1902 / 276 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 24 Nov 1902 18:00:01 GMT) scan diff

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Grund des Artikels 17 der Reichsverfassung, der ihn gegenüber dem Reichstage wverantwortlih macht für die Durchführung der Reichsgeseze, und auf Grund des Artikels 7 der Reichs- verfassung, der ihm die Möglichkeit giebt , er mit einer Einzelregierung sch nicht ins Einvernehmen zu seßen vermag, bei dem Bundesrath zur Klärung und Entscheidung zu bringen. Das kann der Herr Reichskanzler aber erst dann, wenn eine maßgebende Entscheidung der leßten Instanz bei der einzelnen Landes- regierung vorliegt. Es würde ja jeder geordnete Gang der Verwaltung gestört, wenn der Reichskanzler vorzeitig, hon auf Grund von Artikeln in der Preffe oder von Anfragen hier im Hause, in eine Sache ein- greifen würde. Sobald aber der Augenblick gekommen ift, daß eine endinstanzli®e Entscheidung der Einzelreaierung vorliegt, wird der Herr Reichskanzler wissen, was er zu thun hat.

Das ist der erste Theil der Interpellation.

Was ihren zweiten Theil betrifft, so wird darin eine Frage gestellt, die, wie auch der Herr Interpellant felbst anerkannte, bereits im Frübjahr d. I. bei der Verhandlung über den Etat des Reichs- Justizamts cine ausführliche Erörterung gefunden hat. Damals habe ih erklärt und ih glaube, mich nicht zu irren, wenn ih sage: unter Zustimmung der Mehrheit dieses hohen Hauses —, daß der Zeitpunkt gegenwärtig nicht gegeben sei, um den Erlaß eines Strafvollzugsgeseßtzes vorzubereiten, daß dies nur in Angriff genommen werden könne auf Grund eines festen Strafensystems, wie es zwar das Strafgeseßbuch enthält, daß wir aber niht wissen, wie lange wir das jetzige Strafen- system, welches fehr erheblihen Anfehtungen sowohl von theoretischer, wie. von praktischen Seiten unterliegt, beibehalten werden, und daß wir kein Strafvollzugsgeseß aufstellen können, bevor wir in diesem Punkt sicher sind, weil ein solches Gefeß sehr be- trächtliche Aufwedungen, unter Umständen mehr als 100 Millionen Mark an Aufwendungen für die Neugestaltung des Gefängnißwesens, in Anspruch nehmen würde. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Wollten wir ein derartiges Geseß machen und die Verwaltungen der einzelnen Bundesstaaten damit zu derartigen Mehrausgaben nöthigen, so würde das nach meiner Meinung einer Verschleuderung öffentlicher Gelder nahefkommen

Diesen Standpunkt hat aber der Reichstag nicht bloß im Früh- jahr dieses Jahres bei der Berathung des Etats des Neichs-Justizamts gebilligt? er istkauch früher {hon auéëdrüdlih hier im Hause anerkannt worden. Noch 1890 haben hier im Hause die Herren Abgg. Dr. Bamberger und Dr. Windthorst unter Anerkennung der großen S@wierigkeiten, die derzeit dem Erlaß eines Strafvollzug8gesetes ent- gegenstehen, den Wunsch ausgesprochen, daß man die wichtigeren Bestimmungen, die in das Disziplinargebiet fallen, im Wege der Verordnung gleihmäßig für das ganze Reich regeln möge. Und als 1892 der Reichstag den Wunsch aus\sprah, ein Strafvollzuggesetz zu erhalten, hat man gleichzeitig anerkannt, daß es zunächst angezeigt erscheint, im Wege der Verordnung die wichtigeren Bestimmungen des inneren Gefängnißwesens unter den Bundesregierungen zu regeln. Meine Herren, das Reichs-Iustizamt ist im Sinne dieser damaligen Aeußerungen vorgegangen, und der Herr Interpellant hat selber {hon tarauf aufmerksam gemacht, daß eine fsolche Verständigung unter den Bundesregierungen erfolgt ift, die eine Gemeinsamkeit der Grundsätze für die innere Gefängnifiverwaltung verbürgt. Damit ift do {on eins für die spätere Gesetzgebung erreiht, daß nämlih neue Ab- weichungen der Prárxis der einzelnen Bundesstaaten bei der Ge- fängnifiverwaltung fih niht mehr auébilden können, und das ist zwar nur ein erster, aber wihtiger Schritt für die Vorbereitung eines Strafvollzugsgesetes.

Meine Herren, ih will mich bezüglih der zweiten Frage dabin resümieren: der Herr Reichskanzler erkennt tie Nothwendigkeit eines Strafvollzug8geseßes durchaus an, er ist aber niht in der Lage, zur Zeit den Erlaß eines solchen Geseyes in Ausficht zu stellcn, und er glaubt, nh bei diesem seinem Standpunkt im Einklang zu befinden mit den Erklärungen? aus der Mehrheit dieses Hauscs, jeßt wie früber (Bravo! rets.)

Auf cinen vom Aba. Singer (Soz.) gestellten, vom ganzen Hause, mit Ausnahme der deutsh-konjervativen P unterstüßten Antrag, findet eine Besprehung pellation statt.

Aba. Baftsermann (nl[.): Wir Staatssekretärs, daß der Reichökaniler ariffe unterg olizetiorgan

COTiN Ï lib. Es fann in pellation degründet

unberechtigten

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Fälle, in denen

Strafgeseßbuch warten, wir werden sonst die Regelung des Straf- vollzugs nicht erleben. Die immer wieder auftauchenden Mißstände sollten doch die verbündeten Regierungen überzeugen,“ daß die reihs- geseßlihe Regelung des Strafvollzuges eine Nothwendigkeit ift.

Abg. Gröber (Zentr.): Die Klage über unbegründete Ver- haftungen und Uebergriffe ist Jahre alt. Wenn in letzter Zeit die Mit- theilungen sich hâäuften, so liegt das wohl weniger an der Häufung der Fälle, als an der zu begrüßenden Verfeinerung des öffentlihen Gewissens. Die Stellungnahme zu der allgemeinen Frage von dem Nachweis der Einzelfälle abhängig zu machen, wäre fals; es bleibt immer eine Anzahl Fälle übrig, wo die Behauptung der Uebergriffe und Ungerechtigkeiten nachgewiesen ist und Remedur geshaffen werden muß. Gern hätte ih wieder einmal ausnahmsweise den preußishen Herrn Justiz-Minister am Bundesrathstish gesehen. Wo liegen die Gründe für diese Ausschreitungen? Die Gesetzgebung selbst kann nicht ganz freigesprohen werden; sie hat das Gut der persönlichen Freiheit nicht genügend ges{chüßt, und die Abwägung des allgemeinen gegenüber dem persönlichen Interesse ist vielleicht niht ganz gerecht erfolgt. Die Zusammenfesselung von Gefangenen, die kein ebhrenrühriges Vergehen begangen haben, mit Zuchthäuglern ist unzweifelhaft ungehörig; da liegt wohl manches an der ungenügenden Kontrole der untergeordneten Organe, und der Reichskanzler sollte prüfen, ob hier nicht dur einen Nunderlaß etwas zu geschehen hätte ; es steht ja zu- gestandenermaßen dem Kanzler hier eine verfassungsmäßige Kompetenz zu. Die Staatsanwaltschaften find ja auf Grund eines Reichsgeseßzes ge- \chaffene Behörden; soweit fie die Gefängnisse zu überwachen haben, ist die Kompetenz des Kanzlers außer Frage. Auch ih möchte mich nit vertrösten lassen auf die wunderschöne Reform des Strafgesetz- buches, die wir vielleiht einmal bekommen werden. Die Beschwerden, die uns beute vorgetragen sfind,- beziehen fih auf etwas ganz Anderes. Ohne einen Pfennig in Reih oder Staat auszugeben, kann man {hon heute verfügen, in welhen Fällen Selbstbeshästigung, Selbst- beköstigung, Beibehaltung der Zivilkleider 2c. gestattet sein soll oder niht. Und die Frage, daß man eine Strafhaft unterbriht, um Monate lange Untersuhungshaft einzuschalten, kann doch son heute in einer menshenwürdigen Weise beantwortet werden. Was den Widerstand gegen die Staatsgewalt betrifft, so ist der Inter- pellant do wohl über das zulässige Maß hinausgegangen. Der Gendarm ist geseßlich gezwungen, dem Befehl seines Vorgeseßten Folge zu leisten; läßt man das niht gelten, so würde der Gendarm \hußlos- dem Angriff jedes beliebigen Dritten überlassen sein. Was aber die Mängel bei dem Transport der Gefangenen 2c. betrifft, so stimmen wir dem Interpellanten vollständig zu und fordern mit ihm den Reichskanzler auf, für Abstellung zu forgen.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): Im Gegensaß zu Herrn Gröber ist mir die Interpellation und ihre Begründung durch und durch \ympathish gewesen; weniger gefällt mir nur der äußerlihe Umstand des unterschiedslosen Durcheinanderwerfens von Polizei und Gerichten, wenn das auch aus taftishen Gründen wohl geboten war. Die Ge- ridhte untersheiden sich auch in \sch in diesem Punkte; ich möchte sprehen von guten Gerichten des Westens und minder guten des Ostens. Die Gerichte glauben doch wenigstens, geseßlich zu handeln. Im Falle Tampke beklagen sh die Sozialdemokraten weniger über die Verhaftung als über die Behandlung, und über diese hat der Staatssekretär kein Wort verloren. Daß unsere Frübjahrs- verhandlungen niht zu einer Abnahme, sondern zu einer Haufung der Fälle geführt baben, läßt vermuthen, daß es sich hier um symptoma- tishe Aeußerungen einer inneren Krankheit handelt. In England findet der Engländer in der Polizei den Helfer, in Deutschland findet der Deutsche in der Polizei den Quäler des Publikums. Jn der Haupt- sache lieat da? Uebel an dem Personal, d. h. an unserem Militarismus. Wir sind angewiesen auf ausgediente Unteroffiziere, aus- gediente Feldwebel, die keiner böberen Bildung theilhaftig sind, die in ibrem früheren Amte den Respekt vor der persönlichen Freiheit vers lernt haben, und denen über diesen Begriff in ihrem höheren Alter nihts mehr *beizubringen ist. Diese Herren werden mit einem Reglement ausgestattet, das es als das fluchwürdigste Verbrechen dar- stellt, wenn einmal ein Verdächtiger dem Arm der Gerechtigkeit echavpviert. Der Fluchtverdacht ist etwas Gegebenes, mag das Delikt noch so winzig sein. Von oben herunter wird ja dann auch der NKespekt vor dem Gesetz, so zu sagen, systematish untergraben. Es giebt Vorschriften, deren Nichtbeachtung geradezu empfohlen wird, fo diejenige, daß eine Haussuchung nur in dringenden Fällen und unter Zuziebung von zwei Schöffen ohne richterlihen Befehl zu erfolgen hat. Wie tmassenhaft sind aber die Hautsuchungen, welche die Polizei ohne alle diese Kautelen vornimmt! Die Polizei sagt einfah, sie mlisse selbst wissen, ob Gefahr im Verzuge sei. Kann solhe Praxis die Achtung vor dem Geseßze stärken? Eine sehr \{limme Einrichtung uh die Erhebung des Kompetenzkonflikis, wo- dur die und die Beamten der Zivilsatiéfaktion \ih leit entziebé ôöônnen urd entziehen, wenn die Entschädigungéklage im Zivilprozesse für sie schief zu gehen droht. Troy unserer Jnitiativ- anträge bôren und sehen wir nichts von Fortschritten auf dem Gebiete der Reform des Strafvollzuges oder der Strafprozeßordnung. Wir waren so freundli, unsere Anträge zurückzuziehen, weil uns Zusiche- rungen gegeben wurde die uns berubigen konnten, und nun höôren wir, daß es sich zunächst um das neue Strafsyîitem bandeln soll, daß vorber von der Regelung des Strafvollzugs nicht die Rede sein könne. Das RNeichs-Justizamt sollte ctwas mehr diligentiam prästieren.

Staatssekretär des RNeichs-Justizamts Dr. Nieberding:

Herren! Ich glaube, daß kein Vorrwourf dem Reichs-

mit weniger Grund gemacht werden kann angesichts der

von der das Haus in den leyten Jahren Augenzeuge ge-

als der, den ter Herr Abg. Lenzmann uns eben gemacht

ß wir nur fortwurstelten. Jch glaube, wir haben in den leyten

daß wir niht fortwursteln, sondern fleißig bei der

und ih glaube, die Arbeiten find solhe, die sih schen

da auch das hohe Haus ihnen fast überall scine Zu-

I muß wich also gegen den Vorwurf, als nur \o fortreurstelten, verwahren

Herr Abgeordnete hat dann gemeint

L evn s h eurn Sn l A lerreadrung etnicc

g gegeben hat

und dagegen muß daf wir ein Eingehen auf gewiffe Titel verweigerten, daß wir binwiecsen, doch iu Tem

t Punkt immer hat.

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daß wir verwiesen immer wollien wir aud

nur wiederholen und kann hinzufügen, daß ‘das Reichs-Justiz

s 2 SUlzamt sei änger als. einem halben Jahre mit der Sache ernstlih befaßt ; Wenn der Herr Abgeordnete uns aber vorwirft, daß \o lan wie ein halbes Jahr {on wieder vergangen sei, fo unters{Fgt er die Schwierigkeiten, die da vorliegen, wenn in folher Frage unter dei vielen verbündeten Regierungen überhaupt ein Einverständniß erzielt werden soll; und es muß doch, bevor wir überhaupt vorgehen fönnen, cin gewisses Einverständniß unter den Regierungen vorliegen. Jch kann dem hohen Hause gegenüber den Be. merkungen des Herrn Vorredners mittheilen, daß wir mit s ersten Schritten zur Reform der Strafprozeßordnung fertig sind, daß wir mit Zustimmung der größeren Bundesregierungen in der nächsten Zeit eine Kommission berufen werden, welhe qy Grund eines spezialisierten Programms die Fragen, die bei der Reform der Strafprozeßordnung haupt\sächlih in Betracht kommen, eingeben erörtern soll. Wir haben uns überzeugt, daß gewissermaßen so aus dem Handgelenk heraus weder aus dem Schoße der verbündeten Ry, gierungen, noch aus dem hohen Hause diese große Frage zur Erledigung gebracht werden kann. Um fie wirklich zur Erledigung zu bringen, wollen wir jeßt den Weg einer gründlihen Vorerörterung im j \sahverständiger und unbefangener Prüfung eins{lagen. Wir werda auch Herren aus dem Reichstage dazu einladen, damit sie si ül, zeugen, wohin unsere ernste Absicht geht. So darf ih den Vorn als wenn wir eine Reform der Strafprozeßordnung niht wollten, x chieden zurückweisen. i

Dann ist der Herr Abgeordnete zurückgekommen auf den V {lag, den ter Herr Abg. Groeber gemacht hat: wenn y nämlih jet ein erschôpfendes Strafvollzugsgeseß niht aufstelaz! könnten, dann sollten wir wenigstens einen Theil davon erledign, Dahin streben wir ja auch. Wenn das Programm für die Refor der Strafprozeßordnung veröffentliht werden wird, was nicht mehr lange dauern soll, dann werden Sie sehen, daß wir den Theil dez Strafvollzugs, dessen Regelung ihren Play in der Strafprozeßordnung findet, ebenfalls einer Prüfung auf eine geseßliche Reform unterziehen wollen. Wir sind durchaus niht jeder Reform von Strafvollzugs vorschriften abhold. Nur insoweit habe ih sie für r Zeit unmöglid erklärt, als sie mit dem Strafgeseßbuch zusammenhängen. Nun sagen die Herren: ja, regelt doch wenigstens die Bestimmungen, die mit dn äußeren Gefängnißwesen, mit den Baulichkeiten und mit deren inner Einrichtung nichts zu thun haben, legt doch die Bestimmungen übe die innere Verwaltung, die Behandlung der Gefangenen u. dergl. vor. Diese Dinge haben wir ja geregelt dur eine Vereinbarung unter ta verbündeten Regierungen, die veröffentliht ist. Jeder der Herz aus dem Hause kann sie einsehen, und meines Wissens sind dieß gefundenen Bestimmungen noch keinem Anstand begegnet. V troßdem allerlei Beschwerden gekommen sind, so liegt das nicht daun, daß solhe Bestimmungen fehlen oder niht ausreichen, sondern tarin, daß sie niht rihtig im einzelnen Falle zur Ausführung kommen. Wenn das aker der Fall ift, dann tritt auch seitens der Lid regierung die nötbige Korrektur ein. Ein Gesey in diesem azn Umfange, das mehr erreichen könnte, als jeßt mit der Vereinbarung der Regierungen erreiht wird, können wir nah meiner Märung nit vorlegen.

Ich möchte noch eins erwähnen, um den Vorwürfen des Hen Abgeordneten entgegenzutreten. Meine Herren, Sie haben im voris Jahre auch \{on Gelegenheit gehabt, bier Beschwerden über | Fesselung der Gefangenen zu hören. Jm Reihs-Justizamt ist infols dessen Veranlassung genommen, mit den einzelnen Regierungen # Verbindung zu treten, die Bestimmungen zu erbitten, die dort üta die Fesselung der Gefangenen zur Zeit bestehen, um daraufhin Grad sätze aufzustellen, nah welchen in Zukunft übereinstimmend im gang Neiche Zulässigkeit einer Fesselung der Gefangenen beurtheilt weta soll. Wir boffen, daß auf diesem Wege es möglich sein wird, mand Mikfverständnifse und Mikf:stände, die mangels klarer und einhbeitlida Bestimmungen hervorgetreten sind, grundsäßlih zu beseitigen. H boffe, daß in der nächsten Zeit die einzelnen Regierungen in der 2 sein werden, zu unseren Vorschlägen ihre Zustimmung zu erklin und damit wird, wie ih überzeugt bin, auch manchen Ungchöriglän die bier im Hause zur Spracde gebracht sind, für die Zukunft gebeugt sein. Daraus ergiebt \sih aber, daß bei der Reichöverwre keineëêweas die Absicht bestebt, allen Wünschen auf diesem Gebici® gegenzutreten. Wir erfüllen sie gern so weit, als die zeitigen W bältnisse das geflatten.

Wenn der Herr Abgeordnete aber zuleßt gesagt hat, i finanzielle Gründe vorgebraht, um die Vertagung der Rcfera d Strafprozesses zu motivieren, so hat mich da der Herr Abget® vollständig mifwerstantea. Ich babe lediglih darauf hingericitt, früber {hon der Erlaß cines Strafvollzugögefeyes daran gescheiten S daß man sich überzeugte, es würden die Neuausgaben für den ps cines solchen Gesepes, die für die Umgestaltung der Strafanit2 unvermeidlih sein werden, weit über 100 Millionen Mark de Der Herr Abgeordnete wird mir, glaube ih, doch darin Red! g daß; der gegenwärtige Zeitpunkt nicht geeignet ist, um eia S0 k

rlassen, welches sol&e Auégaben unmittelbar nah sich zieht

Abg. Dr. Oertel (d. kons.): Die Erklärung des Staal war so, wie sie nah Lage der Sache abgegeten mußte und nicht anders abgegeben werden fonnte. Wit arüßen es, daß der Reichskanzler offen erflärt, tag x \c@iofsen sei, allen solhen Mißgriffen entschieden entge und dazu beizutragen, daß eine Wiederholung möglichit erm wird Herr Lenzmann bemängelt, daß dec Staate Kompetenz des Reiches für volizeilide Uebergriffe geleugne Das Reich ift aber dafür nit kompetent. Der Staatsseir ja auch erflärt, daß der Reichékanzler als preußischer No Präsitent dafür sorgen wird, daß polizeilihe Mißgriffe mog micden werden, und hat in Aubficht geitellt, daß tie einzelnen prevßzishen Abgeordnetenhause erledigt werten. Mit einige fonnte Herr Lenamana nur das vermissen, daß der Slaattic legislatorishes Vorgehen für tie nächîte Zeit nicht in Ausf® fonnte. Wir wrâûnshen. möglich schnell an dic Reform des Si etanzutreten. Sie ahnen vielleicht, daß ih cinen kleinen Neben dabei habe. Ich gehe aber darauf aicht cin, weil es die Debatte s elaften wütte. Die Schwierigkeit einer größeren Neform dai? T7 ubersdätt werten. Ueberstürzen weir sie, so kann sh heran éine mit groñem Pomp in Scene gesche Reform im Sande eider ift es tem Staatssekretär nicht geglut, die Kritit d "cine ganz zu entfráäften. Der Ton aber, den ter Abg Pet E

¿gen hat, \cadet sciner Sache. Darum bedauere id M s ad daß der Abg. Heine es sich nicht versagt bat Verallgeme® - inzelnen Fälle zu fnuüzfen. Daß unser Kechtsftand zum

¿anzen Welt gewrorten ift, muß ih entschieden zur

(Sé&luß ia der Zweiten Beilage.)

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zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

2 276.

(Shluß aus der Ersten Beilage.)

5s fommen in allen Ländern Mißgriffe vor. Wenn wir aber unsere outschen Rechtseinrichtungen mit den Einrichtungen fremder Völker ver- ‘leichen, so muß anerkannt werden, daß die deutschen Rechts- und auch polizeieinrihtungen viel besser sind als die der anderen Länder. Dies fest- ustellen, habe id mich für verpflichtet ge Der Abg. Heine hat der türgerlichen Presse vorgehalten, ‘daß fie nur ihrem Unmuth und ihrer empörung Ausdruck gebe, wenn es sich um Angehörige der bürger- ien Kreise handle. Das is ein durchaus unberechtigter Vorwurf. Treilich wird die bürgerlihe Presse nicht blindlings glauben nd wiedergeben, was irgendwo gedruckt ist. Herr Bebel ist ner als einmal durch seine Gewährsmänner getäuscht worden. Das fann au der Presse widerfahren; um fo vorsichtiger muß sie aber in. Die ernste, Ee e le P hi sih in einer recht üblen Qge. Wenn derartige Berichte, die so himmelschreiend find, vor- , so pflegen wir zu warten, ob sie berihtigt werden. Von vorgeseßten Behörde findet eine D in der Regel nicht nett, Bittet man diese um Aufklärung, o wird man auf einen ganz nderfbaren bureaukratischen Weg verwiesen, oder erhält überhaupt ire Antwort. Das ernste Blatt kann niht mit Stillshweigen unm vorübergehen. Erhält es keine Information, so mu 4 von so unbeglaubigten Berichten Notiz nebmen. J mige den Staatssekretär bitten, auf die preußishe Ver- waltung einzuwirken, daß dieser alte bureaukratishe Zopf abgeschnitten werde. Der Presse, das können Sie glauben, auch der der Linken, [iegt schr wenig daran, sensationell aufgebaushte Berichte zu bringen, die sie nahher korrigieren muß. Sie hat das Bestreben, die Wahr- heit zu bringen. Was den Gegenstand der Interpellation selbst be- trifft, so glaube ih, daß die Frage der Reform des Strafvollzugs und der richterlichen Uebergriffe vor den Reichstag gehört, daß aber die eiae Üebergriffe vor die Einzellandtage gehören. Den Fällen Becker und Augspurg messe ich troy aller (Galanterie nicht die Bedeutung bei, die ibnen Herr Heine - beimißt. Die Yolizeiorgane haben ja einen Mißgriff begangen, aber sie ver- dienen mildernde Umstände. Wenn die Damen im Männerkostüm umbergehen, so laufen sie durch ihre Kleidung Gefahr, als verkleidete Männer gewürdigt und polizeilih behandelt zu werden. Mit dieser Gefahr müssen sie renen, und darum ist ihnen zu rathen, soweit es an ibnen ist, diese Gefahr möglichst zu vermeiden. Ein Mißgriff war es, daß Fräulein Augspurg von einem Polizeibeamten ange- balten wurde, daß sie aber dem Forum der oberen Polizeibehörde vorgeführt wurde, war kein Mißgriff, sondern entsprach lediglih den Vünschen des genannten hochverehrten Fräuleins. Sie sagte ja, sie habe den Schußmann vorgeführt, nit er sie. Es war ihr also niht unangenehm, zu dem Fall Wiesbaden einen Fall Weimar zu fügen. Doch steht der Fall noch nicht ganz fest. Wir werden ja Gelegenheit haben, an anderer Stelle mehr darüber zu erfahren. Das Fräulein hat in Aussicht gestellt, die Sade vor den Kadi zu s{leppen. Es wird eine große Massenklage wie im Falle des Margarine-Mohr gegen die Presse angestrengt werden. Den Ausdruck des Abg. Heine „unsinnige Verhaftung" möchte ih mir jedenfalls niht aneignen, wenn ih auch zugebe, daß die Weimarer Polizei nicht korrekt verfahren ist. Den Fall Nappaport gebe ih ohne weiteres preis. Der Bericht ist nur in unwesentlichen Kleinigkeiten richtig zu stellen ; man mußte empört sein und muß verlangen, daß derartiges sich nicht wieder- hole. Au im Falle Tampke bin ih nicht ganz beruhigt worden. Die Verbafturg des Tampke scheint gerechtfertiat gewesen zu sein nach allen den Vinkelzügen, die der Mann gemacht hat. Aber was bei seiner Ver- baftung geschah und naher, darüber hat sih der Staatssekretär nicht auégesprohen, wir müssen also einstweilen annehmen, daß die Preß- beridte rihtig sind, und bier ist eine scharfe Kritik durchaus berechtigt. Vie Fefelung des Redakteurs Hoffmann anlangend, batte ih {on dor Jabr und Tag erklärt, daß wir die Fesselung Bredenbeck's für urgeredfertigt bielten und auch unsererseits die Regierung dringend baten, die Wiederholung solcher Fälle unmöglih zu machen. Daß nach so ner Zeit ein neuer Fall \ih ereignen konnte, geht do schon bei- ade über die Huts{hnur. Sehr ausführlih hat Herr Heine die iélebte Gefängnißbebandlung der Nedakteure gegeißelt. Wie weit dele Kritik berechtigt ift, kann ih nicht untersuchen : ih habe die Gelegenbeit nech nicht gehabt, dies am eigenen Leibe zu erfahren (Ruf links: Sehr \chade!) Ih hoffe das au später niht, auch zitt, wenn wir unter Paul 1. eine andere Staatsform haben werden. Pert Bebel feierte vor einiger Zeit seinen 60. Geburtstag. In den enaldemokratishen Monatöbeften stand dazu ein bübscher Artikel. W habe manches für Herrn Bebel übrig. Er ist mein Landämann: nt geborener, sonst würde er noh beller sein, aber er hat M lange in Sachsen aufgehalten. Da war angeführt, er alle wei Jahre Festung gehabt, und der Abg Auer hrieb in dem Artikel: „Die bösen Behörden gedachten es übel E maden mit dem Genossen Bebel, aber sie maten es so gut mit 2m, tenn die Ruhe and Erholung, die er da gebabt hat, hat ihn it lünitize Fälle gekräftiat und gefestigt.“ Es ist uns în Aussicht mit, daß jeder Mikgriff geahndet und Wiederholungen thunlichst Mndutet werden. Bibder ist entweder zu wenig oder zu viel ge- Wenn Dinge, wie der Fall Bredendeck, im preußischen

Vgeordretenbause zur Sprache kamen, haben die Herren versucht, |

Xe detreffenden Beamten zu ertlasten. Ich halte das für erklärlich, g!Seltbar und sympathish, wenn aber irgend eine Handlung als Sefedlung preisgegeben ist, möge es ohne jede Rüksicht geschehen. dea diese Dinge aber nur auch einigermaßen ents{uldigt, so sagt der betreffende Beamte, mir kann nicht viel passieren, du wirst „nicht \{limm davonkommen. Wir erkennen die Schwierigkeit x Lage der Polizei vollklommen an; man wird immer mit polizei- ra Uebergriffen zu rechnen haben. Aber die vorgeseyten Behörden den Polizeibeamten immer aufs entschiedenste vor Augen müssen, daß sie auh dazu da sind, die Rechtssphäre des Einzelnen v us zu berücksihtigen und keinen Eingriff ohne geseylich zwingende Craalafsung L wagen. Wird der Polizei dies nicht beigebracht, dann den das die Sicherdeit des Reichs gefährden, und das wünschen wir wenig, wie irgend eine andere Partei. du Sthrader (îr. Vag.): Erfreulicher Weise ist im ganzen fee fast nur eine Meinung darüber, daß bei der Handhabung a zet Polizeiverwaltung fich schwere Mikstände ergeben haben. Es blie Dertel vielleidt niht ganz leiht geworden, das so rúd- tik: zuzugeben. Noch erfreulicher ist, dah diese Ueberzeugung allein im Hause, sondern von dem Reichs- me, vrwonnen worden isf. Es ift das erste Mal, daß ein u Feder zu diesen Fragen Stellung ommen hat, und zwar a iben Sinne, wie die große Mehrheit des Reichstages. ves Verden Sonnabead wurde dieselbe Klage über die Handhabung ens. und BVersammlungbrechts vorgetragen: bei den Wahlen Su fh dieselben Uebelstände geltend. Es ist fast auf allen derièt des ¿fentlichen Rethts eine zu "e Athtung vor dem ind den und vor der persönl Freiheit vorhanden, des nichi obne Schuld der oberen und obersten örden. dieser Erscheinung nicht Halt ey so wird die fort- T des öffentlichen Le immer here E E rr28 Am Mlervellation nicht În

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Zweite Beilage

Berlin, Montag, den 24. November

vorangegangen werden; haft man dort energisch Remedur, so würde es in den übrigen Staaten auch nicht lange dauern. In dieser Be- ziehung habe ich ja eine viel versprehende Zusage des preußischen Minister-Präsidenten erbalten. Ich kann nur lebhaft wünschen, daß ein dauernder Konnex dieser Art zwischen dem Reichskanzler und dem preußischen Minister-Präsidenten Play griffe. Mit dem Strafvollzug find wir wieder einmal vertröstet worden, wie man uns seit Jahr- zehnten vertröstet hat. Daß die Vorarbeiten 30 Jahre dauern und Pr immer nit abges{chlofsen find, ift doch nicht der Grund, daß wir noch fein Strafvollzugsgeseß haben. Die verbündeten Regierungen haben eben einfach nicht gewollt. Die größten und dringendsten Miß- stände müssen unverzüglich beseitigt werden. Dazu muß der Reichs- kanzler endlih die Hand bieten.

Abg. von Czarlinski (Pole): Auh von der Behandlung der polnischen Nedakteure könnten wir manches erzählen; gerade bei diesen legen die Gerichte eine große Vorliebe für Freiheits\trafen an den Tag und erklären, daß Geldstrafen für Redakteure nicht am Plate seien, weil sie sie niht selbst bezahlen. Wir werden auf diese Dinge: ge- legentlih der Verhandlung einer Interpellation meiner Parteifreunde näher eingehen.

Abg. Bebel (Soz.): Wie hier im Haufe, so herrschte auch in der felanunlan tele vom „Vorwärts“ bis zur „Kreuzzeitung“" einmüthig die einung, daß wir uns im Zustande der Rechts- unsicherheit befinden und dringend einer Reform bedürfen. Pei hatte unsere Partei allein sch über Uebergriffe der

olizei zu beshweren, fand aber bei thren Beschwerden darüber wenig“ Entgegenkommen bei den bürgerlihen Parteien. Unter dem Sozialistengeseß hatten wir Parteigenossen, die das Jubi- läum ihrer 100. Haussuhung feiern konnten. Die Bestimmung, wenn „Gefahr im Verzuge“ sei, wurde in der unerhörtesten Weise mißbrauht. Jeßt find mehr und mehr Angehörige der bürger- lichen Gesellschaft polizeilihen Mißgriffen ausgeiept sodaß selbst die „Kreuzzeitung“ sagt, daß die Vorkommnifse der legten Monate das zulässige Maß überschreiten. Wenn die Mißbräuche in solher Weise fich einbürgern, müssen die Beamten nachträglich durch Verordnung auf die Geseße hingewiesen wêrden. Die meisten der Betroffenen Zu sih die Behandlung rubig gefallen, weil sie ihre Angelegenheit niht in die Oeffentlichkeit gelangen lassen wollen. Sobald die Thüren einer Polizeiwache d hinter einem Verhafteten geschlossen haben, beginnen aber die Mißbhandlungen. Das ist in zahllosen ällen vor Geriht erwiesen worden, und die Beamten ind bis zu neun Monaten Gefängniß wegen Mißhand- ung bestraft worden. Der Staatssekretär sollte uns einmal eine Statistik vorlegen, wieviel Hunderttausende im Deutschen Reich in einem Jahre in Untersuhungshaft abgeführt worden sind, und wie lange fie in Untersuhungshaft zugebraht haben, ohne daß Anklage erhoben worden ist. Ueber die. große Zahl würde man er- \hrecken. Einem höheren Polizeibeamten gegenüber sprach ih vor einigen Monaten offen meine Meinung über die Polizei im ganzen Deutschen Reich obne Ausnahme eines einzigen Staats aus und sagte ihm, ih hätte die Empfindung, daß unter den Polizei- beamten die Verrohung außerordentlich zunehme. Darauf er- widerte er: „Da können Sie wohl Recht haben“, und er fügte hinzu, daß die Beamten um fo leihter zu Mißgriffen geneigt seien, weil sie von bober Stelle auf Begnadigung zu rechnen hätten. Es ist leider Grundsay, daß die Polizeibeamten niht aus der Be- völkerung genommen werden, unter der sie zu amtieren haben, sondern aus den rückständigsten Elemerten des Ostens; so kommt es, daß wir bier in Berlin Schutzleute haben, die nicht einmal die deutshe Sprache genügend kennen. In keinem deutschen Staat befindet sich das Ge- fängnißwesen in einem so schauderhaften Zustande wie in Preußen. Die Polizei» und Amtsgerichtsgefängnisse spotten jeder Beschreibung. Das hat auch der Fall Tampke voa neuem bewiesen. Der Staats- sekretär hat die behaupteten Mißgriffe niht bestreiten können. Jn Hamburg wurde vor drei Jahren eine Genossin verhaftet und gezwungen, mit drei anderen Frauen fih aus derselben Waschschüssel zu waschen und sih mit demselben Handtuch abzutrocknen. Man kann nh denken, welche bygienishen Gefat:ren so etwas mit \sih bringt. Ein wahrer Skandal ist es au, daß unsere Genossen in Berlin im grünen Wagen mit allerlei Lumpengesinoel nah dem Aleranderplay übergeführt werden. Jn der Frage der Selbstbeköstigung ist man in Sachsen weit anständiger als in Preußen. (Zuruf link sprehe dabei aus eigener Erfahrung. Die wei Jahre Festung, die ih in Sachsen zu verbüßen hatte, sind

| mir sehr gut bekommen. Auh im Gefängniß sind mir alle

geseßlichen Begünstigungen gewährt worden. In Preußen ift das nicht der Fall. Herr Sternderg allerdings machte davon eine Aus- nabme. Er wurde seiner Zeit in Zivilkleidern und ver Droschke zur Verbandlung geführt, niht im grünen Wagen. Diese Rechte hat cin Zuchthäusler. Redner erinnert an scine Verhaftung zur Zeit des Sozialistengeseyes. Diese Verhaftung sei am ersten Pfingsifeiertag auf der Brübl’shen Terrasse in Dreeden erfolgt, weil er, Redner, beimathlos sei. Ueber den Fall des Fräuleins Anita Aug®wpurg hätte der Vertreter Weimars dic Pflicht, fich u äußern. Warum werfe man nur den Frauen vor, daß sie sich eigenthümlich kleiden, und nicht den Männera? Das Fräulein sei längere Zeit von dem Polizei- beamten verfolgt worden. Dieser und ähnliche Fälle mahnten zur Abhilfe.

Bevollmätbtigter zum Bundesrath, Großherzoglich sihsisher Geheimer Legationsrath l)r. Paul ssen: Ich habe zu dem Fall Augbpurg bisher nicht gesprochen, weil ih der Meinung war, daß er fich nicht dazu eignet, derartig in den Vordergrund der VDitkussion gestellt zu werden, ih siehe aber ni&t an, zu erflären, daß es cin bedauerliher Mikgriff der Polizei war, daß der Schumann das Fräulein Augöpurg auf der Straße angehalten und über ihre Personalien befragt hat. Was aber weiter in dem Fall vorgekommen ift, ist noch nicht vollständig geklärt. Nach dem mir vorliegenden Material beginnt von dem Anhalten des Fräuleins Augépurg an das freiwillige Martyrium des Fräulcins

die vernommenen Schuyleute die Unwahrheit gesagt haben, muß ih bestreiten. Im übrigen gede ih ja zu, daß ein Mißgriff vor- gekommen ist. Dies Zugeständniß ist ja auh von der Polizeiverwal- lung Weimars noh vor Abschluß der Untersuchung gemacht worden Redner verliest das Entschuldigungsschreiben des Ober-Bürgermeisters gn aus dem hervorgehe, daß der betreffende Shuymann in Fräulein

ugspurg eine andere Person vermuthet habe, wozu kein Anlaß vor- gelegen habe, daß er unvorsihtig gehandelt habe und entsprechend reftifiziert worden sei. Im Ans@luß an dies Schreiben habe cine Instruktion an die gesammte Schußmannschaft Weimars slattgefunden

Rechtfertigung und Entschuldigung sei in ausgiebiger Weise er- folgt, und damit könnte man diesen Fall ret gut ad acta legen

Aba. Dr. Müll er - Meiningen (fr. Volkép.): Der Fall Aogtvurg ift trpish für alle anderen derartigen Fälle. Er beleuchtet flar das Verfahren der zei, die mit der haftung von un- {huldigen Frauen eine Art Sport betreibt und diese Tranen als Dirnen behandelt. Für den Audgang der Sache kann die Polizei nicht, der ift nur dem uerptden reten der betreffenden Dame zu verdanfen. Der \{ändl ail 1, 6, der eine solhe Be dandlung unserer Frauenwelt möglich macht, muß geändert werden. Gs fann ja jeder Frou so gehen, das sollien Alle bedenken, die eine Frau oder eine Tochter haben. Aus : Zustand erwächst cin großer idealer Schaden, Deutschland macht zum Gespôtt der ganzen t. Frau von Decker hat nichts gethan, als die Unvorsichtig-

zu begehen, ein Nesormfkleld zw tragen. Für die Verhaftung der

1902

Frau von Deer ist als Grund auch angegeben, daß sie zu langsam gegangen sei. Fräulein Augspurg is dagegen verhaftet worden weil fie zu {nell ging. Herr Kollege Oertel hat diesen Fall niht mit dem nöthigen Takt dargestellt. Alles, was darüber in der Presse stand, ist garniht wahr; Fräulein Augspurg hat weder ein Reform- kleid, noch einen Männerhut getragen, sie war gefleidet wie jede andere anständige Dame. Es is nicht wahr, daß die Dame ihre Verhaftung provoziert hat; das Martyrium war von Anfang bis zu Ende. Man hatte gerade an dem Tage in Weimar den Gedanken, daß man es mit einer Dirne zu thun bätte, weil ein Soldaten- vereinsfest war. Erst als der Schußmann Fräulein Augspurg heftig anfaßte, sagte sie: „Die Frechheit geht noch über Wiesbaden.“ Bei einem Fall in Eßlingen, dem einzigen Fall aus Süddeutschland, ist eine Dame verhaftet worden, weil fie f „unauffällig“ benahm. Der Ober-Bürgermeister schreibt mir, weil ih die Angelegenheit {hon vor 8 Tagen hier erwähnte, der Fall sei in seiner Abwesenheit vor- gekommen, alles, was hierüber in den Zeitungen stehe, sei Schwindel, die Dame habe ihn selbst gebeten, nichts mehr in der Sache zu thun. Das ist es ja, daß die Damen si in diesen Fällen scheuen, die Sache in die Oeffentlichkeit zu bringen. Das ganze System zeigt eine Polizeiverordnung aus Treptow a. R., wonach Verstöße gegen die Ordnung auf den Straßen augenblicklihe Verhaftung zur Folge baben sollen; es heißt: „Dienstmädchen und Frauenzimmer, die im Sommer nah 11 Uhr, im Winter nah 10 Ühr Abends allein oder in verdächtiger Begleitung auf den Straßen zwecklos umherstreifend ge- troffen werden, sollen verhaftet und bestraft werden.“ Das ift aller- dings e shneidig. Ich bin als Nichter oft ershrocken gewesen, in welcher eise die Polizei vorgegangen ist. Die Regierung sollte gegen solche rücksihtslosen, subversiven Tendenzen energisch vorgehen.

Damit schließt die Besprehung.

_Schluß 6 Uhr. Nächste Sizung Montag 1 Uhr. (Zoll- tarifgeset.)

Literatur.

Von den großen Publikationen aus Burenkreisen über den leßten Krieg der \üdafrikanischen Republiken mit England liegen die beiden ersten Bände im Verlag von I. F. Lehmann in München jeßt vollständig vor. Der erste Band (5 X) enthält die Lebens- erinnerungen des Präsidenten Paul Krüger, von ihm selbst erzählt, nah Aufzeihnungen seines Privat-Sekretärs Bredell und des ehemaligen Unter - Staatssekretärs der \üdafrifanishen Republik Grobler, herausgegeben von A. Schowalter. Die Aufzeichnungen, die sih durch große Schlichtheit und Klarheit in der Darstellung aus- zeichnen, erzählen des Präsidenten Krüger Lebensgeshihte von der ersten Kindheit bis zum Ausgang des unglücklichen leyten Krieges gegen England. Aus jeder Zeile spricht die glübende Liebe Krüger?s zu seinem unglüdcklihen Vaterlande, fein fkindlihes, durch keinen Schicksals\hlag ershüttertes Gottvertrauen und sein Haß gegen den endlih doch erfolgreihen Feind. Die Verwickelungen der süd- afrikanischen Republiken mit England und ihr \{ließlicher Austrag nebmen naturgemäß den breitesten Raum in den Aufzeihnungen ein. Wenn die spätere, objektiv-historische Darstellung dieser Konflikte selbstverständlich auch die Darstellungen von englisher Seite und eine Nachprüfung beider niht wird außer Acht lassen dürfen, so wird die Schrift Paul Krüger's als die von Seite der Buren von berufenster Seite und optima fide niedergelegte Denkschrift über den Krieg und seine diplomatische Vorgeschichte gelten können. Das Buch befriedigt somit niht nur ein in weitesten Kreisen vorhandenes Tagesinteresse, es ist vielmehr als geshihtliches Dokument von bleibendem Werth. __ Eine ähnliche Bedeutung kann man, was die militärishe Dar- stellung des leßten Krieges in Süd-Afrika anlangt, dem zweiten Band der Publikationen beimessen. Er enthält unter dem Titel „Die Transvaaler im Krieg mit England“ die Kriegserinnerungen des Burengenerals Ben Viljoen. (8 4) Der Verfasser hat an den Hauptkämpfen persönlichen Antheil gebabt, er gerieth erst kurz vor Beendigung des Krieges in englishe Gefangenschaft; scin frisch ge- shriebenes Buch, das die auf seiten der Buren gemachten Febler ebenso rüdckhaltlos aufdeckt, wie es sih bemüht, den Engländern als Soldaten gerecht zu werden, behandelt alle Hauptphasen des hbelden- mütbigen Kampfes

Die gesammten Reichs- Justizgeseße und die sämmt- lihen für das Reih und in Preußen «erlassenen Ausführungs- und Ergänzungsgeseye, Verordnungen, Erlasse und Verfügungen, mit An- merfungen und Sachregister von Dr. P. Kayser, weiland Senats- Präsident beim Reichsgeriht, Wirklicher Geheimer Legationsrath. Sechste, neu bearbeitete Auflage. XXV1 und 1241 S. Berlin, Verlag von H. W. Müller. Geb. 18 M Dieses Buch, dessen sechste Auflage der Kammergerichtörath M ugckan bearbeitet hat, ist cin be- währter alter Bekannter. Anlage und Einrichtung der früheren Auf- lagen sind beibehalten; insbesondere hat der Herausgeber, wie er cins leitend bemerkt, sich nit veranlaßt gesehen, die preußischen Aus- führungëögeseße zu zertheilen und stückweise den Reichögesetzen eivzu- gliedern. Wohl aber ist bei den einzelnen Bestimmungen der Neichss geleye die eins{lägige Vorschrift der zusammenhängend mitgetheilten Autführungögeseze und Verordnungen unter kurzer Inhaltsangabe angeführt. Ferner ift in den kurzen erläuternden Anmerkungen neben den Hinwcisen auf die Parallelstellen und die abgedruckten Aus- führungêverordnungen namentlih die Rechtsprechung des Neichägerichts und des Kammergerichts mitgetheilt, soweit sie allgemeineren Inhalts ist und deshalb häufiger zur Anwendung kommt. Neu aufgenommen find in die sechste Auflage die Grundbuchordnung, die Gesetze über die freiwillize Gerichtsbarkeit, das preußische Gerichtékosten- gese, die Allgemeinen Verfügungen über das Stempelwesen und ein Auszug aus der Militär-Strafgerichttordnunag. Damit hat sich die disherige wohlbekannte Reichhaltigkeit des Buches noch ver- größert. Die Gebiete, auf denen jeder preußische Justizbeamte, Richter und Staatsanwalt, Notar und Rechtsanwalt, Gerichtsschreiber und Gerichtsvollzieher in der vorliegenden Ausgabe den gesammten neuen Rechtostof finden und nichts in demselben ver- missen wird, sind nunmehr folgende Gerichtovefassung ein- s{lieilich von RMechtsanwaltshaft, Notariat und Gerichts- vollzieherwesen, ferner Zivilprozek, Konkursverfahren, Strafprozeß eins{hlieklich des Gesangnisiwesens, Grundbubwesen, freiwilli Gerichtsbarkeit, Hinterlegungöwesen, Kosten und Gebühren, Stempel- wesen, Kassen-, Etat- und Bauwesen, sowie Bedandlung der Atten. Insgesammt sind weit über 700 Geseze, Verordnungen, Erlasse 1c. aufgenommen. Kostentabellen, ein chronologishes und eiu austühr- lihes, 120 Spalten füllentes, von sachkundiger Hand angefertigies alphabdetisches Register tragen dazu bei, die dode Brauchbarkeit des Werkes als Hand- und Nachschlagebuches noch zu erhöhen.

Nurze Aus etatu neu erschienener Schriften, deren Besprechung vorbehalten bleibt. Die Völker der Erde. Von lr. Kurt Lampert. Eine Schilderung der Lebensweise, der Sitten, Gebräucde, Feste und Zeremonien aller lebenden Völker. Mit etwa 650 Abdildungen nah dem Leden. Lig. 17, 18. Vollsiändig in 36 Lieferungen à 0,60 4 Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt

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