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Zahlenden sie gar niht oder in geringeren Betrage zu zahlen
hatten, mit Geldbuße bis zu 500 Rthlrn. bestraft; es kann zugleich auf zeitige Untersagung des Rechtes, öffentliche Aemter zu beflei=- den, erkannt werden. ““ L y
Es is dadurch ein wissenschaftliher Begriff gebildet worden.
Justiz - Minister von Savigny: Da die Abtheilung hier blos eine Berüdcsihtigung der Fassung wünscht, so is dagegen nichts ein- zuwenden ; übrigens fann ih mich nicht überzeugen, daß in dem Aus-= druck: „Vorsäßlih Abgaben erheben, welche der Entrichtende nicht zu leisten hatte“, irgend ein Zweifel liegen kann.
Marschall: §. 392.
Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius (liest vor) :
8. 302.
Die Amts - Entsehung oder Cassation nebst einer Geldbuße von funfzig bis zu eintausend Thalern soll eintreten, wenn ein Beamter, welher Steuern, Gebühren oder andere Abgaben für eine öffentliche Kasse zu erheben hat, hierbei Abgaben, welche der Entrichtende ent= weder gar uicht oder nur in geringerem Betrage zu leisten hatte, er= hebt und das rechtswidrig Erhobene ganz oder zum Theil vorsäßlich in Einnahme zu stellen unterläßt.“
Die Abtheilung hat nichts erinnert.
Abgeordn. Gießler: Da die Steuer-Erheber, beispielsweise auf dem Lande, nach den von den Regierungen festgestellten Klassen -, Grund=-= und Gewerbesteuer Erhebungsregistern einnehmen müssen und deshalb dasjenige, was sie vorsäßlich zu viel erheben würden, nicht in Einnahme stellen können, und da in anderen Fällen das zu viel Erhobene auch dann, wenn es in Einnahme gestellt werden fönnte, immer eine unrechtmäßig erhobene Abgabe 2c. bleiben würde, so trage ih darauf an, die leßten Worte des Paragraphen „und das rechtswidrig Erhobene ganz oder zum Theil vorsäßlih in Einnahme zu stellen unterläßt“, zu streichen.
Regierungs - Kommissar Bischoff: Jh würde Bedenken tragen, den erwähnten Zusaß fortzulassen. Das Verbrecherische liegt gerade darin, daß der Beamte das Erhobene in Einnahme zu stellen unter läßt, daß er es also für sich selbst behält. Wenn er das nicht thut,
so ist nicht der Fall des §. 293 vorhanden, sondern alsdann hat er nur im bffentlihen Dienst exzedirt und sich einer Handlung schuldig gemacht, welche im Disziplinarwege gerügt werden kann.
Marschall: Es fragt sich, ob der gemachte Antrag die erfor- derliche Unterstüßung findet.
(Wird nicht unterstüßt.) Er hat sie nicht gefunden. §. 393. Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (liest vor): „L. 09D
Mit gleicher Strafe (§. 592) sind die Beamten zu belegen, welche bei amtlichen Ausgaben an Geld oder Naturalien den Empfän gern vorsäßlih rechtswidrige Abzüge machen und die Ausgaben als vollständig geleistet in Rechnung bringen.“
Das Gutachten der Abtheilung lautet:
„ZU §, 393 hat sich nichts zu erinnern gefunden.“ Marschal: §. 394, Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius (liest vor) : ¡Si J94.
Ein Beamter, welcher Geld oder andere Sachen, die er in amt- licher Eigenschast empfangen hak, unterschlägt, soll mit Cassation und mit Strafarbeit bis zu fünf Jahren belegt werden.
Die Absicht, das Unterschlagene wieder zu erstatten, soll die An= wendung dieser Strafe nicht ausschließen.
Findet man das Geld oder die Sachen, welche cin Beamter in amtlicher Eigenschaft empfangen hat, und die noch in seiner Gewahr-
sam befindlich sein sollten, bei ihm nicht vor, so wird augenommen, daß er dieselben untershlagen habe, cs sei denn, daß diese Annahme durch die Umstände widerlegt werde.“
Das Butachten der Abtheilung lautet:
U S. 394,
Es ward darauf angetragen, das lebte Alinea desselben zu \trei= hen, indem dasselbe eine nicht zu rechtfertigende praesumtio doli enthalte; ob das Vergehen verübt oder nicht, habe in jedem einzel= nen Falle der Richter zu erwägen, in allen Fällen, in welchen der Beweis nicht geführt, sei auch eine Strafe nicht gerechtfertigt. Ver- muthungen der Schuld seien niemals statthaft, am wenigsten die Stelle für sie im materiellen Strafrecht. Wenn auch andererseits die Be= stimmung vertheidigt ward, weil sie von Zweckmäßigkeit, ja von Un- entbehrlihkeit für die Verwaltung, so hat die Abtheilung mit 8 gegen 7 Stimmen beschlossen, :
den Wegfall des Alinea in
Die Abtheilung is der Ansicht gewesen, gründe der Verwaltung niemals im Stande seien, eine solhe prae- cumtio doli zu rechtfertigen, sondern daß es in jedem einzelnen Falle bewiesen werden müsse, ob Schuld vorhanden gewesen sei oder nicht.
Regierungs-Kommissar Bischoff: Von den Central-Verwaltun=- gen, welche mit Kassenbeamten zu thun haben, wird Werth auf die Beibehaltung dieser Bestimmung gelegt.
Vorschlag zu bringen“ daß Zweckmäßigkeits-
d Es muß anerkannt werden, daß sie mehr in den Prozeß, als in das materielle Recht gehört, so wie, daß sie gegenwärtig nicht bestehenden Rechtens i}. Judessen hat das bestehende Gese zu Uebelstäuden Anlaß gegeben; es ist häufig der Fall vorgekommen, daß Kassenbeamte, wenn sie Defekte begangen hatten, die Ausrede machten, es sei bei ihnen eingebrochen und gestoh- len worden, oder der Bote, den sie mit dem Gelde“ auf die Post ge- chickt, habe das Geld verloren u. dgl. m. Hat man nun feinen Anhalt im Gesebe, so muß den Angeschuldigten nahgewiesen werden, daß das, was sie anführen, unrichtig sei, was nicht selten unbegrün- deterweise die Straflosigkeit herbeiführt. Es is deshalb im g. 394 gesagt worden, daß, wenn das Geld oder die Sachen sih niht mehr vorfinden, angenommen werden solle, daß die Unterschlagung stattge- funden habe. Indessen ist, um jede Härte zu vermeiden, hinzugefügt worden, daß, wenn nah denUmständen \sih als wahrscheinlich ergiebt daß eine Unterschlagung nicht anzunehmen sei , alêdann das Marhres hen auh nicht präsumirt werden solle. Mit Rücksicht auf das Tem- perament, welches hiernach am Schlusse des Paragraphen aufgestellt I dürfte vielleicht kein Bedenken entgegenstehen , es dabei zu be- lassen.
| Justiz - Minister von Savigny: Ich muß den Gründen, die der Herr Regierungs-Kommissar vorgebracht hat, vollständig beitreten und erinnere noch daran, daß allerdings dieses Verbrechen eine sehr eigenthümliche Natur hat. Worin besteht die Handlung der Unter- s{chlagung von Seiten eines Beamten? Sie besteht darin, daß er Geld aus einer öffentlichen Kasse wegnimmk und es in seine Kasse legt oder es verschwendet oder sonst ausgiebt; diese Handlung is die eigentliche Untershlagung. Jh frage aber, ob er zu dieser Handlung Zeugen zuziehen wird? Gewiß nihtz es ist also ihrer Natur nach diese Handlung des unmittelbaren Beweises fast gar niht empsäng- lich. Außer dem Falle aber, der bereits angeführt worden is, daß ein Kassen-Beamter — es ist das ein sehr gewöhnlicher Fall — sih darauf beruft, er sei bestohlen worden, fommt auch ein anderer Fall oft vor, daß er überhaupt gar keine Thatsachen angeben kannz er be- behauptet auch nicht, daß er hestohlen sei, man findet nur das Geld bei ihm nicht vor, und ex kann si darüber nicht ausweisen, Wenn
Wu.
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nun in einem solchen Falle der Paragraph annimmt, daß die Sache so angesehen werden solle, als wäre die Unterschlagung konstatirt, so ist dieses, wie ich glaube, der Natur des hier vorliegenden Verbre- chens sehr angemessen. Da ferner daneben der Zusaß gestellt ist, daß eine mildere Behandlung der Sache aus besonderen Gründen eintre- ten kann, unter welche der Umstand gehört, wenn man es mit einem völlig unbescholtenen und bisher in der größten Achtung stehenden Manne zu thun hat, so glaube ih, daß man mit dieser Milderung den Paragraphen nicht nur zulassen kann, sondern daß er auch kaum entbehrlih ist.
Korreferent Abgeordn. VUaumann : Es i} wohl nicht zu ver= fennen, daß im administrativen Interesse eine solche Präsumtion et- was ganz Gutes is; es wird in sehr vielen Fällen ein Beamter, von dem man die Ueberzeugung hat, er sei ein Verbrecher, leichter zur Bestrafung gezogen werden kfönnenz aber ih glaube, aus diesen Nüß= lihkeitsgründen fann man doch eine solhe Präsumtion nicht in das Gesetz hineinbringen. Allerdings wird, wie ih eben erwähnt habe, es leiter sein, eine strafbare Unterschlagung an dem Verbrecher zu bestrafen, aber auf der anderen Seite giebt die Präsumtion dazu Veranlassung, daß Personen, welche nicht unterschlagen haben, den- noch zur Strafe gezogen werden können. Jch weiß nicht, ob bei Kassen-Verbrechen der Fall oft vorgekommen ist, daß, wenn derglei- chen Ausflüchte, wie von dem Herrn Minister angeführt worden sind, von Beamten geltend gemacht wurden, diese dennoch nicht zur Strafe gezogen worden seien. Allerdings is es eine ganz gewöhnlihe Aus-= fluht der Kassen-Beamten, daß sie bestohlen worden seien, aber es wird doch dann Sache des Kassen- Beamten sein, das Faktum, wor auf er die Ausflucht gründet, zu erweisen, und geht aus den Umstän- den nicht hervor, daß dies ausreichend geschehen sei, dann bleibt al- lerdings die Präsumtion gegen ihn, daß er das Geld unterschla- gen hat.
Wenn erwiesen wird, der Beamte habe das Geld empfangen, so wird niht anzunehmen sein, daß das Geld durch Zufall oder durch Ver- brechen verloren gegangen sei. Die Folge davon ist, daß, er. C8 haben muß. Hat er es nicht, und sind nicht Gründe vorhanden, wonach zu schließen wäre, daß das Geld ohne Schuld des Beamten verloren gegangen ist, so liegt ja auf der Hand, daß ihm die Schuld beigemessen werden muß, daß er das Geld in seinem Nußen verwen=- det hat. Dieser Schluß is ein so nothwendiger, daß er in dem Geseß nicht durch eine gefährliche Präsumtion ausgesprochen werden darf. Jch bin der Meinung, daß dies den Antrag der Abtheilung vollständig motivire.
Justiz - Minister von Savigny: Der Herr Korreferent hat be- merkt, es sei Sache des Kassenbeamten, zu beweisen, was aus dem Gelde geworden sei, und wenn er das nicht beweisen könne, o existire eine Präsumtion gegen ihn, Mehr will auch der Ent= wurf nicht.
(Abstimmung wird verlangt.)
Abgeordn, Dittrich : Die Kassenbeamten sind ohnedies in einer bedaguernswerthen Lage, weil sie ein gewisses Mißtrauen im Allge- meinen gegen sih haben. Stellt man dieses nun noh im Gesebe fest, so sind sie noch \{limmer daran. Außerdem hat der Herr Korreferent schon angeführt, was gegen die Präsumtion zu sagen ist; wenn aber weiter behauptet worden, daß die Handlung des Weg nehmens schon Unterschlagung sei, so kann ih das nicht anerkennen. Die Handlung des Wegnehmens muß keinesweges nothwendig in böser Absicht geschehen sein, es fann der Beamte zufällig das Geld anderwärts hingelegt haben; es kann dasselbe nicht in der Kasse sein, Darin aber ist noch keine Unterschlagung enthalten.
Abgeordn. Sperling: Jch kann mich ebenfalls niht mit bem Geiste einverstanden erklären, welcher den §. 394 diktirt hat. Fehlt in der Kasse, welche der Beamte verwaltet, Geld, so würde er nah bekannten Disziplingrgesehßen, wenn niht anders, wegen Nachlässigkeit Bestrafung und nach Umständen Dienstentsezung erfahren. Uber damit will man noch nicht zufrieden sein und deshalb zur Präsum- tion der Unterschlagung greifen, Beim Diebe hat man hon davon abgesehen, ob er die Absicht des Gewinnes habe, das aber noch für nothwendig gehalten, daß er die gestohlene Sache im Besibe habe, Bei dem Kassenbeamten will man viel weiter gehen. Jhn will man härter behandeln, als den Dieb, indem man die Bestimmung trifft, daß, sobald Geld fehle, die Präsumtion eintreten soll, dal er, der Beamte, es in Besiß genommen habe. Jch halte den Antrag der Abtheilung für vollkommen gerechtfertigt.
(Der Ruf nah Abstimmung wiederholt sich.)
Abgeordn. Steinbeck: Die Präsumtion, um die es sich handelt, fann eine doppelte sein , die Präsumtion einer Culpa oder die eines Dolus. Wenn die Präsumtion einer Culpa gemeint wäre, so könnte man dies nicht mit der Präsumtion des „Unterschlagens“ bezeichnen, denn Unterschlagen bezeichnet allemal einen Dolus, und darum geht der Paragraph zu weit. Wir haben fo viele Fälle, wo Kassenbeamte auf die merkwürdigste Weise betrogen und bestohlen worden sind und die Defekte stillschweigend ersebten, weil sie fehlten und weil sie fürch- teten, ihre Unschuld nicht beweisen zu können, Jch erinnere an die Kriminal-Untersuchungen vor längeren Jahren gegen eine Diebsbande am Rheine, welche vorzugsweise Kassen beraubte. Man wurde das Prin-= zip verleßen, wenn man die Präsumtion eines Dolus hier eintreten lassen wollte, Die Präsumtion der Culya aber würde, wenn der Richter sie unter Umständen eintreten lassen wollte, nie die harte Bestrafung wie die des Dolus nah sich ziehen, und darum trete ih der Abtheilung bei.
Marschall : Wir können abstimmen. Soll auf Wegfall des leßten Alinea im §. werden 7
Die dafür sind, würden es durch Aufstehen zu erkennen geben.
(Ein großer Theil der Versammlung erhebt sich.)
Die Majorität hat sich dafür ausgesprochen,
G; ‘395!
Referent Abgeordn, Frhr. ra Mylius (liest vor) :
, OII
Die Frage heißt : 394 angetragen
O auf eine Unterschlagung (§. 394) die zur Eintragung oder Kontrolle der Einnahmen - oder Ausgaben bestimmten Rechnungen, Register oder Bücher unrichtig geführt, verfälscht oder unterdrüt, oder sind unrichtige Abschlüsse oder Auszüge aus diesen Rechnungen, Registern oder Büchern, oder unrichtige Beläge zu den- selben vorgelegt, oder ist auf den Fässern, Beuteln oder Paketen der Geldinhalt fälschlich bezeichnet , oder sind dabei andere Fälschungen
Sind in Beziehung
begangen worden, #0 soll auf Cassation und auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren erkannt werden,“
Das Gutachten lautet :
„Zu §. 395.
Der Paragraph gab zu keinen Bedenken Veranlassung.“
Marschall: §. 396. : :
Referent Abgeordn. Frhr. A E He (liest vor):
79+ 390.
Post- Beamte, welche die der Post anvertrauten Briefe oder Pakete rehtswidrig eröffnen, oder dergleihen Briefe oder Pakete, welde feinen Geldwerth haben, unterschlagen, sollen ihres Amtes entseßt und mit Gefängniß oder Strafarbeit bis zu zwei Jahren be- straft werden.“
Das Gutachten lautet:
„Zu §. 396.
Es hatte eine Diskussion darüber statt, ob das Wort „rehts= widrig“’ nicht besser wegzulassen, indem durch Beibehaltung desselben es den Anschein gewiunen könne, als sei den einzelnen Post-Beam- ten unter gewissen Umständen auch das Recht gegeben, Briefe zu er öffnen, G
Andererseits ward erläutert , daß allerdings ein solches Recht wenn auch nicht jeder einzelnen Post - Behörde, doch der Post-Ver- waltung, z. B. für die Fälle der als unbestellbar zurückgekommenen Briefe, einzuräumen und die Ausübung desselben an geseßliche For= men zu knüpfen sei, wie dies durch die Geseßgebung wirkli ge- schehen. S
i Demgemäß ward ein Antrag gestellt, statt des Wortes „rechts widrig““ die Worte: „Jn anderen als in dem Geseß angegebenen Fällen‘ zur Aufnahme in Vorschlag zu bringen. 7
Die Abtheilung is diesem Antrage mit 14 gegen 1 Stimme beigetreten.“
Regierungs - Kommissar Bischoff : Der würde in diesem Falle wohl zu eng sein; die Vorschriften, die in dieser Beziehung erlassen werden, finden sich in Reglements und Jn- structionen. Es dürfte statt: „in anderen als im Gesebe angege= benen Fällen“, „in anderen als in Amts=-Vorschriften erwähnten Fällen‘ heißen müssen.
Abgeordn. von Auerswald: Jch kann diese Ansicht nicht theilen, denn gerade das, was die Abtheilung beabsichtigt, würde dadurch wieder vereitelt werden. Es handelt sih hier um das * ostgeheimniß, ein Geheimniß, welh&@ nah der Meinung des Volkes, wie ih ganz offen aussprechen muß, viele Jahre hindurch in unserem Staate, bei vollem Rechts\chube in allen anderen Verhältnissen, Verleßung erlitten haben sokl. Bei einer solch verbreiteten Meinung darüber, welhe am leßten Landtage zu einer Erklärung des Herrn Landtags - Kommissars Ver anlassung gegebeu hat, die große Beruhigung herbeiführte, wünsche ih, diese Beruhigung nicht aufs neue erschüttert zu schen. Wenn der Paragraph in dieser Fassung beliebt werden sollte, würde dies erfolgen z denn gerade der Umstand, daß nicht blos Königliche Post beamte aus Neugierde und Frivolität, sondern auch Postbehörden und mit ihnen in Verbindung stehende höhere Polizeibeamte sih veranlaßt gefunden haben sollen, zu polizeilichen, politischen oder anderen Zwecken Briefe eröfsnen zu lassen, is es, was, wie Viele mir in dieser Ver sammlung bezeugen werden, lange hindurch die Gemüther in unseren Lande beunruhigt hat. Denn es giebt kaum etwas Bedenklicheres, Schmerzlicheres und Gefährlicheres, als nicht sicher zu sein, daß das, was man im vollen Vertrauen und unker Siegel hinstellt, zu unbe fugter Kenntniß gebracht und wohl gar entstellt mitgetheilt wird, Daß diese Besorgnisse bestanden haben, is gegründet, und daß 11 nicht erlöschen können, insofern die Bestimmung des Entwurfes stehen bleibt, glaube ih behaupten zu dürfen, Dergleichen Besorgnisse können aber nur wegfallen, wenn die Eröffnung von Briefen nicht anders, als auf Grund bestehender Gesetze, d. h. nur unter denjenigen Umstän den und durch diejenigen Autoritäten erfolgen fann, die das Geseß bezeichnet. Wenn im Geseh gesagt wird, daß die Briefe, die unbe= stellbar zurückgekommen sind, nur von den und den bestimmt dasin verantwortlich gemachten Behörden erössnet werden dürfen, so 1st di Sache festgestellt, und Niemand wird etwas dagegen haben, Wenn ferner bestimmt wird, daß andere Briese, welche aus Gründen des Verdachtes obwaltender Verbrechen zu erössnen sind, nur auf Antrag
des höchsten Gerichtes oder des gesammten Staats Ministeriums von
Ausdruck „Gesetze“
der Post-Behörde ausgeliefert werden dürfen, so wird Niemand etwas /
dagegen haben, Wenn aber blos in Verwaltungs Reglements und nicht auf Grund von Geseßen einzelnen Briefe zu erössnen, i und en a dadurch für den Augenblick manche Geschäfts-Unannehmlichkeiten ver
mieden werdenz aber es wird das Post-Geheimniß wieder blo
Fassung, wie sie von dem Herrn Kommissar vorgeschlagen it, Ut
graph selbst besagt. (Ruf nah Abstimmung.)
Marschall: Die Frage heißt:
Soll beantragt werden, statt des Wortes „rechtswidrig““ die Worte aufzunehmen: „in anderen als in dem Gesebß angegebenen Fällen“?
Die Bejahung is} durch Aufstehen zu erkennen zu geben.
(Es erhebt si beinahe die ganze Versammlung.)
Mit einer Majorität von mehr als zwei Dritteln ist dem beige- treten. - §8, 397,
Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius (liest vor):
S. 397,
Gerichtlihe Anwalte oder andere offentlih bestellte Rechtsbei- stände, welche bei den ihnen in amtlicher Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten vorsäßlih zum Nachtheile ihrer Klienten handeln, oder in einem Rechtsstreite dem Gegner einen Rath oder Beistand gewähren, welcher ihren Klienten Nachtheil bringen fann, sfollen fas sirt werden, Zugleich is gegen dieselben auf Strafarbeit bis zu D Jahren zu erkennen. “
Das Gutachten lautet:
Bu S 897,
Die Abtheilung hat ohne Widerspruch beschlossen, zu bcantragen, daß statt des Sabes : „welcher ihren Klienten Nachtheil bringen fann“’, gesagt werde: „von dem sie wissen, daß er thren Klienten Nachtheil bringen kann“; indem sie der Meinung war, daß es zum Begriff der strafbaren Handlung erforderlich sei, es auszusprechen, daß der Rathgeber gewußt, daß durch den Rath der mögliche Nach theil seines Klienten hätte herbeigeführt werden lönnen, indem ua mentlich nicht jeder gute und gewissenhafte Rath mit Strafe zu belegen.“
Justiz-Minister von Savigny: Gegen diesen Fassungs-Vorschlag ist seitens der Regierung nichts einzuwenden,
Marschall: §. 398. : L
Referent Abgeordn. Freiherr vou Mylius (liest vor) :
119+ 398.
Amtsvorgescbte, welche ihre Untergebenen zu einem Amtsver brechen vorsäßlich verleiten, sollen zu der guf dieses Verbrechen angt=- drohten Strafe und, wenn dasselbe nicht mit Cassation bedroht ijt, zugleich zur Cassation verurtheilt werden.“
Marschall: §. 399. : .
Referent Abgeordn. Freiherr u Mylius (liest vor): welcher n Amtsverbrechen seines Untergebenen i mit der auf dieses Verbrechen ange-
Dieselbe Bestimmung findet auh auf
drohten Strafe zu belegen. | T l ! diejenigen Anwendung, denen eine Aufsicht oder Kontrolle über die
Amtsgeschäfte eines Mitbeamten übertragen is, sofern das von diesem Beamten verübte Verbrechen die zu ihrer Aufsicht oder Kontrolle ge- hörenden Geschäfte betrifft.“
Marschall: S§- 400. Gas i
Referent Abgeordn. Freiherr A Mylius (liest vor) :
„S. 400,
enn bei einem Amtsverbrechen ein. Mitschuldiger vorkommt, welcher nicht Beamter ist, so soll die auf das Verbrechen im Gesetze angedrohte Freiheitsstrafe oder Geldbuße auch auf den Mitschuldigen
angewendet werden, : Zw eite Beilag
Ein Vorgesebter, w!| wissentlih ge\hehen läßt,
Behörden die Erlaubniß, | extheilt werden fann und soll, so können allerdings |
zgestellt | und das Mißtraueu nicht vollständig beseitigt; ich werde daher der |
gegentreten müssen, da sie nichts weiter enthält, als was der Paras- |
@ 65.
Wenn auf ein Amtsverbreheu die Amtsentsebung oder Cassation obne eine andere Strafe angedroht ist, so soll der Mitschuldige, wel- her nicht Beamter ist, anstatt der Amtsentseßung oder Cassation zu einer Geldbuße bis zu fünfhundert Thalern oder zu Gefängniß ver- urtheilt werden.“
; „Zu §. 398, 399 und 400.
Diese Paragraphen gaben zu keinen materiellen Erinnerungen Veranlassung, nur ward zu §. 400 gewünscht, daß statt der Bezeich- nung „oorkommt“ eine andere passendere gewählt werde.“
Justiz - Minister von Savigny : Es isst gegen diese Fasjjungê- Bemerkung nichts einzuwenden, denn es if richtig, daß der Ausdruck „oorkommt“ niht passend is. Was den §. 401 betrisst, 10 ‘hat mein Herr Kollege den Wunsch geäußert, daß die Diskussion darüber ausgeseßt werde, da er heute durch amtliche Verpflichtungen abge- halten ist, der Debatte beizuwohnen. Fh wünsche also, daß dieser Paragraph bis zur nächsten Sibung verschoben werde. “Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius : Bei §. 402 hans- elt es sich um den Begriff der gemeinen Verbrechen , und da 1f der Abtheiluug vom Gouvernement eine Mittheilung versprochen worden, die bis jeßt noch nicht erfolgt is, und es würde daher auch dieser Paragraphy auszuseßen sein.
Marschall: §. 403.
Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (lies vor):
i „§8. 403.
Jn der Anwendung der Vorschriften über die Cassation und die Amtsent[ezung soll es, sowohl bei Amtsverbrechen als bei gemeinen Verbrechen, keinen Unterschied machen, ob das Verbrechen ein vollen- detes oder ein versuchtes , ingleichen ob der Verbrecher als Urheber oder als Gehülfe zu betrachten ist.“
Abgeordn. Zimmermann : ‘2s widerspricht im Allgemeinen dem Prinzip des Strafrechts, daß man ein versuhtes Verbrechen für ein vollendetes annimmt. Wir haben eine ganze Reihe von Verbrechen berathen, und wenn man diesen Grundsaß unbedingt auf alle diese Verbrechen ausdehnen wollte, so würde man, wenn nicht auf die einzelnen Verbrechen näher eingegangen wird, in eine große Gefahr gerathen. Es fommt darauf an, wie weit das Verbrehen oder vielmehr der Versuch desselben gediehen is, der Versuch läßt sich sehr entfernt und sehr nahe denken. Sollen nun diese Fälle alle unter eine Kategorie fallen? Soll der entfernte Versuch für ein vollendetes Verbrechen gehalten werden? Soll der, welcher es versucht hat, aber aus freiem Antriebe davon zurückgestanden ist, des vollendeten Verbrechens \chul= dig sein? Bevor man nicht auf diese einzelnen Verbrechen eingeht, die zum Theil Zuchthausstrafe, also Eutehrung flir das ganze Leben zur Folge haben, kann ih mich niht dafür aussprechen, daß man einen Versuch im Allgemeinen für ein vollendetes Verbrechen annimmt und diesem gleich bestraft. Mancher Versuch seßt allerdings einen sol- chen Grad von Bosheit voraus, wie ihn nur das vollendete Verbrechen irgend erfordert, bei anderen Versuchen sind Milderungsgründe voll- kommen denfbar; da aber ein solcher Unterschied hier niht aufge= stellt is, so muß ih der hohen Versammlung dringend empfehlen, den Unterschied zwischen Versuch und Vollendung des Verbrechens festzuhalten. /
Regierungs-Kommissar Bischoff: Bei Berathung Theiles ist die Gränze “des Versuches außerordentli eng gezogen, man is auf das rheinische Strafrecht zurückgegangen. Nach leßterem wird der Versuch mit gleicher Strafe, wie das vollendete Verbrechen, bedroht, sofern es sich von eigentlichen Verbrechen (crimes) handelt. Da man die Gränze des Versuches in dieser Art bestimmt und so eng gezogen hat, fernten Versuche im Sinne
des generellen
so kann von einem ents der älteren Geseßgebung, im Sinne des Allgemeinen Landrechts nicht mehr die Rede sein. Sodann kommt in Betracht, daß man in die- sen Titel nur die allerschwersten Geseßezübertretungen aufgenommen hat, in Folge deren Begehung ein Beamter das Vertrauen des Staa- tes verlieren muß und niht mehr im Amte gelassen werden kann, felbst wenn auch ein Zufall den Versuch des Amtsverbrechens nicht zur Vollendung gelangen läßt, Eben \o verhält es sih mit den gemeinen Verbrechen. Es i Grundsaß, daß, wenn ein Beamter sich eines gemeinen Verbrechens schuldig mat, das den Verlust der Eh- renrechte nah si zieht, er auch seines Amtes verlustig wird. Jn Anwendung dieses Grundsabes darf ein Beamter, der sich des Diehb- stahls der Fälschung u. |. w, schuldig macht, uicht länger im Amte bleiben, auch wenn das Verbrechen niht zur vollen Consummation gekommen O o legt {on durch den bloßen Versuch als olchen eine so ehrlose Gesinnung zu Tage, daß er nicht mehr mit öffentlichen Functionen bekleidet bleiben fann.
Marschall: Cin Antrag ist nicht gestellt,
Abgeordn, Zimmermann : Jch habe den Antrag gestellt, den Versuch nach allgemeinen Rechtsregelu, wie bei den übrigen Ver brechen, zu behandeln.
Marschall: Es ist nun zu ermitteln, ob der Vorschlag die er- forderlihe Unterstüßung findet.
(Es geschieht.) Er hat sich gefunden,
Regierungs-Kommissar Bischoff: Jh habe zu bemerken, daß das Prinzip des §. 41 durch die hohe Versammlung angenommen wor- den ist. Nach lebterem soll, wenn für das vollendete Verbrechen der Verlust der Chrenrechte angedroht ist, derselbe auch eintreten im Falle des bloßen Versuhes. Demgemäß enthält der Paragraph nur die Anwendung des allgemeinen Prinzips. s
Abgeordn. Graf von Schwerin : Das allgemeine Prinzip muß natürlich auch angewendet werden auf die Verbrechen der Beamten,
Referent Abgeordn, Freiberr von Mylius: Jch habe zu bemer- fen, daß nur der Versuch strafbar sein \oll, welcher durch einen bloßen Zufall oder durch Umstände niht zur Ausführung gekommen ist. Wenn also der Beamte Alles gethan hat, um das Verbrechen zu be- gehen, er sich also dem Staate gegenüber in ein Verhältniß geseßt hat, wo er erklärt, er wolle alles Mögliche thun, um sein Amt zu / , , c‘ , S , d verleßen, da is die Gleichstellung des Versuches mit dem vollendeten Verbrechen durhaus nothwendig.
Abgeordn. Zimmermann : Indem ih mich dafür ausgesprochen habe, daß es bei dem allgemeinen Grundsaße sein Bewenden haben möchte, habe ih nicht erklärt, daß, wo der Versuch den Ver!ust der Ehrenrechte mit sich führt, es bei dem vorliegenden Verbrechen anders gehalten werden solle, sondern eben dafür stimme ih auch. Wo also ein Verbrechen Mangel an ehrliebender Gesinnung mit sich führt und der Versuch an und für sih den Verlust der Chrenrehte nah sich ziehen soll, da bin ih ganz dafür, daß es auch hier der Fall sei. Es is nur auffallend, daß, wenn Uebereinstimmung mit dem rheini=- schen Rechte herbeigeführt werden soll, bei den Beamten der Anfang gemacht wird.
(Lärm.) Ich hätte es gern gesehen, wenn von dem Herrn Regierungs - Kom=- missar auh die Gründe aufgesührt worden wären, warum nicht bei allen übrigen Vergehen der Grundsaß durhweg geltend gemacht worden is, Bevor man über diese Frage ein entscheidendes Votum
611
abgeben fann, {eint es mir erforderlih, daß man die Verbrechen näher einsehe, denn darunter is hier auch der Versuch der Jusubor- diunation, auch der Versuch der Verleßung der Amtéverschwiegenheit begriffen, anch dieser soll diese Strafe nah si ziehen. Das sind zwei Fälle, die außerordentlich bedenklich erscheinen; es is} daher sehr wünschenswerth, daß wenigstens auf die einzelnen Fälle zurüdge- gangen werde.
S Regierungs-Kommissar Bischoff : Das allgemeine Prinzip findet sich im §. 41 ausgesprochen. Dort ist hinsichtlich der accessorischen Strafen bestimmt, daß die Strafe auch dann eintreten soll, wenn das Verbrechen nur ein versuchtes is. Was die Verbrechen im 26\ten Titel betrifft, so würde es {wer fallen, sich einen Versuch der Ju \ubordination oder der Verleßung der Amtsverschwiegenheit zu den- fen. Sieht man von diesen Verbrechen ab, \o sind die übrigen so \{werer Natur, daß ein Beamter, wenn er sich auch nur des Ver= suchs schuldig macht, unbedingt das Amt verlieren muß.
Abgeordn. Ueumann: Dann würde ih doch eventuell den An- trag stellen, daß bei diesen beiden Verbrechen der Versuch anders be- straft werde, da zugegeben werden muß, daß der Versuch wenigstens hier etwas wesentlih Anderes ist, als das vollendete Verbrechen.
Regierungs-Kommissar Bischoff : Es giebt eine Kategorie von Verbrechen, wo ein Versuch nicht denkbar ist, wie Verletzung des amt-= lichen Stillshweigens, Jnsubordination und Ehrverleßung. Bei die= sen Vergehen läßt sich ein Versuch. nicht denken.
Marschall: Es fragt sich, ob der Abgeorduete Neumann das, was er angeregt hat, zu. einem Gegenstande der Fragestellung ge= macht zu suchen wünscht. l L
(Es wird verneint.)
So kommen wir zur Abstimmung über den Vorschlag des Ab- geordneten Zimmermann , welcher dahin ging, den Versuh nach all= gemeinen Prinzipien zu beurtheilen, und die dem beistimmen, würden dies durch Aufstehen zu erkennen geben.
(Es erhebt sich feine Majorität.)
Dem Vorschlage if nicht beigestimmt.
g. 404.
Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (liest vor): 9. 404.
Wenn ein entlassener Beamter wegen eines vor oder nach der Entlassung begangenen Verbrechens verurtheilt wird, welhes, wenn er während des Amtes verurtheilt worden wäre, den Amtsverlust zur Folge gehabt hätte, so soll gegen ihn stets der Verlust des Amts- titels ausgesprochen werden.
F das vor der Entlassung begangene Verbrehen von der t, daß es die Cassation nah sih gezogen hätte, so soll deshalb gegen den entlassenen Beamten, außer dem Verluste des Amtstitels, auch der Verlust der übrigen Ehrenrechte ausgesprochen werden.“
L Marschall: Es liegt im Jnteresse des schnell zu befördernden Drucks des nächsten Theiles des Gutachtens, daß die Sibung jeßt geschlossen werde, damit die Abtheilung noch eine kurze Sibung hal- ten könne, Die nächste Sibung wird morgen um 10 Uhr statt- finden. E
(Schluß der Sißung nah 25 Uhr.)
Uichtamtlicher Theil. Inh n {l
Fnuland. Berlin, Die Haltung Deutschlands Frankreich gegenüber, — Beförderungen und Abschieds Bewilligungen in der Armee.
Deutsche Bundesstaaten. Königreih Sachsen. Adresse an den König. — Königreich Württemberg. Bürger - Versammlung. — Großherzogthum Baden, Preß-Verordnung. —- Kammer-Sizung. — Verhaftungen. — Die Versammlung in Heidelberg. — Schreiben aus Frankfurt a, M, (Große Aufregung in Hanau; Deputation an den Kurfürsten. )
Frankreich. Paris, Einweihung der Republik. — Bekanntmachung hinsichtlih der Güter der Civilliste und der Königlichen Privat - Domai- nen. — Die Kulte und Aufforderung an die Geistlichkeit. — Organisa- tion der beweglihen Nationalgarde, — Der öffentliche Verkehr. — Flucht Bu Masa?s. — Vermischtes. — Schreiben Bugeaud's und Jerome und Louis Bonaparte's an die provisorische Regierung. — Lanmartine's Note an die fremden Gesandten und Antwort des päpstlihen Nuntius, — Der Gesandte der Vereinigten Staaten. — Nachrichten aus den Provinzen. — Cirkular des Kriegs - Ministers. — Ernennungen. — Plünderungen und Verwüstungen. — Der Post- und Eisenbahndienst. — Die Flucht der Königlichen Familie. — Propagandistische Aeußerungen, — Die gegen- wärtigen Gewalthaber und Sozialistentlub, — Straßburg, Bewaffnung der Studenten, — Tagesbefehl an die Truppen. — Programm für die Republik -Proklamirung. Tagesbefehl an die Truppen, — Schüler- Adresse. — Bank - und Handelsgerichts - Beschlüsse, — Schreiben aus Paris, (Berichte von Augenzeugen über die Scenen bei der Abreise des Königs und der Königin; die Wiederanlegung der drei Farben; ruhigere Stimmung z Haltung der Nationalgarde z die Gendarmerie und die Linie z Gerüchte.)
Großbritanien und Frland. London. Arkunft des Herzogs von Nemours, der Prinzessin Clementine und anderer französischer Flücht- linge, — Erklärung Lord John Russell'’s, daß England nicht in Frank- rei interveniren wird. — Vermischtes.
Belgien. Brüssel. Ministerielles Rundschreiben an die Provinzial- Gouverneure. Beschlüsse der liberalen Association von Namur und der Alliance. Rüstungen.
Dänemark. Kopenhagen, Kassen, E
Handels: und Börsen-Nachrichten.
Annahme preußischer Thaler bei den
JInlalnlvo.
Berlin, 3. März, Nicht auf unbegründete Hoffnung hin ge- \hah es, daß wir vor wenigen Tagen den deutshen Fürsten und den deutshen Stämmen zuriefen: Seid einig und durch Einigkeit stark; daß wir, fern von dem Gedanken einer Einmishung in die inneren Angelegenheiten Frankreichs, doch mahnen durften: die Deutschen möü- gen scharfen Blicks den Bewegungen des Nachbarstaates folgen und zum Kampfe gerüstet sein, um den Frieden zu erhalten.
Einmüthig im Osten und Westen, Süden und Norden Deutsch= lands hat sih die Presse für diesen Weg ausgesprochen: Keine Ju=- tervention, aber die Selbstständigkeit Deutschlands über Alles! So sprechen die rheinischen Zeitungen, so die slesischen, {o die süd- deutsche, die deutshe Zeitung, #0 spricht man in Berlin und überall, von wo uns bis jeßt Kunde zugekommen. Dies is ein s{öner Be-= weis, wie gleichartig und lebendig das Nationalgefühl is,
Wenn dasselbe aber die Haltung nah außen so richtig auffaßt, so wird uns die Hoffnung zur Gewißheit, daß es auch die Rückwir- kung der \hwergewihtigen Ereignisse jenseits des Rheins auf unser inneres nationales’ Leben eben so klar auffasse und in gleichem pa- triotishem Sinne behandle,
Der Sinn, in welchem dies von der hohen Bundes - Ver- sammlung geschehen, is der beste Beweis, daß die deutschen Fürsten und die deutschen Stämme in Einigkeit handeln können und wollen. Dann i} aber kein Zweifel, was auch die Zukunft brin= gen mag: „daß Deutschland auf die Stufe gehoben werden wird, die ihm unter den Nationen Europa’s gebührt, — auf dem Wege der Eintracht, des geseßlichen Fortschritts und der einheitlichen Ent widckelung.“ j :
Berlin, 4, März. Nach dem heutigen Militair-Wochen- blatte ist dem Oberst a. D. von Winning, zuleßt im 2ten Dra=- goner - Regiment, der Charakter als General =- Major beigelegt, und der Rittmeister von der Goltz, Adjutant der 1sten Division, zum Präses der Examinations-Kommission für P. Fähnrichs und zum Dis rektor der Divisions-Schule der 1sten Division ernannt worden. Fer= ner ist dem Hauptmann von Kleist, vom 21sten Infanterie - Regi= ment, und dem Hauptmann von Ulfert, vom 2Wsten Junfanterie= Regiment, als Majors , dem Leßteren mit der Regiments -Uniform mit den vorschriftsmäßigen Abzeichen für Verabschiedete, Aussicht auf Civilversorgung und Pension, \o wie bei der Landwehr dem Ritt- meister Bräsike, vom 3 Bataillon 1sten Regiments, als Major, und dem Major von Gärtner, Führer des 2ten Aufgebots vom 9ten Bataillon 12ten Regiments, als Oberst - Lieutenant, mit seiner bisherigen Pension der Abschied bewilligt worden.
Deutsche Sundesftaaten.
Königreich Sachsen, (Leipz. Ztg.) Am 1. März wurde in Leipzig von den Stadtverordneten eine Adresse an Se. Majestät den König berathen und einstimmig angenommen , deren Slußbitte auf Freiheit der Presse im Umkreise des deutschen Bun- des und auf Berufung von Vertretern sämmtlicher deutschen Völker an den Siß des Bundestages gerichtet war. Der Stadt- rath trat dem Antrage der Stadtverordneten auf Ueberreichung die= ser Adresse bei. Am folgenden Tage Mittags reiste eine Deputa- tion, bestehend aus drei Mitgliedern des Stadtraths und drei Mit- gliedern der Stadtverordneten , jener Ueberreichung wegen nah Dresden ab.
Königreich Württemberg. (Frkf, J.) Am 28, Fe- bruar Nachmittags / fand in Stuttgart eine Bürger - Versammlung statt, in welcher beschlossen wurde, bei der Regierung die vollständige Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Rechte des Volkes zu bean= tragen, und zwar 1) sofortige Einführung der Preßfreiheit, 2) das unverkümmerte Recht der Volksversammlung zur Berathung öffentli= cher Zustände, 3) allgemeine Bolksbewaffnung, 5) Umgestaltung des Bundestages mit Vertretung dur das Volk. Jun der That besinden sich diese Anträge unter der Presse, um in mehreren Tausenden von Exemplaren in das Land zu gehen und in allen Städten berathen und unterzeichnet zu werden. Die Aufregung in allen Gemüthern ist groß und die abenteuerlichsten Gerüchte sind im Umlauf.
Der Präsident der Abgeordneten - Kammer ließ am 28. Februar Abends sämmtliche hier anwesende Mitglieder der Abgeordueten-Kam- mer zu einer vertraulichen Besprechung zusammenkommen. Etwa 60 fanden sih-eiu, und es wurde der Vorschlag gemacht, von Seiten kei- ner Partei der jeßt niht versammelten Kammer eine Adresse an die Regierung zu richten, sondern diese Sorge dem ständischen Ausschusse, der bekanntlich in Württemberg permanent is, zu überlassen und zu übertragen, Die Oppositions - Mitglieder erklärten jedoch sämmtlich, sich zwar einer solchen Adresse des Ausschusses, falls ihnen solche Fon- venire, anzuschließen, sich dadurch jedoch feinenfalls abhalten zu lassen, eine abgesonderte, rein in ihrem Sinne abgefaßte Adresse an den Königlichen Thron zu richten. Man spricht davon, es solle von der Bürgergesellschaft aus eine allgemeine Versammlung der hiesigen Bürgerschaft zu einer ähnlichen Kundgebung noch im Laufe dieser Woche veranstaltet werden.
Karlsruhe
Großherzogthum Baden. 1. März, (Karlsr. Ztg.) Heute is die nachstehende Großherzoglihe Ver- ordnung über die Presse erschienen: :
„Leo pold, von Gottes Gnaden, Großherzog von Baden, Her- zog von Zähringen. Nach Ansicht des §. 17 der Verfassungs =- Ur- funde, lautend:
„ „Die Preßfreiheit wird nah den künftigen Bestimmungen der Bundes-Versammlung gehandhabt“ — und in Erwägung, daß die Bundes-Versammlung die im §. 18 d der Bundes-Akte in Aussicht gestellten „gleihförmigen Verfügungen über die Preßfreiheit“ noch nicht vereinbart, vielmehr inzwischen nur pro=- visorische Bestimmungen getroffen hat, diese leßteren aber der jeßigen Lage der Dinge nit mehr entsprechen ; “S
in fernerer Erwägung, daß der endlihe Vollzug des §. 18 d der Bundesakfte in neuerer Zeit bei der Bundes-Versammlung wieder in Verhandlung begriffen und auf Aufhebung der Censur mit Er- lassung von Repressio-Geseben angetragen ist, die endliche Erledigung dieser Sache aber ihrer Natur nach voraussichtlich noch nicht so {nell eintreten kann, als die gegenwärtigen Umstände erfordern;
sehen Wir Uns veranlaßt, provisorisch für das Großherzogthum einige Anordnungen zu treffen und zu verordnen, wie folgt:
Das Preßgeseß vom 28. Dezember 1831 wird wieder in Wirk- samkeit geseßt.
Hinsichtlih der mittelst der Presse verübten Verbrechen findet das im Jahre 1845 mit Unseren Ständen vereinbarte Strafgeseb- buch Anwendung.
Gegeben zu Karlsruhe in Unserem Staats - Ministerium, den 1. März 1848.
Leopold.‘ Bekk.
Die heutige Sihung der Abgeordneten - Kammer war eine sehr bewegte. Die Volksmenge, die aus verschiedenen Landestheilen zu- sammengesirömt war, um bei der Uebergabe ihrer Petitionen an die Kammer zugegen zu sein, erfüllte die Gallericen und die Eingänge des Saales, Mann an Mann eng gedrängt. Hunderte, die im Jn- nern niht mehr Plaß finden konnten, hatten sich im Hofe zusammen geshaart. Der Beginn der Sißung war auf 12 Uhr angekündigt; allein die Stunde war längst verstrichen und die gespannte Erwar- tung aufs höchste gestiegen, als endlich der Präsident seinen Stuhl einnahm. Die Träger der Petitionen machten sich müh- sam Bahn durch die Massen, welche die Eingänge belagerten. Heder eilte mit der Rolle von, Petitionen, welhe ihm Struve überreicht hatte, auf die Rednerbühne, aber uo bevor er das Wort ergriff, erhob sich Staatsrath Bekk. Mit fraftvoller, fester, aber von der Gewalt des Momentes tief bewegter Stimme verkündete er, daß das Preßgeseß von 1831 von Stunde an wieder in Kraft ge=. treten sei. Ein donnernder Jubelruf der ganzen Versammlung, in welchen sich ein stürmishes Hoh auf den Großherzog mischte, ant=- wortete auf diese Freudenbotschaftz der mächtige Jubel pslanzte sich" durch die mit Menschen erfüllten Gänge des Gebäudes fort und