1881 / 60 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 11 Mar 1881 18:00:01 GMT) scan diff

Si!berentwerihung herbeigeführt. Professor Lexis habe dies in s{lagender Weise nachgewiesen. Ein neuer Konkurrent in der Nachfrage nah Gold sei seit einigen Jahren Amerika ge- worden, welhes um so gesährlicher sei, als seine Handels- bilanz durch sehr gesteigerten Export von Rohstoffen in jedem Jahre günstiger werde. Amerika habe Englands Bedarf an Gold bedroht, und die deutsche Goldreserve bereits sehr erheb- li geschwächt. Wollte Deutschland es wirklich versuchen, fein Silber zu verkaufen, wo solle man das Gold finden, um den Austaush zu erwirken? Der Betra an verkäufliGem Silber sci erheblih größer als 500 Millionen Thzler; es sei im vorigen Jahre von dem Vertreter des Reichs- schazamtes gesagt, daß 510—550 Millionen cirkulicten ; außer- dem befänden sich in der Bank noch kolossale Summen von Silberthalern. Bei dem Verkaufe steigerten sich die Kosten mit jeden 100 Millionen sehr bedeutend, und selbst wenn Deutschland entshlossen wäre, diese erheblichen Kosten zu tragen, würde man s{ließlich doch an der Unmöglichkeit der Durchführung dieses Prozesses scheitern. Auf dem Kontinent hätten alle Länder Mangel an Gold, ebenso Ame- rifa. Es bliebe also nur England, und England habe bercits 1872, um seine Goldreserve zu schüßen, den Diskont von 7 auf 9 Proz. in die Höhe ge- schraubt. Dieselbe Maßnahme würde si wiederholen. Den Vortheil habe der Versu der Einführung der Goldwährung in Deutschland gehabt, daß bewiesen sei, daß die Durchfüh- rung der Goldwährung in einem großen Ländergebiete ab- folut unmöglich sei. Jun einigen Ländern könne die Gold- währung durchgeführt werden, weil der Bedarf dem Vorrath an Gold entsprähze. Das habe England gezeigt; sowie aber der Bedarf gesteigert sei, höre die Möglichkeit auf. Er erwähne nur nebenbei den erheblichen Verl!st, den die gesundeste deutsche Vroduktion, der Bergbau auf Silber, dur das Sinken der Silberpreise crleide. Wie sehr auc der Handel, namentlich der Export nah Ländern, die in Silber zahlten, an dieser Frage interessirt sei, beweise eine Petition aus Sommerfeld; be- stimmte dortige Jndustriezweige exportirten für 12 Millionen Mark jährlih nah China und Japan. Dieser Export stoße wegen des Sinkens der Silberpreise jegt {hon auf Schwierig- keiten; gehe das Silber noch mehr zurü, fo werde der Export ganz unmöglih. Mit Genugthuung erfülle ihn der gewaltige Ünmischwung der Strömung in der Währungsfrage, die sich jevt entschieden gegen die Goldwährung wende. Die Zahl der bimetallistishen Schristen sei cine kolossale, und von mono- metallistisher Seite ehe ihnen faum etwas entgegen, Für den Umschwung in der deutshen Wissenschaft iprähen Namen wie Arendt, Schäfsle, Lexis, Wag- U, Die zun. Ta eule _QUI entgegengeseßtem Standpunkt gestanden hätten. Diesen stehe zur Zeit nur Soctbeer gegenüber. Mit Genugthuung begrüße er auch die bevorstehende internationale Konferenz. Er glaube allerdings niht, daß Deutschland das Zugeständniß machen wollen oder können werde, von vornherein auf eine unbeschränkte Silber- prägung einzugehen, das Endziel bleibe sie allerdings. Es müßten seiner Ansicht nach Vereinbarungen vorhergehen, welche zur Erhöhung des Silberpreises führten. Er denke sich, Deutschland versprehe den status quo aufrecht zu er- halten, d. h. sein Silver nicht zu verkaufen, ferner verspreche es später vollwerthige Silbermünzen auszuprägen nah dem Verhältniß 1:151/2, Dagegen verpflichte sich Frankreich, die bestehende Gesebgebung ausreht zu erhalten, d. h. seine Münzstätten der Silberausprägung zu öffnen. Amerika, als größter Silberproduzent habe schon das höchste Interesse, die weitgehentsten Konzessionen zu machen. Auch von England melde man cine Strömung dahin, vollwerthige Silbermünzen auszuprägen. Jedenfalls stehe Deutshland in schr günstiger Position gegenüber Frankreih und Amerika, es fönne gewisser- maßen Bedingungen diktiren. Was würde geschehen, wenn cine bimetallistishe Union niht zu Stande komme, die es ermöglihe, in allen Ländern, die in Gold und Silter zahlen wollten, nah dem Verhältniß von 1 : 15/4 auszuprägen? Das amerikanische Silber würde auf den Weltmarkt strömen, die Preise würden noch mehr agcdrückt werden, und es würde ein Kampf entstehen zwischen den Nationen, die überhaupt noch Gold hätten und haben wollten, es würde ein Diskontokampf zwischen den Nationen entstehen, mit großen wirthschaftlichen Schädigungen. Er denke, jeder müßte die internationale Konferenz, die diese Frage regeln solle, mit Freuden begrüßen. Er hoffe, die verbündeten Regierungen würden dabei Deutschlands Interesse in den Vordergrund stellen und auch die große volkswirthschaftliche Bedeutung dieser Frage nit unterschäßen.

Der Abg. Dr. Bamberger äußerte, er sei von Alters her daran gewöhnt, von Gegnern des deutshen Münzsystems, #0: bald sie die Tribüne betreten hätten, seinen Namen nennen zu hören. Hätte der Vorredner das nicht gethan, er würde viel- leit heute das Wort nicht ergriffen haben. Er hade dem Vorschlage, diese Denkschrift zur Berathung zu stellen, nur beigestimmt, weil er aus den Acußerungen des Abg. von Kar- dorf entnommen habe, daß die Herren ein großes Tournier der Wagen und Gesänge abhalten wollten und er zeigen wolle, daß er auch jeßt den Kampf nicht scheue; nicht um eine große Staatsaktion über die Münzkonferenz hervorzurufen. Der Abg. von Mirbach glaube, seine Ansichten hätten solche Fortschritte aemacht, daß derselbe ruhig in die Zukunft blickden könnte, cr (Redner) glaube das Gegentheil. Man könne die Dinge abwarten. Niemals habe die Situation so deutlich wie jebt gezeigt, daß die von dem Reichétage 1871——73 ge- \chaffene Münzgesetgebung auf dem richtigen Wege sei. Troß aller Irrungen zwischen der Reichèregierung und den in dieser Frage seiner Ansicht zugeneigten sei er mit dem Abg. von Mirbach der Ansicht, daß die Reichsregierung die Münzgeseß- gebung durch das, was von der Pariser Konferenz zu er- warten sei, nicht gefährden werde. Der Abg. von Mirbach habe ibn für den Artikel einer Zeitung verantwortlih ge- mat, mit der er allerdings in Verbindung stehe; das sei ein Vorwurf, welcher der Regierung und sogar dezn Reichs- fanzlec häufig gemacht sei, den man aber nicht verdiene, weil man nit für jeden Artikel einer Zeitung, zu der man in irgend wel&er Beziehung stehe, haftbar sei. Der Abg. von Mirbach habe gemeint, es sei ezn Jrrthum, daß der Preis des Goldes jeht niedriger sei, Und sei zu dieser Mci- nung wegen der Höhe des Zinsfußes gekommen. Dagegen müsse er doch zuerst anführen, daß der Zinsfuß do nicht blos vom Preise des Metalls, sondern von sehr viel anderen Umständen abhänge; außerdem aber müsse der Abg. von Mirbach, um ciner richtigen Vergleih zu ziehen, auf die Jahre vor Erlaß der Münzgeschgebung zurüdkehren, und da sehe man, daß in den Jahren 1868—1871 der Zinéfuß immer zwischen 4 und 6 Proz. geschwankt habe, und wenn man die Abschllisse des

- so gebe bas in Summa 440 Millionen Mark Gold.

Jahres 1879 in rihtiger Weise betrackte, so erfolge daraus ein Zinsfuß von 3,7 Proz., für 1880 seien die Abschlüsse noch nicht da. Jet werde der Zinsfuß, gerade für agrarische Werthe, von Tag zu Tag geringer; der Weghselverkehr werde gerade für die Landwirthe immer größer, und auch daraus resultire für dieselben ein billigerer Geldbezug. Gegen das Wechseln mit dem jeßigen Währungssystem sei ferner anzuführen, daß bei Völkern, wie bei Einzelnen, der Gläu- biger immer das größte Vertrauen zu dem Schuldner habe, der demselben Bezahlung in derselben Münze verspreche, in der das Geld entliehen sei, der Kredit und der Geldmarkt blieben einem Staate mit wechselndem und s{chwankendem Währungssystem fern. Er hoffe, die Ereignisse, denen man jeßt entgegen gehe, würden die Seeschlange des Bimetallismus aus der Welt schaffen. Er müsse nun noch ein Paar Ziffern anfügen, aus denen klar hervorgehe, daß die Deutschen große Thoren wären, wollten sie die Brüe bilden, damit Frank: reich und Amerika auf Kosten Deutschlands ihre Zustände verbesserten. Deutschland habe im Oktober 1880 in der Nank 180 Millionen Gold gehabt. Wenn er die bestän- dige Zunahme berüdsichtige, dürfe man den Goldbestand jeßt auf 240 Millionen Mark schäßen. Die Privatbanken hätten im Dezember vorigen Jahres überhaupt 87 Millionen Mark Baarbestand gehabt, mit Rücksicht darauf, daß diese Banken von Anfang an bestrebt gewesen seien, möglichst viel Gold zu sammeln, dürfe man ihren Goldvorrath auf 80 Mil- lionen Mark annehmen ; rehne man dazu (was man nach dem Vorbilde Frankreihs ohne Skrupel thun dürfe) die unver- zinslih im Juliusthurm liegenden 120 Millionen Kriegsschaß, Dagegen sei der Betrag an Banknoten aller Art 893 Millionen, wovon 35 Millionen, die im gegenseitigen Depot der Banken selbst seien, abgezogen werden müßten, so daß 858 Millionen blieben ; addire man dazu die 150 Millionen Reichskassenscheine, ab- züglih der 40 Millionen im Depot der Bank selbst befindlichen, so ergebe sih cine Belastung von 967 Millionen Banknoten gegen 440 Millionen Goldbestand, ein sehr günstiger Zustand im Vergleich zu Frankreich und Amerika, die Deutschland ja immer dazu bereden wollten, die Guthaben und die Bestände in einen gemeinsamen Topf zu werfen. Dabei habe er das deutsche Silber noch gar nicht gerechnet, denn Silber sei heut zu Tage nur noch eine Waare. Das sei über 45 Proz. Goldbedeckung. Frankreich dagegen dete gegenwäriig 2400 Millionen Bank- noten nur mit 512 Millionen in Gold. Jn Nordamerika lägen in den Vorräthen der Nationalbanken 951/23 Millionen Dollars, im Tresor der Vereinigten Staaten lägen 62 Millio- nen, das mache zusammen 157 oder 630 Millionen Mark. Die Papiercirculation bestehe aus 70 Millionen Pfd. Sterl. Goldnoten der Regierung und 70 Millionen Pfd. Sterl, Goldnoten der Banken oder zusammen 2800 Millionen Mark gegen eine Deckung von 630 Millionen Mark. Man sehe, wie viel günstiger die Dinge in Deutschland lägen, als gerade in den Staaten, welche die Jnitiative zur Münzkonferenz ergriffen hätten. Die Cirkulation Deutsch- lands sei sogar im Vergleich zu England nicht \chlecht, welches neben der großen Cirkulation von Checks noch 540 Millionen Mark Banknoten habe. Wenn er troßdem immer darauf zurückomme, daß die deutsche Bank sich ihres Silbers ent- ledigen und mit Gold verschen solle, so hänge das damit zu- sammen, daß eine Centralbank, das Herz des Verkehrs, jede Störung viel s{limmer empfinde. Gegenüber der Behaup- tung von der großen Goldnoth zeige die Denfïscyrift, daß die Reichsbank ganz wacker und ohne Ansirengung Gold angeschafft habe. Die Bank habe im vorigen Jahre an Gold- münzen 38 Millionen und an Goldbarren 7 950 000 M, zusammen über 46 Millionen Mark ganz spielend durch den gesunden spontanen Gang des Verkehrs angekauft. Sei das nicht eine merkwürdige Erscheinung? Gerade in einem Jahre, von dem man behaupte, daß Amerika sih bemüht habe, Gold an sih zu ziehen. Amerika habe im vergangenen Jahre etwas weniger Gold vom Kontinent bezogen, als im Jahre 1879. Ebenso sei der Export Amerikas von Waaren im leßten Jahre geringer, wie im Vorjahre, cine Thatsache, die leider meistens ignorirt werde, wenn von diesen Dingen geredet werde. Habe denn etwa die CGold- produktion auch abgenommen? Die höchste Zisser von GGold- produktion, die die Statistik nachweise, betrage etwa 500 Millionen Mark und wir stehen jeßt an 400. Das sei die höchste Ziffer zu Zeiten, wo die ungeheuren Anschwemmungen von Gold entdedt scien. Die amerikanische Goldproduktion habe in den leßten Jahren kaum erheblich abgenommen. Auch die russische, die eine große Rolle spiele, lasse niht nach. Nur in Austra- lien sei die Goldproduktion zurückgegangen, betrage aber jährlich immer noch 60—70 Millionen Mark und ihre Aussichten seien niht {lecht, namentlich wenn erst zum ordentlißhen bergmännishen Betrieb übergegangen werde. Neuerdings sei in einem Dokument, das man gewiß nicht anfehten könne, versichert, daß die Goldproduk- tion in Australicn ciner bedeutenden Zukunst entgegen- gehe, wenn einmal auf die regelmäßige Ausbeutung der Quarzbergwerke übergegangen werde. Er verweise deshalb auf eine der neuesten Nummern des „Deutschen Centralblatts“. Man habe also keinen Grund, Deutschland aus Angst vor dem Ertrinken ins Wasser zu stürzen. Man frage immer, wie cs dann werden solle, wenn die ganze Welt die Gold- währung annehmen würde. Aber diese Weltpropaganda für die Goldwährung habe nie Einer von seiner Partei gemacht. Man könne die zukünstige Ausbreitung der Goldwährung voraussagen, ohne die Andern dazu zu treiben. Er hätte nichts dagegen, wenn andere Länder demnächst in Paris beschließen würden, für ih zur Silber- oder Doppelwährung überzugehen. Aber Deutschland habe es nicht nöthig, \sih die Köpfe für die anderen Nationen darüber zu zerbrehen, wie dieselben im Laufe der Zeit zur Goldwährung gelangen sollten. Der Abg. von Mirbach habe seine Behauptung, daß die Goldwäh- rung den Zinsfuß gesteigert habe, damit begründet, daß während eines kurzen Zeitabschnitts im Spätsommer die Bank ihren Zinsfuß hinaufgeseßt habe, um ihren Goldvorrath zu vertheidigen. Sol eine vorübergehende exceptionelle Maß- regel bilde keine Norm und beruhe wesentlich auf der Nothwen- digkeit, die Spekulation zu zügeln, damit keine gefährlichen Rüdschläge einträten. Hätte die Reichsbank übrigens seinen Rathschlägen zu Folge früher niht selbst dur ihre a T von Wechseln zu niedrigem Zinsfuß Geld zu wohlfeil gemacht, jo hätte sie auch im September und Oktober nicht nöthig gehabt, zu \{roffen Maßregeln zu greisen. Der Behauptung des Vorredners, daß es niht mögli sei, Silber zu verkaufen, widersprehe er heute wie früher. Es sei in den lehten 2 Jahren fortwährend möglich gewesen, Silber zu verkaufen Was geschehe denn mit den 4—500 Millionen Silber, die

jährlih in der Welt produzirt würden? Jm Jahre 187§ habe England sür 220 Millionen Mark Silber aus seinen Häfen verschifft, d. h. verkauft. Desterreih habe im Jahre 1880 für 70 Millionen Mark Silver verkauft und, wenn er nicht irre, im vorausgehenden Fahre für 24 Millionen Mark gekauft. Deutshland allein folle nicht verkaufen können. Deutschland sehe zu, während Andere die besseren Konjunkturen benußten. So wieder jeßt die eng- lishe Regierung, als auf die Nachriht von der Konferenz die Spekulation den Silberpreis auf 53 getrieben gehabt habe, der jegt wieder auf 52 gefallen sei. Hätte Deutschland nicht die Silberverkäufe \istirt, so würde es heute noth besser stehen, als es ohnedies der Fall sei, Die Unkosten der Münzreform ständen durhaus nicht im Mißverhältniß zu dem Vortheil, den die Sache gebraht habe. Deutschland habe ctwa 40 Millionen Mark davon verausgabt. Sollten die Kosten selbst auf 100 Millionen gehen, so wäre das nicht enorm. ‘Die englische Münzreform im Jahre 1825 habe etwa 94 Millionen Mark gekostet. Ziehe man die Bevölkerungs- zahl und den Geldwerth jener Zeit in Betracht, so entspräche das wohl einer Summe von 200 Millionen Mark. Die viel disputirte Streitfrage, ob die Entwerthung des Silbers durch Deutschland hervorgerufen worden sei, wolle er hier nicht wieder aufnehmen, da sie doch zur scließlichen Lösung der praktischen Frage heute nicht dienen könne. So viel wisse er nux, hätte: Deutshland Anfang der 70er Jahre Silber- oder Doppel- währung angenommen, die anderen Länder wären wegen ihres Goldes nicht in Veriegenheit gerathen, und wenn Deutschland jeßt in Verlegenheit wäre, wie Frankrei und Amerika es seien, so würden diese, wenn Deutschland sih an fie wendete, wahrlich ihre Dienste Deutschland“ nichi ent: gegenbringen. Der Konferenz sehe er ganz ruhig entgegen. Er habe keinen Grund, der Versprehung von Staaten, die Behufs des allgemeinen Besten zusammenträten, ein negatives Prognostikon zu stellen. Auch würde das an dieser Stelle niht schr passend sein. Er werde geduldig warten, was die Konferenz ausfindig machen könne. Nur auf dem Standpunkt bleibe er fest, daß er überhaupt ein entshiedener Gegner von Vertrag und Vertragsverhält- nissen sei, durch welche ein Land sein ganzes Münzwesen an dasjeniae eines anderen Landes binde. Diesen Sta::dpunkt hätten auc die verbündeten Negierungen schon bei dem 13- gesey angenommen. Ein Münzwerth, der nicht auf dem Marît- preis, sondern auf der geschlichen Bestimmung einer Konvention beruhen solle, sei überhaupt kein Münzwerth, sondern eine Fik- tion. Der Kampf der Negierungen gegen den natürlichen Gang der Dinge, den sie zur Anerkennung geseßlicher Werthvor- christen zwingen wollten, sei so alt wie die Münzgeschichte. Das Silber lasse si nicht mehr in den Verkehr zwingen, Amerika und Frankreih hätten das zur Genüge erfahren müssen. Auch die Pariser Konferenz werde das nicht ändern können. Es sei ihm ganz lieb, daß sie beshickt werde. Möch- ten die deutschen Delegirten hören und berihten. Ueber den Ausgang sei er ganz beruhigt. Handelte es si blos unr Fragen der inneren Wirthschast, so würde er, da er darin fein ungemessenes Vertrauen in die Anschauungen des Neichs- fanzlers seße, niht ohne Besorgniß scin. Aber zum Glüd liege die Sache auf internationalem Boden und da habe der Reichskanzler ein s{harfes Auge und derselbe werde Deutsch- land nicht über den Löffel barbieren lassen.

Der Abg. von Lenthe erklärte, seine politischen Freunde und er hätten die Münzgeseßgebung nicht als eine politische Parteifrage angesehen. Demgemäß sei das Centrum auch ge- theilter Meinung über die Vortheile oder Nachtheile des Münzgeseßes vom Jahre 1873 gewesen und fei es noch heute. Er habe sich für das Geseg erklärt, während sein Freund Grothe dagegen gewesen sei. Er sei der Meinung gewesen, daß, wenn Deutschland nicht zur Sens übergehen würde, die anderen Länder, namentlich Frankrei, zum Scha- den Deutschlands demselben zuvorkommen würden. Er habe mit einem Theile seiner Freunde die ‘größten Bedenken gegen die Doppelwährung gehabt. Der Erfolg habe gezeigt, daß er si in seinen Vorausseßungen vollständig geirrt habe. Die Vorausseßung, unter der seine Partei das Geseß von 1873 angenommen hätte, sei gewesen, daß das Gold zum Silber stände wie 1: 15!/, und daß dies Verhält-

niß auch in Zukunft so bleiben würde. Er wolle zugeben,

* daß die Motive jenes Gesetzes, wie der Minister Camphausen

alle Ursache gehabt hätten, diese Hoffnung zu hegen ; denn so lange die französishe Doppelwährung bestanden habe, wäre es eben unmögli gewesen, daß tas Verhältniß ein anderes ge- worden sei. Die Ansichten seien allerdings hon damals über diesen Punkt auseinander gegangen. Er mache ja au Niemandem einen Vorwurf über secine Abstimmung. Allerdings aber mache er denen einen Vorwurf, welche die Schule der Monometallisten genannt seien. Diese Schule trage die Schuld daran, daß so unendlihes Unheil über die Erde gekommen sei. Man sei den Lehren dieser Schule in Deutschland zuerst im Jahre 1857 gefolgt, als Deutschland mit Oesterreich einen Münzvertrag abgeschlossen gehabt habe, wodurch die alleinige Silberwährung in Deutschland eingeführt sei. Man habe bis dahin Jahrhunderte hindur unter der Doppelwährung in Deutschland zufrieden gelebt. Von dem Augenblick sei die Klage entstanden, daß der Bedarf an Geld nicht genügend gedeckt würde. Nun seien die Monometallisten gekommen, welche das Gold als auss{ließlich bereh- tigtes Verkehrsmittel erklärt hätten. Dies sei auch vout internationalen Kongreß im Jahre 1867 anerkannt. Deutschland hätte die Doppelwährung auch weiter erhalten können, wenn es sich durch einen Vertrag mit Frankreich geeinigt hätte. Man habe es leider nicht gethan, und nun träten alle die schweren Schädigungen ein, welche damals schon von den Gegnern der Goldwährung prophezeit seien. Ein großer Theil des Publikums wisje freilih nit, wie tief und wie s{hädigend die Goldwährung in alle Verhältnisse des Vol- kes eingreife. Er behaupte, daß ein großer Theil der deutschen Münzen durch die Goldwährung entwerthet sei, so daß es auf die Dauer gar niht mögli sei, mit diesem Münzsystem P arbeiten. Die 427 Millionen Mark Scheidemüinze, welche n der leßten Zeit ausgeprägt seien, seien um 25 Proz. unterwerthig, ein Fünfmarkstück habe nur Werth von 31/4 #& Wenn das s\o fortgehe, so ke dies vollständig unhaltbar. Denke man nun den Fall, daß ein Krieg einträte, in welhem die Einlösung der Silbermünzen suspendirt werde, müßten da nicht die nme- deren Klassen, welhe nur im Besi von Silber seien, \{hwer gear gt werden? Aber auch im Falle der Es würde ih ein bedeutender Nachtheil für den Staat zeigen, denn erfahrungsmäßig sei die Summe des eingezogenen Geldes in Folge von Falshmlinzerei er könne sich dem Glauben nicht

einen reellen

vershließen, daß au jeßt eine große Masse falscher Scheide- münze im Umlauf sei viel größer sei als die des an- gegebenen. Die Goldwährung führe aber au eine Schädi- gung der Silberproduktion mit sich, welche den Silberbergbau reduzire und durch die Hunderte von Bergarbeitern iùÿren Unterhalt verlören. Außerdem habe das deutsche Münzsystem, das niht mit den Münzsystemen anderer Länder übereinstimme, noch einen anderen {weren Nachtheil für die inländishe Produktion. Das jeßige Münzfsystem er- leichtere den Jmport aus Silberländern und ershwere den Export nach denselben und habe die Folge, daß der Verkehr zwischen Deutschland und den anderen Ländern mit anderem Währungssystem sehr unsicher, wenn niht unmögli gemacht werde, da Der Kaufmann nie eine sihere Spekulation machen könne. Der Kardinalpunkt der ganzen Frage sei aber, daß die Goldwährung eine Kontraktion des Geldes der allernach- theiligsten Art zur Folge habe. Das erste Erforderniß des Geldverkehrs sei seine Stabilität. Das Steigen und Fallcn der Münzen sei vom Uebel. Die Stabilität hänge ab von der Menge der im Umlauf befindlichen Münzen. Die wirklich vorhandene Kontraktion des Geldes, wie sie das jeßige Münzsystem mit sich führe, sei deshalb äußerst jchädlich. Diese Kontraktion werde ih noch steigern, wenn Deutschland bei der Goldwährung bleibe und noch mehrere Staaten si derselben anschlössen. Zu Gute käme jie nur den Kapitalisten, der Grundbesit, der Geschäftsmann, der kleine Gewerbetreibende, vor Allem der deutsche Arbeiter werde dur dieselbe auf das allerempfindlichste geschädigt. Die Ge- schäste könnten nur gut gehen, wenn reihlihe Geldmittel vor- handen seien; das Silber demonetisiren, heiße der Fndustrie das Herzblut abzapfen. Déx Abg. Bamberger meine freilich, die Silberwährung sei ein der deuts&en Nation unwürdiges Münzsystem, man müsse sich auf ven hößeren Standpunkt der Goldwährung stellen, die deutschen Portemonnaies seien für das Silber ja auc zu klein! Das sei der Standpunkt der oberen Zehntausend, niht des deutschen Arbeiters, der lieber mit Silber als mit Gold verkehre. Wenn der Abg. Vamberger dann meine, daß si das Verhältniß von Silber und Gold nit nachweisen und geseßlih fixiren lasse, fo widerspreche dem die Lehre von Angebot und Nachfrage. Aus dem Gesagten gehe hervor, daß die Goldwährung in der That sehr bedenflihe Nachtheile habe. Dies scheine denn auch Eng- land exkannt zu haben, wo sih eine starke Strömung für die Doppelwährung bemerkbar mache. Er habe die Hoffnung, daß die deutsche Regierung auf der bevorstehenden Konferenz zu Paris dahin wirke, daß den gerechten Klagen über das deutshe Münzsystem abgeholfen werde.

Der Abg. Dr. Delbrü bemerkte, er müsse aus\pre&en, daß ihm die Münzkonferenz nihts weniger als unerwünscht komme und er sehe den Ereignissen mit großer Ruhe ent- gegen, weil nämlich der Bundesrath im vorigen Jahr erklärt habe, es sei kein Grund vorhanden, von der Münzgeseb- gebung vom Jahre 1871 und 1873 abzuweihen. Die Münz- konferenz würde seine Sympathie haben, wenn sie zu Maß- regeln gelangen würde, die den Silberpreis höben. Er müsse der wiederholt ausgedrückten Meinung des Vorredners ent- gegentreten, daß Deutschland früher Doppelwährung gehabt habe. Jn Deutschland habe man die Doppelwährung nie gekannt. Jn Preußen, Deutschlands größtem Staat, sei Niemand verpflichtet gewesen, Zahlungen in Gold anzu- nehmen, und wenn für die Friedrichsd'ors ein bestimniter Preis festgeseßt sei, so sei das nur eine Hülfe für die Kassen- beamten gewesen; keine Doppelwährung. Der Vorredrer sage, erst dur die Münzkonvention von 1857 sei in Preußen ie Silberwährung eingeführt worden, dabei hätte der- selbe aber gleich bis auf die Konvention von 1838 zurügehen können, denn sie bestimme genau dasselbe. Es handele sich also nicht um eine Rückehr zur Doppel- währung, sondern darum, ob man das Experiment überhaupt machen wolle. Der Vorredner habe ein trauriges Bild von den jeßigen Zuständen entworfen, er wolle nicht schildern, wie es gekommen wäre, hätte man 1871 und 1873 statt die Gold- währung einzuführen, die Silberwäbrung beibehalten. Man höre immer die unbegründete Behauptung, daß Deutschland durch seine Münzreform zum Sinken des Silberpreises zwar etwas, aber nur in ganz geringem Verhältnisse beigetragen habe. Ziche man in Erwägung, daß von 1871 bis 1879 die gesammte Silberproduktion ctwa 3420 Mill. Mark betragen habe, die India council bills 2000 Mill. und die deutshen Verkäufe 600 Millionen, so würde man zur Ueberzeugung kommen, daß die wesentlichen Momente nicht in den dèutschen Silberverkäufen gelegen hätten. Den wesentlichsten Einfluß auf die Ent- werthung des Silbers habe das Verhältniß der englischen Regierung zuJndien gehabt. Sonst sei die Handelsbilanz zwischen England und Jndien in efffektivem Silber ausgeglichen ; der dadurch herbeigeführte Abzug an Silber habe etwa 300 Mil- lionen Mark betragen. Nun habe aber die englische Regie- rung in Judien Kriege geführt und zu ihrer Besireitung An- leihen gemacht, deren Zinsen Fndien zur Last gelegt seien. Da- her folge, daß in England, wo die Besißer indisher Bons der Hauptsache nah seien, große Summen jährlih aus Indien zu zahlen seien ; d. h. die englische Regierung zahle die Zinsen a conto der indishen und ziehe dafür auf die indische Regie- rung diese sogenannten India council bills, Diese scien in einem großen Maße an Stelle der früheren Silbersendungen nah Jndien getreten, und um so viel sei die Silberausfuhr nah Jndien vermindert worden. Nun habe der Vorredner von der Entwerthung der deutschen Silberscheidemünzen ge- \sprochen ; er gebe demselben zu, daß die deutshen Silbermün- zen statt ursprünglih 10 Proz. jeßt 25 Proz. unterwerthig eien. Er bestreite aber durchaus, daß durch dieses Ver- hältniß die Bevölkerung geschädigt werde. Er bestreite das, o lange die Ausprägung von Silbermünzen ih inner- u der Grenzen halte, die der Verkehr unbedingt erfordere.

onst hätte man ja auch im Münzgesey nicht die Unter- werthigkeit von 10 Proz, annehmen dürfen. Die Furcht des Vorredners vor Falshmünzerei theile er niht, denn die Er- fahrung lehre, daß Falschmünzerei mit großen Anla ekapitalien nicht vorkomme und daß ih dieselbe auch hauptsächlich auf das Papiergeld lege. Die tehnishen Schwierigkeiten würden auch sehr groß sein und bald zur Entdeckung eines solchen Geschästes führen. Die Sache sei jet anders als bei den E 4 alten abgegriffenen Münzen, die man angenommen abe, wenn sie nur etwas rund gewesen sein, Der Vor- redner habe dann von der Silberproduktion gesprochen. Er begreife, daß die Silberproduzenten es {wer empfänden, daß sie niht mehr die privilegirte S enössen, daß ihr Produkt einen festen Preis habe, sondern op sie jeßt auf der upfer- und Er glaube aber nit, daß der Staat

Bet Linie mit ihren Kollegen von der Eisen-,

leibranche ständen.

die PfliGt habe, Maßregeln zu ergreifen, um diese Privilegien zu {ügen. Er have schon gesagt, daß Deutschland nur zum kleinsten Theil {chu1d sei, daß das Silber entwerthet sei. Uebrigens gehe ein Viertel der gesammten Silberproduktion Deutschlands aus ausländishen Erzen hervor. Die Si- tuation der Silberverkäufer könne also keine so s{limme sein. _Desterreih und Rußland gegenüber sei es wirklich gleichgültig, ob Deutschland Doppelwährung habe oder Gold- währung. Die wecselnde Valuta dieser Länder würde die Deutschen bei Forderungen, die die Deutschen an diese Länder hätten, unter allen Umständen schädigen. Das sei unbequem, stehe aber in keinem Zusammenhang mit dem Münzgeseße. Daß Deutschland durch die Silberverkäufe Verluste gehabt hätte, und noch weitere leiden würde, bestreite er nicht. Die Kardinalfrage sei nur, od die Herstellung eines stabilen Münzsyilems, wie die verbündeten Regierungen und der Neichstag es durch die Goldwährung erzielen wolle, diese Opfer werth jei. Ziffermäßig lasse sih diese Frage nicht be- antworten. Er bejahe sie aber aus voller Ueberzeugung. Die erste Vorausseßung eines guten Münzsystems, dieStabili:ät, habe das deutsche Münzsystem; der Vorredner habe nicht nachgewiesen, daß etwa die Preise gesunken wären. Es sei kaum möglich, jeßt {hon einen Einfluß der Goldwährung auf die Preise nachzu- weisen. Alle Waaren, die man zu einer folchen Vergleichung benußen könnte, könne man nur für längere Zeiträume be- nußen; der einzige Artikel, der cinen Weltpreis habe und nig;t zu fehr fluktuire, weil derselbe in Europa nit erzeugt werde, fei der Kaffee. Die Preise hätten sich in Hamburg zwischen 50 und 60 pro Centner bewegt während der Sil- berwährung; seit der Einführung der Goldwährung seien fie gestiegen auf 80 und wieder herabgegangen, aber sie ständen immer noch über 60 # Die Goldwährung babe also ein Herabdrücken der Preise nicht zur Folge gehabt. Wenn dexr Vorredner sich auf die Schrift von Sueß berufen habe, welhe die Abnahme der

Goldproduktion prophezeie, so müsse er darauf hinweisen, daß

der Verkehr si Jnstitutionen schaffen werde, um mit weniger baarem Gelde auszukommen. Vit der Gleichheit der Geld- stücke in den verschiedenen Staaten sei noch feine Gleichheit des Courfes und Zinses herbeigeführt. Der UebergangSszu- stand, in welhem sich die gesammte Welt den Edelmetallen gegenüber befinde, ershwere die Berechnung. Weil das Werthverhältniß zwishen Gold und Silber Sache des Ange- bots nnd der Nachfrage sei, könne man es nicht geseßlich fixiren. Auf das Projekt eines Weltmünzvertrages wolle er nicht eingehen. Er könne nur bestätigen, daß man sich in solchen Dingen überhaupt gar nicht auf lange Zeit binden fönne und er fei der Ueberzeugung, daß die Reichsregierung diesen Say ebenfalls befolge.

__ Hierauf ergriff der Bevollmächtigle zum Bundesrat Staatssekretär des Reichsschazamtes Scholz das Wort :

Meine Herren! Der Verlauf der Verhandiungen würde anschei- nend nit nôtbigen, Namens der verbündeten Regierungen das Wort zu ergreifen; ein Artrag, auf d:fsen Annahme oder Ablehnung es ankâme, liegt nit ror, und die särmtlihen Reduer, die gesprocen haben, haben mehr oder weniger ibr Vertrauen gegenüber der Neich8- regierung auch in dem jetzigen Zeitpunkt ausgesproch:n, so daß zu einer Erwiderung hierauf ein unmittelbarer Anlaß; kaum gegeben erscheint. Ich glaube abcr, es würde vielfah mißgedeutet wer- den, wenn in einer so umfassenden Verhandlung über eine die öfentlice Meinung dcch seit lange und im hohen Maße bewe- ger de Frage ein gänzlices Schweigen von diesem Tisch aus beob- achtet werden sollte. J erlgub? mir deshalb, kurz zu erklären, das die Stellung der verbüadeten Negierungen gegenüber der Münz? frage beute im Wesentlichen noch ganz dieselbe ist, wie im vorizen Jahre, als im hohen Hause hier über die Frage verhandclt wurde, Die verbündeten Regierungen sind der Meinung, daß der Status quo im Wesentlichen auch ferner aufrecht zu erhalten ift, und das ift ja auch s{oa, wenn ic so sagen darf, in konfludenten Hand- lungen hervorgetreten, indem der Etat, der ja sonst, wenn irgend ein Beschluß in der Richtung vorlâge, oder irgead eine Absicht die prak- tische Lusfükhrurg vorbereiten müßte, nichts zur Sache enthält; Sie haben daraus son von Neuem entnehmea können, daß cine ver- änderte Stellung der verbündeten Regierungen nicht vorliegt.

Die Beibehaltung der bisberigen Stellung erstrekt si aker auch auf die Beibehaltung der Einstellung der Silberverkäufe, und in diesem Punkt hat der Hr. Abz. Bamberger Unrecht gehabt, die Regierung anzugreifen, weil i im vorigen Jahre hier die Ehre ge- abt babe, auédrüdiich zu erklären, daß. wenn der Neiiêtag in sciaer Miehrheit eine entschiedene andere Auffassung von der Sache hätte und die Einstellung der Silberverkäufe für #Lädlich für die Nation hielte und diese seinc abweichende Ansicht in ciner Resolution mit eotsprehender Majorität au?- drückte, die verkündeten Regierungen sehr bereit scin würden, diese Frage voa Neuem gegenüber einer sclch(en Aeußerung des Reichstags in Erwägung zu ziehen. Der Hr. Abg. Bamberger wird mir aber zugestehen müfßsen, daß au nicht der Versuch gemacht ist, eine solche Resolution zur Ännahme zu bringen, gesbweige daß sie erfolgt ift, Jh mötte für diejenigen Herren, welchen es über das, was ih ebea gesagt hake, hinaus von Interesse ift, die persönliche Ansicht des Herrn Neichékanilers zu vernehmen, mittbeilen, daf ter Herr Reictbfkanzler gehofft hatte, es würde ibm sein Gesund» beitézustand erlauben, heute hierher 1: kommen, weil ihm selbft daran lag, seine persönliche Ansicht zur Satte zu äußern. Da es nicht der Fall iîr, habe ic in cinem Buftrage besonders mitzutteilen, daß ter Herr Reichtkanzler diese Aufrebterhaltung des Status quo, wie sie der Auffassung der verbündeten Regierungen entspricht, persönlich auc als das Richtige ansieht. Er ist der Meinuna, daß in dieser ganzen Frage das non liquet zur Zeit noH so stark sci, daß es nicht rättli% wäre, jeßt irgend einen entsbeidenden Schritt zu untcr- nebmen, weil man nicht wissen könnte, ob man ihn nicht demnächst ¿u bereuen haben würde. Der Herr Neichskanzler ist namentli in einem Punkte davon durbdrungen, taß dieses „non liquet“ vorli:gt in dem Punkt, ob der Goldbestand, der auf der Welt vorhanden ist, in Wirklichkeit ausreihend sein sollle, um die Goldräh- rung überall da zur vollen Durchflihrung gelangen zu lassen, wo sie {on angenommen is, geshweige ausreihen solite, wenn die Goldwäßrung noch in weitere Gebiete dringen sollte, als wo sie {on angenommen is. Ec ist der Ansicht, daß man cinem solhen allmählich zunehmenden, stärker hervortretenden und sid stärker geltend machenden Goldmangel wohl ins Auge zu sehen habe, daß die Folgeau davon aber für alle Betheiligten, au für ein Land, welches sich mehr oder we- niger s{on im Besiße von Goldmengen befindet, in der \{limmsten Weise ih geltend machen müßten. Es kommt ihm vor etwa wie cine Dee, die für zwei Personea nit ausreiht, und von der jeder sich nun bemüht, das zureihente Stück zu bekommen, So würde, wenn der Goldmangel erst in tas Bewußtsein der Betheiligten tr tt, cin fortwährendcs Ziehen an der Decke staitfinden und ein fortwäß- render Kampf um das vorhandene Gold entstehen, dessen lible Folgen auf die wirthscastlihen Verbältnisse aller Betheiligten ganz pweifel- los seien. Der Herr Reichskanzler ist der Mcinung, daß diese Folgen richt etwa blos in dem Verhältniß ein- treten würden, wie das Maß der Unzulängli(hkeit dieser Déede, sontern in einem Vielfahen davon, Wenn bei einer drobenten Hunger?noth zu kalkuliren ift, daß vielleicht 1 °/9 an den röôlbigen Getreidevorräthen fehlt, so steigen die Preise nit in

üblen

dem Varbältniß des feblenten cinen Prozents, sondern alle Welt

suHt sid gegen den Mangel zu {üßen, und die Preiésteigerung wird viel größer und dröckender, ais blos im Verhältniß des wirflichen Mangels. Der Herr Neichékanzler ift nah aufmerksamer Beoba2ch- tung aller Zeichen, die mehr und mehr zit der Siftirunz der Silber- verkäufe eingetreten sind, der Meinung, daß thecretiste Erwägungen und wissenschaftlihe Berecbnungen der angedeuteten Sorge gegenüber absolut keinen Schuy gewähren. Nah den Erfahrunge:, die män in dieser Bezieburg auf vem cngen Raume von Deutsland allein gemadt babe, wo man \sich über den Silbermünzenumlauf so außer- ordentlih habe täuschen fönnen, daß man desscn Umfa-g beim Uebergang zur Goldwährung auf etwa 7 bis 80) Millionen Mark geschäßt habe, während man heute, nabdem foviel von dem groben Courantsilber eingezogen ift, sich zu ciner S{äßung jenes Umlaufs auf ca. 1} Milliarden Mark genöthigt see, rab der Crfahrung sage ich, daß eine selie Täuschung habe stattfinden können auf diesem kleinen be: renzten ebiete, sei es noŸ viel weniger mögli, si zu berubigen bei der theorctisch freilih vielfach vertretenen Bzhauptung daß ein Goldmangel nicht zu besorgen sei. Er besorgt, daß diese Frage eine erasthastere Bedeutung habe, als die Herren geneigt sind, ihr beizulegen. wele das Haus darüber zu beruhigen versudt haben, wie der Hr. Abg. Bamberger, der dies au heute dadur zu thun versucht bat, daß er auf die Geldankäufe, diz die Bank im vorigen Fahre gemacht hat, verwiesen hat und auf die Goldprodufktion, die von SOO0 auf nur 400 Millionen zurückgegangen sei, ein erhebliber Rückzang immerhin und nicht beruhigend gegenüber der Möglichkeit, daß die _Soldwährung noc weiter fortschbreite, weitere Anbänzer unter den Nationea gewinne, zu ibrer Durchführung mehr Goldmassea ita Anspruch nehmen müss: als bisher. Der Herr Reichskanzler ift abe {ließli der bestimmten Ueberzeugung, daß ißm nicht obliegen werde, in dieser Sache irgendwie reglementarisch vorzugehen, daß er vielmehr die Maßnahmen, die sib demnäHit als nothwendig erweisen werden, den verbündeten Regierungen nicht Llo®, sondern anb dem hohen Hause als Gesetgebungsmaßregeln werde z1 unterbreiten haben, und daß Sie also Gelegenheit haben werdea, bei jedem entschetiden- den praktishen Schritt, der weiter geschieht, Ihc Votum mit in die Wagscale zu werfen.

In solcher Auffassung dec Sachlage ist denn nun auch diz Ein- ladung zu der bevorstehenden Münzkonferenz in Paris von dem Herrn Reichskan;ler annehmend beantwortet worden, und id mête nur hinzufügen, daß diese Konferenz nicht darauf gerictet ist, unmittelbar praftisde Vereinbarungen herbeizuführen, irgend Verträze schon vor- zubereiten, sondern tuß sie nur zu einer Besprebung der Frage be- stimmt ijt, daß sie angenommen ist ohne jedes Prâjudiz für unfece eigenen Verbästnisse, daß sie angenommea ist nibt zu einer Verein- barunz über Dinge, bei denen der Eine zu gewinnen häite, was der Andere verlieren müßte, fcndern angenommen worden ist zur Bes sprebung möglicher Abhülfe gegenüber einem g: meinsamen Mangel, möglicher Vorbeugung gegenüber einer gemeinsamen Gefahr, die in der Zukunft große Dimensionen annehmen êTöante.

Der Abg. von Kardorff bemerkte, er würde nah der Er- klärung des Staatssek-etärs auf jede weitere Ausführung ver- zihtet haben, wenn er niht wenigstens eine der Bemerkungen des Abg. Delbrück richtig stellen müßte. Derselbe habe be- hauptet, daß die Entwerthung des Silbers vorzugêweise dar- aus zu erklären sei, daß die englishen Sendungen von Silber nah Asien dur die Council bills erseßt worden seien. Soéett- beer weise dem gegenüber ziffermäßig nach, daß der Ein- fluß der Silbersendungen nah Asien auf den Preis des Sil- bers so gering gewesen seien, daß troß gesteigerter Ausfuhr der Werth des Silders gesunken sei. Den Abg. Bamberger erinnere er daran, daß sämmtliche Vorausseßungen, von denen derselbe bei der Einführung der deutschen Goldwährung aus- gegangen sei, si nicht bewahrheitet hätten. Derselbe hätte da- mals behauptet, alle Kulturländer würden gezwungen sein, zur Goldwährung überzugehen; das Beispiel Amerikas be- weise das gerade Gegentheil. Derselbe habe ferner angenom- men, das vorhandene Gold werde ausreichen, nicht allein den Bedarf Deutschlands, sondern auch den Bedarf aller anderen Länder zu deckenz angesichts der erheblihen Verringerung der Ausbeute in Amerika werde dies niemand mehr glauben. Endlich habe der Abg. Bamberger behauptet, daß das Verhältniß des Silbers zum Golde, wie 1 zu 150% ein dauerndes sei, und somit ein Fallen des Silberpreises in Folge der Einführung der Goldwährung bestritten. Die Erfahrung have auch hier das Gegentheil gelehrt. Unter solchen Uniständen habe er (Redner) es mit Freude begrüßt, daß Deutschland \ih bereit erklärt habe, die Münzkonferenz in Paris zu beschickden. Er hoffe, daß es möglih sein werde, zu einem geeignetén Abkommen zu gelangen, welches die Zn- teressen Deutschlands in vollem Umfange wahre. Sollte England zu einem Uebereinkommen nicht die Hand bieten, so würde er es allerdings niht für zweckmäßig halten, an der Einstellung der Silberverkäufe unbedingt festzuhalten. Es würde genügen, einen geringen Betrag des deutshen Silber3 an den Markt zu bringen, um den Preis desselben erheblich zu werfen. England würde hierdurch, wie in dem dortigen Parlament ausdrücklich anerkannt worden sei, auf das Empfindlichste betroffen werden.

__ Der Abg. Sonnemann erklärte, ev habe nur noch das Wort genommen, um seiner Freude darüber Ausdruck zu geben, daß Deutschland nach der Erklärung des Vertreters der Regierung auf dem Pariser Kongresse lediglich aus Courtoisie ersheinen werde, um die dortigen Verhandlungen ad rele- rendum zu nehmen. An den Abschluß eines internationalen Münzvertrages sei somit vorläufig niht zu denken. Daß England seine Valuta niht aufgeben werde, stehe von vorn herein fest. Wenn die Regierung erkläre, daß der status quo bis zu einem anderweitigen Beschluß des Reichs- tages unbedingt aufceht erhalten werden solle, so halte er eine solhe Versicherung doch nicht für unbedenk- lih, und der Reichs!ag könne die Verantwortlichkeit dafür nicht übernehmen. Selbst der Vorredner, der Führer der Bimetallisten, habe bereits anerkannt, daß Verhältnisse ein- treten könnten, unter denen die Wiederaufnahme der Silber- verkäufe räthlich erscheinen könnte. Wolle die Regierung in Paris den übrigen Staaten entgegenkommen, so könne sie allenfalls die Verpflihtung übernehmen, jährlich nicht mehr als 50 Millionen Mark Silber zu verkaufen. Hierdurch würde die allseitige Furcht, daß Deutschland plöglih den Markt übershwemmen könnte, beseitigt. Ueber diese Zusage hinaus dürfe man keinen Schritt gehen.

Die Debatte wurde hierauf ges{hlossen und die Denkschrift

dur Kenntnißnahme für erledigt erklärt.

M * ait vertagte ih das Haus um 5 Uhr auf Freitag L.