1881 / 44 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 21 Feb 1881 18:00:01 GMT) scan diff

Nachmittags 1!/; Uhr empfingen Jhre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin das Präsidium des Reichstages und wohnten Abends der Vorstellung im S@auspielhause bei.

Gestern Vormittag wohnten Jhre Kaiserlichen Hoheiten die Kronprinzlihen Herrschaften wit Jhren Königlichen Hoheiten den Prinzessinen Victoria, Sophie und Margarethe dem Gottesdienst in der Garnisonkirche bei.

Gegen Mittag empfing Se. Kaiserliche Hoheit der Kron- prinz den Königlich bayerischen Staats - Minister Freiherrn von Crailsheim sowie demnächst den Premier-Lieutenant à la suite der Armee, Friedrih Grafen zu Solms-Baruth und den Baumeister von Großheim.

Nachmittags um 5 Uhr begaben Sich die Höchsten Herr- schaften mit Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Wilhelm zum Diner zu Jhren Majestäten und wohnten Abends der Vor- stellung im Opernhause bei.

Der Bundesrath trat am 19. d. M. zu einer Plenarsizung zusammen, in welcher der Königlich bayerische Staats-Minister Dr. von Luß kraft Substitution des RNeichs- kanzlers den Vorsiß führte. Es erfolgte zunächst die Mit- theilung, daß von Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzog von Hessen und bei Rhein für die Dauer der bevorstehenden Beurlaubung des Großherzoglichen Gesandten , Staatsraths Dr. Neidhardt, der Ministerial-Rath von Werner zum stellvertretenden Bevollmächtigten zum Bundesrath er- nannt worden sei. Der Entwurf eines Geseßes über die Abänderung von Bestimmungen des Gerichlskostengeseßes u::d der Gebührenordnung für Gerichtsvollzieher wurde dem Ausschusse für Justizwesen, ein Präsidialantrag, betreffend den Abschluß eines Üebereinkommens mit Dänemark wegen gegen- seitiger Auslieferung von Deserteuren der Handelsmarine, den Ausschüssen für Seewesen und für Handel und Verkehr überwiesen. Auf den Bericht des L, IV. und V. Ausschusses erhielten mehrere vom Reichs - Cisenbahn- Amt vorgeshlagene Aenderungen der Bestimmungen des Eisenbahnbetriebsreglements über den Transport von Zünd- hüthen und Sprengkapseln die Genehmigung; ebenso Anträge des IIT. und IV. Ausschusses, welche \ic) auf die Dispensation von den Vorschriften über die Zulassung von Destillirapparaten in Essigfabrikgebäuden und auf die Verwiegungseinrihtungen in den Zucke- fabriken bezogen. Eine Beschwerde sächsischer Gewerbetreibender über die Besteuerung ihres Gewerbebetriebes im Umherziehen mit selbstgefertigten Waaren, soll an das Königlih sächsishe Finanz-Ministerium zur ressortmäßigen Verfügung abgegeben werden. Der Brausteuergesezentwurf gelangte in zweiter Berathung zur Annahme mit einem Zu- saße, demzufolge von dem in die Reichskasse fließenden Er- trage der Steuer einschließlich der in Betracht fommenden Aversen die Hälfte den einzelnen an der Steuer betheiligten Bundesstaaten nah dem Matrikularfuße zu überweisen ist.

Ein Gesuch um Erlaß eines Verbots der Weinfabrikation wurde dem. Herrn Reichskanzler überwiesen; einer anderen Eingabe wegen zwangsweiser Einführung des Gewichts beim Handel mit Eiern, Gemüsen 2c. keine Folge gegeben. Bei der Beschlußfassung über die Frage, ob die neue Ausgabe der Pharmacopoea germanica in [ateinisher oder deutscher Sprache abzufassen sci, über welche der Ausschuß für Handel und Verkehr Bericht erstattete, entschied sih die Mehrheit für die lateinishe Sprache.

Der zu Paris am 3. November 1880 unterzeichneten Uebereinkunft über den internationalen Austaush von Post- packeten wurde die Genehmigung ertheilt.

Anläßlich der Vorlage über die Betheiligung Deutschlands an dem internationalen Kongreß für Elektriker und an der Veranstaltung einer internationalen Ausstellung für Elektrizität zu Paris beschloß die Versammlung, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, den Bundesregierungen baldthunlihst von den näheren Bedingungen der Beschikung der Ausstellung Kenntniß zu geben.

Den Schluß bildete die Ernennung von Kommissarien qus Berathung von Vorlagen im Reichstage und die Vor- egung von Eingaben, über deren geschäftlihe Behandlung Bestimmung getroffen wurde.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Handel und Verkehr und für Justizwesen traten heute zu einer Slßung zujammen.

Jm weiteren Verlaufe der vorgestrigen (16.) Sißgung des Herren haus s veranlaßte bei der fortgeseßten Berathung des Zuständigkeitsgeseßes F. 16 eine Debatte. Zu demselben lag ein Antrag des Herrn von Kleist-Reßow vor, die Aufsicht über die Landgemeinden niht dem Kreisausschusse zu über- tragen , sondern dem Landrathe als Vorsizenden des Kreis- ausschusses.

Der Referent Herr von Winterseld erkannte an, daß der Antrag des Herrn von Kleist-Reßzow dem Beschlusse des Ab- geordnetenhauses vorzuziehen sei, weil es ein Unding sei, daß eire Selbsiverwaltungëkörperschaft die staatlihe Aussicht über die Gemeinden führen solle; mit Rücksicht auf das Zustande- kommen des Geseßes empfehle er jedo dem Herrenhause, in dieser Beziehung dem Abgeordnetenhause nachzugeben.

Herr von Kleisi-Rezow empfahl die Annahme seines An- trages, weil der Beshluß des Abgeordnetenhauses ein „gese: geberisher Nonsens“ sei. Es entsprehe dem Prinzip der neuen Rerwaltungsorganisation, wenn die Aufsiht dem Landrathe als dem Einzelbeamten übertragen werde.

Hierauf nahm der Minister des Jnnern Graf zu Eulen- burg das Wort:

Meire Herren! Herr von Kleifi-Reßew kat mit der gewobnten n .. Oen L. bhaftigkeit, mit der er die von ibm vertretenen Sachen verthcidigt, seire Arsi&t au8gzestrocen und die Meinung des Hauses iür seine Anst lebhaft arzuregen gesuckt; er kat gesagt, ec erwarte, taf cin Artrag mit crofer Majorität angeremmen werden rürde, es sei der Bestluf des anderen Hauses derart, daf, wenn man die Bestimmung so annehme, ein gesetigebertscher Nonsens entitände. Ib erlaube mir, daran } zu erinnero, daß Herr von Kleift-Rezew selbft Theilnehmer an j diesem Nonsers ift. da derselbe bereits în der Kreitordrtng und in dem Zustär.digkeitszeses rom Jahr 376 «enthalten ift, t eldem die gesammten Faktoren der Sesetgebung fd d crflärt taben. Ich alaudbe daber, daß mana einer Zumuthung, es bei dem beftebenten Zustard zu lafíen, cegerüber rit sclde Argumentationen maden sclite, wie wir Ke ¿ben gehört hater. Natúrliccerrmeise tleit i ; die ardere Meinung ‘rei und es sieht darüber N iti zu; ran tarf aber erwarier, daß, wern maz h tes beñechendea Rettes befindet, man sclhen Kritiken dir r intirefter Weise, wie fie eben gehért worden fizd, auEgrsezt sei In der That bin ib der Meinung, daf die Gründe, welche dagegen angeführt find, fh dem Beschlusse des Abgzeocdnetenhauses anzu-

| Präsidenten, welher durch Unwohlsein verhindert ist,

\chließen, in keiner Weise stihhaltig sind. Ich selbft bin in der Lage gewe- sen, wie Ihnen erinnerlich sein wird, mir die Frage ernstlih vorzulegen,

als ih das Gese cinbrachte, welwer Bestimmung der Vorzug zu geben wäre, der gegenwärtig besteherden oder der in die Regierungs8- vorlage übergegangenen. Aus Gründen des Systems habe ich geglaubt, der Bestimmung, wie sie in der Vorlage fteht, den Vorzuz geben zu müssen. Es is ja ganz richtig, was auch Herc von Kleist die Güte batte hervorzuheben, daß der Ge- danke, der dem Organisationsgeseze vom verigen Fahre zu Grunde liegt, der ist, daß die laufenden Geschäfte von Cinzelbeamten, die nicbtigeren Sachen von Kollegien, die den Cinzelbeamten zur Seite stehen, zu erledigen sind und, ebenso wie es für die Auisitt der Städte vorgeschlagen war, ging die Absicht der Regierung dahin, die Gleichförmizkeit au hier durchzuführen.

Nun bitte ich aber, meine Herren, einen Blick darauf zu werfen, wie dieser Vorshlag motivirt worden it, [0° wobl unter Il. der allgemeinen Motive, als in der Spezial- begründung bei S 16. Finden Sie ein Wort der Megie- rung darin, daß nah den von ihr gemachten Erfahrungen oder den eingezogenen Erkundigungen erhebliche Unzuträglichkeiten dur den bisherigen Zustand eingetreten seien? Geflissentlih und ab- btlih ist jedes Wort dieser Art vermieden worden, weil die Regierung nit im Stande gewesen wäre, eine folhe that- \äblihe Anführung zu machen. Mir is sehr wohl bekannt, und Ihr Herr Referent, der in diesen Angelegenheiten ein schr erfahrener Mann i} , hat Ihnen bereits dargelegt, daß bei dem gegenwärtigen Rechtszustande ab und zu Friktionen vorkommen fönnen und dieser Zustand ein ganz idealer nicht ist; einen solhen idealen Zustand werden wir überhaupt nicht hafen können. Aber, meine Herren, es ist niht etwa eine einseitige Auffassung der Staatsregierung, daß mit diesem Zustande autzukommen sei, sondern gehen Sie durch alle Parteien, so werden Sie ih glaube mich ‘getrauen zu dürfen, sagen zu können die Méehrzabl finden, welde sagt, daß mit diesem Zustande sehr wohl auszukommen ist. Ausnahmen sind mir ja bekannt; ich glaube aber unbefangen aussprechen zu fönnen;z inder biéherigen Praxis haben si e: hebliche Unzuträglichkeiten nicht berausgz- stellt und sind auc) nit zu erwarten. Meine Herren, warum nicht ? des- ha!b, weil durch die gesegliben Bestimmungen dem Landrath das, was ibm gebührt als einem Organ der Staatsregierung, und was leßtere auch nie würde aufgeben können, weil ibm das gelassen ist. Ih bitte, sih die Bestimmungen der §8. 136 und 137 der Kreis- ordnung von 1872 anzusehen; den ersten Absatz des letzteren Paragraphen bitte ih anhören zu wollen. Es sind nur wenige Zeilen, er ist aber von Wichtigk.it für die Beurtheilung der Sache. Er lautet :

„Dez: Landrath führt die laufenden Geschäfte der dem Aus- \ck use übertragenen Verwaltung. Er bereitet die Beschlüsse des Nus usses vor und trägt für die Auéführung derselben Sorge. Er fann die selkstärdige Bearbeitung einzelner Angelegenbeiten cinem Mitgliede des Kreisausschusses Übertragen.“

Und nun ist, damit jeder Zweifel in dieser Bezichung, ter nob erboken werden fkönrte, beseitigt werde, im §. 50 des neuen Organiîi-

sationsgesckes cuédrücklich gesagt, daß in allen Angelegin- heiten, welde der Eile bedürftig find oder Tae Legen, der Lantrath obne Zuziehung des Kreisauts{usses entscheiden

darf, Nebmen Sie dies auf der cinen Seite, auf der anderen Seite, taß, ohne Anfechtung von irgend einer Seite, in allen wich- tigen Fragen der Aufsicht, wo cs sich um Vertretangs- und Vermögentverbältnisse der Gemeinden bandelt, die Zuziehung des Aus\ck{ usses vorgeseben is, dann frage ich: wo liegt das Gebiet, auf welhem Etwas der ftaatlizen Autorität vergeben wird, weun es bei dem bisherigen Zustande verbleibt ? Rictig ist, daß ih bedaure, daß sib eine Cinigung im Sinne der Regierung vorlage nit hgt arzielen lassen; es wäre fonscquenter und mehr dem Prinzip entspreGender gewesen. Das Alles meine ich beute noch ebenso, wie bei Vorlegung der Vorlage; aber vom praktischen Standpunkte aus sind die behaupteten Bedenken nicht vorhanden.

Nun erlauben Si mir noch, das Gewicht der Gründe,

welche gegen diese Ansicht geführt werden, nur an einem Beispiel zu erläutern. Der Herr Referent hat Ihnen gesagt, es wäre bedenklih, daß die Amtevorsteber ar fingen,

nit mehr das Amt fortführen oder annehmen zu wollen, weil fie idt unter dem Landrath, fondern unter dem Kreisausschuß stehen. Nun, meine Herren, ih bemcrke vorab, das wäre doch eine eigenthümlide Auffassung; _gerade in der Kreisordnung it wegen der chrenamtliden Stellung der Amtsvorsteber die Aufsi@tseführung über diese als dem Kreisauss{buß obliegend bezeihnet worden, und nit dem Landrath. Während Sie also auf der cinen Seite in Bezug auf die sonstigen Funktionen der Amtsvorsteher die Aufsicht des Kreitaussusses verlangen und nit des Landraths, soll plöylich in den ländliweu Kommunalange- legenheiten das Umgekebzte stattfinden. Wenn die Sahe sib aber so verhält, wie ich na den Worten des Herrn R. ferenten nit be- zweifeln darf, so können das nur Verhßältnisse sein, in denen die Nmtévorsteher, welde des Amtes müde waren, andere Gründe ange- geben baben, als die, wele wirkli obgewalt.t baben. Und wie könnten sie auc jene Gründe geltend macn! Der Herr Refcrent bat Ihnen ja gesagt und das als einen weiteren Vorwurf bczeibnet, die Sache wäre so, daß thatsäblid do nit der Krei2autscbuß, fondern ter Landrath die Aufsict führe. Ist das aber der Fall, meine Herren, so bâtten ja die Amtsoorsteher absclut keinen Grund, si über die Aufsi@t des Kreisautsch:}es zu beshweren. Also, meine Herren, die Gründe, welche gegen meine Meinung angefübrt werden, steben auf außcrerdentlich wachen Füßen und scheinen mir künst- lid berangezogen zu sein. Aber wenn wirklich Zweifel sein sollten, wenn Sie wirkli annehmen sollten, daß ic darin zu weit gebe, die praftis&e Bedeutung der Angelegenheit so darzu- ftellen, wie ich gethan, jedeufalls werden Sie aus den Aus- führuncen der Herren Vorredner keinen Punkt gebêrt haben, welir nothwendig maten könnte, den Beschlüssen des Abgeordncten- bauses aus Gründen des Staat8sinteresses die Zustimmung zu ver- sagen. Die notbwendigen Aufsichi2re(te über die ländliche Kommunal- verwaltung sind gewabrt, au wenn der Kreisautschuß und über ibm der ie Aufsicht führen, welcher leßtere autdrüdli auf Grund

dieset Hauses für eine ftaatlihe Behörde erklärt worden eli gestatten Sie mir no eine Bemerkung: wenn Sie

e Besorgniß haben, Organen der Selbstverwaltung überbaupt Theile ter Staattfunktionen zu übertragen, dann sollten Sie die Selbstverwaltung nit we'ter einführen wollen, sondern fie aufzeb:n als ein überwundenes und nit baltbares Prinzip.

Nachdem Graf Brühl fich für den Antrag von Kleist- Retow, Freiherr von Landsberg \sih für den Beschluß des Abgeordnetenhauses erklärt hatten, erhielt der Regierungs- fommifsar, Gehzime Ober-:Regieruns:-Rath Rommel das Wort zu folgender Erklärung: :

„Jm Auftrage des Herrn Handels-Ministers und Minister- selbft zu erscheinen, habe ih bezsiglih der Art. 17 und 142 Folgen- des zu erklären :

Durch die Thatsache, daß beide Artikel in den bereits or- aanifirten fünf Provinzen si jeßt shon in Geltung befinden, sieht sch der Minister-Präfident verhindert, diese Artikel in

der gegenwärtigen Fassung zu denen zu renen, welche ibn, wenn fie siehen blieben, verhindern würden, die

Ito TE E anti s Königliche Sanktion des

©

n San Gesetzes verantwortlich zu bean-

tragen Er kann indessen nit umhin, schon jeßt zu er- flären, daß er eine Revision dieser Artikel für eine unerläß- liche Vorbedingung der Ausdehnung der Organisation auf die übrigen Provinzen ansieht. Beide Artikel enthalten in der gegenwärtigen Faffung die Bestimmung, daß die staatliche Auffnc{t durch Organe geübt werden soll, welhe keine Staats-

M R RENLRE: V C T NTOEE R

behörden sind und keine werden können, ohne für die Selbst-

verwaltung die Bedeutung zu verlieren, welche gerade ihre Unab-

hängigkeit von Weisungen der Staatsbehörden ihnen verleiht.

Ohne solche Weisungen ist aber eine Aufsicht nit denkbar,

und wenn sie ergehen, so kann die Ausführung von den Be-

\{lüssen einer aus Wahlen hervorgehenden und nah Stimmen-

mehrheit entscheidenden Versammlung nicht abhängen. Das

Prinzip der Kollegialität widerspriht dem der Unterord1ung,

sobald es si um aktivere Bethätigung handelt, als die Recht-

sprehung in verschiedenen Jnstanzen darstellt. Eine Aufsicht fann sich nicht auf die Findung oder Verwerfung von Urtheilen beschränken.

Mit der Uebertragung einer Aufsicht auf kollegialish beshließende Körperschasten {hwindet außerdem das Prinzip der persönlichen Verantwortlichkeit, wie es den Landrath und jeden einzelnen Beamten fkontrolirt. Für Mehrheits- entsheidungen ist Niemand individuell verantwortlih und fein Mitglied des Kreisausshusses is zur Ausübung der Staatsaufsiht mehr wie ein Anderer berufen, und deshalb fann auch fein Mitglied für Unterlassungen und Mißgriffe in der Aufsicht die Verantwortlichkeit tragen.

Es kommt dazu, daß die Unparteilichkeit bei einzelnen Beamten mit mehr Sicherheit vorausgeseßt werden kann, als in beshließenden Versammlungen, jedenfalls daß sie beim ein- zelnen Beamten kontrolirbar ist. Fn beschließenden Versamm- lungen finden Parteiansichten erfahrungsmäßig und noth- wendig mit größerer Schärfe ihren Ausdruck, als bei verant- wortlichen Einzelbeamten. Wenn in den bereits organifirten fünf Provinzen dieser Uebelstand niht mehr als geschehen zu Klagen Anlaß giebt, so ist zu bedenken, E mit Ausnahme einzelner Distrikte, in welchen extreme Partei- auffassungen die Mehrheit haben, die politishe Veinungs- verschiedenheit in diesen organisirten Provinzen und ihren ländlichen Kreisen nicht so s{harf entwickelt ist, wie in einem großen Theil der übrigen sechs Provinzen. zin den leßteren kann die staatlihe Aufsicht über Bürgermeistereien, Aemter und Landgemeinden nur von Organen geführt werden, welhe der obersten Staatsleitung verantwortlih sind. Sie kann nit cinem Ausschuß überlassen bleiben, der das Ergebniß einer Sichtung durch mehrfahe Majoritätswahlen bildet, und in welhem in Folge dessen leicht die s{härfse Ausprägung des lokalen Parteilebens ih verkörpern kann.

Der Minister-Präsident muß nach diesem die Annahme der Artikel 17 und 142 in der jeßigen Fassung als ein neues Hinderniß für die Fortbildung der in den 5 Provinzen be- gonnenen Organisation betrachten und ist der Ueberzeugung, daß die weitere Ausdehnung der Organisation erst nah Re- vision dieser Paragraphen wird erfolgen können. -

Bei dieser Revision wird auch die Frage zu erledigen sein, ob die Aufsicht über die Standesbeamten nicht besser den Gerichten wie den Verwaltungsbehörden zu überweisen ist.“

Nach Verlesung dieses Aftenstückes beantragte Graf zur Lippe die Vertagung der weiteren Berathung des Zuständig- keitsgesezes und den Druck der eben verlesenen Erklärung. Außerdem {lug er vor, die Vorlage mit der Erklärung an die Kommission für die Verwaltungsgeseße zurückzuverweisen.

Die Berathung des Zuständigkeitsgeseßes wurde abge- brohen und die Berathung der Kreisordnungsnovelle begonnen. Die Aufregung im Hause war aber so groß, daß von den Ausführungen des Referenten Herrn von Winter- feld fast nihts zu verstehen war. Nachdem derselbe zu sprechen aufgehört, beantragte Freiherr von Malgahn eine Unterbrehung der Sißung auf eine halbe Stunde.

Nach der Unterbrehung trat das Haus in die Berathung der Kreisordnungsnovelle ein. Die Verwaltungskommission des Herrenhauses hat nur zwei Aenderungen beschlossen und zwar zunächst im §. 4, welchem sie folgende Fassung gege- ben hat :

„S'âdte, wele mit Ausschluß der aktiven Militärpersonen eine Einwobnerzabl von mindistens 25000 Seelen haben und gezenwrärtig einem Landkreise angebören, sind befugt, für si einen Kreiëverkand, Stadtkreis zu bilden urd zu dicsem Behufe aus dem bisherigen Kreisverbande aus8zusceiden.

Auf den Antrag der Stadt wird dieselbe dur den Minister des Innern für ausgeschieden erklärt.“

Dur Königliche Verordnung kann nab Anhörung des Pro- vinzial-Landtags aub Städten von geringerer Einwobnerzahl auf Grund besonderer Verbältaisse das Aus!ceiden aus dem bis beri- gen und die Bildung cines eigenen Kreisverbandes gestattet werden.

Es ift jedo zuvor in allen Fällen eine Ausein- anderseßung darüber zu treffen, welchen Antheil die aussceidende Stadt an dem gemeinsamen Aktiv- und Passivrermögen des bisherigen Kreises, sowie etwa an fortdauernden Leistungen zu gemeinsamen Zwecken der beiden neuen Kreise zu übernehmen bat

Die Absäte 1 und 3 entsprehen den Beschlüssen des Ab- geordnetenhaujes ; die Absäße 2 und 4 sind von der Herren- hauskommi'sion hinzugefügt worden.

Ferner s{hlägt die Kommission vor, dem Z. Fassung zu geben:

F „Der Lantrath wird vom Könige ernannt. Der Kreiétag ist befugt, für die Besetzung des erledigten Landrathëamtes geeignete Verson:n, welche seit mindeiîtens einem Jahre dem Kreise durch Grundbesiß oder Wohnsiß angehören, in Vorschlag zu bringen. Geeiznet zur Bekleidung der Stelle eines Landraths sind diejexig.in Personen, welche 1) die Befähigung zum hößeren Verwaltunz8« oder Justiz- dienite erlangt haben; 2) dem Kreise seit mindestens einem Jahre dur Grundbesiß oder Wohnsiß angehören und zuglei mindestens während eines vierjährigen Zeitraumes entweder a. als Nefercndare im Vorbereitungédienste bei den Gerichten und Ber- waltungébehörden oder b. in Selbstverwaltung8ämtern des betreffen- den Kreises, des Bezirkes oder der Prooinz, jedo nit [ledigli alé Stellvertret-r oder als Mitglieder von Kreiékommissionen, thätig gewesen sind. Auf dea Zeitraum von vier Jahren fann den zu 2 b. bezeicbneten Personen eine Beschäftigung bei höheren Vcr- waltungsbehörden bis zur Dauer von zwei Jahren in Anrechnung gebracht werten.“

Das Haus trat in beiden Punkten den Beschlüssen seiner Kommission bei und genehmigte darauf die Vorlage im Ganzen. Die Petitionen, welche zu diesem Gesehentwurfe eingegangen sind, wurden für erledigt erklärt.

Ohne Debatte genehmigte das Haus den Geseßentwurf, betreffend die Abänderung von Bestimmungen der Provinzialordnung vom 29. Juni 1875 nach den Be- \{chlüssen des Abgeordnetenhauses. :

Auf den Antrag des Freiherrn von Landsberg wurde die Vorlage, betreffend die Vereinigung der L andgemeinde Oberbonsfeld mit der Stadtgemeinde Langen- berg, sowie der Landgemeinden Oberstoppel und Unterstoppel und des fisfalishen Forstbezirks Ober-Försterei Burghaun, Kreises Hersfeld, mit dem Kreise Hünfeld an die Gemeinde- kommisfion verwiesen.

74 folgende

Auf Grund des Berichtes der Budgetkommission ertheilte das Haus der Regierung in Bezug auf die allgemeine Rech- nung für 1877—78 Decharge, und erklärte die Uebersicht von den Staatseinnahmen und Ausgaben des Jahres 1879—80

durch Kenntnipnahme für erledigt. S@luß 4 Uhr.

Jn der heutigen (17.) Sizung des Herrenhauses, welche der Präsident Herzog von Ratibor um 1 Uhr 20 Minuten mit geshästlihen Mittheilungen eröffaete und welher der Präsident des Staatë-Ministeriums, Fürst von Bismarck, die Staats-Minister Maybach, Bitter, Dr. Lucius, sowie mehrere Regierungskommissarien beiwohnten, trat das Haus sofort in die Tagesordnung ein, deren erster Gegenstand der münd- liche Bericht der X. Kommission über das Zuständigkeits- geseß war. Die Berathung begann bei der am Sonnabend abgebrochenen Diskussion über §. 17. Bei S&luß des Blattes nahm zunächst der Präsident des Staats-Ministeriums, Fürst von Bismarck, das Wort.

Das von dem Auswärtigen Amt bei der Königlichen Hof- buthhandlung von E. S. Mittler und Sohn herausgegebene Ver - zeihniß der Kaiserli Deutschen Konsulate (Preis 1,50 A) ergiebt, daß das Reich jeßt 629 Konsularbehörden besißt, darunter 54 Berufs- Konsulate, von denen 19 General-Kon- sulate, 3 von diesen Minister-Residenturen sind. Von der Gesammtzahl von 682 Konsularbeamten sind 24 General- Konsuln, 316 Konsuln, 197 Vize-Konsuln, 83 Konsular- Agenten, die übrigen Sekretariatsbeamte, Kanzler und Dra- gomane. Unbesegt sind zur Zeit 17 Konsulate und 15 Vize- Konsulate. Als Standesbeamte fungiren 12 General-Konsuln, 43 Konsuln und 11 Vize-Konsuln ; zur Abhörung von Zeugen und zur Annahme von Eiden sind 11 General: Konjuln, 20 Konsuln und 5 Vize-Konsuln befugt. Ein alphabetisches Register giebt einen Üeberblick über alle Orte des Auslandes, in welhen deutshe Konsuln die Jnteressen des Reichs ver- treten.

Das Verschenken von gesundheitëschädlichen Nahrungs- oder Genußmitteln an einen Anderen mit dem Bewußtsein, daß der geschenkte Gegenstand die Gesund- heit des Genießenden zu schädigen geeignet sei, ist nah einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Strafscnats, vom 13. De- zember v. J, aus §. 12 Nr. 1 des Nahrungsmittelgeseßes vom 14. Mai 1879 mit Gefängniß und event. Ehrverlust zu be- strafen.

Der heutigen Nummer des „Neichs- und Staaks- Anzeigers“ ist eine „Besondere Beilage“ (Nr. 2), enthaltend Entscheidungen des Reichsgerichts, beigefügt.

Der Bevollmähtigte zum Bundesrath, Senator der freien und Hansestadt Hamburg, Dr. Versmann ijt hier eingetroffen.

Bayern. München, 19. Februar. (W. T. B.) Die Abgeordnetenkammer hat heute die Generaldiefkfussion über das Einkommen steuergeseß zu Ende geführt und den Artikel 1 der Regierungsvorlage mit 71 gegen 49 Stim- men abgelehnt. Der Finanz-Minister erklärte sih damit ein- verstanden, daß nunmehr die Beschlüsse des Ausschusses als Grundlage für die Berathung dienten. Nach der erfolgten Ablehnung der allgemeinen Einkommensteuer handelt es sich nunmehr nur noch um eine Steuerrevision.

Sachsen. Dresden, 19. Februar. Das „Dr. J.“ meldet: Jhre Majestäten der König und die Königin wer- den sich zur Theilnahme an der Vermählungsfeier Sr. Königlihen Hoheit des Prinzen Wilhelm Donnerstag, am 24. d. Mts., nah Berlin begeben und gedenken bis Mitt- wo, den 2. März, daselbst zu verweilen.

Elsaß - Lothringen. Straßburg, 19. Februar. Wie die „Els. Loth. Ztg.“ mittheilt, hat sih der Gesundheits- zustand des Statthalters in dieser Woche zwar langsam gebessert. Se. Excellenz hat jedoch das Zimmer noh nicht verlassen können.

Der Landesausschuß erledigte in seiner gestrigen 97. Plenarsitzung die zweite Lesung der A Ausgaben des Etats für Handel und Gewerbe (Eisenbahnsubventionen). Das Kap. 15, Tit. 1 der Einmaligen Ausgaben (Beitrag zu den Baukosten der Eisenbahn von Teterchen nah Diedenhofen. Dritte Nate 1 000 000 #) wurde ohne Diskussion angenommen. Tit. 2 (Zu Subventionen für Anshlußbahnen 300 000 Á) wurde dem Antrage der Kommission gemäß gesirichen. und folgende drei neue Titel dafür eingestellt: Tit. 2. Rest- betrag für den Bau der Linien Gebweiler -Bühl und Sentheim-Masmünster 130 000 #4 Tit. 3. Zur Ausführung von Vorarbeiten für Trambahnen und zu speziellen Tramway- studien 30 000 44, Tit. 4. Subvention für eine Straßenbahn von Colmar über Kaysersberg nah S@nierlach 50 000 M und für die Verbindung dieser Bahn mit dem Hafen bei Colmar, sowie für die Verlängerung der Hafenbahn bis Horburg 10 000 Æ, zusammen 60 000 / (4 Des Weiteren gelangten fol- gende Kommissionsvorschläge zur Annahme: Für den Bau dieser Linien (Gebweiler- Bühl und Sentheim-Masmünster) stehen aus früheren Bewilligungen zur Verfügung rund 650 000 M. Es wird beantragt, dieselben zur Deckung der Baukosten für die Linien Gebweiler-Bühl und Sentheim-Masmünster zu verwenden ; ferner sollen die als bauwürdig erkannten Linien in folgender Reihenfolge hergestellt werden: 1) Gebweiler- Bühl und Sentheim-Masmünster. 2) Bollweiler-Sennheim und Burnhaupt-Altmünsterol. 3) Saaralben-Hochfelden. 4) Hagenau-Röschwoog, unter der Bedingung, daß zunächst der Fortbau nah Rastatt gesichert sei. Bezüglich dieser beiden

Linien (3 und 4) befürworten die Vertreter des Mi- nisteriums und des Landesausschusses jedoch nur unter der Bedingung den Bau aus Landesmitteln, daß das

Reih dazu eine seinen Jnteressen entsprehende Subven- tion gebe. 5) Pfälzische Grenze-Bitsch, unter der Bedingung, daß der Fortbau auf pfälzishem Gebiet bis Zweibrücken zu- vor gesichert sei. 6) Vic-Dieuze als normalspurige Straßen- bahn. 7) Baudrecourt-Delme. Bezüglich dieser Linie befür- worteten die Vertreter des Ministeriums und des Landes- ausschusses den Bau nur unter der Bedingung, daß gleich: zeitig die Fortseßung von Delme nah Nomeny zum Anschluß an die französishe Öftbahn gebaut werde, Die den zweiten Gegenstand der Tagesordnung bildenden Petitionen wurden den Anträgen der Kommission gemäß erledigt.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 19, Februar. Aus Alex an- drien, 18. Februar, wird hierher gemeldet, daß der Kron- prinz Rudolf dort an jenem Tage Vormittags im besten

Wohlsein eingetroffen sei und noch an demselben Tage die Reise nah Kairo fortsezen werde. Aus Kairo, 19. Fe- bruar, wird dann weiter gemeldet, daß der Kronprinz an diesem Tage Mittags dort eingetroffen und auf dem Bahn- hofe vom Khedive empfangen worden fei.

Aus London 17. 9, wird der „Pr.“ gemeldet : „Die Kaiserin von Oesterreich, die unter dem JFncognito einer Gräfin Hohenembs reist, kam gestern früh furz nah 11 Uhr mit dem Paetboote „Maid of Kent“ von Calais in Dover an, wo sie vom Kapitän Sir T. Bruce, dem Super- intendenten der Admiralität, dem Bürgermeister von Dover

und mehreren anderen englishen Funftionären empfan- gen und nah dem auf der Landungsbrüde bereitgehal- tenen Sonderzug geleitet wurde. Jhre Majestät begab

sich fodann nach dem Lord MWarden-Hotel, wo ein Gabel- frühstück servirt wurde. Nach kurzer Rast trat die Kaiserin die Reise nach Combermere Abbey an. Jn der Station Uxbridge Road (London) wurde Jhre Majestät von dem Grafen Karolyi, dem österreihish-ungarishen Botschafter, be- grüßt. Um 6 Uhr Abends wurde Wrenbury (Cheshire) er- reiht, von wo sich Jhre Majestät und ihr Gefolge zu Wagen nah Combermere Abbey begab, deren Avenue illuminirt war. Die Kaiserin is troy der langen Reise im besten Wohl- befinden und wird \sich wahrscheinlich morgen an einer Fuchs- jagd betheiligen.“ E

Prag, 19. Februar. Das offizielle Ergebniß der Prager Volkszählung weist 156 513 Einwohner, darunter 123 477 mit czechisher und 30519 mit deutsher Umgangs- sprache, aus.

Großbritannien und Jrland. London, 20. Fe-

bruar. (W. T. B.) Nach einem Telegramm des Reuter- hen Bureaus aus Durban, von gestern, werden

die englischen Truppen bei dem Prospekt-Berge konzentrirt zu einem Angriffe auf Laengsneck, wohin sih die Boern in großen Massen zusammenziehen. Leßtere sollen entschlossen sein, bis aufs Aeußerste Widerstand zu leisten. Man erwartet dort eine Entscheidungsschlacht.

21 Februar (W. D. B) Eine Meldung des Reutershen Bureaus aus Cape Coast Castle, vom 10. d. M., lautet: Die Schaaren der Ashantis befinden sich nur noch 3 Meilen weit von hier; es herrs{ht hier große Aufregung. Von Benin ist ein Transport mit 100 Mann Truppen aus Lagos und Quitta sowie mit einigen Gattlingkanonen ange- kommen ; aus Sierra Leone sind 350 Mann Truppen einge- troffen. Die Mannschaft des Kanonenbootes „Flirt“ wurde bei dem Fort Elmina ans Land geseßt, um bei den militäti- chen Operationen am Lande verwendet zu werden.

Parnell hat London am Sonnabend wieder verlassen und gestern in Clara in JFrland vor ciner von 12 000 bis 15 000 Versonen besuhten Versammlung eine Rede gehalten. Auf der Fahrt nah Clara wurde Parnell an mehreren Sta- tionen von der Bevölkerung mit Ovationen empfangen. Parnell rieth der Bevölkerung und namentlih den Pächtern, fest zu bleiben und hob hervor, daß durch die Obstruktion im Varlamente die Suspendirung der Habeascorpusacte sieben

Wochen lang verhindert worden sei. Ferner erklärte Parnell: er und seine Kollegen würden fih gerne einsperren lassen, wenn die Pächter fortführen, die

Dahlung des Pachtzinses zu verweigern. Wenn dem Zwange nur passiver Widerstand entgegengeseßt werde und wenn man es vermeide, Gewalt mit Gewalt zu v?rtreiben, würden die Zwangsmaßregeln s{ließlich mit verstärkter Wirkung auf die Häupter ihrer Urheber zurückfallen.

Vom Kabinet wurden am Sonnabend die einzelnen Bestimmungen der irishen Bodenbill berathen.

Die Morgenblätter bringen Meldungen aus New- castle, von gestern, wonach General Wood am Sonnabend mit einer Schwadron Husaren und zwei Geschüßen den Buffalon überschritt und bis 10 Meilen von Wakkerstroom eine Recognoszirung ausführte, ohne auf die Boern zu stoßen. Das Lagcr der Boern wurde verlassen gefunden.

Frankreich. Paris, 17. Februar. (Cöln. Ztg.) Der Kammerausshuß für den Geseßentwurf des Kriegs-Ministers, betreffs der Veränderung des Rekruti- rungsgeseßes, hat jeßt endgültig den Militärdienst der jungen Geistlichen und der Schullehrer geregelt. Der- selbe bestimmte, daß die jungen Leute, welche sich dem geist- lichen Stande und dem öffentlichen Unterricht widmen, ein Jahr als Soldaten im zweiten Theil des Kontingents zu dienen haben. Nah Ablauf dieses Jahres werden sie in Friedenszeiten niht mehr einberufen, aber sie müssen sich \christlich verpflichten, zehn Fahre lang, die einen in der Gemeindegeistl:chfeit, die anderen in den öffentlichen Schulen zu dienen. Wenn sie vor dem Ausbruch eines Krie- ges noch nicht in Amt und Würden sind, so werden sie, wie alle anderen Bürger, zu den Waffen berufen. Wenn sie einmal angestellt sind, fo können sie weder in Friedens- noch in Kriegs- zeiten einberufen werden. Diese Maßregel findet nur An- wendung auf die geistlichen Zöglinge, welche in die Gemeinde- geistlichkeit eintreten, d. h. auf die, welche Pfarrer, Hülfs- pfarrer oder Vicar werden und vom Staate oder den Gemein- den bezahlt sind. Alle diejenigen jungen Leute, welche sich dem geistlihen Stande widmen, um in die religiösen Ordens- gesellschaften einzutreten, sind von diesem Privilegium ausge- \{hlossen und müssen, wie alle übrigen Bürger, ihrer vollen Militärpflicht genügen. Auf die jungen Leute, welche sich bei den fremden Missionen befinden, findet die Maßregel keine Anwendung. Die freien Kongreganistenlehrer sind ebenfalls von derselben ausgeschlossen, da sie nur auf die in öffentlichen Schulen angestellten Lehrer ihre Anwendung findet.

19, Februar. (W. T. B.) Der Senakï ge- nehmigte heute bei der fortgeseßten Berathung des Zoll- tarifs die von der Kommission beantragten Zollsäße, durch welche die Einfuhrzölle für Vieh beträchtliÞh erhöht werden und zwar für jede Kuh auf 20 Frcs., für jeden Ochsen auf 30 Frs. und für jeden Hammel auf 3 Fres.

Die Deputirtenkammer nahm den Geseßzentwurf, betreffend den Bau von Eisenbahnen am Senegal an, und begann die Berathung des Geseßentwurfs über die Armee-Verwaltung. Der Kriegs-Minister befürwortete die Vorlage der Regierung, nah welh:r die Armee Verwal- tung dem Kriegs-Minister unterstellt werden soll, während sie nah dem Antrage der Kommission, sür welchen sih au der Senat bereits erklärt hat, den Corps-Kommandanten unter stehen soll. :

91. Februar. (W., D, V) Vie konservativen und die intransigenten Journale besprechen sehr leb haft die beiden Depeschen des englishen Gesandten Corbett in Athen vom August v. J, in denen von der

Sendung des Generals Thomassin nach Griehenland sowie von dem Versprechen die Nede ist, daß von Frankreich 30 009 Stück Gewehre an Griechenland verkauft werden sollen. Von den Journalen werden Erklärungen hierüber von Seiten der Regierung verlangt. Jn parlamentarishen Kreisen heißt es: es werde in der heutigen Sißung des Senats oder der Kam- mer die Regierung darüber interpellirt werden.

Bei der anderweiten Wahl eines Deputirten in Mortagne (Departement Orne), wo der seitherige bonapar- tistishe Deputirte Dugué de la Fauconnerie in Folge seines Ans{&{luses an die republikanishe Partei das Mandat nieder- gelegt hatte, ist eine Stihwahl nothwendig geworden.

Spanien. Madrid, 20. Februar. (W. T. B.) Der Marquis von Bedmar hat die Uebernahme des Wiener Gesandtschaftspostens abgelehnt. Bei cinem von den Demokraten in Toledo abgehaltenen Bankett wurde ein Theilnehmer wegen einer aufrührerishen Kundgebung ver- haftet. Morgen findet ein Ministerrath statt, in wel- hem über den Zeitpunkt der Auflösung der Cortes und der Vornahme der Neuwahlen Beschluß gefaßt werden soll.

Italien. Rom, 21. Februar. (W. T. B.) Jm Vati- kan fand gestern anläßlih des Jahrestages der Papstwahl feierliher Empfang statt. Der König empfing gestern die Prinzen Gustav und Oskar von Schweden.

_ Griechenland. Athen, 13. Februar. (Pol. C.) Seit Donnerstag stehen die der Kammer vorgelegten Gesetz- vorshläge, betreffend die Einberufung der Altersklassen von 31 bis 40 Jahren (bei uns die Landwehr oder nah Tri- kupis' ursprünglichem Plane die Territorialarmee), in provi- sorisher Wirksamkeit. Diese Landwehr sollte ursprüglich erst nach der Einberufung der Reserve eingereiht und zum Sicher- heitsdienste in den Städten verwendet werden. Jett verwendet man sie, um die Armee auf 82500 Mann zu bringen, ohne noch zu den Reserven zu greifen. Nach den Erklärungen des darüber interpellirten Kriegs-Ministers geht es nämlich mit den Altersklassen 21 bis 30 niht mehr recht vorwärts und doch ist der Stand der Armee noch immer nicht über 54000 hinaus- gegangen. Jn der Kammer griff Delyannis den Finanz-Minister an, weil er das Ochsensteuersystem Trikupis' adoptirt hatte, um die Kabinetsfrage zu umgehen, und schlug die gänzlihe Weglassung jegliher Ackersteuer pro 1881 vor; dieser Antrag wurde aber von der Kammer mit 110 gegen 24 Stimmen verworfen. Es ist beschlossen worden, die Steuerrückstände seit 1851 bis 1879 (dieselben betragen 92 Millionen) sofort einzutreiben. Die Befestigungen zum Schuße des Einganges des Hafens Piräus und des See-Arsenals auf Salamis sind nahezu vollendet.

OOTebTUaT O B) D U ein Mangel an Unteroffizieren zur Ausexerzierung der Rekruten fühlbar macht, so beabsichtigt die Regierung, ausgediente Mannschaften zu diesem Zwecke einzuberufen.

Türkei. Konstantinopel, 20. Februar. Der „Diritto“ läßt sich von hier melden : Jn der heutigen Versammlung der Bot - schafter wurde beschlossen, die Note der Pforte vom 14. Fa: nuar mittelst einer Kollektivnote zu beantworten, in welcher von der Erklärung der Pforte, sich von der friedlichen Hal- tung nicht zu entfernen, Alt genommen wird. Die Kollektivnote soll am 21. d. M. überreiht werden. Fn einer weiteren Sizung werden die Botschafter die von der Pforte zu ver- langende Grenzlinie festseßgen und gleichzeitig werden die Mächte Griechenland auffordern, sich während der Verhand- lungen jeder Feindseligkeit zu enthalten.

Numänien. Bukarest, 16. Februar. Der „Wien. Z.“ wird gemeldet : Der von der Regierung zur parlamentarischen Behandlung vorbereitete Geseßvorschlag, nach welchem alle die Summe von 20 Francs erreichenden oder überschreitenden Zölle in Gold, und zwar in klingender Münze zu ent- rihten sind, hat unter der Geschäftswelt Rumäniens eine große Bewegung hervorgerufen. Seit dem leßten Kriege, welcher das Land mit Rubeln übershwemmte, ist näm- lich Gold ein sehr rarer Artikel geworden. Es ist in Folge unserer ungeregelten Münz- und Valuta- verhältnisse in Rumänien mehr als anderswo Hanbvels- waare, deren höherer oder niedrigerer Preis sih weniger nah dem Weltmarkte als vielmehr nah den momentanen An- gebots- und Nachfrageverhältnissen im Lande selbst richtet. In Folge dessen ist der Goldcours großen Schwankungen unterworfen, welhe der importirende Geschäftsmann bei Ab- {luß seiner Käufe im Auslande schlechterdings nicht voraus- sehen kann. Die Zahlung der Zölle in Gold wird diefen Ucbelstand nur noch erhöhen, und it es daher leicht begreif- lich, daß die betreffende Geseßesvorlage in den kaufmänni- {hen Kreisen abfällig beurtheilt wird.

Fufßland und Polen. St. Petersburg, 20. Februar. (W; T. D) Das „Journal de St Pétersbourg“ widerlegt die Behauptung der „Pester Correspondenz“, daß der österreichish-ungarische Botschafter, Graf Kalnofky, das ganze Jahr auf eine solenne Audienz bei dem Kaiser ver- geblich gewartet habe, und weist darauf hin, daß Graf Kal- noky, welher vor einem Fahre nach St. Petersburg kam, um den erkrankten Baron von Langenau zu ersezen, sich fo- fort dem Kaiser vorgestellt habe und von allen Mitgliedern der Kaiserlihen Familie empfangen worden sei.

Anläßlih der in dem englischen Parlamente erfolgten Vorlegung der Correspondenz des Generals Kauff- mann und der Debatten, betreffend Kandahar, sagt die „Agence Nusse“: Dem englischen Publikum lägen gegen: wärtig die Resultate von zwei entgegengeseßten politischen Systemen, demjenigen der Liberalen und demjenigen der Konservativen vor. Die Ersteren hätten von Anfang an freundschastlihe Beziehungen in Asien im Hinblick auf die Ausdehnung des Handels und der Civilisation an- gestrebt und stets den Frieden im Auge gehabt. Die Politik der Konservativen habe dagegen, von Feindselig feiten und Mißtrauen beeinflußt, mit cinem Kriege zwishen England und Rußland gedroht und einen kostspieligen Feldzug gegen Afghanistan provozirt, dessen Erfolg zweifelhast gewesen sei. Zwischen den eingebildeten Gefahren einer Juvasion der russischen Armee in Jundien und der Wirklichkeit der unüberschreitbaren Zwischenräume, welche Rußland und England in Asien von einander trennen und ihnen vorschreiben, in gutem Einverständniß mit einander zu leben, werde der prafktishe Geist des englischen Volkes zu wählen wissen.

Die „Agence Russe“ meldet, daß au die Reglements sür den Einlaß ausländischer Zeitungen nad Ruß

| land, sowie die Bestimmungen über die Cen)ur derseiben i