1881 / 28 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 02 Feb 1881 18:00:01 GMT) scan diff

Kern eines ehrenhaften deutschen Bürgerstandes aufrecht zu erhalten.

Der Abg. Dr. Windthorst konstatirte, daß nicht vom Centrum, sondern vom Abg. von Eynern ter Kulturkampf in diese Sache gezogen sei; aber dieser Herr habe zu aller Cen- trumsmännerx Freude seine wahren Gesinnungen aufgedeckt. Die Regierung sei aber in dem Sinne des Abg. vor. Eynern vorgegangen: Eine Jnstitution brauche blos unter katholischer Flagge zu erscheinen, um vervehmt zu sein. Der Abg. von Cynern habe seine Vorwürfe nicht bewiesen. Uebrigens frage er den Abg. von Eynern, ob dessen Gesellen und Arbeiter nit stimmen müßten, wie die Arbeitsgeber verlangten. Den fatholishen Gesellenvereinen sei eine Bevormundung bei Wahlen fremd.

Nach Schluß der Debatte erklärte der Abg. Frhr. von |

Minnigerode perfönlih dem Abg. Richter, daß von einer Lühlen Vertheidigung“ seinerseits keine Rede sein könne, da er sich über den Volkswirthschaftsrath überhaupt nicht ge- außert habe.

Der Etat des Ministeriums für Handel und Gewerbe wurde genehmigt.

Beim Etat des Justiz-Ministeriums bemerkte der Abg. Schmidt (Stettin), bei der Berathung des Etats des Ministeriums des Innern, Gefängnißverwaltung, sei nach- gewiesen, daß die Zahl der Civilsträflinge, welchen eine vor- läufige Entlassung aus den Zuchthäusern und Strafanstalten gewährt sei, seit dem Jahre 1873 abgenommen habe. Da bei dex Verhandlung weder der Justiz-Minister noch einer sciner Kommissare anwesend gewesen sei, so habe der an- wesende Kommissarius des Ministeriums des Fnnern er-

widert, er müsse Anstand nehmen auf die Gründe einzugehen, welche für die oberste Justizbehörde bei den vorläufigen Ent- lassungen maßgebend seien und auf Verminderung der Zahl derselben eingewirkt hätten. Es wäre erwünscht, wenn der anwesende Justiz-Minister sih über die Sachlage äußern wollte. : Hierauf das Wort. Meine Herren! Ich bin sehr gecn bereit, auf die Aufforderung des Hrn. Abg. Schmidt die Gründe und die Maßnahmen anzugeben, na welchen die Justizverwaltung bei der Handhabung der SS. 23 und 24 die vorläufize Entlaffung von Gefangenen zu Werke gegangen Die Frage kat das holte Haus {on mehrfah befchäftigt. Jm

ergrif} der Justiz-Minister Dr. Friedberg

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0 LPUV xe 1877 wurde ein Antrag vom Abg. Zimmermann eingebracht, dahin ging, die Regierung zu bestimmen, von dem Rechte der läufizen Entlassung einen ausgiebigen Gebrau zu maden. wurde dieser Antrag in eine besondere Kommi|sion verwiesen und die letztere hat einen sehr ausführlichen Bericht darüber Leiter ist dieser Bericht nit zur Lerhandluag im Plenum es Hauses gekommen und ih kann mich soweit nicht darauf be- fen, das Abgeordnetenhaus die Grundsätze gebilligt welde damals von dem Kommiar des BUIUZe Ministers als die leitenden angegeben wordep find. Weil ir nun ein Votum des Hauses nicht zur Seite. steht, alte ih mich um so mehr verpflichtet, hier die Grundsäße, nah enen die Justizverwaltung bei den vorläufigen Entlajjunçen zu Werke geht, ausführlicher klar zu legen. 2 Ich darf daran erinnern, daß das ganze Institut der vorläufigen Entlaffung von Sirafgefangenen ursprünglich nicht die allgemeine Gunst gefunden hat, die es jeßt zu finden {eint. Ja, es war sogar im Justiz-Ministerium überhaupt eine große Abneigung, dieses Ju- stitut in die Geseßgebung einzuführen. Es ist aber eingeführt wor- deu z es kam diese Satzung in das norddeutsche Strafgeseßbucb, ist von diesem in die deutsce Strafgesezgebung Übergegangen und ist nun länger als 10 Jahre in rechtliher Uebung. Der Pa- ragraph sagt b. karntlich, daß, wenn Jemand drei Viertheile seiner Strafe, mindestens aber cin Jahr, verbüßt hat, er darn vor- läufig entlassen werden kan, wenn er sich in der Strafanstalt, wie es dort beißt, gut gefühut hat. Diese Bestimmung batte allerdings ¿un ä die Folge, daß die Strafanstalten der Regel na cin cin- faes Exempel aufstellten und sagten: der Mann ist zu so und jo viel verurtheilt, er hat davon drei Viertheile verbüßt, hat sich ente sprechend geführt, wir bitten ihn zu entlassen. Dieser Auffassung entspricht die erste Praxis im Justiz-Ministerium, die allerdings da- hia ging, daß dort meistens nur ein Vollziehungébes%luß gefaßt wurde, es wurden die Unträge ausnahmtlos bewilligt. Diese Praxis ab:r dauerte rur ciïca ein halbes Jahr, denn man kam allmählich zu der Ueberzeugung, daß das unmöglich die Absicht des Gesctzgebers gewesen sein könnz, denn sonst würde er nicht das Ermesjen des Chess der Justiz noch als wesentlichen Faktor in die Gesetzgebung hincingebracht baben. Fortan kam man zu der Ueberzeugung, müßten die An- träce der Sttuafanstaltsbeamten im Justiz-Ministerium einer indivi- dualisirenden Kritik unterworfen werden, und nicht blos ein falfula- torishes Excmpel gemacht werden. Wesentlih wurde nun dle Frage, ob auch sonst die Bedingungen vorhanden wären, unter denen man den Mann der Wohlthat des Eeseyßes könnte theil- haftig werden laffen. Die Frage, ob man mit jencn LE 93 und 24 cine „Recbisinstitution* geschaffen habe, oder ob tur die Paragraphen nur ein beshränktes Vegnadigungsrecht habe inten- dirt werden sollen diese Frage bat ja theoretisch cinen gcwisscn Werth, für die Praxis aber ist sie wiukiih wenig fruchtbringend; praftischb erschien es, von folgenden Gesihtépunkten in der Hands habtung der Paragraphen autzugehen. Erstens, der Parapraph giebt kein Recht auf die Ertlafsung, sendern nur die Möglichkeit, daß dem Verhafteten die Vergünstigung derselben zu Theil werde. Diese Vergünstigung ist zurächst bedingt ron guter Führung in der Anstalt, si: ift aber fcrner bedingt davon, daß man eine Gewähr finde, es werde tcr vorläufig Entlassene auch în Freiheit die Möglichkeit eines ehrlichen Erwerbs finden. Wir gingen im Justiz-Ministerium davon aus, daß diese Verbedingungen erfüllt scin müßten und daß endlich 4 auf die Natur der Straftbat zu sehen jei, wegen welcher der {räfling verurthcilt worden is. So fam das Justiz-Ministerium n Laufe ter Zeit zu rcßer Vorsicht recern

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weil es ja nahe der Anstalt nicht eine Entlasscne nun nicht zu früßer zurüdfchrt. Man

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jerlezungen auf der Tagesordnung waren; wieder nacbsictiger in der Entlassung

Ic erirnere beispielsweise daran, daß,

dann wurde sol@er als die urtheilt, denno zur verläusigen Entlassung empfohlen wurden, Iu fti ¿Minifter diefe Ertlassungen verweigerte.

Darf ih nun und dieses ift ja wohl mit der Zweck der An- gewesen die Zahlen anführen, die «sich ergeben haben, so 1 gingen Anträge auf Entlaffung ein 2141, und Ich bitte aber, dieses Jahr nicht als maszzeher. des anzusehen, dnn das war ja das Jahr unmittelbar 24, da

ganze den B ereih der Paragraphen hinein- d diese exorbitant boben Zahlen zu ertlären.

frage

sir. d es folgende: 187 davon wutden bewilligt 1708. ein

na Emanaltien wurde, ältere

gezogen

und der

der Geseteëparagraphen 23 wenn ih den Ausdruck gebrauhen darf, Bestaad mit in

und dadur f:

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i bcwiliigt 155,

der Ansicht, cs sei bei gewissen Verbrechern mit

lich Gewohnheitédiebe; diese entlich man nur die da-

war ferner sehr ihtig bei einein zweiten Verbreben, dem Meineid, und bei der durch den unter- stütende Gründe vorliegen, um einen Antrag auf vorläufige Ent- la?ung eines Menschen, der wegen -Meineids verurtheilt worden war, zu bestätigen. Auch gab es Zeiten, in denen grade gewisse Geseyzes- man Verurtheilten. Rinder pest viel Grenzdistrikte ccsährdete, und mebrere Personen, deshalb Le er

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Im Jahre 1872 gingen ein 733 Entlassung8empfeblungen, urd davon wurden bewill:gt 289; 1873 gingen ein 489, dazon wurden bewilligt 179, 1874 aingen ein 421, davon wurden bewilligt 140, 1875 419, davon bewilligt 114, 1876 439, davon bewilligt 105, 1577 445, davon 1878 402, davon bewilligt 154, 1879 406, davon be- willigt 135, 1880 und das ist das Iabr, das allein in meine Verwaltung fällt 444, davon bewilligt 166.

Nun würde man glauben, ich thue Unre&t, wenn man aus diesem Verhältniß zwischen den Anträgen der Strafverwaltung und den Entscheidungen des Justiz-Ministers ctwa den Rückshluß machen wollte, daß die Strafarstaltsbeamten mit großer Larheit vorgingen, oder der Justiz-Minister mit zu großer Rigorosität verfahren sei. SFch glaube, man würde durch einen solchen S{uß nach beiden Seiten bin einen Fehlshuß maten. Erwägen Sie die verschiedene Stellung der beiden Instanzen! Der Strafänstaltsbeamte hat in der Em- pfehlung zur vorläufigen Entlassung ein ganz außerordentli wirksames Mittel, um auf die Disziplin in seiner Anstalt hinzuwirken, und je ôfter es ihnen gelirgt, durw seine Empfehlung die vorläufige Freilassung zu bewirken, um so mehr darf er erwarten, daß die Sträflinge, die noch abhängig sind von seinen Empfehlur:gèn, in der Strafanstalt fich disziplinarisch führen. Ganz anders aber ist es bei der otersten Verwaltung d:r Justiz, bei der sich alle Anträge sämmtlicher Straf- anstalten konzentriren. Diese kann nun nicht nur allein darauf ihre Entscheidung aründer, ob der einzelne Gefangene vielleicht entlassen werden könnte, fondern sie muß aus der Gesammtheit alier Anträge den S{luß z1ichen, wie vielen Anträgen sie staitgeben könne im Verhältniß zu der Gesammtbeit. Der Herr Abgeocdnete hat in der vorigen Berathung den Ausdruck gebraucht und ic dar? ihn darum wohl hier wiederholen, die Antcäge müssen „durgesiebt“ werden und ein solcher Siebunçesprozeß wird allerdings im Justiz- Ministerium nach bestimmten Grundsäßen angenemmen, Ih will nicht daran erinnern, daß vielfah Neigung zur Heuchelci durch die Möglichkeit soiher Anträge, mir liegen ganz bestimme Anzeichen dafür vor gefördert wird, und daß man darum aus die soge- nannte gui in den Anstalten mit alen das entscheidende Gewicht legen kann, aber auch in der Angabe über die Gewähr, daß der Entlassene in der Freiheit sein Unterkommen findet, vielfach gefehlt wird. Ich will, taeine Herren, statt vieler anderer Beispiele ein einziges anführen, weil dasselbe drastis% erläutert, wie leiht man fehlen fann: Ein Mann war verurtheilt zu einer mehrjährigen Zuchthausftrafe wegen Bigamie. Er führte si ganz vorirefflich und der Strafanstalts- beamte trug darum auf seine Entlassung an. Als nun gefragt wurde, ob der Mann, wenn er in die Freiveit zurüdkäme, aub ein Unterkommen“ finden würde, wird geanlwortet : Ja! Auf die weitere Frage, wo denn dieses Unterkommen id für hn finden würde, fam die Anlwortt bet der Frauenéperson, mit der er die Bigaraie geschlossen hatte. Da wurde denn allerdings dexr Antrag abgelehnt. —- Weiter. In diesen Tagen ift mir ein Antrag dur die Hände gegangen, wo für die Catlafsung, nanuientlih die große Reue, tie die Verurtheilten zeigten, als Motiv angeführt worden ist, und als ih nun die Akten näher ansehe, finde ih, daß der Mann noch zur heutigen Stunde erklärt, er sei un- schuldig verurtheilt worden. Daß nun die Behauptung der Unschuld mit der Neue nicht zusammenstimmt, das, glaube i, wird mir Jeder zugeben. Auch dieser Kritrag ist abgelehnt worden. Ich will nun weiter Zablen na den Kategorien der Verbreden zusammensteßen, wegen welcer Ablehnungen erfolgt find. Es sind abgelehnt worden: wegen Meineid 38 Anträge, und ih glaube nit wiederholen zu dürfen, weshalb ich gerade in den leßten Jahren besonders streng Lei Personen zu Werke gegangen bin, bei welchen es sich um das Verbrechen des Meineits handelte. Es find f:rner abgelehnt worden 35 Anträge, die für Personen gestellt waren, die wegen grober Unsittlichkeit mit Kindern verurtheilt waren, namentli auf Lehrer, und ih meine, daß die Erklärnng der Sitirafanstaltsbeamten, der Marn hake. ih? der Anstalt gut geführt, gerade bei diesen Verhrehen keine. Gewähr giebt, daß, wenn der Schuldige in die Freikeit zurückgekommen, auch geheilt worden sei. Dann sind cine große Anzahl Gewohnheitsverbrecher, überdies 6 Anträge wegen “Nünzverbrechen und zwar weil die Angeklagten wegen sehr quali- fizirten Münzverbrechens verurtheilt waren, abgelehnt, weil ih nit den Muth gehabt hake dics zu thun, da ich nit die Gewähr hatte, daß sie niht in ihr dem Gemeinwohl so gefährlies Ve:brecben zurüdfallen möchten. Manche Provinzen sind, ih darf sagen, be- rücbtiat durch Gewohnhbeits\chläger, d. h. Leute, die nur zu leiht mi dem Messer umgehen; wo solhe Gewohnheitsschläger als zur Gnt- lassung mic empfohlen waren, bin id auch immer schr streng in der Prüfung und frage mich jedesmal sehr, ob die Entlassung räthlic, fei, Einen Gedanken habe ih aber und damit darf ih mi wobl an den Abg. Windthorst wenden absolut bei meinen Ent- \cließungea zurückgewiesen, daß ih nämli dur meine Genehmi- aung oder Ablehnung irgendwie eine Korrektur des ergangenen Urtbeils herbeiführen wollte. Das liegt mir absolut fern und muß, meine ic, dem Justiz-Minister fern liegen. Denn die Eerichte haben ent- schieden ; und bei ter Ent1&ließung des Justiz-Ministers, ob er das ihm gegebene Mittel, die Vergünstigung der Entlassung zu gewähren over zu versagen hat, darf er es nit unternehmen cr mag das Urtheil für 1.0 so unbegründet halten dieses seinerseits korri- giren zu wolien, Dazu hat er kein Ret und wenn er das 1hâte, würde er gegen den Grundgedanken des Rechts verstoßen; bestätigen muß ich, was der Abg. Schmidt bier angeführt bat, daß in den an- teren deuticen Staaten, obgleich sie ja dieselbe Gesetzgebung haben, sich das Verkäliniß der Anträge zu den Cnlla)ungen allerdings anders gestelt wie in Preußen. Württem- berg find 1879 von eingegangenez Anträgen 89 bewilligt und nur ein einziges zurückdgewiesen, im Jahre 1878 von 128 An- trägen 121 bewilligt, also nur 7 abgelehnt, in Sachsen find im Jahre 1878 40, im Jahre 1879 49, im Jahre 1880 59 Auträge ge- steli und alle sind bis auf einen bewilligt wordey. Näher der preußishen Auffassung und Handhabung scheint sib Bayern zu stellen. Da wurden .1878 389 Anträge gestellt, davon 336 genehmigt und 53 abgelehnt, im Jahre 1879 wurden 487 Antröge gestellt, da- von 91 abgelchrt urd endlih im Jahre 1880 373 Anträge gestellt und 87 abgelehnt. Diese Zahlen sprecen ja für die aufgestellte Be- hauptung, daß die preußische Justiz-Ministerialpraxis cine strengere als die in den anderen deutschen Ländern. Aber um diese Behaup- tung mverlässig zu begründen, müsse der fernere Beweis gefübrt werden, ob denn auc die Strafanstalten in jenen Ländern nicht viel- leiht eiue strengere Praxis bei der Stellung ihrer Anträge befolgen. Darüber stehen mir die Mittel der Vevrtheilung niht zu Gebote, und es mêcbte das ja überhaupt {wer sein, nachweisen zu können; jedenfalls aber glaube ic, die bei der Berathung am 6. Dezember v. J. laut gewordene Verurtheilung der preußischen Justiz-Ministerial- praxis nicht als cine berectigte anerkennen zu dürfen. Der Abg. Strofsser ist soweit gegangen, zu sagen, das Justiz-Ministerium löse die ganze Urlaubéfrage, den §. 23 des Strafgeseßbuchs in Null auf. So \{limm ift es denn doch wirkli nicht, es ist doch eine recht erheb- liche Menge von Personen entlaffen worden darauf lege ih das Hauptgewiht und insofern hat sich die berechtigte ftrenge Praxis bewährt, die Zzhl der rückfälligen ist eine geringere gewesen. Wb wir diescs letzte Resultat hätten, wenn wir nicht mit dieser Strenge, sondern mit Larbeit im JIustizeMinisterium zu Werke gingen, das halte i für schr zweifelhaft. Nichtsädeftoweniger werden die Berathungen, die stattgefunden haken auch heute wieder stattfinden mi darauf hinweisen, mich ja nit ciner vielleicht allzustrengen Auffassung hinzu- aeken, und ih meine, daf, wenn auf der einen Seite darauf hinge- wirkt werden wird, daß die Strafanftalten mit Vorsicht und Strenge bei ihren Anträgen zu Werke gehen, es dann au dem Justiz-Minister möglich gemacht werden wird, allmählih zu einer milderen Praris zu kommen und so \{ließlich einen allseitig erwünschten Zustand her- zustellen. Daß der Justiz-Minister die Anträge, wie sie bither einge- gangen sind, der Siebung— um ben Auésdruck nochmals zu wiederholen urterzieben muß, dabei rene ih, ih darf mich dafür berufen auf das Urtheil derjenigen Mitglieder des Hauses, die ia der Lage sind,

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über derartige Anträge zu berichten, und ih kann verisichera, daß der

úIustiz-Minister s bei seinen Entsbließungen, bei Allehnungen wie bei Zustimmungen. weni-stens im Einklang icfiadet mit dea Justiz- instanzen in der Provinz. Ich glaube, meine Herren, daß ih mit meinen Ausführungen den Anforderungen des Her-n Antragstellers, so weit ih es vermochte, genügt habe, und daß Sie nicht ctwa ein Votum fassen möchten, welches auf eine Abänderurg dieser seit 10 Jahren im Justiz-Ministerium beobachteten und von mir nur übernommenen und weiter geführten Praxis der Minister bindrängen möchte.

Der Adg. von Uechtriß - S‘einkirh erklärte, die Bestim- mung über die vorläufige Strafentlassung sei eine Ausnahme- bestimmung, wie ihre Entstehung beweise. Fm preußischen Strafgeseßbuch habe die Bestimmung keine Aufnahme gefun- den, sie sei erst in das Strafgeseßbuch des Norddeutschen Bundes auf Grund einer in Sachsen bestehenden Bestimmung gekommen, die dort als eine auf dem Gnadenre(ht beruhende administrative Maßregel eingeführt sei. Die vorläufige Ent- lassung habe die Bedeutung einer Vorbereitung für die völlige Begnadigung. Aus den Verhandlungen des Norddeutschen Reichstages ergebe sih auch, daß si viele Sachverständige gegen die Aufnahme der Bestimmung ausgesprochen hätten und daß dieselbe nur deshalb zur Annahme gelangt sei, weil die Ent- scheidung über ihre Handhabung in die Hand der obersten Justiz-Aufsichtsbehörde gelegt sei. Die Gesetzgebung habe also nicht entfernt die Absicht gehabt, die Entscheidung über die Anwendung dieser Bestimmung den Gefängniß-Aufsichtsbeam- ten zu überlassen. Die Berichte dieser Beamten könnten nur die Grundlage zur Prüfung der Frage abgeben, ob die Sträf- linge sich gut geführt und der Entlassung würdig gezeigt hätten. Er könne dem Minister nur beistimmen, daß die Dauer der Strafe vom Nichter bemessen werde und von der Justiz-Aufsichtsbehörde nicht abgekürzt werden könne. Das Gutachten der Gefängnißbeamten sei keineswegs das einzige Kriteriuum für die Entscheidung der obersten Justizbehörde, Wie wenig zuverlässig diese Gutachten seien, habe der Minister ja schon ausgeführt, und er könne das nach seinen Erfah- rungen in der Praxis nur bestätigen. Gerade die hart- gesottensten Verbrecher fügten sih der Gefängnißordnung am willigsten, denn sie wüßten, daß es ihnen dann am besten gehe. Durch Heuchelei und Frömmigkeit suchten sie die Gunst der Gefängnißbeamten zu gewinnen. Er verweise in Bezug darauf auf die bekannte Schrift Mittelstädts, den Aus- führungen des Abg. Schmidt könne er sich nicht ansthließen.

Der Abg. Dr. Petri bemerkte, die Gerichtsassessoren be- zögen monatlih 180 A Diäten; wie er vernehme, sollten die Negierungsassessoren 200 und sogar 250 A Diäten beziehen. Er bitte den Minister, mitzutheilen, ob diese ungleiche Be- handlung bestehe, und eventuell die Ungleichheit zu beseitigen, für die er cinen inneren Grund nicht finden könne. Man müßte denn annehmen, daß die Verwaltungsbehörden eine Art Prämie bezahlten, um die besseren Kräfte an si zu ziehen.

Der Justiz-Minister Dr. Friedberg entgegnete, er sei in einer gewissen Verlegenheit, denn er wisse nicht, ob die Diäten der NRegierungsassessoren wirklich höher seien, als die der Justizassessoren. Selbst wenn cs aber der Fall wäre, könnte er doch mckcht zusichern, daß er auf die Beseitigung der Un- gleichheit hinwirken werde. Diese ablehnende Haltung gegen einen so wohlwollenden Antrag könnte auffallen. Er dächte aber, man- könnte den Verwaltungsbeamten eine Erhöhung ihrer Bezüge gönnen, zumal da die Justizbeamten erst vor Jahr und Tag ihnen gegenüber sehr begünstigt worden seien. Es würden etwa 200 Affessoren im Justizdienst beschäftigt, als Vertreter von beurlaubten und erkrankten Richtern. Wollte man die Diäten derselben um nur 30 4 erhöhen, so wäre das cine Mehrausgabe von 70 000 bis 80 000 M, und da er schon so wie so die Diätensäßze oft überschreiten müsse, möchte er diesen Weg zu weiteren Ueberschreitungen niht gern ein- schlagen. Für die meist noch jungen Assessoren, die noch un- verheirathet seien, genügten auch 180 Æ, um schicklich und billig auszukommen. Er habe als Assessor noch für 20 Thlr. monatlich gearbeitet.

Hierauf wurde der Justizetat genehmigt.

Beim Etat des Ministeriums des Jnnern knüpfte der Abg. Frhr. von Minnigerode an die in zweiter Lesung gefaßte Resolution an, nah welcher nur die Zwelmäßigkeit der Verbreitung als Maßstab für die Zuwendung amtlicher Vublikationen gelten solle. Jn Elbing beständen zwei Zei- tungen, die „Elbinger Zeitung“ mit 7000 Abonnenten und die „Altpreußzische Zeitung“ mit, wie man ihm versichere, nur 750 Abonnenten. Die erstere habe also neun Mal mehr Abonnenten als die leßtere. Er verweise bezüglih dieses Verhältnisses auf die amtliche Posiliste. Seit der Gerichts- organisation sei nun dem größeren Organ, der „Elbinger Zeitung“, ein Theil der gerichtlihen Jnserate entzogen worden. Ein ähnlicher Einfluß solle auch auf die Gerichtsvoll- zieher ausgeübt worden sein; diese hätten aber aus geschäft- lichen Nücksichten ihre Jnserate niht dauernd der „Elbinger Zeitung“ entzichen können. Man verstehe in Elbing dieses Berhältniß nicht; der Gedanke liege nahe, daß vielleicht falsche Notizen über die Verbreitung der beiden Zeitungen die ungerecW;tfertigte Sachlage erklärten. Alles, was der Abg. Rickert früher über das Verhältniß der „Posener Zeitung“ zum „Posener Tageblatt“ gesagt habe, treffe noch viel mehr auf die beiden Elbinger Zeitungen zu. Nur diesem Falle das neun Mal mehr verbreitete konservative Organ durch Entziehung der Annoncen geschädigt werde. Er würde auf diesen Zustand niht zurückgekommen sein, wenn derselbe niht nah wie vor fortdauerte. ZJhm liege hier eine Bekanntmahung vor, welche bestimme, daß eine Reihe gerihtliher Jnserate für das Jahr 18381 nur in der „Danziger Zeitung“, dem „Staats-Anzeiger“ und der „Altpreußishen Zeitung“ veröffentliht werden sollten. Man müsse sich wirklich wundern, daß die große Lokalzeitung, die „Elbinger Zeitung“, übergangen sei, während man die 8 Meilen entfernt erscheinende „Danziger Zeitung“ berüdsichtigt habe, die allerdings auch ein weit verbreitetes Organ sei. Er wolle nicht, daß man irgend ein Organ un- tersiüte, sondern nur, daß man das alte und zwecktentsprehende Verhältniß wiederherstelle und die Benachtheiligung der Ge- rihtseingesessenen vermeide, die nothwendig entstehen müße, wenn man das am weitesten verbreitete Organ bei Zuwendung von Jnseraten übergehe. Er werde die Sache so lange zur Sprache bringen, bis Remedur eingetreten sei. :

Der Abg. Rickert erklärte, wenn die Zahlen, die der Abg. von Minnigerode angeführt habe, richtig seien, jo mlißte er demselben zustimmen, denn die bei der zweiten Lesung ge- faßte Resolution solle in allen Fällen zur Anwendung kom- men. Das Abonnentenverhältniß sei aber sicher niht richtig mitgetheilt, leider sci der Abgeordnete aus Elbing tur Krankheit verhintert, hier zu sein, derselbe habe ihm aber Mittheilungen gemacht, die er verwenden solle. Die betrefen-

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gänzlid

den Gerichtsinserate hätten wesentlih Jnteresse für die kauf- männischen Kreise und in diesen sei die „Altpreußische Zeitung“ fast allein verbreitet, die „Elbinger Zeitung“ werde hauptsät- lich nur auf dem Lande gelesen. Dazu komme, daß alle Jn- serate der „Altpreußischen Zeitung“ auch gratis im „Allgemei- nen Elbinger Anzeiger“ Abdruck fänden, und das möge für die Beurtheilung der Verbreitung mit maßgebend sein. Der Amtsrichter könne aber die erwähnte Bekanntmachung auch gar nicht erlassen haben ; in den Fällen, wo die ländlichen Kreise ein Fnterejje an der Publikation hätten, sei ausdrü&- lih verfügt, daß dieselbe auch in der „Elbinger Zeitung“ er- folgen folle. Es fei auch einmal btehauptet worden, daß durch die Ausschließung der „Elbinger Zeitung“ ein Grund- stück in der Subhastation für zehn Mark zugeschlagen worden sei. Der Abgeordnete aus Elbing habe sich die Mühe ge- macht, die Akten zu durchforshen, und habe aller- dings gefunden, daß ein Grundstück für 10 Mark, aber von dem Haupthypothekengläubiger erstanden wor- den sei; aber gerade die diese Subhastation betref- fende Annonce sei zwei Mal in der „Elbinger Ztg.“ publizirt worden. Die beiden Nummern des Blattes lägen ihm vor, er bitte, sie einzusehen. Von einer Tendenz bei Zuwendung der Jnserate sei keine Rede. Es heiße ja auch nit, daß die Abonnentenzahl, sondern die Zweckmäßigkeit der Verbreitung für die Vertheilung der Jnserate maßgebend sein solle. Er wünsche, daß eine absolut unparteiishe Praxis in dieser Hin- sicht geübt werde. Die Klagen aus Posen dauerten noch fort, das in Aussicht gestellte Reskript des Ministers habe noch nitt die Wirkung gehabt, daß die Behörden der „Posener Zeitung“ die Inserate zuwiesen.

Der Abg. Frhr. von Eckardstein lenkte die Aufmerksam- feit des Hauses auf die Korrigéndenanstalt ‘in Straußberg. Dieselbe sei mit 12—1300 s{hweren Verbrechern belegt und habe bisher ein Militärkommando von 40 Mann als Wache gehabt. Die Militärbehörde wolle dieses Kommando einziehen. Es handele sih aber hier um die Sicherheit der Stadt und der Umgegend, der Minister wolle sich daher sür das Ver- bleiben des Kommandos verwenden, zumal \sich die Provinz bereit erftlärt habe, die Ausgaben dafür zu tragen. :

Der Minister des Jnnern Graf zu Eulenburg versprach seine Bemühungen auf Erhaitung des Kommandos fortzu- egen, obgleih er die unbedingte Nothwendigkeit nit aner- kennen könne. :

Der Abg. Frhr. von Minnigerode bemerkte persönlich, bezüglich des Elbinger Zeitungsfalls habe sich der Abg. Rickert seinen bestimmten Angaben gegenüber nur in allgemeinen Redewendungen bewegt. Nach seiner (des Redners) persön- sönlichen Kenntniß werde die „Elbinger Zeitung“ in jedem Hause Elbings gelesen. Wo die berührten kaufmännischen Kreise Elbings wohnen sollten, wenn nicht in irgend cinem Hause Elbings, wisse er niht. Daneben müsse es auffallen, wenn ein Königlicher Gerichtsbeamter aus der Mitte der Fort- schrittspartei durch Notizen, die do zu seinen Gunsten geltend gemacht würden, seine Sache hier geführt sche. Wenn übrigens der Abg. Rickert in Bezug auf Posen noch nicht zu- [rieden gestellt sei, so möge derselbe sih mit ihm trösten; er lei es in Bezug auf Elbing auch nicht.

__ Der Abg. Nicert fragte, ob. der Abg. von Minnigerode ihn denn zur Fortschrittspartei rehne? Er habe gesagt, daß der Abg. Wiedwald aus Elbing die von ihm mitgetheilten Thatsachen ermittelt habe. Wisse der Abg. von Minnigerode denn, woher der Kollege die Thatsachen habe; er habe ja gesagt, der Abg. Wiedwald habe selbst die Akten durhgeschen. Er habe es nur für Pflicht gehalten, cinen fäls{chlich angegriffenen Be- amten in Schuß zu nehmen. :

__ Der Abg. Frhr. von Minnigerode bemerkte, die Sache je doch klar, der Abg. Rickert habe seine Mittzeilungen von ne Kollegen Wiedwald und der gehöre zur Fortschritts- partei.

Der Abg. Rickert erklärte, das Verfahren des Abg. von NMinnigerode sei so eigenthümlich, daß es doch beleuchtet wer- en müsse. Nichts berehtige den Abg. von Minnigerode zu der Behauptung, daß der betreffende Beamte seine Sache hier dur die Fortschrittspartei führen lasse. Er bitte den Abg. von Minnigerode in seinem eigenen JFnteresse, von einein solchen Verfahren Abstand zu nehmen.

Der Titel wurde bewilligt.

__ Hum Kapitel 96 (Strafanstalten) hatte der Abg. von Ucchtriß-Steinkirh folgende Anträge eingebracht :

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die Königliche têrcgierung aufzufordern: ) bci Emanirung des Reichestrafvollzug8geseßes ihren Ein- bin geltend zu machen, daß i rücffälligen Dieben und Vetrügern, bei Landftreichern, Lt M bei

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ei Verbrechen und Vergeben gegen die Sittlicbkeit, ei allen Beschädigungen ron Personen oder Sachen, wel {e

‘on einem besonderen Grade von Rohbeit Zeugniß ablegen,

die Gefängnißslrafe wébrend ter ecsten 14 Tage bei Wasser nd Brot, mit warmer Kost an jedem vierten Tage vollstreckt werde ; 2) dafür ¡u sorgen, daß bis zur Emanirung des Reichs ftraf- vollzugégesetzes die Beköstigung und Verpfleauna der vorgedacbt1en

Sefangeren auf das unbedingt nothwendige Maß beschränkt werde. __ Der Abg. Dr. Windthorst kam zunächst noch einmal auf die vorläufige Entlassung der Strafgefangenen zurück. Jm Justiz-Ministerium {heine man dieselbe zu sehr vom Stand- punkte der Begnadigung zu behandeln. Unter dem jeßigen | Ninister hätten die Entlassungen wieder zugenommen. Er wünsche eine ausführliche Statistik der Entlassungen und der nah denselben erfolgten Rückfälle, um daran die Nütlichkeit des ganzen Jnstituts zu prüfen. Der Staats-Minister Dr. Friedberg hielt diese Statistik aud für schr nöthig. Die strenge Handhabung der vorläufigen Entlassungen habe den überaus günstigen Erfolg gehabt, daß n den leßten Jahren nur 2 bis 3 Proz. der Entlassenen

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have ausdrüdlich die vorläufige Entlassung als ein gute Geschäft für Sachsen bezeichnet, 7

__ Ver Abg. Dr. Windthorst bemerkte, die vorläufige lassung sei von äußerster Wichtigkeit, aber Seitens der sihtsbehörden werde das

niht beabsichtigt gewesen.

zu wollen. : des Ministers sich auf jedes Jahr besonders beziehe; man

direktionen die Gesuche der Gefangenen prüften, und dement-

, v e, 4 geben. Die Anstaltsdirektoren seien in Folge des täglich gegen die Heuchelei, Schlauheit und List der Gefang&en ceführten Kampfes gewiß nicht so gutmüthig, um si dur ein äuter- lih fehlerfreies Betragen täuschen zu lassen. In Sachsen, England und Oldenburg mahe man weit mehr Gebrauch. Der chWilder|pruch in den Statistiken des Ministeriums tes aMnern und des der Justiz rühre daher, daß leßteres die An- stalten, welche unter ersterem ständen, mit berücksichtigt habe.

__ Der Staats-Minister Dr. Friedberg entgegnete, in den ersten Fahren des Bestehens der vorläufigen Entlassung hätten Justiz: und Verwaltungsbehörden dieselbe zu milde gehand- habt, dann sei cin Umschlag zur Strenge erfolgt. Die rich- tige Praxis werde sih dann ergeben, wenn beide Behörden ihr Verfahren meÿr in Einklang brähten. Wenn die eine ZNjtanz jirenger jein werde, dann werde die andere milder sein können. Vesonders bei den Verbrechern gegen die Sitt- lichkeit habe das Justiz-Ministerium geglaubt, viele Anträge zurückweisen zu müssen. Es gehöre jet vielfah zum guten Ton, über die übergroße Milde der neuen Strafgesitze zu schelten und den Richtern eine zu milde Handhabung derselben vorzuwerfen. Dann dürfe man nicht verlangen, daß das Ministerium durch eine weitere Begünstigung und eine solche sei die vorläufige Entlassung jedenfalls, möge sie au nicht zur Begnadigung gehören diese Milde noch überbiete.

Der Abg. von Uechtriz-Steinkirch motivirte seinen An- trag damit, daß die Strafe ein Strafübel und die Zuchthäuser nicht ein bequemer, wünschenswerther Zufluchtsort der Ver- breder sein sollten.

__ Der Abg. Dr. Köhler wandte sich gegen beide Anträge; besonders werfe er dem zweiten Antrage, betreffend die Ver- chärfung der Strafvollstreung, vor, daß die Entscheidung über eine vorliegende besondere Bosheit und über die Zuläf- sigkeit der geshmälerten Kost, hinsihtlih der sanitären Frage, sehr schwer sei, Außerdem gehöre die ganze Sache eigentlich vor den Reichstag, den zu bevormunden kein Grund sei, be- sonders bei der Ueberhäufung des Landtages mit cigenen Arbeiten. Er beantragte, über den Antrag zur Tagesordnung überzugehen. Der Abg. Dr. Windthorst billigte die Tendenz des An- trages , die beabsichtigte Verschärfung der Strafvollziehung halte er aber in dieser Form für unannehmbar und wünsche deshalb, daß dêérselbe zurücckgezogen werde, damit die Ableh- nung_ nicht als eine Mißbilligung der Tendenz erscheine.

Der Abg. von Uechtriß-Steinkirh zog seinen Antrag zu- rück, worauf der Titel bewilligt wurde. _Der Abg. von Bockum-Dolffs brachte die beabsithtigte Auflösung des Fräuleinstifts in Soest zur Sprache. Wer diesen Gedanken zuerst gefaßt habe, müsse von wenig Vietät gegen den König Friedrih Wilhelm IV. erfüllt gewesen sein, der dieses Jnstitut seiner besonderen Fürsorge gewürdigt und reih ausgestattet habe. Der König Friedrih Wilhelm IV. habe dafür gesorgt, daß stets Damen von hervorragender Vildung dort versammelt gewesen seien, wele im Stande ge- wesen seien, Töchtern höherer Stände eine gute Erziehung zu geben. Schon Friedrich der Große habe die segensreiche Wirksam- keit dieses FJnstituts erkannt und habe seine Statuten in einer feierlichen Urkunde von 1781 bestätigt. (Nedner verlas diese von ihm in dem reich verzierten Original mitgebrahte Ur- kunde, und gab darauf eine ausführlihe Darstellung der Schicksale des Fräuleinstists zu Soest, seiner Auflösung unter der französishen Fremdherrschaft und Wiederherstellung unter Friedrih Wilhelm IV.) Während man hier in Berlin forgsam alles sammele, was die Erinnerung an die großen Thaten des Königshauses erhalte, solle in der Provinz diese shöne Stif- tung Friedrih Wilhelms 1V. aufgehoben werden. Er könne keinen zutreffenden Grund dafür finden und wolle von vorn- herein vorbeugen, daß die Regierung dem Hause nicht mit dem beliebten Vorwand der vollendeten Thatsache komme. Der Staats-Minister Graf zu Eulenburg erwiderte, die Frage, ob das Stift zu veräußern, werde im Ministerium sehr forgfältig erwogen und deshalb seit mehreren Jahren schon mit der Entscheidung zurückgehalten. Eine Profanation des «Instituts solle durch die Veräußerung keineswegs erfolgen, sondern umgekehrt der Zweck desselben entsprehender und um- fangender erreiht werden. Jeßt enthalte das Gebäude nur Platz für drei Konventualinnen ; bei einer vortheilhaften Ver- äußerung könnte eine erheblich größere Zahl von Damen aus den gnstitutsmitteln unterstüßt werden.

Der Abg. Dr. Windthorst betonte, das Stift sei eine pia causa, die in keinem Falle aufgelöst werden dürfe. Wenn man hier Nüßlichkeitsregeln walten lasse, so seien alle Jn- stitute dieser Art gefährdet. Darum bitte er den Minister dringend, von diesem Versuche abzustehen, und wenn derselbe die Unterstüßung von mehr Damen für erforderlich halte, die Mittel dazu anderweit zu beschaffen zu suhen. Der Abg. von Bockum-Dolffs habe seine früheren Ansichten wesentlich geändert, da es sih um ein protestantishes Stift handle. Die Pietät gegen Friedrich Wilhelm IV. sei anderweit nicht so

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bâtten wieder eingeliefert werden müssen. Er hoffe im nächsten Jahre die gewünschte Statistik vorlegen zu können.

__ Der Abg. Schmidt (Stettin) hob hervor, daß die Zahlen des Justiz-Ministeriums mit denen des Ministeriums des :Fn- nern in Widerspruch ständen. Vom früheren &eneral-Auditeur Fleck seien die meisten Anträge auf vorläufige Entlassung ge- nehmigt worden. Auch aus der Rede des Justiz:Ministers fei tine mildere Praxis zu erwarten. Die betreffenden Motive zum Strafgeseßbuch seien vom Abg. von Uechtriy unvoll- siändig mitgetheilt worden. Ein Hauptmotiv sei die Bewäh- tung der vorläufigen Entlassung in andern Ländern, nament- ad in Sachsen gewesen. Jn England, wo die Zahl der vor- ufig Entlassenen weit größer als die derjenigen sei, die ihre bdolle Strafzeit verbüßt hätten, wären die Rüdfälle bedeutend geringer. Der Abg. Ober-Staatsanwalt Schwarz aus Sachsen

berüdcksichtigt.

glüdlihe Periode aus dem Gedächtniß zu tilgen, und der Abg. von Bockum-Dolffs habe dabei erheblih mitgearbeitet. Die katholischen Stifter habe man aufgelöst, die Damen weg- gejagt und lasse sie in der Fremde verkümmern.

Centrum werde den Abg. von Bockum - Dolffs unterstüßen, weil cs der Grundsaß seiner Partei sei, Gerechtigkeit nach allen Seiten zu üben, wiewohl von der linken Seite diese im Kulturkampf nicht geübt worden fei. von Bockum - Dolfss und seine Freunde bei dem Unrecht ge- wesen, das den Katholiken widerfahren sei. Abg. von Bockum - Dolffs mit seinen Freunden gegen das Centrum gestimmt.

Derselbe König sei der Schöpfer der kirchlichen Geseßgebung gewesen, unter welcher Preußen glücklich gewesen sei, und die erklärte Absicht des Kulturkamp}es sei es, diese

Der Abg. Frhr. von Schorlemer - Alst bemerkte, das

Wo sci denn der Aba.

Da habe der

Ent- j aber Auf- ) Institut mit einer gewissen Ab- neigung behandelt. Bei der Legislation sei dies jedenfalls

C ) Die Praxis in den ersten Jahren möge zu milde gewesen sein, der Minister scheine von der zu- | bezeigGnet. leßt geübten Strenge wieder zur richtigen Mitte zurückehren l

Der Abg. Strosser wünschte, daß die versprochene Statistik | werde dann daraus ersehen, daß, je strenger die Anstalts- |

sprechend ihre Befürwortungen auf ein Minimum reduzirten, um}oweniger das Ministerium geneigt sei, denselben stattzu- |

werbe- und Königlich preußisioen Staaten hat folgenden Inhalt : Verwaltungsgeger.fltände: Veränderungen in dem Stande und iu den Befuanissen der Zoll- und Steuerstellen. Tarifirung voyv Stempelfteuer. für den Einschuß nicht in baarem Gelde bestehender Einlagen Gültigkeitódo uer des Handelsvertrages mit Jtalien. der Salvador ‘und Mexiko. Personalnachrichten.!

s . aufhingewiesen, daf jenes Damenstift greße Gebäu!

Cvaut Und ZtanDd-

| besißungen gehabt habe. Wenn es sich bei dem Abg. von Bockum-

Dolffs um die Katholiken handele, dann sprächen die Herren unmer von dertodten Hand und ihrer gefährlichen Bedeutuna. Daß | die Damen gebildet gewesen, armen Mädchen Unterricht ertheilt | hätten, alles das, was der Abg. von Bockum zu seiner Ver- | theidigung anführe, sei bei den Katholiken als gefähr! ezeihnet. Wenn aber der Abg. von Bockum - Dolffs darauf

hingewiesen habe, daß das Stift adlig sei, so müßte doch dies | für die linke Seite gerade das Bedenklichste sein, Wäh- | rend Fremdherrschaften die fatholishen Klöster und Gesell- | 1hasten geshont hätten, habe die preußische Ftegierung nit | threr Unterstüßung den grausamen Weg der Vernichtung der-

selben einges{lagen. -Wo sei denn da der Abg. von Bockum- | Dolffs gewesen, als es fich um die Auflösung eines Damen-

stifts in Westfalen gehandelt habe? Darüber werde doch tein

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T E x LLUV 4 Zweifel lein, daß das, was einmal fonfiszirt worden

mals dem Zweck wieder dienen werde, dem es früher gedient habe, und daß mit der Konfiskation Seitcns der Reaierung ein Geldgeschäft zu machen beabsichtigt worden sei. Was die Aeußerung des Ministers bezüglih des Soester Stifts etreffe 10 mühje er gestehen, daß er von dem Minister einer konser- valtv jein wollenden Negierung erwarte, daß derselbe | festhalte und nit durch Verkauf ändern lasse, was Allerhöchste Kabinetsordre festgestellt worden sei. Wenn ein mal eine folche Stiftung bestehe, müsse gerade cine konservative Regierung für dieselbe einstehen.

Der Minister des Fnnern Graf zu Eulenburg entgegnete, nah den reihen Erfahrungen, die ihm auf diesem Gebiete zu Gebote ständen, könne er dem Abg. von Schorlemer sagen, A eine große Anzahl von Damen gebe, denen cine größere Wohlthat geschehe, wenn man denselben Geldunterstüßung ohne Wohnung gebe. Daß man Vermögensobjekte, die kon- n8ziri worden seien, Für einen anderen 2weck verwend2, als für den sie bestimmt gewesen seien, verstehe ih doch wohl von selbst. Wenn aber der Abg. von Scorlemer gesagt habe, daß bei der Gefeßgebung in Beziehung auf die Klöster peku- niäre Jnteressen maßgebend gewesen seien, so müsse er diese Behauptung auf das Entschiedenste zurückweisen und er glaube, es könne zum Beweise derselben niht die entfernteste Sache angeführt werden. | /

__ Der Abg. Freiherr von Storlemer-Alst bemerkte, wenn, wie der Minister sage, ein Geldgeschäft niht mit der Konsis- kation der Klöster beabsichtigt worden sei, so sei das Vorgehen der Regierung also nur ein Aft der Nache gewesen. Er wolle einmal abwarten, wenn das Sperrgeseß aufgehoben sein. werde, wo das Geld hingekommen sein werde.

E Der Staats-Minister Graf zu Eulenburg erwiderte, wenn der Abg. von Schorlemer wiederum behaupte, die Regierung habe mit der Konfiskation der Klöster ein Geldgeszäft beab- sichtigt, so wiederhole er seinen Widerspruch und müsse das Urtheil darüber der gesammten Oeffentlichkeit überlassen.

Der Etat des Ministeriums des Jnnern wurde genehmigt.

Zum Etat der landwirthschaftlihen Verwaltung legte der Abg. Schröder (Lippstadt) nohmals seine Ansichten über das Separationswesen dar. Er bedauere, daß der Mi- nister die Dur{führung derselben als eine Vergewaltigung ganz°r Volksklassen bezeihnet habe. Er bedauere ferner, daß die landwirtb\chaftlihen Mittelshulen dadurch, daß sie die Be- rechtigung zum einjährigen Dienst bei der Abfolvirung ge- währten, aus Fachshulen in allgemeine Bildungsanftalten umgewandelt seien, da es den Meisten nicht daran liege, Land- wirthe zu werden, sondern nur die Qualifikation für den ein- jährigen Dienst zu erreichen. Er bitte in dieser Beziehung um Abhülfe. Jedenfalls aber sollten diese Schulen nicht in das Ressort des Kultus-Ministers übergehen ; man sollte lieber daran denken, die Elementarschullehrer unter den landwirth- schastlihen Minister zu stellen.

Der Minister für Landwirthschaft Dr. Lucius konstatirte, daß zwishen ihm und dem Vorredner keine Differenzen be- züglich der Ansichten über das Separationswesen beständen. Aber er müsse wiederholen, was er {hon oft gesagt habe, daß ein falsches Anwenden an sih guter Einrichtungen ein Fehler sei; so müsse man auch in dem Konsolidationswesen eine ge- wijse Schonung walten lassen. Den in Betreff des landwirth- \chaftlihen Unterrichts gemachten Bemerkungeu müsse er zum Theil beistimmen; diese Fehler lägen zum großen Theil in dem Berechtigungswesen. Man müsse, wenn die landwirth- schaftlihen Mittelshulen sich in ihrer jeßigen Gestalt nicht halten könnten, der Jdee näher treten, sie dem Kultus-Mini- sterium zu überweisen.

Der landwirthschaftlihe und Gestütsetat wurde genehmigt. Troß der späten Stunde trat das Haus noch in die Be- rathung des Kultusetats; die Einnahmen wurden genehmigt ; bei den dauernden Ausgaben vertheidigte sih der Abg. Pr. von Stablewski gegen mehrere ihm in zweiter Lesung gemalte Borwürfe. Er müsse die Zurückseßzung des Polnischen beim Unterricht beklagen und namentlich für den Religionsunter- richt die Anwendung der polnishen Sprache fordern.

Hierauf vertagte das Haus die weitere Berathung des Etats um 4?/4 Uhr auf Donnerstag 10 Uhr.

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Nr. 4 des Amtsblatts des Reihs8-P ost folgenden Inhalt: Verfügungen: Vom 28. Januar tritt von britishen Kolonien zum Weltpostverein. Vom 23. J auar 1881: VerpackŒuna der gewöhnlichen Packcte nah dem Auslande, Vom 20. Januar 1881: Eröffnung der Eisenbaßhnstrede Herford- Detmold.

Nr. 2 des Ceniral - Blatts der Abgaben,-, Ges Handelsgeseßgebung und Verwaltung in ten Ulgemeine

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1881 :

Indire?te Steuern:

Bogzelbälgen. Entscheidung des Keichägerichts.

bei Aktiengesellshaften. Gewerbe- und. Handelssachen : Desgleichen mit Sans

Freund'¡chafts-, Handels- und Sciffahrt®veæxtzäge

Der Abg. von Bock@um + Dolffs habe dar-