[leibe.
lid machen wolle, die sich aber sehr unvortheilhaft von der ofsfiziósen Presse anderer konstitutioneller Länder unterscheide. Er müsse in dieser Hinsitt an ein bekanntes offizie!es Aktenstück erinnern, in welckchem von einer Verbindung des Centrums mit den fortschriitlicen Republikanern die Rede sei. (Ruf rechts: Sehr richtig! — Ruf links: Pfui !)
Der Präsident von Goßler bat bestimmt, alle Unterbrehun- gen zu unterlassen; den ersten Zuruf habe er nicht gehört, jedenfalls könne er den Ausdruck „pfui“ als parlamentarish nit passiren lassen.
Der Abg. Rickert fuhr fort: Wenn die Mitglieder dieses Hauses also selbst niht einmal so viel Achtung vor, einander Und vor dem "Bewußlsen hätten daß sle alle treue Anhänger der Monarchie seien und nach ihrem besten Wissen Alle an dem Ausbau des Reiches arbeiteten, dann müsse allerdings der hier herrshende Ton unter dem Niveau des in guter Gesellschaft geltenden bleiben. Jn der Heftigkeit fielen wohl einmal auch vom Regierungstische Worte, die besser unterblieben wären ; die Nothwendigkeit der fjahlihen Kritik habe ja der Reichskanzler in der Ausein- andersezung mit dem früheren Minister Camyhausen gezeigt. Der Reichskanzler habe gesagt, daß in keinem Lande Europas so wenig Ministerwehsel vorkämen, wie in Preußen. Dies fei niht der Wahrheit entsprehend. Denn in keinem Lande außer hier seien in dem kurzen Zeitraum von 1878 aht Piinister gegangen, noch dazu unter so eigenthümlichen Umstän- den. Habe er des Reichskanzlers Rede recht verstanden, fo enthalte sie cine vollständige Umkehrung des Tkonstitutio- nellen Prinzips. Der Abg. von Minnigerode habe der kon- fervativen Partei als Verdienst angerechnet, daß sie die neuen ölle geschaffen habe. Er wolle derselben diefen 3uhm lassen, niache den Abg. von Minn'gerode aber darauf aufmerkjam, daß einer seiner Parteigenossen im preußischen Landtage auf die durch die Zölle den ärmeren Bevölkerungsklassen aufge- bürdeten folossalen Lasten hingewiesen habe, die durch Aende- rung dexr direkten Besteuerung erleichtert werden müßten ; der- felde Parteigenosse des Abg. von Minnigerode habe von der nothwendigen „rüdsihtslosen Sparsamkeit“ gesprochen; dazu habe der Abg. von Minnigerode aber gestern doch nur {wache Anläufe gemacht. Er hoffe, daß derselbe noch beim Militär- etat Einiges streichen werde. Der Etat selbst trete in den Hintergrund der Wichtigkeit den Fragen gegenüber, die. der Abg. Richter und der Reichskanzler gestern angeregt hätten. Der Abg. von Minnigerode habe die Unmöglichkeit, größereSteuer- erleihterungen vorzunehmen, der liberalen Mißwirthschaft in die Schuhe geschoven; hätten die Konservativen etwa allem Geschehenen nicht. beigestimmt? Warum hätten die Konser- vativen niht den Muth gehabt, es ihren Wählern vor den Wahlen zu sagen, daß sie dem Lande neue Steuern auf- legen wollten? (Abg. von Maltzahn:Gülß: Js geschehen!) Der Abg. von Minnigerode habe gestern den Streit des Reichskanzlers mit Hrn. Camphausen wieder vorgebracht, der doch sür Alle beendigt sein sollte, ohne neue Thatsachen anzu- führen. Das hätte derselbe allerdings nicht gekonnt, ohne sich sehr zu schädigen. Er habe freilich keine Ursache, Hrn. Camphausen sehr zu rühmen, aber er könne es nichi ertragen, oa3 man die Mimster, so lange sie im Amte seien, thatkräf- tig unterstüße, und wen diese Ehrenmänner aus dem Amte ge!chieden seien, mit aller Macht gegen sie vorgehe. Was den Milliardensegen betreffe, so habe Frankreih an Deutsch- land 1300 Millionen Thaler gezahlt; davon sei das Meiste
für allerlei militärishe und damit zusammenhän- gende Ausgaben gebrauht, das Wenigste hätten die
Einzelstaaten bekommen, Preußen z. B. nur 450 Millionen Mark. Damit und aus dem daraus fich ergebenden Kredit habe Hr. Camphaujen 450 Millionen Mark Schulden getilgt und für 900 Millionen Mark Eisenbahnbauten ausgeführt; der Weßlarer Bahn, dem Anfang der jeßigen Eisenbahnpolitik, hatten alle Parteien beigestimmt. Dabei habe Hr. Camp- hausen 35 Millionen Steuern erlassen können, während man jeßt mit dem Mehrbetrag von 92 Millionen Mark aus den Zöllen cs nicht auf mehr als 14 Millionen Mark Steuererlaß gebracht habe. Die Angriffe auf Hrn. Camphausen seien alfo eigentlich ganz ungerechtfertigt. Der Abg. von Minnigerode zeige in seiner Nede großen Appetit auf neue Steuern ; die Brau- steuer habe derselbe nur gestreift, alles Heil hoffe derselbe von er Börsensteuer! Diese Steuer solle jeßt Alles bringen ! Und dabei habe ein Sachverständiger in der Kommission des preußischen Abgeordnetenhauses gesagt, daß diese 100 Millionen Mark ctwa einbringen könnte! — und damit kämen diese Finanz- größen vor das Volk! Die Vorlage für die Tabalssteuer er- warte man ja auch noch, ebenso könne er sich nicht denken, daß das Unfallversicherungsgescy vor Ende der Session in die Hände des Reichstags kommen werde. Jm Jahre 1878 sei der Abg. von Viinnigerode über den Steuererlaß ganz anderer Meinung gewesen, derselbe habe damals den Erlaß für die untersten Steuerstufen beklagt. Vielleiht werde der Abg. von Minnigerode im Jahre 1884 seine jezige Meinung auch wieder geändert haben. Ein Steuerprogramm habe man nie vorgelegt bekommen, nur allgemeine Redensarten gehört über das Bluten der Tabaksindustrie 2c. Er und seine politischen Freunde seien durchaus nicht Feinde des Großgrundbesißes, er jei ja selbft Grundbesißer. Von dem ganzen neuen Pro- gramm sci ihm nur klar geworden, daß man die höchsten Stufen der Klassensteuer höher besteuern wolle. Wie man abcr den Grundbesiß entlasten wolle, habe er nit einsehen können, denn der Kornzoll fei doch ein sehr bedenkliches Ge- schenk für der. Grundbesißer. Bald würden die Landwirthe wieder in das Lager kommen, wo sie hingehörten, zu den Freihändlern. Wenn man ater als Apostel wie der Abg. von Minnigerode austrete, so müsse man Farbe bekennen,
und nicht, wie derselbe, in einigen Jahren seine Mei- nung wechseln. Die Qualität als Schyrifisteller, die der Abg. von Minnigerode gestern bei einem Landwirthe
angegriffen habe, hafte dem Abg. von Minnigerode doch am allermeisten an. Er glaube, derselbe schriftstellere so viel wie kein anderer Landwirth. Als solcher müsse derselbe aber wissen, daß Deutscland vollständig seinen Gebrauch an Ge- treide aus eigenem Boden gewinne, ja es produzire außerdem noch den Theil des Getreides, der zu industriellen Zwecken gebraucht werde. Von der Müllerei und der Tabaksindustrie ebenso wie von der Lederindustrie habe per Abg. von Minni- gerode gestern gar niht gesprohen. Diese Jndustrien ständen am BNbgrunde des Verderbens. Der Aufschwung der Eisen- intustrie sei nit Folge der Schuß ölle, sondern ein Erfolg der günstigen Lonjekturen, Die Textilindustrie sei nach ganz
authentiscen Mütyeilungen in viel shlechterer Lage als 1879. Tie jäsischen Berichte stunmten alle darin überein.
Woher
[eibe _Das aber sei nicht der Fall in der offiziösen | habe denn der Abg. von Minnigerode seine entgegenstehenden Presse, für die er zwar den Neichskanzier nicht verantwort- |
Mittheilungen ? Die Kohlenproduktion sei eine höhere geworden, aber wiederum nicht wegen der Zölle, oder wegen des höheren Verbrauchs bei den verstaatlihten Eisenbahnen, sondern durch den
! Aufs{hwung der Eisenindustrie. Der Neichskanzler habe gestern
erklärt, daß alle Parteisysteme für ihn erst in zweiter Linie ständen, „in erster komme die Nation und ihre Stellung nach außen“. Diese Ueberzeugung sei, glaube er, Gemeingut aller Parteien, in dieser Beziehung nehme der Reichskanzler keine Sonderstellung ein. Sie sei auch der Leitstern für seine poli- tischen Freunde gewesen von dem Augenblick an, wo es klar geworden sei, daß die Politik des Reichskanzlers die Wieder- herstellung des Deutschen Reichs sich zum Ziel geseßt habe. In keinem Lande werde man eine große Partei finden, die so selbstlos, mit solher Hingabe an den großen Zweck der Einigung Deutschlands, ohne irgendwie an den Ehren der Staatsleitung und Verwaltung betheiligt zu sein, dem Vaterlande gedient habe. Er möchte aber auch annehmen, daß die Betrachtung, welche die politische Richtung ganz außer Betracht lasse für die Organisation des Reichs, etwas zu mechanish und zu sehr von dem Gebiet der auswärtigen Politik genommen sei. Die Verfassung und die Geseße müßten doch so geartet sein, daß sie dem innersten Wesen der Nation entsprähen und die Aufgabe erfüllten, freien Naum zu gewähren, um die Kräfte des Einzelnen und der staatlichen Fnstitutionen zum Wohle des Ganzen entfalten zu lassen. Der Reichskanzler verlange von dem Bau des Deut- schen Reichs und von der Einigkeit der deutshen Nation, daß sie fest und sturmfrei dastehen solle. Sei denn dieses Ver- langen nicht das eines jeden Patrioten? Fragen möchte er aber: diene es diesem festen Bau und der Einigkeit der Nation, wenn seit einigen Jahren ein Jnteressenkampf der s{chlimmsten Art in das Reich hineingeworfen sei, ein Jnteressen- kampf, bei dem man die idealen und nationalen Güter zu \{chä- digen und zu verlieren in Gefahr sei ? Diene es zur Einigkeit der Nation, wenn die bewährtesten Organisationen nacheinander ver- worfen, wenn von einer Partei, von der die Regierungzorgane sagten, daß sie mit der Regierung befreundet sei, ein Nacenhaß gefördert werde, der wahrlich nicht zur Einigung, sondern zur Zerklüstung führen müsse, wenn wichtige geistige und religiöso Güter der Nation von derselben angetastet würden, ohne daß ein solches Streben energisch von dem Regierungstisch deëavouirt werde ? Auch der Reichskanzler werde unbefangen genug sein anzu- erkennen, daßder nationale Bau nur dann fest gegliedert sein fönne, wenn derselbe getragen werde von demselben Geist, der die Nation zum Siege 1866 und 1870 und zur Wiedergeburt ge- führt habe und der sich kund gegeben habe in dem freudigen Schaffen der Geseßgebung in der Zeit, als Männer wie Del- brück noch im Ministerium gesessen hätten. Der Neichskanzler sage, es gebe Zeiten, wo man liberal, und Zeiten, wo man diktatorish regieren müsse. Sei der Reichskanzler der Mei- nung, die jeßige Zeit wäre eine solche, daß die Diktatur ein- gesührt werden müsse? Was habe die deutsche Nation ver- schuldet, daß eine Regierungsform eingeführt werden sollte, welche in Rom nur dann Anwendung gefunden hätte, wenn der Feind vor den Thoren gestanden hätte? Das könne der Reichskanzler nicht gemeint haben und da derselbe eine
andere Alternative nil gestellt habe, fo jel dié Zeil Wol da, wo LibEæal regiert | werden muse. Der Reichskanzler - respektire einen festen Wilen und
eine organisirte Macht. Das Beamtenthum hätte ihm gegen- über micht Stand halten können. Jn der Volksvertretung allein liege die Möglichkeit, aus den jeßigen Verhältnissen herauszukommen. Eine Politik, die dadur Einfluß gewinnen wolle, daß sie nahgebe, fönne nicht zum Ziel führen. Des- halb werde gerade jeßt allen freisinnigen Männern eine s{hwere und bedeutungsvole Aufgabe gestellt. Der Abg. Richter habe gestern zu seiner Genugthuung seine Nede mit dem Mahnruf geschlossen, daß alle unabhängigen Männer s\ih ver- einigen müßten, um dieser Politik gewisse Grenzen zu stecken, ihr ein gewisses Maß und Ziel zu geben. Nur dann sei es möglich, daß die hohen Eigenschaften, welche den Reichskanzler auszeihneten, noch für länger Zeit für Deutsch- land fruhtbringend blieben. Er wünsche, daß diesen Worken bald die That folgen möge und daß es Gemeingut aller liberalen Männer Deutschlands werde, diese Grenze festzu- stellen und das „bis hierher und nicht weiter“ klar auszu- sprehen. Während die rehte Seite sich geeinigt habe, seien die Liberalen zerklüftet. Aber wenn je, so habe seine Partei heute die Pfliht, die kleinen Differenzen, welche die liberalen Parteien trennten, und die Erinnerung an vergangene Kämpfe bei Seite zu lassen. Wer heute fleinmüthig genug wäre, Fraktionsinteressen zu ver- folgen, der würde einen {weren Vorwurf auf si laden. Man habe die Pflicht, die Reihen der Liberalen zu {ließen und den Versuchen, die deutshe Verfassung zu revidiren und dem Volke weitere Lasten aufzuerlegen, ein ge- meinsames „Nein“ entgegenzusezen. Dann werde sich bald zeigen, daß das deutsche Volk in seinem Kern liberal sei, daß es sh die Errungenschaften feiner Vergangenheit niht nehmen lassen, und daß dann die Zeit herbeigeführt werden werde, in welcher, wie der Reichskanzler gestern gesagt habe, liberal regiert werden müsse.
Der Abg. von Kardorff erklärte, der Abg. RNickert habe schon bei FJnaugurirung der neuen Steuerpolitik einen Nieder- gang der Zndustrie prophezeit und auch heute wieder einen
solchen speziell in der Textilindustrie behauptet; er werde nachweisen, daß das nicht der Fall sei. Mit großem Recht
habe der Abg. von Minnigerode {hon darauf hingewiesen, daß schr bedeutende Kriterien dafür sprächen, daß die wirth- schaftlihen Verhältnisse sih erheblih gebessert und daß sih in allen Branchen der Export gehoben habe. Aus den Nach- weisungen des statistishen Bureaus gehe Folgendes hervor : gegen 1879 habe die Einfuhr von Baumwollenwaaren im Jahre 1880 um 13861 Doppelcentner nachgelassen, da- gegen habe die Ausfuhr 1879 nur 160744 Doppel- centner, 1880 aber 211 144 Doppelcentner betragen. Sei das ein Niedergang oder ein Aufschwung? Jn Eijenwaaren sei die Einfuhr 1879 1 017 479 Doppelcentner gewesen; 1880 habe sie sich auf 409 648 reduzirt; die Ausfuhr jei von 5 427 824 auf 6 698 420 Doppelcentner, also auf beinahe 7 Millionen gestiegen ; sei das ein Niedergang oder ein Auf- \{wung? Glaswaaren: Einfuhr 1879 153 513, 1880 her- untergegangen auf 56 294 Doppelcentner, die Ausfuhr, 573 265 und 561 855 Doppelcentner ungefähr gleihgeblieben, während also die Einfuhr sehr nachgelassen habe. Auch das sei kein ungünstiger Zustand. Lederwaaren 1879 Einfuhr 10 276, 1880 8604 Doppelcentner; Ausfuhr 30 576 Doppel- centner 1879, aber 1880 48 405 Doppelcentner; sei; das viel- leiht ein Niedergang? Jn Leinenwaaren habe 1879 die Ein-
fuhr 190 842 Doppelcentner, 1880 81 282 Doppelzentner be- tragen. Die Ausfuhr sei von 62 000 auf 70 000 gestiegen, also offenbarer Aufschwung. Jn Kleidern Einfuhr 3555 und 2649, Ausfuhr 26 684 und 42 219 Doppelcentner ; Papiereinfuhr 85760 und 45129, Ausfuhr 337 408 und 440 636 Doppelcentner ; Seidenwaaren 7290 und 4633, Export 21 240 und 46 773 Doppelcentner. Und da behaupte der Abg. Rickert, daß sih die ganze Jndustirie im Niedergange befinde! Diese Zahlen seien um so interessanter, weil sie die Behauptung wieder- legten, auf welche seiner Zeit ein so großes Gewicht von frei- händlerischer Seite gelegt sei, daß der Export geradezu zu Grunde gehen müsse. Das Entgegengeseßte sei eingetreten, in Deutschland gerade so wie seiner Zeit in Nordamerika und in Frankreich. Daß auch der Arbeitsmarkt in Deutschland ein sehr viel besserer geworden sei, dafür könne er die bezüglichen Daten aus der Eisenindustrie anführen. Der Verein der Eisen- und Stahlindustriellen babe 746 Werke befragt über ihre Arbeiterzahl und Lohnverhältnisse. 264 von den befrag- ten hätten geantwortet; danach stelle sich die Sache folgender- maßen : im Januar 1879 seien 85 901 Arbeiter, Januar 1881 aber 98244 beschäftigt gewesen, die Löhne hätten Januar 1879 ca. 5 288 539 é, Januar 1881 dagegen 6 459 694 betragen. Also berechne sich der Mehrverdienst an Lohn auf 50,28 (4 pro Jahr, und selbst die Abgg. Rickert und Richter würden nicht behaupten, daß die Belastung durch die indirekten Steuern sih so hoch belaufe. Seine Behauptung, die er jederzeit aufgestellt habe, daß füc die indirekten Steuern volle Entschädigung gewährt werde dur die Verstärkung und Besserung des hiesigen Ar- beitsmarîts, habe ihre glänzende Rechtfertigung gefunden. Auch ein anderes Symptom, das Sinken des Zinsfußes, könne man als Zeichen der steigenden wirthschaftlichen Pro- sperität ansehen, und wenn unser Herrgott Deutshland wieder einmal mit guten Ernten segne, dann wcrde der wirthschaft- liche Aufshwung noch ein ganz anderer sein. Demnach wür- den auch Berechnungen, wie der Abg. Richter sie auf Grund- lage des Berichts eines Konsumvereins aufstellt, au bei den arbeitenden Klassen niht mehr verfangen, um die Wahlmanöver des Abg. Richter zu unterstügen. Im Uebrigen sei er den Abgg. Rickert und Nichter sehr versöhnlih gestimmt; sie hätten seine Politik getrieben und den dauernden Steuer- erlaß durchgeseßt, der Jahre lang auf seinem Pro- gramm gestanden habe. Er würde si in diesem Falle von seinen Freunden im Abgeordnetenhause getrennt haben und könne noch jeßt ihren Standpunkt nicht verstehen. Wenn man aber diejen Steuererlaß für geboten halte, jo sei das seiner Ueberzeugung nach das sicherste Zeichen dafür, daß man die Zustände so ansehe, daß ein jolher nothwendig sei; denn wäre das Bild des Abg. Richter von der vollständigen Ver- armung der Nation wahr, dann wäre es doch ein frivoles Spiel, wenn man die Steuerquellen selbst allmählih versiegen ließe. Die Abgg. Rickert und Nichter hätten sih in ihren Reden viel mit preußishen Ministerkrisen u. dgl. beschäftigt ; er habe ein gewisses Bedenken, diese Frage in so weitem Rahmen zu besprehen, denn was sollte wohl werden, wenn uns aus Bayern u. \, w. Aehnlihes vorgebracht würde ? Nun sei ja der Neichskanzler vielen und {weren Angriffen ausgeseßt gewesen, man habe ihm diktatorishe Gelüste, Hineintasten in alle Verwaltungszweige u. \. w. vorzeworfen. Er sei ein Anhänger des Reichskanzlers aus der Zeit von 1863 und 1864, wo derselbe noch der bestgehaßte Mann im Lande gewesen sei. Seitdem sei er vielfah anderer Meinung als der Reichskanzler, und habe auch daraus kein Hell ge- macht, wenn er auc seine abweihende Meinung weniger in der parlamentarishen Debatte als im persönlihen Verkehr vertreten habe. Für ihn sei der Reichskanzler so gut ein Mensch, wie jeder andere, er (Redner) habe aber die Erfahrung gemacht, daß wenn er mit dem RNeichs- kanzler nicht übereingestimmt habe, derselbe in 9 von 10 Fällen doch Necht behalten habe. Und wenn cr sih vergegen- wärtige, welchen s{hweren Angriffen derselbe im Parlament und welhen unwürdigen Angriffen derselbe in der Presse ausg’seßt sei, und dazu seine schwere verantwortlihe Stellung, so sei es ihm wunderbar, daß der Reichskanzler noch die Freudigkeit und Lust am Schaffen behalte in wirthschaftlichen und fozialen Fragen über die Köpfe der Kathedersozialisten hinweg. Der Abg. von Benda habe gestern die Hoffnung ausgesprochen, daß die Regierung den Antrag Frankenstein wieder beseitigen würde. Er meine, dieser Antrag habe nur
eine formale Bedeutung gehabt, und wenn der Abg. von Benda einen anderen Vodus finden könne, jo werde er und auch seine politishen Freunde ihn da-
bei unterstüßen. Der Abg. von Benda werde sich aber wohl erinnern, daß im vorigen Jahre für dic Vorschläge des Abg. von Bennigsen eine Majorität nicht vorhanden gewesen sei. Wenn der Abg. von Benda aber weiter gesagt habe, daß das Schicksal des Verwendungsgeseßes in Preußen ihn in die Lage seße, positiv gegen jede Steuerbewilligung im Reichstage zu stimmen, so begreife er dies niht. Hätte die Regierung das VBerwendungsgeseß niht vorgelegt, so könnte gesagt wer- den: die Regierung habe keines vorgelegt, also könne man jeßt keine neuen Steuern bewilligen. Er hoffe vielmehr, daß der nächste Reichstag noch mehr indirekte Steuern bewilligen werde als bisher. Als eine sehr ergiebige Steuerquelle betrahte er den Tabak, dessen Bau dem Boden nichts zurücgebe, sondern denselben nur aussauge. Er sei der festen Ueber- zeugung, daß \{hließlich der Tabak die neuen Steuern schaffen werde, und zwar im Wege des Monopols. Der Abg. Rickert habe an den Abg. von Minnigerode und indirekt auch an ihn die Frage gerichtet, ob sie ihren Wählern ehrlich ge- sagt hätten, daß sie für die Militärbewilligung stimmen würden. Er erwidere darauf, daß er niht hätte wissen kön- nen, ob militärishe Bewilligungen damals in Aussicht ge- standen hätten. Habe denn der Abg. Rickert es seinen Wäh- lern au {hon vor den Wahlen gesagt und habe derselbe nicht im vorigen Jahre für die Erhöhung der Militäraus- gaben nit nur gestimmt, sondern in einer sehr patriotishen Rede für dieselben plaidirt? Was Camphausen betreffe, so werfe seine (des Nedners) Partei demselden vor, daß derselbe in nicht geshickter und für das wirthschaftliche Leben nicht günstiger Weise damals große Kapitalien flüssig gemacht habe, und daß derselbe der frei- händlerishen Bahn Delbrücks gefolgt sei, die allerdings Zustände in Deutschland hervorgerufen, die vorzugsweise der Ministec Camphausen mit verschuldet habe. Wenn man sage, daß der Minister Camphausen das Land abgewirthschastet hake, so möge diese Aeußerung hart sein, ungerechtfertigt sei sie nicht. Der Abg. Rickert habe in dem patriotishen Appell, init dem derselbe seine Nede geschlossen habe, eine Perspektive eröffnet auf das parlamentarishe Regiment anderer Länder. Er be- kenne offen, daß er die Art des parlamentarisczen Lebens, wie sie sich in den Köpfen der Abgg. Nichter und Rilert
spiegele, für keineswegs segensreih für das Deutsche Reich halte. Seine Partei wolle festhalten an dem Deutschen Reiche und den Jnstitutionen, wie sie Fürst Biêmarck gestaltet habe. Scine Partei werde ihrerseits die Steuerreformpläne des Reichskanzlers nach bestem Wisscn und Gewissen unterstüßen, seine Partei glaute damit national und patriotisch zu handeln
und er bitte das Haus,
: sih zu überlegen, ob es nit lieb das Gleiche thue. N 8 t Lieber
Der Staatssekretär Scholz erklärte, er sei zu einer kurzen |
Bemerkung genöthigt, weil er von mehreren Seiten miß- verstanden worden sei, als hätte er in seinen einleitenden Bemerkungen angedeutet, daß die Steuergesete, von denen er gesprochen habe, sich in dem entgegengeseßten Sinne bewegen würden, welchen das Haus 1879 dur Annahme des Antrages Franckenstein gebilligt habe. Es sei ihm nit eingefallen, auch nur mit einer Silbe derartiges anzudeuten. Er habe von Steuergeseßzen gesprochen, welche bezweckten, die Ein- nahmen, welche zu Gunsten der Einzelstaaten zu erheben seien, zu vermehren, also gerade im Gegensaß zu Steuergesetzen, welche die an. die Einzelstaaten abzuführenden Einnahmen ver- mindern würden.
Der Abg. Bebel bemerkte, die Debatte über den Etat habe sich zu ciner Diskussion über die wirthschaftlihen Zu- stände des Volkes ausgedehnt. Jn der That hänge auch die
Frage, ob die Ansprüche, welche an die Steuerkraft des Lan- |
des gestellt würden, gerechtfertigt seien, von der anderen Frage ab: gereichten die neuen Zölle und Steuern der Jn- dustrie zum Vortheil oder nicht? Die Thronrede habe aus- drüclih auf die sriedlihen und wohlwoLenden Beziehungen des Reichs zu allen anderen Staaten hingewiesen, und erklärt, daß an ernsthafte Verwickelungen auf inter- nationalem Gebiete vorläufig nicht zu denken sei. Da mache es doch cinen eigenthümlihen Eindruck, von Jahr zu Jahr die Ausgaben des Reiches, insbeson- dere für Militärzweke, steigen zu sehen. Auch dieses Jahr weise wieder eine erheblihe Vehrbelastung auf; dazu solle no eine Anleihe aufgenommen werden, die niht weniger als 47 Mill. für Militärzwecke vershlinge. Der Militäretat werfe in seinen ordentlichen und außerordentlihen Ausgaben mehr als 493 Mill. Mark aus, d. h. pro Kopf jährlich 11 4 36 3. Dazu komme noch die Anleihe von 47 Mill., so daß si der Mili- täâretat für dieses Jahr auf 514 Mill. Mark belaufe gegen 342 Mill. im Jahre 1873. Derselbe sei also in 8 Jahren um rund 140 Mill. Mark gestiegen. Gehe das so fort, so werde derselbe sich zu Anfang des nächsten YJahrzehnts auf 1 PBilliarde belaufen Set aber n den leuten at «Fahren das allgemeine Wohl dem entsprechend gestiegen ? Er müsse es bezweifeln. Die Sparsamkeit sei wichtiger für die Volkswirthschaft, als alle n:uen Steuern. Die Lage der Arbeiterbevölkerung habe sih, wie er entgegen den Angaben des Vorredners behaupte, vershlechtert. Möge auch stellen- weise eine kleine Lohnsteigerung, z. B. in der Eisenbranche, eingetreten sein, so stehe dem gegenüber die Erwägung, daß die Löhne vorher auf das niedrigste Maß herabgedrüdckt ge- wesen seien und die nothwendigsten Lebensmittel mit hohen Steuern belegt seien. Jn allen anderen Jndustrien, so in der Textilbranche, scien die Löhne seit 1875 zurückgegangen, wie er speziel aus Forst von der Tuchmacherei wisse, um 35 Prozent. Die sächsishen Weberdistrikte seien, wie er aus eigener Erfahrung wisse, durch die Zölle - auf Schmalz, Petroleum u. #. w., welche Artikel von Amerika im- portirt würden, {wer geschädigt. Fn Crimmitschau habe ih beispielsweise die Zahl der Handwebestühle seit drei Jahren von 2000 auf 1 bis 200 verringert. Die Leute würden zur Auswanderung geradezu gedrängt. Wenn ihnen die Regie- rung die Mittel gewähren würde, so würden sie mit Freuden den „heimathlichen Staub“ von den Stiefeln {ütteln. Auf diese Verschlehterung der Arbeiterverhältnisse sei auch die Zu- nahme der Bettelei und Vagabondage zurückzuführen. Allein die wirthschaftlihen Zustände seien daran {huld. Man müsse selbst Handwerksbursche gewesen fein, um das beurtheilen 31 fônnen. Das Kleingewerbe sei derartig ruinirt, daß der Todesfall eines Handwerkers gleihbedeutend sei mit dessen Konkurserklärung. Die Baubranche fei selbst in großen Städten, wie in Leipzig, in abnormer Weise zurückgegangen. Der Steuererlaß sei nur ein Kunststück, der dem Volke an- dererseitig wieder neue Belastungen bringe. Den Wider- spruch der liberalen Partei gegen die neuen Steuern verstehe er nicht, gerade durch ihre Politik sei die Regierung zu diesem Vor- gehen gezwungen worden. Die Tabaksindustrie werde durch neue Steuern oder gar durch das ¡Monopol ruinirt. Jn dem Grade, wie sih der als Luxus bezeihnete Verbrauch von Ci- garren vermindere, gingen die Tabaksfabriken zurück und \hliezlich zu Grunde. Genau so gehe es mit der Sparsam- keit, die auf dem Gebiet der Getränke empfohlen werde. Deutschland leide nicht daran, daß es zu viel, sondern daran, daß es zu wenig konsumire. Jn den Jahren der Prosperität hätten die Arbeitgeber allerdings sehr über die Arbeiter raison- nirt; heute heiße es aber: der Arbeitgeber zahle doch lie-
ber die hohen Löhne von damals, bei denen er ein gutes Geschäst gemacht habe, als die niedrigen von heute, bei denen er bankerott gehe. Auf der einen
Seite sei es das Prinzip der Gesellschaft, die Produk- tionseinrihtungen zu verbessern; man sehe in allen Zweigen die mechanischen Triebkräfte mehr und mehr Eingang finden : in Preußen allein sei in den leßten 14 Jahren die Zahl der Dampfkräfte um 384 Prozent gestiegen, abgesehen von den Eisenbahnen und der Schiffahrt. Einer solhen Massenpro- duktion gegenüber predige man auf der anderen Seite Spar- samkeit! Es sei nicht seine Aufgabe, sich für ein bestimmtes Prinzip, Freihandel oder Schußzoll zu erklären. Eine Aende- rung sei allein darin zu suchen, daß man die Konsumtions- tähigkeit der Massen aufs Höchste steigere, d. h. daß der Arbeiter des Ertrages seiner Arbeit sicher sci, und das sei nur möglich dur eine totale Umgestaltung der gesammten Produktionsver- hältnisse überhaupt. Alles andere würden nur Palliativmittel sein, die nur dazu angethan seien, die Gegensäße zu \härfen. Die Frage, ob Schutzoll, ob Freihandel, sei für ihn nur Frage des einzelnen Falles. Jm Großen und Ganzen komme, wenn es sich darum handele, wie die Krisen zu vermeiden seien, die Frage, ob Schuzhandel oder Freihandel, gar nicht in Betracht, Wenn Amerika so viele Krisen habe, dann liege das keineswegs an seiner Schußtzollpolitik. Als aber hier die Krisis eingetreten sei, seien Tausende der Arbeiter in der Lage gewesen, auf den ausgedehnten unbebauten Bodenflächen Amerikas in der Landwirthschaft Beschäftigung zu erhalten. Als darauf in Europa mehrere Jahre hindurch ungünstige Ernten stattgefunden hätten, hätten die amerikanishen Ar- beiter {sofort vollauf Brod gehabt. Jm Augenblick sei eine Hungersnoth nur dadur vermiçoen worden, daß Deutschland
| von Amerika aus Getreidezufuhren erhalte, wo würde cs mit der | deuishen Arbeiterbevölkerung hinkommen, wenn Amerika in | dieser Beziehung nicht mit der alten Welt fonkurrirte. Außer- | dem sollte man bedenken, daß man bei dem Mangel dieser | Konkurrenz heute wahrscheinli in einer großen sozialen Nevo- ! lution fiehen würde, genau wie Preußen sie im Jahre 1848 | na der Hungersnoth von 1847 gchabt habe. Die Herren | von der Nechten sollten deshalb die Konkurrenz Amerikas nur | mit Dankbarkeit begrüßen. Von diesem Standpunkt aus sei | es ihm völlig gleichgültig, wer auf dem Ministerstuhle siße, | 0b Fürst Bismarck, oder die Abgg. Bennigsen, Rickert oder | Richter. Er sei fes überzeugt, daß der Abg. Richter, wenn | derselbe einen Ministerposten hätte, im Jahre 1884 bei Ab- | lauf des Sozialistengeseßes dessen Beibehaltung befürworten | würde. So lange hier niht mit gründlihen Reformen vor- | gegangen werde, jo iange das Hauptgewiht nur auf die Stärkung der duperen Machtverhältnisse gelegt werde, so | ¿ange let an eine Aenderung und Besserung in der rirth- 1chaftlichen Lage der arbeitenden Bevölkerung nicht zu denken. _— Der Abg. Freiherr von Maltahn-Gülyt legte ausdrücklich Verwahrung dagegen ein, daß der deutshe Arbeiter in seiner | Gesammtheit denselben Ansichten huldige, welche der Vorredner | ¡rüher und jeßt vertreten habe, und er müsse für alle Theile Des Hauses und für sich das Recht und die Pflicht in An- pru nehmen, das Wohl des deutschen Arbeiters zu fördern. Was den Militäretat betreffe, so sei seine Partei gesonnen, wie früher, fo auch jezt an den Ausgaben für die Unabhängig- keit und Wehrhaftigkeit des deutschen Vaterlandes nichts zu kürzen. Wenn der Vorredner den Wilitäretat von 1873 mit dem jezige1 verglihen habe, so bemerke er, daß Jener aus der Periode des Pauschquantums stamme und für alle Diejenigen, welte damals dem Hause angehört hätten und der Entwickelung des deutschen Vaterlandes mit Aufmerksamkeit gefolgt seien, sei es bin- reichend bekannt, daß mit den 225 Thlr. pro Kopf damals billiger gewirthschaftet sei als jeßt, aber ebenso bekannt sei es auch, daß die Militärverwaltung beständig erklärt habe, daß dieje billige Wirthschaft damals nur deéhalb mögli gewesen sei, weil eines Theils fest gestanden habe, daß sie nur auf bestimmte Zeit bemessen sci und man also anscheinend Aus-
gaben bis nach Ablauf dieser Zeit aufgeshoben habe und außerdem damals ein erhebliher Theil der
deutshen Truppen sih noch in Franfreih befunden habe. Dem Abg. Nickert erwidere er, daß ec sein bei Berathung des Zolltarifs abgegebenes Votum in Betreff der Nüglichkeit desselben für die Landwirthschaft auch jeßt noh aufreht er- halte. Er stehe aber auch darin heute ebenso wie damals, daß er, wenn ihm heute die Frage vorgelegt würde, ob er den Zolltarif im Ganzen annehmen oder abichnen würde, au beute, wie er damals gethan habe, mit Ja votiren würde, während der Hr. Abg. Nickert bekanntlih mit Nein votirt habe. Es sei dies geschehen, wie er damals schon erklärt habe, weil er, soweit es sich um Finanzzölle handele, auf dem Boden der damaligen Vorlage stehe, und weil er damals anerkannt habe und heute anerkenne, daß es nothwendig sei, die eigenen Einnahmen des Reiches zu vermehren, unmöglich sei es aber, diese Einnahmen auf einem anderen Wege zu vermehren, als indem man die indirekten Steuern schärfer heranziehe. Dar- über sei er freilich damals {on mcht zweifelhaft gewesen, er glaube auch, der Abg. Nickert nicht, daß niht dex gesammte Betrag dieser Einnahmen werde zu Steuerreformen und Steuererlafsen in den Einzelstaaten verwendet werden können. Das allerdings sei richtig, daß jede Steuerreform in den Ein- zelstaaten abjolut ausgeschlossen sei, wenn man nicht die eige- nen Einnahmen des Reiches vermehre. Daß aber zunächst ein Theil der neuen Einnahmen für die vermehrten Bedürfnisse des Heeres in Anspruch genommen würde, das habe er ge- wußt, und er glaube, der ganze Reichstag habe es gewußt. Bei den leßten Wahlen habe das Land es auch schon ge- wußt. Bei den leßten Wagen habe man gewußt, daß die 7jährige Periode, für welche die Friedenspräsenzstärke des Heeres festgestellt sci, in dieser Legislaturperiode zu Ende ginge. Daß sie zu Ende gegangen sei, daran sei er gewiß unscul- dig und seine Freunde auch, denn seine Partei sei es nicht gewesen, welche die 7jährigen Perioden eingeführt habe, sie habe sih bis zum leßten Momente dagegen gewehrt, und zwar mit deshalb dagegen gewehrt, weil seine Partei von vornherein, er wolle niht sagen, mit Sicherheit angenommen, aber doch die Möglichkeit vor Augen gesehen habe, daß die Verände- rung, die in 7 Jahren eintreten würde, niht eine Verminde- rung, sondern eine Vermehrung sein würde. Als aber die lezten Wahlen im Lande stattgefunden hätten, da habe man ganz genau gewußt, daß das Septennat in der Militärver- waltung in dieser Legislaturperiode zu Ende ginge, und daß dieses Ende des Septennats cine Mchrbelastung des Reichs- etats bedeute. Ob und wer von seiner Partei das seinen Wählern gesagt habe, könne ex nicht wissen. Er habe es seinen Wählern gesagt, daß er diese Nothwendigkeit vor Augen sehe, und wenn der Abg. Rickert ihm dies in seiner Rede zum Vorwurf gemacht habe, fo antworte er einfach, daß es feine Gewohnheit sei, seine Wahlreden vor seinen Wählern und nicht hier von der Tribüne zu halten.
Hierauf wurden dem Antrage des Abg. von Minnigerode entsprehend der gesammte Militäretat, aus dem Etat der Marineverwaltung die Kapitel 52 (Fndienststellung der Schiffe und Fahrzeuge), 53 (Naturalverpflegung) und 60 (Werst- betrieb), das gesammte Extraordinarium und von den Ein- nahmen die Kapitel 1 (Zölle und Verbrauchssteuern) und 18 (Ueberschüsse aus früheren Jahren) der Budgetkommission überwiesen. x
Ohne Debatte genehmigte alsdann noch das Haus in erster und zweiter Berathung die Geseßentwürfe, betreffend die Zuständigkeit des Neichsgerichts für Streitfragen zwischen dem Senat und der Bürgerschaft der freien und Hansestadt Hamburg und betreffend die Begründung der Revision in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, worauf sich dasselbe um 21/2 Uhr auf Montag 12 Uhr vertagte.
Nr, 8 des DeutshenHandel8-Archivs, Wochenschrift für Handel und Gewerbe, herausgegeben in Reichsamt des Innern, entbält: Gesetzgebung: Niederlande und Dänemart: Deklara- tion zwischen beiden Staaten üher den gegenseitigen Shuy der Fabrik» und Handeltzeichen. — Berichte: Dev1shes Reich : Nach- weisung der Einnahmen an Zöllen und cemeins&aftlihen Verbrauc(8- steuern im Deutshen Reich für die Zeit vom 1. April 1880 bis zum
Scwblusse des Monats Jauuex.c 1881. — Liegnitz. — Glogau. — Halle. — Nordhausen. — Gera. — Brau». st weig. — Hannover. — Osnabrück. — Emden. — Bremen. — Kiel. — Flensburg. —
Karl ruhe. — Mülbasfen i. E. — Niederlande: V iddelburg (Schiffsverkehr). — Türkei: Smxrna (Sciffsverkehr). — Groß- britannien : Die Mineral4twinnung von Neufüdwales. — Vereiniate
Staaten von Amerika: Bofton (Einfuhr von deutsbem Stabldraht), — New-Orleans (Siffsverkz5r). — Centra.amerifa : Salvader: Havdelsberiht aus Santa Ana für 1879. — Brasilien: Rio de Janeiro (Schiffsverkebr).
Stctiftische Nachrichten. _ Wie wir der „Neuen Zür. Ztg.“ kürzli ersbienenen YVII, Bande der \ch{chweizerischwen Eifen- bahnstatistik zufolze, das Eisenbahnnezs der SHreiz Ende 1879 eine kaulide Gesammilänge ron 2537148 m und ei É E è Q l n 25 S id eine Betriebélänge von 2629628 m, oder ri{tiger, da wegen Mitbe- nußung in der leßteren Ziffer 52575 m dopvelt gerechzet sind, 2577 053 m. Im Einzelnen seßt ih das Ney zusammen aus 2 453 374 m (baulibe Länge) Normalbabnen mit Lokomotizbetrieb, 68 857 m Spezialbabhnen mit Lokomotivbetrieb, 2787 m Draht- seilbahnen und 12130 m Peferdeeisenbahnen. Eingerechnet find _in diesen Zablen die ausländischen Unternehmungen angehörenden Bahnstücke, nit inbegriffen dagegen die Thcil- fiüde \chweizerisder Bahnen im Auslande Das einbezablte Anlagekapital bezifferte sid Ende 1879 auf 343 887 390 Franken Aktien, 62 213 689 Fr. Subventionen und 529 221 488 Fr. Anleiben. also in Summa 935 322477 Fr. Die Baukosten der Ende 1879 im Betriebe gewesenen Linien wiesen folgende Beträge auf: für Anlage und Ausrüsiung der Eisenbahnen im Ganzen 673 765 225 Fr. oder 272 711 Fr. ver Babn-Kilom.; für Beschaffung des Rollmate- rials 83 105069 Fr. oder 31914 Fr. per Bahn-Km.; für Anlage und Auérüstung der Werkstätten 8509489 Fr. oter 3268 Fr. per Bahn-Km,, d. i. im Ganzen 765 379 783 Fr. oder 397 893 per Bahn-Km. Fn diesen Baukosten find jede nit inbegriffen die in Folge von Liquidationen verloren gegangener Ansprüche von Gläubigern und Aktio nären, welce auf Ende 1879 eine Summe von b 996 195 E auêmachten. — An brauhbarem Rollmaterial waren Ende 1879 vor- handen: 1) Lokomotiven im Ganzen 543; 2) Personenwa2aen im Sanzen 1650 mit 4196 Awfen und 73 536 Siuvläten ; 3) Lastwagen, im Ganzen 8545 mit 17 205 Asen und mit einer Tragkraft von 87 702t. Die Gesammtzahl der zurückgelegten Zugkilometer war 10738 657. — Im Ganzen wurden die Babnen von 21 523 752 Reisenden be- nußt (280036 I. l, 3 823 914 IT. KRT,, 17 419 802 III. KL., wele zusammen 434 365 295 kmn zurüctgelegt baben (durWwschnittlich 20,18 Em jeder). Die beförterten Güter wozen 5 333 087 t; außere dem wurden aufgegeben 81 222 t G:päck und 675865 Stück Vieh mit einem Gewidbt von 94848 t, Summa 5509156 t. Gepät, Thiere und Güter haben zusammen 274975266 Tonnen- kilometer zurüdgelegt (dur{chs{nittliÞd 94,91 km vie Torne). — Die Betricbseinrahmen ergaben 57 652 324 Fr. oder 22459 Fr. per Babn-Km., und zwar der Personentrantport 22618498 Fr. oder 8811 per Bahn-Km., der Gepäck-, Vieh- und Gütertransport 30 346 715 Fr. oder 11822 Fr. pro Bakn - Km.,, Einnahmen aus verschiedenen Quellen 4687111 Fr. Die Betriebs8ausgaben erforderten im Ganzen 31916059 Fr. oder 12433 Fc. pro Bahn - Km., d. h. 55,36 %%/% der gesammten Betriebseinnahmen. — Bon den Autgaben entfielen auf die allgemeine Verwaltung 1771 193 Fr. (daron 1 506454 Fr. für das Personal), auf Unter- balt und Aufsicht der Bahn 7 683 123 Fr. (davon 2 625 592 Fr. für das Personal, 4890 452 Fr. für Unterhalt und Erneuerung der Babnanlagen), auf ten Erpeditions- und Zugdienst 8906 067 Fr. (davon 7758 930 für das Personal), auf den Fahrdienst 9 666 841 Fr. (davon 2811 071 für das Personal, 3 378 275 für Materialverbrauch der Lokomotiven und Wagen, 3391 258 für Unterhalt und Erneue- rung des Rollmaterials). Das Total der direkten Autgaben stellte sid fonach auf 28 027 224 Fr. oder 109918 Fr. per Bahn-Km., die gesammten Betriebsauëgaben aber auf 31916059 Fr. oder 12 433 per Bahn-Km. oder 55,36 °%/%, der gesammten Betricbseinnahmen. Die Swlußrechnung ergiebt: Einnahmen: Saldo vom Vorjahr, passiv 761373 Fr., Uebersbuß der Betriebseinnahmen 25 736 265 Fr., Bauzinse 4454 928 Fr., Zusbüïe aus den Spezialfonds 3 537 388 r., Betriebbsubventionen 692 834 Fr., aus sonstizen Quellen 326 659 Fr, Total: 33 986 692 Fr. — Ausgaben: Amortisation von Kapitalien 287 500 Fr., Verzinsung der Anleihen 22851 673 Sr., Einlage in die Spezialsondvs 3267646 Fr., Dividende für die Aftien 3027889 Fr., zu sonstigen Zwecken (Abscbrei- bungen u. st w.) 5049 505 Fr., Saldovortrag aufs Jahr 1880, passiv —497 526 Fr., Total: 33986692 Fr. — Der durh- \hnittlive Bestand des Personals der schweizerishen Eisenbahnen in ihrer Ausdehnung zu Ende des Jahres 1879 dezifferte sich auf 13 159 Persoaen, und zwar waren beschäftigt in der allgemeinen Verwaltung 620 Personen, beim Unterhalt und ter Beaufsichtigung der Bahn 3919, “im Erpeditions- und Zagdienst 5713 Per sonen, im Fahrdiernst und den Werkstätten 2907 Personen. — Es beftanden 24 Unterstüßungskassen mit durchscaittlich 11536 Mitgliedern und einem Vermögenébestande (am (Ende des Jahres) von 3 701 357 Fr.; unterstüßt wurden 3648 Mitglieder. — Unfälle find im Jahre 1879 auf den \{chweiz;erishen Eisenbahnen vorgekom- men 53, nämli 25 (at:leisungen und 158 Zusammerstöße. Es wurden dabei getödtet 54 Personen (1 Reisender, 30 Bahnövedien- stete, 23 andere Personen), verlegt 72 Personen {10 Reisende, 52 Bahnbedienstete, 10 andere Personen). — Verglichen mit den beiden vorhergehenden Jahren betrug die Betriebälänge im Jahcesdurch- \ch{nitt: 1877 2419 km, 1878 2540 kv, 1879 2567 km, mithin die jährlide Zunahme 3,03 °%/; der Reisendenverkehr 1877 796 478, 1878 175 713, 1879 169 211, mithin die jährli&e Abnahme 7,13 °%/oz. auch der Gepäck-, Güter- und Thier-Transport hat eine jährliche- Abnahme von 0,98 %/9 zu verzeihnen. Per Babn-Km. berecneten: sid: die Einnahmen für Reisende im Jahre 1877 auf: 9973 Fr.., 1878 auf 9120 Fr. und 1879 auf 811 Fr., was eine jährlibe ‘Ab-
r r 4 y o entnehmen, batte teur f
nabme von 5,97 % darstellt, die Einnahmen für Gepäck; Dhiere Und GSlter 187 auf 12829 Nr., 1878 auf Lo Fr, Und 1000 auf 11S r, e 100
Abnahme von 1/94 /, eraebend; de CGesanmteinnahmenz per Bahn-Km. für 1877 auf 24092 Fr., für 1878 auf 22506 Fr... und für 1879 auf 22459 Fr., was eine dâhrliwe Minderung von 3,39 0% repräsentirt Obschon fonach in den angesührtea 3 Jahren die relativen Betrieb8einnahmen fortlaufcad abgencnunen, hat: dey Reinertrag in Folge sparsamen Betriebs denno zine Zunahme: on durhschnittlich 1,47 9/9 in Bezug auf die: Bahnlänge (per Bahn-Km. 1877: 9761 Fr., 1878: 9414 Fr. und 1879: 10026 Fr.) und von 1,17 %/9 in Bezug auf das AnlagekapitaÏ] aufzuweisen. — An Draht«- seilbahnen waren vorhanden: die Lausanne-Ouchy- und die Gieß= bachbahn. Erstere ist mit einem Kostengufwande von 4829498 Fre. angelegt wocden, während die leßtere nur 150000 Fr. e» fordert hat. Die Betriebslänge betrug Ende 1879 auf der ersteren 2,083 m, auf der leßteren 220 w, der Reiseudenverkckr auf jener für 1879 392229 Personen, auf dieser 27 110 Yers sonen, der Güterverkehr 15617 t bezw. 66,9 t, die Gesamnat- einnahmen 92 678 Fr. bezw. 14228 Fr., die Gesammtautgaben 74 587 Fr. bezw. 2235 Fr. und de’: Reinertrag jener Bahn im Sans zen 18091 Fr., dieser 11993 Fr. oder in Prozenten des Arlage- kapitals 0,51 bezw. 10,23 %. — Pferdebahnen bestanden Ende 1879 in Genf in einçc Länge von 7,550 m, in Biel mit 4580 m. Die An/agekosten inkl. Pferde 2c. habeu betragen für Genf 2208 351 Fr, für Biel 231809 Fr. Reisende wurden auf ibn, im Jahre 1879 befördert in Genf 3 100 182, in Bial 188 303, Die Gesammteinvahmen bezifferien si auf 445 769 Fr. bezw. 2#, 163 Fr. gegenüber Ansgaben ira Betrage von 318708 j5r. bezw. 40103 Fr. Die Genfer Pferd-.gahn hatte sonah einen Reinert-ag von 127061 Fr.,, während 1e Bialcr ein Defizit von 13 940 Fr. ergab.
Coblenz. — Mainz, — Nürnberg. — Augsburg. — Mannheim. —