1848 / 68 p. 3 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Landrecht werden wir aber hieraus feinen Vorwurf machen, sobald wir die Zeit, wo es Geltung erhielt, und die Ansichten, von denen man damals ausging, ins Auge fassen. Wir aber wollen und sollen etwas besseres schaffen, etwas über dem Landrehte und dem Code pénal Stehendes. Nun erscheinen Geistlihen in zweierlei Beziehungen, nämlich in der, wo der Staat ihnen die Ausübung gewisser Functio= nen überträgt, die keineeweges mit der Kirche in einem von ihr untrennbaren Zusammenhange steben, ih meine damit die Functionen, die man in Frankreih den Beamten des Civilstandes überweist. Diese sind nit geistliher Natur, und cs würde keine Schwierigkeit haben, wenn auf die, zu solhen Functionen berufenen Geist- lichen, als Beamte, im Strafgesep Beziehung genommen winde, da bei solhen Functionen die Geistlihen nicht als felhe, Fondern ganz im Auftrage des Staates handeln, Dies würde die Kirche nicht anfechten. Wenn wir uns damit begnügen, so wird eine solhe Auf- nahme von Strafbestimmungen gegen Geistlihe in das Geseß faum Widerspruch finden. Sobald wir aber Geseße begehren, wie im Strasfkodex der Fall i}, die den Geistl:chen als Geistlichen berühren, so wird sih dieser Widerspruch bei allen Konfessionen geltend machen. Es handelt sich um Glaubenefreiheit, d. h. niht um die Freiheit des inneren Glaubens, welhe kein Staat anzutasten vermag, sondern um das Recht : diesen inneren Glauben in den Fermen und dem Lehr- system einer bestimmten Kirche, welher man sih angeschlossen hak, üben zu dürfen. Die Advokatie der Kirche, diese Advokatie, di: Karl den Großen zum Kaiser des Occidents förderte, wollen wir unserem Monarchen sichern für jede Kirbe. Aber indem wir ihn in |\ den Stand seßen wollen, {iüßend über jede Kirhe zu wachen, un- parteiish und gerecht, können wir uns nicht entschließen, den seitens des Gouvernements gemachten Vorschlägen beizutreten. Denn die Vorschläge scheinen allerdings mild und human, und wir sind fest überzeugt und wollen cs in feiner Weise in Zweifel stellen, daß das Gouvernement den edlen reinen Willen hat, an die Stelle der Willkür etwas Gesebliches treten zu lassen; daß es gern vermei- den möchte, selbst den Schein einer Parteilichkeit oder dessen, was dem ähnlih sein könnte, auf sih zu laden, und eben darum unsere Richter, die unparteiish, die frei und männlich die Geseße verwalten werden, an seine Stelle treten lassen möchte. Das aber kann uns niht genügen. Denn indem ein Begriff nicht in völlig scharfer Be= gränzung aufgestellt wird, wird er immer ein s{wankender hcißen müssenz und ein solcher ist der Begriff des Hoheitêrechtes des Staates in Kirchensahen. Darum meine ib, daß alle diese Bestimmungen niht in dem Straffodex, fondern in ciner Kirhenerdnung Plaß zu findea haben. Wie sich für eine solche der Staat mit der fatholi- \hen Kirche und in dieser die geistlihen Behörden sich mit ihrem Oberhaupte zu vereinigen haben, gehört nicht hierber. Daß eine solche Vereinigung mögli sei, kann nicht bezweifelt werden. Die evangelische Kirhe anbelangend, so würde \sich die Staats - Verwal- tung mit der für sie in ihr von dem Monarchen als obersten Bischof eingeseßten Behörde zu verständigen haben, Zur Verwarnung vor Mißdeutung in lebterer Beziehung bemerke ih übrigens, daß ich nicht etwa wünsche, daß wir die englishe und schottishe Epiefkopalkirchen= form in unsere evangelische Kirche überführen. Nach diesem Allen beântrag? ih die Beglassung aller dieser Paragraphen.

Abgeordn. Freiherr von Gudengu: Nach dem viclen Vortresff- lichen, was wir jeßt gehört haben, is cs für mich cine sehr schwierige Aufgabe, dem noch Wesentliches hinzuzufügen. Jch kann nur damit beginnen, daß ih erkläre, daß ih den Rednern, die vor mir gesprochen haben, vollfommen beipflichte, und aus den erwähnten Gründen gegen alle und jede Vorschläge stimmen werde, welche die gerügte, die Rechte meiner Kirche verleßende Tendenz in sih tragen. Der Herr Minister der geistlichen Angelegenheit hat schr treffend gleich die beiden Punkte hervorgehoben, die hier die wichtigsten sind, nämlih die Verfügung der weltlichen Strasgewalt über das geistlihe Amt, und die Bezeich= nung der Nichtbeachtung ganz unbestimmtker Hoheitsrehte als Ver- brehen. Rüksichtlih des ersten Punktes, nämlich der Verfügung tiber das geistlihe Amt, kann ih natürlih vou meinem katholischen Stand= ounkte aus, wie die verehrten Mitglieder der Ritterschaft aus West= falen und der Rheinprovinz bereits angeführt haben, nur darauf beharren, daß dadurch die Rechte unserer Kirche gefährdet werden, man mag dies in eine Form einkleiden, in welche man wolle, Jch betrahte dadurch die Rechte meiner Kirche als verletzt und erkläre, daß ih einem solhen Beginnen nun und nimmermehr beistimmen fann. Der Herr Minister hat angeführt, daß die amtliche Thätigkeit der Geistlichen in einigen Fällen zu hemmen nothwendig sei, weil der Staat gegen Rechtsverleßung und öffentliche Störung seitens der

Geistlichen sih verwahren müissez daß allerdings die Geistlichen einige Functionen hätten, welhe niht vom Staate verliehen worden wären, Andere seien ihnen aber vom Staate anvertraut, und diefe ließen sih von jenen nicht trennen. Wenn aber die verschiedenen Besug= nisse der Geistlihen s|ch nicht trennen lassen, so kann ih darin nur einen Grund finden, kein Recht zu nehmen, keinesweges wird es aber dadurch gerechtfertigt, zugleich auch diejenigen Befugnisse zu nehmen, an die der Staat fein Recht hat, Der Herr Minister hat serner angeführt, daß die Absicht des Gouvernements dahin gehe, daß den Rechten der Kirchen noch größere Garantieen dargeboten würden, als ste bercits haben z und zwar dadurch, daß nun, fern von aller Willfür, alle Vorfälle der richterlihen Entscheidung überlassen werden scllen. Aber darin, daß der Richter entscheiden soll, darin finde ih gar feine Garantie, wenn ihm die Rechtsgeseße ers vorgeschrieben werden, nah denen er entsheiden muß. Dann kommt es auf deu Juhalt der Gesetze seibst an, ob sie Garantie bieten, und eine solche finde ich in diesen Ge- seßen keinesweges. Der Herr Minister führt ferner an, daß die Hoheitsrehte keineêweges ein so unbestimmter, sondern vielmehr ein geshihtliher Begriff sind. Jh gebe das zu, es ist gew:ß. Allein eben die Geschichte lehrt mi, daß über den Begrisf dieser Rechte ein mehr als tausendjägriger Streit besteht. Diesen Streit datire ih keinesweges ers von der Reformation herz er is viel älter. Haben wir etwa den Streit über Belehnung mit Ring und Stab, das Konkordat von Worms, die Kirchenstreitigfkeiten vergessen, denen Tau-= sende von Menschen zur Zeit des Mittelalters zum Opfer fielen? Eben so wie damals besteht noch, wenn auch niht mehr blutig, diefer Streit und er is noch immer eben so, wie damals, unentschieden. Die Uebertretung eines ganz unbestimmten Rechtes als Verbrechen zu stempeln, is noch nit erhört, ungewisse Gränzbestimmungen sind so gut wie gar feine, So kann der Fall eintreten, daß ein Geist- liher bona fide handelt, und nun nihts destoweniger Verbrecher genannt wirdz aber ih sehe niht ein, daß er deshalb wirk ein Verbrecher \ei. Es kommt mir dies so vor, als wenn man die Un- annehmlihkeit des ganzen Streites an rächen wollte, und der kann doch gar nichts dafür. Ungerechtigkeiten schreitet, muß man auf andere Mittel siunen.

Der Herr Kultus-Minister hat ferner gesagt, eine Spezialisirung

der einzelnen Rechte sei entweder unmöglich oder doch höch} \chwierig,

und dies bezweifle ih niht; der Herr Minister hat aber einen Mo- ment hervorgehoben, den ih niht zugeben fann. Er hat nämli esagt, die Spezialisirung her Vergehen würde wenigstens so aus=- führlich werden, so viele Punkte enthalten, daß sie ersheinen würde,

als die Aeußerung eines ungeheuern Mißtrauens gegen die Geist-

lihen. Der Meinung bin ih gar niht. Wenn man auch viele Punkte berühren muß, so is es doch besser , sie zu präzisiren, als

dem einzelnen Geistlichen Ehe man zu

642 eine allgemeine Bestimmung zu lassen, wona Alles als ein Ver- brehen aufgefaßt und bestraft werden kann, (Stimme: Sehr richtig)

dadurch werden wir mehr Gelegenheit zum Mißtrauen geben. Ferner bemerkte der Herr Minister, die Beleidigung der geduldeten Religions- gesellshaften müsse bei den Geistlichen besonders hart bestraft wer- den, wegen der großen Gefährlichkeit, kurz er stellte die Eintracht und das Vertrauen zwischen den verschiedenen Religionsgesellshaften sehr hoh. Je stelle es au hoh. Man kann es nicht höher stellen, als ih ; aber über die Mittel zur Erreichung dieses Zweckes sind wir anderer Meinung. Das Amendement der Abtheilung will mit Recht Jeden vor Gericht stellen, der diese Eintrocht, dieses gute Vernehmen zit stören und Haß und Feindschaft zu verbreiten sucht. Den will das Amendement vor Gericht gestellt wissenz aber aus eben diesem Grunde stelle ich den ersten wie den leßten der Regierungs - Vorschläge mit sammt dem Amendement hiermit vor Jh r Gericht, und bitte, sie zu Lerwerfen, vom ersten bis zum lebten Buchstaben, Ih halte es für staatsgesährli, das gute Vernehmen zwischen den Konfessionen zu stören und Haß und Feindschaft zu verbreiten, Meine Herren, ih habe im Anfange meines Vortrages gesagt, ich rede vom katho- lischen Standpunkte; und das thue ih, ih kann diesen Standpunkt nit verlassen, ih wüßte niht, wie ih es machen sollte, der Glaube meiner Väter hat, wenn solche Gegenstände zur Sprache fommen, mein ganzes Wesen durchdrungen, ih kann mich auf feinen anderen Standpunkt stellen Jch sprehe von diesem Staudpunkte, aber wabhrlich nicht im Juteresse meiner Kirche, im ih weiß feinen andern Ausdruck im gewöhnlihen Sinne, darin spreche ich nicht. Alles, was Mißstimmung und Mißtrauen und dergleichen verbreiten fann, \chadet der Moral, is also dadurch im Widerspruche mit den Lehren meiner, wie mit den Lehren oller christlihen Kirchen. Jn=- sofern also sind auch diese Vorschläge nah meiner Meinung im Wi-=- derspruche und s{ädlich für alle Kirchen. Für meine Kirche incbe=- sondere fürhte ich feine Gefahr, ich fann niht der Meinung viel- leiht mancher unter uns beistimmen, daß ihr eine Gefahr drohe. Jh will keine wirklihe Gefahr von ihr abwenden; die Anwendung oder Androhung materieller Uebel wird unsere Kirche nicht erschüttern. Wir haben es in der älteren wie in der neueren Geschichte gesehen, es giebt feine undanfbarere Sache auf Erden, als die Märtyrer- macherei. Die neucren fkirhlihen Konflikte mögen tausend Indiffe= rente zu eifrigen Katholiken gemacht haben, aber wahrhaftig feinen einzigen eifrigen Katholiken zu einem Jndifferenten. Gefahr für meine Kirche ‘fürhte ich also nicht in diesem Sinne, ih rede hier niht als ein Katholik allein für seine Konfession, ih spreche als getreuer Unterthan, der alle ven ihm gefürhtete Folgen für den Staat gefährlich hält, ‘ih rede als getreuer Unterthan der Krone Preußen, die vom Schiksal berufen is, in hocherhabener ruhiger Majestät Millionen Glaubensgenossen verschiedener Konfessionen mit gleihem Zutrauen, mit gleihem Gedanken Frieden um si zu \haaren. J rede als getreuer Unterthan eines hochherzigen Königs,

und deshalb bin ich au für die Felgen für meine Kirche in meiner inneren Ueberzeugung unbesorgk. (Lauter und vielseitiger Beifall.) i Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch glaube, daß uns die Erörterungen über das Verhältniß, welches der Staat und die Kirche im Allgemeinen zu einander haben, nicht dem näher bringen kann, was wir Alle für den Augenblick herbeiwünschen, dem Augenblicke der Entscheidung über diese gewiß peinliche Frage ; aber ih halte doch dafür, daß es meine Schuldigkeit ist, mit einigen furzen Zügen den Standpunkt zu rechtfertigen, von dem aus ich das Amendement in der Abtheilung vorschlug, uud dem auch die Abtheilung, wie ih an- nebmen darf, beistimmte, indem se es zu dem ihrigen machte. Ent- huldigen Sie, meine Herren, wenn ich auf meine Person dabei fomme, aber ich glaube nicht als einer bekannt zu sein, der dem Staatsökirhenthum anhinge, als einer, der irgendwie die Uebergrisse des Staates in das Bereich der

Kirche begüustigen und fördern möchte, sondern ich glaube, mi darauf berufen zu fönnen,

daß ich îberall, wo ich mih geäußert habe, ih es immer in einem Sinne that, der die Freiheit der Entwickelung der Kirche aus sich selbst mit Ent- shiedenheit in Anspruch genommen hat, die Freiheit der Kirche inner- halb des Gebietes, was das ihr eigenthümliche ist, und in welches das Eindringen eines jeden Einflusses von außen absolut verwerflich i, Ju die Freiheit der Entw'ckelung ihrer Lehren und der Darstel- lung und Ordnung ihrer äußeren Erscheinung gemäß diesen Lehren und nah dem Maße des ihr innewohnenden Geistes. Diese Freiheit nehme ih sür die Kirche, der ich mit ganzer Seele anhänge, für die evangelische in Anspruch, und weil ih diese Freiheit sür ste in An=- spruch nehme und nothwendig halte, deéhalb muß ih sie auch jeder anderen Kirche.und Religions-Gesellschaft für eben so nothwendig halten. Jch bin der Meinung, daß sie der Kirche vom Staate gewährt werden müsse, wenn er sih nicht in ein Gebet verlieren will, in dem ihm fine Mat zusteht. Auf der anderen eite ist es aber au eben so gewiß, daß der Staat eine nicht minder große Aufgabe zu erfüllen hat und daß er diese Aufgabe nur dann ersüllen kann, wenn er sich die Gränzen nicht antasten läßt, innerhalb welcher diese Auf- gabe liegt. Diese Gränzen sind Rechtsshulz und Aufrechthaltung des Gesehes, Hier darf er sih nicht eingreifen lassen, sei cs von wem es wolle, und feine Gesellschaft innerhalb des Staates in dirser Be- ziehung als gleih berehtigt sch neben si stellen lassen, das is das Prinzip, von dem ich glaube, daß der Staat es niemals aufgeben darf, wenn er sih nicht selbs aufgeben, sich nicht selbst die Erfüllung seiner Aufgabe unmöglich machen will, Dies Prinzip is es, wie ih glaube, was auch in den Bestimmungen liegt, welche der erste Ent- wurf des Gesehes enthält und was au die neuen Vorschläze der Regierung anerkannt wissen wollen. Die Abtheilung ist ‘aber auch bei diesem Punkte entschieden der Meinung gewesen, daß eine ganz bestimmte und prägnante Begräuzung des Gebietes der Strafgewalt des Staates )stattjinden könne und müsse, und sie ift daher vou den Vorschlägen der Regierung, wie sie im Entwu:fe und auch später gemacht worden sind, abgewichen, weil sie geglaubt hat, daß dadurch nicht so bestimmt, wie 11 ihren Borschlâ- gen der Bereich der Willkür aus dieser Materie ausgeschieden sei, Es ist im Entwurfe von dem jus circa sacra die Rede und es ist in den neuen Vorschlägen von dem landesherrlichen Hoheitsrechte die Redez die Abtheilung aber is der Meinung, daß das Begriffe seien, die unbestimmt seien, und deshalb zu Zweifeln in der Auslegung Veranlassung geben würden, daß aber hier ganz bestimmt nur das G eseß gehandhabt werden diirfe, und alle Willkür auss eiden müsse. Sie hat daher die Vorschläge in der Weise gc faßt, wie sie vorliegen, weil sie sie so für präzise hielt und an diesen Vorschlägen muß die Abtheilung festhalten, Dem geehrte! Abgeordneten der sclesiscen Rittershaft gegenüber behaupte ih fühn: es handelt sich hier nicht um Glaubensfreiheit, diese wollen wir uns alle nicht verkümmern lassen, sondern nur um die Rechtspflege des Staates, darum ist hier der Ort, woentschieden werden muß über diese Frage, und wenn wir dieses Prin- z‘p aufgeben, würdc das Prinzip des Staates selbst darunterleiden müssen. Die Kirche ist nicht in die engen Gränzen eines Staates gebannt, ihr Geist durchzieht die ganze Welt, sie kennt feine Gränzen des Rau- mes und der Zeitz; aver der Staat ist auf ein bestimmtes Territo- rium angewiesen, hier hat er das Recht zu handhaben, und deswegen

muß er hier sagen können; bis hierher und nicht weiter! Er muß

| des Königs, im Gefühle meiner Pflichten,

dies auch dem Geistlichen sagen können, wenn dieser sein Amt dazu benußt, um entweder den Schuß, welchen der Staat einer anderen Religionsgesellshaft \{uldig is, verleßt, um Haß und Zwietracht zu erregen, oder wenn er sein geistlihes Amt nicht ¡innerhalb der Gränzen ausübt, die ihm dur die Geseße gesteck sind. Aus diesen Gründen wird die Abtheilung an ihrem Amendement mit Entschiedenheit festhalten müssenz ih bemerke aber, daß es wünshenswerth sein dürfte, wenn der eine Sab geändert würde, nämli der : „oder die ihnen vomStaate bei Zulassung zum geistlihen Amte dur die Landesgesebe gestellten Be- dingungen beharrlich und wiederholt übertreten.“ An dessen Stelle ih die Worte vorshlage: „den Geseben, die das Verhältniß ihrer Kirche zum Staat feststellen, wiedervolt und beharrlich zuwiderhan= deln.“ Mit dieser Veränderung beharre ih auf dem Amendement, (Mehrere Stimmen: Bravo!)

Marschall: Jch bitte den Abgeordneten, seinen Vorschlag zu wiederholen.

Abgeordu. Graf von Schwerin: Es soll anstatt der Worte: „oder die ihnen vom Staate bei Zulassung zum geistlichen Amte dur die Landesgeseße gestellten Bedingungen beharrlich und wieder= holt übertreten“, gesagt werden: „oder den Geseben, die das Ver=

hältniß ihrer Kirhe zum Staate feststellen, wiederholt und beharrlich zuwiderhandeln““.

Fürst Wilhelm Radziwill : Jch bin nicht zum Redner erzogen, und daher muß ih bei Einlassung in eine so wichtige und umfassende Materie um Jhre Nachsicht bitten, meine Herren. Jch muß namentlich in der Beziehung darum bitten, wenn ih häufig aus meinen Noten ¡jablesen muß, da ih mich bei den Stellen, wo es auf eine ganz bestimmte Stellung der Worte ankommt, mich nicht genau genug auf mein Ge= dächtniß verlassen kann. Jh kann mich in dem, was ih zu sagen habe, hauptsächlich an den Vortrag des Herrn Ministers der geistli- hen Angelegenheiten halten, späterhin werde ich auch noch auf das zurü fommen, was in Betreff des Gutachtens der Abtheilung von dem Herrn Vorsitzenden derselben über die Fassung dieser Vorschläge be= hauptet worden ist. |

Wenn man die von Seiten der Regierung dem 27sten Titel des zur Berathung vorgelegten Entwurfs beigegebenen Motive betrach- tet, wenn man Gelegenheit gehabt hat, ihrer geschichtlichen Entste- hung und ihrer weiteren Entwickelung nachzuforschen, so führt es da- hin, daß die Entstehung dieses Titels in einer Zeit liegt, von der wir Alle wünschen mögen, daß sle ne wiederkehre, in einer Zeit be- dauerlichen Konflikts zwischen dem Staate und der katholischen Kirche. Die Folgen dieses Konflitts sind durch die andesväterliche Liebe und Gerechtigkeit Sr. Majestät des Königs vollständig verwischt worden, Es i dies ein erfreulicher Moment in der neueren Geschichte unse- res Vaterlandes. Diese Liebe und Gerechtigfeit unseres hochherzigen Königs hat sh während acht Jahren seiner Regierung, in der fast sämmtliche Bischofs\ibe der katholischen Küche in Preußen neu be= seßt worden sind, immer auss neue bewährt und hat ihm die Herzen seiner fatholishen Unterthanen doppelt verpflichtet. Um so betrüben- der is nun der Eindruck gewesen, welchen der Konnex der jeßigen Geseßgebung mit der früher bezeichneten Epoche bei meinen Glau= bensgenossen hervorgebracht hat. Jn diesem Konnex spricht es sich deutlich aus, daß die hauptsächlichste Teudenz dieses Titels aus die Geistlichen der fatholishen Kirche gerichtet is, und daß fie es vor= züglich ins Auge zu fassen hat, inwiefern durch die vorgeschlagene Gesetzgebung die Selbstständigkeit ihres Klerus bedroht werden fönnte. :

Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß die wohlwollende Ah= sicht seitens der Regierung obgewaltet hat, wie auch von dem Herrn Minister der geistlichen Angelegenheiten herausgehoben worden ist, daß die Parität der im Staate lebenden Kirchen durch die Rechts= gleihheit der Geistlichen der evangelischen und katholischen Kirche eine Gewähr erhalten solle. Dieses scheint mir aber auf die versuchte Weise nicht erreiht. Die evangelishe und fatholische Kirche haben in ihrer Hierarchie, in ihrer Kirchenzucht, in ihren dogmatischen Fun= damenten so verschiedene, ja sich widersprechende Grundsäße, daß das, was die Parität, ihr wohlverbrieftes Recht, das liberum exercitium religionis, gufreht zu erhalten geeignet is, meiner Meinung nah niht darin bestehen kann, daß sie in ihren kirchlihen Verhältnissen von demselben Standpunkte aus nach denselben Geseßen behandelt werde, sondern darin, daß jeder Kirche, jeder Konfession dasjenige Recht zu= gesprochen werde, was sich aus ihrem Dogma und ihrer Verfassung für sie als nothwendig und gerecht ergtebt, Jch kann von diejem Standpunkte aus, gestüßt auf die firhlihen Autoritäten, deren Be=- [ehrung hier für mich allein maßgebend sein kann, nux für Beseitigung der Propositionen der Regierung und des Amendements der Abtheilung stimmen. Jch thue es, weil dieselben 1) ua exceptionelle, in dieser Art noch nicht dagewesene Geseßgebung enthalten, weil sie die fatholishen Un= terthanen mit gerechter Sorge für die Cristonz ihrer Kirche erfüllt, weil sie dur ihre Unbestimmtheit das geistliche Amt in der ihm gebührenden Wirksamkeit bedroht; 2) weil diese Geseßgebung überhaupt den an Gesebe zu ste.lenden formellen Bedingungen nicht entsprihtz 3) weil i endlich bei diesen so überwiegenden prinzipiellen, politischen und moralischen Nachtheilen kein verhältnißmäßiges, praktisches Bedürfniß für dieselben anzuerkennen vermag. Jch schließe mich in der Aus= führung der ersten beiden Punkte dem an, was die beiden Redner vor mir gesazt haben, die in dogmatischen und juristischen Disziplinent bewanderter sind als ih. Daher will ih mich nur an den lebten Punkt halten, und ich thue dies als treuer Unterthan Sr. Majestät È i die ih als Mitglied die=- ser hier berathenden Versammlung habez auf diesem uns Allen ge- meinschaftlichen Felde bitte ih meine evangelischen Mitistände, mir folgen zu wollen. Jch glaube, hchaupten zu können, daß die Geseb- Vorschläge, die uns hier vorliegen, in ihrer Fassung für die Regie- rung selbs unzweckmäßig seien, für den Frieden der Konfejjionen aber gefährlich. Jch glaube behaupten zu können, daß sie praktisch nicht das erreichen werden, was man mik ihnen geseßlich zu erreichen be- absihtigt. Faßt man den früher von mir “angedeuteten histo = rischen Ursprung der Proposition etwas fester ins Auge, fo ist es zunächst einleuchtend, daß die gemeinen Verbrechen der Geistlihen hier fein Gegenstand besonderer Schwierigkeit sindz sie sind von der Art, sowohl in ihrem Verhältnisse zum Staate, als in ihrem Verhältnisse zu den Geistlichen, _daß man sich über ihre Behandlung mit den Oberen dev katholischen Kirche sehr leicht verständigen wird, Der Beweis dafür liegt schon darin, daß die Regierung es für angemessen gehalten hat, p ihrer neuen Proposition diesen Punkt ganz fallen de lassen, Der Haupt= Zweck der Proposition ist auf die erceptionellen Konflikte gerichtet, die zwischen Staat und geistlichen Behörden vorkommen, Daß solche aus den vielfachen Berührungspunkten zwischen dem Staate, der evangelischen wie der fatholischen Kirche , entstehen können, das wird ein Jeder zugeben. Der Staat, als beide Konfessionen in seinem Schoße vereinigend, hat durch die Ereignisse der neueren Geschichte faktisch den Beruf überfommen, ordnend, hütend und verhütend in solche Verhältnisse einzutreten ; daher die sih darauf beziehenden Be= stimmungen in allen Geseßgebungen Europa's, daher auch die in un= serer älteren Gesetzgebung. Wenn man aber auf die Motive, die zu dem neuen Gesehe vorliegen, über die wir, wie rihtig bemerkt worden ist,

Erste Beilage

M? 68.

643

Erste Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

Mittwoch den 8. März.

T I T E E E

bier allein zu votiren haben, näher eingeht, \o lies man aus i zwischen den Zeilen, daß der Staat r fi Eo daß I pr älteren Gesebßgebung durh die lange Praxis Begriffe sich gebildet haben, die auf die jeßigen Verhältnisse niht mehr passen; es sind Begriffe, die in einer Zeit wurzeln, in der si der preußische Staat noch als ein exflusiv evangelischer ansehen konnte, Begriffe aus einer Zeit in der überhaupt der Staat für sich eine viel übergreifendere Stellung allen in seinem Schoße vereinigten Kirchen gegenüber beanspruchte als es jeßt der Hall ist. Man hat die bestehenden Gesebe den Be- griffen gemäß, die sih in neuerer Zeit gebildet haben, verändern zu müssen geglaubt , daher die Vorschläge, die uns vorgelegt worden sind. Jch kann in diesen Verordnungen, die an die Stelle der älte- ren treten sollen, nur ein neues Uebel erblicken, welches an die Stelle des älteren treten soll. Jch glaube, daß diese Bestimmungen so un= bestimmt, so allumfassend sind, daß sie sowohl ein Uebel für die Re- gierung sie mag noch so wohlwollende Absichten dabei gehabt haben als auh für den Richter sind, weil sie ihm oder nah dem neueren Verfahren dem Staats - Anwalte die Pflicht auferlegen, jedesmal bei ihrer Anwendung sih mit dem Ministerium der geistlichen Angelegen- heiten über die Klaganstellung zu einigen. Derselbe tritt dadurch, daß er- nur auf Befehl des Ministeriums handeln darf, in eine sciefe Stellung. Eben so das Ministerium, welches in die üble Lage kom= men wird, in den meisten Fällen Geseßgeber, Ankläger und Richter in einer Person zu sein. Folgen wir den Konsequenzen näher, die sich bei der praktishen Durchführung dieses Gesebes ergeben, nament= lich bei den Punkten, die blos sih auf die. Konflikte zwischen der Staatsbehörde und der fkatholishen Kirche beziehen. Soll der Staats - Anwalt, nach dem öffentlihen Verfahren, das mit unserem Geseß - Entwurfe in das Leben zu treten bestimmt ist, eine Klage erheben, so würde er sich also mit dem Ministerium über die Klage zu einigen haben, um die öffentliche Klage bei öffentlichem und mündlichem Gerichtsverfahren anzustellen, Bei Uebertretungen, die mit Fragen zusammenhängen, die ihrer Natur nach so aufregend sénd, wie kirhlide Fragen, würde es an sih eine höchst bedenkliche Sache sein, sie vor das öffentlihe Gericht zu brin= gen. Will der Staat in solchen Fällen den aufregenden öffentlichen Eindruck vermeiden, so bleibt ihm nichts übrig, als sie bei verschlosse= nen Thüren zu verhandeln, also hon ein exceptionelles Verfahren für diesen Fall eintreten zu lassen. Js das Urtheil gesprochen, hat ein Urtheil, wie es sehr oft wenigstens möglich sein fann, keine Ge- fängnißstrafe nah sih gezogen, bezieht es sih blos auf die Entfer= nung vom Amte, so wird er diese ohne Zustimmung der geistlichen Oberen bei einem fatholischen Priester niht anders als durch Anwen- dung von Zwangsmitteln ausführen können; die Ausführung des Ge= scbes wird also wieder ein exceptionelles Verfahren einshlagen müssen. Auf exceptionelle Fälle also, die, Gott sei Dank, wie dur die Er= fahrung bewiesen ist, selten eintreten, wird ein Geseh erlassen, welches an sih exceptioneller Natur in seiner Fassung is, und was nur zweck-= mäßig durch wiederholte exceptionelle Maßregeln in volle Wirksamkeit treten kann, ein Geseß, das dur seine allgemeine Unbestimmtheit alle denkenden Männer unter den 6 Millionen Katholiken in unserem Staate in ihrem Gewissen wirklich beunruhigt, weil sie nicht ermessen fönnen, welche Folgen es für ihre Kirche haben könne, Jch gebe vollfommen zu, daß unter den jeßt bestehenden persönlichen Combina= tionen an einen Mißbrauch des Geseßes nicht zu denken Ut: auer, meine Herren, persönliche Combinationen, politische und staatsrechtliche Ansichten wechseln, wechseln rascher als Geseße; die Motive, die einem Gesetze in der Zeit untergelegen haben, in der es erlassen wor= den is, shwinden, gehen in Vergessenheit über, aber das Wort, und was man aus der wörtlichen Fassung folgern kann, bleibt. Deshalb scheint es mir bei Abfassung eines Geseßes vorzüglich auf seine Worte anzukommen und auf das, was unter dieser wörtlihen Fas= sung zu subsumiren is, und deshalb muß ich mich auch gegen alle uns hier gemachten Vorschläge aussprehen. Jh fann mich nur denen anschließen, welhe die Behauptung aufgestellt haben, daß für die Fälle eines Konflikts zwischen der Staatsgewalt und den Kircheu-Oberen diejenigen Bestimmungen, wie sie dem jus circa sacra, dem Hoheitsrechte der Kirche gegenüber von dem Staate beansprucht werden, in einer genauen Spezialisirung vorgelegt werden. Nur in einer solchen kann die katholische Kirche die Beruhigung fin= den, daß die wohlwollenden Absichten, die von der Regierung ausge=- ind, die kirchlichen Rechte überhaupt auf das strengste auch wirklih dur dieses Geseß er-

prochen worden |

und ausgedehnteste zu beachten,

reicht werden.

Es kommt mir nicht in den Sinn, dem Staate das Schußrecht, seine Stellung zu den in seinem Schoße lebenden Kirchen absprechen zu wollen, wie sie in der Natur der Sache liegt, wie sie sich geschiht=- lich seit langen Jahren ausgebildet hat, die indessen nie abgeschlossen, sondern auch weiter dem Einflusse der Geschichte unterworfen sein wirdz ih glaube aber nah den Prinzipien der Gerechtigkeit für die jeßige Zeit und für die Zeit, für die dieser Entwurf bestehen wird, verlangen zu können, daß die Berührungspunkte zwischen der Kirche und dem Staate auf eine Weise ausgesprochen werden, daß sowohl der Richter, als der unter dieses Geseß zu stellende Geistlihe genau wissen, woran er is, Das is aber der Vorwurf, den ih den Pro- positionen der Regierung, das is der Vorwurf, den ih dem Gutach= ten der Abtheilung zu machen habe, daß dur dieselben diesen mir unerläßlich \{heinenden Bedingungen nicht entsprohen wird. Jh muß also meine evangelischen Mitstände hier auffordern, im Jnteresse des Friedens, in dem wir zusammenuleben, dur die Unbestimmtheit, durch das Vage eines Gesebes, wie das vorgeschlagene, nicht ein Moment der Trübung hereinzuführen und mit mir dafür zu stimmen, die Vor= läge, wie sie dastehen, niht anzunehmen,

Marschall: Es ist shon von mehreren Rednern mit ziemlicher Entschiedenheit darauf hingewiesen worden, daß es wünschenswerth sei , wenn von der Regierung uns genauere einzelne Vorschläge in Bezug auf die Vergehen gemacht worden wären, welhe nah der Absicht des Entwurfes in Gemäßheit des jus circa sacra unter Strafe fallen würden; es ist aber ein bestimmter Antrag hierauf von feinem Mitgliede gestellt worden, bis zuleßt von einem Mitgliede, welches so eben gesprohen hat, wenn ih reht verstanden habe, ein solher Antrag, wenigstens in der Form eines Wunsches, allerdings ausgesprochen worden ist, nämlih in der Form des Wunsches, daß uns Vorschläge in dieser Beziehung vorgelegt werden möchten. Die- ser Worte hat sih das geehrte Mitglied bedient, und ih möchte er= mitteln, ob es sein Antrag gewesen ist, daß in dieser Beziehung eine Vorlage seitens der Regierung an die Versammlung gemaht würde,

__ Fürst W. Radziwill: Jh muß darin von Ew. Durchlaucht mißverstanden worden sein. Jh habe nur meine Ansicht entwidelt, warum ich die Propositionen, die uns vorgelegt worden sind, mit dem Zwecke und mit meiner innigen Ueberzeugung nicht übereinstimmend findez ‘einen Antrag habe ih nicht gestellt, es steht mir das auch niht zu, Was nach den Ansichten, die sich in der hohen Versamm- lung über die vorliegenden Punkte" aussprehen werden, die Regierung

lediglih überlasse; was meine katholishen Mitbrüder und ih bei den neuen Vorschlägen aber zu thun gedenken würden, muß ih uns vor= behalten, und da kann ih und werde ih uns in feiner Weise dur das, was ich gesagt habe, binden wollen.

Marschall: Jm Interesse der Fragestellung will ih dann nur feststellen, daß ein solher Antrag noch nicht gestellt is, daß also wenn wir, was jeßt noch nit der Fall ist, zur Abstimmung kom- men, dann nur Veranlassung zu der Frage vorhanden i, ob dem Abtheilungs-Gutachten beigestimmt wird, und eventuell auf die Vor= schläge, die jeßt seitens der Regierung vorliegen.

Abgeordn. von Donimierski: Der Herr Minister der geistlichen Angelegenheiten hat uns gesagt, wenn wir die vorgeschlagenen Be= stimmungen zurückweisen, so würden wir Willkür einer geseßlichen Ordnung in dieser Beziehung vorziehen, und erwartet aus diesem Grunde {hon die Annahme der gemachten Vorschläge. Jch werde mih bemühen, in wenigen Worten von dem juristischen Standpunkte aus darzuthun, daß durch die vorliegenden Bestimmungen die Will- für niht aufgehoben, vielmehr legalisirt wird,

Wir haben es als die wesentlihe Aufgabe des Strafrechts an- erkannt, daß darin jede strafbare Handlung auf das genaueste bezeih- net würde, wir haben Alles gestrihen, wo auch nur angedeutet war, daß die Strafbarkeit von der Uebertretung einer Regierungs = Verfü gung abhängig gemacht, und zwar aus dem sehr rihtigen Grunde, weil dann die Momente, welhe den objektiven Thatbestand des Verbre- s bilden, unbestimmt und der Willkür der Behörden überlassen eiben.

Prüfen wir nun, ob dies niht auch bei den vorliegenden Be= stimmungen der Fall is. | ' Im §. 412 wird die Nichtbefolgung der landesherrlihen Rechte circa sacra zum Verbrechen gemacht ; es steht aber nicht fest, worin diese Rechte bestehen, wie weit sie gehen, daher unmöglich die Hand- lungen festzustelien, welche hier den objektiven Thatbestand des Ver= gehens bilden. Dasselbe gilt von dem neu vorgeschlagenen §. 152, „die in Ausübung des Hoheitsrehts zu erlassenden Anordnungen“ sind eben so unbestimmt,

_Was nun das Amendement der Abtheilung betrifft, so hat der Vorsibende der Abtheilung so eben in Vorschlag gebracht, die eben so allgemeinen unbestimmten Worte fortzulassen, und hat dafür vor- geschlagen, zu sagen: „die den Geseßen beharrlich zuwiderhandeln, welhe über das Verhältniß der Kirhe zum Staate bestehen“; ich würde diese Fassung für besser halten, wenn der Herr Vorsißende im Stande wäre, mir zu sagen, wo diese Geseße stehen, und so lange das nicht geschieht, is diese Fassung eben so unbestimmt, wie die oben durhgegangenen Regierungsvorschläge.

Jn dem Amendement der Abtheilung liegt aber noch vom fa- tholischen Standpunkte aus das Bedenken, daß die Staats - Behörde dem Geistlichen die Fähigkeit zur Ausübung geistliher Amtshandlun= gen innerhalb Landes absprechen soll; die Staats = Behörde hat ihm die Fähigkeit nicht ertheilt, sie kann sie ihm also auch nicht absprechen, das muß durch die geistlihe Behörde geschehen, und ih glaube, \o ist auch das bestehende Recht. Jh erlaube mir, den §, 536 aus Tit, XI, des Landrechts vorzulesen; da heißt es:

,„Hat ein Pfarrer sih bürgerlicher Verbrechen, die eine Kri= minal - Untersuhung nah \ih ziehen, shuldig gemacht, so müssen die geistlichen Oberen ihn suspendiren und die Sache der ordentlichen Obrigkeit zur weiteren Verfügung anzeigen. ““

Im Zusammenhange mit den vorstehenden Paragraphen kann man nur folgern, daß die Suspension und Amtsentsebßung der katho= lischen Geistlichen nur von der geistlihen Obrigkeit gesehen müsse. Also die Suspension und Amktsentsezun muß von der geistlichen Obrigkeit erfolgen. Jch glaube nun, Bb gar feine Veranlassung ist, eine andere Bestimmung zu treffen, denn das neue Strafrecht tritt an die Stelle von Tit, XX,, also diese Vorschriften des Tit. X, bleiben und sind durchaus ganz genügend. Jch halte das 2te Amen-= dement der Abtheilung zu §. 413 für überflüssig, denn es liegt in der Natur der Sache, daß der Geistliche, wie jeder andere Staats= bürger, den Geseßen unterworfen ist und, wenn er ein Verbrechen be= geht, eben so wie jeder Andere bestraft werden muß. Jch bin aus den Gründen sowohl gegen das Amendement, als gegen die neuen Vorschläge.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch habe mir erlauben wol= len, ein Wort dem verehrten Abgeordneten aus Preußen, der so eben gesprochen, zu erwiedern, Wenn er gefragt hat, wo denn die Ge= seße ständen, auf welche Bezug genommen sei, so kaun ih sie zwar nicht alle nahweisen. Jn Beziehung auf die katholische Kirche ist die Bulle, de salute animarum, ines derjenigen, welche die Verhält= nisse der katholischen Kirche im preußishen Staate reguliren. Ob es noh mehrere dergleichen giebt, lasse ih dahingestellt sein, ih weiß es nicht genau, Giebt es niht mehrere, so is dies die Bestim- mung, in deren Gränzen sich der Geistlihe unter allen Umständen bewegen muß. Was ferner den Ausdruck betrifst „Fähigkeit zur Untersagung des geistlihen Amtes“, so muß ih den Abgeordneten darauf aufmerksam machen, daß wir keinesweges gesagt haben: „Be- fähigung zum Amte“, sondern „Fähigkeit der Ausübung des geistli- hen Amtes, innerhalb des Landes““, und diese Fähigkeit innerhalb des Landes, die geistlihen Functionen zu überwachen, hat allerdings der Staat dadur gegeben, daß er das Placet gegeben hat, und fo weit dieses Placet geht, halte ih den Staat berechtigt, die Befähi= ung zurückzuziehen, wenn der Geistlihe die Bedingungen nicht inne- ält, unter denen er das Amt führt, nämlih die Gesete, welche das Verhältniß der Kirche zum Staat regeln.

Justiz-Minister Uhden: Jch will nur auf eine Bemerkung des geehrten Abgeordneten der preußischen Ritterschaft erwiedern, Es ist von ihm nämlich der §. 536 Thl, 11, Tit. 141 Allg. Landrecht ange- führt worden; darin is aber nur von der Amts-Suspension, die bei Einleitung der Untersuchung verfügt wird, uicht von der Amts-Ent= sebung die Rede. Auf leßtere beziehen sich die §§. 499—504 des 20sten Titels, die ausdrücklih besagen, daß ein Geistlicher seines Amts entseßt werden kann. Bei Einleitung der Untersuchung wider einen Geistlihen wegen eines bürgerlichen Verbrehens soll nah dem §, 536 M bee Ne ee gegen einen N eintreten. Der

eck der Suspension is auch hier, daß der Geistli äufig ni

ferner fungiren darf, | E E rA 1e / geordn. von Donimierski: Jm Tit, XX, werden

die Strafen festgeseßt, aber nicht gesagt, von wem sie iei ébén sollen, dieses wird dur die Vorschriften des XI. Titels ergänzt.

Justiz-Minister Uhden: Nur von dem Richter wird diese Ent= sebung ausgesprochen werden, da sie zu den Strafbestimmungen, die in dem 20sten Titel enthalten sind, gehört, Die Suspension dage- gen wird nicht von dem Richter festgeseßt, sondern die geistliche Be- hörde hat zu prüfen, ob sie eintreten soll. Jn dem elften Titel §: 536 steht aber kein Wort von der Amts-Enktseßung.

Abgeordn. von Donimierski: Dem Herrn Vorsitzenden der Ab-

zu thun für angemessen finden wird, i etwas, was ih derselben

Verhältnisse zwishen Staat und Kirche nicht geordnet sind, viel- mehr Vieles hierin noch zu wünschen übrig bleibt, welches zwar durch neue Verträge oder au dur einseitige Staats-Verordnungen festge= seßt werden fann. Was die Absprehung der Fähigkeit betrifft, so sinde ih die Strafen, welche die Abtheilung vorschlägt, weit härter, als die Strafen in den Vorschlägen des Gouvernements, denn die Tähigfeit zur Ausübung des geistlichen Amtes innerhalb Landes abzusprechen, is doch weit mehr, als die gewöhnlihe Entfernung vom

Amte.

__ Abgeordn. von Olfers: Jch habe den vielen gründlichen Vor- trägen nur einige Worte hinzuzuseßen. Jh komme noch einmal auf den Vortrag des Herrn Ministers der geistlihen Angelegenheiten zurück und acceptire im Juteresse unserer Kirhe (und ih glaube, das auch im Interesse der uns befreundeten evangelischen Kirche thun zu können) das, was der Herr Minister erklärt hat, nämlich: daß das geistliche Amt dem Geistlihen nur durh die Kirche, welche es ihm gegeben hat, wieder entzogen werden fönne. Ein zweiter Punkt den Se. Excellenz berührten, is der, daß die Kirche einem äußeren Makel, der auf der Würde eines Geistlichen liege, niht eine solche Würdigung schenken würde, wenigstens niht in dem Maße, als es nothwendig sei im Jnteresse des Staats. Diese Ansicht muß ih in Zweifel stellen, ih glaube, daß die Kirhe noch viel ernstliher und schneller eingreift, um unwürdige Mitglieder aus der Geistlichkeit zu entfernen, als es der Staat nah den vorgeschriebenen Formen würde ausführen können. Jch komme auf den dritten Punkt, nämli den, daß der Herr Minister der geistlihen Angelegenheiten erklärte: die Prinzipien unseres Staatsrechtes sind im Allg. Landrehte begründet. Allerdings sind sie dies, und wenn wir die Paragraphen des Land- rehtes durchgehen, unter denen auch der §. 536 des 11ten Titels, welchen der geehrte Abgeordnete von der Ritterschaft der Provinz Preußen anführte, \o finden wir, daß außer der potestas ordinis den fatholishen Bischöfen auh die potestas jurisdictionis zusteht. Dies war ein bestehendes Recht, als die Bulle de salute animarum im Jahre 1821 landesherrlich publizirt wurde, welhe der verehrte Vorsißende der Abtheilung vorhin berührte. Jn dieser Bulle heißt es ausdrüdcklich :

„Den einzelnen Erzbishöfen und Bischöfen legen wir bei und be=-

stätigen ihnen alle und jede Rechte, Vorzüge, Vorrehte und Pri-

M die anderen Erzbischöfen und Bischöfen jener Gegenden

zustehen. ““

Mit Rücksicht auf die bestehenden Verhältnisse würde der hohen Landesregierung zu empfehlen sein, diejenigen Punkte, welhe wir jeßt berathen sollen, vorab mit unserer geistlihen Oberbehörde zu verhandeln, dann wird ein glücklihes Resultat zu erlangen sein; die jeßige Lage der Sache zwingt mich aber in meinem Gewissen, gegen Titel 27 so wie gegen die einzelnen Paragraphen zu stimmen,

Abgeordn. Krause : Dem Staate u ich das Recht zugestehen, Verbrechen zu bestrafen, und wenn es auch Geistliche tri. Bei der Diskussion des allgemeinen Theils des Strafgeseß- Entwurfs wurde besonders hervorgehoben, man müsse es verständlih fassen, damit das Volk es verstehe, damit es wisse, welhe Strafen ihm angedroht wer= den. §. 412, welchen wir jeßt berathen, enthält nah meinem Da- fürhalten keine verständlihe Fassung, es sind dort Strafen angedroht für unbekannte Verpflichtungen und unbekannte Rechte, die gestraft werden sollen, und deshalb wird die Streichung dieses Paragraphen allgemein beantragt. Die evangelishen Geistlihen stehen mit der Kirchengemeinde so eng verbunden, daß sie mit ihr identisch sind, die Kirchengemeinde hat die Geistlihen gewählt, hat ihnen ihr Amt an-= gewiesen, hat ihnen Emolumente zugesichert, er is mit einem Worte der Jhrige geworden. Je inniger das Verhältniß ist, desto segens- reicher ist es, und jede Störung in diesem Verhältnisse wird dem Gemeinde- und Staatswohl in allen Beziehungen haden. Was hat der Staat dagegen gethan? Der Staat dagegen hat die Kandida- ten nur für wahlfähig erklärt, hat ihre Vocation unterschrieben, da= mit der Geistliche niht gedrückt werde, vielleicht von einigen Einge= pfarrten. Kann dem Staate dadurch, daß er das Lebtere gethan, das Recht erwachsen, den Geistlihen vom Amte zu entfernen? : Ich muß nah §. 412, wie er jeßt steht, das bestreiten. Jch erlaubt mir einen Antrag zu stellen, daß auch, wenn §. 412 nicht gestrichen werden soll, eine Spezialisirung des jus circa sacra oder der Hoheitsrehte in der Kirche von der hohen Staatsregierung gegeben werde, was im F. 412 darunter verstanden werden soll. Jch stimme mit denjenigen Mitgliedern der Abtheilung überein, „so lange nicht eine Gränze gemeinschaftlich anerkannt wird, wo das Recht der Kirche auf das sacrum aufhört und das Recht des Staates circa SACcTA seinen Anfang nimmt.“ Sollte die hohe Versammlung diesem Amen- dement nicht beitreten, so erlaube ih mir am Schluß des §. 412 noch den Antrag zu stellen, daß es in dem ersten Alinea nah den Wor= ten: „so haben die Gerichte auf Entfernung aus dem Amte zu er= fennen““, gesagt werden soll: „do sind die Mitglieder der Kirchen- gemeinde vorher zu hören und die Zustimmung von Zweidritteln dex stimmberechtigten Glieder erforderlih.“ Sollte die hohe Versammlung au diesem Amendement nicht beitreten, \o erlaube ih mir blos einfach die Worte hinzustellen: „doch is die Kirchen - Gemeinde zu hören.“ Jch betrachte die Kirchen - Gemeinde und den Patron als ganz iden- tisch, ste sind in meiner Vorstellung gar nicht getrennt. Das gestellte Amendement motivire ih dadurch. Was die Streichung anlangt, so liegt der Grund darin, weil der Paragraph eben dem Volke nicht ver= ständlich is, weil, wie es scheint, er auch der hohen Versammlung nicht verständlich is, Der zweite wegen der Spezialisirung liegt darin, weil man eben niht dafür stimmen kann, für etwas eine Strase auszusprehen, wo man nicht weiß, für was, Der dritte und vierte Passus motiviren sih durch das Landrecht, denn da heißt es: „Es kann den Kirchengemeinden kein Geistliher aufgedrungen werden; wenn sie irgend etwas gegen ihn hat, oder er ein Verbrechen began- gen hat, so scheidet er folgerecht aus; hat der Geistliche kein Ver- brechen begangen, so kann ihm das Amt nicht entzogen werden ohne Zustimmung der Kirchengemeinde,“ Dies sind die Ursachen, warum ¡ch dieses Amendement gestellt habe. Meine Herren, es ist die größte Lebensfrage der evangelischen Kirche, welche hier vielleicht diskutirt wird; ih empfehle Jhnen das Amendement oder jedes an- dere, welches überbaupt den Kultus betrifft, welches ihn frei macht, ihm Lebenskraft giebt in allen Beziehungen. Ich werde mich jedem anschließen. Das Amendement, welches die Abtheilung gestellt hat, ist nah meinem Dafürhalten auch gerechtfertigt, wenn die Worte: „Haß und Feindschaft zu erregen“, und die Worte: „durch die Lan- desgeseße gestellten Bedingungen weggestrichen werden. Meine Herren, wir haben bei allen Begutachtungen die Milde vorwalten lassen, wir haben gesagt: „wir wollen feinem Gewerbetreibenden auf lebenslang das Recht entziehen, sein Gewerbe zu treiben“; wir haben bei den Beamten gesagt: „wir wollen nicht gleih für immer die Ehrenrehte absprechen, damit er wieder ein Amt erhalten kann“‘z den Geistlihen allein will man das Amt auf Lebenszeit entziehen. Dex

theilung möchte ih erwiedern, daß auch in der Bulle de salute anima- rum die mir ihrem ganzen Jnhalte nah nicht bekannt is , die

Gewerbetreibende kann sih durch seiner Hände Arbeit ernähren, was wird der Geistliche thun, wenn ihm das Amt entzogen worden ist?