1848 / 98 p. 7 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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eine Kommission aus Eingebornen der Provinz sich bilde, um unter Vorsiß eines Kommissarius der Regierung zu berathschlagen , durch welhe Mittel eine solche Reorganisation hervorgeführt werden fönne, so hat sich das Gouvernement dabei entschieden dahin ausgesprochen, daß man das Prinzip der Berechtigung der Nationalität vollkommen anerkenne, ihm vollfommenes Recht gewähren wolle. Daß man aber eben so, wie man in dem Großherzogthum das Recht der polnischen Nationalität {irmen und fördern wolle, man die Berechtigung der Deutschen in Posen ungekränkt und unverleßt erhalten müsse und erbalten werde. Mit dieser Erklärung haben die verehrten Mitglieder der Abgeordneten des Großherzogthums Posen polnisher Nationaliät sich einverstanden erklärt. Sie haben si einverstanden erklärt damit, daß man, ohne die Bedingung festzuhalten, daß die Kommission aus Mitgliedern beider Nationalitäten gewählt werden solle, sih in voller Uebereinstimmung einigen wolle, daß man beide beachten werde. Sie haben dankend anerkannt, daß des Königs Majestät in neuester Zeit vorzugsweise vertraute Männer mit der Leitung der Angelegenheiten des Großherzogthums Posen beauftragt und zu diescm Geschäft einen mit den dortigen Verhältnissen bekannten Kommissar ernaunt hat. Sie haben es anerkannt, daß die Beschäftigung dieser Kom- mission ers cintreten und wirklich Plaß gewinnen kann, wenn der friedlihe Zustand , der allerdings an vielen Orten auf unverantwort= liche Weise gestört is, wieder hergestellt set. s 8

Das i}, was über das Großherzogthum Posen vou Seiten der Regierung erklärt worden ist, und das ist, was nah dem Willen Sr. Majestät und nach der Ueberzeugung der Räthe der Krone fest- gehalten werden muß, wenn das, was den Unterthanen des Königs polnischer Zunge n früherer Zeit zugesagt worden ist, aufreht und fest erhalten, daß sie eben nach ihrer Nationalität regiert und ver= waltet, daß ihre Justizbehörden eben so zusammengeseßt und die anderen Bedingungen und Versprechungen, die früher gegeben worden sind, erfüllt werden sollen. Alles dies unverkürzt und ohne Rückhalt auch seinen Unterthanen polnischer Zunge zu gewähren, istt Sr. Majestät fester Entschluß. Dies auszuführen, damit haben Se. Majestät Jhre Räthe beauftragt, doh is damit der Schuß und Schirm der deut- schen Nationalität zugesagt, welche, wo sie sih geltend gemacht hakt, bestehen bleiben soll. Jch weiß nicht, ob noch etwas hinzuzufügen ist, oder ob dies {hon zur Zufriedenstellung gereiht. Jch glaube, daß alles Nöthige hier in Kurzem gesagt ist, und daß die hohe Versammlung daraus die vollkommene Offenheit und Aufrichtigkeit der Regierung, in dieser Sache die erforderliche Auskunft zu geben, erfennen wird.

(Bravo !)

Abgeordn. von Bismark - Schänhausen : Fch habe eine persön- liche Bemerkung zu machen, daß ih mich nämlich durch die Erklärung des Herrn Ministers vokommen befriedigt fühle und nur mein Be-= dauern. darüber auszudrücen habe, daß derselbe Zweifel in meine Absicht seßt, dem Ministerium keine Verlegenheit bereiten zu wollen, nahdem ih mich darüber deutlich ausgesprochen habe z ih wüßte nicht, was mich zu dieser Aeußerung hätte veranlassen sollen, wenn sie nicht aufrichtig gewesen wäre.

Abgeordn. Graf von Zzelldorff : Meine Herren, ih und Sie Alle haben gewiß mit hoher Befriedigung die Erklärung der Herren Minister vernommen, wie beabsichtigt wird, sür die Wiederherstellung der Ordnung und Ruhe im Lande fräftig zu wirken, Jch sühle mich namentli verpflichtet, dem Heirn Minister des Jnnern meinen ganz besonderen Dank auszusprechen für die von ihm zu. ergreifen beab= sihtigten Maßregeln behufs Erleichterung der noch einen großen Theil der ländlichen Bevölkerung drückenden Lasten.

Wenigstens in der Provinz Sachsen, welcher ih angehöre, drüdt gerade die Mehrzahl der ländlichen Bevölkerung eine Unzahl Grund= lasten aus der früheren Zeit an Privaten, Stiftungen, Rent-Aemter u. w. Seit 1821 besteht das Ablösungs=-Geseß, aber es hat nicht in seiner Kraft gelegen, das zu erreihen, was der Geseßgeber sich vorgenommen hatte. Jh bitte also, daß der Herr Minister sich diese Angelegenheit, wie er versprochen hat, die erleichterte Ablösung näm- lih der auf dem bäuerlihen Grund und Boden noch aufliegenden Feudal=- und anderer Grundlasten, besonders zu Herzen nehme. Möge von der Allerhöchsten Proposition von gestern, worin Hüilfeleistungen für manche andere Klassen der Bevölkerung in Aussicht gestellt sind, auh ganz besonders Veranlassung genommen werden, um für die eben gedachte Entlastung des bäuerlihen Grund-Cigenthums zu wir= fen! Mögen die Hülfsmittel des Staats auch zu diesem Zweck verwendet und kräftiger als seither auh darauf gewirkt werden. Das von der badischen Staats-Regierung hier eingeschlagene Verfahren ist nicht genug zu empfehlen, Durch ähnliche Maßregeln werden Yuhe, Sicherheit und Ordnung im Lande am sichersten gefördert werden und mit dieser die von mir freudig begrüßte Errungenschaft der con- stitutionellen Freiheiten des Landes ihre echte Gewähr erst erhalten. Denn Freiheit wird durch Ordnung und Recht, so wie Alles, was diese im Gefolge haben, am sichersten bewahrt!

Abgeordn. Rrasßzewski: Die Aeußerungen des Herrn Mini=- sters des Jnnern, daß aus den Provinzen beruhigende Nachrichten eingehen, nöthigen mich, zu erklären, daß dies wenigstens in Bezug auf das Großherzogthum Posen jeßt nicht der Fall sein dürfte. Jch und viele andere Deputirte aus dem Großherzogthum Posen erhalten tagtäglich, ja stündlih Nachrichten, die, je öfter sie kommen , , je be- trübenderer Natur sind, Aus diesen Nachrichten geht klar hervor, daß die dortigen Civil- und Militair-Behörden eine immer feindlichere Stellung gegen die polnische Bevölkerung des Großherzogthums Po- sen einnehmen. L i

(Große Aufregung.)

Jch bitte, meine Herxen, auszuhören , ehe sie urtheilen. Ich habe gesagt : die dortigen Behörden nehmen eine immer feindlichere Stellung ein, welche nichts Anderes bezweckt, als die Polen unter sich und mit der deutschen Bevölkerung zu entzweien und die der Verzweiflung nahe stehenden Polen zum blutigen Kampfe zu nü= thigen.

d (Abermalige Aufregung.)

So ist die Lage der Sache, meine Herren; ih halte die Folgen derselben für zu wichtig, um sie hier niht zur Sprache zu bringen, venn die polnische Frage is die Lebensfrage der gesitteten Bevölke- rung Europa?s.* Zum Beweise meiner obigen Behauptung führe ich Folgendes an: Posen is bereits in Belagerungs - Zustand erklärt, das Standrecht foll au schon proklamirt sein; das Benehmen des Militairs gegen die polnische Bevölkerung ist von der Art, daß sie sich kaum wird halten fönnen, den Frieden zu bewahren. Jch mache Sie endlich auf eine Proclamationder bromberger Regierung vom 29sten v. M. aufmerksam, Lesen Sie die Zeilen, lesen Sie die Worte derselben, aber unterlas= sen Sie au nicht zu lesen, was zwischen den Zeilen geschrieben steht. Da liegt der wahre Juhalt und die wahre Tendenz derselben. Jh für meinen Theil finde sie nicht geeignet, zu versöhnen, wohl aber die fürhterlihsten Scenen hervorzurufen, Meine Herren, die Polen sind weit entfernt, den Weg der Feindseligkeit einzuschlagen. Die von dem polnischen National - Comité an Se. Majestät den König abge= \chickte polnishe Deputation, zu der ih zu gehören die Ehre habe, hat eine friedliche Lösung vorgeschlagen und nichts unterlassen , was den Frieden zwischen Polen und Deutschen herbeiführen und sichern könnte. Meine Herren, diejenigen, die sih ein Urtheil über politische Fragen begründetermaßen erlauben, wissen recht gut, daß Deutschland

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ohne Polen, aber auch Polen ohne Deutschland ihre großen Zwedcke nicht erreihen kfönnen. Meine Herren, Deutschland hat einen Feind, den man noch vor kurzem nicht zu nennen wagte, und der früher ge- fährlicher hien als heute.

(Sehr große und anhaltente Aufregung.)

Diesen Feind haben Sie noch heute. Wer is es, der immer ihn verhindert, seine feindlichen Pläne gegen Deutschland in Ausfüh-= rung zu bringen? Zunächst sind es die Polen. So lange Polen den Entschluß, Polen zu sein, nicht aufgiebt, fann dieser Feind keinen Angriff wagen. Meine Herren! Wenn die Interessen so zusammen- gewachsen sind, wie die unsrigen, ih meine Deutschland und Polen, ist es dann nicht billig, daß Sie uns die Hände reichen? Meine Herren! Die von Jhnen und von Polen lang ersehnte Wiedergeburt Deutschlands, dies brauche ih nicht erst zu sagen, hat faum die Wiege verlassen. Jhre Vollendung , zu welcher ich Jhnenu Glück wünsche, wird aber noch die stärkste Kraft cines reifen Mannes in Anspruch nebmen. Daß ein Freund als Nachbar nöthig i, wird faum zu bemerken nöthig s\cin ; diesen Freund finden Sie in uns. Wir wissen die deutßchen Tugenden, Gesittung, Kultur, wissen- chaftlihe Bildung zu häßen und uns oft zum Muster zu nehmen. Deshalb, meine Herren, is unsere Bitte an Sie, aus diesem Gesichtê- punkte des gegenseitigen Juteresscs die Sache der Polen zu betrah- ten. Jch habe gesagt, dal die Reorganisations-Kommission nicht un- terlassen hat, auf dem Wege des Friedens die aufgeregten Gemüther im Großherzogthum Posen zu besänftigen und zugleih die Zwee der Polen zu befördern. Die Allerhöchste Zusicherung einer nationalen Re- organisation des Großherzogthums Posen haben wir dankbar angenommen, und dies um so mehr, als wir in derselben den Anfangspunkt der Wiedergeburt Polens erblicken, Die zum Zwecke der Reorganisation erwählte Kommission hat auch bereits unter dem Vorsißz des Ober- Präsidenten die nöthigen Vorschläge gemacht und dem hoben Mini- sterium zugeschickt. Inwiewecit diese eine Berücksichtigung gefunden, weiß ih nicht, da die genannte Kommission auf ihre zu Protokoll ge- nommenen Anträge bis jet keine Antwort erhalten, Der General von Willisen i als Königlicher Reorganisations - Kommissarius erst vorgestern von hier abgereist, mit welhen Vollmachten aber, ist mir nicht bekannt. Dieses vorausgeseßt, frage ih, wie sind die Maß- regeln, welhe die Behörden im Großherzogthum Posen gegen die polnische Bevölkerung ergreifen, mit der Allerhöchsten Verheißung der natioualen Reorganisation in Einklang zu bringen?

Der Mümster des Junern: Ohne mich auf den übrigen Jn- halt der gehörten Rede einzulassen, auf die geäußerten Ansichten und Tendenzen, welche wiederum ein dieser hohen Versammlung fremdes Gebiet berühren, erlaube ich mir, nur in Betreff der Thatsachen den verehrten leßten Redner darauf aufmerksam zu machen, daß diejenigen Maßregeln der posenschen Behörden, über deren Zweckmäßigkeit und Nothwendigkeit allerdings uns erst daun ein Urtheil zustehen wird, wenn man sie näher kennt, jedenfalls hervorgerufen sind durch Aus- \chreitungen poluischerseits, die von dem verehrten Redner und sämmk- lichen Mitgliedern der Versammlung gewiß am wenigsten gebilligt werden. Es is uns gesagt, daß die Kommission das Jhrige zur Beruhigung beigetragen habe; leider haben aber alle Eingeborene diesen Weg nicht eingeschlagen, soudern sind vielfach gewaltthätig ver- fahren. Sie haben leider Veraulassung genommen, zu Steuerver=- weigerungen öffentlich aufzufordern, auf willkürliche Weise Landes zeichen zu verändern, mit einem Worte, es ist beflagenswertherweise Vieles geschehen, was dic ausdrückliche Erklärung Sr. Majestät des Königs, daß diese Reorganisation eine friedliche sein solle, daß die Vorschläge der Kommission Sr. Majestät des Königs zur Prüfung vorgelegt werden sollen, zuwiderläuft, dieselbe verleßt, Dhne Jhnen also in diesem Augenbli über die Zweckmäßigkeit und den Umfang der Maßregeln Rechenschaft gebcu zu können, über welche hier Be- schwerde geführt wird, da vollständige Berichte noch fehlen, halte ih es für meine Pflicht, zur Rechtfertigung der Behörden anzudeuten, daß eine genügende Veranlassung zu ernsten Maßregeln überhaupt vorhanden gewesen sein dürfte. : ;

Stellvertretender Kriegs - Minister von Reyher: Jh habe ge- stern aus Posen eine Proclamation erhalten, aus der hervorgeht, daß der kommandirende General daselbst veranlaßt worden is, Posen in Belagerungszustand zu erklären. Es sind zwar keine speziellen Gründe angesührt, aus denen sich entuehmen ließe, welhe neuere Ereignisse hierzu Anlaß gegeben haben, ih muß aber dem fommandirenden Ge neral, General-Lieutenant von Colomb, bezeugen, daß er bieer aufs äußerste bemüht gewesen is, Ordnung und Ruhe auf die mildeste Weise herzustellen und er in allen seinen Berichten wiederholt er- flärt hat, daß er auf dem eingeschlagenen Wege fortfahren werde,

um mit Vermeidung alles Blutvergießens zum Ziele zu gelangen. Auf die Bemerkung des Redners, der so eben gesprochen, daß kein

Grund vorgelegen, militgirish einzuschreiten, muß ih anführen, daß von den Polen viele gewaltsame Maßregeln verübt worden sind, daß sie preußische Adler abgerissen, Königliche Beamte verjagt, ja sogar in Posen selbst polnische Truppen organisirt und exerzirt haben.

S (Gemurre.)

Da frage ih nun, ob das der General ruhig mitansehen sollte?

| (Lebhafter Beifall.)

Jh wicderhole, daß ih die speziellen Gründe nicht kenne, dis den fommandirenden General veranlaßt haben, dic Festung Posen im Belagerungszustand zu erklären, aber ih füge hinzu, daß ih son gestern an ihn geschrieben und ihn aufgefordert habe, diese Maßregel, wenn es thunlich is , zurüczunehmen, damit nicht furz vor Zusam- mentritt der neuerdings angeordneten Kommission noch Blut vergos= fen werde, was man unter allen Umständen vermieden zu sehen wün- schen müsse. Jch hoffe, daß diese Bemerkungen genügen, um die Angriffe des geehrten Redners zu beurtheilen.

Candtags - Rommissar: Jch habe meines Orts den Erläute= rungen, die von meinen Kollegen, dem Minister des Jnnern und dem vertretenden Minister des Krieges, gegeben worden sind, nichts hinu- zuzufügen und mich ebenfalls auf das Gebiet zu beschränken, welches sie ershöpft haben, indem sie nämlich Erklärungen gaben hinsichtlich der Anordnungen, welche in unserem Lande in Bezug auf die Pro= vinz Posen getroffen sind. Jch habe nur bedauert und muß dies Bedauern ausdrücken, daß der Redner, der vorhin sprach, niht immer in dem Geiste gesprochen hat, welcher gecignet gewesen wäre, die Sympga= thieen der Versammlung für die J nteressen des Landestheils, den er vertritt, zu befestigen. Jh muß erklären, daß, wenn die polnische Sache wichtig für Deutschland und für Europa i}, so ist sie es nur insofern, als die Polen die Sympathieen Deutschlands nicht verlieren, und ih hoffe, daß die hier anwesenden Abgeordneten von Posen, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren, ihren Landesgenossen sagen werden : Nur darin blüht Euer Heil, wenn Jhr die Sympathieen Deutschlands Euch erhaltet.

G (Bravo.)

Abgeordn. Dittrich: Jch hatte die Absiht, zunächst über einen anderen Gegenstand zu sprechen, gehe nun aber nicht von dem, der vorliegt, ab, ohne meine Ansicht auszusprechen. Der Herr Landtags- Kommissar hat schon im Wesentlichen das gesagt, was auch meine Meinung ist. Auch ih sage, ers müssen wir unjere Zustände ordnen, bevor wir auf diejenigen der Nachbarländer übergehen, Wir haben

bewiesen, daß wir der Provinz Posen die Bruderhand reichen wollen. Sie soll, sie darf unseren deutshen Brüdern im Großherzogthume

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E E E

Posen nicht znrückgezogen werden, wenn sie sie verlangen, aber sie muß uns von unseren polnishen Brüdern auch gerciht werden, sie müssen sich unsere Theilnahme durch Anerkennung und Achtung unse= rer deutschen Jnteressen bewahren. Der Gegenstand, über den ih \sprehen wollte, war der, daß ih gestern in Gemeinschaft mit mehre= ren Mitgliedern der Versammlung eine Bitte an das hohe Staats- Ministerium eingereicht habe, betreffend die a:beitenden Klassen. Die Kürze der Zeit, die uns hier zusammeunhält, veranlaßte uns, diese Bittschrift nicht dem Laudtage vorzulegen, um eine Debatte darüber, die wir niht wünschten, zu vermeiden. Es ist heute von dem Herrn Finanz = Minister eine Erklärung gegeben, nah-.welcher man der Sache ernsthaft ins Auge sieht, wie es sich von unserem hohachtbaren Mi- nisterium erwarten ließ. Jch glaube, daß die Herren Abgeordneten, die sih mit mir vereinigt haben, mit mir übereinstimmen werden, wenn ih zugleich in ihrem Namen den Dank ausf\preche und die Hoffnung, daß dieses ernste Jusaugefassen dazu führen wird, diese hohwichtige Frage auf befriedigende Weise zu erledigen, : Abgeordn. Krause: Jh habe nur wenige Worte zu sagen. Von vielen Seiten ist darauf hingewiesen worden, daß man Militair an- wenden müsse, um deu Landmann zu beruhigen. Jn dieser Beziehung habe ich, wenn Räubereien vorkommen, nichts einzuwenden, frage aber, ob es niht zweckmäßig sci, bevor man militairische Hülfe hinschickt und die Lebe des Volkes unterdrückt, die Gesche von 1307 —— L014 zuvor zu erledigen, denn sie sind auf halbem Wege stehen geblieben, und der Minister des Junern hat erklärt , daß er Erlasse ins Land ergehen lasse, von denen ich jedoch noch nichts gesehen und gelesen habe; ich hoffe aber in dem Vertrauen, welches ih dem gegenwärti gen Ministerium schenke, daß es noch geschehen wird. Zh habe mir erlaubt , mehrere Anträge betreffs der Bedürfnisse des Bolkes zu machen, und sie werden publizirt werden, ich wün!'che aber, daß es nit blos bei Anträgen, Versprechungen und Wünschen verbleibe, son dern daß es auch zur Erledigung korame, Das wird dem Lande kein Mensch wünschen , daß es cinen Berechtigten unglücklich machen soll, aber wenn die Zustände in Schlesien von der Art sind, daß die Schle sier niemals zu cinem gewissen Selbstbewußkjein femmen fönnen , fo lange die Despotie ihnen aus dem Nacken sit .…. : (Oho !) Lassen Sie mih meine Sache durhführen, Die \chlesis{chen Bewohner am Gebirgs Sie würden es nicht thun, wenn

Meine Herren! so weit ih Schlesien kenne. famm verschaffen si selbst Hülfe. man nicht mehr forderte, als sie ershwingen fönnen, Wenn von der ruhigen Gegend von Schlesien, die ih bewohne, mir 30, 40 Anträge vorliegen, mit der Bitte, man möge es auf gesebßlichem Wege dahin bringen , daß die Teudallasten und die sich widersprechenden Urtheile der Gescße in der Laudemial- Frage, die Geseße über Wildschaden ¿c, aufgehoben werden, so frage ih Sie, ob es gerecht is. Jch bitte blos das Ministerium, Schritte zu thun, nicht blos in militairischer, sondern auch in sozialer Hinsicht.

Staats - Minister von Auerswald: Verhältnisse in meiner Erklärung angedeutet waren ; Wünsche, so weit sie geseßlih und recht sind, guch werden.

Marschall: Der Abgeordnete von Kraczewski hat sich ums Wort Ror ihm sind noh mchrere andere Redner i O Mil nun entschieden der Meinung, daß in Bezug auf den Gegenstand, dexr von dem Abgeordneten 9. Kraczewski angeregt worden is, die De= batte nicht wieder zu. eröffnen sei. ehen von die=

Jh glaube, daß alle diese und werden die berüctsihtigt

gemeldet.

Aber auch abge} ( sem besonderen Gegenstande, scheint mir die Berathung zum Schlusse reif, und sie wird geschlossen werden, wenn nicht 24 Mitglieder dem Schlusse widersprechen. Heräush. Zeichen mit der Glocke. (Es erhebt sich eine Anzahl Mitglieder.)

Fürst Cichnowsky : Jch bitte, die Frage zu formuliren, damit wir wissen, über welchen Gegenstand die Berathung fortgeseßt wer den soll.

Marschall : hervorgegangen die gestern erfolgte

Die Berathung, welche uns beschäftigt hat, und die i aus den Erklärungen des Herrn Ministers über Juterpellation.

Fürst Cichnowsky: Es i} debattirt worden über den Notl)= Fand, über die politischen Zustände Posens, über die Unruhen in Sachienz ih bitte also, die Frage so zu formuliren, damit man weiß, von welcher Debatte hier die Rede ist,

Abgeordn. von Rochow: Jch shlage vor, daß gefragt wird, ob zur Tagesordnung übergegangen werden foll?

Marschall : Diejenigen, welche wünschen, daß zur Tagesord nung übergegangen werde, bitte ich, das durch Aufstehen zu erkenuen zu geben.

(Die große Mehrzahl der Versammlung erhebt si.)

Wir gehen also zur Tagesordnung über.

(Allgemeine und lang andauernde Aufregung.) (Zeichen mit der Glocke.)

ch ersuche den Abgeordneten von Vincke, den Bericht über den Entwurf eines Wahlgeseßes für die zur Vereinbarung der Verfassung zu berufende Versammlung zu erstatten.

Refereut Abgeordn, Freiherr von Vincke (liest vor) :

Gúütachten der Ac

über Wahlgeseßes für die zur Vereinbarung der preu- ßishen Staats=-Verfassung zu berufende Versammlung.

Die Abtheilung hat zuvörderst die Aufgabe der auf Grund des Wahlgeseßes zu berufenden Versammlung, nah Maßgabe der Aller- höchsten Botschast, sich klar zu machen gesucht. Sie erklärt sich mit dem Grundsabe einverstanden , daß die Vereinbarung der künftigen Reichsverfassung einer aus dem gesammten Volke auf möglichst breiter Grundlage zu berufenden Versammlung anvertraut werde.

Andere Befugnisse sind, nah Jnhalt der Botschaft, Versammlung nicht in Aussicht gestellt worden. / |

Es ist darin nur angedeutet worden und die vereinigten Kurien haben sich in der Adresse dieser Vorausseßung angeschlojjen daß der Vereinigte Landtag zum leßtenmal in der bisherigen Gestaltung versammelt sein wird. Ueber die Befugnisse , welche die künftige Reichsverfassung den Organen des Landes beilegen wird, wird erst die Vereinbarung der Kroue mit der Verfassungs - Versammlung ent= scheiden. Diese Verfassungs - Versammlung würde also an sich keine anderen Rechte, als eben nur das der Mitwirkung bei Vereinbarung der künftigen Verfassung besiven - falls thr solhe Rechte nicht auf verfassungsmäßigem Wege vorher eingeräumt worden.

Es erscheint aber unbedingt erforderlich , daß es in der Ueber= gangs = Periode vom Schlusse dieses zweiten Vereinigten Laudtages bis zur Versammlung der nach der künftigen Berfassung neu zu bil= denden Organe des Landes nicht an einem gejebmäßigen Körper fehle, welher die seitherigen Befugnisse des Vereinigten Landtages , na- mentlich Bewilligung von Staats-Anleihen und Zustimmung zu Ver= änderungen in der Steuer-Geseßgebung auszuüben berufen ist. Der Vereinigte Landtag würde die Rechte der Staatsgläubiger beeinträch= tigen, den Staats - Kredit gefährden, vor Allem aber die Rechte des Volks, deren Wahrung ihm zur Zeit noh anvertraut ist, preisgeben,

den Entwurf eines

für diese

wenn er diese Frage ungelöst ließe und so der Krone die unermeßliche Verlegenheit bereiten wollte, im etwaigen Drange der Umstände den Rechtsboden aufgeben und si selbs Befugnisse beilegen zu missen, die sie verfassungämäßig uicht besißt, i

Zur Beseitigung dieser Schwierigkeit bieten nur zwet sich dar, entweder

Auswege

1) dem Vereinigten Landtage bis zur Bildung der künftigen Lan- zu bebassen und ihn vor-=

des-Organe die seitherigen Befugnisse e

fommendenfalls zur Ausübung derselben zu versammeln; oder | j S 9) der für die Vereinbarung der fünftigen Reichsverfassung zu be-

rufenden Versammlung die seitherigen Befugnisse des Vereinig-

ten Landtages im Einverständnisse mit der Krone zu über-

tragen.

Der ersten Alternative steht entgegen : :

1) Daß das gleichzeitige Bestehen zweier Vertretungen neben ein- ander des Vereinigten Landtages und der Verfassungs-Ber= sammlung leicht zu Reibungen und Konflikten und in Folge dessen zu einer Rechtsungewißheit führen könnte, die in kritt- hen Pericden, wie die gegenwärtige, vor allem Anderen zu vermeiden ift.

9) Daß es einen inneren Widerspruch verrathen würde, wenn der Versammlung, welche eben berufen wird, um das Vertrauen des Volkcs auf der breitesten Grundlage zu repräsentiren , von der seitherigen Vertretung des Landes mit cinem \cheinbaren Mißtrauen entgegengetreten werden sollte. i Die Abtheilung is daher einstimmig der Ansicht, daß der zwei-

ten Alternative entschieden der Vorzug gebührt, und beantragt, zur Abschneidung aller Zweifel den Erlaß einer transitorischen Bestim= mung des Jnhalts :

„Die Versammlung is dazu berufen, die Staats-Vcrfassung durch Vereinbarung mit der Krone festzustellen und die seitherigen reichs ständischen Befugnisse namentlich in Bezug auf die Bewilligung von Steuern und Staats-Anleihen für die Dauer ihrer Versamm- lung interimistisch auszuüben,“

Nach dieser allgemeinen Erörterung ist die Abtheilung zur Er- wägung der speziellen Bestimmungen des Geseh - Entwurfes über- gegangen. Jh füge non hinzu, daß die Herren Minister , welche der Ver- sammlung mehrfach beigewohnt haben, mit der Ansicht der Abthei- lung und mit der hier vorgeschlagenen Fassung einverstanden gewejen sind, Die Abtheilung hatte zuerst die Ansicht , diese Bestimmungen zwishen die §§. 9 und 10 des Gesecizentwurfes einzuschieben ; sie hatte sich auch dabei beruhigt, daß eigentlich eine solche Bestimmung nicht in das Wahlgeseß gehöre, weil, wie die hohe Versammlung aus der Ansicht der §§. 10 und 11 des Geseßzentwurfes entnehmen wird, auch diese Paragraphen Bestimmungen enthalten, die, streng genommen, nicht zum Wahlgeseß gehören, Es wurde aber seitens des Herrn Ministers des Jnnern die allerdings richtigere Ansicht aufgestellt, daß es zweckmäßiger sei, einen Gesehzartifel besonders zu emamren,/ der die hier vorgetragenen Bestimmungen auf geseßlichem Wege feststellt, und die Abtheilung hat daher sih mit dieser, der gewöhnlichen Form und den logischen Konsequenzen na, richtigeren Ansicht der Regierung einverstanden erklärt. És würde sich also nnmehr fragen, ob die Ansicht der hohen Versammlung damit übereinstimmt. i

Marschall: Wenn feine Bemerkung erfolgt, \o fommen wix zur Abstimmung. Die Frage heißt : Soll eine transitorishe Bestimmung folgenden Inhalts beantragk werden :

(Secretair von Leipziger verliest den Antrag) „Die Versammlung is} dazu berufen, die Staats - Verfassung durch Vereinbarung mit dec Krone festzustellen und die seitherigen reidhs- ständischen Befugnisse namentlich in Bezug auf die Bewilligung von Steuern und Staatsanleihen für die Dauer ihrer Versamm- lung interimistisch auszuüben.“ Die das beantragen, würden dies durh Aufstehen zu erkennen geben. (Wird beinahe einstimmig angenommen.) Dem Antrage i} beinahe einstimmig beigetreten,

Referent Abgeordn. Freiherr von Vincke : Nach dieser allge= meinen Erörterung i} die Abtheilung zur Erwägung der speziellen Bestimmungen des Geseßentwurfs übergegangen.

Der Eingang des Geseßeniwurfs und der §. 1 desselben lautet :

Entwnrf

ines Wabi geepes

für die zur Vereinbarung der preußischen Staats Verfassung zu berufende Versammlung.

Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen 10: 20, verordnen, nach Anhörung beider Kurien Unserer zum Vereinigten Landtage versammelt gewesenen Stäude, auf den Antrag Unseres Staats=Ministeriums, was folgt : S 1,

Feder heimatsberehtigte Preuße, welcher das 24ste Lebensjahr vollendet und den Vollbesiß der bürgerlichen Rechte nicht verwirkt hat, ist in der Gemeinde, worin er seit Jahresfrist seinen ordentlichen Wohnsiß hat, stimmberechtigter Urwähler, insofern er nicht aus öffent lichen Mitteln Armen - Unterstüßung oder ohne eigenen Hausjtand in einem dienenden Verhältnisse Lohn und Kost bezieht,“

Das Gutachten der Abtheilung lautet :

U C L

Der Ausdruck „heimatsberechtigt“ schien nicht ganz klar; es hat darunter nach der von dem Regierungs-Kommissar gegebenen Erläu- terung jeder Preuße, der das Jndigenat erlangt hat, verstanden wer- den sollen, Die Abtheilung entschied sich daher für die präzisere Fassung „jeder preußische Staatsbürger. *“ i

Statt der Worte: „und den Vollbesi der bürgerlichen Rechte nicht verwirkt hat“, wurde die Fassung „und nicht den Vollbesibz der bürgerlihen Rechte, in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses verloren hat‘, einstimmig angenommen, weil anderenfalls auch die durch den Beschluß einer Stadtverordneten - Versammlung, einer Oc= meinde-Versammlung der beiden westlichen Provinzen oder eines mili- tairischen Ehrengerihtes Ausgeschlosscnen des Wahlrechtes verlustig gehen würden, was eine Rechtsungleichheit zwischen den Angehörigen der verschiedenen Provinzen, beziehungsweise der verschiedenen Klassen von Staatsbürgern, herbeiführen müßte, welche die Abtheilung mit dem Berufe der Verfassungs-Versammlung nicht vereinbar findet.

_ Die Worte „worin er seit Jahresfrist seinen ordentlichen Wohn= ß hat“ wurden mehrseitig beanstandet, weil man die Bestimmung theils nicht klar genug, theils zu beengend fand. :

__ Der Antrag, diese Worte ganz ausfallen zu lassen, fand indeß feine Unterstüßung, weil die Abtheilung sich überzeugte, daß eine längere Bekanntschaft mit den übrigen Gemeindegliedern unerläßlich P Au auf eigene Anschauung und Erfahrung beruhende Wahl selbst jede P zudem aber die Beseitigung jeder derartigen Schranke E endli agabunden die Theilnahme an den Urwahlen gestatten brae A ih für die Aufstellung der Wahl-Listen jeder Ungewißheit

gegnet werden muß, Die Frist erschien indeß für diese Zwecke zu

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ausgedehnt und die Beschränkung auf einen sechsmonatlichen Zeit- raum genügend. : :

Mit Rücksicht auf diese und díe weiter unten berührte Erweite= rung des Wahlrechts, wonach auc das Gesinde zu demselben zuge- lassen is, wird die Veränderung der Worte „seinen ordentlichen Wohnsiz““ in die Worte : „einen Wohnsiß oder Aufenthalt“ für nothwendig erachtet, weil die verschiedenen Geseße den Begriff „Wohnsitz“ verschieden desinirel, das Geseß vom 30. Dezember 1842

namentli} beim Mangel einer ausdrüccklihen Aufnahme einen

mindestens einjährigen des zur Begründung des Gesinde gar feinen Wohnfiß

Aufenthalt mit Wissen des Gemeinde-Vorstan- Wohnsißes erfo:dert und insbesondere das im gescßlichen Sinne erwirbt.

Die Worte „insofern er nicht aus öffentlihen Mitteln Armen= Unterstützung bezieht“ wurden zwar beanstandet, weil sie der Bejorg- niß Raum gäben, als ob selbft schon eine vorübergezende Unterstüßung aus Armenmitteln für die Folge des Wahlrechtes verlustig machen, und weil überhaupt die Armuth keinen Grund abgeben könne, um politishe Rechte zu E R LO Â

Die Abtheilung entschied si indeß mit 14 Stimmen gegen 4 für die Beibehaltung, weil die gerügte Unfklarheit nah Ansicht der Majorität nicht stattfindet ; insofern nah der Wortfa)jung nux von ciner fortlaufenden Unterstüßung aus Armenmitteln zur Zeit der Vor nahme der Wahlen die Rede il, 11 Bezug auf das angenommene Prinzip aber jede Ausübung eines politischen Rechtes die Uuabhän=- gigkeit der Ueberzeugung und diese als Minimum wentgjtens selbst ständige Ernährungsfähigkeit vorausseßt. Dagegen spricht sich die Abtheilung gegen 41 Stimme für den Wegfall der Worte : „ode obne eigenen Hausstand, in einem dienenden Verhältnisse, Lobn und Kost bezieht“, aus, denn durch diese Beschränkung würde, abgefebhen von ihrer Vieldeutigkeit , eine sehr achtbare Menschenklasse das Ge-= sinde unverdient betroffen werden (nur um einen möglichen Ein fluß ihres Dienstherrn abzuschneiden), während in dem ganz analogen Verhältnisse der Gesellen und Fabrikarbeiter die Möglichkeit eines derartigen Einflusses ebensowenig verkannt werden kann. Eine Be-= stimmung aber, welche für alle diese, noch durch zahlreiche andere Beispiele leiht zu vermehrenden Fälle eines abhängigen Verhältnisses die Entziehung des Wahlrechts anorduen wollte, würde an der Schwierigkeit einer ershöpfenden Fassung scheitern oder wieder zu einem Census zurückgelangen lassen, welcher stets nur eine willfür liche, bei der Verschiedenheit der Lokal - Verhäitn se faum aufzufin dende Gränze bildet und der Verfassungs-Versammlung jedenfalls die breite Grundlage entzichen würde, auf der sie allein ihren dermaligen Beruf erfüllen kann. :

Der so amendirte Paragraph würde mithin lauten :

¡(Feder preußische Staatsbürger, welcher das vierundzwanziaste Le- bensjahr vollendet, und nicht den Vollbesilz der bürgerlichen Rechte, in Folge rechtsfräftigen rihterlichen Erkfenntuisses verloren hat, ist in der Gemeinde, worin er seit sechs Monaten seinen Wohnsiß oder Aufenthalt hat, ‘mmberechtigter Urwähler, insofern er nicht aus öffentlihen Mitteln Armen=-Unterstüzung bezieht,“ : Abgeordn, Z%zeucr : Meine Herren! Zch habe zu den Anträgen der Abtheilung zwei Erinnerungen zu machen. Die erste Erinne= rung betrifft die Einschaltung der Worte: „oder Aufenthalt © hinter den Worten: „worin er seit sechs Monaten seinen Wohnsihz“ bat. : Es i} Jhnen bekannt, daß durch eine bloße Veränderung des Aufenthaltes der Wohnsitz noch nicht ohne Weiteres verloren geht z es würde also bei der Annahme dieses Vorschlages leiht der Fall ein treten fönnen, daß das Wahlrecht von einer Person an mehreren Orten ausgeübt werde, weil es nicht möglich sein würde, dies genau zu fontrolliren. Jch halte es daher für zweckmäßig und nothwendig, es bei dem Geseßentwurfe zu belassen.

Die zweite Erinnerung, die ich gegen den Vorschlag der Abthei lung zu machen habe, betrifft den Schluß desselben, wodurch diejeni= gen vom Wahlrecht ausgeschlossen werden sollen, welche aus öffent lichen Mitteln Armenunterstüßung beziehen. Jch fordere ein ganz allgemeines Wahlrecht, ohne irgend eine Beschränkung z nicht, meine Herren, weil ein solches Wahlrecht vielfah in Petitionen gefordert worden is}, auch nicht, weil Se. Majestät der König uus cin solches verheißen baben, sondern weil es mir in den Konsequenzen des Zweckes zu liegen schiene, zu welchem diese Versammlung berufen werden soll. Es handelt sich in dieser Versammlung um cine Ver= einbarung

eines Staatsgrundgesezes zwischen der Krone und der Nation. Es is} also durchaus nothwendig, daß die Nation in allen ibren Schichten vertreten werde, bei der Versammlung, welche eine Staatsverfassung vereinbaren soll. Auf diesem Wege wird die Ver fassung diejenige Festigkeit und Unantastbarkeit erhalten, welche sie gegen alle Stürme \hüßen können. Jch kann also nur solhe Aus= nabmen zulassen, welhe auf einer Unfähigkeit der Wähler beruht. Als unfähig muß ich allerdings anerkennen diejenigen, welche das Alter der Verstandesreife nochtgnicht erlangt haben, und diejenigen, welche die politischen Rechte verioren haben. Als Alter der Ver standesreife hat der Vorschlag das vierundzwanzigste Jahr ange nommen, und dies scheint mir auch ganz angemessen zu sein, weil das vierundzwanzigste Jahr als das Alter der Majorennität in den meisten Theilen der Monarchie festgeseßt is, und weil wohl Niemand befähigt werden fanu, politishe Rechte auszuüben, den das Gesetz niht für fähig erklärt, seinen cigenen Angelegenheiten vorzustehen. Im L 9 bs Entwurfes is das dreißigste Jahr « « + (Viele Stimmen: So weit sind wir noh nicht.)

Da die Versammlung diese beiläufige Bemerkang niht hören will, so will ich davon abgehen.

Diese beiden Kategorieen erkenne ih als wictig an, namentlich wird das Alter der Majorität zu erreichen sein zur Ausübung poli- tischer Rechte, weiter aber glaube ih nicht gehen zu können. Der Gesetz -Entwurf, der auch diejenigen einschließt, welche aus öffent- lichen Mitteln Armenunterstüßungen beziehen, oder in einem dienen den Verhältnisse Lohn und Kost erhalten, macht sih einer Abweichung von dem vorhin aufgestellten allgemeinen Prinzip schuldig, einer Abweichung, die nur durch ein überwiegendes praktisches Bedürf- niß dargelegt werden könnte; etn solches praktisches Bedürfniß ist meines Erachtens nach nicht vorhanden. Jch muß allerdings zu- geben, daß Personen, die in einem dienstbaren Verhältniß stehen, und solche, die aus öffentlichen Kassen Unterstüßungen empfangen, niht die Gewähr geben, wie andere unabhängige, daß sie der- Be- stechung und Verführung mehr ausgeseßt sind, und dieser “Grund würde vielleicht erheblich sein, wenn die Versammlung eine direkte Wahl annehme. Der Gesetzvorschlag nimmt eine indirekte Wahl an, nnd ich glaube , mich dem Vorschlage anschließen zu müssen, weil bei großen Städten und großen Wahlbezirken eine direkte Wahl nicht ausführbar scheint. Eine direkte Wahl würde die Folge haben, daß dieselbe hauptsächlih und wesentlih in dem Bezirk, in welchem die Wahl geschieht , nenden theils aus Mangel an

entschieden würde, weil die entfernt Woh-

Jndolenz, theils aus Mangel an

Mitteln häufig wohl gar nicht der Wahl beitreten dürften; es würde also häufig gar kein Wahlrecht eintreten. Meine Herren, dic Re- volution, welche jeßt durch Europa geht, hat die Privilegien ver- nihtet, sie hat das freie Staatsbürgerthum in seine volle Geltung eingeseßt; lassen Sie uns nicht neuè Privilegien schaffen, indem wir ganze Klassen der Bevölkerung mit Mißtrauen erfüllea, indem wir

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sie von der Wahlbefugniß ausschließen; ih schlage daher vor, die

Fassung des Paragraphen dahin anzunehmen, daß es heiße: „Jeder preußische Staateëbürger, welcher das 2Aste Lebensjahr vollendet und den Vollbesiß der bürgerlihen Rechte nicht ocrwirkt hat, is in der Gemeinde, worin er seit Jahreefrist seinen ordent= lihen Wohnsiß hat, stimmberehtigter Urwähler.“

Punktum!

Marschall : Der Abgeordnete hat den Vorschlag der Minorität der Abtheilung erneuert, er liegt also als neuer Vorschlag vor, und ih frage: ob er die nöthige Unterstüßung findet.

(Wird nicht unterstüßt.) Er hat sie nicht gesunden.

Abgeordn. Moewes: Meine Absicht geht dahin , mit wenigen Worten meine Ansicht auszusprechen, welche gegen den Vorschlag der Abtheilung, so weit er die Ehrenrechte betrifft, gerichtet ist. Der Geseßes -= Vorschlag bestimmt, daß alle diejeuigen, die geseßlich die bürgerlichen Ehrenrechte verloren haben, bei der Auêwahl der Wahl= männer nicht stimmberechtigt sein sollen. Die Abtheilung beschränkt dieje Bestimmung auf diejenigen, denen die Ehreurechte durch Urtel uns Recht abverkannt worden. Lie Ehrenrechte gehen indeß geseblih überhaupt verloren, durch richterliches Erkenntuiß, dur den Beschlnß der Kommunagibehörden cder durch den von Chrengerichten. Alle die= jenigen, welche die Ehreurechte auf die eine oder die andere Weise verloren haben, stehen sich, meiner Ansicht nah, hinsichtlih ihrer Ebrliebe und Ehrenhaftigfeit, gleich. Die Rechts - Ungleichheit füx die verschiedenen Provinzen, aus welcher das Gutachten den Vor= {lag der Abtheilung zu rechtfertigen sucht, is meines Erachtens bier nichts Wesentliches und nicht geeignet, eine Aenderung herbei= zuführen, zumal in allen Provinzen die Grundsäße und Vorschriften feststehen, nach welchen man der Ehrenurechte verlustig geht. Es beunruhigt mi aber cine solche Rechts - Ungleichheit , wenn sie vor= handen sein follte, viel weniger, als die, welhe dadur entsteht, wenn Staatsbürger mit und Staatsbürger ohne bürgerlihe Ehren= redte gemeinsam gleiche politishe Rechte, und zwar die wichtigsten Fhrenrchte, ausüben sollen. Jch halte daher dafür, daß diejenigen, welche si der bürgerlihen Ehrenrechte verlustig gemacht haben, au feinen Anspruch darauf machen können, solche wichtige politische Rechte, wie die sind, von denen hier die Rede ist, ausüben zu dürfen.

(Die Abg-:ordneten Sicbig und Dittrich verzichten auf das Wort.)

Abgeordn. Schwink: Es is uns so eben durh einen Reduer vor mir dasjenige gesagt, was ih zu sagen für nothwendig erachtet habe, daß cs nämli hier darauf anfommt, eb der Arme, weil er arm i und Unterstüßung braucht, ein Ehrenreht verlieren soll. Fch glaube niht. Seine Armuth kann zwar zuweileæ selbst ver- \chuldet sein, sehr oft is sie cs aber nicht, und selbst, wenn sie cs is, fo is wohl zu bedenken, daß, wenn das Vaterland ruft, wir do das Beste, was wir haben, das Leben und die Gesundheit dem Vaterlande darbieten werden.

Abgeordn. Graf zelldorff: Bei Feststellung des Wahlgeseßes für die zur Vereinbarung der preußischen Staatsverfassung zu be= rufende Versammlung ist es dringend erforderlich, daß das Wahl= recht guf die breitesten Grundlagen hingestellt wird. Jch erkläre mich daher einverstanden mit dem Antrage der Abtheilung, daß eine Menge Beschränkungen aus dem vorgelegten Entwurfe wegfallen sollen, und balte ih es namentlich angemessen, daß auch alle diejenigen, welche obne eigenen Hausstand in einem dienenden Verhältnisse Lohn und Kost beziehen, zur Ausübung des Wahlrechts mit zugelassen werden denn gerade unter dieser Klasse finden sich häufig sehr achtbare Individuen.

Abgeordn. von Thadden: Obschon ih glaube, daß die hohe Versammlung in großer Mehrzahl sich zu den Grundsäßen des neuen Wahlgesetzes bekennt, so finde ih mich doch veranlaßt, mich ent= schieden dagegen auszusprechen. Fürchten Sie auch heute nicht, daß ih viele Worte machen werde ih werde mih so kurz als möglich fassen.

( Bravo! ) Meine Herren! ih erlaube mir aber doch mit einigen wenigen Personalien anzufangen. Jch bin bekanntlich ein sogenannter Konservativer, weil geschrieben steht : „Wer da hat, dem wird gegeben“, und als âchter Preuße verstehe ih den alten Wahlspruch unseres Hauses: »Suum nicht bloß: behalte, was du haft, sondern nimm, was du

CUulque“ was du mit gutem Gewissen

friegen fannst, aber wohl verstanden : befommen fannsft! ( Heiterkeit.) Meine Herren! ih verachte cine solche träge fonservative Gesinnung, die in großen historischen Momenten nur an sih denkt, die dann nicht zu großen Opsern bereit is, und ih fordere die Männer meiner Pro= vinz aus allen drei Ständen auf, über mih Gericht zu halten, wenn sie mich nicht bereit zu Allem finden, was die Chre und das Wohl des Vaterlandes als unerläßlih von mir fordert. Aber gerade darum muß ih mih gegen das Wahlgeseß aussprechen, weil es das Grundyrinzip unserer Verfassung aufhebt und völlig umstößt. Jch protestire gegen jedes neue Wahlgeseß, welches das Prinzip der zwei Kurien und die Gliederung der drei Stände verläßt, obschon ih wahrlih keiner organischen Fortentwickelung unserer Ver=- fassung verschlossen bin. Verzeihen Sie, daß ih mich jeßt vielleicht zu furz fasse, aber ich kann ein Grandprinzip nicht aner- fennen, nah welchem etwa auf 10,000 Pfund Me nschen- fleisch (inclusive Menschenknochen) ein Wähler fommt, und vielleicht 40,000 Centner eben dergleichen einen Abgeordneten stellen. (Heiterkeit und Tumult.) :

Absolut bin ich also gegen das ganze Wahlgeseß. Relativ und da hier die Extreme sich berühren müssen werde ih aber den Modificationen beistimmen, tie der dienenden und arbeitenten Klasse zu ihrem Rechte verhelfen, und besonders auch dem beitreten, was unseren Armen das vollste Stimmrecht gew r

Referent Abgeordn. Freiherr von Vincke: És sind von den

3 E le k » ‘gen das Gutachten feine verehrten Rednern, die gesprochen haben, gegel F Pein sind erheblichen Einwendungen gemacht worden. A E S die von den Abgeordneten Lo E Ans in sasiem tastétt Antrag des Ersteren hakt Feine UnterstUBUng B rentbalt,“ wel di Antrage verlangte er, daß der Zusaß 02€? Aufenthalt, we hen die Abthetlung für uotbia bielt, so daß alo auch ein sehsmonatlicher Abtherung r S iimmberetigung befähigen jolle, wegfallen möchte, R A verschiedenen Orten aufgehalten haben kônne, woraus weil man stch an S ciisehe. Jch mache darauf aufmerksam, daß eine Réchtonb ge ib ein doppelter Wohnsiy denkbar ist, daß also nach “ga: fa r vigbeit bei Festhaltung des Geseßentwurfes ebenso=- die He eien sein würde, insofern man in einzelnen Fällen in E g erathen würde, welcher der wahre sei, Ein fernerer Zweifel tfi n ver verschiedenartigen Definition des Wortes „Wohnsiß,“ E sie in unseren Geseßen, namentli der Prozeßordnung und dem Geseve vom Z0sten Dezember 1842 enthalten ist, R ge E haben daher geglaubt, dem Worte „„Wohnsiv“ das Wort „Aufent= ablt‘ hinzufügen zu müssen, damit feine Zweifel entständen. Die von dem Redner besorgte Folge, daß Jemand auf die Wahl gleihsam reisen könnte, um an mehreren Orten zu stimmen, würde nicht eintre