1848 / 68 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

iele, die ih hier nit erst zu erwähnen brauche, weil sie Jeder kennt, I aber, L) werden auch für die Folge nicht ausbleiben. Es iff möglih, daß Kirhe und Staat im vollständigsten guten Glauben handeln und jeder die vollständigste Berehtigung zur Handlung zu haben vermeint, Jm Falle eines solchen Konfliktes muß ein anderer Weg zur Ausgleichung gefunden werden, als der einer Strafbestim- mung. J erinnere an die für den Staat so erhebliche Frage we- gen des Unterrichts und der Lehrfreiheit, die in anderen Ländern der= artige Konflikte herbeigeführt hat und sie möglicherweise irgend ein- mal au bei uns herbeiführen wird. Mir scheint es zweckmäßig, einen Weg der Ausgleichung zu suchen, ein solcher aber ist in Zeiten der Ruhe und des Friedens leiht zu finden. Anders kann ich an die Möglichkeit, diese Ausgleichung herzustellen, nicht glauben, Es muß eine vertragsmäßige Justitution geshafffen werden, welche erklärt, wo Uebergriffe Tataren haben. Weil ih diesen Weg für den einzig rihtigen halte, so muß ih auh jeden anderen für unrichtig erklären, und daher gegen den Titel und jeden einzelnen Paragraphen, so wie auch gegen Alles stimmen, was man etwa an die Stelle derselben seßen wollte.

_Staats-Minister Eichhorn: Die Paragraphen des Geseß-Ent- wurfes, worüber nun die Berathung beginnen soll, haben vielfache Mißverständnisse veranlaßt. Diese Mißverständnisse haben sich kund- gegeben theils durch .die Presse in vielen Zeitungs-Artikeln und Bro- \hüren, daun auch in vertraulichen Aeußerungen von Kirchen - Oberen gegen die Königliche Regierung selbst. Während die Absicht der Kö= niglichen Regierung bei Ausarbeitung dieser Bestimmungen dahin ging, den Kirchen noch eine größere Garantie ihrer Selbstständigkeit zu geben, als sie bisher hatten, sind dieselben so aufgefaßt worden, als wenn dadurch Eingriffe seitens des Staates in das Gebiet der Kirche gemacht würden, wenigstens daß die Möglichkeit und Anbah= nung dazu eingeleitet werde. Diese Auffassung ist, ih erkläre es von neuem Namens der Regierung, ihr -durhaus fern gewesen. Es würde ihrem Prinzipe widersprechen, der Kirche gegenüber irgend etwas sich anzumaßeu, was die Kirhe mit Recht als einen Eingriff in ihre Rechte betrachten könnte. Jndem die Regierung die Vorschläge mate, hauptsächlich um der Selbstständigkeit der Kirche eine neue Garantie zu geben, durfte sie freilih andererseits auch niht verabsäumen, an die Pflichten zu denken , die der Staat, theils im Ganzen der öffentlichen Ordnung gegenüber, theils gegen einzelne Jndividuen und gegen die verschiedenen Religions - Parteien im Verhältnisse zu ein- ander zu erfüllen hat. Judem ich hier aussprehe, was die Absicht der Königlichen Regierung gewesen is, bin ih auch den Kircheun- Oberen, die sih vertraulih gegen dic Regierung geäußert haben, das Zeugniß schuldig, daß sie in der Art, wie sie ihre Bedenken vortrugen, weit davon entfernt gewesen sind, einen Zustand zu wünschen oder herbeiführen zu wollen, wodurch umgekehrt für die Kirche auch eine Anbahnung zu Uebergriffen in das Gebiet des Staates bereitet würde. Solchen Absichten haben sich die Kirchen-Oberen, die sih vertraulich gegen die Regierung ausgesprochen haben, als durchaus fremd erklärt. Wenn die Sache nun so steht, daß man von einer Seite die Selbstständigfeit der Kirche will, die von den vertretenden Kirchen-Oberen mit Recht verlangt wird, von der anderen Seite aber auch nicht die Selbstständigkeit des Staates preisgegeben werden darf, was auch die Kirchen - Oberen keinesweges wollen, so muß doch wohl ein Ausweg, eine Ausgleichung möglich sein. Cs is die Idee aufgestellt worden, Konflikte seien immer gewesen und würden immer sein, und man solle die Sache nur so walten lassen, Aber muß nicht jede Behörde, die den Frieden und die Ordnung will, sich die Aufgabe stellen, diese Konflikte auf irgend einem Wege zu er- ledigen? Ein shlechter Weg wäre, wenn es den Parteien überlassen bliebe, in jedem einzelnen vorkommenden Falle sih selbst zu helfen. So stand es früher und steht es noch in. vielen Staaten. So geschieht es, daß, bei Entstehung eines Konsflikts, wenn die Staats= gewalt glaubt, hier müsse sie cintreten, die öffentlihe Ordnung fordere es nothwendig, sie feinen anderen Ausweg findet, als ihr Ein- treten in Formen und auf eine Weise geschehen zu lassen, die das Gefühl wohlgesianter Menschen verleßt, insofern sie es ledig= lich als einen Aft der Willkür ansehen, Es handelt sich also darum: wo solhe Konflikte entstehen, daß uicht die Nothwendigkeit hervorgerufen werde zu einer Haudlung sei- tens des Staates, wodurch er sich dem Vorwurse der Willkür und Eigenmacht ausseßt, wenngleih in der Sache selbst nicht der allergeringste Grund zu einem solchen Vorwurfe vorliegt. Welche Mittel hat man nun überhaupt zur Schlichtung von Konsliften in dem großen Gemeinwesen der Staaten? Wie werden die Streitig- feiten der Parteien geshlihtet? Wenn der Staat in allen anderen Dingen Widerspruch erfährt, wenn er etwas behauptet, was bestrit- ten wird, so is es in den meisten Fällen, wo nicht andere Formen gefunden sind, der hergebrahte ordentlihe Weg, er unterwirft sich dem Ausspruche der Rihter, die unabhängig sind und des allgemeinen Vertrauens der Unparteilichkeit genießen. Und auch in der vorliegen= den Frage fann vom Staate keine größere Garantie gegeben werden, als wenn er erklärt: ih will niht eigenmächtig und willkürlich han= deln, sondern die Konstatirung des Faktums einer richterlihen Be- hörde unterstellen, und die mag auch sestseßen, das Prinz'p, wo= nach der Staat zu einem Einschreiten sich berehtigt oder verpflichtet hält, in Anwendung zu bringen sei, Nachdem ich diese allgemeinen Bemerkungen vorausgeschickt habe, gehe ih über zu den Mißverständ=- vissen im Einzelnen, Diese bewegen sich hauptsächlich um zwei Punkte, um die sogenannte Entfernung aus dem Amte, und um die Unbestimmtheit des Begriffs: beharrlicher Unge- horsam gegen allgemeine Anordnungen der Kirchenho-= heitsgewalt, Was die Entfernung aus dem Amte betrifft, so leidet es auch nicht den geringsten Widerspruch, daß die Geistlichen, wie sie Diener der Kirche sind, auch ihr Amt nur von der Kirche haben, und daß ihnen diejes auh nur von der Kirche entzogen werden kann. Es ist ferner nit zu bestreiten, wenn man sagt, das Amt hat nur Realität durch seine Ausübung. Wenn daher der Staat sih das Recht anmaßen wollte, das Amt seinerseits oder dessen Ausübung nah Prinzipien, welche die Absicht einer Einmischung in das Gebiet der Kirche vorausseßen, entziehen zu wollen, so würde er sich dadurch den Vorwurf der Eigenmacht zuziehen, Aber hier bitte ich eine hohe Versammlung, das eigenthümliche Verhältniß der Geistlihen der öffentlich aufgenommenen und anerkannten Religions=- Gesellschaften, wie das Allgemeine Landrecht sie bezeichnet, ins Auge zu fassen. Es giebt Religions - Gesellschaften, denen gegenüber der Staat eine rein negative Stellung hat. Sie existiren, werden ge- duldet, der Staat achtet darauf wie auf andere Sozietäten, größere und kleinere. Diese Sozietäten haben ihre Beamten, die nur in einem Verhältnisse zu den Gesellschaften stehen, als solhe haben sie zum Staate gar feine besondere Beziehung, So ist im Ganzen das Ver= hältniß aller Religions-Gesellschafteu in England, mit Ausnahme der eigentlihen Staatsfkirhe. Wiewohl alle Dissenters in hürgerliher Bezichung volllommen oe Rechte mit den übrigen Einwohnern

haben, so sind sie do, firhlich genommen, nur in einer negativen Stellung zum Staate.

Staate. Jn unserem Vaterlande is es aber ganz an= ders. Die Prinzipien unseres inneren Staatsrechtes sind im Allgem.

Landrechte niedergelegt. Da heißt es: Die öffentlich aufgenommenen Religions-Gesellschaften sind privilegirte Corporationen, e Gottes=

häuser werden Kirchen genannt und als privilegirte Gebäude des

640 Staats angeschen. Ferner heißt es, daß alle Diener dergleichen

Religions-Gesellschaften, die bei ihnen den Gottesdienst und religiöse Handlungen zu verrichten haben, mit anderen Beamten im Staate

gleiche Rechte haben sollen. Also die Diener derselben werden so ge- r wie alle öffentlichen Diener, sie genießen niht nur per-

önlicher Ehren und Auszeichnungen, sondern auch Rehte und Befug=

nisse, wodur sie in die öffentliche Ordnung des Staatslebens cin- ; Weil sie als öffent= ;

greifen, und die viel wesentlicher sind. liche Diener vom Staate anerkannt werden, vertraut thnen der Staat nah dem Allgemeinen Landrechte die wichtigsten Ange- legenheiten an. Es kann nah dem Allgemeinen Landrechte keine Ehe geschlossen werden, als durch Geistlihez die Civilstandsregister, worauf die ganze Ordnung des Familienwesens beruht, sind in ihren Hän= den. Es i} ihnen darin voller Glaube beigelegt und damit eine große einflußreiche Autorität, Wenn also die Kirche nur den Geist- lichen beruft als ihren Diener, muß der Staat, auf seinem Stand- punkte sih halteud, nicht in Betracht ziehen, wenn der Maun nur Diencr der Kirche is, ob er ihm diese wihtigen Rehte anvertrauen fann. Darauf gründet sih wesentlich das sogenanute Placet; von dem ist aber hier niht die Rede. Aber auch wenn ein Geistlicher während der Verwaltung des Amtes in den Beziehungen zum Staate, welche [die positive Stellung des Staats zur Kirche hervorbringen, etwas hut, was allein gegen die Gesege des Staats i}, muß dieser noch ein Mittel haben, um Ordnung zu erhalten, und wenn diese unter gewissen Umständen nicht aufrecht zu erhalten ist, muß er nicht sagen fönnen: Jch entziehe dem Manne, der die ihm von mir gegebenen Befugnisse nicht ausübt, wie sie der Staatszweck erfordert, diese Be- fugnisse, Dagegen wird woÿl Niemand etwas zu erinnern haben. Hâtten wir nun in Deutschland einen Unterschied von Geistlichen der öffeutlih aufgenommenen Religionsgesellshaften, wonach auch solche sein Fföunten, denen der Staat die von ihm übertragenen Befugnisse entzogen und die nebenbei doch ihr geistlihes Amt verwalten fönnten, so würde man einen Ausweg finden, Aber diese Trennung i} un= möglich wegen der positiven Stellung, welche die öffentlich anerkannten Religionsgesellschaften zum Staate haben. Ein Geistlicher, der alle vom Staate übertragenen Befugnisse niht ausüben dürfte, fönnte auch nicht einmal als Prediger in einer Kirche, die zuglei als ein privilegirtes Gebäude des Staats anzusehen ist, öffentlich vor allem Volke auftreten.

Jch gehe nun über zum Einzelnen, nämlih in welchen Fällen der Staat sih wird verpflichtet achten müssen, einzuschreiten und die Befugnisse, welche die Geistlihen von ihm haben, thnen zu entziehen, Ein solcher Fall tritt jeßt nach Tit. 20. §. 499 des Allg. Landrechts ein, Jn diesem is vorgeschrieben :

„Kirchen- und Schulbediente, die ihrer Gemeinde oder ihren Untergebenen durch grobe Laster und Ausschweifungen ein öffent- liches Aergerniß geben, sind außer der durch das Verbrechen felbst 2 a Strafe ihres Amtes, als dessen unwürdig, zu ent- eßen,“

So sagt das jebt besteheude Recht. Fälle, wie sie hier vorgus- geseßt werden, treten überall cin, wo von Geistlihen gemeine, ehren- rührige Verbrehen begangen werden. Gott sei Dauk, daß diese Fälle selten sind, sehr selten; indessen is es dennoch gewiß, daß sie in allen Kirchen vorkommen. Wenn sie aber vorkommen, so muß in jedem vorkommenden Falle ein Ausspruch auch dar- über eiïfolgen, ob der Geistlihe die Ausübung seines Amtes fortseßen könne, Wenn ein Geistliher, ich will annehmen, wegen eines groben Betruges, wegen eines Diebstahls oder we- gen eines {weren Vergehens gegen die Sittlichkeit nah den all= gemeinen Strafgeseßen verurtheilt wird, soll der Staat verpflichtet sein, den Verurtheilten, wenn er seine Strafe abgesessen hat, wieder in „sein voriges Verhältniß eintreten zu lassen? Man wird vielleicht antworten, in diesem Falle braucht der Staat sih nicht darum zu bekümmern, die obere Kirhen-Behörde wird schon dafür sorgen, selbst in ihrem eigenen Juteresse, daß der Mann nicht wieder in das Amt fommt. Hier mache ich aber auf den ganz verschiedenen Standpunkt aufmerlsam, von welchem aus eine Kirhhen-Behörde urtheilt, und von welhem die Staats-Behörde ausgehen muß, Jene kaun tief beküm- mert sein über die Handlung eines Geistlichen ; sie fanu die Ahndung derselben auf das sirengste nehmen wollen; es giebt aber vielleicht später der Geistliche deutliche Beweise von Moe Und Buße: Lie Kirche, immer bereit, wahrhaft Reuigen und Bußethuenden zu ver= geben, wird au den verurtheilt gewesenen Geistlichen, wenn er sich als ein wahrhaft Reuiger und Bußfertiger darstellt, uiht verstoßen wollen. Dies kann die Kirche von ihrem Standpunkte thun, es ist aber niht der Standpunkt des Staats, Dieser hat zugleich auf äußere Ehrbarkeit zu halten. Jm Auge des Staats wird das Ber- brechen hinsichtlich seiner Wirkungen auf die äußere Würdigkeit des Geistlichen durch Reue und Buße nicht aufgehoben, der Staat würde ganz und gar seinen Standpunkt verlassen, wenn er die Entscheidung über die fernere Zulässigkeit der Ausübung des Amtes im obigen Falle lediglich der Beschlußnahme der göstlichen Behörde überlassen wollte. Diejenigen, die für den Wegfall aller Bestimmungen, die hinsichtlich der Verbrechen der Geistlichen vorgeschlagen worden, sich erklären, würden die Aufhebung cines bereits bestehenden, längst in Anwendung ge- brachten Gesetzes verlangen. Jh glaube nicht, daß das die wahre Absicht der Abtheilung gewesen is. Ein zweiter Fall, wo es sich um Entfernung vom Amte handelt, ist der der Beleidigungen anderer Religions-Gesellshaften, wie solche in den vorausgegangenen Para- graphen des Strafgesez-Entwurfs verpönt sind, Nun is aber die Beleidigung einer anderen Religions-Gesellschaft, die von einem Geist- lichen ausgeht, von einem ganz anderen Charafter, als wenn sie von einem Privatmann, von einem Laien ausgegangen wäre. Diese Be- leidigungen fönnen vorkommen unter Formen, wo sie außerordentlich aufregend sind für andere Religions-Parteien. Handelt es sich blos um eine einzelne That, so mag es genügen, daß der Geistliche, der die Aufregung verursacht hat, nah dem allgemeinen Gesetze bestraft werde, wie der Laie, der dasselbe gethan hat. Wenn aber ein Geist- licher und immer und immer auf seine beleidigenden aufregenden Aeu- ßerungen zurückommt, sein Vergehen wiederholt, so muß doch die Möglichkeit gegeben sein, für die Zukunft einem solchen Zuwiderhan= deln entschieden zu begegnen, und da soll nun nah dem Vorschlage der Regierung der Geistliche von der Ausübung seines Amtes zurück gehalten werden fönuen, jcdoch nur der Richter soll nah Lage der Umstände beurtheilen, ob cinem solchen Geistlichen nicht für immer die Fähigkeit zu eutziehen is, in Ausübung seines Amtes friedenstó= rend einzuwirken,

i Jch komme zu dem dritten Hauptfall, der mit demjenigen Punkte im Zusammenhange steht, um welchen vorzüglich die Mißverständuisse sich bewegen, näml ch zu dem beharrlihen Ungehorsam gegen allge- meine Anordnungen, die vou der Kirchenhoheit aus einem von ihr anerkannten Bedürfniß getroffen worden siud. Es is niht davon die Rede, einen abstrakten Begriff vom Kirchenhoheitsrechte aufzustel- len , sondern es handelt sich allein um ein Kirchenhoheitsrecht, wie solches in Deutschland , und namentlich in unserem Vaterlande, ge= {hichtlich begründet is, Dieser Begriff hat sich gebildet vorzüglich seit der Reformation, in der Zeit, wo dur Friedens\{hlü}e und an- dere Traktate die Verhältnisse des Staates zur Kirche näher bestimmt worden sind, Zuletzt noch erinnere ih an die M YGANE die in der deutschen Bundesakte in Beziehung auf die Pietät der Religions=

parteien enthalten is, Diese berührt einen sehr wihtigen Punkt, Während in anderen L urt Fuer sehr ns Z Fe hat, daß die Rechte des Staates im Juteresse der öffentlichen Orbs nung gegen Uebergriffe von Seiten der Kirhe geschüßt werden hat in Deutschland die Kirchenhoheit die wichtige Aufgabe, den Frieden unter den bestehenden christlichen Religionspar= teien zu shüßen. Das isst eine der wichtigsteu Rücksichten in Deutschland und besonders in unserem Vaterlande, daß die Konfes= sionen im wahrhaften Frieden, in voller Eintracht neben einender be= stehen. Jede Friedensstörung is eine Aufforderung für den Staat Alles aufzubieten, um sie wo möglich ungeshehen zu machen, wenig- stens ihrer Wiederholung vorzubeugen.

Judem ih bemerkt habe, daß der Begriff des Kirchenhoheits= Rechts nur, insoweit er geschichtlih begründet is, hier ins Auge ge= faßt werden fann, erlaube ich mir in einzeluen Beispielen die Befug- nisse aufzuzählen, die aus dem Kirchenhoheits - Rechte entstehen. Ès existirt fast in allen Staaten die Bestimmung, daß amtliche Erlasse

“der Kirchen-Oberen nur unter Vorwissen der Negierung ergehen dürfen

diese Vorschrift besteht namentlich iu der österreichischen Monarchie und wird dort mit großer Konsequenz gehandhabt. Wenn nun ein Geistlicher, ein Kirhen-Oberer hier will ih glei einschalten, daß ih Kirchen-Obere, wie wir sie seßt haben, nicht ins Auge fasse, es sind dies vorzügliche Männer, aber kein Geseß kanu an die Persönlichkei= ten allein denken, sondern es muß im Auge haben, was srüher ge= schehen is, und was möglicherweise später fich. wiederholen fann wenn, sage ih, -ein Kircber-Oberer beharrlich Erlasse ohne Vorwissen des Staats in die Welt schicken wollte, was soll der Staat daun thun? Dies is ein Fall. Jh will einen andexen Fall erwähnen. Es besteht bei uns ein Geseß, daß gewisse Personen niht ohne Konsens ih1er Vorgeseßten heirathen dürsen, wie beim Militair. Wenn nun der Geistliche sagt: das ist ein rein bürgerliches Geses, daran fehre ih mich nicht, alle anderen Bedingungen des fanonischen Rechts zur Eingehung einer Ehe sind erfüllt, und daher vollziche ih sie und lajje mich davon nicht abhalten. i Ferner giebt es eine Anordnung, die erst neuerlich in Beziehung auf die Eingehung der Ehe bei uns nöthig besunden worden is, Mehrere Staaten wollen nicht, daß ihre Unterthanen ohne ihr Vorwissen in dem Auslande sich verheiratheu oder aus dem Aus= lande Frauen nehmen; die Frauen, wenn eine solhe Heirath ohne Konsens der heimatlichen Obrigkeit im Auslande geschlossen worden, werden zurückgewiesen, und die Ehe wird folalih nicht als bestehend angesehen. Um die Eingehung solcher Chen in unserem Lande zu vermeiden, sollen die Geistlichen aller Konfessionen darauf Bedacht nehmen, daß der Konsens immer beigebracht wird. Dies ist eine reine staatliche Anordnung. ia weiteres Beispiel : Die Kirchenbücher haben vellen Glauben, auf ihrem Zeugnisse beruht das ganze &aml=- lienwesen; es is also dem Staate daran gelegen, daß sie ordentlich geführt werden, daß nicht durch Nachlässigkeiten oder jonstige Unge= bühr Unrichtigkeiten einschleihen. Weun nun der Staak zur Abwehr Verfügungen erläßt, und der Geistliche sagt: Jch kehre mich nicht daran was soll geschehen, wenn beharrlich Widerstand geleistet wird? Endlich gedenke ich der Aufjicht über das Kircl euvermögen. Der Geistliche hat nah Verschiedenheit der vrovinziellen Zustände eine giößere oder geringere Mitwirkung bet der Verwaltung des Kirchenvermögens, oft is er der wirkliche Verwalter. Nun befindet sich zwar die Verwaltung des Geistlichen unter der Aufsicht des Kirchen-Oberen, aber dennoch hat der Staat, auf Grund gemachter Erfahrung, daß durch viele Versäumnisse Kirchen um einen größeren oder geringeren Theil ihres Vermögens gefommen sind, sür nöthig gefunden, eine Juspection, besonders im Junèteresse der Kirchen-Ge= meinde, zu üben. Wenn er findet, daß Ordnung nur auf diesem Wege erhalten werden fann und seinem Eintreten fortge]eßt wider=- strebt wird, was soll er thun? Die von mir angeführten Fälle all=- gemeiner Unordnungen auf dem Standpunkte des Kirchenhoheitsrehts würden sich noch dur viele ardere vermehren lassen. Nun sagt man zwar, wenn der Staat für Verhältnisse dieser Art es nöthig hält, einzuschreiten, so mag er die Fälle spezisiziren, exr mag ausdrüdiih erklären, dies dulde ih nicht, und wenn es geschieht, so soll es dies oder jenes als Strafe zur Folge haben; aber ein so unbestimmtes Hinstellen des Begriffes von einem behyarrlihen Unge-= horsam gegen Anordnungen der Kircheuhoheit (äßt die Sache völlig unklar, ein Strafgeseß aber muß klar fein. Hierauf bemerke ich Folgendes. Zuvörderst ist die Frage, ob es überhaupt möglich sei, eine ershöpfende Enumeration oder Specisication zu machen. Sodann sind diese Anordnungeu off veränderlich. Der eine Staat leitet aus dem Kirchenhoheiterechte z, B. die Anordnung her, daß keine Korre- spondenz der Geisilihen nah Rom stattfinden darf; der andere hält dies für cine unnüze Kontrolle und Beschwerde der Diener der Kirche. Es wäre aber möglih, daß der leßtere Staat andere Eifahrun= gen macht und dann ein Bedürfniß zu Maßregelu findet, wie der erstere sie angeordnet hat. Ferner hat auch die Enumeraiion das Anstößige, daß, wenn so ein Verzeichniß angefertigt wird, dadurch gleichsam vor der Welt ausgesprochen wird: Ju diesen Punkten hat der Staat die Erfahrung gemacht, daß Geistliche sich mit dew Jutercssen der öffentlih:n Ordnung uicht im Einklang halten, J frage, wel= den Eindruck würde eine solhe Spccification ia der öffentlichen Meinung machen? Wide sie nicht die Vorstellung erregen, als wäre der Staat voll Mißtrauen gegen die Beisllihen, oder er hatte in allen \pezifizirten Fällen besondere Veranlassung dazu, während er um- gekehrt voll Vertrauen ist und nur das thun will, was ihm une rläße- li ch erscheint, Jh gebe vollkommen zu, daß ein wirkliches Strasge=- feß durchaus flar sein muß. Jn den vorausgeseßten Zällen handelt es sich aber nicht um eine eigentlihe Strafe, Wo cinem Geistlichen die Fähigkeit zur Ausübung seines Amtes entzogen wird, soll dies niht geshehen zur Strafs ,. sondern es - 1k gleichsam nur eine Vertheidigung der Staatsordnung gegen ungehorsa- mes Widerstreben, es soll für die Zulunskt eimn z nicht eine vergangene That joll geahndet werden, jondern uur eim Wider- streben, das fortgeseßt wird, soll überwunden werden, Um sie zu überwinden, tritt eine Hemmung in der Ausübung des Amtes ein. Unter diesem Gesichtspunkte muß also die Sache gesaßt werden nicht als Strafe, sondern als Hemmung beharrlichen Widerstrebens. Das Urtheil über das Vorhandensein dieser beharrlichen Widerseblichfeit und ihre Folge, wer soll es gussprecheu: Jeßbt ijt es V, daß die Staatsgewalt sih in der Nothwendigkeit befindet, zuleyt es einjeitig zu thun. Wann hat sie es in früherer eit ges E hat vor= her versucht, auf ¡edem anderen Wege den Konslitl zu erledigen, bes souders dur freundliche Verständigung Pen Kirchen - Dberen, Die Verfolgung dieses Weges bleibt m der Regel auch nicht ohne 5 M billigen Verlangen der Staatsgewalt muß aber eine sreund= liche, versöhnliche Gesinnung der Kirchen P eine unbefaugene Würdigung des Dranges der Umstände und Verhältnisse, _in welchen sich die Staatsgewalt befindet, entgegenkommen. Wer bestimmt aber die Gränze, wo die Unbefangenheit aufhört und in eine entgegengeseßte Auffassung übergeht? Vie Kirchen-Oberen können im einzelnen Falle in ihrer besten, gewissenhaften Ueberzeugung erklären, daß sie sich nicht in der Lage befänden, den Konflikt zu erledigen, indeß die Staats- gewalt nur dabei beharren fann, daß der Widerstand für die Zukunst überwunden werden müsse, Es is also die Voraussebung einer für

alle Fälle möglichen, durhgreifenden Verständigung nicht anzunehmen, sonders man nuß Vorsorge treffen, was geschehen soll, wenn eine êrständigung vergeblich versucht worden ist. Jh glaube nicht, daß eine hohe Versammlung die Ansicht theilt, daß der Staat in einem solchen Halle Alles geschehen lassen müsse. Jst| man der Meinung, es bei dem jegigen Stande der Dinge zu belassen, \o heißt dies so viel, als die Konflikte sollen fortdauern, und jeder Theil mag sich selbst helfen, wie er fann. Wenn aber eine Staats - Regierung Willkür unter jeder Form zu vermeiden wünscht, wenn die Regierung Friedrich Wilhelm's 1V., überall auf das Recht achtend, es verschmäht, willkürlih zu handeln, will man sie dadurch, daß man solche Bestimmungen zurückweist, wie der Gesetz - Entwurf mit der Modification des zuleyt vorgelegten Amendements sie auf-

ellt, in die Nothwendigkeit verseßen, immer den Schein der Willkür auf sich zu laden? Viele verehrte Männer, welche die Rechte der Kirche aus warmer Ueberzeugung vertreten und mit Recht vertreten, denken sich aber wohl mit gleicher Liebe in die Stellung des Landesherrn, der niht die Meinung der Willkür auf sich laden will, und werden wohl au, von dieser Betrachtung aus, von dem Widerspruche ab- lassen, daß eine Einrichtung getroffen werde, wodurch auch der Schein der Willkür vermieden wird. So viel zur Beseitigung der Mißver- ständnisse, welhe der Geseh-Entwurf erfahren hat.

Wenn es nun zur Berathung der Bestimmungen des Gesehes im Einzeluen kommt, so bitte ih, den Vorschlägen der Abtheilung ge- genüberzustellen niht blos die Paragraphen, wie der vorgelegte Entwurf sie enthält, sondern auch die neuesten Vorschläge, welche die Königliche Regierung gemacht hat. Sie hat sie gemacht nach sorg- fältiger Prüfung aller theils durch die Presse, theils durch die ver- traulichen Aeußerungen von Kirchen-Oberen erhobenen Erinnerungen. Sie konnte sich in Folge dieser Prüfung nicht verhehlen, daß der frü= here Entwurf in der Fassung der Bestimmungen, in der Aufstellung eines besonderen Titels: Von den Verbrechen der Geistlichen, selbst auch in dem Jnhalt einzelner Festscßungen einen Theil der Mißver- ständnisse hervorgerufen hat. Als Ergebniß der von ihr angest.llten Prüfung und Sichtung hat die Königliche Regierung die Modificationen des früheren Entwurfs beschlossen, welche von ihr der Abtheilung des Vereinigten Ausschusses vorgelegt wordeu sind. E

Was das Verhältniß dieser Modificationen zu denjenigen Vor- {lägen anlangt, welche die Abtheilung in ihrer Majorität gemacht hat, so bemerke ich, daß sie im Kern und Wesen von der Ansicht der Regierung nicht abweichen. Bei denjenigen Punkten, wo wirklich ab- weichende Anträge gemacht worden sind, wird eine Verständigung nicht \{chwer fallen, So legt die Abtheilung Werth darauf, daß von Ordnungsstrafen in dem Gesebe nicht die Rede sei. Die Regierung wird kein Bedenken haben, diesen Vorschlag anzunehmen. Der Ord- nungsstrafen ist in dem Entwurf nur Erwähnung geschehen, um die vergebliche Anwendung desselben als ein Moment mehr zur Konstati- rung der beharrlihen Widerseßlichkeit aufzustellen. Der Richter mag aber, ohue Hinweisung auf einen besonderen Moment, alle thatsäch= lichen Umstände nach freiem Ermessen zusammenfassen, um den Thatbestand des beharrlihen Uugehorsams festzuseßen.

Abgeordn, Graf von Galen: Jh hatte mix das Wort erbe= ten, um über den Titel 27, die Verbrechen der Geistlichen, im Allge- meinen zu reden, che” die Diskussion über die einzelnen Bestimmungen begonnen wird, Es is indeß immer von Verbrechen der Geistlichen die Rede, und es kann daher nicht darguf ankommen, ob der Titel beibehalten wird, oder ob verschiedene Paragraphen hier oder an cinen anderen Ort eingeshobeu werden. Es handelt sich von Verbrechen der Geistlichen als Geistlichen, niht von Verbrechen, die ein Geist= licher als Räuber, Dieb oder Mörder u. \. w. begeht, denn als fol=- cher verfällt er dem strafenden Arm der Gerechtigkeit. Die Verbre- hen der Geistlichen als Geistlichen sollen hier in das weltliche Straf- recht aufgenommen werden. Was nun den Standpunkt des Rechts betrifft, so hat der Herr Referent denselven auseinandergesebßt, und die Rede des Herrn Ministers der geistlihen Angelegenheiten is wahr- lih nicht im Stande gewesen, meine Ueberzeugung in dieser Bez'e- hung auch nur im mindesten s{hwankend zu machen. Jch erlaube mir daher, dies hier nicht weiter zu berühren, fondern, falls es mir nöthig erscheinen möchte, bei der ferneren Diskussion mir das Wort vorzu= behalten. Jch will jeßt nur den Standpunkt bezeichnen, den ih als Katholik einnehmen muß, den Standpunkt, den Jeder, welcher die katholische Kirche als die seine bekennt, einnehmen muß. Und d fragt es sih vor allem, was is der Geistliche als solcher in den Au- gen des Katholiken, was is er in der katholischen Kirhe? Der ka- tholische Geistliche is zuvörderst ein Diener jener Kirche, die nicht staatlih umschlossen, dem Raume nach keine Gränze fennt, als das Weltenrund, und der Zeit nach keine Gränze kennt, als das Welten- ende, die überall und alle Zeit eine und dieselbe ist. Mit den Worten : urbi et orbi giebt der heilige Vater in Rom am Auferstehungstage des Herrn mit dem Zeichen des Heils den Segen. Der Geistliche ist ferner nicht ein Weltlicher, nicht angestellt von der weltlichen Macht. Er i ein solcher, der durch die heilige |Weihe, bur die Bischöfe, diese Nachfolger der Apostel), in ununterbrochener Reihe ihm ertheilt, ein unauslöschlihes Merkmal seiner Würde erhalten hat, Er ist in unseren Augen ein Priester des lebendigen Gottes, Der Geistliche ist endlich in sein Amt eingewiesen dur die Kirche. Nur durch die Kirche is er eingewiesen in das Amt, welches ihm Rechte giebt und ffes Me auferlegt. Er übt sie aus im Namen dessen, der die Kirche eingeseßt und gesagt hat: „Gehet hin in alle Welt und prê- digt allen Völkern.“ Dieses Amt hat seine Stelle in der bestehenden Hierarchie, diese Hierarchie aber befennen wir als eine göttliche Ein- seßung, und das Concil zu Trient bezeugt dies uns als Dogma. Das ist der Geistlihe von dem Standpunkt des Katholifen aus, und dar- um is es uns unmöglich die Entsezung oder Entfernung des Geist- lihen vom Amte, die Unfähigkeit desselben zu eincm Amte oder das Verbot der Ausübung des Amtes durch den weltlichen Richter erken- nen und in das weltliche Strafrecht aufnehmen zu lassen “ohne dem Glauben, den wir bekennen, zu nahe zu treten. Der Herr Minister der geisllichen Angelegenheiten hat erklärt, daß es nicht die Absicht sei in die Rechte der Kirche einzugreifen, und eben \o wenig dürfte die Absicht sein, in die Gewissen der Cinzelnen einzugreifen. Um des Glaubens willen und um der Freiheit dieses Glaubens willen stimme ih für den Wegfall des Titels, für Wegfall der Amendirung der Abtheilung, für Wegfall der Vorschläge, welche die Regierung neuer- dings gemacht hat, und gegen alle künftigen Vorschläge, fort und fort, so lange gleiche Bestimmungen darin enthalten sein möchten.

Abgeordn. Graf von HFürstenberg: Jh schließe mi zunächst aus voller Ueberzeugung Allem an, was der verehrte Redner, der Abgeordnete aus der Rittershaft von Westfalen, so eben ausge=- sprochen hat. Jh will hier nur mit einigen Worten diejenigen Erklärungen abgeben, wodur ich meine Abstimmunz motiviren werde, Meine religiöse Ueberzeugung ift allgemein bekannt, und kurz formulirt heißt sie: Treue Gott und meiner Kirche. Meine politische Ueber- zeugung is niht minder kurz und einfach, sle lautet: Unverbrüchliche Treue gegen die von Gott herstammende und re{chtmäßige Obrigkeit, aaraus folgt für mein religiös-politishes Leben: Gott zu geben, a Mois ist, und dem Kaiser, was des Kaisers is, Dieser Grund- Glüg T S omaine ausgedehnt, bildet meiner Meinung nah das für sein taates, und bürgt für seine Ruhe nah Junen, so wie

en Ehrenstand nach Außen, der Staat anerkennend was der

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Kirche, und die Kirche was dem Staate gehört, Greist aber ein Theil nah dem, was des Anderen is, und will mit offenbarer Ver- legung des Rechtögebietes des auderen sih einseitig zueignen, was ibm nicht gehört, so alterirt derjenige Theil, wer er au sei, das Recht, die Ruhe und was damit zusammenhängt. Wer es dann in einem solchen Falle mit Gott und seinem König treu und redlich meint, der wird sich opponiren, damit die Folgen nicht gegen ihn zeugen fönnen. Ein solher Opponent ist der wahre Freund des Staats wie der Kirhe. Dieses vorausgeseßt, bin ih, in Bezug auf den vorliegenden Titel, die Paragraphen und respektiven Amendements der Meinung, daß sie in der Wirklichkeit auf jenem F-lde sih bewegen, auf dem sie sich niht bewegen sollten. Weil ih nun meinen Glauben liebe, meinen König und mein Vaterland nicht weniger und weil ich einsehe, daß ein sich Fortbewegen auf d'esem Felde nicht zum Heil führen fann und wird, was ein Geseß doch soll, so stimme ih gegen den Titel, und gegen die einze!nen Paragraphen, so wie gegen alle Amendements, welche im selben Geiste gefaßt sind oder noch gefaßt werden.

Wir aus der hohen Versaminlung, das wage ih \chließlich noch auszusprechen, Gott, seinen König und sein Vaterland liebt, der wird die Bedeutung meiner Worte nicht ve:keunen, Jch wiederhole, daß ih gegen den Titel, gegen dic Paragraphen und gegen die vorge= legten Amendements stimmen werde.

Abgeordn, Camphausen: Der Herr Minister hat in seiner Aus= führung zunächst den formellen Grund geltend gemacht, daß die be- stehende Beseßgebung soweit, oder selbst| weiter gehe, als der Regie- rungs-Vorschlag, und hat die Erwartung ausgesprochen, daß es nicht in der Juicution der Abtheilung liegen fönne, von dem abzuweichen, was in der besteheuden Geseßgebung vorgeschrieben Fot, I VgBe dagegen zu erinnern, daß dies nicht der Standpunkt is, den die Versammlung anzunehmen und den sie bisher angenommen hat; die Versammlung hat ihre nsichten über die ihr vorgelegten Vorschläge in der Regel unabhäugig von den bestehenden Geseßen abgegebcn z sie bat sih dabei derselben Fretheit betient , deren die Regierung sich bedient, indem sie der Versammlung Vorschläge vorlegt, die von der bestehendeu Gesetzgebung abweihen, Es wäre überhaupt die Zusam= menfunft des Vereinigten Ausschusses ganz unnöthig gewesen, wenn nicht von der Reoierung Gesehe vorzulegen gewesen wären, die eine Aenderung der bestehenden Grsebgebung bezwecken. Jh kann in diesem Grunde feine Veranlassung sehen, daß die Versammlung eine andere Arußerung auf die gemachten Vorschläge mache, als fie cie Natur de: Sache und der Zustand des Laudes tegründet, Jh faun weder dem ersten Vors dlage dec Regierung nah dem Amendement der Abtheilung, noch dem zweiten Vorshlage der Regterung zustimmen, weil alle über die Gränze hinausgehen, die dem Staate, der Kire gegenüber, gestellt werden muß. Von jeher haben Staat und Kirche um die Erweiterung ihres beiderseitigen Rechtsgebictes gestritten, und dieser Streit is nicht immer von Nawtheil sür die Menschheit ge- wesen, Wo gber der Staat in der Kirche, oder die Kirche im Staate unterging, da is noch uiemals ein dauernder Segen aus ctaecm soîhrn Verhältnisse erwachsen, Nach einem tausendjährigen Kampfe sind die Eroberungen, welche die Kirche ungebührlih gemacht hat, auf einen dem Staate nicht mehr gefährlichen Uiafang zurückzesührt worden, Jh muß es bedenïlih erachten, dixses Gcbiet noch mehr, und jo sehr zu beschränken, daß die Mittel zur Behauptung der Selbst= ständigkeit und Unabhängigkeit vershwinden. Nicht einen Staat 1m Staate will ih, aver ih will neben dem Reiche des Willens ein Reich des Glaubens, und wie ih für die Stände ein selbstständiges Recht in Anspruch nehme, so nehme ih auch ein selbstständiges Recht für die Kirche in Anspruch, ein, wenngleich beschränktes, Gebiet, auf w:lchem sie sich unabhängig und uaantastbar zu bewegen hat. Dieses Gebiet überschreiten die gemahten Vorschläge in zwei Punkten, 1) darin, daß dem Staate das Recht zuerkanut werden fol, Qui Entfernung der Geistlichen aus dem Amte zu erkennen, und alle die Gründe, welche von Seiten des Herrn Ministers dafür angeführt worden sind, daß ein solhes Ret dem Staate eingeräumt werden möge, haben mich nicht vou der Nothwendigkeit überzeugen können. Es is hinsihtlich der gemeinen Verbrechen bereits das zugegeben werden, daß die Kirche selbst das hoze Juteresse habe, gemeine Ver= brocher nicht in fir{hlihen Aemtern zu belassen, und wean bi hauptet worden i}, daß die Kirche cher gencigt sei, zu verzeihen, daß sie ge=- neigt sei, in solchen Fällen zu verzeihea, wo der Staat nicht ver- zeihßen werde, so würde cs wünschenswerth sein, eine Zahl von Fäl- len angeführt zu schen, in welchen die Kirche für angemessen erachtet hat, gemeine Verbrecher in geisilichen Aemtern und Würden zu lassen. Es is hinsichtlich des anderen Punktes die Nothwendigkeit der Ent- fernung aus dem Amte noch weniger nachgewiesen worden. Dieser Punkt is die Beleidigung fremder Religionsgesellshasten. Schon gegenwärtig hat der Strafrechtöentwurf in einem solhen Falle ein Strafmaximum von 3 Jahren gestattet; man wird zugeben müssen, daß das Vergeheu, wenn es von dem Geistlichen in öffentlicher Rcde begangen wird, s{chwerer ist, ûls wenn es ein Privatmann begeht ; möge man die Strafe erhöhen und das Gesch wegen des Rücksalles anwenten. Die häusige Wiederholung eines solchen Falles kann um so cher vermieden werden, als hinsichtlih des einmal Bestraften die Wachsamkeit der Aufsichtsbehörden des Staates doppelt vorhanden sein wird. Es is zwar von dem Herrn Minister nicht auf das placet Gewicht gelogt worden, deunoh haben roir daraus an ande- ren Orten viele Folgerungen ableiten hören, Jch bin nicht der Mei=- nung, daß daraus ein Recht dec weltlihen Macht zur Entfernung des Geistlichen aus seincm Amte abgeleitet werden könne; ih ver- gleiche das placet mit dem Rechte, welches der Vater hat, seine E nwilligung zu der Verheirathang seiner Kinder, seiner Tochter zu geben; wenn er diese Einwilligung gegeben hat, wenn die Che voll- zogen ist, so kann er sie uiht mehr zurücknehmen, und dadurch die Che auflösen.

Der andere Punkt, in welchem der Vorschlag über das Gebiet, welches dem Staate zu überschreiten nicht gestattet werden kann, hingusgeht, ist derjenige, daß Verbrechen mit St:ase bedroht werden sollen, ohne daß sie mit Geaauigkeit und Schärfe bezeichnet siad. Jch habe geglaubt, daß es shwierig sei, hierin zu einer Ausgleihung zu gelangen, daß es ungemein schw:erig sei, die Fälle, in welchen das Hoheitsreht des Staates verleßt sein würde, zu bezeichnen. Aber darüber bin ih eines Bessrren dur den Vortrag des Herrn Ministers belehrt worden, weil ih daraus entnommen habe, daß diese Aufgabe eine leichte si. Es sind uns Fälle angeführt worden, in welhen eia Konflikt mt din Hoheitörechten eintreten fann, und es scheint mir nicht shwierig, für diese Fälle bestimmte Strafen anzudrohen, ohue daß man genöthigt wäre, zu der Strafe der Entfernung aus dem mte zu greifen. _Die Fälle waren: das Vorwissen der Regierung b-i amtlichea Erlassen, die Ueberschreitung der Geseße wegen der Civitstants-Register, des Gesehes wegen Bei= bringung des Ehekonsenses, drs Gescßes wegen der Kirchenbücher und die Anordnungen des Staates wegen der Vermögensoverwaltung. Jch habe eine andere Anführung nicht vernommen, und sehe nicht ein, welhe Schwierigkeit darin liegen fönnte, diese Fälle, wie auch in anderen Geseßgebungen bereits ge|chehen ist, mit Strafe zu bedrohen, und auf eine so wirksame Weise mit Strafe zu bedrohen, daß man sih auch für die Zukunft shüßte, daß die Strafgeseßgebung die Auf- gabe habe, die Ueberwindung eines möglichen künftigen Widerstandes

zu bewirken, das wäre ein Saß, dem ih uit zustimmen fönnte. Diese Aufgabe hat das Strafgeseß, gegenüber der bürgerlichen Ge= sellschaft, nicht; es is die Aufgabe der Polizeigewait, den Wider=- stand zu überwinden, oder ihm zuvorzukommen, wenn er vorausgf- sehen werden kanu; die Aufgabe des Strafrehtes aber is cs, begangene Verbrechen und Vergehen zu bestrafen. Der Begriff der Hoheitêrechte des Staates, der Kirche gegenüber, gehört zu den- jenigen, welche ihren eigenen Lebenslauf haben, welihe je nach dem Gange der Dinge schwäcer und stärker, eingeshränfter uad ausge= dehnter werden, und eben hinsihtlich eines solchen Begriffes ist es durchaus nothwendig, daß das Stra geseß mit Genauigfiit bezeihne, was im gegenwärtigen Augenbli? Rechtens ist. Nicht darf das Strafgeseß eine Handlung mit Strafe bedrohen, die in fiüherer Zeit ein Vergehen war, oder in künftiger Zeit ein Vergehen werden fönnte, sondern nur die, welhe in dem gegeuwäitigen Augenbl:cke cin Veraehen is, und mit diesem Erfordernisse hängt zum Theil zusam= men, daß man selb| im Juteresse der weltlihen Macht diz Annahme solher Bestimmungen“, wie sie uns vorliegen, nicht empfehlen fann, Sie sind cine Harfe Wasse ohne Handhabe und werden häu fig viele leiht in ter Regel denjenigen verwunden, der sie benußt; das bat die Ersahrung gelehrt. Jh fann nur sür Bestrafung bestimmter Verbrechen stimmen, und nur für die Anwendung solchec Straf=- arten, welhe die Entfernung der Geistlichen aus dem Amte aus= \Yhließen.

Abgeordn. Steinbeckck : Wern ih als Abgeordneter aus einer Provinz, in welcher die verschiedenen Konfessionsverwandten fricdlich und im Einverständaiß neben einander leben , das Wort ergreife, o sheint in diesem Ergreifen des Wortes eine Pflicht zu liege, râm= lih die Pflicht : Deu Ges, der in dieser Piovinz berrsht, hier zu manifestirenz den Geist, dessen wir uns in jeuer Provinz erfreuen, welcheun auh äußere Veranlassungen, Angriffe vou verschiedenen Sei=- ten her niht fähig gewesen sind, dauernd zu stören. Aus solchem Geist erwächst ein ruhiges Urtheilen, weil die wechselscitige Bekaunt= hat mit den äußeren und klonfessioncllen Verhältnissen der Kirche, uu? in den Stand seßt, mit ciner gewissen Unpartheilihkeit und Ge- rechtigfiit darüber zu urtheilen, wo es darauf ankommt, die beiderlet Verbältnisse nibeneina:der in?s Auge zu fassen. Zavörderst be= merke id, daß ih nicht gemcint bin, hier in eincm idealen Gesichts- punfte die Frage, um die cs sich handelt, aufzufassen und zu vér= folgen, ‘o sehr ih untcr anderen Umstäuten es thun zu fönnen wünschen würde. Jh werde mich ganz einfach an das halten, was geschitlich und geschlich uns verlicgt. Geschichtlih haben sich Kirche und Staat mannigfach, fast stets in allen Ländern, deohaib in ver= schiedenartigem Konflift gefunden, weil cs der Wille der göttlichen Vorsehung war, daß cben turh solche Konsflifte die Wahrheit in ihrem wechselseitigen Verhältnisse mehr und mehr siege. Die aus dem abstraften Standpunkte wohl zu vertbeidigende Ansicht frühe= rer Jahrhunderte , die Kirche sei die Sonne und der Staat empsange von dicser Soune sein Licht; diese Ansicht ist, (ih wiederhole cs: von dem abstraktea Standpunkte aus, in gewissem Sinne, wohl zu ver= theidigen), sie kann aber in dem fonfreten Verhältn. je allerdings nicht Play greifen. Eine zweite machte si daher früh und in Deutsch- land namentlich {oa vor dem 13. Jahrhundert nebèn ihr geltend, es ist jene Ansicht von den zwei Schwerdteru, deren eines die Kirche, das andere der Staat zu führen habez damit durh das Führen die= ser Schwerdter der wahre Wille Gottes, sein Reich vertheidigt werde. Es hat auch dicse Ansicht späterhin Anfechtungen erfahren. Der Staat hat mehr und mehr seine eigene Gewalt deshalb, weil er Träger d:s Rechtes ist, in dem Gebiete der Kirche geltend machen wollen, daß is ihm aber nur her und da und keinesweges allgemein gelungen. Als die Kirchenspaltung in Deutschland eintrat, da mußten au die Jdeen, welche von Seiten des bestehenden und von Seiten dessen, was sie an die Stelle des, bestehenden schen wollte, gelt-nd zu machen waren, flarer und bestimmter auêgesprochen wer- den, die Reformaroren wollten keinesweges die Kirche dem Staate üunterordnen , sie wollten keinesweges seiner Macht die Kirche unter- orduen, sie wollten feinesweges die Freiheit der Kirche durch den Staat unterdrückeu lassen; aber sie waren zu schwach, cinen solhen Willen auszuführen. Sehr schnell wurde, was sie vermeinten, aufrecht halten zu fönnen, von fräftigen Herrschern zu nichte gemacht, die neugestaltete Kirhe wurde meist meyr oder minder die Sfklavin der Herrschergewalt ter Staaten, und das isst auf mannigfahe Weise geshehen. Wir haben dieses Streben fort= geseßt gesehen auh in späterer Zeit. Doch die Staatsregenten, bald begreifend, das, was sie sih angemaßt hatten, doch am Ende eben nur auf Anmaßung hinauslaufe, wollten nicht ableugnen, daß die Kirche frei sein und frei bleiben müsse; darum erklärten die evan- gelischen Landesherren si in ihren Ländern für die obersien Bischöfe ihrer Kirhe. So hat sich dana in der evangelischen Kirche in den meisten Ländern ein Verhältniß auëgebildet, welches man sehr zeitig hon wieder unklar mahte. Nämlich: nicht als Monarch is der Landesfürst das Haupt der evangelischen Kirche, sondern er is es, weil seine Vorfahren st{ das Recht der obersten bischöflihen Würde beigelegt haben. Nun haben bcide Kirchen sich in zwei Sphären nebenemander zu bewegenz die eine Kirche betrachtet sih als gegrün- det auf den Fels, auf den Christus seine Kirche gebaut hat, uner- shütterlih, und in ihrer sicheren Konsequenz, deren Anerkenntniß sie voa Allen erwarten kann, welche sie zu würdigen wissen und welche sich die Mühe nahmen, in das Junere des Wesens dieser Kirche einzudringen z wird diese Kirche vergeblih von dem Staate und seinen Gesetzen angegriffen werden; sie wird dur eigene innere Kraft jedem solchen Angriff zu widersiehen wissen. Die evangelische Kirche ihrer- seits befindet sih, wir dürfen das gar nit leugnen, in cinem ZuU- stande der Cntwickelung, sie soll gekrästigt werden, namentlih in unserem Vaterlande, an ihrer Verfassung wird lebhaft gebaut, man hat den Begriff ciner bestimmten Landeskirche aufgestellt, um der- artige Abzweigungen von ihr zu trennen, zu sondern und ihr einen inneren Organismus zu geben, den sie noch zum Theil entbehrt. Was das Ende dieser Bemühungen sein wird, wissen wir nit, wir dürfen aber hoffen, daß der erhabene Monarch, der uns regiert, das voa seinen Vorfahren auf ihn gekommene uud von ibm übernommene Recht der oberbischöflihen Würde in dieser Kirche in ihrem Geist ver=- waltend, nicht, was ihm als Staatsoberhaupt zusteht, mif einer Stell 4 ala Oas L - evangelishen Kirche vermischen und beide Stellung als Oberhaupt der evangen@ i Nachd ; Eigenschasten mit einander verschmelzen wolle, 7 L ah N 19 diese Bemerkungen vorangeschick, bin ih im Stande, den uns vor- legenden Geseßentwurf ins Auge zu fassen, soweit er uns in frühes F S x uns in den jeigen und neuesten Vorschlägen und im latt ‘Abtheilung übergeben ist, Das Allg. Landrecht ist in früßeren Vorträgen angeführt worden, eben so hâtte au der Code pénal angeführt werden können, denn auch er enthält Bestimmungen über das Verhältniß des Staates zu den Geistlichen in Fällen, wo die legtereu bei Verwaltung ihres Amtes mit dem Staate in Kon- flift gerathen. Beide Gesege begehen den Fehler, daß sie nicht die fatholische Kirche in ihrer Individualität Und Abgeschlosscnheit geson- dert von der evangelischen auffassen. Dies kann nun dem Code énal insofern niht zum Vorwurf emacht werden, da zur Zeit, in welcher er eingeführt wurde, die ahl der evangelischen Glaubens- genossen in Frankreich nur klein war, er sih au entfernt hielt, in seinen Bestimmungen das Verhältniß mit ihnen zu berühren, Dem.