in meinem eigenen Besibe giebt, den ih nicht bercitwillig und stolz der Prüfung unterwerfen will. Jch will das Ganze einem Comité des Hauses unterwerfen und dasselbe in Stand schen, die umfassendste Untersuchung über meine politischen Ungehö= rigkeiten anzustellen. Nachdem ih so viel un Allgemeinen gesagt, wird es mir, bei dem fonfusen Kataloge der verschiedenartigsten Ge- genstände, in der That {wer , meine Antwort in die Gränzen zu- sammenzuzichen, die mir die Regeln des Hauses bei diejer Gelegen- heit gewähren.“ Der Minister geht nun auf die einzelnen Angrisse über, die das arfadische Paar gegen ihn gerichtet hatte, als ihn der Sprecher mit der Erklärung unterbrach, daß, weil es bereits 6 Uhr sei, die Fortsezung der Debatte auf die morgende Tagesordnung g€=- sekt und die Sipung vertagt werden müsse. — Die L Ereignisse sind hier erst bis zur Entlassung des Guizotshen Ministeriums bekannt, und man glaubt noch richt an eine ernstliche Revolution. Die Times jagt: „Es müßte eine außeror= dentliche und unvorhergeschene Reihe von Umständen eiutreten , ehe eine Regierung, die von einer Armee von 100,000 Mann gedecckt ist, welche unter dem Kommando des Marschalls Bugeaud steht und mit großem Geschick in die Umgebungen von Paris einquartiert it, wenu eine Regierung, ges{üht ferner durch 48 Forts, gezwungen werden sollte, einer Jusurrection des Volkshaufens nachzugeben. Wir glauben indeß gar nicht, daß selbst eine ernstliche Volks-Jnsurrection ausbrechen wird. Die Börse is deshalb unter solchen Hossnungen nicht sehr gestört. Die Course s{wanken nur sehr gering. Konsols 885 a 89, zum Schluß für 13. April 894: E
Ju Liverpool, Manchester und. vielen anderen Orten werden von den Behörden auf Requisition der Bürger Versammlungen angeord- net, in denen Petitionen gegen die Erhöhung der Einkommensteuer berathen werden sollen. j Aae /
Ueber die Aufhebung des Baumwollen-Zolles in Ostindien, die leßte bedenteude Regierungshandlung Lord Hardinge's als General= Gouverneurs jenes Landes, bemerkt der hiesige Expreß Folgendes : „Die Aufhebung des Ausfuhrzolles wird den europäischen Baumwollen= handel Ostindiens nicht berühren, wohl aber einen entshiedenen Ein= fluß äußern auf den bedeutenden Handel mit China, besonders in Canton. Die Ausfuhr nah Europa is seit langer Zeit sowohl für britische als fremde Flaggen frei, aber bis auf diese neueste Abände=- rung hat ein Zoll von 9 Annas per Maund von allen Verladungen von Baumwolle in britischen Schiffen nah Ländern ostwärts von Ceylon bezahlt werden müssen und ein Zoll von 18 Annas, also der doppelte Betrag, - wenn die Waare in fremden Fahrzeugen verladen wird. Dieser Zoll gestaltete sih zu einer ad valorem Abgabe, die, je nach dem Preise der Waare, mehr oder minder drückend, in der leßten Zeit nicht weniger als 6 bis 7 pCt. betragen hat. Wie wich=- tig aber die Maßregel ist, geht aus einer Zusammenstellung der Total-Ausfuhr mit der Ausfuhr nah China in dem Jahre 1843 bis 1844 hervor. Kalkutta führt aus: im Ganzen 16,922,000 Pfd., nach China 16,347,000 Pfd. ; Madras: im Ganzen 38,292,000 Pfd., nach China 141,895,000 Pfd.; Bombay (der Hauptmarkt für diesen Zweig des Handels nah China): im Ganzen 171,367,000 Pfd., nah China 77,551,000 Pfd. Syâtere Berichte aus Bombay ent= halten Angaben, welche die Bedeutsamkeit der jeßt getroffenen Maß= regel in noch viel hellerem Lichte erscheinen lassen. ““
X London, 25. Febr. Die Ereignisse in Paris haben hier jeden anderen Gegenstand von politischem Interesse in den Hintergrund gedrängt. Man spricht von nichts Anderem, als von ihnen, und seit Jabren hat kein Ereigniß des Kontinents hier so viel Aufregung ver- ursacht. Die Entfremdung, welche die spanischen Heirathen bewirk= ten, so wie das vollständige Mißtrauen gegen die Wahrhaftigkeit und Klugheit des Herrn Guizot, das jebt in England herrscht, haben cine gänzliche Unempfindlichkeit gegen die Erniedrigung des Königs und den Fall seines Ministers erzeugt. Persönlich erregen ste Fein Mit- leid; aber zu gleicher Zeit werden die englischen Staatsmänuer aller Parteien mit Besorgniß und Bedauern über den revolutionairen Cha=- rafter dieser Bewegung erfülltz es herrscht niht jene Sympathie mit der Volkssache, welhe 1830 so warm hervortral, als das Volk von Paris sich damals gegen den Angriff der Krone erhob. Jm a genwärtigen Falle is der Angriff allein vom Volke ausgegangen. Die Masse des Volks ist allmälig und höchst geschiat u qr afi den, eine Demonstration zu machen, dic Alles, a mf O ges 1g war; die National - Garde wurde m Stru 6 mi fort= gerissen, die Linientruppen folgten der National= Aas n das - Ergebniß is eine Revolution, L eingesepten Behörden des Reichs beugten sich vor der „grande populace el 1a sainle Ca-
naille“ und die Gesebe der Gesellschaft sind noch einmal zerstört
O Frankreich is ein solches Resultat unheilvoll genug, denn es zeigt, auf wie unsicherer Grundlage der Thron eines Kindes stehen wird, wenn der Lutwig Philipp s so plößlich bis auf das Fundament erschüttert ist. Doch es liegt mehr in der Ausgabe dieser Korrespon= denz, auf die Folgen dieser Erschütterung anderêwo hinzuweisen. Jn vielen Theilen Europa's, besonders in Italien, in der Schweiz und vielleicht auh in Spanien werden die Folgen bedeutend sein. Der
Untergang der konservativen Partei in Frankreich is dex Untergang
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S t 14 Gd O E