1848 / 55 p. 2 (Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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eht mit Vergnügen die st{ch kundgebende Versöhnlichkeit. „Jh habe on öfters gezeigt, daß mir die Form weniger ist als die Sache. Jch freue mi, daß Herr von Radowigß uns gestern geradezu gesagt hat, wir seien auf dem Boden der Revolution, der neulich in Berlin nicht anerkannt worden is, Wir sind also hier weiter. Jch bin nicht der Meinung, daß si der Polizeistaat zum Rechtsstaat hätte veredeln können ; aus dem Unrecht, dem Polizeistaate, kann nie das Recht fommen. Man hat viel von zwei Parteien gesprochen und hat gesagt, daß das monar= chishe Prinzip niht herabgewürdigt werden könne durch die shlechte Handlung seiner Träger. Ich will es anerkennen; dann sage man aber au dasselbe für die Republik; dann sei man gerecht, der einen wie der anderen Partei. Der ganze Streit scheint mir ein zweck-= loser. So viel ih die beiden großen Völker kenne, die sih_am Rheine die Hand reichen, so sind beide im Jrrthum. Die Franzosen sind bei ihrer Centralisation geborene Monarchisten, obschon sie sich einbilden, Republikaner zu sein. Sie werden nie Republikaner wer= den, und wenn sie diesRepublik nod \o lange haben. Die Deutschen sind geborene Republikaner und haben die Theorie, Monarchisten zu sein. (Gelächter.) Wir haben in Deutschland im Gemeindeleben die Republik, und dann kommt die Theorie und sagt: Du mußt die Realität niht sehen, sondern der Theorie folgen und Monarchist jein. Man muß sich der Mehrheit fügenz aber erst wenn Beschlüsse vorhanden sind. Und dann ist die Minderheit berechtigt, zu wirken, daß das unterlegene Prinzip noch die Mehrheit erhalte. Die Engländer hätten die Re=- formbill und die Katholiken - Emancipation nicht, wenn sie sih beim Willen der Mehrheit beruhigt hätten. Die Anhänger des Grund= saßes haben gestrebt und gewirkt, unter dem Volke ihre Ueberzeu- gung zu verbreiten und dann auch im Parlament ihren Grundsaß durhzuseßen. So werden auch wir handeln, wenn wir nicht stegen. Wir werden die Beschiüsse nicht verdächtigen und zu keinen Mitteln der Gewalt greifenz aber wir werden den Volfsgeiit aufstacheln, da- mit das Prinzip auch in der Versammlung die Mehrheit erlange-. Es ist das im parlamentarischen Leben U erbörte vorgekommen, daß diejenigen, welche dem Aus\huß- Antrage sih angeschlossen hatten, in der Debatte davon sich los\agten, wohl weil sie sahen, daß Sachen dahinter verborgen lagen, welche andere hervorbolen würden, Jch werde stets gegen den Bundestag ein unversöhnlicher Feind sein, obgleich er mir nie etwas zu leid gethan hat, und ih werde nicht ruhen, bis er gestürzt is, Jm alten Bundestag herrschte das Sy= stem der Heimlichkeit und Lüge. Das Vorparlament hat beschlossen, daß er regenerirt werden solle; in derselben Naht noch wurde Be-= chluß gefaßt, aber nicht auf Grund jener Aufforderung, sondern auf Grund eines in den Akten aufgefundenen Antrags der freien Städte. Das war eine Lügez denn der Bundestag wollte nicht eingestehen, daß eine revolutionaire Behörde die Ursache war. Als er schon re= generirt war, wurde das Lepelshe Promemoria den Regierungen zur gutfindenden Kenntnißnahme mitgetheill. Ais es zufällig bekannt wurde, da hieß es: gutfindend bedeute irgend etwas, aber nicht gut= heißend. Der alte Bundestag war unterthänig den Kronen Oester= reih und Preußen, auch das hat sih wenig geändert. Man sagt, nicht die Fürsten, sondern die Regierungen sollten wählen, und diese seien die Vertreter der Mehrheit. Die Regierungen sind aber von den Fürsten gewählt; die Vertreter der einzelnen Stämme sind die einzelnen Stände - Kammern, die aus der Wahl des Volkes hervor=- gegangen. Wir lieben unsere Fürsten nicht, denn sie haben uns zweimal Versprechungen gemacht und sie nicht gehalten. Jeßt stehen wir an der dritten Periode, und man will uns wieder versprechen. Sollen wir das wieder glauben? Wir sind gutmüthig, aber nicht leihtgläubig, Es heißt, es werde von den Regierungen derselbe Mann- gewählt werden wie von uns: ein Mann des Volkes; der Mann, den die Regierungen bezeichnen, is der Mann des Miß= trauens von dem Augenblicke an, wo er vorgeschlagen wird. Was Unverantwortlichkeit heißt, auch mit verantwortlichen Ministern, hat man bei Ludwig Philipp gesehen. Es wurde ihm stets zugerufen : „le -roi regne mais ne gouverne pas.“ Er hat gouvernirt, bis er fortgejagt worden is. Man zeige nicht auf Englandz denn dort bestehen viele Geseße, die niht mehr angewendet werden. Das Veto ist seit einem Jahrhundert niht ausgeübt worden und kann nit mehr ausgeübt werden. Jn Deutschland haben wir noch uicht das ausgebildete Gefühl der politischen Freiheit, wie es jeder Engländer hat. Glauben Sie, daß eine unvérantwortliche Cen- tralgewalt ihr Veto nicht einlegen wird, wenn sie die Gewalt der Bajonette hat? Wir wollen nicht, daß der Präsident jo verantwortlich sei, daß er abtreten müßte, wenn die Mehrheit gegen seine Minister is. Wir wollen für den Präsidenten die Verantwort- lichkeit des nordamerifanischen Präsidenten; für die Minister die volle parlamentarische Verantwortlichkeit. Wir werden das Prinzip, die Wahl dur die National-Versammlung und die Verantwortlichkeit des Präsidenten, nit aufgeben. Jch erkenne an, daß auch die an- dere Seite ein Prinzip hat; wir können uns also nicht einigen. Aber ih muß darauf aufmerksam machen, daß die Centralgewalt, aus einer geringen Mehrheit hervorgegangen, feine Zukunst haben wird. (Beifall) Kosmann von Stettin (für den Möringschen Antrag) findet fêinen Grund zu der Annahme, daß der Mann, der das Vertrauen des Volkes besitzt, es verliere, wenu er von den Regierungen ernaunt wird. Macht die Versammlung aus der Centralgewalt eine bloße Exekutivgewalt, so is die Versammlung der Konvent, und Deutschland wird das Vertrauen von ganz Europa verlieren, Stedtmann (für den Welerschen Zusatz - Antrag) macht darauf aufmerksam, daß in Nordamerika ein Staatenhans besteht. Der Bundestag soll dem Bundes-Direktor zur Seite stehen, Es besteht in Deutschland noch das Gefühl der Territorialität ; nicht Alle fühlen sich zuerst als Deut- {he. Es muß darum eine Vertretung der Territorialität bei der Central - Regierung sein. Die Bestimmung des Scthoderschen Vorschlags, nah welhem die Central -= Gewalt die Beschlüsse der National - Versammlung zu verkündigen und zu vollziehen hat, erscheint dem Redner insofern nmcht unbedenklih, als daraus gefolgert werden fönne, daß die National-Versammlung die ganze Regierung an si ziehen fönnte. Er hätie deshalb gewünscht, daß zur Vermeidung des Mißverständnisses ein anderer Auedruck ge- wählt würde, aus dem ersichtlich sei, daß es sih um die Beschlüsse hinsichtlich der Verf2fun8 tantle. Der Vice-Präsident von Soiron (welcher statt von Fagerm2 ten Präsidentenstuhl eingenommen hatte) verlas ein von Wait un® Anderen übergebenes Amendement, nah welhem der Präsident (Kech#oerweser) die Verkündigung und Aus= führung der von der Versammlung beshlofenen Gesetze zu üver- nehmen hat. Nach längerer Debatte wurde von der Mehrheit bei der Gegenprobe die Zulässigkeit der Verhandlung dieses nachträglich eingebrahten Vorschlags verneint. Zuerst und vor der Gegenprobe schien die Frage des: Vice-Präsidente: über Zulässigkeit bejaht, wie dieser bemerkte. Es wurde die Gegenprobe verlangt und diese lieferte das genannte Ergebniß, bei dessen Verkimdigung von Soiron äußerte, daß sich die Ansicht eines Theils der Versamn!ung geändert haben müsse. Raveaurx (für den Schoderschen Antrag) stellt sich nicht auf den Boden des Rechts oder der Revolution, sondern auf denjenigen, wo dem Volke die ihm entzogenen Rechte wiedergegeben werden sollen, Es haben einige Redner das Recht der Versammlung bestritten, ei- nen Vollziehungs-Aus\chuß niederzuseßen. Es is gesagt worden, daß das Mandat dazu fehle. Der Redner erinnert an die luxemburgische

Angelegenheit, wo Aufhebung eines beshränkenden Mandats verlangt worden ist. Die Centralgewalt muß stark sein gegen West und Ost. Gegen Westen hat man mit scheelen Blicken gesehen und die Gränze ist mit Truppen besetzt. Gegen den Koloß im Osten, wo die Grän= zen fast unbewacht sind, hat man nichts gesagt, a!s ob man es nicht gewagt hätte. Rußland hat in einem Ukas eine Art von Kriegser- klärung gegeu Deutschland geschleudert. Man soll. gegen ein großes Land, das in den Wehen der neuen Bildung is, niht. Schimpf aus- sprehen. Wir sollten die Bruderhand, die uns hingereicht ist, schon ergriffen haben. Man hat am 24. Mai in Paris den einstim- mig gutgeheißenen Antrag gestellt, eine Deputation zu unserer Be- grüßung hierher zu senden. Man ist von der Ausführung aus Delikatesse abgestanden, um nicht die einzelnen Regierungen zu ver- leßen. Sollten wir jene Erklärung nicht erwiedern? „Thun Sie etwas, meine Herren, zur Anerkennung der freundschaftlichen Gesin= nung.“ (Die Versammlung erhob sich unter andauerndem stürmischen Beifall des Auditoriums.) Wir sollen diese Freundschaft niht bewah- ren auf Kosten unserer Würde, es darf deßhalb kein Fuß breit Erde aufgegeben werden, (Stürmischer Beifall. ) Man hat auf die Er- nährung von 80,000 Hungernden hingewiesen ; es is eiu großes Unglück; aber die trifft kein Vorwurf, welche menschliher sind, als ein anderes Land, wo man Jrland verhungern läßt. Der Redcer erklärt, daß seine Freunde bei der Bestimmung wegen Vollziehung der Beschlüsse der National-Versammlung beharren würden. Der Gebrauch müsse eine weise Mäßigung sein. Die Anwendung von bestimmten Namen, wie Republik und Monarchie, bei der Neugestaltung Deutschlands verwirft der Redner. Wir haben eigenthimlihe Verhältnisse. Wo ist ein Beispiel, daß 38 Staaten, welche so lange besondere waren, sih zu einem vereinigen wollen? Jn Nordamerifa sind die Staaten erst entstanden, nachdem die Republik {hon gebildet war. Auf den Namen kömmt es nicht an, sondern auf das, was den Verhältnissen entspriht. Die Verantwortlichkeit des Präsidenten verlangt der Red» ner uicht für politische Handlungen, damit die National-Versammlung nicht alle vier Wochen einen Präsidenten wählen müsse. Die Minister sind auch für ihre politischen Handlungen verautwortlich ; sie müssen sich zurücziehen, wenn sie die Mehrheit niht mehr haben. Die Genehmigung der Beschlüsse der Exekutivygewalt über Krieg und Frieden mußder National=- versammlung vorbehalten bleiben. Sie ist auh in dem Entwurfe der österreichischen Verfassung dem Reichstage vorbehalten. Bei Handelsverträgen i} sie unbedingt nothwendig. Es ist leider wahr, daß die von den Fürsten bezeichneten Personen das Mißtrauen gegen sich haben würden. Aber die Regierungen, nicht die Fürsten, sollen bezeihnen. Es giebt welche, die auf den Namen Werth legen, denen Reichsverweser oder Reichsstatthalter als großartige Erinne- rung an die Vergangenheit gilt, Aber dieser wird man sich nicht gern erinnern. Der Redner i übrigens einverstanden, wenn ein anderes deutshes Wort für Präsident vorgeshlagen wird. Was die Eigenschaften angeht, so darf nicht gefragt werden, ob Fürst oder Bürgerz die Fähigkeiten entscheiden. Dagegen aber is der Redner, daß die Wahl eines Fürsten als Prinzip aufgestellt wird. Man habe gesagt, daß die Versammlung für sich keine Macht habe, um ihre Beschlüsse. durhzuführen. Die Fürsten haben noch die Heere, das Geld und Alles, was das Volk bezahlt hat, wenn es nicht verschleu- dert is, der Fürst aber, der es gegen den Volkswillen mißbrau- chen wollte, wäre ein Rebell, und Rebellen müssen zermalmt werden. Man wirft uns vor, daß wir nach allen Seiten liebäugeln. Wenn irgend ein Amendement ausfindig gemacht werden kann, worin alle Parteien übereinitimmen, 1ch würde gern den Ruhm lassen, ein solches eingebracht und nicht gelicbäugelt, sondern energisch gesprochen zu haben. Vershmelzen Sie die verschiedenen Amendements a f eine Weise, daß wir der Nation zeigen, wir wollen Einigung. Lassen Sie doch die leichte Brücke, welhe wir den Regierungen gebaut haben, bestehen. Wir geben ja nicht die Macht aus der Hand. Wenn die Regierungen Leute bezeichneten, die wir nicht wollten, würden wir nein sagen. Wir bleiben die National-Versammlung. Mit der äußer= sten Rechten können wir nicht fertig werden. AÄter die anderen Par= teien fönnten si einigen, auch die äußerste Linke troß ihrer Erklä rung. Wenn Jemand auftritt und das Prinzip der freien Wahl auf- stellt, so werden von allen Seiten bei ‘Annahme desselben in vielen anderen Punkten Konzessionen gemacht werden, Wenn dem nicht so ist, \o sehe 1ch kein Mittel, als jene Brücke bestehen zu lassen, Wir haben noch andere Pflichten, Meine Wähler haben mir die Pflicht auferlegt, für Herstellung von Ruhe und Frieden zu sorgen, daß wir nur solche Beschlüsse fassen, die in ganz Deutscbland Vertrauen er- wecken. Nur dieses wird den Handel und Verkehr wieder beleben, und wenn sie es gut meinen mit den Proletariern, so sorgen Sie da- für, daß diese niht mehr hungern. (Schluß folgt.)

Oesterreich. Wien, 25. Juni. (Wien, Zt g.) Se. Kaiserl, Hoheit der Erzherzog Johann is gestern Abend im bejen Wohlsein hier angekommen.

Triest, 22. Juni. (J. d. Oest. Lloyd.) Die von hier nach Jnnsbruck gesandten Deputirten, welche den Auftrag hatten, Sr. Majestät dem Kaiser im Namen der hiesigen Bevölkerung die Ver= sicherung der Treue und Anhänglichkeit zu überbringen, sind mit nah= stehender Kaiserlicher Entschließung zurückgekehrt:

„Der Handels-Minister an die Deputirten der Stadt Triest, P, Kandler und P. Rivoltella. : ;

„Mittelst Allerhöchster Entschließung vom 44ten l, M. beauftragt mich Se. Majestät der Kaiser, den zur Darlegung ihrer Anhänglichkeit und Treue gegen Seine geheiligte Person hergesandten Deputirten von Triest, in Er- wiederung ihres Gesuches vom 13. Juni, Folgendes zu eröffnen:

„Se, Majestät der Kaiser nimmt, wie stets, auch heute die Treue der Triestiner mit Vergnügen wahr und is darauf bedacht, daß di: Stadt, so wie sie früher es verdiente, mit der Verfassung eines ‘Freihafens belohnt zu werden, so auch in Zukunft die bedeutiamen Geschicke erfüllen möge, zu denen sie berufen is, Die Verfassungen des Reiches und seiner verschiede- nen Provinzen werden im Stande sein, den Wohlstand seiner Provinz Triest zu befestigen, die dazu berufen is, die Hebung des Handels und der Ju- dustrie auf den ihren Eigenthümlithkeiten entsprechenden Wegen zu bewirken,

„Se. Majestät hat stets Triest als den vorzüglichsten und einer stets ge- deihlicheren Zukunft würdigen Hafen betrachtet. : :

„Ach beeile mich, dics in Erfüllung des allerhöchsten Auftrages Jhnen fund zu thun.

JFnnsbruck, 14. Juni 1848. S

Doblhoff.“

Gestern Abend versammelten sich die Bataillone der hiesigen Nationalgarde, um dem gefeierten Militair - Kominandanten Grafen Gyulai ihre Gefühle der Verehrung und Dankbarkeit darzulegen. Um 9 Uhr seßten sih die Bataillone unter Anführung ihres Ober- Kommandanten, Herrn von Manziarly, die Musifbande des öster- reichischen Lloyd an der Spibe, jedem Bataillon eine Schaar Fael- träzer voran, in Bewegung und begaben sih bei der großen Kaserne vorüber nah der Wohnung des Feldmarschall-Lieutenants Gr. Gyulai, vor Avelcher bereits die Musikbande der Nationalgarde, von Fackel- trägern umgeben, si . aufgestellt hatte. Alle Fenster waren mit Zuschauern, meistentheils vom \{chönen Geschlehte, beseßt, zahlreiches Volk wogte in der Straße und den sie umge- benden Gassen und Pläßen. Der Feldmarschall-Lieutenant und der Gouverneur, umgeben von vielen Honorationen des Civils und

Militairs, empfingen den Zug auf dem Balkon. Als der Zug die ganze Straße ausgefüllt hatte, machte er Halt, die Musik - Bande stimmte die Volks-Hymne an, und ein einstimmiges donnerudes Ev- viva Gyulai! entscholl jedem Munde, hoch in der Luft flackerten die Fackeln, auf tausend Bajonett-Spißen wurden die mit Fetdzeichen ge- shmüdckten Müßen, aus allen Fenstern weiße Tücher geschwei kt.

Der würdige Militair-Kommandant war tief ergrijfen, er dankte mit wenigen, fräftigen, herzlichen Worten und schloß mit dem Rufe: Evviva Trieste con TlAuslria, worauf zahllose Evvivas für den Kaiser, Oesterreich, die Monarchie, den Gouverneur, die felsentreuen Tyroler, die wackern Steyrer, den deutschen Bund u. st. w. unter be=- ständiger Begleitung der Volks-Hymne erfolgten. Zuleut begab sich der Kommandant auf die Straße hinab und ließ die gesammte Na=- tional- Gvrde an sich vorüber defiliren. Nit die geringste Unord= nung störte diese Feier. - S

Nach der Einnahme von Treviso am 15. Juni hat die dortige Munizipal-Congregation dem Feldmarschall-Lieutenant von Welden nachstehende Adresse überreicht :

i Se A8 An,

Excellenz! Am 12ten l. M. erschien Jhre Armee vor unserer Stadt, und Sie boten der Gbrnison eine ehrenvolle Capitulation; allein diese wi- dersezte sich, nachdem sie einige Stunden Bedenkzeit verlangt hatte, det eige- nen Kraft und dem eigenen Enthufiasmus vertrauend, der Uebergabe und begann zuerst am Morgen des 13ten die Feindseligkeiten, Sie haben die Einladung erwiedert, aber Jhre Geistesaröße verwarf es, cine Stadt zu vernichten, welche in wenigen Stunden in einen Schulthgusen verwandelt werden konnte, Sie richteten das Feuer in einer Weise, daß die Kugeln erschrecken, aber nicht zerstören konntenz erst in den späten Stunden jenes Tages begannen die Kugeln Zerstörungen anzurichten und so in allen Bür- gern den lebhaften Wunsch nach einer Cavitulation zu erregen. Diese wurde von Ew. Excellenz am folgenden Tage gewährt, Er hörte auf, der Schrecken eines Krie= ges, welcher sein Ende mit der Zerstörung ciner unglücklichen Stadt erreicht haben würde. Die in Jhren wohlwollenden Ausdrücken sich äußernde Großmuth während des Vertrags-Abschlusses bethätigte sich, als Sie an der Spiye Zhrer Trup- pen am Morgen des 15ten in die hiesige Stadt nicht wie ein Sieger, son- dern wic ein Freund, ein Friedensstister einzogen. Die musterzaftcste Vis- ziplin, die bewundernswertheste Ordnung, das durchaus nicht willkürliche Benehmen der Soldaten verlichen den Bürgern die nah traurigen Tagen so sehr ersehnte Ruhe wiederz und tiese Nuhe, die sich nun von Stunde zu Stunde vermehrt und Allen zum Troste gereicht , erregt in allen Herzen das volle Vertrauen auf den Beginn besserer und glückiicher Tage.

„Ew. Excellenz haben die Schrecken des Krieges in Sicherheit und Ruhe des Fricdens umgewandelt, Jhnen bringt daher die Munizipal- Congregation im Namen aller guten Bürger die Bezeugungen der eigenen, in Aller Herzen unauslöschlichen Gefühle der Danibarkteit und Erkennilich=- feit dar, und mit voller Beruh'‘gung vertrauen sie der Großmuth Jhres Herzens, \icher, daß diese nie enden werde, und sie bitten , diese feierliche und aufrichtige Erklärung zu genehmigen,“ (Felgen die Unterschriften.)

Hierauf ertheilte der Feldmarschall -Lieutenant folgende Ankf- wort: :

„Der Feldmarschall-Lieutenant, Ober-Kommandankt de! Reserve-Armee, an die Munizipal-Congreggtion der Königlichen Stadt Treviso. :

„Bei meinem Einzuge in die hiesige Stadt und in eurer Adresse habt ihr mir eure Dankbarkeit für die gegen euch geübte Nachsicht ausgedrückt und mich der dadurch erzeugten Aenderung eurer politiichen Meinungen versichert, Jh muß dies Alles so lange als bloße Formel betrachten , bis ihr mir unzweifelhafte Beweise eurer Neue geboten habt, J frage us jedoch, ob denn Treviso diese Nachsicht verdient hat! Fn dei unseligen Hc volution, welche diese glücklichen Gegenden zerstört, habt 19r die mit euch geschlossenen Verträge zu barbarisch verlegt, indem ih1 Militair- und Civil Beamten zurückhieltet, welche entlassen weiden sollten. I habt die vfsent- lichen Depots beravbtz ihr habt ohne irgend einen Grund einem der ause- gezeichnetsten Capitaine die persönliche Freiheit entzogen , welcher durch eure Wahl Mitbürger geworden und scit 20 Jahren rubig unter euch auf jeinen Gütern l:bte und Wohlthaten um sich her virbreitete. Jhr prahltet mit Gefühlen der Religion, der Mcnschlichkeit und brütetet Racze in eurem Der- zen, schleiftet friedliche Personen durch die Straßen und ließet sie unter Qualen sterben, auf den bloßen Verdacht hin, daß sie der österreichischen Regierung zugethan. e E i ;

„Ist dics etwa das Vorspiel der ausfeimenden Gedankenfreiheit und einer höheren Gesinnung, welcher, wie ihr sagtet, von einer wahrlich zu milden Regierung Fesselu angelegt wurden? Jf etwa eure Relig'on jene, zu deren Apostel der nichtsmürdige Camin sih auswarf, welcher 1n Urevuo 3 Straßen predigte ? Sind dies die Vorläufer der Freiheit, welche tie ita- lienishen Völter beglücken soll? Die Waffengewalt hat mich vor eure Thore geführt, und ih bot cuch die Hand z m Fricden. Jhr anttwortetet mir mit Kanonen, und ich ließ meine Batiericen nur sp.elen, um euch eine Probe der Zerstörung zu geben, welcher ihr euch ausseztet. Ein fanatisir- tes, mit dem Kreuze gezeichnetes Gesindel, welchem sich viele eurer Söhne beigesellten, beharrte unnügerweise in der Vertheidigur g eurer Mauern und ergab sich ers dann, als es solche von allen Seiten umzingelt sah. Jch habe unbeschränkte Unterwerfung verlangtz ich bin durch keine Beding!ngen

gebunden. Jch konnte Ersay sür den dem Staate zogesügten Schaden for-

dernz ich konnte die begangenen Grau!'amfkeiten verdicnt-xmaßen bestrafen, ich fonute Geiseln für diejenigen verlanzen, welche ungerechteiweise zurüd- gehalten weidenz allein ihr selbst gesteht es ich brachte euch Frieden und Verzc({hungz meine Armee durchzog cure Straßen in vollklommencr Disziplin z fein Bewohnei w.1de bisher wegen pclitischer Meinungen beheliigt, Die Gelegen- heit war da, zu beweisen, daß Oesterreich strafen könne, und h würde, wenn ih die Stadt in einen Schutthaufen verwandelt und der Plünde: ung preis- gegeben hätte, nur strenge (Hercchtigk it geübt haben, Ullcin der Kaijer, mein Herr, folgt nur den Eingebungen seins großmüthigen Herzens, und ich selbst wollte den Sieg durch edle Handlungen verschönern; ich wollte erproben, ob eure Widerseuzlichkeit der Stimme der Ehre und der Vernunft weichen werde. Jch habe eure Waffen abgefordert und sie euch am folgen- den Tage wiedergegeten, denn ich fürchte sie nicht, Jhr werdet eure Na- tional - Garde aus geachteten Bürgern wieder bitden, und zum zweitenmale reiche ih euch die Nechte zum Frieden, Unter dem Palladium einer unter euch selbst zu berathenden Verfassung, für welche ihr jede Bürgschaft haben iverdet, nur unter dem milden Scepter Oesterreichs werdet ihr die ersehnte Nuhe und Wohlfahrt wiederfinden, :

Unter diesem s{önen Himmel, in diesem terrlichen Lande, bei der Ge- sittung, die euch auszeichnet, und mitten unter den Reichthümeru, die euch umgebcn, müssen die edlen Gesinnungen und die Eingebungen der Becnunst vorwalten und zahlreiche Vertreter finden. Jhr werdet mir den Beweis hiervon in eurer Haltung bieten, damit 1ch meine Zugeständnisse nicht zu bereurn brauche und mein Verfahren“ vor Gott und meinem Monarchen zu rechtfertigen vermag. S u

Aus meinem Hauptquartier Treviso, 419. Junt 1848 Der Feldmarschall-Lieutenant Welden.“

; , - Gu N of adi Prag, 22, Junt, (Bresl, Ztg.) Folgende Bekanntmachung hat Graf Thun gestern erlajsen: | N „Die Ereignisse, deren Zeugen wir eben Ga i Vialen a e

Augen der Welt bewiesen, was durch lange e ita en : „N an wurde, daß auch in Böhmen eine gewaltige Slys FRSNUgI UnD

t Í » S j «grbereitet war. WVyne daß 1rgend eine durch weit ausgedehnte Verbindung vorl laß acaebe M 4

y or G Negterung dazu Aulaß gegeben oder eine allge-

ungerechte Verfügung der Regierung 6 R E l ge mein gefühlte Beschwerde zum Vorwande gedient hätte, ist plöglih die

E 2 Mf eut worden, Jn allen Theilen der Stadt

«t N Ç e escyt wOrT A ( der D a

Hauptstadt Prag in urn Hifaden gesperrt, und zwar gleichzeitig, wie es wurden die Gassen durch Bartl s 0 mt Q A l S1 d Verabredung nicht möglich is; mit Drohung und Gewalt wurd Ñ ruh ige Bürger gezwungen, mitzukämpfen gegen die Soldaten unse- a: Kaisers U d Crígs, und als es si zeigte, daß der meuchlerische Stra- Gei eas E 8 vie Tapferkeit und Treue der Truppen nichts auszurichten

J) , s - , s A Li die Aufwiegelung des Landvolkes versucht. Alle Mittel der Gewalt und der shändlichsien Lüge wurden vou den Aufwieglern aufge- Duo und zu Jedem so gesprohen, wie es nah seinem Stande n Verhältnissen am besten dazu dienen mochte, ihn fortzureißen zum leidenschaftlichen Kampfe gegen die bestehende Ordnung, Wenn auch den

eigentlichen Plan, den Zusammenhang und das Ziel dieses \{machvollen Treibens erst die gerichtliche Untersuchung ins Klare segen wird, so 1st doch hon ohne diese offenbar, daß es sich um nichts weniger handelte, als um eine Revolution gégen ‘die rechtmäßige Regierung, Proscription derjenigen, die sih ihr muthig entgegenstelktten, Bürgerkrieg im ganzen Lande mit allen seinen fürchterlihen Folgen. Die Revolution is besiegt, in Prag durch die Gewalt der Waffen, anf dem Lande durch den gesunden Sinn dcs Volkes, der e bald e kennen ließ, wer seine eigentlichen Feinde sind. Die Regie- rung hat bewiesen, daß sie den Willen und die Macht hat, dem ver- brecherishen Treiben ein Ende zu machen. Möge der Muth und das Vertrauen aller redlihen Vaterlandsfreunde sich jeyt neu beleben, Standhast und träfcig laßt uns den Feinden des Friedens und der Ordnung entgegen- treten, unbekfümmert um die Veidächtigungen, mit denen sie zu lange daran gearbeitet haben, Mißtrauen gegen die Regierung, Zwietracht unter die Stäude und Volfsstämme auszustreuen, Gehorsam dem Geseze, Achtung aller gesezlih gegründeten Rechte, Eintracht unter den gleichberechtigten Na- tionen! Mit jolhen Gesinnungen laßt uns die Entwickelung unserer con- stitutionellen Freiheit durch den Landtag und Reichs-ag erwarten, Gewalt- thaten aber nicht dulden, welche diese heilsame Entwickelung unmöglich machen, Auf dem prager Schlosse, den 21,-Juni 1848, Leo Graf Thun, Kaiserl, Gub. - Präsident.“

Gestern Abend erschienen die ersten Journale, denen man es an- sieht, daß sie unter den Kanonen des Hradschin geschrieben sind. Von der slavischen Aristokratie sißen noch im Schlosse verhaftet: Graf Bouquoi, Deym, Nostiß, Baron Visllani, ferner Vr. Trojan und Herr Ruppert. Natürlich erfährt - man von dicsen weder mündlih uo öf= fentlih gepflogenen Untersuchungen gar nichts; dies mehrt die Ge- rüchte und die gedrückte Stimmung im Publifum. Gestern erschien ein Maueranschlag, in welchem Fürst Windishgräß versichert, er wolle alle constitutionellen Rechte aufrecht erhalten; gleich darunter ein An- schlag, in welhem der Bürgermeister Wanka zwei vom Fürsten und dem Grafen Leo Thun unterschriebene Befehle zur Kenntniß bringt: Keine Volks-Versammlungen dürfen ohne vorhergegangene Erlaubniß gehal-= ten werden, keine Maueranschläge und Flugblätter dürfen gedruckt und ausgegeben werden, ohne früher dem Fürsten zur Einsicht vorge=- legt worden zu sein, Wie lange der Belagerungszustand noch dauern wird, ist unhekannt ; binnen acht Tagen soll der Landtag einberufen werden. Die- Gewölbe sind wieder alle geöffnet, an Herstellung des Straßenpflasters wird gearbeitet; doch stocken noch immer, wie natür- lih, Handel und Geschäfte, das Theater bleibt geschlossen, die meisten vermöglichen Familien haben sich aus Prag entfernt. Unsere wiener Deputation is noch nicht zurück; troß der ihnen mitgethei!ten tele- graphischen Depesche verlautet nichts von ihren Erfo!genz eben so ist die Hof-Kommission wieder abgereist.

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Nuslaun®.

Frankvreich. Paris,+23. Zuni. (Köln. Ztg) Päris hat heute einen blutigen Tag gehabt, wie ihn die gestrigen Vorgänge leider befürchten ließer, Von 11 bis 5 Uhr hat man sih an meh- reren Punkten, auf den Boulevards, in der Cité, in den Vierteln St. Denis und St. Martin, mit Erbitterung geschlagen.

Die Nacht war lärmend gewesen, einige Posten rourden bedroht, und in den Vierteln St. Denis und St. Martin begann man mit Errichtung von Barrikaden. Von Tagesanbruch an trug Paris ein düsteres Aussehen. Die Boulevards, vom Thore St. Denis bis zu den „Filles du Calvaire‘“ waren mit zahlreihen Zusammenrottungen bedeckt. Arbeiter der National-Werkstätten erklärten, Paris nicht ver= lassen zu wollen; andere brachten allerhand Bes“ werden vor. Ge- gen 10Uhr erscholl auf der ganzen Linie der Boulevards der laute Ruf nach Barrikaden; Omnibus wurden umgestürztz der obere Theil des Thores St. Denis ward besebt; die Straßen St, Denis, St. Martin und Rambuteau wurden verbarrifadirt. Jn diesem Augenblicke wurden Mob.l - Gar= disten am Posten Bonne =- Nouvelle entwaffnet; bald aber ward der Posten von neuem dur die National «Garde beseßt, und ein zwei- tes Detaschement, welches dem Posten zu Hülfe kam, besetzte das ganze Trottoir vor dem Gymnase. Die Menge stand an diesem Punkte dicht gedrängt; jeden Augenblick versuchte man, die Schild- V (welche sie entfernt halten sollten, mit Gewalt zu entwaffnen. Bon Zeit zu Zeit hörte man vom Wafsfenplaße her und aus dem Bereiche zwischen den Thoren St. Denis und St. Martin Flinten- \hüsse fallen, die jedoch angeblih in die Luft gerichtet waren. Die Nationalgardisten hielten sich dort, die Waffe im Arm, und näherten sih allmälig der Barrikade. Es kam Befehl, sie zu nehmen; ein Offizier trat mit einem Polizei - Commissair vor und erließ die üb- lichen Aufforderungen. „Wir thun nihls Uebles““, erwiederte man von der anderen Seite, „bleiben Sie daheim; wr sind hier zu Hause.“ Wävrend dieses Hin- und Herredens kam es zum Feuern, ohne daß man weiß, - wer zuerst s{hoß. Gleichzeitig mußte der hart bedrängte Posten Bonne - Nouvelle die Nenge mit den Waffen zurücktreiben. Auch dort fam es zum Gewe'rfeuer. Ein Bataillon der National-Garde war auf dem Boulevard-Poissonnierez es lud seine Ge- wehre und marschirte seinen weiterhin im Kampfe begriffenen Brü- dern zu Hülfe. Das Gewehrfeuer war jept furchtbarz; es dauerte 9) bis 25 Minuten ohne Unterbrechung. Nach Verlauf dieser Zeit war man Herr des Boulevards St. Denis. Gegen 11 Uhr fing auc am Tyore St. Martin, auf der Seite des Boulevard du Temple, die Nationalgarde zu schießen an. Sie bemächtigte sich ziemlich rasch der Barrikaden und beseßte die Nachbarstraßen. Manu versichert, daß die Soldaten einer Kaserne mit den Meuterern fraternijirt haben. Das Viertel St. Jacques war sehr unruhig; Nationalgardisten wur den dort entwaffnet. Bei den Hallen machte man ebenfalls Entwasf- nungsyversuche, und es fielen einige Flintenschlisse. Die Zahl der Tod ten i noch unbekanut, Man sieht in den Reihen der Nationalgarde wenig Arbeiter und nicht uniformirte Gardfsten; doch bemerkt man darititcr einige Judividuen mit Jagdgewehren. Manche, die zur Rei= terei und Artillerie der Nationalgarde gehören, gewahrt man zu Fuß in den Reihen. Auf dem Boulevard Poissonniere, sehr entfernt vom Kampfplaße, hat cine Kugel cineu Mann getödtet. Die Mobdil=- garde trug die Gewehre umgekehrt, weil ste nicht auf das Volk feuern wollte.

4 Uhr. Man kennt noch nicht die Zahl der Todten in dem Kampfe am Boulevard St. Denis. Einem Bataillons-Chef ward die Hüfte durchschossenz ein Capitain ist {wer verwundet. Von der Straße Planche-Mibray bis zum Boulevard und der Straße St. Mar= tin war Alles vollkommen ruhigz eben so die Straße Rambuteau, wo das Gerücht aus den Fenstern schießen ließ. Man hörte ta meh1eren Gruppen das Geschrei : „Heinrih V, oder Napoleon!“ An anderen Orten : „Nieder mit den Fünf! Es lebe die Republik!“ Eine Sahne, welche auf der Barrikade von St, Denis genommen ward, trug die Juschrift: „Brod oder Tod!“ Nationalgarden, welche gegen den Aufstand marschirten, ließen den Ruf hören : „Es lebe die Republik ! Nieder mit dem Prätendenten!“ Gegen drei ein halb Uhr zeigte sich eine gewisse Bewegung unter den Truppen, welche die National-Versammlung umgaben. Der ganzen SPIREBTE S Linie, Mobilgarde und Nationalgarde ward Befehl zum Laden gegeben, Zwei Schwadronen Dragoner stellten sich auf dem

*) Da uns heute auch nur die pariser Blätter vom 23, Juni zuge”" gangen sind, welche über den Aufstand an diescm Tage noch nichts enthal- ten, so sehen wir uns genöthigt, uns auf die Mittheilung obiger, aus bel- gischen Blättern entnommenen Berichte zu beschränken, Die Red,

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Plaße Bourgogne aufz man hat den Posten auf dem Ende der Ein= trabtsbrüde verstärkt. Herr Thayer, Bataillons= Chef der zweiten Legion, ist nicht au der Hüfte, sondern nur leiht am Fuße verwun- det; dagegen ist Lefevre, ein alter Artillerie-Offizier, schwerer ver=- wundet. Ein Commisionair, Herr Arriol, ist bei dem Gewehrfeuer an der Porte St. Deuis als Opfer gefallen. Zwei Leute, welche das Gerücht verbreiteten, daß die zweite Legion auf Paris zu mar= schire und gemeinschaftliche Sache mit den Jusurgenten mache, sind verzaftit worden, A i

Um 5 Uhr. Ein Plasregen, der diesen Augenblick niede: strömt, hat es leicht gemacht, die lepten Keste des Aufstandes zu zerstreuen. Die Nationalgarde hat ihre Schuldigkeit gethan ; die Staatsgewalten haben jeßt die ihrige zu erfüllen. Die Verluste der zweiten Legion sind, wie man sagt, beträchtlich ; mau |pricht von 100 Todten oder Verwundeten. Ein Fleischer aus dem Faubourg Monimartre ward mit drei Kugeln im Leibe nah seiner Wohnung zurücgetragen. Jm Quartier Lafayette, wo die lezten Kampfe stattfanden, ist Alles be- endigt. Man sagt, das Faubourg Sk. Varceau sei noch nit ruhig, Ju den Straßen mißhandelte und plünderte man unter dem Rufe: Tod den Reichen!“ alle Leute, die etnen ordentlichen Rock trugen, Man hält die Unterdrückung der Meuterei noch feinesweges für entschieden, sondern erwartet vielmehr, sie morgen von neuem lesbrehen zu sehen, Noch kennt man weder die Beweggründe, noch die Vorwände des Lusstandes mit Bestimmtheit, Mechrfach wird behauptet, daß die Mobilgarde sih geweigert habe, gegen die Meuterer zu marschireuz die National-Garde dagegen hat oiet Entschlossenheit und Festigkeit bewiesen, Sie is willens, den Aufstand zu unuterdrücken, ohne sich vorläusig darum zu kümme:n, was die Regierung, mit welcher sie sehr unzusfrieden is, will oder thut. Der- CEisenbahnzug von Paris nah Brüssel konute nicht zur gewöhn- liden Stunde (8 Uhr) abgchen, weil man die Sthienen aufgebrochen hatte. Die Briefe wurden durch Estaffette nah La Chayelle, der ersten Bahnstation, gebracht. Um 7 Uhr Abends hörte ein Reisen= der, der Paris verließ, in der Ferne noch Salven von Gewehrfeuer z auch Kanonenschüsse sielen in Zwischenräumen, General Cavaignac ist zum Ober=Befehlshaber der National-Garde von Paris ernannt,

Aus Privat - Korrespondenzen entnehmen wir noch Folgendes: Die Agitation, welche in Paris seit 10 oder 11 Uhr he:rscht, fiug gestern Abend an, sih bemerkbar zu machen. 5—6000 Mann woll- ten nah Vincennes ziehen. Funfzig bewaffnete und entschlossen Männer genügten, um ihnen den Weg zu versperren. Sie sagten: „Wir spazieren“. Der kommandirende Offizier antwortete: „Daun geht ins Grhölz““. Das Gehölz war mit Truppen angefüllt; sie wären dort umringt gewesen. Sie zersßreuten sich mit dem Ruse: „Es lebe Bonaparte! Es lebe Napoleon! Es lebe Barbès!‘“’ Man fann also leiht über die Art und den Zweck der Bewegung ein Ur- theil bilden. Heute Morgen um 10 Uyr marschirte die elfte Legion nach dem Luxembourg. Das 73ste Regiment traf dort ebenfalls un- ter Trommelwirbel ein. Die Dragoner, die republikanishe Garde und die mobile Garde scblugen dieselbe Richtung ein. Während die= ser Zeit wurde für die 10te Legion in der Nähe der Natioual-Ver= sammlung Rappel geschlagen. Nach einer Stunde trat der Ge= neral - Marsch an dessen Stelle. Der Kriegs - Minister Cavaignac erthcilte Befehle an seine Adjutanten und an den General Négrier in dem Hofe des Präsidenten der Versammlung. Er war schon in großer Uniform. Der Kriegsman, die Jugend, dice Entschlossenheit strahlten aus seinem Gesicht und ließen erwarten, daß er eintreten- den Falls seine wichtige Nolle ausfüllèn werde. Man kündigt an, daß an der Porte St. Denis und Porte St. Matin Barrikaden gebaut werden. Die erste soll aus eincm umgestürzten Wagen mit Bausteinen errichtet sein. Die Aufständischen, heißt es, sind bewasf- net, Um 2 Uhr bestieg der Präsident der National - Versammlung die Tribüne, um die vorstehenden Thatsachen zu bestätigen. Er

sagte, daß auf dem Voul: vard Bonne =- Nouvelle und in der Straße

La Huchette Kämpfe stattgefunden habeuz die Bevölkerung, sagte er, zeige im Allgemeinen wenig Theilnavme für den Auf= ruhr. Eme Frau aus bem Volke revete m eben a, um sch zu beflagen, ‘daß die [Natiönalgarde, deren Kvostum ih trage, zuerst geschossen habe. Sie flubrte das. Quartier Dés Halles u: d La Marque zum Beweise an. Ih Waf Dr N, Lab wir unsere Pflicht thäten, tindèém ‘wir die Aufrührer zerstreuten.

„Gleich viel“, antwortete sie, „man sollte niht auf das ‘Volk \shie-

ßen; es is so unglücklch!“ Flintenschüsfe sind in großer Zahl ge=-

wechselt; Barrikaden sind errihtet am Piace Du Chatelet und im

Faubourg St. Jacques; besonders drohend sahen sie in der (Gegend

des Pautheon aus. Das Blut der Nationalgarden und des Voikfes

ist geflossen. Die Nationalgarden rücken zusammen mit den Linien-

Truppen vorz aber man versichert, daß die republifgnische Garde an

einigen Punkten sich mit den Reihen des Volks vermischt hat. was

mau seit 1834 nicht geschèn. Es fielen mehrere Schüsse aus

dèn Fenstern. Die Straßenjungen von Paris figuriren wie ge-

wöhnlih unter den Kämpfernz ein National - Gardist steht einen Todten auf einer Bahre vorübertragenz r nähert sch es ist sein Sobn! Das Gewehr fällt ihm aus der Hand. Die Na- tionalgarden haben sich der Barrikaden an der Porte St. Denis und St. Martin völlig bemeistert. Einige Abgeordnete sagen: „Es ist kein Aufstand, es is blos ein Komplot!‘“ Aber was bilft eine solche spißftudige Unterscheidung, da Niemand leugnen kann, daß die öffentliche Nuhe gestört ist! 32 Uhr. Kanonen werden nach dem Faubourg St Jacques gefahren.

Jn einem anderen Schreiben heißt es: Schon gestern nahmen die Zusammenrottungen wieder eine drohende Gestalt an; das Stadt= haus und das Luxembourg waren von Vienschen und Truppen um- ringt; auf den Boulevards sah man ungeheure Züge Arbeiter, welhe Banner trugen und „Es lebe Barbes!“ schiieen. Den Hauptstoff der Unterzaltung bot gestern nicht mehr Ludwig Napo= l-on, soudern die Maßregeln bezüglih der National = Werk- stätten, die befoblene Wegschickung vieler Arbeiter in die De- partements und die Einführung der Stückarbeit bildeten das Thema der Beschwerden; insbesondere gaben tie Arbeiter ent- schiedenes Mißtrauen gegen die Bourgeoisie kund. Jn alleu Weinschenken am Stadthaus - Plaße sah man gestern Leute, welche dem Volke umsonst zu trinken gaven. Es waren angeblich Abgeord- nete des unter dem Namen „Klub des Volks“ mit seinen früheren Tendenzen neu zusammengetretenea Klubs Blanqui, welche hier Je- den regalirten, der zu trinfen Lust hatte. Heute (am 23sten ) um 115 Uhr ging ih ans Thor St. Denis, wo Barrikaden errichtet wurden, Ein Gleiches geschah am Thore St. Martin; bewoffnete Männer leitetcu den Vau, den Unbewaffnete in Blousen ausführten. Diese Leute äußerten, das Volk fei ausgezogen, um gegen die Na=- tional - Versammlung zu marschiren, und die Barrikaden sollten ihm nöthigenfalls zur Zuflucht dienen. Erst gegen 125 Uhr versammelte sih die {hon vor einer Stunde durch den Generalmarsh berufene Nationalgarde in größerer Zahl; alle Buden wurden geschlossen. Der Eiutrachts - Plaß war mit Truppen , besonders mit Kavallerie, stark beseßt. Man hörte Peloton - Feuer in der Richtung nach den Thoren St, Martin und St. Denis. Am leßteren Thore hatten sich die Meuterer verschanzt. Die National-Garde griff sie an und ver= trieb sie. Die Linien-Truppen kamen hier etwas zu spät, 14 Uhr. Die Thore St. Denis und St, Martin sind genommen, Die Meu-

terer, welde sie beseßt hielten, flohen burch die nächsten Straßen. An jeder ihrer Verschanzungen büften sie 6—8 Todte oder Verwun- dete ein, Ein junger Mann, der mit einer Fahne, worauf man die Worte las: „Arbeit oder Tod‘‘, eine Barrikade bestieg, wurde ge- tödtet; gleihes Schifsal hatte eine Frau, die nach ihm die Fahne ergriff. Jn der Straße Hauteville halten sich etwa 40 Meuterer

noch und wollen niht weihen. Mehrere Leute der republifanishen Garcze hat man unter den Jusurgenten gesehen. 2 Uhr. Die National - Garde hält die Eingänge aller nach den Thoren St. Denis und St. Martin führenden Straßen beseßt. Cin Maun auf einer Barrikade am Thore rief : „Jh weihe nicht; eher soll man mich tödten! ‘‘ Eine Minute später stürzte er todt nieder. Die Volksmenge ist in dieser Gegend weit za! lreicher, als die Nationalgarde; aber jie is meistens ohne Waffen und wird fortwährend zurückgedrängt. Viele Natio- nalgardisten sind, zu.al in der Straße Montmartre, entwaffnet wor= den. Jm Ganzen is die Nationalgarde nicht zahlreih erschienen. Man transportirt etwa 30 Todte und Verwundete. 3 Uhr. Man hört von Zeit zu Zeit Pelotonfeuer. Bei Einnahme eines Hauses am Thore St. Denis, in welches einige Meuterer geflüchtet waren, hat die Nationalgarde 4 bis 5 Todte eingebüßt. Die Arbei ter der Nationalwerkstätten wollen für den heutigen Tag bezahlt sein z sie drohen, si außerdem selbt bezahlt zu machen. 4 Uhr. Die Na- tionalgarde ist erbittert z sie sagt, die Regierung habe sie verrathen, habe die Errichtung der Barrikaden zugegeben, ohne sich zu widerseßen, und nachher, fiatt dieselben durch National-Garde und Truppen «an- greifen zu lassen, ersterer allein die ganze Arbeit überlassen. Jn den Straßen Plauche-Mibray und St. Mery hat man gewaltige Barri- faden aufgeführt; eine derselben reiht bis zum zweiten Stocwerke; ih weiß nicht, ob sie genommen wurde. Der heutige Tag macht den betrübendsten Eindruck. Man erwartet, früher oder später ‘einem Wohlfahrts- Ausschusse, aus Barbès, Blanqui, Huber und Genossen bestehend, oder dem Militair - Despotismus zu verfallen. Ueberall herrscht die äußerste Entmuthigurg. Der in Strömen fallende Re- gen wird wohl zur Unterdrückm g der heutigen Emeute beitragen. Es heißt, daß die National-Vei fammlung Paris in Belagerungs=- stand erklären werde. An zwei Punkten soll man mit Kartätschen geschossen haben.

Paris, 24. Juni. (Observateur belge.) Da die Komis- sion der vollziehenden Giwalt fortwährend b¿unruhigende Gerüchte über die Lage von Paris erhalten hatte, so entschloß sie si, selbst auf die Barrikaden sich zu begeben. Herr von Lamartine verließ ge=- stern gegen halb 5 Uyr dea Palast der National-Versammlung. Auch alle Minister begaben sich nah dem Ort des Kampfes. Es scheint, daß der Aufstand, auf den Boulevards unterdrückt, eine sehr drohende Haitung in der inneren Stadt, in den Umaebungen des Stadtthauscs und beim Grève-Plaß annahm. Die jNational= Versammlung vertagte \sich bis aht Uhr. Sie 1st in“ Pet= manenz, aber da alle Truppen, die den Palast umgaben, auf den Schauplaß des Kampfes abgeschickt sind, so würde sie niht mit Sicber= heit haben berathen köunen. Um halb 8 Uhr wude Paris in Be= lagerungs- Zustaud erklärt und der General Cavaignac zum Ober- Befehlshaber aller Streitkräfte ernannt. Nachschrift, auf außerordentlihem Wege. 5 Uhr Morgens. Paris ist in vol= lem Schrecken. Der Bürgerkrieg, der gestern begonnen, hat die ganze Nacht hindurch gedauert. Die sämmtliche Bevölkerung ist in Bewegung, Man schiägt unaufhörlich Generxalmarsch. Der Auf= stand nimint das l:nke Seine - Ufer ein, und besonders dic Viertel St, Jacques und St. Marceau; mehrere Eisenbahnhöfe sind zer= stört. Die National-Versammlung is in Permanenz., Man hat ver= schiedene Proclamationen publizit, Es ist unmöglich, zu sagen, welhen Ausgang die Ereignisse nehmen werden. 7 Uhr, Die Fahne des Aufstandes is die rothe der Republik, Die Blätter dieser Partei führen heute früh eine drohende Sprache. Ju den Vorstädten

St. Antoine und St. Martin steven noch Barrikaden. s Uhr. Es heißt, die Barrikaden der Vorstadt St. Jacques seien genommen, Cavaiguac sei mit 20,000 Mann dort vorgedrungen, und man sci dort handgemein.““

Das einzige uns zugekommene pariser Blatt, welches bereits eine kurze Notiz über die Vorfälle vom 23jten enthält, ist die Nachmit= tags - Ausgabe von Galignani?s Messenger. Sie giebt aber nichts wesentlich Neues zu den obigen ausführlichen Berichten der bel- gishen Blätter.

(Telegraphische Depesche.) Paris, 24.Juni,- um 3 Ubr Nachmittags, Der Aufruhr dauert fort, Die Stadt ist in Belage- rungszustand ertlärt und die Regierungsgewalt dem General Cavaig- nac übertragen. :

Der Sieg neigt sih auf Seiten der bewaffneten Macht.

Eine zweite telegraphische Depesche, aus Brüssel, den 25. Juni, 4 Uhr Nachmittags, abgegangen, meldet :

Die Exekutiv-Kommission und das Ministerium haben abgedankt.

Eine dritte telegraphische Depesche, datirt Paris, 24. Juni, Abends 8 Uhr, lautet :

Der Kampf haï noch nicht geendet. Die Truppen und die Ng= tional-Garde sind treu geblieben, Cavaignac führt allein das Kom- mando,

Die Mehrheit des Finanz Comités will das Gehalt jedes Mit- gliedes der vollziehenden Kommi}sion auf monatlih 5000 Fr. festge- set wissen. Nach Mittheilungen des Finanz-Ministers an das Co= mité hat sich der Bestand des Schaßes vom 24. Februar bis zum 1. Juni von 205,076,182 Fr. auf 80,186,514, d. h, um mehr als drei Fünftel, vermindert.

Großbritanien und Jrland. London, 23. Juni. Jhre Majestät die Königin hielt gestern im St. James - Palast das dritte Drowingroom in dieser Saison. Die Königin erschien in Trauerkiei- dung.

Die Verhandlungen des Unterhauses betrafen gestern die Fortsetzung der Debatte über den Regierungsvorschlag zur Unterstüßung der westindishen Kolonieen. Ehe man dazu überging, fragte Herr Smith O'Brien, ob die Regierung dabei beharren wolle, den Differenzialzoll von Kolonialrum von 9 Sh. auf 4 Sh. pr. Gallon herabzuseßen. Es war noch kein Mitglied des Ministeriums anwesend, und als deshalb feine Antwort erfolgte, beantragte der Fragesteller die Vertagung des Hauses. Es entspann sih darüber ein Streit, wäh- rend dessen Lord Joh n Russell erschien, aber auf die Frage keine be- stimmte Antwort geben wollte, wodurch Lord George Bentindck sih veranlaßt sah, der Regierung cin geheimes Abkommen mit den irländischen Mitgliedern vorzuwerfen, welche für die ministeriellen Vor- schläge stimmen sollten und wollten, falls der Differenz-Zol für Rum auf 6 Sh. erhöht würde. Die Sache verursachte vielfahes Hin= und Herreden, bis endlich Lord J. Russell die Erklärung gab, daß die Regierung den Unterschieds-Zoll von 4 Sh., wie ursprünglich festge- seßt war, beibehalten werde. Als das Haus zur Tagesord- nung darauf überging, erhob sich guerst Herr ¿Mlgdprone und hielt eine längere Rede, in welcher er anerkannte, die E indischen Pflanzer Anspruch auf Schub hätten, da man: ihnen die