1848 / 62 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

durch das Nagdhlassen der Nachfrage das Geld und der Zinsfuß sinkt. J glaube also, weun man daber stehen bleibt, daß ein Eigenthum gleich einem anderen Eigenthum ist, mon auch die Verfügung über dieses Eigenthum nit beschränken darf. Wenn man über den Wu- cer spricht, so muß man zwei Fälle untisheiden, der erste Fall ist der, wo Ziusen über dic geseßlihe Bestimmung genommen werden. Man kann diese gescbliche Bestimmung eine Taxe nennen;z es is un=- gefähr so, als wenn man eine Brodtaxe oder eine Fleischtgxe einfüh- ren wollte. Was würde man heutzutage sagen, wenn cine Re- gierung damit umginge, irgend einen Gegenstand, eine Waare mit einer Taxe zu belegen, wenn sie bestimmte, über einen gewissen Preis soll dieser oder jener Gegenstand nicht verkauft werden? Man würde wenigstens der Regierung den Vorwurf machen, daß sie die Verkehrs- Verhältnisse gar nicht beachtet, Eine andere Art des Wuchers be- steht darin, daß diejenigen, die Geld bedürfen und nicht im Staude sind, E zu den gewöhnlichen Zinsen zu erhalten, si an gewisse Personen wenden, um unter verschleierten Zinsen die nöthigen Gelder zu empfangen; sie erhalten alödann sehr häufig nicht die ganze Summe, selbst nicht eine Summe, die etwas geringer ist, als jie gewünscht haben, sondern müssen Waaren an Zahlung nehmen, deren sic gar nicht bedürfen, die Einen müssen Musikalien nehmen, die Anderen Cigarren oder andere Gegenstände, diese wer- den dann wieder verkauft, oft werden sie nur zurückgekauft, und diese Art des Wuchers ist gewiß eine höchst verderbliche und schlechte, Nie- mand wird sie vertheidigen wollen, Aber man muß gerecht sein; diese verwerfliche Art des Wuchers is die Folge der Zinsgeseße, der Wuthergeseße, die den Zinsfuß beschränken, Wenn man nun solche Geseye durchführen wollte, so müßte man auch diejenigen, die Geld besigen, zwingen können, denjenigen, die Geld brauchen, es zu den geseßlichen Zinsen zu borgen; Niemand aber kann dazu gezwungen werden, ohne einen Eingriff in das Eigenthum, und wenn man ste denno dazu zwingen wollte, so würde dieser Versuch unter eine Be- nennung fallen, die ih hier nit weiter ausführen will. Es folgt also daraus, daß derjenige, welher Geld nöthig hat und nicht in solchem Kredit steht, daß er dasselbe zu den gewöhnlihen Zinsen er- halten kann, auf Umwegen so viel zu erhalten sucht, als er braucht, oder daß au solche, die vollkommen Kredit haben, aber zu einer Zeit Geld gebrauchen, wo das Geld sehr theuer ist, einen höheren Zinssaÿ geben müssen, und wenn sie das auf geradem Wege nicht können, müssen sie einen Umweg einschlagen, Das Gefeß wird aljo auf jeden Fall übertreten, Dieser Zustand is gewiß ein Beweis, daß diese Zinsgeseze {hädlich sind. Das Fehlerhafte derselben hat sih eben erst in neuerer Zeit wieder dadurch herausgestellt, daß die Geldwirthschaft allgemeiner eingeführt worden is, Jm Großen sind überhaupt Wucher-Geseve ganz ohne Erfolg; theilweise können sie auch ganz unbeaqtet bleiben, Z. B. Kausleute in den alten Pro- vinzen können während 6 Monate so viel Zinsen bezahlen, als sie eben müssen, Kaufleute sind daher in Beziehung auf die Benußung von Geldern gar nicht beschränkt, denn nach Ablauf von 6 Monaten geht der Kausmann zu einem Zweiten, Dritten u. \. w., und er wird immer die nöthigen Summe erhalten, \o lange er Kredit be- sgt. Es spricht auch für diese Freiheit der Umstand, daß wohl keine Klasse von Gewerbetreibenden das Geld leichter erhält, als die Kauf- leute, da an feinem Orte das Geld wohlfeiler if, als an deu Orten, wo Handel getrieben wird, wenn auch augenblicklih einmal der Zins- fuß steigt; das liegt dann in anderen Verhältnissen. Die Geseße gegen den höheren Zinsfuß sind aber in neuerer Zeit auf andere Weise unbeachtet geblieben, und zwar gerade von den- jenigen Behörden und Corporationen, die es am allerwenigsten hät- ten thun sollen, wenn dies überhaupt ein Unreht wäre. Denken wir an die Staats=Anleihen, die alle Staaten gemacht haben! Sie ha- ben alle nur einen gewissen Zinssaß verschrieben, haben aber nicht die volle Summe erhalten. Aber nicht allein die Staaten thun das, son- dern auch die Corporationen, und das is auch ein Beweis, daß der, der Geld haben muß, sich nach dem Geldmarkte rihten, so viel Zin- sen bezahlen muß, direkt oder indirekt, als der Geldmarkt fordert. Wer Geld auf Hypotheken zur zweiten oder dritten Stelle leiht, der wird in der Regel, wenn der verpfändetke Gegenstand uicht einen schr großen Werth hat, zu den gewöhnlichen Zinsen kein Geld erhalten. Man hilft sih auf eine ganz bekannte Art: die Obligationen werden ausgestellt auf den Namen einer dritten Person, diese cedirt sie an den Geldleiher, und dieser zieht si so viel vom Kapital ab, daß da- dur der, wenn auh nicht nominell, doch im Sinne bestiminte Zius- fuß herausfommt. Diese Einrichtung is geseßlich, sehr viele Perso- nen nehmen gar keinen Anstand, si threr zu bedienen, aber sehr viele mögen es doch nicht thun. Sie wollen den Anschein vermeiden, als begingen sie ein Unreht. Darin stimme ih mit dem Herrn Minister der Geseßgebung vollkommen überein, daß die Existenz solcher Geseße La viele Personen abhält, Uebertretungen dieser Art, selbst wenn sie ih geseplich vertheidigen ließen, sich zu Schulden kommen zu lassen. Aber was is der Erfolg? Daß die, welhe Geld haben müssen, denen ein Kapital gekündet wird, oder welche eine Unternehmung, die ihnen fien Vortheil verspricht, ausführen wollen, die ihnen nicht nur den öheren Zinsfuß , sondern auch noch einen ansehnlihen Gewinn ge- währt, si nicht abhalten lassen, auf diese Weise Geld aufzunehmen. Da aber die Konkurrenz beschränkt ist, so wird er auch in diesem Falle, wo kein Geseß übertreten wird, doch mehr zahlen müssen für das aufgenommene Kapital, als wenn vollkommen freie Konkurrenz wäre, Jh habe einige Züge im Großen angedeutet, wie die Wu- chergeseße umgangen werden. Jch bemerke hier, daß ih unter Ue- bertretung der Wuchergeseve nur die Uebertretung des hiheren Zins- fußes, nicht die andere von mir son erwähnte Art meine. Aber ein viel größerer Nachtheil entsteht daraus, daß die kleinen Gewerbe- treibenden Geld, so oft sie es brauchen, nicht erhalten. Jch glaube daß in dieser Beziehung die Existenz der Wuchergeseße den größten Nachtheil hervorbringt, ih glaube, daß die Zahl der Proletarier, der zurückgekom- menen kleinen Gewerbetreibenden, nie so groß geworden wäre, wenn wir Freiheit im Geldverkehr gehabt hätten. Gestatten Sie mir daß ih in eine geuauere Ausführung eingehe. Wenn ein Gewerbe- treibender sich etablirt , eiu Handwerker oder ein kleiner Krämer oder überhaupt Einer, der mit einem kleinen Kapitale ein Geschäft antritt, so ‘ist în der Regel dieses Kapital ganz unbedeutend, und oft besißt er nihts, als seine gesunden Arme, die er bestmöglichs benußt; es gelingt ihm au anfangs, aber es entsteht eine Krankheit, die Familie vermehrt sich, es tritt ein außerordentlicher Fall ein: ein sol- cher Mann bedarf zu seiner Aufhülfe eine fleine Summe; wo soll ér sie erhalten? Die größeren Kapitalisten Fenuen ihn uicht und bor- en ihm daher auh nicht, denn kein CNEndigtr Mann wird einem Ünbefannten Geld leihen, Er wendet sich nun an seine Gewerbe genossen, die haben aber selbst fein Geld Ore Er sicht si ver- geblih um, und was bleibt ihm als Hülfe? Der sogenannte Wuhe- rer; bei dem leiht er nun; aber entweder muß er ganz übertriebene Zinsen geben oder er bekommt nit einmal die ganze Summe baar; er muß einen Theil in Waaren annehmen, welhe er zu niedrigen Preisen verkauft. Er empfängt viel weniger, als wenn gestattet h insen zu geben. Wer einmal auf diese Weise

wäre, direkt höhere Z den Wutherern in die Hände gefallen, ist in der Regel verloren, Ein

solhes Verfahren wird ein paarmal wiederholt, und unausbleiblicher usa tritt ein, Man wird sagen, der Wutherer wird bestraft, A nit Jeder mgcht den Denunzianten, und dies hilft guch nihts,

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Wenn nun ein freier Geldverkehr bestäude, so würden au unbemittelte Leute, kleine Gewerbetreibende sehr bald Geld zu etwas höheren Zin- sen erlangen. Es is auch in der Natur der Sache, daß der, welcher im Kleinen Geschäfte macht, etwas mehr für seine Mühe haben muß, als der, welcher im Großen handelt. Das is cin Grundsaß, der durhgehend is, denn er wird durch die Nothwendigkeit geboten. Es würden fich bald kleine Kapitalisten, ctwa Männer, die sih aus ähu= lihen Gewerben mit mäßigem Vermögen zurüziehen möchten und die Verhältnisse ihrer Berusógenoin genau *fennen, darauf einrichten, fleinen Gewerbetreibenden Geld vorzuschicßen, die aber uicht im Stande sind, von ihrem kleinen Vermögen zu leben, wenn sie nur die geseß- lihen Zinsen erhalten. Dann würde auch die Zahl der Wucherer ganz wegfallen, sie würden durch die Konkurrenz der ordentlichen Ka- pitalisten, die sih mit einer mäßigen Erhöhung der Zinsen begnügen, erdrückt werden, sie müßten ihr shlechtes Gewerbe aufgeben oder zurückfehren zur ordentlihen Benußung ihrer Kapitalien. Es würde auf diese Weise dem kleinen Gewerbetreibenden ein bedeutendes Weik- zeug gegeben werden, und Unzählige, die jeßt untergehen, würden dann im Stande sein, sich zu erhalten. Den Wohlhabenden, den Reichen wird es leiht, ihre Kapitalien auf jede Weise zu verwerthen, in Staats-Anleihen, Actien und auf jede andere Weise: die Ungleich- heit im Vermögen, das große Kapital würde niemals ein solches Meeren! erhalten haben, wenn Freiheit des Geldverkfehrs bestan- en bätte.

Jch wüusche daher, daß au Unbemittelte au der Wohlthat der freien Benußung von Kapitalien -nach Maßgabe ihres Kredits Theil nehmen fönnen, und ih stimme für die Majorität der Abtheilung.

Abgeordn. Freiherr von Gaffron : Jh stimme mit der Ausicht, die der Herr Minister der Geseßgebung über die Strafbarkeit und Unsittlihkeit des Wuchers entwidckelt hat, volllommen überein, muß mich jedoch der Majorität der Abtheilung und den Reduern an= schließen, welche sih bcreits gegen die Wuchergescße ausgcsprochen haben. Nach dem, was bereits ausgeführt worden ist, bleiben mir nur wenig Worte zu sagen librig, und ih erlaube mir nur noch einige Punkte hervorzuheben. Der Begriff des Wuchers is auf der Ueber- \chreitung des geseßlihen Zinsfußes basirt, und, wie der Herr Justiz= Minister bemerkte, gehört dieses Thema uicht in die Kriminal - Ge= seßgebung, sondern in die Civil- Geseßgcbungz ih glaube aber, daß eben, weil der Begriff des Wuchers guf diejem geseßlichen Zinsfuße basirt is, wir doch uicht umhin können, diese Frage zu erörtern, und wo möglih durch unser Gutachten darauf hinzuwirken, daß diese Bestimmung aus dem Civilgesezbuche wegfallen möge, Jch betrachte die Normirung des geseßlichen Zinsfußes als eine bedeutende Be» einträhtigung des freien Geld-Verkehrs, ih stimme dem geehrten Redner vor mir bei, daß das Geld in diesem Falle als eine Waare zu betraten und der Zinsfuß als der Preis der Waare bezeichnet werden muß, der mit den Fluctuatiozen des Geldmarktes zusammen- hängt, so wie mit den allgemeinen Zuständen der Jndustrie, nah deren Einflüssen er fällt und steigt. Der geseßliche Zinsfuß kann nur auf gewisse Zeiträume normirt werden, der natürliche Zinsfuß also wird sih immer von selbst bilden, wie cs die Natur des Geld- umlauses mit si bringt; der geseßliche Zinsfuß wird also dem na- türlichen nicht immer entsprechen. Wird der freie Umlauf gehindert, so wird das Geld in andere Kanäle srömen und auf Actien-Unternch- mungen und Papier-Speculationen verwendet, und also dem Real- und Privat-Kredit entzogen. Diese Beeinträchtigung des Kredits is aber ein Nachtheil, woran namentlich in der jeßigen Zeit alle Gewerbe- treibenden leiden. Der Kredit is für die gewerblihen und finanziel- len Zustände unentbehrlih, ‘er i einer der wesentlichsten Hebel der Entwickelung des National- Wohlstandes, und es liegt im Jnteresse, wie in der Aufgabe des Staates, ihm eine möglichst freie Bewegung zu gestatten, ja, sie zu fördern. Die Fälle kommen häufig vor, daß Jemand, ohne si eben in ciner bedürftigen Lage zu befinden, dur ein Darlehen zu höheren als laudesüblihen Zinsen noch große Vortheile gewinnt, wenn er es zu 7 oder § Prozent verzinsen muß und 10 oder mehrre Prozente damit verdieut. Weun Jemand in einer momen- tanen Geld-Verlegenheit sich befindet und er wird dur ein Darlehen, selbst zu höheren Zinsen, aus derselben befreit, so is dies immer ein entschiedener Vortheil, und er kann dadurch felbst gerettet werden, Wie vorhin auch bemerkt worden is, ziehen sih bei den gegenwärti- gen Geseßen alle soliden Geldmänner von den Darlehens=Geschäften des freien Kredit - Verkehrs zurück, sie mögen dem Geseße uicht ver- fallen, können aber ihr Geld auf andere Weije höher benußen, als nah dem geseßlichen Zinsfuß, und also werden alle Kredit-Bedürftigen auf die minder gewissenhaften Kapitalisten hingewiesen, die für die Um- gehung des Geseßes und die damit verbundene Gefahr die Schuldner desto stärker ausbeuten. Also wird durch die gegenwärtige Geseßp- gebung der Wucher nicht gehindert, sondern befördert, ja, hervorge- rufen. Die Beseitigung des Wuchers kann nur durch freie Konkur= renz geschehen, weil, wie {hon erwähnt, durch die Wucher - Gesehe alle sol:den Geldmänner gezwungen wêcden, ihr Geld zurückzuhalten, Tritt aber jene Konkurrenz cin, so sind die, welche bisher wucherliche Geschäfte tricben, genöthigt, sich dieser Konkurrenz anzuschließen, wo die soliden Kapitalisten das Uebergewicht haben und die Beeinträchtis gungen des freien Kredits vershwindrn werden, Wenu es auch niht Gegenstand unserer gegenwärtigen Bera:hung is, direkt auf Wegfall dieser Bestimmung in der Civil-Geseßgebung anzutragen, fönnen wir so doch in unserem Gutachten darguf Rücksicht nehmen, c 16 hohe Staats-Regierung sih diese Angelegenheit anempfohlen ein läßt.

Jch würde nur unter zweierlei Fällen für die Bestrafung des Wuchers mich erklären , nämlich in dem, wo simulirte Verträge statt= finden, wo die Valuta in minderem Betrage bezahlt wird, als im Ver= trage festgeseßt ist, und zweitens bei dem Kreditgewähren an Mino- renne, unter welche diejenigen gehören, die unter väterlicher Gewalt stehen, und in dieser Beziehung schließe ih mich dem Gutachten der brandenburgishen Stände vollkommen an, welches sie zu dem Ent- wurfe von 1843 ausgesprochen haben. Jh stimme für Wegfall des Paragraphen unter den von mir angegebenen Modificationen,

Abgeordn. Fabricius: Jh \{chließe mich, was die Bestimmung des Paragraphen anlangt, im Wesentlichen dem an, was von dem Herrn Abgeordneten der shlesischen Rittershast darüber gesagt wor- den, Dagegen kann ich eine Bemerkung nicht unterdrücken, welche sih auf die im Gutachten, wie es scheiut, freilich nur von einer Seite her, ausgesprochene Ansicht über die vermeintlichen Ursachen von Ue- belständen bezieht, die noch in Hinsicht des Geldverkehrs der besiß= losen Klasse bestehen. Es ist derselben in der Abtheilung uichts ent= Mes und, wenn sie au hier so hingenommen wird, könnte sie I e Mißverständuissen führen. Es wird nämlich dem Staate R o er die Sache uicht entschiedeu genug in die Haud P Lu derselbe aufgerufen, das Versäumte nachzuholen. Jch S M Mas meinem Theile durchaus uicht auerkennen, daß dem reiten oblie L Pt guf irgeud eine Weise unmittelbar einzu-

L vin önnte oder das im allgemeinen Juteresse auch nur zu PaMven, ein solite. Ganz unzweifelhaft wird, und namentlich so Sa vier a Einrichtung vou Anstalten in Frage kommt, solches

ache der ommunen und höchstens größerer Kommunal - Verbände oder der Zusammenwirkung von Privaten bleiben, der Staat, im ei-

enen wohlverstaudenen Juteresse, sich darauf beschränken, von den- selben Kenntuiß zu nehmen uud sich eiue allgemeine Kontrolle dex

Geschäftsführung vorzubehalten. Kommunen, die ihre Stellung tis kannt, haben längst, ohne daß es höherer Einwirkung bedurfte, Leih= häuser und Sparkassen eingerichtet, ein zu \harfes Einmischen de3 Staates hat dagegen sogar das Eingehen bestehender derartiger An- stalten veranlaßt, weil die Kommunal-Behörde die behufs der Kon- trolle vorgeschriebenen Formen do zubeengend fand, wenn man glei sagen dürfe, es möchte der Versuch, sich über die Besorguisse Be= ruhigung zu verschaffen, eben so nahe gelegen haben.

_ “Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: Es ist der Abtheilung niht eingefallen, einen Tadel gegen die Regierung auszusprechen, eben so wenig is es mir eingefallen, etwas auszusprehen, was den vom geehrteu Redner vorgetragenen Ausichten entgegen wze, und es fann von dem Standpunkte der Abtheilung, wenigstens von dem Standpunkte aus, den ih in der Abtheilung angenommen habe, durchaus niht über das Verhältniß geurtheilt werden, in welchem der Staat zu den einzelnen Kredit-Anstalten steht, namentli zu den Sparkassen, denu es ist dies Verhältniß uiht Gegenstand der Dis- fussion geworden, und ih glaube auch nicht, daß in dem Gutachten eine Beuerkung niedergelegt worden is, welche dem geehrten Redner zur Darlegung seiner Ansicht Veranlassung gegeben hätte.

Abgeordn. von Werdeck: Jch kaun einem verehrten Redner, der vor mir gesprochen hat, zwar darin nicht beipflihten, wenn er gemeiut hat, daß in Beziehung auf den vorliegenden Fall das Geld sih in einem gleichen Stadium befinde, wie alle übrigen Güter des Lebensz ein großer Unterschied is der, daß das Geld, eben so wie die Lebensmittel, ein dringendes, nothwendiges Bedürfniß werden köune, was ih in Beziehung auf den Ankauf von Häusern, Landgütern und dergl. nicht in diesem Maße anerkennen kann. Er hat ferner ge- meint, daß eine Beseitigung unserer Zinswuchergeseße die Folge ha= ben werde, daß verschleierte Geschäfte, wie sie jeßt vorzukommen pflegen, ferner nicht stattfinden werden. Jch kann au das nicht glauben z es wird immer Leute geben, die einen unerlaubten Gewinn suchen, gleihwohl vor der Welt als anständige Leute erscheinen woilen und deshalb zu dergleichen Geschäften ihre Zuflucht nehmen werden, Er hat ferner darauf hingedeutet, daß im Juteresse des kleinen Hand= werkers eine Freigebung des Zinsfußes wünschenswerth sci, und hat daraus, daß dies nicht der Fall sei, den traurigen Zustand der klei- nen Gewerbe in unserem Lande hergeleitet. Jch kann ihm auch darin nicht beitreten, denn wir sehen täglich auch in Ländern, wo der Zins fuß freigegeben is, daß die kleinen Gewerbe, im Vergleich zu den größeren, sih in einem gedrückten Zustande befinden. Gleichwohl muß ih den Konsequenzen, welche er aus diesen von mir bestrittenen Prämissen gezogen bat, beipflihten, ih bin aus den von oielen Sei- ten her erörterten Gründen ebenfalls der Ansicht, daß unsere Wucher= geseße sih niht in erwünschter Lage befinden, und daß durch Straf- verbote sich ein gewisser geregelter Zinssaß nicht erzwingen läßt. Alle Geseße waren nah dem Ausspruche eines großen Staatsweisen zu ihrer Zeit vernürftig, und ih glaube, daß unsere Zinsgeseße in frü- herer Zeit dies ebenfalls waren. Jh glaube aber auch, daß jeßt der Zeitpunkt eingetreten is, um hierin einen Wendepunkt stattfinden zu lassen. Jh würde mich daher denjenigen anschließen, welche eine Streichung des Paragraphen, wie er jeßt vorliegt, wünschen. Jh faun indeß die Bemerkung dabei nicht unterdrücken, daß es mir de|- senungeahtet wünschenswerth wäre, wenn ein Expediens gesunden würde, um denjenigen Speculationen, welche auf den verschuldeten oder nicht verschuldeten Nothstand unserer Mitbürger gemacht werden, vorzubeugen. Jch bin leider außer Stande , in dieser Beziehung durhgreifende Vorschläge zu machen; da ih aber auch nicht im Stande bin, cinen solchen Vorschlag in der gegenwärtigen Vorlage zu erken- nen, so halte ih cs auch insofern ebenfalls nothwendig , den Para- graphen zu unterdrücken, Ju zweierlei Beziehungen glaube ih aber dennoch, daß etwas geschehen könne, in zweierlei Beziehungen, die sich konkret greifen lassen. Auf eine Beziehung is bereits heute hin= gedeutet, sie is auch früher augedeutet worden von dem brandenburgi- hen Landtag. Ein geehrtes Mitglicd der \lesishen Ritterschaft hat sie in Erwähnung gebracht, ih trete ihm dariu bei und wünsche, daß die hohe Versammlung zum Schuße der Unerfahrenheit der Jugend gegen möglihen Mißbrauch dur Wucherer Strafen aussprechen möge. Jh erlaube mir darauf hinzuweisen und in Erinuerung zu bringen,

i (Unruhe in der Versammlung.) wie der Leichtsinn von derartigen jungen Leuten gemißbrauht zu wer= den pflegt, wenn sie Gekd braucheu, (Steigende Unruhe.)

es werden ihnen gänzlih unbrauchbare Waaren aufgedrängt, es wird

ihr Leichtsiun benußt, um ihnen das Ehrenwort abzupressen, daß in

gewisser Zeit die Bezahlung des Geldes erfolgen soll, und sie werden, wenn dies nicht geschieht, füx ihre Lebenszeit zu Grunde gerichtet.

Jch bin daher der Ansicht, daß gegen Leute, die auf diese Weise die

Unerfahreuheit der Jugend mißbrauchen, ein Strafgeseß ausgesprochen

werden möge, Jch kann mir nicht verhehlen, daß vielleiht unter

100 Fällen, wo Wucher getrieben worden is, nur ein oder zwei Wu=-

erer werden gefaßt werden, allein ih glaube, daß ein solches Bei=

spiel von der allergrößteu Wirkung sein wird, um ein derartiges, fre-

velhaftes und s{händliches Beginnen zu unterdrücken und ih glaube,

daß wenigstens uusere Mitbürger, wenn wir_ein solches Geseb aus-

sprechen, anerkennen werden, daß wir die Schändlichkeit da strafen,

wo wir sie betreffen fönnen. Mein Vorschlag würde daher dahin ehen :

G "Wer an Minderjährige Darlehne oder Vorschüsse maht und sich dabei entweder mehr als die wiiflih gezahlte Valuta verschreiben läßt, oder den Betrag nicht in baarem oder coursmäßigem Gelde, dasselbe zu seincm gewöhnlihen Werthe berechnet, gedeckt oder die Bestärkung des Versprechens der Nückzahlung durch Ehrenwort oder ein ähnlides Angelöbniß verlangt hat, hat eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten, die durch eine hinzutretende Geldstrafe bis zum doppelten Betrage der vershriebenen Valuta erhöht werden fan, verwirkt,“

Jch komme zu einem zweiten Punkte, der noch ernsterer Natur ist, als der vorliegende. Meine Herren, ih bitte, hier mir _Zhre uns getheilte Aufmerksamkeit zu schenken, weil ich glaube, day wil uns auf einem Standpunkt besinden, wo wir vorzüglich an den Zag zu legen haben, daß wir unseren Beruf als Gesepgeber zu erfüllen wissen, Meine Herren, ein alter Heide hat seiner Zoit gejagt t: 2-Die Rechtspflege sei das Priesterthum des höchsten Goes. ( Ich bin von der Wahrheit dieses Satzes vollkommen durchdrungen, id 9 aute, daß wir aber au als Christen gleiche Pflicht haben, dies i ennen, und als Gesebgeber in einem noch höheren Maße zu an n.80 Wee nämlich darauf hiu, wie es zu bene, aller en rlheinungen gehört, seitdem uns ein Z0jähriger Friede ge\cheukt is und unser Land beglüdckt hat, daß die Judustrie sich bei uns im einem hohen Grade entwickelt hat, ih rechne es zu dem schönsten Ruhme eines Gewerbe=- treibenden, sei er Fabrifant, Kaufmann oder Landwirth, der Erhalter und Nährer vieler Familien, einer ganzên Stadt, einer ganzen Gegend zu ein, aber eben o verabscheue ich, uud es istin meinen Augen eines der fürch- terlihsten Verbrechen, wenn ein solcher Mann diesen f önen Beruf miß- braucht, um die von ihm Abhängigen zu drücken, Meine Herren, in diesem Sinne hat sih ein System ausgebildet, welches seinen Namen, möchte ih sageu, in der That führt, es ist gewissermaßen unpassend, hier an ein Wortspiel zu erinnern, aber iz diesem liegt eine unge -

it, i i cinnert zu-

eure Wahrheit, ih meine das Trusystem. Der Name eri l

deu an pn "und Druck, und Veides ist richtig. c seren, 19

glaube, daß Jedem von Ihnen die Einzelnheiten und Weanp 4 tan

bekannt sind, welche gebraucht werden, um auf die Arbeiter M i

fen, welche -von einem großen industriellen E dängig will nur daran erinnern, S, }.: 30

Fle Münzen aufgedrängt zu einem E

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Vaterlande ausgegeben wurden und zu dem Maven. Me peeRien

Cours angenommen werden maßten, da die A é y N 4

los werden fonnten und sie daher verschleudern mußten. Es werden Î i

Waaren gegeben, die zu einem hohen Preise angerechnet werden, die

14 um Theil nicht gebrauchen fönnen. Es werden Anstalten getrof

E bal den Leuten zwar der geringe Lohn ausgezahlt wird, sie aber 1 p

gezwungen werden die nothwendigsten Lebensbedürfnisse zu hohen gez ,

Preisen in Verlags - Anstalten zu outen wee E dos Nen Brodherrn abhängig siud. Jch weiß nih , ob wir in der Lage sind, ohne ein näheres Eingehen 11 diese Verhältnisfe hon Strafbestim- mungen zu treffen. Jh würde wünschen, daß in dieser Beziehung uns nähere Vorbereitungen vorlägen , und ich glaube , prinzipaliter meinen Antrag dahin nur beschränken zu müssen, daß die hohe Versamm- lung diesen Gegenstand in reiflic{e Erwägung nehme und der hohen Staatsregierung anheimgebe, wie jie in dieser Sache prozedire. Wenn jedo jeßt {hon Maßregeln darüber getroffen werden sollten, so würde ih unmaßgeblih vorschlagen , salva der Fassung folgenden Antrag anzunehmen : : : L a „Wer die Auslöhnung von Arbeitern in längeren Zeiträus- men in anderen als in gangbaren Münzsorten oder in gang- bareu Münzsorten zu einem ungewöhnlich hohen Course bewirkt, oder dabei an Geldesstatt veranshlagte Lebensbedürfuisse oder Waaren zu ungewöhnlich hohen Preisen berechnet, oder aber diese Arbeiter nöthigt, unter dergleichen Bedin- gungeu ihre Bedürfnisse aus seinen Verkaufsstätten zu ent- nehmen, hat Gefängniß nicht unter 14 Tagen oker Sitrafarbeit bis zu 2 Jahren verwirkt; auch kann eine Geld- buße bis zu 1000 Rthlrx. hinzutreten.“

Meine Herren! Jch weiß sehr gut, daß dieser Vorschlag sehr großer Emendation fähig ist, ich bitte aber, ihn als den Beweis mei- nes guten Willens für die Sache, für eine heilige Sache hinzunceh- men und ihn daher mit Nachsicht zu beurtheilen ; ih hoffe, daß be|- sere Männer, als ich, ihn aufnehmen und zu der Stufe der Vollen- dung führen werden, auf die gestellt zu werden er würdig ist. :

Korreferent Abgeordn, Kaumann: Es kommt mir zunächst darauf an, ‘die beiden Anträge, welche das geehrte Mitglied so eben gestellt hat, in Erwägung zu ziehen. Jch bin der Meinung, daß sie mit dem Gegenstande, welcher uns eben beschäftigt, nicht in Verbin- dung gebracht werden können. Es handelt sih bei §. 329 nur da- von, ob es strafbar sei, den geseßlichen Zinsfuß zu überschreiten, 1n6- besondere wenn die Ueberschreitung verschleiert wird. Cine ganz an- dere Fragé is es, ob die Verhältnisse, w:lche das geehrte Mit glied angeführt hat, Bestimmungen rechtfertigen, wie dasselbe sie vorge- schlagen hat. Diese Bestimmungen sind ihrer Tendenz nah vortres]s- lich; es scheint aber bedenflich, ia diesem Augenblicke diese Vorschlage zu disfutiren und einen Beschluß darauf zu gründen, weil sie nicht vollständig verstanden sind und daher niht geprüft werden können, Die Versammlung wird zweckmäßig handeln, wenn sie sich nur mit der durch §. 329 veranlaßten Frage beschäftigt, ob festzuhalten jei an den bisherigen Zinsgeseßen und in Konsequenz derselben an den Wuchergeseßen. Es sei mir erlaubt, hierüber einige Worte hinzuzu- fügen. Jch bekenne, daß ih mi eben so entschieden, wie viele Mit- glieder, welche gesprochen haben, gegen die Bestimmung des §. 329 erflären muß. Jch gebe zu, daß die Strafbestimmung zusammen- hängt mit der Civil-Geseßgebung, aber ih kaun nicht zugeben, daß, weil das Civilgeseß Vorschriften in Beziehung auf Zinsen enthält, die Uebertretung dieses Geseßes schon deshalb und nux deshalb mit Strafe bedroht werden müsse. Andererseits erkenne ih an, daß, wenn die Versammlung beschließen sollte, §. 329 und seine Bestimmung sei nicht aufrecht zu erhalten, in nothwendiger Folge auch die Civil-Gejeßb- gebung eine Aenderung erleiden muß. Jch halte dafür, daß nach den weit- lauftigen, ershöpfenden und überzeugenden Vorträgen gegen §. 329 nichts Wesentliches mehr angeführt werden kann. Nichtdestoweniger will ih noch auf einzelne Gesichtspunkte aufmerksam machen, Jch sehe in die- sen Wuchergeseßen und in den Zinsgeseßen etwas Demoralisirendesz ih finde in den Wuchergeseßen den Grund, daß gerade nur Leute ohne Ehrliebe diesen Geseßen zuwiderhandeln können. Nur wel der-

artige Gesetze da sind, werden ehrlihe und ehrliebende Leute abge- .

halten, über die geseplihen Zinsen hinwegzugehen. Wer sich über das Gescy hinwegsebt, der findet keine Gränze mehr. Der Fluch der bösen That is allgemein bekanntz wer Böses gethan hat, gewöhnt sich an ehrloses Treiben, sein Gewissen wird beschwichtigt, und er geht immer weiter. Darin liegt der Grund des großen Uebels, welches unter der Bezeihnung „Wucher“/ besteht. Wir sind mit den Wucher- gesehen in einer eigenthümlihen Lage. Das geehrte Mitglied aus Danzig hat sehr richtig angeführt, daß in den höheren Regionen und im Handelsstande im Zinsenüberschreiten nihts Arges gefunden wird. Man sieht es als etwas Natürliches an und findet es nicht zweisel- haft, daß der Staat oder eine Corporation ein Darlehn fontrahiren fönne in der Weise, daß 100 verschrieben und 90 empfangen worden, Es hat Niemand darüber Zweifel, daß im größeren Handelsverkehr der Kaufmann sich nicht an einen Zinssaß von 5 oder 6 pCt. zu keh- ren brauche, und in der That wird unter anderen Bezeichnungen weit über diese Zinssäße hinausgegangen. Dessenungeachtet bleibt die Be- sepgebung bestehen, sie kommt aber nur zur Anwendung angeblich im Juteresse der nothleidenden niederen Klassen. Es fragt sih, ob mit einem Prohibitivgeseß oder einem Repressivgeseß das Uebel gemin- dert, oder ob es nicht vergrößert wird. Wer in Noth if dessen Noth muß gelindert werden. Geschieht dies nicht, so liegt es in den Ver= hältnissen der Noth, daß sie sih steigern muß. Is nun kein ehrli- her Mensch da, der Hülfe scha}ffen kann unter den bestehenden Ge- seßen, der es in seinem Juteresse nicht findet, unter den bestehenden Gesehen Hülfe zu gewähren, so is der in Noth Befindliche gezwungen, sih an unehrenhafte und unredlihe Menschen 2u wenden, Hülfe zu suchen, wo er Hülfe findet. Daß derartige Hülfe im leßten Erfolge dann keine Hülfe, sondern ein größeres Uebel wird, liegt in der Na- tur der Sache, uud der erste Grund liegt im Wuchergesez. Wollen wir das Uebel bis an seine Wurzel verfolgen, so müssen wir den ersten Grund heben, und der is : Aufhebung der Zinsgeseße und der Wuchergesche.

Marschall: Jch bin mit dem, was der Korreferent in Bezug auf die beiden gestellten Auträge gesagt hat, nur zum Theil einver= standen. Jh muß anerkeunen, daß vom ersten Antrage in keiner Weise gesagt werden kann, er gehöre nicht hierher. Er i} nur das Mindere, während der Paragraph des Entwurfs das Mehr ist, Er beantragt, von diesem Mehr abzugehen, dagegen aber das Ge= ringere, was damit verwandt is, festzuhalten. Es steht nichts ent=- gegen, diesen Antrag zur Abstimmung zu bringen, und es könnte mEE voi lhaft \ein, ob es erforderlich sei, die Unterstüßungsfrage tas Ge zu richten, weil er sih an den Entwurf anschließt und nur

exinge enthält, Etwas Anderes ist es mit dem zweiten der

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gemachten Vorschläge. Auch hier verkenne ih nicht eine gewisse Konnexität des Gegenstandes mit dem Entwurf. Der Entwurf spricht im §. 329 vom unrédlichen Gebrauche -des Geldes, unredlich, insofern das charafteristishe Kennzeichen von dem, was man mit dem Worte Wucher bezeichnet, immer in der Benugung einer augenblicck- lichen Noth oder Verlegenheit Anderer besteht. Der Autrag dagegen spricht von einer unredlihen Benußung der Arbeit. Der Abgeordnete von Werdeck hat nun nicht auf Aufnahme einer Stxafbestimmung in das Geseh, sondern darauf angetragen, daß die Versammlung sich darüber entscheiden möge, ob sie es. für angemessen erachte, den Ge- genstand der Regierung zu fernerer Beachtung zu empfehlen, und ob die Versammlung hierzu geneigt sei, darüber wird sie sich verständigen fönnen. Jch sehe kein Bedenken, dies zur Abstimmung zu bringen, insofern es die erforderliche Unterstüßung findet,

(Wird zahlreich unterstüßt.) Er hat sie gefunden.

Abgeordn. Dittrich: Die Bestimmung des Begriffs des Wu- ers geht in dem Entwurfe, welher vorliegt, etwas zurück gegen den von 1843, Jn jenem war auch bei Darlehen, wenn die Zurückzah= lung einer höheren Summe bedungen worden, als die Schuld beträgt, ein Wucher angenommen. Juzwischen biu ih der Meinung, daß die- ser Fall hier micht gauz ausgeschlossen sei, denn er liegt in der Regel im Begriffe der Bediugung höherer Zinsen, Der Herr Minister der Gesehgebung hat angeführt, es sei niht möglich, den Zweck zu er- reichen, ih glaube aber auch, daß es nicht möglich ist, den Zweck des vorliegenden Wuchergeseßes zu erreichen, und führe dafür einen Zall an, der häufig vorkommt, nämlich den, daß die Schuld-Urkunden für Gläubiger ausgestellt werden, die simulirt sind, und diese Gläubiger cediren die Urkunde an den eigentlichen Darlehusgeber, welcher mit 18, 29 pCt, Verlust für den Schuldner die Valuta zahlt. Der Herr Minister hat weiter geäußert, es sei hier nicht die Rede von etwas Unedlem, sondern von etwas Unbilligem, von etwas Hartemz das jet die Basis, es sei aber hier in die Civilgeseßgebung einzugehen. Jch bestreite, daß diese Basis einem Strafgesec zum Grunde gelegt wer= den fönne, ih bestreite, daß- sie eine begründete sei, und behaupte, daß mit der Unrichtigkeit dieser Basis dieses Strafgeseb fällt. Wenn dic Strafgeseßze Ailes, was unbillig oder hart ijt, bestrafen sollten, so würden die Straffälle noch ungemein wachsen. Jeder Kausmann faun verkaufen, wie er will, jeder Gutsbesiger fann seine Erzeugnisse verwerthen, in welher Höhe es ihm gefällt, eben so muß aber auch Jeder fein Geld in beliebiger Höhe als Waare nüßen dürfen. Es ist von dem Herrn Minister ferner angeführt worden, daß nur der gewohnheitömäßige und der künstlih verfteckte Wucher bestraft werden soll. Wenn, wie ih behauptete, die Basis für deu einzelnen Fall nicht richtig is, so kann sie au in weiterer Folge nicht für die vermehrten Fälle richtig sein. Weiter hat sich der Herr Minister auf die öffentlihe Meinung berufen, dem is bereits widerspro=- hen, und ih widersprehe eben so, daß die öffentlihe Mei- nung irgendwie für solhes Gesez sprehe, Die Provinzial- Stände von 1843 haben, wie ih glaube, ihre Gutachten aller- dings auf die damalige öffentlihe Meinung gegründet. Diese hat sich aber seit jener Zeit wesentlih geändert, und deêwegen dürs- ten jene Gutachten, wie wir es in anderen Fällen schon gehabt ha- ben, niht als Motiv angeführt werden können. Was aber bejon- ders gegen die Streichung des Paragraphen zu sprechen scheint , ist, daß angeführt worden, die Wucher - Geseße hätten nicht zu Härten geführt. Es is das von meinem Herrn Nachbar zur Linken, dem ih bis auf die beantragten Modificationen überall beistimme, hon wider- legt. Jch führe aber noh einen Fall an. Ein Schuldner , dessen Grundstü unter Subhastation steht, kommt zu einem redlichen Manun. Dieser hat Eisenbahn-Actien gekauft, sie sind aber seit dem Ankaufe gefallen, Er möchte dem Bittenden gern helfen, hat aber die Actien nicht liegen, um sie auszuleihen, sondern um sie zu verwehrten, wenn sie steigen; er kann also nicht helfen , weil das Wucher - Geseß thu hindert. Dem Schuldner würde also geholfen werden, wenn dieses nicht existirte. Daraus folgt die Härtez die sehr fühlbaren Bezie- hungen derselben auf die kleineren Gewerbetreibenden sind schon her- vorgehoben. Endlich ist noch angeführt, die Uebertretung jedes Ge= seßes sei strafbar. Das bestreite ih. Es ist nur die Uebertretung eines Strafgesehes strafbar, Jch stimme für die Majorität der Ab» theilung. d Ï

Abgeordn. Graf Renard: Dieselbe Ansicht vertretend, welche die früheren Redner ausgesprochen haben, werde ih von dem ent- gegengeschten Mittel Gebrauch machen : ich werde versuchen, im La- pydarstgl zu sprechen. Zinsen sind der Miethsbetrag für den Ge- brau des Geldes. Geseßliche Zinsen sind die Taxe, die wir inne- halten sollen. Taxen verwirft mit Recht die neuere Staatswirth- \chasts-Lehre. Die beste Taxe it die Konkurrenz. Bedarf und Anbot

regelt die Preise. Taxen von Lebensmitteln verwandeln die Theurung

in Mangel; Taxen auf den Geldgebrauh machen den Geldmangel zur gänzlichen Kreditlosigkeit. ® Höhere Zinsen sind die Assekuranz=- Prämie gegen die Gefahr des Nichtwiederbekommens. Wucher-Ge-= seße schaffen eine zweite Gefahr, bedürfen wieder einer Prämie. Das Geld wird noch theurer. Wucher-Geseße schaden denen, welchen wir nützen wollen. Jm Detail muß theurer verkauft werden, als en gros. Darleihen an niedere Volksklassen ist Geld-Detailhandel. Denselben Zinsfuß für kleinere Geschäfte, wie für Engros=Geschäfte kann man nit feststellen. : :

Die vermehrte Arbeit erheisht ihren Lohn,

Diskonto is auch Zinsfuß.

Kein Geseh regelt ihn.

Kein Gesetz kann ihn regeln.

Jch stimme gegen den §. 329.

(Ruf zur Abstimmung.)

Marschall: Wenn von der Versammlung und, wie ich eben Gelegenheit habe, zu bemerken, sogar von Solchen die Abstimmung ge- wünscht wird, die sich zum Worte gemeldet hatten, fo können wir wohl zur Abstimmung kommen. / ,

Abgeordn. Freiherr von Cilien - Echthausen : Jch glaube noch das Wort beanspruchen zu dürfen, da ih mich in der Abtheilung in der Minorität befunden habe, von dieser aber überhaupt erst ein Red- ner gehört worden ist. :

i (Ruf zur Abstimmung.)

Marschall: Jch habe den Abgeordneten noch nit notirt, ev hatte sih noch niht gemeldet.

Abgeordn. Freiherr von Cilien-Echthausen: Jch bin aufgestan- den und habe mich dadurch, dem Geschäfts-Neglement gemäß, um das Wort gemeldet. Wenn ih dabei von Ew. Durchlaucht übersehen worden bin, so is dies uicht meine Schuldz es mag daran liegen, daß ih mi an einem ungünstigeren Plaße befinde, als diejenigen Mit- glieder, welche Ew. Durchlaucht gegenübersipen.

Marschall: Ju den lezten Worten liegt zugleich, daß das geehrte Mitglied sich davon überzeugt hatte, von mir während scines Aufste- hens uicht geschen worden zu seinz wenn also, wie in diesem Falle, die Gewißheit, niht gesehen worden zu sein, eintritt, fo if es leicht, init einem Worte auszusprechen, daß man sich ums Wort meldet.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Es scheint mir do in der Gerechtigkeit zu liegen, die Diskussion noch nicht zu shließenz wir haben lauter Stimmen gegen den Paragraphen gehört, wir müssen daher auch einige hören, die dafür sprechen ; so entschieden ih zu den

Gegnern gehöre, halte ih das doch für eine Forderung der Bil-

ligfcit. is 4 G 8 Abgeordn. Camphausen : Jn dem Falle würde ih auch nit verzichten. G : H

ge E Jch bin dem nicht entgegen, vorausgesebt, baß gs Abgeordneten, welche jeßt notirt sind, sich ebenfalls in Dar ZARE t- finden, in der ih mich besinde , „nämlich nichts dagegen ups S Jst das der Fall, so habe ih uichts dagegen, daß der Abgeordnete von Lilien-Echthauseu ausnahmsweise das Wort jept erhâlt.

Abgeordn. Camphausen: Jh wünsche in dem Falle au noch das Wort zu haben. S

bf von Brodowski: Dann wünsche ih für den Fall, daß für den Paragraphen gesprochen wird, auch das Wort.

Fch will gegen den Paragraphen sprechen. S

Argeordn. Sperling: Jch räume dem Abgeordneten von Lilien=- Echthausen den Vorzug vor mir ein und behalte mir nur das Wort vor.

Marschall: Zunächst hat der Abgeordnete von Lilien das Wort, denn würde ih in der Ordnung fortfahreu, wie man si gemeldet hat, bis zu dem Zeitpunkt, wo die Versammlung noch eiumal die Abstimmung wünscht und der Fall eintritt, den ih vorhin bemerkt hatte, daß solche Abgeordnete, die sich hon gemeldet haben, an die=- sem Wunsche sich betheiligen. i Ss i;

Abgeordn. Frhr. von Cilien-Echthausen: Zunächst muß ih, als eine persönlihe Anmerfung, anführen, daß ih in dem Glauben stand, Ew. Durchlaucht hätten mich als Redner notirt. „Zux Sache abe ih übrigens das Wort durchaus uicht vorzugswelje vor den übrigen zum Worte uotirten Mitgliedern verlangt, ih beansprue einen solchen Vorzug au jeßt nicht. Wenn aber Ew. Durchlaucht die Reihenfolge jeßt so bestimmt haben, daß ih nunmehr am Worte bin, so füge 1h mi diesem, A

5: ( Einige Stimmeu: Zur Sale!)

Meine Herreu! Es is gewiß Niemand unker uns, der den fluchwürdigsten aller Gewerbe, das von den Drangsalen, der Armuth und den Thränen des Unglücks lebt und sich mästet, das Wort wird reden wollen. Wir sind Alle darüber ohne Zweifel einverstanden, daß dem Wucher nah Möglichkeit gesteuert werden muß. Eine Meinungsck verschiedenheit besteht nur über die Weije, in welcher dieß geschehen soll. Nach der Ausiht der Majorität der Abtheilung und mchrerer derje- nigen Mitglieder, welche wir bis jeßt gehört haben, soll das sicherste Mittel zur Beseitigung des Wuchers darin liegen, das die bisher bestandene geseßzli.be Beschränkung des Zinsfußes aufgehoben wirdz die besizlosen Gewerbetreibenden und fleinen Handwerker sollen dann die ibnen zur Ausführung ihres Gewerbes oder in Augenblicken der Noth nöthigen Kapitalien bei gewissenhasten Kapitalisten zu einem mäßigen Zinsfuße erhalten können, indem der Kapitalist den Mangel an Si- cherheit dur eine angemessene Erhöhung des Zinsfußes ausgleichen werde, Allein einmal muß ih hiergegen auf das verweisen, was in dieser Beziehung bereits von dem Herrn Minister für die Revision der Geseßgebung angeführt worden ist, daß nämlich das Gerwoissen selb} des gewissenhastesten Kapitalisten häufig in Verlegenheit wegen der Höhe des Zinsfußes kommen wird, wen er dafür in dem Ge= see gar keinen Anhalt sindet. Sodann muß vor Allem berücksichtigk werden, daß zur Zeit nach dem Civil - Geschbuche der Zinsfuß be- stimmt is, und daß es sehr bedenklih erscheint wie auch schon von anderer Seite hervorgehoben worden 11 nux gelegentlich und que daß die Entscheidung der Frage vollständig vorbereitet ist, das de= stehende Gese in dieser Beziehung aufzuheben, ein Gese das seit Jahrhunderten von dem Kaiser „Zustiman bis auf die heutige Zeit besteht, und dessen Nothwendigkeit schon deshalb anerkannt wer- den muß. Außerdem aber, meine Herren, giebt es außer dem eigent- lichen Zins-Wucher uo zwei andere Fälle des Wuchers, welche auch bereits erwähnt worden sind, nämlich einmal den Fall, wo der Kre=- ditor sich eine höhere Summe verschreiben läßt, als er dem Debitör gegeben hat, und daun den Fall, wo der Lettere statt des baaren Geldes, desseu Empfang er bescheinigt, einen Theil des Darlehens în Baaren annehmen muß. Es gehört dahin allerdings auch das, was vor= hin mit dem Namen des Truck-Systems bezeichnet wurde. Jch will in dieser Beziehung nur auf den berüchtigten Fall aufmerksam machen, der vor einigen Monaten bei dem Zuchtpolizei-Gerichte in Köln vor- gekommen ist, wo nachgewiesen worden ist, daß ein Wucherer in einem verhältnißmäßig sehr kurzen Zeitraume die enorme Summe von 6000 Rthlrn. der Armuth und Bedrängniß abgepreßt hatte, und wo unter Anderem einem unbemittelten Manne auch eine Partie Cigarrên statt baaren Geldes aufgedrungen worden war. Es is zwar von - esten geehrten Abgeordneten aus der Provinz Preußen angeführt worden, daß auch die beiden leßteren Arten des Wuchers ihren Grund in der bestehenden Beschränkung des Zinsfußes hätten; aber meines Erah= tens is der Beweis dasür nicht geführt worden. Wenn endlich voù einem geehrten Mitgliede der Rittershaft der Provinz Brandenbur und von einem geehrten Mitgliede aus der Ritterschaft Schlesiens für die Minorennen eine Ausnahme in Vorschlag gebracht worden ist, so erlaube ih mir, die geehrten Abgeordneten darauf aufmerksam zu machen, daß es doch ein Widerspruch is, wenn man guf der eineni Seite die Wucher-Geseße deshalb im Allgemeinen aufheben will, weil dieselben dem Geld - Bedürftigen die Gelegenheit zur Ag er ihm nöthigen Kapitalien beschränken sollen, auf der anderen Seite aber jene angeblich nachtheiligen Gesebe rüdsihtlich der Mindetjäh=- rigen beibehalten will.

Meine Herren! Es is bei uns oft von der dentlichen Meitiung die Rede gewesenz meine Ueberzeugung is nun, daß wir wit der öf fentlihen Meinung in den grellsten Widerspruch gerathen müssen, wenn wir in einer Zeit, wo man Vereine bildet zum Wohle dêr är= beitenden Klassen, die Wucher- Geseße aufheben und so diese dem Wucher in erhöhtem Maße preisgeben wollen. Jch stimme im Jntker- esse der ärmeren Volksklassen für die Beibehaltung des §. 329. i

Abgeordn, Keumann: Jh will meine Ansicht über die vorlie- gende Frage in wenigen Worten aussprehen. J bin der Meinung, daß der Staat durch sogenannte Wucherge|eße das nit erreicht, was er erreichen zu fönnen glaubt, und ih stimme desbalb für Auf- hebung derselben und für den Wegfall dieses Parggrapye as, was jeßt noch von einem geehrten Mitgliede angeführt worden ist, fann nah meiner Ueberzeugung in der Sache „nichts ändern. E civilgeseßliche Bestimmung ist allerdings gegenwärtig noh vorhanden und statuirt einen bestimmten goseßmaßigen Zinsfuß z nach meiner Ueberzeugung kann indessen die Uebertretung des Zinsfußes an ih fein Kriterium des Wuchers sein und eim solches Verbrechen begrün den. Eine ganz andere Frage is die, ob der geseßliche Zinsfuß ¡berhaupt so angenommen werden fann, wie ihn das Civilgeseß an- O E ju dieser Beziehung mache ih auf die gründ- genommen hat, und in dte iehun vas iei Ek lichen Ausführungen aufmerksam, die wir heute bereits gehört haben,

D die dahin gehen, daß es unumgänglih nothwendig ist, dei Zinsfuß wenn ein solcher überhaupt sestgeseht wird, für die kleîne- Ten und größeren Geschäftömänner nicht glei anzunehmen. “Es kann also nur noch auf die Frage ankommen, ob es darum, weil das Civil geseb seither einen bestimmten geseßlichen Zinsfuß angenommen hat, nothwendig ist, im gegenwärtigen Strafgeseße den Wucher als ein Verbrechen anzuerkennen. Zch sehe keinen inneren Zusammenhan in dieser Beziehung und hege die Hoffnung, daß auch die Civilgé\eß- gebung sich ändern werds, Wenn das geehrtè Mitglikd vor mir