1881 / 63 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 15 Mar 1881 18:00:01 GMT) scan diff

Coblenz, dessen Bedürfniß das Haus allerdings anerkannt habe, wünshe er noch aufgeschoben, jeßt sei allerdings die Sache so weit gediehen, daß man die geforderte Summe nit gut werde verweigern können. Auch in diesem Jahre werde gegen das Vorjahr für Neubauten ein Plus von 1 Million Mark gefordert. Die Finanzlage des Reichs lasse aber doch eine größere Sparsamkeit geboten erscheinen. Wenn der Staatssekretär Dr. Stephan an der Spige der französischen oder englishen Post- verwaltung stände, könnte derselbe sich diesen Luxus gestatten ; derselbe dürfe aber nicht vergessen, daß Deutschland ein kapital- armes Land sei und daß das Reih wie die Einzelstaaten si in finanzieller Bedrängniß befänden. Dürfe man nun nicht hoffen, daß auf dem Gebiet der Post- und Telegraphenver- waltung mit den kostspieligen Bauten endlich ein Ende ge- macht werde. Es sei do ein ziemlich auffallender Kontrast : aueie Gebäude und darin s{chlecht besoldete, unzufriedene eamte.

Der Staatssekretär Dr. Stephan erklärte, ein ab- soluter Ruhepunkt bei den Postbauten sei selbstverständlih unmöglich; die Zahl der großen Bauten sei nun zu Ende bis auf die 5 in Breslau, Hamburg, Lübeck, Cöln und Aachen, die noch ausgeführt werden müßten. Die Bedürfnißfrage für Coblenz sei im Vorjahre von der Kommisfion nach reif- liher Erwägung bejaht worden, auch litten die Sicherheit des Dienstes und die Verkehrsbedürsnisse einen weiteren Aufschub der Bauten für Leipzig und Coblenz nicht mehr.

Der Abg. Dr. Witte (Rosto) bemerkte, er könne dem Staatssekretär bestätigen, daß in dem im gothischen Styl ge- haltenen Postgebäude in Rosto die größte Zweckmäßigkeit mit den vortrefflihsten Einrihtungen verbunden und dabei mit der möglihsten Sparsamkeit verfahren sei. .

Der Abg. Nömer (Hildesheim) bedauerte, daß Seitens der Abgg. Berger und Stumm so wenig Werth auf die künstlerishe Ausführung der Reichsgebäude gelegt werde. Selbst den Bau eines Reichstagsgebäudes shiebe may von Fahr zu Jahr hinaus, gleihsam als ob jeder derartige Bau ein nationales Unglück wäre. Wenn man mit Recht Hundert- tausende für die Ausgrabungen in Olympia und für die per- gamenischen Alterthümer bewilligt habe, dann verstehe er nicht, wie man bei den jeßigen Bauwerken in Deutschland mit solcher Sparsamkeit und Beschränkung alles dessen, was zur Verschönerung beitrage, verfahren könne. Ein Bauwerk, das allen Ansprüchen der Schönheit genüge, habe doch denselben wohlthätigen Einfluß auf die humane Bildung des Volkes wie werthvolle Gemälde, die das Deutsche Reih mit großen Mitteln für die Museen erwerbe.

Der Abg. Dr. Reichensperger (Crefeld) entgegnete, den Einwand, den der Staatssekretär gegen einen einheitlichen Stgl erhoben habe, verstehe er niht. Sei denn niht JFahr- hunderte lang der ganze Occident von dem gothishen Baustyl beherrscht gewesen? Und do werde der Staatssekretär gewiß nicht behaupten wollen, daß die Bauwerke jener Zeit einen langweiligen und monotonen Eindruck machten. Aber man müsse den gothischen Styl freilich beherrshen; probiren fei das gerade Gegentheil von fkunstvollem Schaffen. Die Eng- länder hätten gar feinen Anstand genommen, einen überaus Manataves Justizpalast in diesem Styl gegenüber der im

enaifsancestyl gehaltenen Paulskirhe zu erbauen.

Der Abg. Berger bemerkte, der Abg. Römer habe die Majorität der Kommission und ihn einer Art Vandalismus beschuldigt. Einen derartigen Vorwurf könne er ih heute an dem hundertjährigen Geburtstage Schinkels um so weniger gefallen lassen, als er sich bewußt sei, im preußishen Abgeord- netenhause für die Fnteressen der Baukunst mit allen Kräften eingetreten zu sein. Was das Reichstagsgebäude betreffe, so würde der Reichstag gewiß mit großer Freude {hon die Mit- tel dazu bewilligt haben, wenn die Regierung einen ange- messenen Plat dafür vorgeschlagen hätte.

Die Titel 17 und 18 wurden nach den Kommissions- beshlüfsen genehmigt.

Bei Tit. 19 („Zur Herstellung eines neuen Dienst- gebäudes auf dem Postgrundstückle an der König- und Spandauerstraße in Berlin, III1, Bauabschnitt, erste Rate“) beantragte die Kommission von der in Ansaß gebrahten Summe von 200 000 M 50 000 M abzuseßen, mithin nur 150 000 zu erg i

Der Abg. Berger verwahrte sich gegen den Vorwurf, als lege er zu wenig Werth auf architektonishe Ausstattung der Gebäude. Ein Beweis für das Gegentheil sei die freundliche Gesinnung der Berliner Architektenschaft, die ihn, den Red- ner, zu den beiden Festtagen des 100:jährigen Geburtstages Schinkels offiziell eingeladen hätte.

Der Kommissionsantrag wurde angenommen.

Die ersten Raten für den Bau der Dienstgebäude in Eschwege (Tit. 22), Charlottenburg (Tit. 25), Zittau (Tit. 26) und Wilhelmshaven (Tit. 27) wurden unverändert genehmigt, die Gesammtbaukoften dagegen von resp. 140 000 auf 120 000 M, von 180 000 auf 150 000 #, von 216 000 auf 200 000 M und von 211 000 auf 200 000 M ermäßigt.

Der außerordentliche Etat, Kap. 4a., verlangte in Tit. 1—4 für Fortführung der unterirdishen Telegraph:n- leitungen und für die Vervollständigung der Rohtpostanlagen von Berlin und Charlottenburg insgesammt 5 635 000 M, womit eine neue Linie, Côln—Aachen, neugelegt, die Linien Müncheberz— Posen— Thorn und Berlin—Stettin—Cdslin—

Danzig vollendet werden sollen. Für die Rohrpost find noch 222 000 H erforderlich.

Zur Begründung dieses Titels nahm der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staatssekretär des Reichs-Postamts Dr. Stephan, wie folgt, das Wort:

Meine Herren, wir steben bier an einem Wendepunkt in der Oekonomie der ganzen Verwaltung insofern, als mit dieser leyten Rate die Aera der Anleihen für das Telegrapbenwesen abgeschlossen ift, falls niht neue und augenscheinlih wichtige Entdeckungen und Erfindungen auf diesem Gebiet dem Genius unseres Jahrhun- derts noch vorbehalten tein sollten. Jch glaube, es wird für das bobe Hauvs von Interesse sein, in diesem Moment eine

entbehrten. Der zweit: Hauptpunkt war die Herstellung eines unters irdischen Telegraphennetzes, um alle Nachtheile zu beseitigen, die mit den oberirdishen Leitungen wegen ihrer Abhängigkeit von einer Menge äußerer Einflüsse nothwendigerweise verbunden find, um dadurch von Handel und Wandel die großen Störungen abzu- wenden, welbe an oberirdishen Leitungen durch Naturereignisse hervorgerufen werden, und um die Vertheidigungéfähigkeit des Vaterlandes zu erböher. Es wurden in dem Plan von 1876 folgende unterirdishe Linien projektirt: 1) von Berlin über Halle, Caffel, Franffurt a. M. nach Mainz mit einer Abzwei- gung von? Halle nah Leipzig; 2) von Berlin über Magdeburg, Braunschweig, Hannover, Minden, Münster, Wesel, Düsseldorf nah Göln und Aacbeu; 3) von Cöln über Elberfeld na Barmen; 4) von Cöln über Coblenz nach Mainz; 5) von Frankfurt a. M. über Darmstadt, Manrheim, Karlsruhe, Rastatt nah Straßburg ; 6) von Straßburg über Bits§, Met und Trier nah Coblenz; 7) von Berlin über Hamburg nach Altona und Kiel; 8) von Hamburg über Bremen und Oldenburg nah Emden mit ver Abzweigung von Oldenburg nach Wilhelméhaven; 9) von Berlin über Stettin, Kol- berg, Danzig nah Königsberg i. Pr. ; 10) von Berlin über Küstrin und Posen na Thorn und Danzig; 11) von Berlin über Frank- furt a. D. nah Breslau; endlih 12) von Berlin nach Dresden.

Der dritte Hauptpunkt umfaßte die Herstellung eines neuen und vollständig den besten Erfindungen und größten Anforderungen der Jettzeit entsprehenden Haupttelegraphengebäudes in Berlin, welches. inzwischen vollendet ist und vor Jhrer Aller Augen in der Jägerstraße steht. Damit in Verbindung steht die Herstellung einer Anzahl von Reichs8post- und Telegraphengebäuden, von denen vorhin bereits die Rede gewesen is, in allen Theilen des Reichs, namentlich mit Rücksiht darauf, daß die werth» vollen unterirdischen Linien, die ja nicht der Chance ausgeseßt werden dürfen, bei Veränderungen in gemietheten Lokalen immer wieder ver- legt zu werden innerhalb der Städte, in eigene Gebäude einzuführen find. An vierter Stelle war vorgesehen die Verbesserung der Ein- richtungen in Berlin, namentlich durch Herstellung der \{leunigsten Beförderung, mittelst der Robr poft sowobl für den Telegraphen- U von wie nach außerhalb, als auch für den Lokalverkehr von

erlin.

Für diese sämmtlihen Anlagen war die erforderlihe Summe damals berechnet worden auf 52 Millionen Mark. Es sind bisher bewilligt worden mit Einschluß der hier ausgebrachtea leßten Rate im ganzen 43 164 000 A Man ift also hinter den damals veran- \clagten Mitteln zurückgeblieben um fast 9 Millionen Mark. Nichts- destoweniger sind noch erheblihe Mehrleistungen möglich ge- wesen, als in dem Grundplan vorgesehen war.

Um auf den ersten Punkt zurückzugehen, bei welchem von 2000 neu anzulegenden Telegraphenanstalten die Rede war, habe ih anzu- fübren, daß die Zahl der Telegraphenanstalten, welbe im Jahre 1875 nur 1688 betrug und welche auf 3688 erhöht werden sollte, im gegenwärtigen Momente si beläuft auf 5671, ohne daß weitere Mittel als ursprünglich veransblagt waren, haben in Anspruch ge- nommen werden müssen. Bekanntlih haben wir {hon seit dem vorigen Jahre für oberirdische Telegraphenanlagen keine extraordi- nären Kredite vom hohen Hause beanspruht. Es ist dies nun keines- wegs ein besonderes Verdienst der Lelegraphenverwaltung gewesen, wenigstens nicht allein, sondern es hat dabei mitgewirkt die inzwischen neu aufgetretene Erfindung des Fernsprechers, die, zuerst von Deutschland ausgegangen, nun auch bei uns für das Leben in der Praxis zuerst verwandt is und zwar in einem so großartigen Maß- stabe, daß wir im ganzen Reich gegenwärtig {hon weit über tausend Fernsprechanstalten zählen, und daß wir augenblicklich damit be- schäftigt find, dergleihen Anlagen nunmehr auc innerhalb der großen Städte zur Ausführung zu bringen. Wenn man nun zu den 5671 Anstalten, di& über das ganze Land verbreitet sind, die 3090 Eisenbahntelegraphenftationen zählt, welhe vermöge unserer Gesetzgebung verpflichtet b, dem Publikum in demselben Maß und zu demselben Tarif wie die Reichstelegraphen zu Diensten zu \éin, und ferner die Telegraphénanstalten von Bayern und Württemberg, den Reservatstaaten hinzunimmt, so ergiebt si, daß Deutschland im gegenwärtigen Augenblick eine Anzahl von ca. 10 000 Telegraphen- anstalten besißt, und damit an der Spitze aller Länder der Welt steht, indem die Vereinigten Staaten von Amerika nur über 9000 zählen, dann sofort die Summe auf 5600 sinkt für England, wo das Telegraphenwesen durch die lange Zeit, in der es in den Händen von Privatgesellshaften war, in der Entwidckelung entschieden zu- rücgeblieben ist, und demnächst von Frankreih mit etwa 4000 Anstalten. Es sind durch diese Ausdehnungen des deutschen Telegraphenreßzes namentli eine große Anzahl von Landorten in die Weltverbindung hineingezogen worden. Außerdem sind in faft allen großen Städten eine erheblihe Anzahl von Zweig- anstalten eingeführt, und es sind zugleich die Telegraphenanlagen aus-

edehnt über die Gebirgsdistrikte des Riesengebirges, der Rhön, des

esterwaldes, des Odenwaldes, des Harzes, des Sauerländischen Ge- birges, des Hunsrüks, der Eifel, des Schwarzwaldes und ber Vogesen. Gbenso sind die Seeküsten des Reichs in umfassender Weise in das Telegraphennetz hineingezogen worden, namentlich sind große Anlagen emacht auf der frischen und der kurishen Nehrung und auch an der \{ledwioschen Küste.

Die Länge der oberirdishen Telegr? phenlinien betrug im Jahre 1876 380090 km Linien mit 141 km Leitung. Sie beträgt gegenwärtig 53 000 km Linien mit 176 009 km Leitung, also eine Vermehrung um 40 9/ beziehungsweise 25%. Es hat diese große Ausêdehnung des Nees auch sehr günstige Resultate für die Ein- nahmen des Reichs von den neuen Telegraphenanstalten geliefert, indem die Summen, die diese Anstalten aufgebracht haben, ausreichen zur Verzinsung der Anleihe des Reichs, welhe nah dem Vorans{hlag erforderlih gewesen sind.

Was nun die unterirdischen Telegraphenleitungen betrifft, so sind die sämmtlichen Linien, die ih vorhin bezeichnet habe, ausge- führt ; es ist aber noch möglich gewesen, aus den bewilligten Mitteln über den ursprünglihen Plan hinaus zu bauen eine Abzweigung von Hamburg nach Cuxhaven, die sehr wichtig ist, sowohl für die Schiff- fahrt, als für die Küstenvertheidigungsinteressen, und eine desgleichen von Bremen nah Bremerhaven, die dieselbe Bedeutung hat. Die Länge der deutschen unterirdishen Kabel linien beträgt jeßt 5476 km und die Länge der darin befindlihen Leitungen, der eigentlichen Adern, auf denen telegraphirt wird, 37 000 km, Es gee, um das nur beispielsweise anzuführen, in welhem hohen Maße die deutshe Industrie bei diesen Anlagen betheiligt gewesen ist, abgesehen von den Hunderten und Tausenden von Arbeitern, welhe fün Jahre lang bei diesen Arbeiten bescäftigt worden sind es beträgt die Eisenmasse, welhe zur Armatur dieser Kabel verwendet wurde, 10 952 000 Kilogramm, welche ausschließlich aus dem Inland be- zogen worden sind. Deutschland ift bekanntlich in diesem Fortschritt allen anderen Nationen vorangegangen. Der Abs{chluß des Haupte netcs ift erfolgt, und demgemäß würden, wenn noch weitere derartige Ausführungen von unterirdishen Anlagen vorzunehmen sind, die dazu erforderlihen Mittel aus dem laufenden Etatstitel entnommen werden fönnen.

Es ift nun gleichzeitig für Berlin mit der Ausführung des

Uebersicht darüber u erkalten, einen kurzen Rückblick zu werfen auf

die Art und Weise, wie die von dem Bundeétrath und dem Reichötag | bewilligten Mittel für di: in den Etats angegebenen Zwecke ver- |

wendet worden sind. Der Grundplan, um das Telegrapherwesen

des Reichs auf die nothwendige Höhe der Entwickelung zu bringen, |

ist aufgestellt worden im Jahre 1876 und es war damals vorzesehen,

die sämmilichen projektirten Einrichturgen der Zeit von fünf |

Jahren zu vollenten. Wir {reiben heute 1881,

Damals wurden folgende Reformen in Autêsiht genommen : Erstens Eecweiterung des oberirdischen Telegraphennetes. Es bestanden damals im Reih 1688 Telegrapheranstalten und es wurde in dem Plane die Nothwendigkeit ausgeführt, mindestens 2000 neue Telegrabbenanstalten einzurihten, also die Zahl auf 3688 zu fteigern, weil namentli sehr weite Distrikte des platten Landes und der Gekirge dieses \{hnellsten Verkehremittels noch

empfindlich |

unterirdishen Netzes ein erheblicher Uebelstand beseitigt, der früher mit der Telegraphenanlage in Zusammenhang ftand, nämlich, daß die Kabellinien alle direkt unter dem Straßenfahrdamm lagen und | daß bei jeder Störung, die sich geltend machte, oder bei jeder Ver- mehrung der Leitungen stets das Pflaster wieder aufgerissen werden | mußte, oft auf weite Strecken der Straße hin zum großen Nach- theil des Verkehrs. Um diesem empfindlihen Uebelstand, | der immer Hbedrohliher wurde, Abhülfe zu verschaffen, ist | ein eigenes N von Röhren gelegt worden unterhalb der | Trottoirs in Berlin. In diese öbren werden die ein- | zelnen Kabel eingezogen vermöge Untersubungsbrunnen, welche | îin gewissen Entseranngen in diesem Röhrensystem angelegt sind, so daß wir uun eine feste Unterlage baben, ähnlih dem | Gangliensystem im Gehirn, wo die festen Verkuotungen den zahl-

glei die nötbigen Veränderungen jeden Augenblick mit Leichtigkeit vorgenommen werden können, ohne daß der Verkehr in irgend erbeb- licher Weise gestört wird. Es ift an dieser Anlage, die sehr \{chwierig herzustellen war, weil die Zuführungsröhren der Gas- und Wasser- leitung für die einzelnen Häuser unter dem Trottoir liegen, drei Jahre gearbeitet worden. Die Gesammtausdehnung dieser Röhren beträgt 43 deutsde Meilen und die Kosten dafür haben ic auf 230 000 Æ belanfen.

Wegen der Gebäude haben wir vorhin {on das Nähere er- ôrtert und ih glaube nit nöthig zu haben, hier darauf zurüdckzu- kommen. Nur das will ich erwähnen, daß auch hierbei alle Mate- rialien mit verschwindenden Autnahmen aus dem Inlande genom- men und zablreihe Arbeiter, Unternehmer und Etablifsements gerade in einer Zeit, wo das Erwerbéleben sonst darniederlag, durch die umfafsendsten Postbauten lohnend beschäftigt worden sind.

Es handelt si noch um die Rohrpostanlagen. Die Aus- dehnung derselben beträat 38 Kilometer. Es sind sech8 Maschinen- stationen angelegt, von denen jede mit zwei Dampfmaschinen und dazu gebörigen Luftpumpen ausgerüstet ist. Im Ganzen sind 30 Rohrpostapparate in Betrieb und ihre Konstruktion hat sich in jeder Beziehung bewährt. Es sind hierdurch namentlih die fehr erheblichen Verzögerungen, welchen vorher die Telegramme von und nah außerhalb unterlagen, beseitigt worden und in dieser Beziehung möchte id darauf aufmerksam machen, daß die Rohrpost nit allein eine Anlage für Berlin ift, sordern dem ganzen Lande zu Gute kommt, allen denen, die von außerhalb na Berlin telegra- phiren und die von Berlin Telegramme erhalten. Die Anzahl aller mit der Rohrpost zur Beförderung gegn Sendungen beträgt gegenwärtig bereits 2 Millionen Stü, darunter sind & Million Sendungen für den Stadtverkehr und 13 Millionen Telegramme von und nach außérhalb. Diese # Million Stadtpostsendungen sind alle äußerst eilige Sendungen, die infolge dessen meist sehr wichtige Angelegenheiten betrafen. C ift dieser Verkehr in Berlin in fortwährender Zunahme begriffen, so daß im vorigen Jahre die Anzahl nur 300000 Sendungen betrug, während sie jeßt auf 500 000 gestiegen ift und von Tag zu Tag zunimmt. Die Verzinsuna dieser Anlage, worüber der Budget- kommission eine ausführliche Berechnung vorgelegt worden ist, die keineswegs von sanguinishen Vorausseßungen ausgeht, beträgt reih- lich 7 “/¿e, Diese Rohrposteinrihtung if wiederholt von Beaguf- tragten fremder Staatev, wie Sie wohl in den Zeitungen gelesen s werden, besichtigt worden, um fie in ihren Ländern ein- zuführen.

Dur alle diese Einrichtungen ist nun der Verkehr sehr ge- hoben worden. Während beispielsweise in den 5 Jahren 1872 bis 1876, also dem voraufge:angenen Lustrum, die Telegramme folgende Zahlen aufweisen: 1872 8 249 000, 1876 8 678 000 also eine Zu- nahme von nur 400 000 in diefen 5 Jahren hat sich jetut eine Steigerung herauegestellt von 1876 bis 1880 von 8 678 000 auf 11 690 000, also über 3 Millionen in diesen 5 Jahren, die wesentlich mit aus dem Lande gekommen sind in Folge der bedeutenden Ver- mehrung der Telegraphenanstalten in allen Theilen des Reichs.

___ Endli, um auch den Finanzpunkt zu berühren, so betrug im Jahre 1875 vor der Vereinigung der Telegraphie mit der Reich8- post das Defizit der Telegraphie 3 740 000 M4; der Ueberschuß der Postverwaltung belief sich in demselben Jahre auf 9213 000 (4, das Ergebniß für beide Verwaltungen zusammen war mithin ein Ueber- {uß von 5 473 009 Æ Dagegen finden Sie in dem jeßigen Etat einen Ueberschuß nachgewiesen von 18 697 145 #4; die Erhöhnng der Reineinnahme beläuft fich also auf 13 200 000 Æ.

Sie werden aus dieser Uebersicht entnehmen, meine Herren, daß einmal die Zeit genau innegehalten ift, welhe man bei dem Grund- plan vorher bestimmt hatte, daß ferner weniger gebraucht und mehr geleistet worden ist, als damals bei demselben in Aussict ge- nommen worden war und daß endlich für die Wohlfahrt des Landes so wie nit minder auch für die Finanzen diese lebendige Entwicke- [lung des Telegraphenwesens in jeder Hinsicht sich als eine gedeih- liche bewiesen hat. Fassen wir die drei Momente, auf die es vorzugê- weise beim Telegraphenwesen ankommt: die Sicherheit des Telegraphen, seine Billigkeit und seine allgemeine Zugängigkeit für das Publikum, so dürfen wir mit roller Sicherheit behaupten, daß das deutsche Reich jeßt allen Ländern der Erde in der Entwicklung dieses modernsten Verkehrsmittels voransteht, Indessen war das nicht das Ziel, an der Spitze der Nationen in dieser Beziehung zu mar- \ciren, sondern unser wahres Ziel ift vielmehr gewesen, den Tele- graphen zu popularisiren und ihn, der früher im Wesentlichen nur von den besser situirten Kreisen benußt wurde, dem ganzen Volke und allen Landestheilen zugänglich zu maten. Es läßt \sich nicht verkennen, daß unter den früheren poli- tishen Verhältnifsen bei der Zerrissenheit Deutshlands es in den Einzelstaaten gayz unmöglich gewesen sein würde, in einer so kurzen ge diese Resultate einer gesammelten Kraft und eines einheitlichen

illens zu erreihen und dieselben werden gewiß nicht vergessen werden, wenn die Geschichte dereinst aufzählt, wle Wohlthaten den deutschen Landen seit der glorreichen Wiederherstellung unserer natio- nalen Einheit von der Reichsregierung mit der bereiten und freudigen Unterstüßung der Vertreter der Nation zum Segen der leßteren ver- {aft worden sind.

Die Tit. 1—4 wurden hierauf ohne weitere Diskussion bewilligt, desgleihen der Rest des Extraordinariums 492 000 F für Neubauten. Damit war der Etat der Post- und Telegraphenverwaltung in zweiter Lesung erledigt.

Es folgte die Berathung derjenigen Titel aus dem Etat des Reichsamtes des Jnnern, welche die Ausgaben für die wirthschastlihe Abtheilung enthielten. Die gesammten Mehrforderungen dafür beliefen sih auf ca. 84 000 4 Diese Titel waren auf den Antrag des Abg. Dr, Weber der Budget- kommission überwiesen, welhe nunmehr die Bewilligung der- selben beantragte. Der Abg. Dr. Weber beantragte dagegen, nur ein Pauschquantum von 30 000 zur Vorbereitung der wirthschaftlihen Reichsgeseze und Verordnungen zu be- willigen.

Der Referent Abg. Freiherr von Minnigerode führte aus, es handele sih um die neu einzurihtende Abtheilung für wirthschaft- lihe Angelegenheiten. Bisher seien die dieser Abtheilung zu- fallenden Aufgaben vom preußischen Ministerium gelöst. ie dadurch hervorgerufene Arbeitsüberbürdung und die damit verbundenen Friktionen und Mißstände hätten jedoch den Staats:Sekretär des Jnnern veranlaßt, sih für die Ein-

cas einer stehenden neuen Jnstitution auszusprechen, on

mit besonderer Rüdcksiht auf die demnächst an die Gesetz- gebung hexantretenden Aufgaben, wie die Arbeiterversiche- rung, Verherungswesen, Modifikationen der Gewerbeordnung u. A. Diesen Verhältnissen gegenüber, habe der Staatssekretär betont, sei eine Organisation mit Hülfskräften, wie sie im Oktober 1880 in der Form versucht sei, daß aus dem preu- ßishen Ministerium ad hoc Kräfte delegirt worden seien, nicht zwedckentsprehend. Der hier geforderte Direktor sei aber des- halb nöthig, um eine einheitlihe Leitung in Bezug auf die Vorbereitung der Gesehgebung sicher zu stellen. Dem gegen- über sei geltend gemaht worden, daß ein reihlihes Personal zur Zeit \@on vorhanden sei, um die gestellten Aufgaben e lösen. Auch handle es sich nur um vorübergehende Be- dürfnisse, welche dur Maßregeln ad hoc befriedigt werden müßten, es sei daher besser, bei der Verschieden- artigkeit der Materien einzelne Kräfte für die einzelnen Auf- gaben heranzuziehen und sih nicht zu binden durch fest an-

reihen Nervenfasern den erforderlichen Halt gewähren, während zu-

geroute Räthe. Aus dieser Anschauung sei der Antrag auf ewährung eines Pauschquantums entstanden. Diejenigen

Mitglieder der Kommission, die in der Hauptsahe auf dem Boden der Etatsvorschläge ständen, hätten sich für eine feste Anstellung von Beamten ausgesprochen, weil die Vorbereitung einer derartigen Geseßgebung eine größere Gleihmäßigkfeit fordere. Seitens der Regierung sei hierbei ausdrücklich betont, daß sie mit Kräften ad boc niht im Stande wäre, die ihr gestellten Aufgaben zu lösen. Es müsse auch bei der Verschiedenartigkeit der Materien ein gewisser gemeinschaft- licher Boden für die Wirthschaftspolitik vorhanden sein. Vor Allem aber sei darauf hingewiesen, daß die Stellung des Reiches einen selbständigen Organismus auf diesem Gebiete verlange, und daß auch die Materien so reihhaltig seien, daß nachhaltig ein derartiger Organismus nothwendig sei. Seitens der E sei unter Ablehnung des Pauschquantums die Etatspojition bewilligt, wie sie ursprünglih Seitens der Re- gierung gefordert sei. Er habe dem Hause als Referent diesen Beschluß der Kommission auch seinerseits zur Annahme zu empfehlen.

Der Abg. Dr. Weber befürwortete seinen Antrag. Nach den Ausführungen des Referenten wolle er den Standpunkt der Minorität in der Kommission zum Ausdruck bringen. Er habe von vornherein die Erflärung abgegeben, daß er gar nicht in eine nähere Erörterung darüber eintreten wollte, ob und in welhem Umfange es nothwendig oder wünschenswerth sei, diese sozialpolitishe Gesezgebung mit einer besonderen Schnelligkeit in Angriff zu nehmen oder in neue Bahnen zu leiten, Er habe als feststehend angenommen, daß die Majorität des Reichstages eine folhe Beschleunigung befördern wolle. Jm Widerspruch damit habe der Führer der Centrumspartei hier crklärt, daß es ihm ausreichend ersheine, wenn man in jeder Session nur ein oder zwei ordentliche Geseßentwürfe befäme. Wenn man sich damit begnügen wolle, so sei er überzeugt, daß man schon jegt hinreichende Arbeitskräfte habe. Die umfangreichen Vorlagen, die dem Reichstage in dieser Session gemacht und die noch zu erwarten seien, zeigten ja, daß schon die gegenwärtigen Kräfte mehr leisten könnten, als der Abg. Windthorst verlangt habe. Aber er habe sich gewissermaßen auf den Boden der Majorität gestellt und si gefragt, in welcher Weise dem Bedürfniß nach Arbeits3- fräâften am Zweckmäßigsten entsprochen werden könne. gn dieser Beziehung käme in Betracht, daß es ih nach der Ér-

klärung des Staatssekretärs niht um die Erledigung laufender

Geschäfte, sondern nur um Geseßgebungsarbeiten handele, und daß die gegenwärtig vorhandenen ständigen Mitglieder des Reichsamts des Innern nur deshalb nit zu diesen Geseß- gebungsarbeiten hätten herangezogen werden können, weil sie unter der Herrschaft einer anderen Richtung in ihr Amt ein- getreten seien und deshalb nit mit voller Freudigkeit und Ueberzeugung an dieser Geseßgebung theilnehmen könnten. Er müsseallerdings bemerken, daß der Staatssekretär des Jnnern versucht habe, nachzuweisen, daß diese Beamten hinreichend beschäftigt würden. Er müsse sagen, daß es notorisch sei, daß im Reichsamt recht tüchtige Kräfte den Wunsch hätten, im Reichsamte mehr herangezogen zu werden. Wenn es ih nun in der That um Geseßgebungsaufgaben handele, so er- scheine es ihm am zweckmäßigsten, ein ähnliches Verfahren zu befolgen, wie man es in anderen großen Gesezgebungsaufgaben befolgt habe, z. B. bei der Reichs-Justizgebung, nämli dur die Heranziehung tüchtiger kommissarisher Kräfte, die sih ge- wiß in ausreichender Weise wie früher würden finden cassen. Vermehre man den ständigen Beamten-Apparat, wie derselbe bereits bestehe, so werde man später, wenn dieser vorüber- gehende Zustand vorbei sei, nicht wissen, was mit diesem Apparat anzufangen sei. Man hätte dann neben dem preußischen B C nilterlieit noch ein zweites Raths- kollegium. er Staatssekretär habe dann im weiteren Ver- laufe der Kommissionsverhandlungen noch hervorgehoben, daß diese Abtheilung doch einen festen Kern abgeben könne für ein zukünftiges deutshes Handelsamt, wenn si die Noth- wendigkeit herausstelle, diese Geschäfte vom preußischen Han- dels-Ministerium loszulösen. Das sei immer auch sein Wunsch gewesen, und seine Partei habe mit einer ewissen Befriedigung konstatirt, daß auch aus den eihen des Centrums sich die Geneigtheit kundgegeben habe, eine solhe Institution zu schaffen. Aber er halte den gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für geeignet, um ein ständiges Personal zu schaffen für ein künftiges Jnstitut. Es handele sih hier zunächst um die Bearbeitung von Geseßen zum Theil sehr verschiedenartiger Natur. Habe man denn die Garantie, daß der Geheim-Rath ih in allen Fällen in Einklan befinde mit den Wirthschaftsplänen des Reichskanz- lers? Es sei nöthig, daß man die Vorlagen unverfälsht und als den unmittelbaren Ausdruck derjenigen Gedanken finde, die in dem Kopf des Kanzlers entstanden seien. Dafür habe man keine Garantie, wenn man zwei Geheim-Räthe anstelle. Es jel denkbar, daß sie eines Tages nicht mehr mit dem Kanzler in Sage seien und dann hätte man den jeßigen Stand- punkt nicht gebessert. Er wolle dem Reichskanzler gern die Möglichkeit bieten, nah bestem Ermessen für jeden einzelnen ¿Fall die nöthigen Kräfte heranzuziehen, dann habe man die Garantie, daß der Reichstag die Vorlagen o bekomme, wie sie voll und ganz den Jntentionen des Reichskanzlers entsprächen.

ZU diesem Zwecke empfehle er dem Hause die Annahme seines Antrages.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath Staats-Minister von Boetticher das Wort:

Meine Herren! J kann dem Herrn Vorredner dafür sebr dank- bar sein, daß er die Tendenz, aus der beraus die Forderung der ver- bündeten Regierungen, die er nicht bewilligen will, gestellt ist, nicht weiter zum Gegenstand eines Angriffes gemacht hat, und daß er dd bereit erklärt hat, für die Aufgaben, die der wirths{haftlihen Ab- treilung des Reichsamtes des Innern demnäbst anheimfallen sollen, eine Bewilligung eintreten zu lassen. Er überhebt mich dadur der Nöôtbigung, den Gründen, die für die Herstellung einer wirth- scaftlihen Abtheilung in den Erläuterungen zum Etat angezogen sind, roch weitere Momente hinzuzufügen und die einzige Frage, die nach seinen Ausführungen bier noch zur Diskussion steht, ift die: ift die Herstellung eines Definitivums, oder wie er will, die Scbaffung eines rormns in der Form vorzuziehen, daß für die Erfüllung dieser Aufgaben, wie sie ihm und uns vorshweben, nur ein Paushquantum bewilligt wird.

„_ Meire Herren! Die Regierung steht auf dem Standpunkte, daß ibr an si die Form wenig S{merzen machen würde, wenn nur mit der Form, die gewählt wird, der Zweck, zu dem die Be- willigung gefordert wird, erreiht wird. Nah unserer ge- wissenhaften Ueberzeugung und nach den Erfahrungen, die wir gemacht haben, ifff aber mit der Bewilligung eines

ausbquantums nicht der Zweck zu erreichen, den wir anstreben.

er Herr Vorredner hat {on die Gründe angedeutet, die ich die Gbre gehabt babe, der Budgetkommission vorzutragen, welche die

Meine Herren! Er hat aber dabei auch die Gründe, die die Minorität bestimmt haben, von Neuem hervorgehoben , und hat unter anderen einen Grund betont, welchen ih bereits dur meine Ausführung in der Budgetkommission für widerlegthielt, daß es nämli dem Reichsamt des Innern an Kräften nicht fehle und daß nur in Folge des Umstandes, daß einzelne Kräfte desselben für die Bearbeitung der gegenwärtigen Pläne des Herrn Reihs- kanzlers nicht verwendbar, eine Neuforderung aufgestellt sei. Meine Herren, ih weiß niht, woher der Herr Vorredner seine Information bezogen hat; er hat den Umstand als notorisch bezeihnet, daß Kräfte geschäftslos im Reichsamt des Innern \ich befinden. Nun, ih habe die Ehre, seit 5 Monaten an der Spitze des Reichsamts des Innern zu ftehen, und ich kann versihhern, daß mir bis jeßt nit nur nicht irgend welbe Klagen über Mangel an Beschäftigung vorgekommen sind, sondern daß die meisten Mitglieder des Reichsamts des Innern unter einer ftarken Ueberbürdung leiden.

Ich weiß nit, was das nützen soll, daß man einer solchen Thatsache gegenüber, die von dem Chef einer Behörde bezeugt wird, der do wahrhaftig kein Interesse daran hat, mehr Kräfte zu begehren, wie er braucht, im Gegentheil das Interesse jedes Ver- waltung8ch{efs geht dahin, mit so geringen Kräften wie mögli aus- ¡ukommen, namentlich der Zahl na, nicht der Leistungéfähigkeit na —, also ich weiß nicht, was gegenüber einer solhen Versiche- rung die Berufung auf eine ret zweifelhafte Notorität nützen soll.

Meine Herren! Es ift also zur Diskussion einfach die Frage, ift es nothwendig, etatsmäßige Stellen zu hafen oder genügt es, mit der Bewilligung eines Pauscquantums auszukommen? Nun haben wir, als die wirthschaftlihe Abtheilung im Reich8amt des Innern, zunäbst, ohne daß der Reichskafsse daraus Kosten er- wachsen, durch Kaiserlihe Verordnung gebildet wurde, in der Weise, daß aus den preußischen Ministerien Mitglieder nebenamt- lich in diese wirthschaftlihe Abtheilung berufen wurden, die Er- fahrung gemadt, daß mit einem solchen Arrangement absolut nicht auêzukommen ift.

Der Herr Referent hat Jhnen diejenigen geseßgeberishen Auf- gaben bezeichnet, die der wirth\{chaftlihen Abtheilung des Reich8armts des Innern zur Bearbeitung anheim fallen werden, und einige Früchte der Thätigkeit der Abtheilungen sind Ihnen bereits zuge- gangen, eîne große Zabl sind noch rückständig, darunter sehr umfafsende Entwürfe. Meine Herren ! Als diefe Entwürfe vertheilt werden sollten, da s wir bei den nebenamtlic in die wirthschaftliche Abthei- [ung berufenen Mitgliedern dem Einwande, daß sie si auf die Aus- arbeitung großer Entwürfe und auf die dazu gehörigen Vorarbeiten unmögli einlafsen könnten, da sie in ihrem Hauptamt voll und ganz belastet wären. Was fie thun wollten, wäre das, daß fie von dem Standpunkt ihrer Hauptrefsorts aus die bereits aus8gearbeiteten Entwürfe begutahten würden. Meine Herren, Sie sehen also, daß diese Konstruktion der wirths{haftliben Arbeit uns nibt zum Ziele führt. Wir gingen dazu über, die Etatsforderung aufzustellen.

: enn uns nun jeßt entgegengehalten wird: Ihr könnt dafselbe leisten, was au etatsmäßige Mitglieder leisten sollen, wenn wir

auch ein Pauschquantum bewilligen, so habe ih darauf Folgendes zu erwidern.

_ Die Aufgaben, die der wirthschaftlihen Bearbeitung harren, sind so witiz und so bedeutend, daß wir dazu jüngere, ungeshulte Hülsskräfte niht gebrauchen können; wir müssen ältere, bewährtere Beamte ge- winnen, wenn wir etwas dem Interesse des Reiches Entsprecbendes leisten sollen; nun, meine Herren, liegt es in der Natur der Sache, und au die Erfahrung, die wir gemacht haben, spricht dafür, daß weder die Ressortchefs, an die wir uns wenden könnten um Ueberlassung bewährter Beamten zur kommissarischen Beschäftigung im Reich8amte des Innern in der Weise, daß ihre Thätigkeit in ihren bisherigen Ressorts zeitweise aufhört, noch au die Herren, die wir gewinnen wollen, geneigt sind, si auf solche kommissarische Abgabe resp. Ueber- nahme von Geschäften im Reichsdienst einzulassen Es liegt das ganz in dec Natur der Sache, Jeder Verwaltungs{ef hat das Interesse und alle die Herren, die üker unsere dienstlihen Ver- hâltnifse unterrichtet sind, werden das ja zugeben bewährte Kräfte an si zu fesseln 1nd si nicht darauf vertrôsten zu lassen, daß ihm aus der Reicbskajse für den abgegebenen Geheimen Rath ein junger

ülf8arbeiter besoldet wird. Und eben fo bei aller Vorliebe und

teigung, die der Hr. Vorredner betont hat, der betheiligten Be- amten, mitzuwirken an den großen sozialpolitishen Aufgaben, die uns bevorstehen, wird sich doc, glaube i, ein älterer und bewährter Beainter besinnen, zeitweise den ihm lieb gewordenen Dienst aufzu-

geben, um hier ein Feld zu beackern, das er demnächst schr bald wieder verlassen muß.

_ Meine Herren! Dies ist einer der Gründe, weshalb wir dazu übergegangen sind, ein Definitivum vorzus{lagen. Wir sind nun aber nicht der Meinung des Hrn. Vorredners, daß diese wirthscaft- lide Abtheilung, wenn sie mit etatsmäßig angestellten Beamten beseßt wird, eines Tages an Geschäftsmangel leiden wird.

Der Herr Vorredner hat eine Aeußerung von mir in der Budget- kommission reproduzirt, wonach ich gesagt haben soll, es liege nit in der Absicht der Reichsregierung diese Abtheilung mit einer laufenden Verwal- tung zu betrauen, Diese Aeußerung ist nicht in dem Sinne, den er mir jeßt untergelegt hat, gefallen, sondern ih babe nur, als darauf hinge- wiesen wurde, daß die Centralabtheilung des Reichsamts des Innern dauernde ausreichende Kräfte biete, betont, die Centralabtheilung sei mit Verwaltungsgeshäften reihlid bedacht, und es sei nit in der Absicht, der wirthschaftlihen Abtheilung von der laufenden Verwal- tung der Centralabtheilung irgendwelhe Zweige zu übertragen. JZch bin aber weit entfernt davon gewesen, behaupten zu wollen, daß die Thätigkeit der wirthshaftliden Abtbeilung in aller Zukunft aus- \{ließlid sich auf geseßgeberishe Arbeiten bes&ränken würde. Meine Herren, es liegt ja in der Natur der Sacbe, daß, wenn wir beispielt- weise jezt ein Arbeiter-Unfallversiherung8geseßh machen, auf Grund dieses Gesetzes eine Organisation vorgenommen werden muß, Diese Organisation wird zunächst entworfen und festgestellt werden müssen durch die wirthschaftlihe Abtheilung des Neichsamts des Innern. Es ift aber auch weiter klar, daß die Organe, die für die Ausführung des Geseßes geschaffen werden, der Leitung der wirth- Een Abtheilung im Reichsamt des Innern zu unterstellen sein werden.

_ Der Herr Vorredner hat weiter erinnert an eine Aeußerung, die ih gethan habe in Bezug auf die Möglichkeit, die wb Ed ne Abtbeilung zum Grundstock für ein künftiges deutshes Hande!8amt zu machen. Meine Herren, das ift etw28 Zukunftsmusik. Wir gehen m Augenblick noch nit mit der Absicht um, ein Handelsamt zu etabliren, aber gehen wir dazu über und gelangen wir zu einer solchen Organisation, so liegt es auch hier wieder in der Natur der Sache, das Wu 7 va Abtheilung der Ausgangöpunkt dieser Abthei- ung sein muß.

_ Meine Herren! Der Hr. Vorredner hat sodann gegen die Be- willigung etatémäßiger Positionen für die Mitglieder des Reichtamts des Innern angeführt, es könnte ja kommen, daß die Sozialpolitik wecbêle, daß eine Aenderung eintrete und daß dann plôöglih die Reichsregierung in der Lage sei, über zwei Serien von Beamten zu verfügen; es müßten neue Beamten eiagestellt werden, und die ande- ren würden geschäftêlos. Ja, meine Herren, ih glaube nun nit, S wenn wir ein Organ, das uns bis jeßt durhaus fehlt, s{chafen, auf dieses die Aenderung in der Politik von irgend einem einschnei- denden Einfluß sein werde, ih glaube auch gar nicht, daß die Dor eine solhe Aenderung erfahren wird, daß wir die tüchtigen Kräfte, deren Heranziehung von uns gewünscht wird, in Zukunft nicht sollten beschäftigen können.

Meine Herrea, wie gesagt, wir sind na reifliher und ein- gehender Ls der Ueberzeugung gekommen, daß uns ein Provisorium, die Bewilligung eines Paushquantums in keiner Weise feblen kann. Der Herr Vorredner hat zwar die Güte gehabt, den Sat, den er in der Budgetkommission ad hoe beæxilligen wollte, um 5000 M zu erhöôhen, aber selbst wenn mit dieser Summe, die er

Regieruag bestimmen, bei dec Forderung neuer etatêmäßiger Stellen für die wirtbschaftliche Abtheilung zu beharren. s

jeßt vors{lägt, eine auêreihende Zahl von Kräften zu gewinnen wäre, so wlirde es doch niht mögli sein, diejenigen geschickten und

ges{ulten Kräfte keranzuziehen, die wir nctbwendig brauchen, um di wirthschaftliden Aufgaben zu erfüllen. G s E

Meine Herren, bewilligen Sie uns das Volle, Si- werden uns, wenn Sie uns das, was wir fordern, geben, unterstüßt haben in einem Ne. das boffentlih für das Reih von fegensreihen Folgen

rd.

Der Abg. Freiherr zu Franckensteint erklärte, er werde für den Antrag der Kommission stimmen, und zwar aus fol- gendem Grunde. Bisher seien die wihtigsten Gesezesvorlagen, die dem Reichstage gemacht seien, durch Mitglieder des preu- ßishen Ministeriums bearbeitet worden. Es bestehe nun die Absicht, derartige Entwürfe im Reichsamt des Jnnern aus- arbeiten zu lassen und niht wie bisher von Organen eines oder des anderen Bundesstaates. Er begrüße dies mit Freuden und habe nur den Wunsch, daß bei Besezung dieser Abtheilung ganz Deutschland berücksihtigt werde. Damit, daß er für den Kommissionsantrag stimme, sei nicht gesagt, daß er au die etwaige Vorlage, betreffend die Errichtung eines deutshen Handelsamtes genehmigen werde. Er werde die Frage, wenn dieselbe an das Haus herantrete, prüfen und darnach seine Abstimmung einrichten,

Der Abg. Stumm bemerkte, das, was der Antrag Weber biete, sei kaum die Hälfte der von der Regierung geforderten Summe, mit welcher die Zwecke der Regierung unmögli er- reiht werden könnte. Er glaube auch nicht, daß die Ab- theilung in der Lage sein würde, in einem Jahre Gesetze fertig zu stellen, die wie das Jnvalidengesez so kolossale Vox- arbeiten erforderten. Dazu würde es jahrelanger Vorarbeiten bedürfen. Und wenn au 10 Jahre genügten, so würde er - die „Forderung doch bewilligen, weil er glaube, daß Hülfsarbeiter in keiner Weise diese wichtigen Gesetze vorbereiten könnten. Er bezweifle auch, daß tüchtige Beamte fich dazu hergeben würden, bei einem solhen Provisorium in die Abtheilung einzutreten, man wäre hließlich gezwungen, Dilettanten zu besolden. Wenn auch die preußischen Beamten diese Funktionen übernähmen, so würden dies immer Reichs- beamte sein, die fortwährend nah dem preußischen Minister hinschielten und also partikularistishe Jnteressen verträten. Der Antrag Weber sei also für seine Partei unannehmbar. Das Reich müsse sich unter allen Umständen von den Einzel- staaten emanzipiren, und von diesem Gesichtspunkte aus fönne er die Politik des Centrums nur für günstig halten. Er be- daure sehr, daß sih die Herren von der nationalliberalen Partei niht auf den nationalen Standpunkt stellen wollten.

Der Abga. Dr. Karsten trat für die Ansicht der Minorität der Kommission ein. Es sei viel wünshenswerther, ih hin- sichtlich der Wahl der betreffenden Beamten von Jahr zu Fahr freie Hand zu bewahren, “als ständige Beamte zu engagiren, denn es sei ganz unmöglich, daß die betreffenden Räthe das so umfangreiche Gebiet, um das es sich handle, auc voll- ständig beherrshten. So glaube er z. B., daß diese für die Modifikationen der Gewerbeordnung nicht das richtige Verständniß haben würden; es empfehle sich vielmehr immer nur einzelne Beamte mit einzelnen Vorarbeiten zu betrauen. Dem vorhandenen Bedürfnisse werde auf diese Weise voll- ständig genügt werden fönnen, und auch die Höhe des von dem Abg. Weber beantragten Pauschquantums sei eine voll- ständig ausreichende, um die Forderung der der wirthschaft- lichen Abtheilung des Reichsamtes des Jnnern erwachsenden Aufgaben \ich:r zu stellen.

Der Abg. Dr. Frege erklärte, nach den Ausführungen des Abg. Freiherrn zu Franckenstein, denen er beistimme, werde er sih ganz kurz fassen. Er stehe auf dem Standpunkt der Majorität der Budgetkommission und müsse sagen, daß ihr Votum nah seiner Ansicht von dem Referenten beim An- fang dieser Debatte völlig korrekt wiedergegeben worden sei. Wenn man si hierbei fragen müsse, ob man zwischen stän- digen Beamten oder vorübergehend ad hoc berufenen Bei- räthen für diese wichtigen staatlihen Aufgaben wählen solle, so müsse er si vollständig der Ansicht des Staatssekretärs anschließen, daß die Lösung dieser Aufgaben, die er für die s{hwerwiegendste halte, die vielleiht in der nächsten Zeit bevorstehe, nur von alten geshulten Beamten befriedigend auszuführen sei, daß es geradezu nothwendig sein werde, die verschiedenen Sachverständigen unter eine geschulte Leitung zu subsummiren. Er meine ähnli, wie man gesehen habe, daß der preußische Volkswirthschaftsrath dur seine vor- trefflihe Leitung zu einem praktischen Resultat gekommen sei, das dem Hause zum Theil schon vorliege, so werde auch in dieser Weise die Aufgabe dieser Abtheilung des Reichsamts des Jnnern nur dann gelöst werden können, wenn sie niht nur Einzelgutahten Sachverständiger benugze, sondern ein vollstän- diges objektives Urtheil abgebe, welches weder als manchester- lih noch als antimanchesterlih, sondern als ein den deutsch: nationalen Bedürfnissen entsprehendes bezeihnen möchte. Von diesem Standpunkte aus bitte er die Vorlage der verbündeten Regierungen anzunehmen.

Der Abg. Kiefer konstatirte, daß er mit seinen Freunden dem Reichsamte_ die geeigneten Kräfte niht verweigern wolle und nur aus Sparsamkeitsrücksihten einen anderen Modus, nämlich die Anstellung tüchtiger fommifsarisher Beamten wünsche, wie es in früheren Jahren zu ähnlichen Zwedcken ja auch vielfa geschehen sei. Man solle überall die bestqualifi- zirten Männer nehmen und aus denselben gewissermaßen kommissarische Geseßgebungskommissionen bilden : dies sei eine leichte Aufgabe und ermöglihe man auf diese Weise am mei- sten eine unbefangene Behandlung der betreffenden Materien. Die Scheu des Abg. zu Franckenstein vor den preußischen Beamten theile er niht und» er wolle nur das Verdienst der preußishen Beamten um das Zustandekommen der neuen Justiz esege hervorheben. Redner wies sodann den Vorwurf des Abg. Stumm, daß die Minorität die Thätigkeit der Ar- beiten der wirthschaftlihen Abtheilung des Reichéamts des Znnern nicht genügend fördern wolle, noch einmal zurück und erhob der Majorität gegenüber den Vorwurf, daß diese es an der nöthigen Vorsicht und Sparsamkeit fehlen lasse; er bitte um Ens des Antrags Weber.

__ Der Abg. )r, Weber bemerkte, der Abg. Stumm habe seinen Worten eine Auslegung gegeben, gegen die er si son früher erklärt habe. Sein Antrag gehe nicht M Es Hülfsarbeiter hèranzuziehen, oder wie Abg. Stumm ih ausdrüdcke, die Geschäfte durch Dilettanten besorgen zu i sondern er wünsche, daß die neuen Reformgeseßze kom- mifsarish berathen würden, wie die Justizgeseze. Wenn die Beamten kommissarisch etwas Tüchtiges leisteten, so sollten sie später angestellt werden. Es sei eine Art testimonium paupertatis, welhes man sich ausstelle, wenn man nit das Zutrauen habe, auch ohne den Beamten sicher anzustellen, die

Prigneren Kräfte zu gewinnen. Auffallend bleibe es, daß die i8tu]non gar nicht auf den von ihm angeregten Hauptpunkt eingegangen sei, daß man nämlich gar nit die Garantie da»