1881 / 37 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 12 Feb 1881 18:00:01 GMT) scan diff

tion über die Stellung der Regierung zum Rei chs- Unfallversiherungsgeseße dahin, daß der fraglid e Geseßentwurf dem Bundesrathe bereits vorliege, daß aber noch keinerlei Berathungen über denselben stattgefunden hätten, und daß sich augenblicklich auch noch nicht übersehen lasse, mit welhen Modifikationen der Geseßentwurf Aussicht auf Annahme im Bundesrathe haben werde. Unter diesen Um- ständen sei eine Beantwortung der Frage in der Form, wie dieselbe gestellt sei, gegenwärtig unmöglih. Das Gesammt- Ministerium befinde sich bei der von Jörg gestellten Frage

in derselben Lage, wie \. Z. bei der Jnterpellation über die.

Vertretung des Reichskanzlers, und die Regierung könne nicht verhehlen, daß sie auch künftighin solche JFnterpellationen nicht einfah mit Ja oder Nein werde beantworten können, um \o weniger, als ein verfrühtes Darlegen der Absichten der Re- gierung geradezu nachtheilig sein könne. Gleichwohl wolle die Regierung ihre POs im Allgemeinen kennzeihnen. Das Ministerium werde die Reichsverfassung fest im Auge behalten und die berechtigte Selbständigkeit des Landes zu wahren wissen, halte es aber für möglih, den Geseßentwurf in einer Weise zu gestalten, welche die Erreihung seines Zweckes ohne Schädigung der berechtigten Selbständigkeit der Einzel- staaten und ohne Beeinträchtigung der bayerishen Re- servatrechte sichere. Was die Frage in der Jnter- pellation anbetreffe, wofür denn, wenn eine Central-Versiche- rungsanstalt gegründet werde, die Einzelstaaten überhaupt noch da und wozu dieselben gut seien, so könne das Ministerium nur versichern, daß dasselbe es für seine heiligste Pflicht er- achte, für den Fortbestand des engeren Vaterlandes einzutre- ten, so weit dies nur immer in seiner Kraft stehe, die bloße Negation gehöre aber nicht zu den hierzu diensamen Mitteln, untergrabe im Gegentheil unter Umständen die Existenz der Partikularstaaten. Ein solher Fall liege hier vor. Jeder- mann kenne die Gefahren der sozialen Bewegung; mit Pro- hibitiv- und Strafgeseßen sei nihts gethan, vielmehr müßten die berechtigten Desiderien der Arbeiter erfüllt werden. Dieser Weg sei hier zum exsten Mal betreten, und dem Reiche dabei mit der einfachen Negation entgegengetreten, hieße den Weg zur Hülfeleistung versperren. Nur dann, wenn das Reich diesen legislatorishen Akt vollziehe, sei die Erreichung des Zieles verbürgt. Wenn das Projekt wünschenswerth sei, werde man sich mit der Kompetenz des Reichs zur Geseßgebung darüber versöhnen müssen. Ueber die Frage der Errichtung einer einzelstaatlichen oder Reichs-Versicherungsanstalt sei das leßte Wort noch nicht gesprohen. Der Minister {loß mit der Erklärung: Wenn unsere noch obwaltenden Bedenken ge- hoben werden und wir der Krone rathen, die fraglichen Be- strebungen des Reichskanzlers zu unterstüßen, so glaubt das Gesammtministerium nicht an den Grundsfesten unseres Staates zu i sondern einen Akt eminent konservativer Politik zu üben.

Württemberg. StUttaart 10 Feoruar. Der

Prinz und die Prinzessin Wilhelm haben si, wie der

E f. W.“ meldet, heute zu kurzem Besuche nah Arolsen egeben.

12 Oa D B) Der Staats Anzeiger für Württemberg“ schreibt: Die Nachrihten aus Cannes über das Befinden des Königs und der Königin lauten fortwährend günstig, die entgegenstehenden, von den Zeitungen gebrachten Gerüchte können erfreulicher Weise als grundlos bezeichnet werden. Das eingetretene Frühlingswetter gestattet längere Bewegung im Freien und wird täglih zu größeren Spazierfahrten und Fußpromenaden benußt.

_ Sachsen-Weimar-Eisenah. Weimar, 11. Februar. (W. T. B.) Der Landtag ist heute geschlossen worden.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 10. Februar. Wie die „Els.-Lothr. Ztg.“ mittheilt, hat der Statthalter nah dem Willen seiner Aerzte auch gestern an der von ihm in Js Palais veranstalteten Soirée nicht Theil nehmen önnen.

In der gestrigen 23. Plenarsizung des Landesaus- \{husses wurde das Geseß, betreffend die Hastbarkeit des Miethers für Brandschaden u. \. w., nah zweistündiger Dis: kussion gemäß der Regierungsvorlage angenommen ; ebenso der Antrag Grad auf Errichtung einer meteorologischen Anstalt in Elsaß-Lothringen, nachdem der Unter-Staatssekretär von Pommer- Esche erklärt hatte, die Regierung werde den Antrag in Er- wägung ziehen.

Oesterreich-Ungarn. Fiume, 10. Februar. Nach einem dem „Pest. L.“ von hier zugegangenen Telc- gramm hat die Stadtrepräsentanz einstimmig beschlossen, dem Reichstag eine Nemonstration gegen die Aufnahme in den Gesetartikel, betreffend die Zahl der kroatisch-slavo- nishen Abgeordneten im gemeinsamen Reichstag, des auf Fiume bezüglihen Passus zu unterbreiten, damit jene Worte aus-elassen werden oder doch protokollarish er- klärt werde, daß hieraus keine Deduktion zum Nachtheil der staatsrehtlihen Position Fiumes gemaht werden könne; ferner den Deputirten für Fiume zu ersuchen, die Remon- stration zu unterstüßen; endlih eine Abschrift der Remon- stration an den Minister-Präsidenten gelangen zu lassen mit der Bitte, für die Sache Fiumes einzustehen. Gleichzeitig sei eine Kommission damit betraut worden, ein Memorandum zu verfassen, betreffend die endgültige Lösung der politischen Frage Fiumes, damit der rechtliche Zustand wie vor 1848 wieder hergestellt werde. Dieses Memorandum solle dur eine Deputation des Munizipiums überreicht werden.

Belgien. Brüssel, 11. Febuar. (W. T. B.) Die Repräsentantenkammer hat einen Antrag auf Auf- hebung des Almosenieramtes bei der Gartenbauschule in Gent angenommen und auch den Gehalt des Almoseniers bei der Veterinärschule eingezogen.

Großbritannien und Jrland. London, 10. Februar. (Allg. Corr.) Prinz Karl von Schweden hat sih von London nah Paris begeben.

Mx. Parnell kehrte gestern vôn Paris! hierher zurü.

In Kilkeely und Ballykaunis in JFrland kam es gestern während der Abhaltung von Jahrmärkten zu blutigen Zusammenstößen zwischen der Bevölkerung und der Polizei.

Eine vom 9. d. M. datirte Depesche des Höchst- fommandirenden in Transvaal aus dem Lager bei Laings Nek meldet: „Da die Verbindung zwischen hier und Newcajtle von den Boern unterbrohen worden, rüdcte ih

| heute Morgen mit 5 Compagnien der 60. Schüßen, zwei Feld-

und zwei gon und einer Abtheilung Berittener aus, um die Landstraße abzupatrouilliren. Zwei Bergkanonen und eine Compagnie Schüßen ließ ih auf einem beherrschenden Punkte diesseits von Jngogo zurück. Mit den übrigen Truppen überschritt ih- den Fluß. Auf der Anhöhe, jenseits des Fngogo zeigte sih der Feind- in beträctliher Stärke. Jh bemächtigte mich des Plateaus und wurde sofort auf allen Seiten von den Boern energish angegriffen, wel Leßtere während des Tages ansehnlihe Verstärkungen erhielten. Der Angriff wurde von 121/, Uhr bis nahezu 6 Uhr Nachmittags aufrecht er- halten, aber auf allen Punkten zurückges{hlagen. Die Boern zogen sich gegen Sonnenuntergang zurück, und ih führte meine Streitkraft nah dem Lager zurück. Kapitän Macgregor vom Stabe, Kapitän Greier von der Königlichen Artillerie und die Lieutenants Garrelt und O’Connell vom 60. Regiment sind gefallen; die Lieutenants Parsons, A. D. Pixley, Hamwarth und Thistlewayte . vom 60. Regiment wurden ver- wundet. Außerdem wurden etwa 150 Mann entweder ge- tödtet oder verwundet. Der Verlust der Boern muß, nah der Natur des Angriffes und der Zahl der weggeführten Ver- wundeten zu urtheilen, ein sehr bedeutender gewesen sein.“

Der „Times“ gehen über das Gefecht aus Durban folgende, vom 9. d. datirte Telegramme zu:

Sir G. Collcy verließ gestern Vormittag mit 4 Compagnien der 60. Süßen und einer Compagnie des 58, Regiments mit 4 Ka- nonen das Lager, um die Post über den Ingogo zu geleiten und cinem Wagcnzuge, der an diesem Morgen Nencajtle verlassen soUte, zu begegnen. Die Stellung der Boern war so stark, daß Sir G. Colley zwei weitere Compagnien des 58, Regiments und eine des 60. Regiments aus dem Lager kommen ließ, aber die Boern gelangten zwischen die Verstärkungen und die Kolonne. Das Resultat ift noch nit Leckannt. 300 Mann wurten {m Lager zurückgelassen. Die Boecn erbeuteten im Rücken der Kolonne einen von Mauleseln ge- zogenen Ambulanzirain, desgleichen eine Quantität Kaufmann®güter. Ein Theil der letzteren wu: de über die Grenze nah dem Freistaat geführt. Die Stärke der Bocrn wird auf 500 Mann veranschlagt.

S pâter : - Die Niederlage dcr Boern ift ein zweifelhaster Erfolg. Der Wagenzug von Newcastle ging glücklicherweise nicht ab, sondern wartete auf Verstärkungen. Berittene Polizei sollte gestern Abend abgehen, um zu versuccen, die von den Boern in Hewitts Farm zu- rdckgelasscre Ambulanz mit ten Verwundeten ra Nerwrccastle zu bringen. Militärische Kritiker vermögen nicht einzusehen, was durch cine so kostspielige Operation gewonnen worden, und glauben, daß eine aroße Anzahl von Freistaatboern bei Joubert ist. MViehr Verstär- furgén sind vennô!herv, da die Boern die Straßen cerniren und ten ganzen Trayépxort zum Stiliftand bringen dürften. Kapitän Mac- gregor war Sir G. Collcy's Privatsekretär. Sir Evelyn Wood wird am Sorntag crwartet. Ein zweiter Befehlshaber is höchst nothwend!g.

Einem in der „Police Gazette“ veröffentlichten amtlihen Ausweise zufolge, sind im abgelaufenen Jahre 6110 Soldaten des britishen Heeres fahnenflüchtig geworden. Die Zahl der Deserteure in der Miliz beläuft sich auf 10 610 Mann.

D, B)

11. Februar. In der heutigen Unter- haussißung erwiderte auf eine bezüglihe Anfrage Stanley's der Staatssekretär des Krieges, Childers: dem General Colley scien bedeutende Verstärkungen an Jnfanterie, Kaval- lerie und Artillerie. telegraphisch angeboten worden; eine Antwort Colley's darauf sei jedoch noch nicht einge- gangen. Die leßtey T{legramme Colley's seien aus Newcastle datirt, uw, in leßter Mitternacht aufgegeben. Das Haus fuhr darauf in der Spezialberathung der irïschen Zwangsbill fort. Bul Lause der Debatte erklärte der General-Sekretär für Jrland, Forster: die Regierung sei bereit, die rückwirkende Kraft der Bill auf die Zeit his zum 1, Oftober 1880 zu beschränken. Mehrere Unteranträge, welche ein anderes Datum befürworteten, wurden abgelehnt und die Debatte schließlich auf Montag vertagt.

192, Februar. (W. “T. B.) Von Seiten der Behörden sind Vorsihtsmaßregeln gegen ein angeblihes Fenier- kfomplott, durh welches das Schloß Windsor in die Luft gesprengt werden sollte, ergriffen worden. Die Rückehr der Königin von Osboxne ist noch vershoben worden. Dillon, Biggar und andere Mitglieder der Homerule- Partei werden sich heute zu einer Berathung mit Parnell nah Paris begeben.

Eine Depesche des Generals Colley, vom 11. d., meldet: die Boern hätten das Schlachtfeld beseßt, und eine beträhtlihe Abtheilung derselben folle in der Umgegend von Newcastle konzentrirt sein. Colley hatte dem Befehlshaber der Boern nach dem leßten Gefechte medizinische Hülfe angeboten ; das Anerbieten wurde indessen abgelehnt,

Nach einem Telegramm aus Capetown, vom gestrigen Tage, hat der Basutohäuptling Letsea die Regierung des Kaplandes um die Bewilligung eines Waffenstillstandes von einer Woche gebeten.

Frankreich. Paris, 10. Februar. (Cöln. Ztg.) Der Kammerausschuß für das Preßgeseß ist entschlossen, bei der zweiten Berathung die Strafbestimmungen gegen die Beleidigung des Präsidenten der Republik wiederherzustellen. Ein Antrag von Legrand will die Strafe auf sechs Monate ten zwei Jahre Gefängniß und 100 bis 3000 Frcs. Geldbuße estseßen.

Der Aus\chuß sür den Gefegentwurf betreffs Abände- rung des Rekrutirungsgeseßes entschied sih dafür, daß die Geistlichen im zweiten Kontingente als Soldaten und niht als Krankenpfleger, wie der Kriegs-Minister verlangt, dienen sollten. Der Admiral Dupré ist gestorben.

Stálien, Rom, 11. Februar. (W. L. D.) Jn der heutigen Versammlung des Meetings für das allge- meine Stimmrecht wurde Bertani zum Präsidenten ernannt und sodann eine Kommission gewählt, um cine Tagesordnung auszuarbeiten, die die verschiedenen in der Versammlung ver- tretenen Ansichten mit einander versöhnt. Die Tagesordnung soll die Aufforderung an das Volk enthalten, das allgemeine Stimmrecht zu fordern. Die von der Kommission vorge- \{lagene Tagesordnung wurde nach einiger Debatte einstimmig genehmigt. Hierauf wurden Garibaldi, Campanella, Zuppeta und Saffri zu Ehren-Präsidenten ernannt. Morgen soll über die Art und Weise berathen werden, wie der heutige Beschluß dem Volke bekannt gemacht werden soll.

Türkei. Konstantinopel, 11. Februar. (W. T. B.) Nach einer der „Pol, Corr.“ von hier zugekommenen Meldung dürften die Verhandlungen der Botschafter in der grie- chischen Frage am 20. d. M. ihren Anfang nehmen.

Weiter meldet dieselbe Correspondenz, daß mehrere fremde Vertreter unter Hinweis auf verschiedene beunruhigende Gerüchte an die Pforte die Anfrage gestellt hätten, wie sie

sich für den Fall des Ausbruches von Feindselig- keiten mit Griehenland rüdfichtlich der hellenischen Unterthanen zu benehmen gedenke. Die Pforte soll er- widert haben, daß sie selbstverständlih die diesfälligen Be- De des Völkerrehtes- für die Türkei dverpflichten ansehe.

„Reuters Bureau“ wird unterm 9. ds. aus Konstan- tinopel gemeldet: Hier eingegangenen Nachrichten zufolge hat eine Bande albanesisher Fnsurgenten sih in den Besiß von Mitrovißza gesezt. Heute wurde ein Dekret erlassen, welhes die Aufnahme einer internen Anleihe autorisirt, die von Personen aufgebraht werden soll, welhe Steuern für Grundeigenthum entrihten. Die Anleihe, im Betrage von 300 Millionen Piaster, trägt 10 Prozent Zinsen und is in 10 Jahren einlösbar. Ein anderes Dekret befiehlt die Auferlegung einer K opfsteuer auf die Einwohner Konstantinopels, die von 1 bis 5 Medjidies pro Person variirt.

Numänien. Bukarest, 10. Februar. Wie der W. „Pr.“ von hier gemeldet wird, hat das österreichische Konsulat im Einvernehmen mit der hiesigen Kaiserlichen Gesandtschaft Schritte gethan, um die straffreie Rückkehr beziehungsweise Unterstelung unter den österreichish-unga- rishen Schuß für jene Tausende von Staatsangehörigen zu erwirken, welhe in Folge der ungarischen Revolution oder bis zum Jahre 1867 als Rekrutirungsflüchtlinge aus Ungarn nah Rumänien gekommen sind, ohne bisher eine Regelung ihrer Verhältnisse zur Heimath erzielt oder ein fremdes Staatsbürgerrecht erworben zu haben.

.=— 11. Februar. (W. D. B.) Der „Romanul““ reht- fertigt die gegen das Vorjahr um 9!/z Millionen höhere Veranschlagung der Staatseinkünste in der gegen: wärtigen Budgetvorlage mit dem Hinweis auf die in dem lezten Jahre erzielten Einnahmen; durch dieselben sei es möglich gewesen, das Gleichgewiht im Staatshaushalte ohne Zuhülfenahme der vorgesehenen Emission von 7!/4 Millionen Hypothekarscheinen zu erhalten. Die leßte vorzügliche Ernte berehtige zu der Hoffnung auf eine weitere Steigerung der Staatseinnahmen. Das Blatt konstatirt shließlih, daß die finanzielle Lage des Landes seit der Thronbesteigung E Fürsten Cusa noch niemals eine so befriedigende gewe- en set.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 11. Februar. (W. T. B.) Unter Bezugnahme auf die von den Engländern in Kabul aufgefundene russishe Correspondenz theilt die „Agence Russe“ mit, daß in Folge des Ersuchens Lord Granville's an den russishen Botschaster, Fürsten Lo- banoff, um freundschaftlihe Aufflärung das St. Petersburger Kabinet dem Ersteren im verflossenen Monat die Original- Correspondenz des Generals Kauffmann mit dem Emir Schir Ali habe zustellen lassen mit dem Bemerken, dar- über frei verfügen zu wollen. Das Parlament werde demnah auf Grund der authentishen Schriftstücke, welche siherlich bald veröffentliht werden würden, exrfkennen können, daß das Verhalten Nußlands korrekt und loyal ge- wesen sei. Die Beziehungen des Generals Kauffau:ann zu dem Emir seien solche der einfachen Höflichkeit gewesen. Von einer Aufreizung gegen England konnte erst die Rede sein, als die feindlihe mit einem Krieg drohende Politik des leßten eng- lishen Ministeriums Rußland in den Fall legitimer Abwehr brachte. Uebrigens sei die zu jener Zeit unter Lord Beacons- field veröffentlihte Correspondenz nicht zutreffend, da Lord Beaconsfield, um seine imperialistische Politik, seine afgha- nische Expedition und seine dortige wissenschaftliche Grenze zu rechtfertigen, in England die Meinung verbreiten wollte, daß Rußland die englischen Besißungen bedrohe.

Das „Journal de St. Pétersbourg“ reproduzirt einen Auszug aus einem Schreiben des Majors Buttler an den „Globe“, in welchem derselbe mittheilt, daß er als eng- lischer Offizier die turkomanischen Steppen im Jahre 1878 verschiedentlih bereist, die Befestigungsanlagen bei Geoktepe errihtet und die Turkomanen in der Benugung der- selben unterwiesen habe. Das genannte Fournal meint, die Behauptung Butilers, die turkomanische Steppe sei ein werthvolles Land von großer Bedeutung für die Sicherheit des englishen Jndiens, sei eine unbe- gründete Hypothese, welhe noch aus der Aera der îm- perialistishen Politik Beaconsfield stamme. Rußland sei stets der Ansicht, daß England sowohl wie Nußland selbst in Asien wie in Europa Besseres zu thun habe, als sih gegenseitig unter dem Vorwande eingebildeter Gefahren Uebles zuzufügen. Glü&licherweise begegne diese Anshauung Rußlands zur Zeit in England gleihen Ueberzeugungen und sei nicht anzuneh- men, daß die Leßteren durch folhe Darlegungen, wie die des Majors Buttler, ershüttert werden könnten. Höchstens he- rechtigten diese Auslassungen zu dem Wunsche, daß es fortan solchen Reisenden, wenigstens so lange dieselben militärische Uniform tragen, niht mehr gestattet sein möùte, eine den politischen Beziehungen zweier Länder so verderbliche Thätig- keit zu entwickeln.

12, Februar. (W. ©. D) En LDelegramm des Generals Skobeleff aus Ashabad, vom 7. d, meldet: Nah Erlaß der Proklamation, durch welche die Tekinzen zur Rülck…kehr in ihre früheren Wohn- orte aufgefordert wurden, beginnen dieselben allmählich aus den Sandwüsten zurückzukehren und liefern ihre Gewehre ab. Bis jeßt sind etwa 7000 Familien zurüdck- gekehrt. Saphi Khan, Khudaiwerdy Khan und andere an- gesehene Khane befinden sih in unserm Lager, wodurch die übrige Bevölkerung bewogen wird, zu folgen. Die bei Geoktepe ver- sammelten Familien werden in ihre früheren Wohnorte gebracht werden. Die Familien werden mit den eroberten Sachen, wie Kibitken, Lebensmitteln und Wirthschaftssachen versehen, auch wird denselben medizinischer Beistand geleistet. Maßregeln zur Desinfektion Geoktepes und der Umgegend, zur Verhütung schädlicher Folgen bei dem Herannahen des Frühjahrs, find getroffen worden. Wie jeßt erwiesen ist, sind in Dengiltepe 6400 Leichen begraben; während der Belagerung sind gegen 8000 Personen umgekommen und bei der Verfolgung ca. 2000 niedergemacht worden. Der Gesundheitszustand der rus- sishen Truppen ist ein befriedigender.

Amerika. San Francisco , 8. Februar. (Allg. Corr.) Kalakaua, der König der Sandwichsinseln, \chiffte sih heute an Bord des Postdampfers „Oceanic“ nah Ja pan ein.

_ Afrika. Egypten. Alexandrien, 9. Februar. Der W. „Pr.“ meldet man von hier: Der Galatrain des Khedive trifft Sonntag mit dem Palast-Marschall Tonino Bey hier

ein, um den Kronprinzen Rudolf nah Kairo zu führen. Der Kronprinz wird bei seiner Landung hier von Hrn. Gad- dum im Namen der hiesigen österreichish-ungarishen Kolonie begrüßt werden. Die in Kairo weilenden abessynischen Ge- sandten Gusbrig und Mealayet werten dem Kronprinzen durch Ritter von Schäffer vorgestellt werden, um denselben im Namen des Königs Johannes zu begrüßen.

Verkehrs:Anftalten.

Dreéden, 11. Februar. (W. T. B.) Nach amtliher Mel- dung ist die Eisdecke oberhalb der böhmiscben Grenze o fest. Hocwasser ist niHt zu gewärtigen; hier ist der Abgarg des Eises normal.

Berlin, 12. Februar 1881.

Zur Hebung des deutschen Ausfuhrhandels.

Jm Anschluß an früher veröffentlichte Berichte Kaiser- licher Konsulate können wir nahstehende amtliche Berichte aus St. Petersburg, Messina, Belgrad und Jerusalem mittheilen. Der Fnhalt derselben zeigt, daß die Kardinal- fehler des deutshen Exportgeschäfts von Seiten der Kaiser- lichen Konsulate wesentlih übereinstimmend beurtheilt werden.

St. Petersburg, den 31./19. Januar 1881.

Die in den überseeishen Ländern zu Tage getretenen Mängel des deutschen Exporthandels gelten mit wenigen Mo- difikationen au für die Handelsverhältnisse Deutschlands mit Rußland.

Was zunächst den schon öfters zur Sprache gebrachten Vorwurf betrifft, es fehle der deutschen Waare an Eleganz und Geschmadck, so soll darauf hier nicht weiter eingegan- gen werden, weil in dieser sachlichen Beziehung durch theoretishe Betrachtungen wenig geändert werden kann. Eine Beseitigung dieses Uebelstandes is im Allgemeinen weniger in die Hand des Einzelnen gegeben, vielmehr nur durch Hebung des deutshen Kunstgewerbes überhaupt und dur höhere tehnishe Ausbildung der Arbeiter und Ar- beitsleiter zu erreihen. Zwar wird Besserung in vielen Jn- dustriezweigen schon jeßt konstatirt; naturgemäß kann aber die Wirkung cines si läuternden Geschmacks nur sehr allmählich zur Erscheinung fommen. -

Worauf dagegen niemals oft genug hingewiesen werden fann, sind die Mängel, welche der allgemeinen Geschäfts- behandlung des deutshenKaufmanns D avri- kanten so vielfah anhaften. Kleinliche und pedantische Art der Geschäftsführung, unkluge übermäßige Ausnußung eines augenblicklihen Vortheils ohne Sinn und Verständniß für die weit wichtigere Frage der Erhaltung und Ecwerbung dauernder Verbindung, nicht selten auch geradezu unreelle Lieferung, das sind die Vorwürfe, welche den deutschen Häusern im Auslande leider häufiger gemacht werden, als den englischen und französischen der entsprehenden Branche. :

Diese Erscheinung ist auf den ersten Vlick um so auf- fallender, als es kaum einem Zweifel unterliegen kann, daß der deutshe Kaufmann seinem außerdeutshen Berufsgeno}|}en an allgemeiner Bildung und wohl auch an theoretischen faufmännischen Kenntnissen Dank der Vortrefflichkeit unserer Schulen und Dank der Vortheile, die eine höhere Bildung dem Wehrpflichtigen gewährt, im Durchschnitt nicht allein nicht nacsteht, sondern ihn meist noch um ein Bedeutendes über- ragt. Wenn dessenungeachtet die Klagen über Unzuträglich- keiten im Handelsverkehr hier zahlreicher sind als anderwärts, so liegt der Grund eben in der gang und gäbe gewordenen laxen und uncoulanten Geschäftsbehandlung, die dem routi- nirten Großkaufmann in den Centren des Weltverkehrs das Geschäft mit dem Deutschen so oft verleidet. i

Wenn der deutsche Fabrikant im Auslande eine Verbin- dung für seine Artikel sucht, in denen er sih leistungs- und konfkurrenzfähig glaubt, so engagirt er meist eine Firma in dem betreffenden Lande, der er die Vertretung als Agent oder Kommissionär oder „Monopolist“ überträgt. Den fortgeseßten Bemühungen des Vertreters gelingt es vielleiht, die neu ein- zuführenden, anfangs guten und preiswerthen deutschen Ar- tikel zu größerer Bedeutung und Anerkennung zu bringen. Jst dies gelungen und hat der deutsche Lieferant allmählich selbst cine oberflähliche Kenntniß der Verhältnisse erlangt, o fommt es alsdann nicht selten vor, taß er, um die Kom- missionsgebühr zu sparen, seinen Agenten oder Vertreter ein- fa umgeht und den Kunden desselben, deren Namen er sich zu erwerben gewußt hat, direkte Verkaufsofferten macht. Is} er Lurch eine schristlihe Abmachung an seinen General- vertreter gebunden, so wird auch wohl der Ausweg gesucht, dur Lieferung an ein Zwishenhaus im Jnlande den Vertrag zu umgehen.

Ein derartiges unreelles Verfahren hat zur natür- lichen Folge, daß das ausländische Haus, welches bei der Einführung des deutshen Artikels in Aussicht auf späteren Gcwinn Opfer an Zeit und Geld gebracht hat, um die Waare allmählich bekannt und gesuht zu machen, sih auch seinerseits nicht mehr um die Abmachung kümmert und nach der Vertretung eines andern vielleicht niht-deutshen Hauses derselben Branche sih um- sieht. Durch den Zweiten soll nun der Erste aus dem Ge- schäfte gedrängt werden; gegenseitiges Herabdrücken der Preise, unnatürlihe Verlängerung der Kreditfristen , entsprechende Vershle{terung der Waare u. \. w. sind die unausbleiblihen Folgen. Um eines temporären kleinen Vortheils wegen hat der deutshe Exporteur die Entwickelung seines unter guten Aussichten begonnenen Geschäfts alsdann von Grund aus zerstört. j

n England und Frankreich verfertigt der Fabrikant gewisse Spezialitäten einer Branche, verwendet sein ganzes Kapital, seinen Kredit und seine Fähigkeiten einzig und allein darauf, seine Spezialität gut und praktis, billig urid doch geshmackvoll herzustellen, sucht ständig Verbesserungen daran vorzunehmen, scheut die Kosten nicht sür gefällig ausgestattete Kataloge, Preiscourants, leicht handliche Musterkarten u. \. w. Diese Feridet er in ausgiebigster Weise den verschiedenen in seiner Branche renommirten Kommissions- und Exporthäusern seines Landes zu, liefert ihnen, ohne etwas dafür zu berech- nen, so viele Musterexemplare, als sie für ihre Kunden bean- \spruchen, vergütet gern die dur die Einführung entstehenden Spesen, in der richtigen Erkenntniß, daß die Einführung eines neuen Artikels oder eines Konkurrenzartikels auf einem neuen Markte ohne Rücksiht auf die anfänglich entstehenden o tai nah allen Seiten hin thunlichst erleihtert werden muß,

Der Kommissionär, welher meist große Geschäftsverbin- dungen, oft auch schon ofene Aufträge für die betreffenden Artikel hat, erhält von dem Fabrikanten einen von der Größe des Umsatzes abhängenden größeren oder kleineren Rabatt, so daß Ersterer am größeren Umsaßtze des Leßteren mitinteressirt ist. Die Kommissionskosten machen entschieden weniger aus, olz die Reisenden- und Vertretungsspefen, Zinsen, Delkredere 2c. den deutschen Fabrikanten zu stehen kommen, wenn er die Aufträge im Auslande fi selbst sucht.

Die Kommission, die der Kommissionär in England und Frankreih dem Fabrikanten gewöhnlich berehnet, beträgt

1 bis 2 Proz. für Stapelartikel,

9 bis 3 Proz. für Artikel von geringerem Umfaß,

5 Proz. für Luxusartikel nebst Zinsen vom Tage der Faktura an. Jn England kommt hierzu noch die Bankkommission von 1/4 Proz.

Der Kommissionär sorgt sür entsprehende gute Ver- paEung, für genaue Verwiegung und Deklaration je nach den speziellen Zollgeseßen des Einfuhrlandes; er kennt auch die Vortheile, welche eine kluge und geeignete Klassifikation der Waare seinen Besteller bringt, sorgt für praktische Versendung der Güter, wohl wissend, daß er selbst mit darunter leidet, wenn die Waare in s{chlehtem Zustande oder mit zu großen Spesen belastet ankommt.

Jn Deutschland dagegen suchen viele Fabrikanten, große wie kleine, selbst solche, welhen von vornherein die er- forderlihe Geschäftsroutine und die technishen faufmännischen Kenntnisse abgehen, sich ihre Verbindungen im Auslande selbst und auf eigene Gefahr. Mit decn einshläglihen Verhältnissen (Neiscroute, Zollgesezgebung, Valuta, Handelsusancen 20) minder vertraut, liefert der deutshe Exporteur daher aus naheliegenden Gründen meist theurer, als ein orts- und waarenkundiger Kommissionär zu liefern im Stande wäre. Um die hohen Spesen zu decken, liefert er dann auch wohl {lechter, als er versprochen hat, oder als er nach den ge- zeigten Mustern verpflichtet war; daraus entstehen dann Kla- gen, Schäden und Chikanen, welche chließlih beiden Theilen die V:rbindung verleiden.

Es folge hier ein aus dem hiesigen praktishen Geschäfts- leben genommenes Beispiel, welhes den Vorthei! anschaulich machen soll, den ein kundiger Komnmi}hionär für alle Theile bieten kann. i:

Ein Fabrikant ist beispielsweise im Stande, nach Rußland eine Waare zu liefern, das Stück zu . . . . . . 40 Ab

Der Zoll beträgt 3 4 vom Pfund, das Stück wi?-gt 3 Ps\d., also Zoll . A

Fracht und Spesen S

Das Stü kommt dem en gros-Besteller in Ruß- land sona zU sten a S 30 M

Ein gewandter, mit den Verhältnissen vertrauter Kom- missionär läßt dagegen in Berücksichtigung des hohen russischen Gewichtszolls das Modell feiner, und in Folge dessen [eich- ter im Gewicht anfertigen. Er is jeßt im Stande, dem Fabrikanten für die Waare 1 A mehr zu zahlen und dieselbe troßdem dem russischen Besteller um 35 billiger abzulasjen, nämlich :

dem Fabrikanten für die Waare Nommissionsgabüht e T 3 pro Pfund Zoll, Gewicht 21/4 Pfd. Fracht und Spesen (des geringeren Gewichts und der zweckmäßigen Anordnung wegen E O Das Stück kommt also dem Besteller in Rußland nur zu stehen auf... 29 M 65 -.

a

Jn leßterem Falle bezieht also der Fabrikant 5 Proz. mehr aus seiner Waare und der russishe Konsument steht si dessenungeachtet besser. —,; S

Derartige Beispiele lassen sich in verschieden Branchen nachweisen. j : -

Der große und kapitalreihe Fabrikant endli, wenn er das leisten kann, was vom Fabrikanten und vom Kommissionär verlangt werden muß und der es deshalb ohne Schaden vorziehen kann, direkt mit dem Auslande zu ver- kehren, sollte sich an jedem größeren Handelsplag ein gutes Haus engagiren, dem er volles Vertrauen zu \chenken berech- tigt ist, Er hüte sich alsdann aber au, das Haus in ein- zelnen Fällen zu umgehen, und suche womöglich dur persön- lihen Meinungsaustausch die Bedürfnisse des Käufers und seiner Kundschaft zu studiren. Er hüte sih vor dem Jrrthum, daß für das industriell minder entwickelte Rußland auch {lech- tere Waare noch immer gut genug sei. S

Anlangend den Transport der Waare, fehlt der deutshe Exporteur häufig darin, day er glaubt, die Sorgfalt cines ordentlichen Kaufmanns nur bis zu dem Augenblicke aufwenten zu müssen, da die Waare zur Absendung bereit liegt. Mit der üblichen Klausel „die Waare geht für Rech- nung und Gefahr des Empfängers“ weiß er sich juristish ge- deckt, vergißt aber dabei in kurzsichtiger Sorglosigkeit, wie sehr er unter der Konkurremz leiden muß, wenn seine Waare, die mit der des Konkurrenten vielleiht den gleichen Preis hat, doch an Ort und Stelle theurer zu stehen kommt oder \chlechter daselbsi ankommt, weil bei der Verfrachtung we- niger Umsicht und Fürsorge angewendet worden ist. Wo die nöthige Sorgfalt in der Transportanordnung fehlt, werden von berufenen und unberufenen intervenirenden Spediteuren Nachnahmen auf die Waare gelegt; das Gut wird theuer und langsam als Einzelfraht befördert, wäh: rend der umsichtige Exporteur das Kolli einem mit den ru}}- {en Verhältnissen vertrauten Spediteur zusendet, um wo- möglich aus den gesammelten Einzelgütern eine Wagenladung zu machen. Letztere erreicht nicht allein hneller und billiger ihr Ziel, sondern es wird auch das häufige Umladen ver- mieden, was für die Sendung um so leichter s{hädlih wirkt, je shlehter sie gepackt ist.

Die \chlechte und unshöne Verpackung der deut- {hen Waare ist ein oft wiederholter Vorwurf. Dabei darf indessen niht außer Acht gelassen werden, daß der englische wie jranzösishe Fabrikant, beziehungsweise Kommissionär, der hierauf allerdings mustergiltige Sorgfalt verwendet, dafür auh recht bedeutende oft geradezu exorbitante Spescn rechnet. Der deutsche Lieferant dagegen, in der Furcht die Waare zu vertheuern, packt s{lecht und billig, häufig aber auch unentgeltlich. , i

Der deutsche Exporteur sollte nah dem Beispiel seiner westländishen Berufsgenossen niemals unterlassen, dem aus- ländischen Kunden in Rechnung zu stelen: Ï

1) die Zinsen vom Tage der Faktura bis zum Empfang

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des Gegenwerthes,

2) die Kosten der Verpackung (genau detaillirt) und die Baarauslagen. -

Alsdann aber gebe er au das gerade bei der Verpackung so schädliche Sparsystem auf und halte andererseits fest am Ersaßanspruch des hierauf Verwendeten ; denn derselbe aus- ländishe Kaufmann, welcher heute bei dem Deutschen auf langen Zahltermin kauft und gegen die für Emballage etwa berechnete kleine Summe eifrig reklamirt, zahlt morgen dem englishen Hause die viel höheren Emballagekosten, Spesen 2c., sowie Zinsen vom Tage der Faktura ohne jeden Einwand, weil es nun einmal allgemein eingeführt und seit lange handelsüblich ist. :

Es ist dringend zu wünschen, daß auch Deutschland gegenüber die gleiche Praxis unbedingt Plaß greife. Dies herbeizuführen haben die deutschen Lieferanten selbst in der

and. y Das leihtsinnige Kreditgeben ist ein Punkt, über welchen es s{hwieriger ist, allgemein gültige Normen aufzu- stellen. Der Vorwurf zu großer Vertrauensseligkeit im Kreditgeben ist beim eigentlihen Großexporteur kaum häufiger zu fonstatiren, als bei den großen Geschäftshäusern anderer Nationen. Dagegen legen allerdings viele kleine re deutsche Geschäftsleute im Han- delsverkehr mitdem Auslande und mit Ausländern eine Sorglosig- feit im Kreditgeben an den Tag, die zuweilen als eine geradezu unbegreiflihe Naivetät erscheint, sei es, daß sie den in Deutschland reisenden Fremden, von deren äußerem Auftreten bestochen, ohne alle Fnformation kreditiren, sei Cs, Day Ie dem Wunsche nicht widerstehen können, mit ihrem an sich nur auf kleine Verhältnisse eingerichteten Geschäfte in direkte Ver- bindung zum Auslande zu treten. Jn leßterem Falle gerathen sie in Rußland häufig sogenannten „Agenten“ in die Hände, zweifelhafte, gewöhnlih niht einmal selbständig etablirte Leute ohne Vermögen, welche davon leben, ausländische Häu- ser zur Ueberlassung von Waaren auf Kredit zu bewegen. Jrgend eine deutsche kleine Fabrik oder Manufaktur in irgend einer Provinzialstadt erhält gelegentlih ein mit den besten Versprehungen reihlich ausgestattetes Anerbieten zur Ueber- nahme der Agentur für Rußland, und der kleine Fabrikant, erfreut, sein Absaßzgebiet derart zu vergrößern, beeilt sich, ohne irgend genügende Jnformationen einzuziehen, seine Waaren ohne alle Garantie aus der Hand zu geben. Gewöhnlih pflegen dicse Leute auf möglichst rasche Beförderung den größten Werth zu legen, um den Lieferanten dadurch abzu- halten, vorher Erkundigungen einzuziehen.

Auch wo diesen Leuten eigentlih strafbare Handlungen niht nahgewiesen werden können, sind derartige Geschäfte für den vertrauensseligen, der Verhältnisse unkundigen deutschen Fabrikanten doch meist {chlechthin verlustbringend.

Es bedarf kaum der ausdrücklihen Erwähnung, daß da- neben hier wie anderwärts eine zahlreihe Klasse vortrefflicher Agenten von großer Geschäftskenntniß und bedeutendem Um- sab besteht, auf welche die obigen Bemerkungen überall keine Anwendung finden können. S

Sowohl die Seeversicherung als die Frachten sind von den deutshen Häfen nah den russischen Ostseepläßen durhschnittlih billiger als von Frankreich oder England. Auch das Arbeitsmaterial wird in Deutschland an si gerin- geren Kapitalaufwand beanspruchen, als in den Jndustrie- centren jener Staaten. Deutschland hat sonah für die russischen Märkte einen wichtigen Vorsprung vor anderen Ländern. Die oben geschilderten Mängel, deren Beseitigung dem einsihtigeren Theile unter unsern Fabrikanten nicht {wer fallen sollte, werden häufig als die leßte Ursache anzu- sehen sein, wenn dieselben troß der günstigeren allgemeinen Konjunkturen von den Exporteuren anderer Länder aus dem Felde geschlagen werden. E

Wie die dem deutshen Ausfuhrhandel zum Vorwurf ge- machten Mängel nicht alle einzelnen Jndividuen treffen, vielmehr zum Glück viele rühmlihe Ausnahme zu registriren sind, so müssen auch ganze Branchen der deutschen Fn- dustrie wenigstens von den meisten der hier zur Sprache ge- brahten Mängel freigesprochen werden. Des Beispiels wegen und um mit einem erfreulichen Bilde zu ließen, foll hier noch auf einen Jndustriezweig näher eingegangen werden, für dessen Jmport nach Rußland, St, Petersburg, besonders wichtig ist, nämlih die Droguen- und Chemikalien- branche, über welhe von ganz zuverlässiger, sachverstän- diger Seite Folgendes mitgetheilt wird:

Jn der Chemikalienbranche behauptet Deutschland rüdcksichtl:ch der feineren Präparate, Pflanzenalcaloide 2c. unbestreitbar den ersten Rang unter allen Nationen. Die Qualität der Waaren isst im Allgemeinen als eine gute anzuerkennen und die Lieferung ungenügender oder der Probe nicht entsprechender Waare elten, je- denfals nicht häufiger als bei Lieferungen gaus anderen Ländern. Sowohl in der äußeren Beschaffen- heit, als in der Reinheit sind wiederholt bedeutende Fort- schritte zu bemerken gewesen und nur in wenigen Fällen trat eine Verschlehterung ein, da es den Fabrikanten bei stark ge- drückten Preisen niht mehr möglih war, die nöthige Sorg- falt auf die Herstellung zu verwenden. Rücksichtlich der hemi- hen Massenartikel sind die Versuche, Terrain zu gewinnen, allerdings nur selten geglückt. S -

In der Farbenbranche, besonders Anilin und ver- wandten Farben, gelingt es den Franzosen und Engländern fauw, der deutshen Jndustrie Konkurrenz zu bieten. Qualität und Preise stehen in den richtigen Verhältnissen. Die stän- digen Fortschritte in der Fabrikation an der Hand der fort- shreitenden Wissenschaft sind geradezu staunenerregend.

In der Destillation ätherischer Oele behauptet Leipzig nah wie vor den ersten Play. Eine Preiserhöhung dieser Waare, die man als Folge der Einführung der Be- steuerung des Rohmaterials in Deutschland an} mancher Seite wohl gefürchtet hatte, ist nicht eingetreten. .

Ueber die Art der Packung der deutschen Waaren wer- den allerdings auch in diesem Fndustriezweige_ häufig Klagen laut. Größere Flaschen für Flüssigkeiten sind meistens zu dünn im Glase; in den Kisten ist zu wenig Stroh; die Kisten selbst sind dünn und nicht widerstandsfähig genug, die Prozent- äge von Bruch und Verlust daher verhältnizmäßig hoh. Be- sonders gilt dies auch von den deutschen Mineralwässern. Eine glänzende Ausnahme macht, wie allseitig anerkannt wird, das Königlich preußische Mineralwasserkomptoir in Nassau, dessen Packung als durhaus mustergiltig hingestellt werden

fann. S Messina, den 28. Januar 1881. Im Allgemeinen ist der Exporthandel deutscher Firmen

nah Sicilien zwar ein ziemli h umfangreicher, indem nament=-