1848 / 69 p. 5 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

oder auf Zeit, welhe, wenn sie ausgesprochen ist, den Verlust der So 2 der Verurtheilte bekleidet, als Folge nach sich zieht, da die unterbrochene Fortdauer der entsprechenden Fähigkeit die nothwendige Bedingung ist, ohne welche man ein Amt nicht beklei= den fann.

Die Fähigkeit, ein öffentlihes Amt zu bekleiden , gehört aber unstreitig auch zu den Ehrenrehten eines unbescholtenen Bürgers, und muß gewiß in allen Fällen verloren gehen oder suspendirt wer- den, wo der Verlust oder die Suspension der übrigen Ehrenrechte eintritt; es stellt sih daher als eine durch die Natur der Sache ge- botene Anforderung dar, daß sie unter die Ehrenrechte des §. 33 mit aufgenommen werde.

Wenn dieses geschähe, so wäre für alle Fälle, in welhen auf Verlust oder Suspension der Ehrenrechte erkannt wird, zugleich der Zweck erreiht, welchen die besondere Androhung der Cassation oder der Amtsentseßung nur haben kann. Erschiene bei gewissen Ver= brechen der Verlust oder die Suspension aller Ehrenrechte als nicht geeignet, so könnte die Strafandrohung auf die immerwährende oder zeitige Unfähigkeit zu öffentlihen Aemtern beschränlt werden. Für die Fälle, in welchen das Geseh weder den Verlust oder die Sus- pension aller Ehrenrechte, noch die immerwährende oder zeitige Un- fähigkeit zu öffentlichen Aemtern verhängt, oder in welchen es diese Strafe nur fakultativ androhte und der Richter darauf nicht erkannte, bliebe die Amtsentsezung im Disziplinarwege vorbehalten ; jedoch stände, um den Zweck des §. 616 zu erreichen, einer besonderen Bes- stimmung des Juhalts nichts entgegen, daß die Verurtheilung zu einer längeren als einjährigen Freiheitsstrafe, so wie jede wegen ge- wisser Verbrehen ausgesprochene Verurtheilung den Verlust des Amtes nothwendig nach si ziehe.“

Weil ich diese Ansidht für richtig halte, und der Meinung bin, daß das Verhältniß zwischen den Beamten und dem Staate einen civilrechtlihen Charakter hat, so glaube ih, daß die Amtktsentseßung im Kriminalrehte niht ausgesprohen werden kann, sondern daß dies im Disziplinargeseß geschehen muß. Jh weiß, daß ich in Wider= spruch gerathen werde mit der Meinung, welche in den alten Pro- vinzen Wurzel gefaßt hat, wo man einem jeden Disziplinarwege ab- geneigt ist, also auch die Ansicht, welche ih hier vertheidigt habe, ih \chwerlih Beifall erwerben wird. Jch habe mi aber nicht ent- halten können, sie auszusprehen, und die Gründe vorzutragen, und wiederhole den Antrag, den Paragraphen zu streichen. Würde die Regierung darauf eingehen, so wären alle Zweifel beseitigt.

Justiz - Minister von Savigny: Jch muß vor allem bestreiten, daß das Verhältniß der Beamten zum Staate als ein civilrehtlihes, als ein Kontraktverhältniß betrachtet werden dürfe. Es ist nicht blos eine eigenthümlihe Ansicht unserer alten Provinzen, sondern eine Ansicht, welche im Staatsrehte aller anderen Staaten anerkannt ist, daß nämlich dieses Verhältniß ein dem öffentlihen Rechte angehö-= rendes und vom Civilrehte vershiedenes Verhältniß ist. Wenn man davon ausgeht, so fällt der Grund des Antrags hinweg und es bleibt nothwendig, diese Strafen als eigentlihe Kriminalstrafen bei= zubehalten, wie es auch von jeher in unserer Geseßgebung gehalten worden ist.

Regierungs-Kommissar Bischoffz Der §. 402 kann aus mehr= fachen Gründen nicht fortfallen. Bei einzelnen Verbrechen is} speziell im Geseßentwurf gesagt, daß sie Cassation oder Amtsentsezung nach sich ziehen; für diese i} eine allgemeine Bestimmung nicht erforder- lich. Eben so wenig bedarf es einer weiteren Bestimmung für die- jenigen Verbrechen, bei welchen der Verlust der Ehrenrechte angedroht is, da in einem solchen Falle nah Vorschrift des generellen Theils von selbst die Cassation eintritt. Allein neben diesen Verbrechen giebt

es andere, die weder zu der ersten noch zu der zweiten Kategorie gehören, und bei deren Verübung der Beamte gleichwohl nicht mehr im Amte bleiben kaun. Zu diesen Verbrechen gehören zum großen Theil die, welhe im Titel von den Verbrechen wider die Sittlichkeit erwähnt worden sind. Dort ist bei mehreren Vebrehen nur Straf- arbeit angedroht worden, ohne daß der Verlust der Ehrenurechte hin- zugefügt worden wäre. Man hat bei diesen Verbrehen den Verlust der Ehrenrehte niht androhen wollen und sich darauf beschränkt, Strafarbeit und Gefängnißstrafe anzuordnen. Gleichwohl aber sind diese Verbrechen der Art, daß cin öffentliher Beamter, welher we- gen derselben verurtheilt wird, nothwendig das Ansehen und die Autorität verlieren muß, deren er zur Ausübung seiner Functionen bedarf. Aehnlich verhält es sich mit anderen Verbrechen, namentli denen, welche einen Mangel an Unterthanentreue vorausseßen, wie der Hochverrath und Majestäts-Beleidigung. Bei diesen is nach den Beschlüssen der hohen Versammlung nicht in allen Fällen der Verlust der Ehrenrehte angenommenz gleihwohl aber liegt es in dem Ver=- hältnisse der Beamten, daß, wenn sle si solche Verbrechen zu Schul- den fommen lassen, sie niht mehr im Dienste bleiben können. Dem- nah wird eine subsidiarishe Vorschrift, wie sie der §. 402 enthält, nicht entbehrt werden können. Hiebei is von dem Herrn Minister für die Gesetzgebung bereits erwähnt, weshalb es nicht wünschens- werth erscheint, die Kasuistik des Entwourfs von 1843 beizubehalten, und alle dort aufgestellte Verbrechen namentlih zu bezeichnen.

Marschall: Wird der Antrag unterstüßt, den §. 402 wegfallen zu lassen? A

(Es erheben sich zu wenig Mitglieder. Er is nicht unterstüßt V ? G ' /

Abgeordn. Grabow: Jch kann nicht der Ansicht sein, daß durch den Vorschlag der Abtheilung eine Kasuistik in den §. 204 hinein= gebraht werde. Es sind in dem vorgelegten Paragraphen mehrere allgemeine Kategorieen von gemeinen Verbrechen zusammengefaßt worden, in welhen Cassation und Amtsentseßung eintreten soll. Der F. 616 des Entwurfs von 1843 enthält dieselben Kategorieen, Jh will mir erlauben, zum besseren Verständniß den betreffenden Passus aus demselben vorzulesen : „Wird ein Beamter zur Zuchthausstrafe verurtheilt, so trifft ihn die Cassation 2c. Auch bei anderen Stra- fen is zugleich auf Cassation und Amtsentseßzung zu erkennen, wenn:

1) die strafbare Handlung die Verlezunç besonderer Unterthanen-

pflichten in sich {ließt (§§. 152, 160, 166, 179, 183, 205, 209, 216.) oder 2) in dem Verbrechen eine grobe Nichtahtung der Religion oder Sittlichkeit liegt (§§. 238—241, 244, 257, 259 Nr. 2, 386, 392, 395—398) oder 3) dadurch cin besonderer Mangel an Ehrliebe an den Tag ge- legt wird (§8. 405, 406, 417, 425, 426, 444, 449, 450, 452, 453, 464, 466, 479, 485) oder 4) der Beamte sein amtlihes Verhältniß zur Verübung von Verbrechen benußt hat, zu deren Verhinderung er bestellt war. 2c.“ Nach dieser Fassung sind im Entwurfe vom Jahre 1843 bei den einzelnen Kategorieen der in demselben gedachten gemeinen Verbrechen die die Lebteren enthaltenden Paragraphen allegirt. Jch glaube, daß man auf ähnlihe Weise, ohne daß man sagen könnte, die Bestim- mung enthalte eine Kasuistik, mit dem neuen §. 402 des jeßigen Entwurfs verfahren könnte. Jh glaube, daß seitens der Abtheilung der §, 402 nur \o weitläufig präzisirt worden ist, um der hohen

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Versammlung die Beschlußnahme darüber zu erleihtern, ob Amts- entsebung oder Cassation in den betreffenden Fällen hinzutreten solle. Jn einer Beziehung dürfte sodann nur noch eine Disposition dem F. 402 hinzuzufügen sein, welche festseßte, ob in allen Fällen jedes- mal Cassation oder Amtsentseßzung eintreten solle, oder ob nicht für gewisse, leichte Vergehen die fakultative Fassung ausreichen dürfte,

ies Leßtere hat die Abtheilung nah ihren Vorschlägen für nöthig erachtet. Jh glaube hiernach, daß die ganze Proposition sich auf eine Fassungssache reduzirt, und wird die hohe Staats - Regierung, wenn die einzelnen proponirten Paragraphen durchgegangen sein wer- den, bei den einzelnen Kategorieen die beste Fassung leiht selbst wählen können, insofern nur die hohe Versammlung darüber einig ist, daß nur die hervorgehobenen Paragraphen allegirt werden sollen, und daß und bei welhen von ihnen dispositiv und fakultativ die

Cassation oder Amtsentseßung nebenbei ausgesprohen werden soll,

Mit diesen Beschränkungen glaube ih, können wir der hohen Staats-

Regierung die weitere Fassung überlassen. ; i

Marschall: Es wird zweckmäßig sein, ehe wir zur Abstimmung

über die Frage kommen, ob der Paragraph in der ursprünglichen

Fassung oder in dex Fassung angenommen werde, die den leßten

Vorschlägen der Abtheilung entsprehend ist, dieselbe ausgeseßt sein

zu lassen, bis die einzelnen Vorschläge durchgegangen sind, zu welchen

wir jeßt übergehen. ; : i Referent Abgeordn. Frhr, von Mylius (verliest die Vorschläge

der Abtheilung zu §. 402):

„Zu §. 402.

Die Abtheilung war der Ansicht, daß als Verbrechen oder Ver- gehen, mit deren Strafe Cassation oder Amtsentseßung unter allen Umständen verbunden, zu bezeichnen, die Zuwiderhandlungen gegen 1) die Strafbestimmungen in den Titeln über Hochverrath und

Landesverrath , selbs in den Fällen, wo nur Strafarbeit und

niht Zuchthausstrafe angedroht;

die Strafbestimmungen in dem Titel über Beleidigungen der

Majestät und der Mitglieder des Königlihen Hauses, in

gleihen Fällen.

3) Die §8. 132. (Verleitung zur Desertion).

112, (Aufruhr).

4) Gegen die Strafbestimmungen im 9ten Titel (Verbrechen wider die Sittlicheit) in den Fällen der Blutschande, der mehr- fachen Ebe und der Nothzucht.

5) Gegen alle Strafbestimmungen wegen der Verbrechen oder Vergehen, des Diebstahls, der Unterschlagung, der Erpressung, so wie des Betruges im Falle des §. 293.

6) Gegen die §8. 180, 182, 183, 184, 185, (Verführung, Mißbrauch zur Unzucht, widernatürlihe Unzucht, grobe Angriffe auf die Schamhasftigkeit, öffentlihe Verleßung der Scham- hastigkeit.)“

Allerdings is hier ein Vergehen begangen worden, welches ih mit der Raschheit des Druckes zu entschuldigen bitte, Nach meinem Erachten ist beschlossen worden, daß bei der Amtsentseßung nöthig sei, daß sie fakultativ ist. Das würde also zu berichtigen sein, daß sie hier wegfiele und in den zweiten Saß käme. Man war der Meinung, daß mitunter solhe Dinge vorkommen fonnten, bei Be- amten, wo Amtsentseßzung noch eine zu {were Strafe wäre.

Die Abtheilung war ferner der Ansicht, daß die Strafe der Cassation oder Amtsentsezung nur fakultativ anzudrohen, bei Ver- gehen gegen folgende Paragraphen.

„117, (Aufforderung zum Aufruhr.)

148. und 152. (Störung des Gottesbienstes und Beleidigung der Religionsgesellschaften.)

159, (Eidesbruch.)

160. (Falshe Anschuldigung.)

g. 294, Die Fälle geringfügiger Betrügereien, in welchen auf den Verlust der Ehrenrechte niht nothwendig solle erkannt werden.“

Vice - Marschall Abgeordn. von Rochow: Es will mir nicht scheinen, daß man Cassation oder Amtktsentseßung für diese Verbrechen nur fafultativ vorschreiben dürfe. Jeder Beamte hat vorzugsweise die Verpflichtung, zur Erhaltung von Ruhe, Ordnung und Geseß- lichkeit mitzuwirken. Wenn er nun aber selbst das Beispiel eines geseßwidrigen Betragens dadurch giebt, daß er zu Aufruhr, zur An- wendung roher Gewalt gegen das Geseh aufreizt, so glaube ich, daß das Mindeste, was ihn treffen müsse, die Entseßung von seinem Amte sei. Mein Antrag geht demnach dahin, dieses Verbrechen in die erste Kategorie, d. h. unter diejenigen Verbrechen zu verseßen, wo allemale und unbedingt Cassation oder Amtsentseßung eintreten muß,

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Der §. 117 lautet: „Jede öffentliche Aufforderung zum Aufruhr oder Landfriedensbruch, so wie jede Aufforderung zur Meuterei unter den Gefangenen ist, wenn sie keinen Erfolg gehabt hat, mit Gefängniß nicht unter drei Monaten oder mit Strafarbeit bis zu zwei Jahren, und zugleich mit Stellung unter besondere Polizeiaufßht zu bestrafen.““

Die Abtheilung war der Meinung, daß Fälle zur Sprache kom- men können, wo allérdings selbst die Aufforderung zum Aufruhr mehr den Charakter oder die Natur einer leichtsinnigen Redeart hat , als einer ernstlich gemeinten Aufreizung und aufrührerischen Handlung, und daß man es ins Ermessen des Richters stellen möge, zu prüfen, ob das Verbrechen so bedeutend sei, daß er für entsprehend halte, Amtsentsezung eintreten zu lassen. Sollte die Amtsentseßung aber unter allen Umständen eintreten, so wäre dies in solchen Fällen offen- bar zu hart.

Abgeordn. Dittrich : Mir sind die zuleßt zusammengestellten Fälle sämmtlich solche, bei denen ih Amtsentsebung und Cassation für nothwendig halte, mit Ausnahme desjenigen des §. 294. _

Abgeordn. Graf von Schwerin: Jh muß auch sagen, daß ih glaube, es genüge, daß hier beispielsweise Fälle bezeichnet werden, wo unter allen Umständen Cassation und Amtsentsezung eintreten muß. Jh glaube, wir sind über diese Punkte in der Abtheilung etwas eilig hinweggekommen.

Marschall: Wir wollen weiter verlesen, wir kommen nachher zur Abstimmung.

g. 158.

Referent Abgeordn. Freiherr pa Mylius (liest vor) :

, §. 15 .

Wer aus Fahrlässigkeit in-eigenen oder fremden Angelegenheiten etwas Unwahres eidlih versichert, oder eine unwahre, an die Stelle eines Eides tretende, Versicherung abgiebt, ist mit Gefängniß bis zu Einem Jahre zu bestrafen.

Hat er jedo dur zeitige Anzeige des Jrrthums alle nachthei- ligen Folgen abgewendet, so soll er mit Strafe vershont werden.“

Marschall: §. 159. ;

Referent Abgeordn, Frhr. von N (liest vor) :

1Fy 1 *

Wer vorsäßlih einer dur eidliches Angelöbniß vor Gericht ge- leisteten Caution oder dem in einem Manifestationseide gegebenen Versprechen zuwiderhandelt, is mit Gefängniß oder mit Strafarheit bis zu zwei Jahren zu bestrafen.“'

Vice - Marschall Abgeordn. von Rochow : Jch stelle den An- trag, daß hier jedenfalls Amtsentsepung oder Cassation eintrete, denn

jeder Beamte genießt einen höheren Grad von Glauben und die

Grundlage dieses Glaubens is sein Amtseid. Jndem er sich darauf

beruft, kann er oft den [P Beschuldigungen Geltung ver=

schaffen. Soll diese Glaubwürdigkeit erhalten und der Bürger gegen

den Mißbrauch derselben geshüßt werden, so darf kein Beamter, der

sih eines Eidesbruchs E, Ball hat, seine Stellung behalten, eifall.

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: Von mir is diese An- siht nicht ausgegangen in der Abtheilung, aber in Beziehung auf die älteren Provinzen wurde behauptet, daß hier gerade eine Menge Dinge vorgesehen seien, die leiht begangen werden, während das Verbrechen des Eidbruches dem rheinishen Rechte ganz fremd ist. Es heißt in §. 159.: „Wer vorsäßlih einer dur eidlihes Ange- löbniß vor Gericht geleisteten Caution oder dem in einem Manifesta- tionscide gegebenen Versprehen zuwiderhandelt, ist mit Gefängniß oder mit Strafarbeit bis zu zwei Jahren zu bestrafen,“ und da ist gesagt worden, daß bei solchen eidlihen Gelöbnissen möglicherweise Fälle denkbar seien, wo Amtsentseßung oder Cassation zu hart sei.

Korreferent Abgeordn. Kaumann: Jch halte den Antrag der Abtheilung für vollständig begründet. Die Bezeichnung: „Cides- bruch ‘“ klingt zwar sehr s{{chwer; wenn man aber berüdcksihtigt , daß der Manifestationseid in sehr vielen Fällen gebrohen wird, wenn z. B. zu einer Verlassenschaft nach längerer Zeit noch ein Thaler binzukommt und in ähnlichen Fällen. Jch will dies nicht vertheidi= genz ih glaube aber nicht, daß ein gar zu großer Werth darauf gelegt werden muß. Wenn man dem Richter die Fakuktät läßt, in folhen Fällen auf Amtsentseßung oder Cassation erkennen zu dürfen, so ist damit Alles gethan, was das Geseb verlangen fann.

Abgeordn. von Werdeck: Jh glaube doch, daß der geehrte Redner zu wenig Nachdruck auf das Wort „Vor ylich““ legt, daß also, wenn ein Manifestationseid dur Fahrlässigkeit verlegt wird, Amtsentsebung und Cassation gewiß nicht eintreten wird; wenn aber Jemand mit Bewußtsein einen solchen Manifestationseid bricht, so dürfte diese Strafe vollkommen gerechtfertigt erscheinen.

Abgeordn. von Auerswald: Jch glaube, daß der Eindrud, der hervorgerufen worden is, darauf beruht, daß diese Bezeichnung von dem Rubrum des Titels genommen isst; während die einzelnen Paragraphen mehrfach von viel gelinderen Dingen handeln. Zux Aufklärung der Meinung der Abtheilung erlaube ih mir die Bemer- kung, daß sie, bei ihrer sehr sorgfältigen Erwägung namentlich ge- leitet worden is, durch die Ansicht des geehrten Herrn Vorsißenden, welcher ausdrülich darauf aufmerksam machte, daß doch die Strafe der Cassation in einem Verhältnisse zu den übrigen Strafen stehen müsse, daß also in einem solhen Falle, wo das Minimum der ande- ren Strafe bis auf die mindeste Gefängnißstrafe gestellt ist, doch au die Fakultät gelassen werde, nicht zu kassiren und des Amtes zu kerauben. , i N E

Abgeordn. Graf von Schwerin : Wenn das richtig wäre, o müßte ih mich geirrt haben, ih lasse es aber dahingestellt sein, ob es richtig ist. l :

Abgeordn. von Auerswald: Jn Beziehung auf den von mir angeführten Grund und daß er angeführt ist hat es gewiß seine Richtigkeit, ob ih mih aber darin täusche, daß es von dem verehrten Herren Vorsißenden angeregt ist, weiß ih allerdings niht mehr genau.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: §. 160 sagt : Ber bei einer öffentlihen Behörde wider besseres Wissen einen Anderen wegen eines Verbrehens anschuldigt, oder durch Angabe unwahrer Thatsachen oder durch andere Handlungen verdächtig zu machen sucht, soll mit Strafarbeit oder Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft werden.“ Also falsche Anschuldigung.

Marschall : J bitte, weiter zu lesen.

Referent Abgeordn, Freiherr Do Mylius (liest vor):

8. 294.

Die Fille geringfügiger Betrügereien, in welchen auf den Ver- lust der Ehrenrechte nicht nothwendig solle erkannt werden.“

Das ist also der lebte Fall, wo nah der Meinung der Abthei= lung die Amtsentseßung nur fakultativ fein soll.

Candtags-Rommissar: Nachdem die Nomenclatur der Verbrechen noch einmal an meinen Ohren vorbeigegangen ist, erlaube ich mir, im Juteresse des Beamtenstandes und zur Aufrechthaltung des An= \ehens, welhes er in der Monarchie genießt, den Wunsch auszu= \prehen, daß die hohe Versammlung nicht auf die namentlihe Ausf- führung der einzelnen Verbrechen einen Antrag rihten, sondern zuz geben möge, daß nah dem Grundsaße, welhen die Nomenclatur aus- spricht, bei der Schlußrédaction verfahren werde. Sie mag dann vertrauen, daß dem Sinne ihrer Anträge überall werde entsprochen werden.

(Zustimmung durch laute Acclamation.)

Abgeordn. Graf von Schwerin: Das meinte wohl auch der Abgeordnete Grabow?

(Es wird bejaht.)

Marschall: Wenn keine weitere Bemerkung erfolgt, \o is gerade hierauf die Fragstellung zu richten: E

ob die Versammlung nämlich davon ausgehe, daß die Schluß= Redaction mit Beachtung der hier gemachten Vorschläge den Pa- ragraphen in einer Weise fasse, welche die Befriedigung der Ver- sammlung vorausseßen läßt ?

und die das beantragen, werden es durch Aufstehen zu erkennen geben. Abgeordn. von Platen: Es wird si also vorausseßen lassen, daß in

Betreff der fakultativen Fassung die §§+ 117 und 148 hier wegfallen und

unter Nr. 6, dagegen die Bestimmungen §H. 184 und 185 aus dem

1. Absaß ad Nr, 6. in den 2. Absaß, wo die Abtheilung nur fafkul=

tatiy die Strafe der Amtsentseßung androhte, will verseßt werden.

Geschieht dies, würde ich mich einverstanden erklären. Wenn das

Gouvernement hiermit aber nicht einverstanden sein sollte, müßte ih

auf Abstimmung über jeden Paragraphen antragen :

Marschall: Was die Verweisung von Nr, 6. in die zweite Kategorie und die Verweisung von §. 117 in die erste Kategorie he trifft, so is diese nicht bestritten worden. Blos in Beziehung auf 8. 159 ist es allerdings bestritten worden, ob die Verweisung voit §. 159 aus der zweiten in die erste Kategorie zu beantragen wäre, und wenn also hierauf fortwährend ein Gewicht gelegt würde, st0 wäre darüber die Abstimmung vorzunehmen; geschieht das aber nicht, so fommen wir über die bereits gestellte Frage zur Abstimmung, und die diese bejahen, würden es dur Aufstehen zu erkennen geben.

(És erhebt sich fast die ganze Versammlung.)

Die Majorität von mehr als zwei Drittheilen hat beigestimmt, Referent Abgeordn, Kaumann : (liest vor): A5 „Bevor zur Prüfung des Geseß-Entwurses über die Einführung

des Strafgeseßbuches übergegangen wird, muß auf einige Fragen

zurügekommen werden, welche bei Berathung des Strafgeseß = Ent= wurfes noch nicht zur definitiven P EEs gekommen sind.

Bei Berathung der Bestimmungen in den_§g. 2 und 3 des Grset Erie pas der Vereinigte ständische Ausschuß die Ansicht geäußert, daß es angemessen sei, j

die Verbrechen zu \pezialisiren, welche hier als Verbrechen gegen den Preußischen Staat bezeichnet werden. |

Die Regierung hat demzufolge vorgeschlagen , daß als derartige Verbrechen genannt werden:

Zweite Beilage

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Zweite Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

Donnerstag den 9. März.

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Hochverrath, Landesverrth, Majestätëbeleidigung in den Fällen der 8g. 99 —104 und §. 106 und Münzfälshung. Be Gegen die Aufnahme des Verbrechens der Majestätsbeleidigung in den Fällen des §. 106. wurde erinnert, daß derartige im _Aus- lande begangene Handlungen nit füglich im P, Saat geahndet werden können, ohne in erhebliche Jnconvenienzen zu kommen, Andererseits wurde dies Bedenken dur die erfolgte unbedingte Annahme des §. 106 als erledigt erachtet, und ein Antrag, den g. 406 nicht aufzunehmen, mit 10 gegen 4 Stimmen abgelehnt, Es wird vorgeschlagen : A sich mit der Proposition der Regierung lediglih einverstanden zu * itacédails Jch bitte, fortzufahren, denn da keine Bemerkung erfolgt, so is anzunehmen, daß die Versammlung dem Antrage der

Abtheilung beigetreten sei. : " Referent Abgeordn. Kaumann (liest vor):

Bon dem Königlichen Ministerial - Kommissarius is der Antrag gestellt worden : entweder ; ial 41) bei denjenigen Bestimmungen des 24. Titels, betreffend die

gemein-gefährlichen Verbrechen , welche die Todesstrafe anord- nen, nachträglich in Ergänzung der gefaßten Beschlüsse fest- zuseßen, daß dem Richter überlassen werde, neben der Todes- strafe auf den Verlust der bürgerlihen Ehre zu erkennen, oder im §. 8 generell die Bestimmung aufzunehmen, daß in Fällen, wenn das Verbrechen unter besonders ershwerenden Unständen oder mit Verläugnung des Chrgefühls begangen worden sei, neben der Todesstrafe auf den Verlust der bürger= lihen Ehre erfannt werden fönne.

Für den Antrag zu 1. wurde geltend gemacht, daß bei den in Rede stehenden Verbrechen die allerniederträchtigsten Absichten leitend sein können, und daß, da in weniger shweren Fällen Zuchthausstrafe festgeseßt sei, es folgereht scin würde, den Verlust der bürgerlichen Ehre auch neben der Todesstrafe eintreten zu lassen.

Andererseits wurde bemerkt, daß durch Plenarbeschlüsse bereits festgestellt worden sei, diese accessorishe Strafe nur in besonders {weren Fällen und namentlich bei Verbrechern, welche sih gegen die Pietät dem Staat oder den Eltern gegenüber vergangen haben, ein- treten zu lassen, daß aber die hier in Rede stehenden Verbrechen in diese Kathegorie nicht fallen.

Die Abtheilung hat den Vorschlag zu 1. mit 12 gegen 2 Stim- men abgelehnt.

Für den Antrag zu 2. wurde angeführt, daß es die Bestimmun- gen bei den einzelnen Verbrehen schr vereinfachen würde, wenn die vorgeschlagene Bestimmung im §. 8 aufgenommen würde; gegen den Antrag aber wurde geltend gemacht, das derselbe bereits durch Ple- O erledigt sei und auf denselben niht zurückgekommen wer=

en könne.

Die Abtheilung hat den Vorschlag zu 2. mit 11 gegen 3 Stim- men abgelehnt. |

Es wird angetragen :

beide oben erwähuten Vorschläge nicht zu genehmigen.“

Justiz-Minister von Savigny: Jm Allgemeinen is bereits an- genommen worden : daß neben der Todesstrafe zuweilen auf Verlust der Ehrenrechte soll erkannt werden, zuweilen aber niht, und zwar ist das Erste in Ansehung einzelner Verbrechen auf zweierlei Art an= erkannt worden; bei einigen als absolute Vorschrift, bei anderen als etwas Fakultatives, dem Ermessen des Richters zu Ueberlassendes. Für eine Reihe einzelner Verbrechen is also die eine oder andere Bestimmung bereits von der hohen Versammlung zu beantragen be- {lo}sen, dagegen für die anderen und der Zahl nah mehreren Fälle ist dieser Punkt vorläufig mit Stillschweigen übergangen worden, Man hat gleih anfangs, da §. 8 disfutirt wurde, sich vorbehalten, beim Durchgehen der einzelnen Verbrehen darauf zurückzukommen, Jch bitte nun um Erlaubniß, eine kurze Uebersicht zu geben, wie sich das Resultat stellen wird, wenn es ganz bei dem abgedruckten Be- {chlu}se der Abtheilung verbleiben sollte. Es würde sich folgender- gestalt stellen. Zuerst §. 80 bei dem Hochverrath ist angenommen, daß in dem Falle unter Nr. 4 (Gefährdung des Lebens des Königs) absolut neben der Todesstrafe Verlust der Ehrenrehte ausgesprochen werden soll. Dagegen ist in ten drei folgenden Fällen, die sih auf die Staatsverfassung beziehen, (Nr, 2, 3 und 4) nicht einmal von fakultativem Verluste der Chreurechte die Rede, und ih behalte mir die Bemerkungen darüber bis zum Schlusse dieser kurzen Uebersicht vor. Eben so oder wenigstens auf ähnlihe Weise bei den Fällen des Landesverraths , worauf si die §§. 87, 88 und 89 bezièhen. Für 87 und 89 is der Beschluß gefaßt, fakultative Entziehung der Ehrenrehte neben der Todesstrafe eintreten zu lassen, für 88 is dies nicht beschlossen. Bei §. 99, Thätlichkeiten gegen den König, is von fafultativer Entziehung der Ehrenrehte niht die Rede, Bestimmte Beschlüsse sind gefaßt worden beim Mord. §. 322 bestimmt absolute Entziehung der Chrenrehte beim Mord an Aeltern und Ehegatten z für die anderen Fälle ist ausdrüdcklich beschlossen die fafultative Ent- ziehung der Ehrenrechte neben der Todesstrafe. Darauf folgt §. 225, der Todtschlag an Aeltern, welcher auch mit Todesstrafe belegt wer= den soll, und dabei is auch nit einmal fakultative Entziehung der Chrenrehte e:wähnt, so daß diese ganz wegfallen würde. Ferner folgt §. 346 u. flgde., wo von mehreren Verbrechen dic Rede ist, die als gemeingefährlich bezeichnet sind, und die unter einander einen schr verwandten Charakter haben, auf Brandstiftung, Gefährdung durch Wassersuoth u. st. w., wenn dabei Menschenleben verloren gegangen soll die Todesstrafe erfolgen. Dabei is nit beschlossen worden daß safuitativ die Ehrenrechte aberkannt weiden fönnenz; es ist also hier für alle diese Fälle, für die zahlreichen Klassen von Fällen, die von mir aufgestellt worden sind, der besondere Beschluß nicht gefaßt worden ob es in der Absicht der hohen Versammlung liegt, daß dabei nicht einmal fafultativ die Ehrenrechte aberkannt werden fönnen. Jh er- laube mir, zu bedenken zu geben, ob uicht darin eine etwas auffallende Jnkonsequenz liegen möchte, großer praktischer Erheblichkeit, aber es scheint darin eine große Jn= fonsequenz zu liegen, wenn man in allen den Fällen, welche ih zu- sammengestellt habe, und bei welchen auf Lebensstrafe erkannt worden ist, den Verlust der Ehrenrechte nicht einmal fakultativ erkennen könnte. Bei alle diesem verhält sih die Sache so, daß, wenn das Verbrechen unter milderen Umständen vorkommt, so daß gar nicht auf Tod erfannt werden darf, doch immer Zuchthausstrafe eintreten muß, (in den meisten Fällen absolut, in den auderen alternativ Zucht- hausstrafe und Strafarbeit). Nun is aber bereits angenommen wor- den, daß die Zuchthausstrafe nothwendig eine entehrende Strafe ist. Jh frage daher, ob nicht eine auffallende Jnkonsequenz darin erschei= vei müßte, daß man in den milderen Fällen die Ehrenrechte aber- e während in den {wersten Fällen, neben der Todesstrafe, die Viel mas wos abgesprochen werden. Ih will dies an einem Bei- lendsten au ih zu machen suchen, wo jener Widerspruch am auffal=

erscheint, Es is nah dem Juhalte des Entwurfes beschlossen

Au si is diese ganze Sache nicht von |

worden, der Todtschlag an Vater und Mutter soll mit dem Tode bestraft werden. Wenn dabei die Ehrenrechte niht abgesprochen wer= den, so wird der Fall in dieser Hinsicht milder behandelt, als jeder andere Todtschlag, in welchem stets Zuchthausstrafe eintritt, oder doch eintreten kann. Dabei werden gewiß die Ehrenrechte aberkannt, aber bei dem viel s{hwereren Falle, wenn der Todtschlag an dem eigenen Vater und der eigenen Mutter begangen wird, da werden sie niht aberfaunt, Eben so, wenn bei einer Brandstiftung Menschen das Leben verlieren, wird auf Tod erkannt , aber dabei müßte nach der gegebenen Uebersicht nicht der Verlust der Ehreurechte eintreten. Wenn aber kein Mensch dabei das Leben verliert , wird stets auf Zuchthausstrafe erkannt, und dabei gehen die Ehrenrechte nothwendig verloren. Diese Jukonsequenz scheint so auffallend, daß ih die hohe Versammlung bitte, zu bedenken, ob daran niht Anstoß genommen werden wird. Diese Jukonsequenz wird natürlich ganz verschwinden, wenn zu dem ursprünglich berathenen Antrage zurückgegangen wird, zu dem Antrage nämlich, in den Fällen des Königsmordes, so wie des Mordes an Aeltern und Ehegatten, den Verlust der Ehrenrechte absolut zu bestimmen, in den übrigen Fällen nah Beschaffenheit des einzelnen Falles dem Richter zu überlassen, ob er die Ehrenrechte aberkennen wolle oder nicht.

Referent Abgeordn. Naumann: Es is diese Frage gegenwär- tig nochmals zur Erörterung gezogen werden. Bei gemeingefähr- liden Verbrehen, wo von Todesstrafe die Rede is, ist nicht be- \{chlo}en worden, daß zugleich der Verlust der Ehrenrehte neben der Todesstrafe ausgesprochen werden soll, und die Abtheilung ist daher in ihrer Majorität schon aus diesem Grunde der Meinung gewesen, daß man auf jene Verbrechen nicht zurückgehen könne. Der zweite Grund, welcher geltend gemacht worden, i der, daß bei den ge- meingefährlihen Verbrechen im 24sten Titel nicht die Absicht zu tödten in der Intention dcs Verbrechers liegt, daß der Tod nur als eine von der Absicht des Verbrechers unabhängige Folge anzusehen ist. Zusammen gehalten mit den früher geäußerten Ansichten, daß man überhaupt den Verlust der bürgerlihen Ehre neben der Todes- strafe als eigentlich nit recht geeignet ansehen fönne, weil nah dem Tode von Ehre nicht weiter die Rede scin könne, und damit, daß damals ‘die Ansicht geltend gemacht wurde, man dürfe nur in den allershwersten Fällen, in welhen etwa die Pietät gegen den Staat oder gegen die Erzeuger von dem Verbrecher verleßt worden ¡st, ge= wissermaßen noch die Jndignation durch das Erkenntniß auszusprechen, und auf Verlust der bürgerlichen Ehre erkennen lassen, in Berücksich- tigung aller dieser Beschlüsse war die Abtheilung der Meinung, daß man nicht auf den 24sten Titel zurückommen dürfe und nicht bei gemeingefährlihen Verbrechen, in welchen die Todesstrafe eintreten soll, neben der Todesstrafe noch auf ‘den Verlust der bürgerlichen Ehre zu erkennen sei. Dadurh wird meines Erachtens der erste An- trag der Regierung erledigt. Was den zweiten Vorschlag betrifft, nochmals auf §. 8 zurückzukommen und dort genecrell die Bestimmung aufzunehmen, wonach fakultativ neben der Todesstrafe auch der Ver= lust der bürgerlichen Ehre zulässig sein solle, so muß zuerst bemerkt werden, daß §. 8 schon angenommen worden ist, und daß die hohe Versammlung damals beschlossen hat, neben der Todesstrafe zwar den Verlust der bürgerlichen Ehre aussprechen zu lassen, aber nur in den im Geseße ausdrücktlih bestimmten Fällen. Dieser Beschluß würde nun, wenn es nah dem Antxage, den der Herr Minister der Geseßgebung motivirt hat, gehen sollte, umgestoßen werden, was allerdings an und für sih niht von großer Bedeutung sein würde, allein, und das muß ich bemerken, erscheint mir aus einem anderen Grunde nicht zulässig, eine solhe Bestimmung, wie sie jeßt beantragt worden ist, aufzunehmen. Es is nämlich die Todesstrafe bei mceh-= reren einzelnen Verbrechen ausdrücklih nicht als eine solhe anerkannt worden, neben welher auf Verlust der bürgerlihen Ehre erkannt werden dürfe, es kann daher auch nicht generell festgeseßt werden, daß neben der Todesstrafe in allen Fällen diese accessorishe Strafe eintreten darf. Jh glaube, es rehtfertigt sich dadurch der Antrag der Abthcilung, zu beschließen, daß auf die hier zur Sprache gebrah- ten Anträge nicht eingegangen werden könne.

Marschall: Wenn keine Bemerkung erfolgt, kommen wir zur Abstimmung über beide Vorschläge. Die erste Frage heißt: ]

Stimmt die Versammlung dem Vorschlage unter 1 bei? und die beistimmen, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben. (Mehrere Stimmen: Js dies der Vorschlag der Abtheilung?) Diz Abtheilung hat den Vorschlag gemacht, beide Vorschläge nicht anzunehmen, es is aber zweckmäßiger, die Abstimmung zuerst auf s einen, und dann auf den andern Vorschlag der Regierung zu richten.

Abgeordn. Graf von Schi§erin: Die Abtheilung hat den An= trag gestellt, die Vorschläge der Regierung zu verwerfen.

Marschall: Jch habe es so ausgedrückt, daß die Abstimmung sehr leiht war. Es ist aber dem nichts entgegen, daß es auch so ausgedrückt wird; niht wie ih sagte, ob dem Vorschlage unter eins zugestimmt wird, das würde die Folge gehabt haben, daß diejenigen, welche nicht beitreten, auch nicht aufstehen, sondern daß gefragt wird :

Stimmt die Versammlung dem Antrage der Abtheilung in Beziehung auf den Vorschlag unter eins bei? i und die das thun, würden es durch Aufstehen zu erkennen geben. (Es erhebt sih der größte Theil der Versammlung.) Dem Antrage ist mit mehr als zwei Drittheilen beigestimmt, Die zweite Frage ist: Stimmt die Versammlung dem Antrage der Abtheilung in Beziehung auf den Vorschlag unter zwei bei? y und die das ‘hun, würden es durh Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erhebt sich wieder der größte Theil der Versammlung.) Mehr als zwei Drittheile sind der Abtheilung beigetreten.

Referent Abgeordn. Kaumann (liest vor):

Bei §. 9 is die Beantwortung der in der vorgelegten Zusam- menstellung unter Nr. 2. aufgeführten Frage :

Soll die geringste Dauer der Zuchthausstrafe auf Z Jahre be-

stimmt werden? von den Beschlüssen abhängig gemacht worden, zu welchen die Be- rathung über die einzelnen Verbrechen und deren Bestrafung hinsicht- lich der angemessenen Dauer der zu verhäugenden Zuchthausstrafen führen würde. Eine Durchsicht der einzelnen Bestimmungen, in welchen Zuchthausstrafe angedroht ist, lehrt, daß in den meisten Fällen aus- drücklih immer eine längere Dauer als 3 Jahre festgeseßt worden ist nur in den Fällen der §§. 153 187 242 256 257 270 304 und 324 i} fein Minimum bestimmt worden.

Es wurde auszuführen gesucht, daß kein Grund vorliege, das Minimum der Zuchthausstrafe auf die Dauer von 3 Jahren zu nor=- miren, und es wurde vorgeschlagen, das Minimum auf die Dauer von 1 Jahr festzuseßen. Bei Berathung der Bestimmungen in den vorbezeichneten Paragraphen sei von der Vorausseßung ausgegangen worden, daß die Bestimmung über das Minimum der Zuchthausstrafe vorbehalten sei, und es würde in den Fällen jener Paragraphen eine

zu große Härte sein, wenn immer mindestens Zjährige Zuchthausstrafe verhängt werden müßte. Dadurch würde das bestehende Stra echt, bedeutend geschärft und das rihtige Verhältuiß zu den übrigen Frei- heitsstrafen alterirt. Auch scheine es angemessen, kürzere Zuchthaus=- strafen zuzulassen, weil es darauf ankomme, auch kürzeren Freiheits- strafen durch die Art der Vollstreckdung den Charakter besonderer Schwere zu geben.

Andererseits wurde bemerkt, daß bei allen Bestimmungen der vorerwähnten Paragraphen ein Minimum von 3 Jahren habe vor- ausgeseßt werden müssen, daß diese Vorausseßung bei den gefaßten Beschlüssen leitend gewesen, und daß daher die Frage bereits als er- ledigt zu betrachten sei. Außerdem sei es nothwendig, der Zuchthaus= strafe niht durch Verhängung einer zu kurzen Dauer die Bedeutung der besonderen Schwere zu nehmen, zumal für leichtere Vergehen die Strafarbeit die geeignete Strafart sei. Wenn dem Richter die Wahl zwischen Zuchthaus und Strafarbeit zustehe, so werde leiht bei Zu- lässigkeit einer kürzeren Dauer der Zuchthausstrafen eine nicht zu wünshende Verschärfung der Strafen eintreten können, die das Geseh nicht beabsichtigt habe.

Für die Rheinprovinz besonders sei es nothwendig, ein Minimum von 3 Jahren für die Zuchthausftrafe festzuseßen, weil nah rheiui- chem Rechte nur die Assisen über shwere Verbrechen zu entscheiden haben, und zu diesen alle Verbrechen gehören, welhe mit Zuhthaus= strafe bedroht sind. Da zu den {weren Verbrechen außerdem alle Verbrechen gezählt werden, welhe mit Freiheitsstrafen von mehr als 5jähriger Dauer bedroht seien, so müsse eine Zuchthausstrafe von weniger als 5jähriger Dauer wegen ihrer intensiven Schwere einer anderen Freiheitsstrafe von 5jähriger Dauer gleich scin, und dies fönne bei einer Zuchthausstrafe unter 3 Jahren niht wohl angenom- men werden.

Die Abtheilung hat den Antrag :

das Minimum der Zuchthausstrafe auf 1 Jahr festzuseben,

mit 11 gegen 3 Stimmen abgelehnt, und s{lägt vor, sih dahin zu entscheiden, daß das Minimum der Zuchthausstrafe auf die Dauer von 3 Jahren festgeseßt werde.“

Abgeordn. Dittrich: Die Schwere der Zuchthausstrafe liegt nit allein in der Dauer, sondern vorzüglih in dem jedesmaligen Verluste der Ehrenrehte. Meine Herren, wenn wir den Antrag annehmen, so wird eine große Masse von Strafen, welche wir bis zu ciner ge=- wissen Anzahl von Jahren angenommen haben, auf einmal sehr erheb- li geshärft. Jch stelle deshalb den Antrag, das Minimum auf 2 Jahre festzusezen.

Marschall: Es is zu ermitteln, ob der Antrag die erforderliche Unterstützung findet.

(Es erhebt si die erforderliche Anzahl von Mitgliedern.)

Er hat sie gefunden,

Abgeordn. Graf von Renard : In derselben Richtung, wie das geehrte Mitglied vor mir sprach, wollte ich mich auch äußern. Die größere Schwere der Zuchthausstrafe im Verhältniß zu der Strafarbeit liegt nicht sowohl in der verschiedenen Behandlung der beiderlei Sträflinge, sondern einzig und allein in der Entziehung der Ehre. Wenn diese Verschärfung der Strafe nur eintreten kann, wo die innere Nichtswürdigkeit des Verbrechers klar nachgewiesen wird, so fann doch die äußere Rehtsverleßung, welche stattgefunden hat, eine verhältnißmäßig unbedeutend größere sein. Wir beurkunden und strafen die innere Nichtswürdigkeit durch den Ausspruch der Zucht= hausftrafe überbaupt, bei der Dauer der Strafzeit müssen wir Rück= sicht nehmen auf die Größe der äußeren Rechtsverlebung. Jch werde mich dem Amendement anschließen, daß die kürzeste Strafdauer ein Fahr sei und stimme, wenn dieser Antrag niht genehmigt ist, dem Vorschlage des geehrten Mitgliedes bei, daß das Minimum zwei Jahre set.

Marschall: Es is zu bemerken, daß der Vorschlag, das Mini- mum auf ein Jahr zu seßen, noch niht gemaht worden ist.

Abgeordn, Graf von Renard: Er is von der Minorität der Abtheilung bevorwortet worden, und insofern glaube ich, ist er au hon gestellt.

Marschall: Er is nur als in dieser Versammlung gestellt an- zusehen, wenn er von einem Mitgliede der Versammlung gestellt, resp. erneuert wird.

Abgeordn. Graf von Renard : Jch stelle diesen Antrag.

Marschall : Er is jetzt gestellt, es is also zu ermitteln, ob er die erforderliche Unterstüßung sindet.

(Es erhebt sich die erforderlihe Anzahl von Mitgliedern.)

Er hat sie gefunden. Ï

Korreferent Freiherr von Mylius : Jh werde das Gutachten der Abtheilung vertheidigeu und muß die hohe Versammlung bitten, zu erwägen, daß sie wirklich mit der Verringerung der Zuchthausstrafe die Anwendung des Geseßes mehr ershwert, als erleichtert. Jch frage, was ist die Bedeutung der Zudchthausstrafe? Die Antwort ift: Sie is nach der Todesstrafe die schwerste Strafe, sie ist namentli, wie von Seiten des geehrten Abgeordneten, der eben gesprochen hat, ganz rihtig bemerkt wurde, bezeihnend dadur, daß sie den Verlust der bürgerlihen Ehre in sih {ließt. Diese Rücksicht besonders giebt dem Charakter der Strafe eine eigenthümlihe Schwere, wodur sie von allen anderen Strafen wesentlih unterschieden wird, und ih frage nun, würde man nicht gerade das Wesen dieser Strafe ver= fennen, wenn man sie mit einer zu gelinden Freiheitsstrafe verbände, wäre es nicht eine Verkennung des großen Werthes, welchen wir auf die bürgerlihe Ehre legen? Wenn wir diesen Verlust der bürger= lichen Ehre an eine zu geringfügige Freiheitsstrafe, an eine Freiheits- strafe von zwei Jahren knüpfen, so glaube ih, daß es, um die Schwere, welche in der Zuchthausstrafe liegt, unter allen Umständen aufrecht zu erhalten, nothwendig sei, niht eine zu geringe Strafe mit ihr zu verbinden. Es is nämlih gesagt worden, es sei die Strafe unter allen Umständen zu hart, tch glaube aber, daß diese Rücksicht den Antrag, der hier gestellt worden ‘ist, nit motiviren fann, man möge die einzelnen Strafen prüfen und sagen, daß

j eine andere Strafe, die

doh nicht die Zuchthausstrafe, sondern andere @ : wee den Verlust a bürgerlichen Ehre nicht in fich ließt, z. B. die Strafarbeit, anzunehmen jet. Diese Prüfung ist bereits von uns vorgenommen, und wir sind zu dem Resultate gekommen, daß, wo die Zuchthausstrafe ausgesprochen wird, immer ein Ver= brechen vorliegt, welhem der Verlust der bürgerlichen Ehre noth= wendig folgt. Jh erinnere an die Berathung über die Verbrechen gegen Personen und Eigenthum, ob nicht bei allen entschieden der Antrag gestellt worden, ob nicht jedesmal ausdücklich erwähnt wor- den ijt, daß da, wo Zuchthausstra“e angedroht werde, eine solche That vorliege, die den Verlust der bürgerlichen Chre neben der Strafe nothwendig rechtfertigt. Wenn ih das als bereits durch die Abstim- mung festgestellte Thatsache betrachten fann, daß, wo die Zuchthaus= strafe noch im Gescßbuche steht, überhaupt der Verlust der bür er lichen Ehre gerechtfertigt sei, 0 muß ih der Meinung sein, daß in diesem Falle das Heruntergehen auf ein Strafmaß unter drei Jahren

wirklich niht gerechtfertigt sein würde, Ob nun zwei oder drei