1848 / 69 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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„Zu §. 428.

F; 428 wurde vollständig angenommen, und derselbe wird eben- falls in den 3ten Titel des 1. Abschnitts aufzunehmen sein.“

Marschall : §. 429!

Referent Abgeordn. Freiherr o Mylius (liest vor) :

9. La. Oeffentlihe Versammlungen, welche bisher hinsichtlich der Zeit und des Orts weder üblih noch gestattet waren, dürfen, unter wel- chem Namen und zu welchem Zwecke es immer sei, ohne vorausge=- gangene Genehmigung der Obrigkeit nicht stattfinden. Diejenigen, welhe zu solchen von der Obrigkeit niht genehmig=- ten Versammlungen durch Verabredungen oder Ausschreiben Anlaß ed ingleihen diejenigen, welche an einer von der Obrigkeit be- onders untersagten einzelnen Versammlung Theil nehmen , sind mit Geldbuße bis zu funfzig Thalern oder mit Gefängniß bis zu sechs Wochen zu bestrafen.““ Das Gutachten lautet : e, „Zu 6. 429, Die Streichung des §. 429 beantragte Referent, weil er sie als nothwendige Folge des Beschlusses des Plenums zu §. 143 ansah. Der Vorsivende beantragt indeß nur, daß am Ende des ersten Alinea statt der Worte : „0hne vorausgegangene Genehmigung der Obrigkeit“

folgende gebraucht werden : „ohne Anzeige bei der Obrigkeit“';

zur Unterstüßung des Antrages auf Streichung wurde angeführt : Der Paragraph enthielte eine Beschränkung des Volkes; unschul- dige, ja oft zufällige Versammlungen mehrerer Menschen in Gast= häusern und öffentlihen Gärten dürften Strafen herbeiführen ; alle Volksfeste würden hiernah untersagt sein; der Unterschied zwischen „bffentlihen Versammlungen“ und „Volks-Versammlungen““ sei sehr {wer zu finden und zu machen.

Dieser Paragraph gründe |ch auf einen Bundes - Beschluß, Rk nah dem Publications - Patente für Preußen nicht nü- thig fet.

Diesen Behauptungen wurde zwar widersprochen, und von dem Herrn Regierungs - Kommissar wurde der Entwurf vertheidigt, allein die Frage :

Soll §. 429 gestrihen werden? wurde von 9 gegen 7 Stimmen bejaht.“

Meine persönliche Ansicht ist, daß nach den früher gefaßten Be- {lü}en der Versammlung es folgereht sei, diese Beschränkung nicht aufzunehmen.

Vice-Marschall Abgeordn. von Rochow: Die hohe Versamm- lung hat beschlossen, §. 143 wegfallen zu lassen; ih kann aber nit zugeben, daß daraus der. Wegfall des gegenwärtigen Paragraphen folgt. Jun jenem Paragraphen ist von Verbindungen die Rede, diese können der unschuldigsten Art sein, jedoch ganz anders verhält es sich mit öffentlichen Versammlungen. Hier verlangt es die Sicherheit des Staates, daß sich die Obrigkeit von den Zwecken derselben in Kennt=- niß seße, und wenn sie diese Zwecke als verbrecherisch erkennt, sie verbietend einschreiten dürfe. Das ist aber nichts Auderes, als was im Paragraphen ausgedrückt is, eine bloße Kenntnißnahme würde, wenn ein Verbot darauf nicht folgen darf, zur Erreichung des Zweckes nicht hinreichen ; ich glaube demnach , daß der Paragraph, wie er vorge \hlagen is, angenommen werden müsse,

Abgeordn. Camphausen: Jch glaube nicht erst ausführlich dar- auf eingehen zu müssen, daß §. 429, wie auch §, 430 Bestimmungen enthalten, welche welritltäs von denen abweichen, welhe in dem Ent- wurfe von 1843 den Ständen vorgeshlagen wurden. Wenn, was den materiellen Jnhalt der Paragraphen betrift, für die Sicherheit des Staates eine Beschränkung erforderli ist, so wird, wie bei der Dis= kussion über die §§. 141 und 143 bereits bemerkt wurde, dieselbe nur dur einen förmlihen und feierlihen Akt der Geseßgebung bewirkt werden fönnen, in welhem die Form und das Wesen der Versamm= lungen zu bezeichnen sind, welhe von der Obrigkeit verboten werden fönnen, mcht aber dadurch, daß durch eine obrigfeitlihe Verfügung ohne Weiteres jede Versammlung verboten werden könne, Jch glaube, die Veranlassung, welche die Versammlung gehabt hat, den §. 143 nicht anzunehmen, ist heute in doppeltem Maße vorhanden, und ich stimme für die Streichung des Paragraphen.

Abgeordn. Neumann: Nach meiner Ansicht enthält der Para- graph, wie er hier steht, doch eine zu große Beschränkung der per- sönlichen Freiheit, und ih kann in dieser Beziehung nur dem beistim- men, was von dem Herrn Abgeordneten der Stadt Köln in dieser Hinsicht ausgeführt worden ist, Jch gebe zu, daß die Obrigkeit das Recht habe, sjih von Allem zu unterrichten, was in ihrem Bereich geschieht, eben so die erforderlihen Sicherheits-Maßregeln zu treffen, mithin auch einzelne Versammlungen zu hindern, aber das Recht, a priori jede Versammlung zu verbieten, und zwar ohne alle Rüfsicht auf ihre sonstigen Eigenschaften , dies kann ihr nit eingeräumt werden. Der erste Entwurf bestrafte im §. 217 nur außerordentliche Volks-Ver- sammlungen und Volksfeste, welche die Polizei nicht erlaubt hatte, so wie die Ausschreiben und Aufforderungen dazuz hier werden aber alle öffentlihen Versammlungen mit Strafe bedroht, und selbst diejenigen, welche an einer einzelnen untersagten Versammlung Theil nehmen, die nit einmal eine öffentli e zu sein braucht, verfallen in Strafe. Dies erscheint mir zu weit gegangen, und ih faun mi nur für den An- trag der Abtheilung erklären,

Abgeordn. Frhr. von Gaffron: Der vorliegende Gegenstand wer gewiß unter diejenigen, die der allerreiflihsten Prüfung uud

rwägung in unserer Berathung unterworfen werden müssen. Jch

bekenne sehr gern, daß ih mich in meinem Junern bei der Prüfun dieses Gegenfiardes schwer habe entscheiden Tine ob ich L für den Vorschlag der Abtheilung oder für den des Entwurfs habe er- flären sollen, oder inwiefern ih die Gränze zwischen beiden ziehen möchte. Es ist nicht in Abrede zu stellen, daß die Einholung der Al avi i Ns ll unter allen Umständen bei gefahrlosen

Versammlungen, selbst solchen, die vielleiht gemeinnüßige - v ben, die durch die Gegenwart Vbédoráerufen sind, P Auteate- mes, Störendes und für das Gefühl der bürgerlihen Freiheit Be=- engendes haben; ih gebe auch zu, daß die Behörden aus zu weit etriebener Vorsicht dergleihen Versammlungen si entgegenstellen önnen, wo gerade die Versagung niht hinreichend motivirt ist; aber ih betrachte die Sache auch von der Kehrseite. Wir können nicht leugnen, daß in öffentlihen Versammlungen eine große Gefahr für die öffentliche Ordnung liegen fann, indem fommunistische Tendenzen namentlih in der Gegenwart, benußt werden können, um politische Aufregung herbeizuführen. Jh glaube, daß die Momente der Gegenwart dafür ausreihende Belege geben. Wenn ih nun Beides, die Nachtheile und die. Vortheile eines solhen Verbotes, gegen ein=- ander stelle, so glaube ich do, daß die Wagschale sih für den Re- gierungs-Entwurf neigt, indem ih die Nachtheile für möglih weit gier halte, als die Vortheile, wenn jene Bestimmung aufgehoben ird,

Jch glaube, daß diese Beengung, von der ih nicht ableugnen will, daß sie eintreten kann, von denen, die 4E Srscollen werden, als ein ser für das allegemeine Wohl dargebracht werden muß, in R ara! auf die allgemeine Sicherheit und Ordnung. Der Herr Vorsißende der theilung hat vorge-

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schlagen, die Fassung des Paragraphen dahin zu ändern, daß die Anzeige an die Behörde gemacht werde ; ih glaube nun, daß wir bei einer formellen Anzeige, die eine blos beiläufige und historische ist, nicht viel gewinnen, im Gegentheil können Konflikte entstehen, die erst bei der Versammlung recht unangenehm werden. Erfolgt die Anzeige aber, damit die Erlaubniß oder das Verbot vorher ausgesprochen wird, \o kommt die Sache auf eins heraus. Es is gesagt worden, in Analogie mit dem Beschlusse zu §. 143 müßte auch hier der Weg- fall der obrigfeitlihen Erlaubniß beschlossen werden; ih habe eben- falls für den Wegfall des §. 143 gestimmt, indem ih die darin ge- zogenen Gränzen für zu eng betrachtete, indem ich die Theilnahme an bloßen Berathungen über Abänderungen von Verfassungs-Geseßzen niht unter allen Fällen für straffällig erkenne, weil dabei nicht immer von dem Umsturze der Verfassung, sondern von Berathung über Pe-= titionen und Abänderung einzelner Theile der Verfassung die Rede sein könnte; ih habe aber für §. 143, wie ich offen der Wahrheit gemäß bekenne, darum gestimmt, weil ih der Meinung war, daß §. 141 angenommen worden wäre, worin die obrigfeitlihe Erlaubniß für Verbindungen ausgesprochen war, und ih glaube, daß mehrere Mitglieder diese Meinung getheilt haben. Ich muß mich allerdings hier einer Unaufmerksamkrit beschuldigen. Durch die vorausgescbte Genehmigung der Obrigkeit würde die Gefahr, die aus dem Weg- fall des §. 143 entstehen könnte, vorgebeugt worden scin, indem die Obrigkeit immer das Recht baben würde, unerlaubte Verbindungen zu verbieten; hier is aber nicht von Verbindungen die Rede, sondern von öffentlihen Versammlungen. Verbindungen sind etwas Dauern=- des, die Obrigkeit kann von ihrer Tendenz sich informiren; Versamms=- lungen aber sind etwas Juprovisirtes, Unvorbereitetes, bei ihnen is also eine größere Gefahr vorhanden; aus allen diesen Gründen stimme ih für die Beibehaltung des Entwurfs.

Abgeordn. Sperling: Der geehrte Abgeordnete aus der Rhein- Provinz hat darauf aufmerksam gemacht, daß dieser Paragraph wei- ter geht, als die fkorrespondirende Bestimmung des Entwurfs von 1843. Jch erlaube mir, die hohe Versammlung darauf aufmerksam zu machen, daß sie sogar weiter geht, als der betreffende Bundes- tags - Beschluß. Denn in dem Bundestags - Beschlusse von 1832 ist nur an Volks-Versammlungen gedacht, nur daran gedacht, diejenigen, welche dergleichen Versammlungen veranstalten, in Strafe zu ziehen, Nach unserem Geseß-Entwurfe sollen überhaupt öffentliche Versamm- lungen von der polizeilichen Genchmigung abhängig sein und alle einzelnen Theilnehmer an denselben strafbar werden. Mögen wir uns doch hierbei ins Gedächtniß rufen, daß jener Bundestags-Beschluß nur als cine interimistische Maßregel gelten sollte. Mögen wir uns doch die Worte Sr. Majestät des hochseligen Königs ins Gedächtniß rufen, die er bei der Publication desselben aussprah. Sie gingen dahin, daß bei uns in Preußen durchaus keine Veranlassung zu solchen Be- stimmungen vorhanden sei, daß er nur als Bundesfürst sich veranlaßt finde, sie zu publiziren. Worin kann nun wohl ein Grund liegen, die Bestimmungen, welhe der Bundestag für hinreichend erklärt hat, bier bei uns zu extendireu? Von einein geehrten Redner is darauf aufmerksam gemacht worden, daß aus öffentlihen Versammlungen Gefahren für den Stgat hervorgehen können. Aber wie läßt si jeder Gefahr vorbeugen, wo überhaupt mehrere Menschen versammelt sind ? Sollte dies bezweckt werden, daun müßte jedes Beisammenscin Mehrerer ohne Unterschied. verboten werden. Es is von öffentlichen Versammlungen die Rede, bei welchen die Obrigkeit Gelegenheit hat, von dem, was darin vorgeht, Kenntniß zu nehmen. Dies, glaube ih, sichert hinreichend den Rechtszustaudz es is} nicht nothwendig, der= gleichen Versammlungen, - die, ihrem Charakter na, nicht gefährlich sind, zu verbicte., worauf die Bestimmung des Paragraphen hingus- geht, und ih stimme dem Antrage der Majorität der Abtheilung bei,

Abgeordn. Graf von Schwerin: JZch inhärire dem von mir in der Abtheilung gestellten Antrage, statt der Worte: „ohne Ge- nehmigung der E zu seben: „ohne Anzeige bei der Obrig- feit‘“/, weil ich glaube, daß wir nur dur diesen Beschiuß in volle ständiger Konsequenz sind mit dem Beschlusse über die verbotenen Verbindungen. Wir haben da beschlossen, daß durchaus nur öffent- lie Verbindungen statthaft sein sollen, aus dem Grunde, wie ih glaube, weil wir den Behörden des Staats, sowohl den Gerichté=- Behörden, wie den Polizei-Behörden, zunächst aber den leßteren die Befugniß geben wollten, überall Kenitniß zu nezmen von dem, was geschieht, um da, wo das Juteresse des Staats gefährdet erscheint oder cin Geseh verleßt wird, einschreiten zu können, Dasselbe und riht mehr cheint mir auch in Bezug auf das Recht, die öffentlichen Versammlungen zu verbieten, nothwendig zu sein. Es ist mit der Annahme dieses Amendements doch cin wesentlicher Unterschied ge- geben von dem Entwurfe, Jh kann dem Herru Marschall der Pro- vinz Brandenburg darin nicht beipflihten, daß es dasselbe seiz denn wenn jede Versammlung von der Genehmigung der Obrigkeit abhän- gig gemacht wird, so hat sie eben das ‘Recht, diese zu versagen, oyue die Gründe anzugeben, weshalb sie es thut; dagegen, wenn nur ver= langt wird, daß die Anzeige gemacht werden muß, darf sie nur dann, wenn sie nachweisen kann, daß es im Juteresse der öffentlichen Ord- nung nothwendig sei, oder wenn sie eine Verlegung des Geseßes nach- weisen fann, einschreiten und diejenigen Maßregeln ergreifen, die eben im Interesse des öffentlihen Wohls erforderli sind. Sollte aber dieser mein Antrag nicht die Genehmigung der hohen Versammlung finden, so würde ih jedenfalls bitten, die Fassung des Paragraphen zu ändern, und zwar in der Weise, wie sie im Geseß von 1843 war. Das Gese von 1843 sagt nämlich: „Außerordentliche Volks - Ver- sammlungen oder Volksfeste, uämlih solche, welche bisher hinsicht lih gestattet waren, dürfen u. #. w.“; ih darf mich wohl auf die weitere Entwickelung des Unterschieds dieser Fassung von der Fassung e jeßigen Entwurfs nicht cinlassen, er springt von selbst in die

ugen.

Marschall: Es is zu ermitteln, ob der erneuerte Vorschlag die erforderlihe Unterstüßung findet.

(Wird unterstüßt.)

Abgeordn. von Saucken-Tarputschen: Jch werde mich kürzer ausdrüccken können, als ih vorher es glaubte, indem ih mi ganz dem Vortrage des geehrten Abgeordneten aus der Provinz Pommern anschließe, und wenn von dem Abgeordneten der Stadt Königsberg auf den Ursprung der Verordnung, auf welcher dieser Paragraph be= ruht, zurückgegangen ist, \o erlaube ih mir die Worte unseres un= vergeßlichen hochseligen Königs anzuführen, wie er sie damals bei Einführung der Beschlüsse des deutschen Bundes unter dem 25. Sep- tember 1832 aussprach, welche die Versicherung enthalten, daß Se, Majestät im Vertrauen und in der erprobten Zuneigung seiner treuen Unterthanen die zuverlässigste Bürgschaft für die Erhaltung der in- neren Ruhe des Landes besißen, und daß die beklagenswerthen Er- {heinungen, wider welche allein die Bundesgewalt geseßgebend ein=- zuschreiten sih genöthigt gesehen hat, seinen Staaten überall fremd geblieben sind. Meine erg ae Erklärung hat das preußische Volk als richtige Würdigung und Erkennung seiner unerschütterlichen Treue mit Dank aufgenommen; es war von Freude erfüllt, daß sein König ein solhes Vertrauen hatte, und ih glaube, es is kein Grund vorhanden, jeyt anzunehmen ; daß dieses Vertrauen erschüttert, ein anderes sein könne; ih weiß keine Veranlassung zu einer veränderten Ansicht. Jm preußischen Staate hat sich nichts ereignet, was es rechtfertigen könnte, diese Bestimmungen neu aufzunehmen, nichts be-

zeigt, daß heute cin anderer Geist als damals im Volke lebt. Jch will aber noch auf die Sache eingehen. Wenn im Volke verschiedene, auch politische Meinungen und Wünsche aufleben, wenn die abwei= chendsten Ansichten auftauchen, was ist da besser? wenn sie in öffeut- lichen Versammlungen , die den Behörden zugänglich sind, sich aus= tauschen und Belehrung und ihre Berichtigung finden oder wenn diese unterdrückt werden, und in geheimen Zusammenkünften, die der Bes= sere meidet, das falsche und heimlich wirkende Gift der Verblendung frebsartig weiter frißt? Jch glaube, gerade für eine aufmerfsame Re= gierung ist es der {önste Barometer, den sie haben fann, um die Stimmungen und Wünsche des Volkes zu erfahren. Ausschweifungen fönnen hin und wieder eintreten; welche Gefahr haben sie? Gar feinez sie geben gerade die beste Gelegenheit, bei Zeiten das zu er fennen, was da is, und auch die, —— wer sie nur zu nuben versteht dem Uebel entgegenzutreten. Wir haben gegen öffentlihe Aufforde= rung und dergl. genügende Strafen festgeseßt; eine bloße Bespre- hung, eine bloße Versammlung, um über das, was die Gemüther im Junersten bewegt, wo man Aufflärung wünscht und si erbitten will, diese zu verbieten, einen solhen Beschluß, meine Herren, würde ih als einen Ausspruch von dieser Versammlung erkennen, daß nicht mehr die alte treue Gesinnung daz preußische Volk belebt, nit die, die früher bestand, wie sie unser unvergeßliher König damals in seine Worte so s{hön, anerkennend, öffentlich niedergelegt hat. Zch führe woch das an, Se. Majestät der König gab diese Bestimmun- gen nur für die Provinzen, denen er sie als Mitglied des deutschen Bundes zu geben gezwungen warz in den übrigen Provinzen traten sie niht in Kraft, und das war uns eine große Freude, gereichte uns zur höchsten Befriedigung. (Mehrere Stimmen: Bravo!)

Abgeordn. Dittrich: Auch ih halte mit dem geehrten Redner vor mir öffentlihe Versammlungen gerade für die Regierungen für nothwendig, dem nicht die Oeffentlichkeit der Versammlungen \chadet ; nur die geheimen Versammlungen schaden, und wenn öffentliche Ver= sammlungen unterdrückt werden, so würdeu leiht die Nachtheile der geheimen entstehen. Jh habe aber noch etwas zu widerlegen, was gegen die Streichung des Paragraphen angeführt worden ist; es ist nämlich gesagt, eine Verbindung sei etwas Dauerndes, eine Versamm-=- lung aber etwas Jmprovisirtes, es liege daher nicht in der Konse= quenz, den Paragraphen zu streichen ; ich behaupte das Gegentheil: die Verbindung is das Mehrere, die Versammlung das Mindere, und daraus folgt au die größere Konsequenz der Streichung des Para- graphen. L

Vice-Marschall Abgeordn. ‘von Rochow: Das geehrte Mitglied der Ritterschaft von Pommern hat mir erwiedert, taß die Anzeige einer solhen Versammlung jedenfalls hinreichen müsse, weil es als= tann der Obrigkeit überlassen bleibe, wenn sie glaubt, day |}le vers brecherishe Zwecke habe, sie zu untersagen, und den Beweis zu füh- ren, daß diefe Untersagung nothwendig gewesen sei. Damit würde id) völlig zufrieden sein, wenn hinzugesebt wäre, auf welhe Weije der Beweis geführt werden solle, und wen gemeint ist, daß es genüge, diesen Beweis nach träglich der vorgeseßten Behörde zu führen. Soll er aber der Versammlung im Augenblick ihrer Vereinigung ge- führt werden, so würde dies eiwas ganz Unansführbares sein, denn die Versammlung würde den Beweis wahrscheinlich nie gelten lassen, Wenn der geehrte Abgeordnete aus Preußen die s{óöne Erklärung unseres hochseligen Königs Majestät angeführt hat, die bei der Ge- legenheit gegeben rourde, als man die Bestimmung, die hier der Pa= ragraph wieder enthält, publizirte, uud die eine bestehende ist, so wird des jebigen Königs Majestät gewiß dieselbe Meinung von jemenm treuen Volke haben z aber wie des hochseligen Königs Majestät diese Bestimmung neben jener Erklärung einführte, so {eint mir auch jeßt fein Grund vorhanden zu sein, sie bei der noch eben so anerkannten Treue des Volkes nicht stehen zu lassen. Die eventualiter vorgeèe=- shlagene Fassung, wie sie im Entwurfe von 1843 vorhanden ist, haite ih nicht für wesentlich abweichend, und habe nihts dagegen, daß sie angenommen werde. S

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jch- habe zu bemerken, daß das Recht der Genehmigung von dem Rechte der Untersagung sich dadur unterscheidet, daß das Recht der Genehmigung eben die Berufung auf ein bestehendes Geseß nicht voraussebt, wohl aber das der Untersagung, Weun ich eine Versammlung untersagen darf, so fann ich es nur auf Grund eines Gescßes, dann ist eine Anzeige dazu nothwendig, damit die Staatsgewalt die Maßregeln ergreifen fann, die ihr im Juteresse des öffeutlichen Wohles erforderlich scheinen.

Abgeordn, von Auerswald:; Jun Beziehung auf das, was der geehrte Marschall der Provinz Brandenburg eben sagte, daß nämlich zwischen der Emanation dieser Bestimmung, die hier vorliegt, und der Emanation der Bestimmung des höchstseligen Königs Majestät fein Unterschied wäre, habe ich zu bemerken, daß ein Unterschied wohl besteht, Damals war von einer, durch den Bundestag erlassenen Bestimmung die Rede, welhe Se. Majestät der hohselige König in seiner Eigenschaft als Bundesfürst erlassen mußte, und welche Der- selbe, wie wir eben gehört haben, nur in der möglichsten Beschrän= fung zur Anwendung brachte. Diese Bestimmung ist damals au nur in den Provinzen publizirt worden, die zum deutschen Bunde gehören, in den übrigen Provinzen ist sie erst später angewendet worden, Jett aber soll diese Bestimmung noch durch eine andere Fassung einen ausgedehuteren Sinn bekommen, Während sie also damals möglichst besch: änkt wurde, wird sie jebt ausgedehnt.

Candtags-Rommissar: Zunächst ebenfalls auf die Aeußerung des gechrten Deputirten aus der Provinz Preußen - zurückkommend, welcher die Worte angeführt, womit Se. Majestät der hochselige Kü=- nig den Buudeobeschluß veröffentlicht hat, dessen wesentlichen Jnhalt der zur Berathung stehende Paragraph bildet, spreche ih die Ueber= zeugung aus, M: das Vertrauen Sr. Majestät des Königs zu sei- ner Nation nicht \{wächer is, als es durch die angeführten Worte ausgedrüt wurdez aber eben deshalb glaube ih auch, daß die Na- tion feine Veranlassung hat, die Aufnahme dieses Paragraphen in das vorliegende Geseß als ein Zeichen des Mißtrauens Sr. Majestät anzusehen. Es mag der Paragraph aufgenommen werden oder nicht, so wird der wesentliche Jnhalt desselben für die deutschen Provinzen immerhin Gesebesfraft behalten, so lange er niht von Bundes we=- gen zurückgenommen is, und insofern würde es für diesen Theil der Monarchie keinen wesentlichen Unterschied machen , wenn seine Strei- chung beantragt werden sollte. Nichtsdestoweniger halte ih dafür, daß es wünschenswerth sei, seinen wesentlichen Inhalt beizubehalten. Jch wiederhole, daß keine Veranlassung des Mißtrauens vorliegt z nichtsdestoweniger is es nicht zu leugnen, daß gerade die Geschichte unserer Tage uns allerdings die Gefahren von Volks - Versammlun-

en mit scharfen Zügen vor Augen geführt hat, Und mag es daher einem Geseßgeber verdaht werden, wenn er bei Entwerfung von Geseßen auch solche Gefahren ins Ange faßt, die noch nicht uumit= telbar drohen. Ich gebe zu, daß die Gewalt der Regiernng, Volks» Versammlungen zu untersagen, auch solche, die keinen anderen Zweck hätten, als wirklichen Bedürfnissen auf geeignete Weise abzuhelfen, nachtheilig werden fönnez aber ih behaupte auch, daß das Gegen-

- theil eben sowohl Gefahren herbeiftihren kann, und zwar viel grö-

ßere! Jch glaube auh nit, daß das Gebot der bloßen Anzeige genügt, Der geehrte Deputirte von Pommern hat angeführt , der

Unterschied zwischen der Befugniß, dergleichen Versammlungen von spezieller Erlaubniß abhängig zu machen, und der Befugniß, t gle verbieten, bestehe besonders darin, daß die Befugniß E es E immer auf ein positives Gese stüßen mise. Geh E Oas Gese, so würde die Befugniþ des Verbietens zu cer an &orm herabsinken. Ein geehrter Deputirter der Provinz Brandenburg hat überdies mit vollem Recht angeführt, daß in dem Augenblicke, wo die Versammlung sih zu bilden im Begriff stehe, S nicht Zeit jein werde, erst weitläufige Erörterungen anzustellen , M der Zweck der Versammlung ein erlaubter sei oder n'cht , um dadur ein etwa nô- thig erscheinendes Verbot zu rechtfertigen. ; Deshalb muß von Sel- ten des Gouvernements der Wunsch ausgesprochen werden, daß der Paragraph stehen bleibe, während auf den Fassungë-Unterschied zwi- schen ‘der Vorlage von 1843 und der von 1847 fein crheblicher Werth gelegt wird. Auch bitte ih die Versammlung, anzuvehmen, daß die neuere Fassung nur aus dem Wnnsche hervorgegangen is, den mate riellen Jnhalt deutlicher auszudrüen. „Be Regterung wird Ber- sammlungen mit erlaubten Zwecken in Zeiten der Ruhe und Ord- nung die Erlaubniß nicht versagen, aber sie wird und muß Bolks- versammlungen mit zweideutigen Zweckrn oder in gefährlichen Zeiten im Jutecesse des öffentlichen Wohles verhindern.

Abgeordn. Brämer : Jh bin auch dafür, den Paragraphen weg fallen zu lassen, und wünsche es auf das lebhafteste. Jch fühle mich dazu veranlaßt, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, daß die Nicht- gestattung solcher Versammlungen mehr Schaden bringt, als die Ge- nehmigung. Im Herbste v. J+ oder vielmehr kurz vor der Aerndte beabsichtigten mehrere Gutsbesitzer im Regierungsbezirke Gumbinnen, zusammenzutreten und zu berathen über den Nothstaud, der zu bcsor= gen war, Der Aufruf zu der Versammlung war ganz gemäßigt, der Zweck darin auf das speziellste angegeben, und} niht nur die Gutsbesißer, sondern Jeder, der guten Willen hatte, war dazu ein- geladen. Der Censor fand es nicht für angemessen, diescn Aufruf in ein óffentlihes Blatt aufnehmen zu lassen ; der Bürgermeister der Stadt, wo die Versammlung stattfinden sollte, fand diese Versamm- lung sehr bedenklich, und troß aller Bemühungen, dieselbe zu Stande zu bringen, wurde sie nicht gestattet, und die Folgen, die daraus ent» stehen können, lassen sich niht voraussehen. Eben: so glaube ich, wären dergleichen Versammlungen gestattet gewesen, so würden in Oberschlesien so viele Opfer vielleicht nicht zu beklagen sein, Fch stimme also für den Wegfall des Paragraphen.

Korreferent Abgeordn, Kaumann: Das Beispiel, welches das geehrte Mitglied angeführt hat, würde ein Beleg dafür sein, daß man nicht annehmen kann, es werde unter allen Umständen die nö- thige Rücksicht darauf genommen werden von der Obrigkeit, daß der Para- graph überall richtig in Anwendung gebracht würde. Wenn ich auf die Aeußerung des Herrn Landtags-Kommissars zurückgehen darf, #0 möchte ih es doch sehr bedenklich halten, anzunehmen, daß die Be- stimmungen, die hier vorgeshlagen werden, von einer so großen Wich- tigkeit seien, daß die Exemplification auf die Gegenwart eines benad)- barten Landes gerechtfertigt würde, Jch kann, meine Herren, nicht annehmen, daß in dem Mangel cines solchen Gesetzes, wie hier vor- geschlagen worden ist, die Ereiguisse ihren Grund finden, auf welche Bezug genommen worden is.

Was den Beschluß d.s deutshen Bundes, die Gesebz, welche hier in Rede stehen, für alle zum deutschen Bunde gehörigen Staa- ten zu erlassen, betrifst, so muß ich darauf zurickommen, daß wir, abgesehen von diesem Bundesgeseßze, wohl berechtigt sind, auch iber die Nütlichkeit solher Bestimmungen zu berathen. Js das der Fall, meine Herren, dann mache ih darauf aufmerksam, daß wohl kein Ge- sch einen ähnlichen unangenehmen Eindruck maht ih spreche von meiner Auffassung als das Geseß, welches auf diese Weise denje=- nigen Rechten entgegentritt, die jeder Staatsbürger als gewissermaßen natürliche für sich in Anspruch nimmt. Es nimmt Jeder von uns das Recht in Anspruch, sih mitzutheilen, es nimmt Jeder das Recht in Anspruch, in weiteren Kreisen seine Meinung geltend zu machen, aus weiteren Kreisen Bestätigung seiner Ansichten oder Belehrung zu ziehen. Einen anderen Zweck können Volfsversammlungen nicht ha=- ben, gegen welche die exckutive Gewalt nicht einzuschreiten hat, so lange es sih niht um Ausführung verbrecherischer Zwecke haudelt. Es handelt sich hier aber um Volksversammlungen, die, in ganz lo- yaler Weise abgehalten, nur den Zweck haben können, das wadre Wohl des Landes nach der Auffassung im Volke zu berathen und zu befördern. Das i} die Aufgabe, die vorausgeseßt werden muß. Wenn dergleichen Versammlungen öfentlih gehalten werden, meine Herren, so „kann“ möglicherweise eine Gefahr darin liegen, aber diese „mögliche“ Gefahr is meines Erachtens noch nicht ausrei- chend, um generelle Bestimmungen zu geben, wie sie hier vorgeschla- gen worden sind. Jh bin daher der Meinung, daß man auf diesen Paragraphen verzihten könne, daß man darauf verzichten fönne ge- gen diejenigen, welche dergleichen Volksversammiungen beigewohnt haben, mit einer Polizeijtrafe hinterher einzuschreiten. Jh stimme dafür, den Paragraphen fallen zu lassen.

Abgeordn. von Sauen - Tarputschen: Jch will den Herrn Landtags - Kommissar hier nur noch auf Eines aufmerksam machen. Er erwähnte, daß die Geseße des deutschen Bundes in den zu dem- selben gehörenden Provinzen Gesehe seien und Geseße bleiben müß- ten, Ju diesen Beschlüssen des deutschen Bundes wurde aber damals ausdrücklich gesagt, daß sie nur durch die augenbliklichen Zeitumstände nöthig gemacht, nux für die Dauer derselben getroffen wären uud nur sür diese Zeit bestehen sollen, Ganz Deutschland erwartete von Jahr zu Jahr ihre Aufhebung, und viele Staaten trugen darauf an, und wir sollen jeßt Bestimmungen des deutschen Bundes, die, ich wiederhole es, nur in Folge außerordentlicher Veranlassungen für eine Zeit gegeben worden sind, hier jeßt durch Aufnahme in unser Straf- geseßbbuch verewigen, oder, wenn auch dies nicht, wenn das Geseß auch nur Decennien Kraft behalten wird, auch nur für diese Zeit hier aufnehmen? Das möchte ih mir erlauben, doch noch besonders der Berücksichtigung zu empfehlen,

Abgeordn. Camphausen: Der Herr Landtags-Kommissar hat mit Hinweisung auf die Geschichte des Augenblicks auf die Gefahren aufmerksam gemacht, welche in zwei Richtungen öffentliche Volksver- Ungen mit sich führen, in zwei Richtungen, sage ih, sowohl in Beziehung auf die Regierung, auf die Stärke der Regierung, welche sie zuläßt, als auf die Gefahren, die durch das Verbot drohen. Bei dieser Anführung seinerseits is er {hon selbst darauf aufmerksam ge- wesen, daß das Vorhandensein einer Bestimmung, wie sie hier vor- geschlagen worden ist, niht ausreiht, alle Gefahren, die in öffent=- lihen Versammlungen liegen, zu beseitigen; es giebt dafür nur ein Mittel, und ih erlaube mir, auch nuit Verweisung auf die Geschichte des Augenblickes, es zu nennen. Das Mittel it, daß Einheit und Einigkeit zwischen Volk und Regierung herrschen müssen ;

5 | (Bravoruf.) mögen wir Alle, ein Jeder an seiner Stelle, dahin wirken und dahin streben !

(Erneuerter Bravoruf.) ab Abgeordn. von Werde: Mich demjenigen, was der gechrte ansieht K so eben gesprochen hat, gesagt, aus vollster Seele ta vort j R ih dennoh in dem Resultate, welhes er daraus für Ansicht genden Paragraphen gezogen hat, von ihm verschiedener sicht, Zunächst bemerke ih, daß ohne Verschulden, sowohl des

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einen als des anderen Theiles, zwischen der Regierung und dem Volke verschiedene Ansichten über das obwalten fönnen, was das wahre Wohl des Landes erheischt; ih bin also der Ansicht, daß mit derar= tigen frommen Wünschen die Betrachtungen über den vorliegenden Paragraphen nicht erschöpft sein können. Jch habe übrigens den Herrn Landtags-Kommissar anch nit so verstanden, wie von einer Seite, glaube ih, angedeutet worden ist, als ob man mit diesem Paragrapben im Stande sei, großen Revolutionen zu begegnen. Jch halte dessen Bestimmung aber doch für ein unumgängliches Mittel, um die Ord= nung im Kleinen aufreht zu erhalten. Jch habe mir bereits vor einiger Zeit erlaubt, darauf hinzuweisen, daß ih vollkommen davon durchdrungen bin, daß das Recht, sich zu versammeln, im größten Maßstabe etwas Wünschenêwerthes sei, ih erinnere an die Versamms- lungen, wie sie in einer glücklichen Jnsel stattfinden, ja, täglich statt» finden, ohne die mindeste Gefahr für die öffentliche Ordnung zu brin- gen, ja, wie sogar gewissermaßen die öffentlihe Ordnung auf diesen Versainmlungen berußt. Allein, meine Herren, ih habe damals au darauf hingewiesen, daß wir uns in Sprüugen in der Gesebgebung bewegen wücden, wenn wir ohne Weiteres solche Versammlungen ge=- statten wollten, nachdem die Entwicfelung unseres Staates einen an- deren Gang gegangen ist, als die politischen Zustände in jenem glüc- lihen Lande, Jch mache da auf aufmerksam, daß der Gebrauch von diesem Rechte, wenn er unschädlich sein soll, eine gewisse Nüchternhcit, eine politishe Ausbildung voraussebt, die, ic muß es leider befennen, ih in unserem Lande nicht durhweg erkennen fann. Man kaun mei- ner Ausicht den Vorwurf machen, daß ich verlange, daß Jemand \{wimmen soll, ehe cr in das Wasser kommt.

(Eine Stimme: Ja wohl Heiterkeit in der Verfammlung.) Allein, meine Herren , ih mache denjenigen , die eine solche Be- stimmung ohne allen Vorbehalt vorbringen, den Vorwurf, daß sie ihren Schwimmer in den Strom hinauewerfen, ehe er fähig it, sich von der Angel abzulösen. Jch bn also deu Ansicht, daß im UAllge- meinen das Recht des Veisammelns allerdings ein Gegenstand ift, der seine Erledigung auf dem Gebiete der Gesetzgebung siuden muß, daß wir leßtere aber nicht in diesen Bestimmungen finden fönnen, Jch bin ferner der Meinung, daß wir nicht aus einem Mißtrauen gegen unsere Obrigkeiten, unsere Ortsbehörden so weit gehen können, um ihnen alle Mittel zu nehmen, gewissen Unordnungen entgegenzu- treten. Die Abtheilung hat sich in dem vorliegenden Gutachten damit einverstanden ei klärt, daß gewisse Lustbarkeiten nur unter Zustimmung der Obrigkeit stattfinden sollen. Es hat eben die Erfahrung bisher ge zeigt, daß es unumgänglih nothwendig ift, die Erlaubniß zu Tanz- lustbarkeiten von der Zustimmung der Orisobrigfeit, des Ortsschulzet abhängig zu machen. Wenn die Zulassung dieses quantum mins ohne Zustimmung der Obrigkeit schon bedenklich erscheint, fo scheint es noch viel bedenklicher, wenn wir in einem viel größeren Maße Volksversammlungen gestatten wollen, ohne daß die Zustimmung der Obrigkeit eintreten müßte. Jch muß bitten, daß, ehe diescr Gegen=- stand in einem allgemeinen Gesetze erledigt wird, dieser Paragraph beibehalten werde. :

_ Abgeordn. Grabow: Jch stimme aus den von mehreren Mit- gliedern der hohen Versammlung schon entwidtelten Gründen für Streichung des Paragraphen und habe in dieser Beziezung nichts weiter hinzuzufügen, Nachdem wir aber von einem v.rehrten ritter- schaftlichen Redner aus meiner Provinz in einem so eben von ihm aufgestellten Bilde erfahren haben, daß: die politische Bildung Preußens noch nicht so weit gereift sei, um den fraglichen Paragraphen enf- behren zu können, 0 möchte ih mich von meinem Standpunkte aus doh dagegen verwahren, daß wir selbst uns nicht cin teslimonium pauperlatis ausstellen.

(Bra90o - Ruf.)

Abgeordn. von Werdeck: Jh glaube, daß, um gerecht gegen sich selbst zu sein, man vor allen Dingen seine eigenen Fehler erken- nen muß, und ich halte es für kein teslimonium paupertatis, wenn ih anerfenne, daß ich Fehler habe. Andere haben andere Fehler, und wenn sie diese haben, kann ih meine Fehler anerkennen und deshalb doch nicht zugeben, daß ich ein weniger tüchtiger Mann sei, als Andere. Eine gleiche Beziehung findet bei den Völ= fern statt.

Candtacs - Rommissar: Es is von einem geehrten Deputirten aus der Provinz Preußen cin Fall angeführt worden, wo ungerech» terweise eine an sich ganz unschädliche Versammlung inhibirt sein soll. Ich hoffe, daß die hohe Versammlung aus einem einzelnen nie zu vermeidenden Falle des Mißbrauches keinen Schluß auf die Unzweck- máäßigkeit des Geseßvorschlages machen werde; ih muß übrigens be- merken, daß der von dem geehrten Abgeordneten angeführte Fall in die höchste Justanz nicht gelangt is und daher meinerseits nicht be=-

urtheilt werden kann. Der geehrte Deputirte hat auf ein anderes T L

sehr trauriges Ereigniß in der Monarchie hingewiesen z ih habe hon bei ciner ähnlichen Veranlassun Abstand davou genommen, auf das- selbe näher einzugehen, und bitte, dics auch dicêmal thun zu dürfen, nicht, weil ih eine Erörterung desselben persönlich eue, sondern weil ih glaube, daß dergleichen Diskussionen dem Lande nicht from- men würden, Außerdem hat der geehrte Deputirte aus der Rhein- provinz den Ausspruch gethan, daß das sicherste Mittel gegen alle Unordnungen und s{chlimmen Ereignisse darin bestehe, daß Regierung und Volk einig und Eins seien. Er hat schon anderweit Zustimmuug gefunden, ich muß ihm auch die meine in vollem Maße geben; daß man aber mit diesem Ausspruche allein ausïomme, das muß ih be- streiten, Diese Einigkeit muß das leßte Ziel sein der Bestrebungen sowohl der Regierung als des Volkes; wären wir bis dahin gelangt, dann würde aus dem Kriminal - Recht noch eine ganze Menge von Paragraphen gestrichen werden können. Endlich ist ang-deutet, ich hätte durch meine Worte auf die Ereignisse der neuesten Zeit speziell hindeuten wollen, das isst wirklich nicht der Fall gewesen, ich habe gesagt, die Ereignisse unserer Tage hätten allerdings wohl den Be- weis geliefert, daß auch in dieser Beziehung Borsiht der Regierung nöthig sei, eine nähere oder speziellere Deutung bitte ih diesen Worten nicht zu geben. Jh würde vor vier Wochen dasselbe ge- sagt haben.

Marschall: Wir können abstimmen.

Abgeordn. Brämer: Jch wide mir noch eine kleine Bemer- fung gestatten, die sich auf den von mir aiutgeführten Fall bezieht.

Ülarschall : Auf diesen speziellen Fall ?

Abgeordn. Brämer: Ja.

Marschall: Jch werde nicht entgegentreten, glaube aber nicht, daß die Versammlung ein Juteresse daran haben wird, diesen spe- ziellen Fall weiter zu verfolgen.

Abgeordn. Brämer: Jch glaube doch, daß das Faktum, dessen ih erwähnt habe, Juteresse bei der Versammlung haben wird. Für die Richtigkeit kann ih mih verbürgen. Jh würde keinen Bezug auf das unglückliche Ereigniß in Schlesien genommen haben, wenu ih nicht die Wahrscheinlichkeit gehabt hätte, einen Jrrthum, in dem man sich befindet, zu widerlegen. Die Kreisstände in den Kreisen Rybnik und Pleß sind beschuldigt, daß nur durch ihr Widerstreben nichts geschehen sei. i

Marschall: Jch beharre bei meiner früheren Meinung, daß die Versammlung sich vollkommen in der Lage und in dèm Wunsche befinden wird, zur Äbstimmung zu kommen. :

Abgeordn, Sperling: Jh bitte ums Wort, um noch eimen

Antrag zu machen. Darin, glaube i, ist die Krone mit dem Volke einig, daß die Geseßgebung fortschreiten müsse, Jh habe aber shon in meinem ersten Vortrage darauf aufmerksam gemacht, daß dies bei dem vorliegenden Paragraphen nicht der Fall if, daß die Geseß=- gebung sogar Beschlüssen des Bundestags gegenüber zurüschreiten will, insofern nämlich, als im Buntesbeshluß nur von Volksversamm-= lungen die Rede ist, hier aber von öffentlichen Versammlungen, inso= fern, als nah dem Bundesbeschluß nur die Veranlasser von Volks= Versammlungen bestraft werden sollen, hier aber jeder Theilnehmer mit Strafe bedroht wird. Für den Fall, daß der Paragraph nicht ganz gestrichen werden sollte, mache ih den Antrag, wenigstens die Schlußbestimmung desselben zu streichen, wonach die einfachen Theil= nehmer an öffentlichen Versammlungen zu bestrafen scin würden. _ Marschall: Zuvörderst kommen wir zur Abstimmung über die Frage :

Soll auf Wegfall des Paragraphen angetragen werden? Nachher zur Abstimmung über den Antrag des Grafen von Schwe- rin, taß die Worte: „ohne vorausgegangene Genehmigung der Obrig- keit‘ verwandelt werden sollea in die Worte: „ohne Anzeige bei der Obrigkeit‘; und eventuell über den Antrag, ob beantragt werde, auf die Fassung von 1843 zurückzugedhen. j

Abgeordn. von Platen: Jh erlaube mir die Frage, ob bei dem Antrage des Grafen von Schwerin in Bezug auf die Abänderung im ersten Absatz nicht hiuzukommen könne, daß der zweite Absahß ganz wegfalle? Jch hoffe zwar, der Paragraph wird ganz fallen, soüte dies aber uicht geschehen, so scheint mir die Abstimmung, um die ih gebeten, nothw:ndig zu sein.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Beide Fragen würden nah einander gestellt werden fönnen. Wenn ter Antrag auf Streichung des Paragraphen niht angenommen würde, so würde Durchlaucht das Amendement zur Frage bringen, ob nur die Anzeige bei der Obrigkeit erfolgen müsse. Mag es angenommen werden oder nicht, so wird die leßte Frage darauf zu richten sein, ob die Fassung von 18413 an= genominen werde oder nit.

Abgeordn, Knoblauch: Zur Abstimmung bemerke ich noch : Die Fassung des entsprechenden Paragraphen aus dem Entwurfe von 1843 schien au mir allerdings milder, wie die gegenwärtige. Wir haben aber von dem Herrn Landtags-Kommissar gehört, daß beide dasselbe bedeuten und die jeßige Form nur die frühere Absicht deutlicher aus=- drücken soll. Unter diesen Umständen erscheint es mir eben so be- denflich, sid für die ältere wie für die neuere Fassung zu e:flären.

Abgeordn. Sperling: Der leßte Saß, wonach alle Theilnehmer bestraft werden sollen, ist doch nicht milder, 3

Abgeordn, von Brünneck: Auf die angeregten Zweifel glaube ih bemerken zu müssen, daß der Unterschied zwischen der Fassung von 1843 und der gegenwärtigen darin besteht, daß im Entrwourf von 1843 nur die Volfs- Versammlungen und Volksfeste verboten sind, in diesem Entwurfe aber alle öffentlichen Versammlungen, zuglei aber guch darin, daß nach dem lehteren selbst die Theilnehmer zu bestrafen sind, deren in dem früheren Entwuxf nicht gedacht war. :

Abgeordn. Cucanus: Jn Bezug auf die erste Frage trage ich auf namentliche Abstimmung au.

(Viele Stimmen: O Nein!)

Marschall: Der Antrag is uicht unterstüßt.

(Mehrere Stimmen behaupten, er sei unterstüßt.)

Es würde si fragen, ob auf dem Antrage beharrt wirdz er hat uur sehr geringe Unterstüßung gefunden.

Abgeordn. Lucanus: Er hat Unterstüßung gefunden. Es haben mehr als 8 Mitglieder gestanden.

Marschall : Jh habe durchaus uichts dagegen. Also in Bezug auf die erste Frage ?

Abgeordn. Lucanus: Jn Bezug auf die erste Frage.

Marschall : Der Antrag is von 8 Mitgliedern unterstüßt. Durch namentlichen Aufruf kommen wir zur Abstimmung. War es der Wunsch des? Abgeordneten Lucanus, auf namentliche Abstimmung über sämmtliche Fragen anzutragen?

Abgeordn. Cucanus: Nein, nur in Bezug auf die erste Frage. j

Marschall: Danu würden es aber wahrscheinlich mehrere Mit- glieder für ungeeignet halten, wenn nicht die namentliche Abstimmung bei sämmtlichen drei Fragen erfolgte.

Abgeordn. Lucanus: Dann will ih lieber meinen Antrag zurück= nehmen; es würde jedenfalls zu viel Zeit rauben, auch bei den fol- genden Fragen namentli abstimmen zu lassen.

Marschall : Wir kommen also auf die gewöhnlihe Art zur Ab- stimmung über die Frage :

„Soll auf Wegfall des §. 429 angetragen werden ?““ Diejenigen, welche es beantragen, würden es durch Aufstehen zu er- fennen geben. (Das Resultat der Abstimmung is zweifelhaft.) Jch bitte die Zählung vorzunehmen. (Dies geschieht.)

Mit Ja haben gestimut 46, mit Nein 43.

Wir kommen zu §. 430,

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (liest vor):

„8. 4030,

Wer in öffentlichen Versammlungen, es mögen dieselben erlaubte oder unerlaubte sein, Reden hält, welhe auf Veränderungen der Staats-Verfassung, sei es des preußischen Staates oder des deut- hen Bundes, abzielen, inglcihen wer in öffentlichen Versamm- lungen Adressen oder Beschlüsse, welche auf solche Veränderun=- gen abzielen, in Vorschlag bringt und durch Unterschrist oder münd- liche Beistimmung genehmigen läßt, is mit Geldbuße bis zu funfzig Thalern oder mit Gefängniß bis zu sechs Wochen zu bestrafen.“

Das Gutachten lautet :

„Zu §. 430. /

g. 430 i} in Folge vorstehender Abstimmung zu streichen.“

Nach dem Beschluß, der gefaßt worden ist, hat es fein Beden- fen, auh diesen Paragraphen ähnlich zu fassen. Zur M6 cines solchen Beschlusses wäre insbesondere noch anzuführen, daß E Verbieten von folhen Reden immer mehr zur Unzufriedenheit anregf, als wenn man sie gestattet. j

Vice-Marschall Abgeordn: von Rochow: Jh a Hi duge- ben, daß der Wegfall des vorigen Na E dieses Paragraphen zur Folge haben j ae : Berfasfui s - Fragen lungen von besonderer Art bezeichnet, M AES [A IUS E 32

: E Reden gebalten werden sollen. Meine Her=* berathen und politische Reden gea 4:0 i : eratyen N vaburdb, dal Wil aus HORMAY dieses Paragra= ren, lajjen Sie uns dur d 18 i 7 ht Reform-Banketts autorisiren. phen antragen, m@ ck e D aR)

(Mehrere Stimmen : h, oh a Kob 2 erlebt, welhe Folgen solche Versammlungen

Wir haben es ertievt, G

inem unglücklichen Na-hbarlande gehabt haben. Besprechungén 2 caintliben Versammlungen über Abänderung der bestehenden Ver- d De führen nur allzu leicht zum Haß und zur Feindschaft gegen die R ieman, zur Verachtung des Bestehenden. Man hat zwar gesagt, man fönne in solchen Versammlungen aufgeklärt werden, man könne auch politisch unbedeutende Veränderungen besprechen ; dazu \ind âber gesezmäßig bestehende Versammlungen genug vorhanden. In Be=- sprehungen von ungeordneten Vereinigungen über Ge enstände der Verfassung wird sh meistens eine gewi||e Leidenschastlichkeit ent=