1925 / 42 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 19 Feb 1925 18:00:01 GMT) scan diff

Abg. Dr. Moses (Svz.): Ih bin kein Wstinenzler, (Beifall von mebreren Seiten.) Ein Vertreter der Brauindustrie hat einmal gelaot Bier übe eine politishe Mission, es beruhige die Gemüter; __hâtten wir 1918 bochprozentiges Bier gehabt, so wäre keine Revolution

ausgebrochen. (Heiterkeit.) Man muß diese anze Frage aber vom

volkTêgesundheitlichen Standpunkt betrachten. fin er Antrag will gar keine Trocenlegung Deutschlands, wir wollen nur den katasirophalen Wirkungen des Alkoholiêmus entgegentreten und den gesundheitlichen Wiederaufbau des deutschen Volkes fördern. Wir wollen gar nicht das ehrsqme Gastwirtsaewerbe bekämpfen, sondern es von unlauteren Ele- nenten befreien. Die Ausschreitungen und katastrophalen Wirkungen des Alkobolgedusses müssen endlich bekämpft werden. Nicht wir wollen das Volk vergewaltigen, sondern der Alkoholis8mus vergewaltigt das Volk. Die gesamte Wissenschaft. hät fortgeseßt im Kampf gegen Aus- schreitungen des Alkoholismus gestanden, (Beifall bei den Sozial- demokraten.) : L

Der Antrag der Pte Vereinigung auf nament- lihe Abstimmung wird zurückgezogen, aber vom Abgeordneten Sollmann (Soz.) wieder aufgenommen.

Aba. Spar. er (Dem.): Die denivkratishe Fraktion kann sich in ihrer Mehrbeit nicht für ein Schankstättengeseß erklären. Wir ver- kennen die Bewegung gegen den Alkoholmißbrauch keineswegs, aber das Schankstättengeseß, das der Antrag Müller-Franken haben will, enthält doch mande Bestimanungen, die uns geaen diesen Entwurf be- denklich maten. Ein kulturell hodstehendes Volk wie das deutsche kann nicht dem Alkohol erliegen, es steht im Alkoholverbrauch hinter anderen Staaten sogar zurück; cs wird selbst die notige Widerstands- kraft gegen alle solche Dinge finden, namentlich durch Erziehung. Man kann nicht alle kriminellen Taten auf Alkoholmißbrauch zurüc- ühren, Schieberei und Schurkerei gibt es aub in trodengeleaten Ländern. Ich kann mir nicht denken, wie in den Gemeinden die Ab- stimmung über die ÆWstinenz vorœnemmen werden follte,. Wir baben Thon genug Streit in unserem Volke und sollten nit noch mehr in die Gemeinden hineintragen. Geaen die Trunkenheit selbst sollen wir alle môgliden Maßnahmen ergreifen, aber durch Erziehung und nil durch ein solches Geseß. ;

Aba, Helene Webe x - Berlin (Zentr.): Ueber der Freiheit steht das Wohl des Volkes, Die Sache wind hier vom Interessenten stand- punki behandelt, aber der höhere Standpunkt für die Gesetzacbuna ist nicht da, wo das Interesse spricht, sondern da, wo des Volkes Wohl liegt. Jch versiehe nicht die Angst vor der Bekämpfung des Alkohols, id) möchte dem Mut das Wort reden, den Alkohol zu bekämpfen. Der RNeick8tag hat es ja in der Hand, aus dem Geseh ein-brauckbares Werk au machen, Dann wird ein soldes Geseß eine nationale Tat sein. (Beifall im Zentrum.)

Abg. Schirmer - Franken (Bayr. Vp.): Meine Partei fann |

nicht anerkennen, daß das Wohl des Volkes dur Trockenleaunqg ae- hoben wird. Wir fönnen feine polizeilichen veratorishen Gesehe bestimmungen brauden, Auch unsere heimische Arbeit, unser Brau- gewerbe nuß oestüßzt werden. Bei uns in Bayern ist Bier ein Naßh- rungsmittel. (Große Heiterkeit.) Frau Weber hat kein Verständnis dasür, Wir Bavern lassen uns das Bier nit nehmen. (Große Heiter- keit.) Herr Moses sagt, die Kriminalität nehme durch den Alkohol zu. Jh telle fest, daß unser Alkoholverbraucb sck0n stark zuvüctacganacn ist. Wenn wir also die Kriminalistik eins{hränken wollen, müssen wir wieder mehr Alkohol verbrauchen, (Stürmische Heiterkeit.) Aus- \chreitunaen wollen wir auch bekämbfen. Wir haben keine Angst vor der Troctenlegquna, wir Bayern lassen uns doch nicht trockenlegen. (Große Heiterkeit.)

_ Abg, LuiseSchröô de r (Soz.): Wir wollen nur den Gesetzentwurf wiederbekommen, der seinerzeit vom Reichswirtschaftsininister Dr. Bekker, dem Mitglied der Volkspartei, eingebraht und ohne Debatte dem Volkswirtschaftlicken Aussckuß überwiesen wurde. Warum kämbvft man also jeßt so sehr gegen unsern Antrag? Die Bayern. brauchen wirklich nicht zu fürchten, daß ihnen das Bier genommen wird. Dio Frauen baben das meiste Interesse am Kampf geoen den Alkoholis- mats. Dieieniaen, die sich hier immer als Vorkämpfer für die Familie gebärten, sollten bedenken, wie unzählige Familien durch Trunksucht des Ehegatten zerrüttet, wie viele Ehescheidungen dadur veranlaßt werden. Unsere Jugend ‘ist dur die Kriegsfolae charaktersczräder ge- “endeten Efe B E 10s A Heid, Artetungen —- fchuld, wenn das Kind krank ist, Gewiß ist bie Bekämpfung der - Frunksucht auch ‘eine Aufgabe der Erziehung, aber daz bient auch das

Sæankstättengesetß.

_ Abg. Dr. Marie Lüders (Dem.) spriht im Namen einer Minderheit ihrer Fraktion für das geseklide Vorgehen gegen den Ulko« holmißbrauch. Der Entwurf des Schankstättengeseßzes ist - seinerzeit

vom Minister Becker eingebraht worden. In dieser Frage kann es nur zwei Parteien geben. Wenn der Antraq Müller die Vorlegung

eines Schankstättenaeseßes und nit des Schankstättengesekes, d. h. ves Entwurfs von 1923, verlangen würde, dürfte man sich nicht so sehr daran stoßen. Ledialih zugunsten des Schankgewerbes stimmt man

egen den Antrag. Wirtschaftlihe Scbäden können aus der Bekämp-

ung des Alkohols nit entstehen. Wir haben aus Nahrunasmanael tausende und abertausende Kinder über die Grenze {iten müssen. Be- denken Sie, was es heißt, daß wir 41 Mal so viel Getreide füc die Alfoholberftellung verwendet baben, wie die Quäker uns an Lebens- mitteln gespendet haben. Auch die Bekämpfung der Geschlehtékrank- heiten hânat von der Einschränkung des Alkoholverbrauchs ab. Wenn wir den Mut haben, für dieses Geseß zu stimmen, werden wir unser Vol? geistig und wirtshaftlih stärken. (Beifall links.) Der Antrag des Ausschusses, der die Annahme des An- trags Müller-Franken (Soz.) auf Wiedervorlegung des Schankstättengesebentwurfs von 1923 empfiehlt, wird in namentlicher Abstimmung mit 200 gegen 168 Stimmen bei 16 Stimmenthaltungen abgelehnt. Darauf wird über den Antxag Strathmann (D. Nat.) O namentlich ab- gestimmt. Die Abstimmung erzielt die Annahme des Antrags mit 309 gegen 53 Stimmen bei sechs Stimmenthaltungen.

Es folgt die zweite Beratung des Geseßentwurfs über den Vertrag zwischen Deutshland und Litauen Be Ausführung der Artikel 8 bis 10 der Konvention über das

(emelgebiet vom 8, Mai 1924 (Optionsvertrag). . Abg. von Namin (Nat. Soz.): Wir können diesem Vertrag

nicht zustimmen, weil er Deutshland niht sein Recht gibt. Deutschland . sollte sch allein auf den Nechtsstandpunkt stellen in der Ueberzeugung, daß sich das Recht {ließli doch stärker erweisen wird als die Macht. Die Reichs- regierung sollte einmal ict ledialich Erfüllungs- oder Nealpolitik treiben, sondern deutsche Politik. Redner führt verschiedene Beispiele von Drangsalierungen der Deutscben dur Litauen an, gegen die kein genüaender Schuß von Deutschland gewährt worden sei. Für solche „nationale Nealpolitik”, die die andere Wange hinhält, wenn die eine eben eine Ohrfeioe bel'ommen habe, könne man fein Verstäindnis haben. {Beifall bei den Nat. Soz.)

Die Vorlage wird darauf angenommen; gegen die \o-

aetge dritte Lesung wird von dem Abgeordneten von Ramin

Widerspruch erhoben.

Darauf sept das Haus die allgemeine Besprehung über den Haushalt des Verkehrsministerium;s fort.

Ag. Dr, Wieland (Dem.): Dem Ministerium ist nur ein eng begrenztes Aufsichtsreht über die Deutsche ReichsGahn-Gesellscaft ge- geben, dieses muß aber mit allem Nachdruck ausgeübt werden. Die Neu- beschaffunaen der Reichsbahn sind zu gering. Eine der wichtigsten Aufacben ist die Einwirkung auf die Tarifaestaltuna. Der Aufstioa der Wirtschaft wird dur die unerträglide Höhe der Steuern und Güter- tarife hintangebalten. Beide müssen abgebaut werden. Die Tarife in Belgien, Frankreih und Jtalien sind viel billiger als die deutschen. Nedner leat zifffernmäßig die Unerträolihkeit der Frabten für Kupfer, Baumwolle, Metallwaren und Maschinen dar. Die Seehäfenaus- nahmetarife müssen weiter ausgedehnt werden. Eine weitere wichtige Aufgabe ist der Bau der Reich&wasserstraßen. Ferner ist der Luftver- kehr ein neues wichtiges Problem für das Ministerium. Wir müssen unsere Freiheit gegenüber vem Versailler Vertrag wiedergewinnen.

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Gegen die Monopolbestrebungen im Lafkwagenverkehr muß die Negie- rung kämpfen. ringend erforderlih ist eine Novmalisierung der Wagen nah amerikanishem Muster. Die s{lechten Erfahrungen mit dem ersten Aufbau des Neichsministeriums, das jeßi nach Herausnahme der Eisenbahn nur ein Numpfministeriun ist, veranlaßten mih, im Interesse der Techniker zu dem von allen Parteien unterzeichneten und vom Haushaltsausshuß einstimmig gebilligten Antrag auf Vorlegung einer Denkschrift bis zum 30. September 1925. Ein -technishes Mini- sterium ift für das Deutsche Reich eine Staatsnotwendigkeit, Kein Techniker von Nuf widmet sich dem Staatédienst, wenn er dem Juristen nur Handlangerdienste leisten soll. (Beifall b. d. Dem.)

Abg. Mollath (Wirtschastl, Vereinig.): Wir begrüßen die Erklärung des Ministers, daß er die Interessen des Kraftwagen- verfehrs gegemibey der Reichsbahn wahrnehmen will. Eiuspruch müssen wir aber die hohen Gebühren für das Verkehr&wesen kinlegen. Im Jahre 1914 wurde für die Genehmigung einer Dampferanlegebrücke bei Berlin cine Gebühr von vierzig Mark be- trechnet, für denselben wed werden jeßt sechszchnhundert Mark gefordert. (Hört! hört!) Wenn ein Privatmann das tun würde, wäre der Staatsanwalt im Flugzeug hinterhèr, Der Reichsminister sollte in dieser Hinsicht auf Preußen eimvirken, Die Reichsbahn darf fein Monopol erhalten, hie ist nit berechtigt, an Kraftfahrunter- nehmungen oder Speditionsgeschäften si zu beteiligen. Wenn die staatlich subventionierten Kraft nternehmungen dieselben Steuern tragen müßten wie die privaten Unternehmungen, würden die leßteren viel bejser arbeiten fönnen als die staatlih subventio- nierten. Wenn diese Bevorzugung fortgeseßt wird, muß das Privat- gewerbe zugrunde gehen und das würde große Steuerverluste für den Staat bedeuten. Wir behalten uns Anträge auf diesem Gebiete vor, MNedner beklagt die Entlassungen aus den Eisenbahnwerkstätten und wirft der Eijenbahndirektion Erfurt vor, Pächiern von cisendm fiskalishen Gelänve Wucherpreise abgenommen zu haben, (Beifall b, d, Wirtschaftl, Vereinigung.)

Vizepräsident Nießer ersuht die noch folgenden Redner, auf die Geschäftslage Rücksicht zu nehmen, - da der Etat des Verkehrs- ministeriuums beute noch erledigt werden foll,

Abg. Dauer (Bayr. Vp.) führt aus, der bayerischen Gruppe zer Neichéhahn müßten die Rechte zugestanden werden, auf die jie veriragsmäßige Ansprüche habe. Die Re:chLregierung müsse ih dafür gegenüber der Gesellschaft mit allem Nachdruck einseßen. Redner führb Beschaverde über Auflassung barerisher Lokalbahnen und Haltestellen. Die Verwaltung der Wasserstraßen sollte man eia weiler den Einzelstaaten Ee um nicht noüue Reichs- ehörden in den- Zeiten des Beamtenabbaucs zu schaffen. Die eche- maligen Länderbeamten dürften nit der Willkür der Reichstahn- gesellschaft ausgeliefert werden.

Abg. Feder (Nat. Soz.) bêdauert, daß bei den Wasserstraßen die Hoheitsrechte der Länder nicht beachtet worden seien. Das Gehalt des Herrn Oeser sei noch immer in Dunkel gehüllt. Mit den Zu- lagen gehe es aber weit über 200000 Mark hinaus. (Hört! hört!)

Abg. Ge ck (Sos.) weist auf die Gefahren hin, die den Binnen- wasserstraßen infolge der Staffelvarise der Reichseisenbahn und der Seehäfenausnahmetarife drohen. Die Ausnahmetarife hätten besonders schädlich auf die Nheinschiffahrt gewirkt. Es sei überall bereits eine starke Abanderung ven der BinnensHiffahrt zur Eisenbahn ein» petreten.

Abg. Dr. Cremer (D. Vp.) erklärt, es v eine scibstverständ- liche Folge der Privatisierung der Reichsbahn, daß man ihren Generasdireflor nmicht vor den Reichstag eren könne. Jm Ver- waltungêrat seien die meisten Mitglieder Deutsche, und die NReichs- bahn werde nah dem Eisenbahngeseß nicht im internationalen Interesse, sondern im Juteresse der deutshen Volk&wirlschaft ver- waltet. Gegebenenfalls könne das Reichsverkehrsministerium kraft seines Hoheitsrehtes über das Berkehr&wesen eingreifen. Den Männern aus den anderen Staaten, die si bereitwillig in den Dienst der Sache gestellt hätten, nusse man mit Vertrauen entgegenkommen. Wenn die Neichshahn in den Stand geseht werde, Renten für die Reparationsleistung zu erzielen, braude man das Gespenst der Jntermationalisierung der Reichsbahn nicht zu fürchten. Redner äußert Wainsche für Umbauten der Bahnhöfe in Lieqniß, Halle a, S. usw.

de Ma Goisoküina Bog. C t arif 08 Crans dag voSlonkon N toviale. Err der hölzetnen: Personenwagen durh Wagen aus Slahl, Reform des Tarifwesens und dèr Gebühren usw. Wie das „Berliner Tage- t vberihtee, Babe “sid ein Berliner zu Weihnachten einen Weihnachtäbaum aus Mecklenburg senden lassen. Da dieser - erst einige Tage nah Weihnachten eingetroffen sei, habe der Empfänger die Abholung vom Bahnhof verweigert. Darauf habe ihm die Gütererpedition geschrieben, wenn er den Tannenbaum nicht abhole,

werde dieser am 24. Januar bestmöglih#t versteigert werden. (Große .

Heiterkeit.) Sei dies der noue kaufmännishe Geist, der in der Eisenbahnverwaltung herrschen solle?

Abg. AGuldt (Dem.): Der Abgeordnete Feder hat in ‘einer |

deuvagogishen Nede Anklagen gegen Herrn Oeser erhoben, die wir entschieden zurüdckweisen nissen. Wir haben von Pon an ver- langt, daß die neue Personalordnung dem Reichstag zur Genehmigung vorgelegt werden soll. Eine Zusage in dieser Nichtung ift aber nicht gemacht worden und das stelle ih fest, um der Legendenbildung ‘ent- gegenzutreten, als Hätten wir unsere Zustimmung zum Eisenbahn- goje von der Erfüllung dieser Zusage abhängig gemabt. Die ver- spvochene Aulehnung der Personalordnung an das NReichébeaimten- geseß ist allerdings nicht eingetreten; An Stelle von Leistungs- zulagen wünschen wir eine allgemeine Besserstellung der Beamten. Unsere Anträge verlangen eine Erweiterung des EinsprucHareHts des Neickes in- den Personaklfragen.

Abg. Schmidt - Stettin (D. Nat.) stellt fest, daß sämtlice Ausschußmitglieder seinerzeit den Eindruck gehabt hätten, daß tat- sälih die cpusage binsihtlih der Persónalordmmng dem Reichstag gegeben sei. Alle Parteten seien dieser Ansicht geroesen und der Vor- redner habe Herrn Oeser in einem Verteidigungéversuh einen schlechten Dienst erwiesen, wenn er bestreite, daß jene Zusage .ge- O 9

Ubg. Meyer - Hannover (Wirlsaftl. Vereinig.) führt Be- schwerde über wirtschaftlide Schädigung der Unterwéserorte durch die Vertiefung der . ÜUnterweser, wodur der ganze Verkehr nah Bremen gezogen würde. Durch Senkung des Grundtrasserstandes liite auch die Landwirtschaft sier.

_Abg. Seibert (D. Vp.) beklagt die Jnanspruhnabme des Eisenbahnpersonals durch ausgedehnte Dienstdauer; das ganze deutsche Volk habe ein Interesse daran, daß das Betriebspersonal nit über- anstrengt werde, Die Zusammenlegung der kleinen Ausbesserungs- wertstätten habe immer Nachteile für die Orte, denen eine Werkstätte genommen werde, wie es ¿. B. bei Fulda der Fall fet,

Abg. Kirshmann (Soz.) bemerkt, daß die Eisenbahn- verwaltung die moralishe und rechtlihe Pflicht zur Schadloëhaltung der Eisenbahnbeamten und Arbeiter nit erfüllt habe, denen sie fue Zeit des passien Widerstandes verboten habe, im Dienste der Be- azungêmächte tätig zu sein, Den 80 000 Eisenbahnarbeitern im beseßten Gebiete habe das Vaterland den von ver Regierung ver- sprochenen Dank dadurch abgestattet, daß ihnen am 24, Dezember 923, am Weihnachtsheiligabend, die Kündigung zum 31. Dezember ges{ickt worden sei. Von diesen 80 000 seien noch 30 090 erwerbslos. (Hört! hört! links) Die hohe Bürokratie habe \sih über alle Be- sblüsse des Reichstages hinweggesezt, Während die Ruhrindustrie ¿00 Millionen bekommen habe, erkläre ter Finanzminister, kein Geld zur Abhilfe für die übrigen Ruhricäten zu haben. /

Abg. Schröder -Mecklenburg (Nat. Soz.) stimmt dem Vor- redner zu diesem überaus traurigen Kapitel zu. Es müsse festgestellt werden, ob der Generaldirektor der Reichsbahngesell saft Oeser nicht vor dem Reichstag erscheinen müsse, wenn der (Etat für ein ganzes Zahr beraten werde. Nah dem Reicbsbahngesch habe die Reics- dahngesellschaft die Pflicht, die Staatsverträge zu beachten, die das Neich mit den Ländern beim Uebérgang der Staatseisenbahnen auf das Neich abgeschlossen habe. Demzufolge braubten \ih die Länder ihre Eisenbahmwerkstätten nicht nehmen zu lassen. Redner be- mängelt s{ließlich den Vertrag der Reick&bchn mit einer privaten Bank über die Anlegung flüssiger Gelder.

Loe jeweilig zusteht.

Die Rede des Reichsverkehrsministers Dr. Krohne, bex hierauf das Wort ergreift, wird nach Eingang des Steno: gramms veröffeniliht werden.

,_ Damit schließt die allgemeine Aussprache. Die Ah, stimmungen über die Entschließungen des Ausschusses und die Anträge des Hauses werden bis zur dritten Lun verschoben, Mit Rücfsiht auf die Fülle der Rednermeldungen für die A ivird die Debatte nah 11 Uhr Abends auf Donnerstag 11 Uhr Vormittags verlegt. (Kleine Vorlagen und Futerpellation Grubenunglück Dortmund.)

Preußischer Staatsrat. Sihung añt 18. Februar 1925, O (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger,

Der Staalisrat stimmte heute dem Entwurf der Staats; regierung zu, der die Aufwandsentschädigung des Staats ratspräsidenten dahin ändert, daß an Stelle einer jähr: lichen Aufwandsentschädigung eine monätliche gesetzt wird in Höhe von zwei Drittel des Betrages, der dem Präsidenten des Land- tags als monatlihe Aufwandsentschädigung neben - seinen Ah-

über die Zuständigkeit der Ortspolizeibehörden bei Durchführung des Gesezes zur Erhaltung des Baumbestandes wurden Be denken nicht erhoben. E : thte

Der Staatsrat beschäftigte sih hierauf mit dem Entwurj eines Provinziallandtags- und Kreistagsgeseßes, der neben Bestimmungen über die Geschäftsführung der Pro vinziallandtage und Kreistage als Hauptinhalt eine Aenderung des Wahlrechts vorsieht, damit möglichst alle Teile der Provinz vertreten sein können. Nach längerer Aussprache wurde dem

Entwurf in der Ausschußfassung zugestimmt. Auch gegen die

Novelle, die die Geltungsdauer dés Geseßes von

28. Februar 1924 über die Grundsteuer bis zum 31, Mär

1926 verlängert, wurden Einwendungen nicht erhoben. Nächste Sitzung: Donnerstag 3!/, Uhr. ‘Haushal!.

Preußischer Landtag. |

14. Sißung vom 18. Februar 1925,. Nachmitiags 2 Uhx. (Bericht des Nachrichienbüïos des Vereins deutsber Zeitungbyerleger*))

Präsident Bartels teilt offiziell mit, daß der Minister- prâsident Marx die Wahl angenommen habe. (Beifall in der Mitte.) Der Präsident gedeukt dann, während die nbe sich erheben, des furchtbaren Dortmunder Grubenunglücks und spricht den Hinterbliebenen die herzliche Teilnahme des Land- tags aus. Es müsse alles geschehen, um für die Angehörigen der Toten zu sorgen und um ähnlichen Unglücksfällen vorzu- beugèn. Die betreffenden Anträge und FJnterpellatiounen werden am Freitag dem Landtage vorgelegt werden.

Dex Abgeordnete P i e ck (Komnm.) verlangt unter großer Unruhe sofortige Beratung kommunistischec Anträge anllißlid der Dortmunder Katastrophe. Da gegen die sofortige Be- handlung Widerspruch erhoben wird, können diese Gegenstände nicht behandelt werden, (Tobender Lärm der Kommunisten.)

Auf der Tagesordnung T die Entgégenn@hme einer RegierungserxkTlärung. Das Wort erhält sofort dex /

ZVatnisterpranivent. Marx: Der Landtag hat mich in - seine Sißüng vom 10, Februar d. J. zum Ministerpräsidenten- gewählt. Ich spreche für das mir dadur erwiesene Vertrauen meinen.-verbind- lihsten Dank aus. :

Gemäß Artikel 45 der Verfassung habe ich folgende Herren zu Staatsministern ernannt: O

¿zum Justizminister den Staatsminister Dr. glied des Landtags, i

zum Minister des Juneru den Stagtsminister Severing, Mile glied des Landtags, 2

{Lachen und Zurufe bei den Kommunisten)

zum Wohlfahrtsminister den Staatsminister Hirtsiefer, Mitglied des Landtags, : S L

zum Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung den Staatssekretär Professor Dx. Beer, i

zum Finanzminister den Oberlandesgerichtsrat Dr: Höpket: Aschoff, Mitglied des Landtags,

zum Minister für Handel und Gewerbe den. Rechtéanwgali unnd Notar Dr. Schreiber (Halle), Mitglied des Landtags,

zum Minister für Landwirtschaft, Domänen - und Forsten den Vekonomierat und Generalsekretär der Landwirtichaftskammetr Hannover Steiger, Mitglied des Reichstags.

Meine Damen und Herren! - Meine erste Pflicht scheint mir nad Lage der Dinge darin zu bestehen, auch von dieser Stelle aus die herzlihste Anteilnahme des Preußishen Staatsministeriums an den ershütternden, grauenhaften Unglücksfall auszusprechen (der Landiag erhebt sich), der die treue Bergarbeiterschaft des Ruhrgebiets betroffen hat und dessen der Herr Landtiagspräsident soeben gedacht hat. Auf dem Felde der Ehre sind die allzu früh vom jähen Tode Dahin- gerafften in treuer Pflichterfüllung dahingegangen. Ehre, Dank und Anerkennung gebührt ihnen in vollstem Maße. (Zustimmung) Höchste Anerkennung ist aber auch den Nettungsmannschaften zu zollen (Bravo!), die unter s{werster Gefährdung ihres eignen Lebéns alles darangeseßt haben, um ihre Kameraden dem finsteren Schajten des Todes zu entreißen. Hoch klingt das Lied vom braven Mann! (Lachen und Zurufe bei den Kommunisten: Barmatschieber! Glodckte des Präsidenten.) Ich muß es tief bedauern, daß sich Mitglieder des Landtags bereitfinden, das treue Gedenken an die Toten in: diesen Augenblick in so roher Weise zu stören. (Allgemeine Zustizunung Unruhe und Zurufe bei den Kommunisten.) Angesichts dey krassen Selbstsucht, die so viele Kreise unseres Volkes befallen hat, ift dieses herrliche Beispiel treuer Freundesliebe und Selbstaufopferung von ganz besonderer Bedeutung. (Bravo!)

Selbstverständlih wird das Staatsminister "alio, was iu seinen Kräften steht, daran schen, um das schwere Los der Hinter bliebenen der auf so traurige Weise ums Leben Gefoninzenen zu lindern. Das frühere Staatsministerium hat ja bereits vorläufig einen Betrag von 100 000 #4 zur Linderung der ersten Not zur Verfügung gestellt. Das Staatsministerium bettachtet die Erfüllung dieser Pflicht als vornehmste Ehrenpfliht, Daneben wird der

tr mae,

am Zehnhoff, Mit:

___*) Mit Ausnahme der durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben find.

Auch gegen den Beschluß |

weiteren Verbesserung der Unfallverhütung und des Grubensicherungs8wesens größte Sorgfalt und Aufmerk- samkeit zugewendet werden müssen.

Wärmsten Dank sprede ih namens des gesamten Staats-

*ministeriums den Mitgliedern des Kabinetts Braun aus, in

erster Linie dem verehrten Herrn Ministerpräsidenten, der seit über

. drei Jahren in so vorbildlicher Weise die GeschiFe Preußens geleitet « hat. (Vrabo! bei der Sozialdemokratishen Partei und in der Mitte.)

Ja all dem Wirrwarr der lebten. Jahre, der unser Deutsches Neich und die meisten Länder erschütterte, bildete Preußen einen rühmens- werten ruhenden Pol. (Sehr richtig! bei der Sozialdemokratischen Partei.) Seit drei Jahren hat keine Negierungskrise den Fortgang segensreicher und echt nationaler Arbeit gestört. (Lachen und Zurufe bei den Kommunisten.) Das Kabinett Braun hat troß der grund- säßlichen Verschiedenheit in der Auffassung seiner Mitglieder zum Wohle des. Vaterlandes mit bestem Ecfolge gearbeitet. Parteiunter- shiede bat es im Kabinett niht gegeben. lle Mitglieder wett- eiferten nur in dem Bestreben, für Volk und Staat das Beste zu leisten. Herzlicbsten Dankes können die Mitglieder des Kabinetts versichert sein. À

Schwere Jahre für das gesamte Deutshe Reih und Volk hat das Kabinett Braun durcblebt. Nux ganz allmählih {hien das Jahr 1924 eine Besserung und Klärung unserer außenpolitishen Be- zichungen herbeizuführen, Schwere Enttäuschungen brachte jedoch der Uinstand, daß troß der klaren Bestimmung des Versailler Friedens- vertrags die Kölner Zone zum 10. Fnuar dieses Jahres nicht ge- raumt wurde. Wir wissen uns eins mit der Auffassung aller Parteien dieses hohen Hauses, nicht weniger au mit der Reichsregierung, das alles darangeseßt werden muß, um möglichst bald die Kölner Zon e sowohl, wie au die noch an der Ruhr beseßten Gebiete pon fremder Befaßung zu befreien, - (Bravo! Zurufe bei den Kom- munisten.)

Allen Bewohnern der beseßten Gebiete, niht weniger aber auc ben treudeutsden Bewohnern der vom preußischèn Staat losgerissenen Bezirke entbiete ih berzlihste Grüße der Preußischen Staatsregierung, verbunden mit dem Gelöbnis, die ünentwegte Treue der fest zu Preußen und dem Neich troß aller Bedrängnis stehenden Bewohner mit unbegrenzter Dankbarkeit zu vergelten und au tatkräftige Hilfe s\weit wir irgendmöglich zu leisten. (Bravo!)

Der aus der Bevölkerung der Rheinlande und des Nuhrgebiets ter Staatöregierung zugegangenen Bitte, bei Straftaten, die auf die politischen“ und wirtschaftlißen Schwierigkeiten infolge der Rubrbeseßung ‘zurückzuführen find, von dem Rechte der Be- quadigung Gebrauch zu machen, wird in möglichst weitgehendem Umfange entsproden werden. (Zurufe bei den Kommunisten.)

Noch immer muß die Außenpoliüik als ‘in erster Linie für unser politiseë Verhalten maßgebend betrahtet werden, und alle innen- politiscen Wünsche müssen vor den auswärtigen Interessen zurück- lrcten und sh" nâach ihnen einrihten. Ganz selbstverständlih für jeden nationaldentenden Deutschen ist die Festigung und Wahrung der deutschen Reichseinheit. (Bravo!) Daneben müssen die Nechte der cinzelnen Länder geklärt und festgélegt werden Die Staatsregiecung

‘wird’ mit aller Sorgfalt und aller Entschiedenheit dahin wirken, baß

möglichst bald eine Klärung des Verhältnisses zwischen Reich ind Ländern stattfindet, Bei allseitig gutem Willen wird und muß sih ein Ausgleich der verschiedenen Interessen finden lassen, der zweifellos notwendig ist, wenn nit MNeich und Länder gleichzeitig darunter leiden sollen.

Was nun die inneren Verhältnisse Preußens anlangt, so halte

i c net für wedmáäßia, thnen ein - eingehendes MNegierungs-

Programm vorzutragen, Unsere Verhältnisse sind leider noch so netrübt und gedrückt, daß wir versuchen müssen, zu bessern und zu fördern, wd immer es in besonderem Maße noiwendig ersheint, Jch möchte Ihnen nur einige Nichtlinien vorführen, nah. denen ih unsere Politik einzurihten gedenke. Ganz selbstverständlich ist es, daß vor allem die Ernährung der Bevölkerung sicher- gestellt und nacdrücklis gefördert werden muß. (Zurufe bei den Kommunisten.) Der Landwirtschaft muß die Förderung zuteil werden, die ihr als einem der wichtigsten Berufsstände im Volks- leben zukommt; die Erträge sind auf breitester Grundlage zu steizern, die Urbarmachung von Oedland ist zu begünstigen, und die Sicdlungt- politik ist fortzuseßen. Wenn auch wichtige landwirtschaftliche Fragen, fo der Schuß gegen die ausländische Konkurrenz, zur Zu- ständigkeit der Neichsgeseßgebung gehören (lebhaftes Aha! bei den Kommunisten), so werden wir doch auch diesen Fragen unser größtes Interesse zuwenden und an ihrer Lösung zum Besten der Landiwirt- haft und des gesamten Volkes mit aller Kraft miizuarbeiten ver- su&en

(Fine wesentliche Aufgabe der Negierung ‘ist die Durchführung"

der Reform der kommunalen und staatlihen Ver- waltung. Beide Fragen haben bereits den lehten Landtag cin- gehend besdhäftigt. Insbesondere sind die Städte- und die Landgemeinbdeordnung mit- großer Gründlichkeit im Auß- hu beraten und diese Beratungen zu einem gerissen vorläufigen Abschluß gebracht worden, (Zuruf bei den Kommunisten.) Die parlamentarishe Behandlung der sogenannten kleinen Vers waltungsreform ist allerdings noch nicht so weit gediehen; aber es baben do auch hier die Beratungen für die weitere Reform werke volles Material geliefert, :

Die Schwierigkeiten einec großen einheitlichen Verwaltungss.

reform lagen darauf ist bei den früheren Beratungen immer wieder hingewiesen worden -— nicht zuleßt darin, daß die finanziellen Untere lagen für den Ausbau der fommunalea Selbstverwaltung noch nicht gegeben waren, Ohne diese Vorausseßungen mußte aber jeder Re- formversuch bestenfalls zum halben Erfolge verurteilt sein, da die säuvierigen Probleme der Verwaltungsreform mit organifatorishen M«ßsnahmen allein nicht zu lösen sind. :

“Die Verhandlungen über den Finanzausgleich, der die Verhältuisse zwischen Reich, Ländern und Gemeinden für die nächste Beit regeln soll, werden auch den Gemeinden wieder eigene (Eins nahmen \chaffen müssen, so daß die Gemeinden damit wieder das Recht und die Pflicht gewinnen, über Einnahmen und Ausgaben“ zu beschließen und diese gegeneinander abzuwägen, Führen diese überaus schwierigen Verhandlungen zu einem positiven Ergebnis, so wetden damit auch die finanziellen Vorbedingungen für bie weitere Verwaltungsreform gegeben sein, Abgesehen von der Städte- und Landgemeindeordnung werden dann auch die Kreisordnung und die Provinzialordnung zur Vor- lage an den Staatsrat kommen, und weiterhin werden die großen Pro- bleme der staatlichen Reform einer einheitlichen Lösung zugeführt werden können, die au der preußishen Verwaltung die Einfachheit

und Klarheit gibt, deren sie zur Lösung ihrer großen Aufgaben im Lande Preußen und im Deutschen Reiche bedarf.

Die Lage der preußishen Finanzen erfüllt das Staatsministerium mit ernster Sorge. (Unruhe und Zuwfe bei ren Komniunisten.) Durch die Bemühungen der vorigen Regierung und des alten Landtages, die Dank und Anerkennung verdienen, ist zwar das Gleichgewiht im Staatshaushalt vorläufig hergestellt, die Steuereingänge und die Reichsüberweisungen erreichen auch die Vor- anschlägez aber die Ausgaben zeigen, wie ein Blick auf den Vocr- anschlag für 1925 lehrt, die Tendenz, stärker zu steigen als die Ein- nahmen, und die” Betricbsüberschüsse gehen zurü. Außerdem laufen wichtige Steuergeseße mit dem Ende des Rechnungsjahres 1924 ah und müssen unverzüglih verlängert werden. Vor allem aber die Pläne der Neichöregierung bedeuten eine ernste Gefährdung der Finanzen sowohl des Preußischen Staates, als auch der preußischen Gemeinden. (Hört, hört! und sehr richtig!) Das Stazts- ministerium ist durchaus bereit, dem Reiche zu geben, was des Reiches ist. Preußen hat immer wieder bewiesen, daß es sich in seiner Neichstreue von keinem anderen Lande übertreffen läßt leider, ohne für diese Haltung immer Anerkennung zu finden —; aber Preußen muß für sich und seine Gemeinden beanspruchen, nit nur an dem Ertrage der großen Steuern in stärkerem Umfange, als es die Reichsregierung plant, beteiligt zu werden, sondern au einen größeren Einfluß auf die Verwaltung dieser Steuern zu gewinnen. (Sehr richtig!)

Die Länder und Gemeinden haben von alters ber große Auf- gaben zu erfüllen, neue Aufgaben, insbesondere auf dem Gebiete der Wohlfahrtspflege, sind ihnen durch das Reich zugewiesen; sie können diesen Aufgaben nux gerecht werden, wenn ihnen die erforderlihe Bewegungsfreiheit auf finanziellem Gebiete gewährt wird. Die entscheidenden Verhandlungen mit dem Reiche stehen vor der Tür, ja Preußen ist vielleiht dadur, daß ihm in den leßten Wochen eine verantwortliche Regierung fehlte, {hon ins Hintertreffen gekommen, jedenfalls ist Gefahr. im Verzuge. (Hört, bört! und fehr richtig!)

Ich halte es sür meine Pflicht, mit allem Nachdruck darauf hin- zuweisen, welhe \chwere Verantwortung alle diejenigen auf sich laden, die die Bildung einer arbeitsfähigen Negierung in Preußen unmöglih machen und dadurch verhindern würden, daß ter preußishe Staat. bei den Verhandlungen mit dem Reiche mit der erforderlihen Autorität vertreten werde. munisten.) Bei der Mitarbeit an der RNeichssteuergeseßh- gebung und bei der Gestaltung der Landessteuern wird sich das Staatsministerium von dem Gedanken leiten lassen, die Steuers- geseßgebung und Verwaltung zu vereinfachen und die deutshe Volkswirtschaft, vor állem den landwirtschaft- lihen und gewerblihen Mittelstand und die große Menge der Festbesoldeten und Lohnempfäuger, im Rahmen des Möglichen zu entlasten, Das leßtere läßt sich nur

erreichen, wenn das Staatsministerium in seinem Bestreben, die

größte Sparsamkeit zu entwickeln, von dem Landtage unterstüßt wird.

Die deutsche Wirtschaft befindet sih noch im Aufbau auf der Grundlage, die ihr durch Schaffung einer stabilen Währung gegeben worden ist. Für die Entwidlung von Handel, Industrie und Gewerbe wird es von entscheidender Bedeutung sein, wie weit es der deutshen Wirtschaft mit Hilfe geœigneer Hawdels- verbräge gelingt, wieder Ans{luß an die Weltwirtschaft zu ge- winnen und durch Hebung der Konsumkroft der deutschen Bevölkerung den inneren Marti ausnharshb fr e Grune eses Acbeit zu machen. Es wird ‘die ‘besondere Aufgabe des Stqats- ministeviums sein, darüber zu wachen, daß in der aus der Inflation und ihrer Ueberwindung erwachsenen anormalen Lage unserer Wirt» haft niht wertvolle und für den gesunden Aufbau unserer Volks- wirts{aft und unseres Staates notwendige Glieder der deutschen Wirtschaft vernichtet oder in ihrer Erholung durch die Uebermacht öffentlicher oder privater Kapitalzusammenballungen gehemmt und gè- hindert werden. /

Insbesondere wird es notwendig sein, dew notleidenden Teilen der Landwirtschaft, des gewerblichen Mittelstandes und des Hand- werks dur Zurverfügungstellung von Kredit in möglichst weitem Umfang zu helfen und der steuerlichen Ueberlästung entgegenzu- wirken, die gerade bei diesen Schichten des deutschen Volks vielfach vorhanden ist. Auch im übrigen wird die Staatsregierung dem in schwerer Notlage befindlichen Mittelstand ihre Aufmerksamkeit zu- wenden, und wo und wie sie nur immer vermag ‘auf dem Wege der Gesetzgebung und der Verwaltung Schußwände ercichten, um die möglichst weitgehende Gesundung der dem Mittelstand zugurechnenden Bevölkerungskreise herbeizuführen. Hierhin gehört auch die Für- sorge für die Beamten aller Art in möglichst weitem Umfang. Leider ist ja unsere finanzielle Lage noch nicht derart, daß wir den an sich daraus gerectfertigten Wünschen der Beamien- haft in vollen Umfang Erfüllung in Aussicht stellen können, Sedenfalls soll alles geschehen, was mit der Stabilität und der Kräftigung unseres Finanzwesens irgendwie zu vereinbaren ist,

Auf kulturpolitishen Gebiet wird die Regierung im allgemeinen die bisher innegehaltene Linie verfolgen. Dies gilt insbesondere für die Stellung des Staates gegenüber den Kirchen und den wesentlichen Fragen, der Shul-, Hoch» \chul- und Kunstpolitik, Die Reform des höheren Sch{hulwesens und die Neagestaltung der Lehrer- bildung soll im Sinn der in Angriff genommenen Moßnahmen durchgeführt werden. Jnwieweit im Einzelfal das Reich von seiner Grundsatgeseßgebung Gebrauch machen wird, steht noch dahin; doch wird an dem bisherigen Grundsahþ festzuhalten sein, daß die Kultur- politik im wesentlihen Sache der Länder ist und daß deshalb die notwendige Vereinheitlichung des teutshen Schul- wesens, die niemals eine \hematische sein kann, am besten durch Ver- eiúbarung zwischen den Ländern und pvishen dem Meich und den Ländern zu erstreben sein wird.

Die Sule muß den Geist echten Christentums prak tis lebendig mahen. (Zurufe bei den Kommunisten.) Die Not» lösung der sogenannten weltlichen Sammelklassen muß möglichst bald durch das Neihsschulgeseh cine rechtilich einwandfreie Grunde lage erhalten. In allen Schulen soll die Jugend ¿zur Vater- landsliebe und zum Verständnis deutsher Wesens- art erzogen werden. Nur aus dem Erlebnis des eigenen Volks läßt sich Verständnis für das Wesen anderer Völker gewinnen und damit die Verwirklichung der Forderung der Reichsverfassung nach einer Erziehung im Sinne der Völkervérsöhnung erst er- möglichen. Die Schule soll die Klassen und Parteien nicht trennen, sondern verbinden und hat sih deshalb von parteipolitischen Frage- stellungen freizußallen, aber zum Verständnis der Lebensnotwendig-

(Hört, hört! bei den Kome -

feilen des Volks und zur Achdung der verschiedenen Standpunkte zu erziehen Sie joll einen freudigen Glauben an die deutsche Zu- funft in den Perzen unserer Jugend wecken und sie zu ver- antworturgsbewußter Teilnahme am Staats- 9 E d 4 E Ms L ß Me pu bl if reif machen. (Lebhaftes Vravo.) Das d ne nur lonnen, wenn sie alle Fähigkeiten ker heramwachsenden Jugend, die geistigen wie die l'örperliden, aleich- mäßig entwidelt, Auch der Jugendpflege der Fürsorge - für die schulentlassene Jugend, wird die Staatsregierung im Interesse der Zukunft unseres Staatäwesens größtmöglike Sorgfalt zuwenden. (Bravo! Zuruf bei den Kommunisten.) }

Auf dem Gebiete der Volk sgesundheit wird die Stagie- regierung unablässig bestrebt sein, die {weren Schäden des Krieges und der Nachkriegszeit mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen und auszugleichen. Nux durch die Hebung seiner Gesund- heit wird unser Volk die Kraft gewinnen, die es zum Tragen der ihm aufgebürdeten wirtschaftlichen Last dringend benötigt.

Vos Ziel der staatlihen Wohnungspolititk muß dahin gehen, die noch bestehenden Bindungen in der Wohnaungs wirtschaft baldmöglichst zu beseitigen. (Sehr wahr! rechtis und in der Mitte.) wird am ehesten erreiht werden, wenn die Neubautätigkeit durch öffentli&e Mitiel auf das nachdrüd- lichste gefördert wird. (Sehr richtig!) Die hierzu erforderlichen Maßncchmen müssen si den jeweiligen Verhältnissen anpassen.

Die Staatsregierung verfolgt mit besonderem Ernst die Lage des Arbeitsmarkts. Sie sieht in der Arbeits- beschaffung die beste Form einer iSrwerbélosenunterstäßung unt wird daher der Shaffurg von Arbeitgelegenheit ihre nahdrüclichste Aufmerksamkeit ‘widmen. Dabei wird sie bestrebt sein, vorzuaéreife solde Arbeiten zu fördern, die die he he Produktion dauernd an- regon oder fördern, Die beshleunigte Einführung einer Arbeits- losenversiherung wird die Staatßregierung cut bas nas drilcklichste unterstützen.

De soziale Förderung der gewerl ; Arbeiterschaft liegt in erster Linie dem Rech ob. Aber auch hier werden wir Preußen, soweit wir es vermözen, bie soziale Lage der arbeitenden Bevölkerung zu bessern suchen: der sozialen Gerechtigkeit wegen, aber au, weil es sich um für das Stzatäwohkl besonders wertvolle nationale Kräfte handelt. (Zurufe ‘bei den Kommunisten.)

Die materielle Hebung der verschiedenen Be- rufsstände und des gesamten Velks betrachten wir als eine selbstverständlidke, ber mit größter Sorgfalt zu erfüllende Pflicht der Staatiêregierung. Alle in dieser Richtung aufgewendete Mühe und Sorgfalt wäre aber vergebens, wenn nicht unsere staatliche Ruhe, Sicherheit und Ordnung aufrechterhalten würde. (Hört, hört! Zuruf bei ven Kommunisten) Bei der Auffassung und Durchführung der der Staatsregierung in dieser Beziehung ob- liegenden Pflicht wird sie si, unbeirrt ven den weselnden Strömungen des politis@en Getriebes, allein von den Nokßwvendige- keiten des Staati@vohls leiten lassen. Dies {ließi nit aus, daß wir, soweit es mii der Rücksicht auf die Erhaltung des Staais vereinbar ist, die Frage der Gnadenerweise für diejekigen, die in der Vergangenheit aus politischen Beweggründen gegen bié Siraf- geseße verstoßen haben (Zuruf bei den Kommunisten: Jagow!) mil möglichst weitgehendem Wohlwollen prüfen werden, y

Zur Gewährleistung der Ordnung bedarf es iw Anbetracht - der politischen Zer issenbeit dos Maolk8. dor mirtimaftiAon und snualon Not weiter Kreise, mit der die Gefahr verzwveifelter wie ver-

breerisher Unternehmungen verbunden ist, einer starken, allen An- forderungen gerade dieser Zeit gewacbsenen Polizei (Rufe: Aha! bei den Kommunisten), die, unbedingt verfassungstreu (Zurufe bei en Kommunisten), ein jederzeit zuverlässiges Instrument der Staats- regievung ist, (Erneute Zurufe bei den Kommunisten. Glolz des Präsidenten.) Ju diesem Sinne gilt es, die vorhandene” Polizei, deen wirtschaftliße Besserstellung ini Ueber- einstimmung mit der im leßten Landtag von allen Partäien ver- tretenen Auffassung in die Wege geleitet werden soll, auchß näch Maß- aabe der fahtechnishen Erfordernisse weiltér auszubauen. (Untube bei den Kommunisten.) Dabei sollen die seinerzeit eingegangenen außenpolitischen Bindungen durchaus beachtet : werden, allerdings in der bestimmten Envartung, daß die alliierten Mächte bei der keineëwegs zweifelösfreien Auslegung der eins{lägigen Ver- iragêbestimmngen die Lebensnotwendigkleiten des preußishen Stagts anerkennen und der Siaatsregierung die zur Durchführung einer starken Politik mebr als je nokwendigen Machtmittel nicht streitig machen, BE

Die Rube und Stetigkeit der Eniwiklung unseres Siaais- wesens wird in erstec Linie nur zu sichern sein auf Grand echter und tiefer nationaler und staatsbürgerliher Gesinnung der ge- samien Bevölkerung. Unser Staatswesen, dem im leßten Jahrzehnt so sdavere Wunden zugefügt worden sind, kann nicht gesundèn sondern nuß zasammenbrechen, wenn nicht alle, die ihr Volk und ihr Vater- land wahrhaft lieben, si zusammenfinden in dem ernsten: Vorsak, allen Streit und Hader über die Staatsform zurüclzustellen vor dem einen Ziel, auf dem Boden der bestehenden republikanischen Verfassung das allgemeine Wohl des Volks und des Staats zu fördern. (Bravo!) j

Wahrhaftig, unsere staatlichen und wiréscaftlicen Verhältnisse sind noch derart unsicher und jammervoll, daß die volle Kraft der Parteren, die überhaupt nochG ein geordnetes Staatswesen festhalten wellen, auf die politisde und wirts{aftlide Kräftigung unseres Volks gerichtet sein muß. Mit tiefstem Schmerz muß jeden {sein Volk und Vaterland warm Liebenden die leider niht abzuleugnende Tatsache durchdringen, daß seit einigen Monaten unser Volk in \teigendem Maße dabei ist, ic in innerpolitishen und parteißolitisden Streitigkeiten zu zerfleishen. (Sehr wahr!)

Jch würde es als eine Pflichtverleßung ansehen, wenn-ickch nicht auch von dieser Stelle aus mit aller Entschiedenheit an alle Volks: kreise ohne Ausnahme die dringende Bitte richten würde, do abzulassen von dem unseligen inneren Streit, der nament- lih verderblich ist zu einer Zeit, wo ein starkes und in si einige® deuisches Volk notwendig wäre, um den Bedrängnissen von auswärts mögli{st geschlossenen Widerstand entgegenzustellen.

Selbstredend ist es die vornehmste Pflicht der Staatsregierung, mit aller Entschiedenheit für den Sh und die Beobachtung der bestehenden Staatsverfassung einzutreten. Sie wird das zu Recht bestehende Staatsögrundgeseß gegen jede wider- rehtlide Verleßung zu verteidigen wissen! (Lärm bei den Kom- munisten.) Sie rechnet hierbei auf die Unterstüßung der ger samten Beamtenschaft, Für diese kann i mir nur die Worte zu eigen maden, mit denen am 10, Novernber 1921 die Ne-

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