1881 / 118 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 21 May 1881 18:00:01 GMT) scan diff

Amortisation wurden ausgegeben 211770 Æ, in den Reserve- fonds sind 65605 Æ# und in den Erneuerungsfonds 436 500 AÆ, zusammen also 502 105 Æ zurückgelegt. Nah Abzug dieser Ausgaben von 2 160 699 M. ergiebt sich ein Ueberschuß von 573 800 Æ Dieser Betrag soll wie folgt verwendet werden: zur Gewährung einer Divi- dende von 32% für 16500000 Æ, Stamm-Prioritäts-Aktien 550 000 M, zur Zablung der Eisenbahnsteuer von 14,102 Æ, zur Zahlung der an die Mitglieder des Verwaltungsraths zu gewährenden Tantième 5500 Æ, für Remunerationen 4000 Æ, als Vortrag auf neue Rechnung 198 4 An Dividendenscheinen der Stammprioritäts- Aktien find rückständig für 1874 1%, 1876 5%, 1877 59%, 1878 4%, 1879 129%, 1880 183 9%, zusammen 18 9/6. Die Betriebs- einnahmen betrugen in 1880 6127268 H. gegen 5983719 A. in 1879, die Betriebsaus8gaben 3 420 308 A. gegen 3 289 650 M. in 1879. Der Erneuerungsfonds beläuft sich auf 1525650 K. (gegen 1363647 M ult. 1879). Der Reservefonds zeigt einen Bestand von 34553 A. gegen 95 400 M. ult. 1879.

Brieg, 19. Mai. An dem heute hier abgehaltenen Woll- markt sind 6 Ctr. gewaschene Wolle und 4 Ctr. ungewaschene Wolle von Rustikalbesitern zum Verkauf gebraht und von hiesigen Kauf- leuten gekauft worden. Der niedrigste Preis gewaschener Wolle stellte ich pro Centner auf 135 M, ungewaschene Wolle auf 54 4. und der bocbste Preis gewashener Wolle pro Centner auf 150 M und unge- wahene Wolle auf 60 (4 Dominial-Wolle war zum Verkauf nicht gestellt.

Amsterdam, 20. Mai. (W. T. B.) Bei der heute von der niederländischen Handelsgesellschaft abgehaltenen Zuer- a ukftion wurden 231 Barrels zu 27 à 287, 297 Boukant zu 273 à 282 Cent. verkauft.

London, 20. Mai. (W. T. B.) In der gestrigen Woll- auftion waren Preise bei fester Stimmung unverändert.

Havre, 20. Mai. (W. T. B.) Wollauktion. 92308 B.,, verkauft wurden 645 B. Matt; gestrige Preise.

New - York, 20. Mai. (W. T. B.) Baumwollen- Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 42000 B., Aus- fuhr nah Großbritannien 33000 B., Ausfuhr nach dem Kontinent 29 000 B., Vorrath 531 000 B.

Verkehrs: Anstalten.

Die Riaschk-Wjasma Eisenbahn hat den Verkehr seit dem 11. April cr. wieder aufgenommen.

Ein unter dem Titel „Berliner A.B.C.“ in dem „Kursbureau des Centralbureaus für den Weltverkehr“ von Brasch u. Rothenstein hier bearbeitetes, im Verlage der Centralbuchhandlung (Hugo Steiniß, Centralhotel) erschienenes alphabetishesEisenbahn-Kursbu ch beabsichtigt für Berlin, die durch die wabsende Ausdehnung des Eisen- bahnnetves fich immer mehr steigernden Schwierigkeiten bei Auffindung der Reiseziele, Bestimmung der Fahrzeiten und Preise 2c. leiht und und {nell zu überwinden. Das „Berliner A. B. C." enthält alle deutschen sowie die wichtigstenEisenbahnstationen des übrigenEuropa unter Paula der bedeutenderen Bäder, auch wenn diese nicht an einer Cisenbahn gelegen, giebt ihre Lage, nach Regierungsbezirk oder Land und die Einwohnerzahl, die Entfernung von Berlin in Kilo- metern nebst dem Abgangsbahnhofe sowie die Preise sämmtlicher bier fäuflichen Eisenbahnbillete mit Gültigkeitsdauer, endlich die Fahrzeiten, d. h. Abfahrt von hier und Ankunft am Ziel, Rückfahrt von dort und Rükunft hier an. Von den aufgeführten nahezu 6000 Eisenbahnstationen ist etwa der viezte Theil, darunter alle inner- balb eines Umfreises von 150 km, als für den hiesigen Verkehr wichtigsten fahrplanmäßig, oft mit mehreren Routen zur Aufnahme ge- fommen, während die übrigen von diesen abgeleitet sind. Auch die Pferdebahnfahrpläne und Tarife, die Dampfschiffahrten auf der Spree und die Droschkentarife für Berlin sind vollständig aufgenommen. Der auf nur 59 4 gestellte Preis (einschließli einer Cifenbahnkarte von Mitteleuropa, die für sich im Buchhandel 1,50 A kostet) ge- stattet, das „Berliner A. B. C." auc als Wegweiser in dem amtlichen Kursbuch zu benutzen.

Angeboten

regelrechten

Berlin, 21. Mai 1881.

Zur Hebung des deutschen Ausfuhrhandels.

Beirut, März, 1881.

Der Export aus Deutschland nah dem Orient unter- scheidet si insofern wesentlih von dem nah Central-Amerika, Australien u. f. w. als zur Zeit die Ausfuhr für eigene Rechnung (Konsignation) Seitens deutsher Jndustrieller nur noch für alt eingeführte und demnach durdhaus bekannte Stapelartikel praktizirt wird, weil der Kampf mit den \hnellerer Entwicklung des Jmports deutsher Provenienzen entgegenstehenden Schwierigkeiten die Nothwendigkeit hervor- gerufen hat, vorzugsweise festzubestellen und die festen Aufträge dahin zu bedingen, daß Abwickelung erst nach Erhalt und Prüfung der Waare zu erfolgen hat, so daß der eventuelle Rekurs gegen vom Aussender vershuldeten Minderausfall stets gene bleibt.

as die Qualität der von Deutschland nach Syrien ge- lieferten Waare anlangt, so ist dieselbe fast durhgehends als sehr gering zu bezeihnen, woraus jedoch den Fabrikanten kein Vorwurf gemacht werden darf. Jm Gegensaß zu früheren Jahren, wo selbst die shwersten und besten Stoffe in Syrien getragen wurden, ist der syrishe Konsument nah Maßgabe des stetigen Rückgangs seiner materiellen Lage in seinen An- sprüchen nach und nah sehr bescheiden geworden und be- gnügt sih heute mit dem Schlechtesten, was die europäische O hervorbringt. Seidene und wollene Stoffe, früher tark begehrt, sind bis auf die unentbehrlichsten Artikel dieser Waarengattungen, wie Satins, Tuche U. \. w., fast vollständig durch die baumwollenen Fabrifate Manchesters verdrängt worden und auch diese gelangen hier nur in geringster Güte zum Verkauf. Unter solhen Umständen kann Deutschland, wenn es überhaupt an dem syrishen Geschäft theilnehmen will, nur seine ordinärsten Fndustrieerzeugnisse auf den hiesigen Markt bringen, und es ist kein Fehler, wenn es seine Fabrikation den Bedürfnissen und Geshmacksrihtungen eines jeden Absaßgebietes anzupassen sucht und so auch den An- sprüchen der syrishen Konsumenten gerecht wird. Eine Schädigung der überseeishen Kundschaft liegt offenbar nicht in der Lieferung geringerer Waare, so lange die Fakturen- preise in einem rihtigen Verhältnisse zu ihr stehen, und daß die deutshe Waare im Allgemeinen preiswürdig ist, kann nicht bestritten werden.

Dagegen ist es eine beklagenwerthe Thatsache, daß die deutschen Fabrikanten niht immer mustergültig liefern, daß die Aufmachung der Waaren, das Gesammtaussehen und die Verpackung derselben Vieles zu wünschen übrig lassen.

Obgleih nun seit einigen Jahren s{hon Fabriken ersten Ranges und in neuester Zeit auch minder bemittelte Tee als rühmlihe Ausnahmen des bedauerlihen Sparsystems auftreten, bleiben dennoch und für die Mehrheit der für Syrien arbeitenden kleineren Fabrikanten die oben hervorgehobenen und andere Mängel vorherrschend und geben zu Sen zwishen Empfänger und Absender Anlaß, welche Lehterem stets höhere, oft effektiv niht gerehtfertigte Einbußen auferlegen, und zwar deéhalb, weil die Geschmadck6- rihtung der einzelnen Besteller so verschieden und capriciös auftritt, daß zur Verfügung gebliebene Waare, selbst wenn sie im Moment dem neuen Reflektanten gut passen sollte,

von diesem nur beträhtlich unter dem bei früherer güt- licher Einigung (so ungerecht sie ersheinen mochte) erzielten Preise erworben wird.

Jn Betreff der Verpackung richtet sich die Hauptklage egen die zerbrechlihen Gegenstände, wie Glas, Porzellan, Fayence, Kurzwaaren u. . w. Der hier häufig vorkommende, meist absurder Sparniß des ordinärsten Packpapicrs und weniger Stroheinlagen verdankte Bruch ist oft so empörend, daß troß der Bedingung „Bruch auf Gefahr des Empfängers“ oft Abzüge gemacht werden, deren Berehtigung unmöglich zu widerlegen ist.

Schleht gepackt wird namentlich in Sachsen, wo das Exportgeschäft überhaupt in sehr mangelhafter Weise und oft mit erstaunlicher Unkenntniß der überseeishen Absaßverhält- nisse gehandhabt wird. Der Vorwurf der lässigen Verpackung trifft aber selbstverständliÞh nur einen Theil der deutschen Exporteure, denn aus der Rheinprovinz kommen z. B. vor- züglih gepreßte Ballen, welhe mit der besten englischen Ballenverpackung ohne Noth den Vergleih aushalten.

Auch die Ausführung der Kurzwaaren bringt fortgeseßt Ausstellungen, welchen französishe Aussendungen ganz fremd bleiben. Form, Quaiität und Ausrüstung stehen sehr oft dem Originalmuster weit nah. So werden die kleinen türkischen Fayence-Kaffeebecher niht konform geliefert. Hier stimmt die vorgeschriebene Form nicht überein, da is über verschrobene Qualität zu klagen, dort ist auf die Goldverzie- rung gespart und diese niht mehr mustergetreu. Bei kleinen vergoldeten Rahmen-Spiegeln ist es vorgekommen, daß statt wie beim Muster, wo der Rahmen mit Tischlerleim zusammen- gefügt war, bei der Waare die 4 Stäbe von einem Klecks von Kitt zusammengehalten wurden und, da die Größennummern überseßt und demzufolge größere Kartons verwendet waren, lose eintrafen, weil der getrocknete Kitt der Erschütterung beim Transpo1t nicht Widerstand zu leisten vermochte.

Bei Manufakturen vermißt man nicht allein die geshmadck- volle Ausrüstung, auch der Waare selbst fehlt häufig das von anderen Nationen Gebotene in Griff, Glanz und Appretur, wie überhaupt der durch lebhafte Farben erzeugte wohlgefällige Eindruck. So sind z3. B. für orientalishe Tuche die Oester- reicher (Bieliß) uns am Appret weit überlegen; ihre Waare ist griffig, kurz geschoren, hart und glänzend appretirt und behâlt demnach die für unsere Tuche unerläßliche Geschmeidig- keit selbst bei den ordinärsten Qualitäten, während die deut- hen Tuche, troy aller Vorschristen, meist langhaarig ohne festen Griff, ohne Lüstre und so weich appretirt auf den Markt kommen, daß ihnen alles Ansehen fehlt. Versuche, den \char- fen und do geshmeidigen wohlgefälligen österreihishen Appret zu appliziren, bleiben seit Jahren ohne Erfolg; in den meisten Fällen ist dem brettharten Gewebe ein Aussehen unregel- mäßiger widerlicher Verkleisterung aufgeprägt. Hier handelt es sih nun freilich um Fabrikationsgeheimnisse, welche {wer zu enthüllen sein mögen, indeß in Anbetracht, day in Qua- lität der Wolle geringere Waare der Konkurrenznation unseren feineren Qualitäten den ans streitig macht, sollte doch etwas gesheten, um diesem Uebelstande abzuhelfen. Ueberhaupt thäte dem Veredlungssystem der Wollwaaren noch in mancher Hinsicht Vervollkommnung dringend noth, wenn deutsche Pro- venienzen herrschen sollen.

Ueber zu knappes Maß werden nur selten Klagen laut, dagegen muß deu Fabrikanten häufig der Vorwurf kleinlicher Breitenminderungen gemacht werden.

Fast nie werden von den Fabrikanten Reisende nach Syrien geschickt, um sih über das hier Gangbare zu informi- ren und solhe Waaren anzubieten.

Auch hier werden deutshe Erzeugnisse unter fremder, namentlich englischer und französischer Etiquette verkauft. Doch versuchen {hon die hiesigen Kommissionäre diesem Mißbrauche zu begegnen. Wenn aus, die alten Aushängeschilder, drap de Sedan, Elboeuf, drap de Paris, casimir London, wie überhaupt die mit Vorliebe bei deutshen Provenienzen angewendeten fremden Bezeihnungen, {wer zu beseitigen sind, jo ist man in Syrien doch schon ziemlich aufgeklärt über das, was die deutsche Jndustrie leistet.

__ Die Bemerkungen Nr. 11 und 12 der Enquete kommen hier weniger in Betracht, weil Masseneinkäufe, wie die großen amerikanishen Jmporthäuser gelegentlih der Anwesenheit ihrer Chefs in Europa bewirken, nicht in Aussicht genommen wer- den. Man is hier auf successive Bestellung von kleineren Posten deshalb angewiesen, weil mit einem höchst wichtigen Faktor, dem Jnteressensaß von 1 Proz. pro Monat gerechnet werden muß, andererseits aber dur eine oft sinnlose Kon- kurrenz Risiken entstehen, welhe peinlih strenge Vorsicht für größere Einkäufe bedingen.

Sehr fühlbar ist der Mangel an großen in den Fndustrie- Centren ansässigen Export-Kommissionshäusern, die im Stande wären, hierher zu gleicher Zeit deutshe Erzeugnisse der vir- schiedensten Art zu liefern, die musterkonforme Lieferung zu überwachen, für eine solide und zweckmäßige Emballage zu sorgen, sowie für den Tranéport die billigsten Mittel und Wege aufzusuchen. Während von 4 oder 5 englishen Kom- missionshäusern alle Fabrikate Englands bezogen werden können, brauht man un 100 Verbindungen in Deutsch- land zum Bezuge aller seiner großen und kleinen Artikel, welche hier verkäuflih sind. Es liegt auf der Hand, daß viele Mühe, Zeit und Weitläufigkeiten gespart werden würden, wenn die hiesigen Häuser ihre Geschäfte mit Deutschland in wenigen guten Händen konzentriren könnten. Es wäre des- halb sehr wünschenswerth und jeder überseeishe Jmporteur würde es gewiß mit Freuden begrüßen, wenn auch in Deutsch: land endlich das englishe und französishe System acceptirt würde, wonach ein Fabrikant ohne Schaden nicht gleichzeitig Exporteur sein kann.

Als großer Uebelstand ist noch hervorzuheben, daß dic Exporteure in Deutschland sich nicht an strenge Pünktlichkeit gewöhnen mögen. Zu klagen ist sowohl über nicht rechtzeitige Aussendung der Muster für die Bestellzeit, als über unver- antworilih verspätete Lieferung übernommener Bestellungen. Der Fabrikant fixirt die ihm nöthige Lieferfrist selbst, über- nimmt Aufträge für einen bestimmten Termin, läßt aber hie und da rüdcksihtslos, vielleicht weil ihm inzwischen eine etwas vortheilhafstere Limite eingelaufen, einen hiesigen Besteller Monate lang warten und zieht sih dadurch außer Unannehm- lihkeiten, Dispositionen, oft noÞh Schadenansprüche und Ver- luste zu, welche ihn arg bestrafen. Es ist häufig vorgekommen, daß im Mai bestellte, für September fest zugesagte Lieferungen erst im Januar und Februar ausgeführt wurden, wofür natürlich der dur Ablauf der Verkaufsperiode geschädigte Empfänger, wenn er die Annahme nicht verweigerte, sih ent-

sprechende Vergütung sicherte, Wie nachtheilig der Mangel an Pünktlichkeit oft werden kann, erfuhr ih, so schreibt der Chef

eines der angesehensten hiesigen Häuser, an einer für die Ab- reise der Pilgerkarawane nah Mekka ertheilten, bizarre Farben- sortimente enthaltenden Bestellung, welche verspätet eintraf,

zur Verfügung blieb und erst nah 2 Jahren gegen ein Viertel

des Fakturenbetrages begeben wurde. Deutschland ist gegen die übrigen Nationen schon an und für sih dadurchim Nachtheil, daß

die Güter selten ganz pünktlih eintreffen und daß ungewöhn- *

lih hohe Landfrachten die Bezüge sehr vertheuern.

Zur Förderung des deutshen Exporthandels erscheint es vor Allem nothwendig, daß die deutsche Jndustrie sih dahin einigt, die an sie gerichteten Forderungen, auf Kosten der Qualität Preisminderung eintreten zu lassen, rund abzuschlagen

und gleichzeitig zu trachten, ihrem Nutzen feste Säße anzu- *-

passen. Ein neuer Artikel tauht auf und findet Beifall, troß- dem daß der Fabrikant sih einen Nußen üb:r Gebühr gesichert hat, der es ihm bei Erneuerung der Bestellung leiht macht, einem Drucke auf den Preis nachzugeben. Bei der dritten Bestellung erfolgt neuer Druck des Bestellers und wenn er dem willfahren und den eigentlich rihtigen Saß seines Nugens festhalten will, muß er schon die Qualität, wenn au nur unbedeutend abmindern , wovon er jedoch nichts erwähnt, weil eine scharfe Konkurrenz kleinerer Fabriken erstanden ist. Die Waare muß, um den Vorsprung zu wahren, billiger werden ; der hiejige Besteller verlangt nun die bereits verrin- gerte Qualität zu noch tieferem Preissaße, wobei \sih, Dank den stets bereiten Fabrikanten Alles wiederholt und eine Anzahl kleinerer gâte-métiers den Hals bricht.

Zur Veranschaulihung eines ähnlichen Manoeuvres möge Folgendes dienen. Jn den Jahren 1869/70 bezog ein hiesiges Haus aus dediegener Quelle Super Stout Soen vorzüglicher Qualiät, welche leiht für 75 Piaster das Dußend komptant verkauft wurden. Heute kann tieses Haus, Dank dem un- glückseligen, wohl hauptsählih von deutschen und Schweizer Fabrikanten adop:irten System, „billig und {lecht“ eine dem Aussehen und dem Gewebe nach sehr ähnliche, in Qualität aber auffallend verringerte Waare Super Stout Soden gleicher Verpackung und Etiquette für 40 Piaster das Duyzend bei vier bis sechs Monate Ziel in nichtssagenden Posten und immer mit gleichem Nußen beschaffen. Auf eine Anfrage unter Beifügung von Mustern erhielt das Haus aus Frank- reih vor zwei Monaten die Antwort: „solhe Waaren fabri- ziren wir nicht, unsere Super Stout, wie Sie seiner Zeit zu 1021/, Piaster bezogen, kosten heute 1071/4 P.“ Auf nah Li- moges gesandte Typen der oben erwähnten Tassen Nürnberger Fabrikates kam die Antwort: „Pareil rebut ne se fait pas dans notre usine.“ Troßdem blüht die französische JFndustrie und behauptet, wo es auch sei, einen so ausgesprochenen Vorzug, daß es genügt, irgend welche Waare als französisches Fabrikat anzupreisen, um ihr Vertrauen zu sichern.

Als ein großer Krebsschaden des deutschen Exports ist noch die Unzahl kleiner Gerne-Groß von Fabrifanten zu be- zeichnen, welche, wenn sie ein Paar Tausend Mark erspart haben, die Exporteure spielen, mit hie und da aufgefishten Adressen, je fremdartiger die Namen, desto willklommener, Verbindung anknüpfen und mit diesen oft aller soliden Basis entbehrenden Korrespondenten den solideren Geschäften so lange die Geschäfte verderben, bis sie sih die Flügel verbrannt.

Schließlich is leider noch zu konstatiren, daß der Absaß deutscher Ne in Syrien in den leßten Jahren einen unverkennbaren Rückschritt zu Gunsten der Konkurrenz- länder , speziell Englands und Frankreichs gemacht hat, und daß manche früher recht kurrente Artikel vielfach infolge ge- wissenloser Qualiltätsverringerungen ganz von den syrischen Märkten vershwunden sind.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz haben

als stellvertretender Protektor der Kaiser - Wilhelms - Stif- tung für deutsche Invaliden bestimmt, daß die statuten- mäßige Versammlung des Gesammtvorstandes am Mon- tag, den 30. Mai 1881, Abends 6 Uhr, im Zimmer Nr. 5 des Gebäudes des deutschen Reichstages hierselbst stattfinden soll, und uns beauftragt, dieselbe in Höchstihrem Namen zu berufen. Wir erlauben uns demnach, die geehrten Herren Mitglieder des Gesammt- vorstandes zu dieser Sißung ganz ergebenst cinzuladen. Tagesord- nung: 1) Erstattung des Jahresberichts und der Jahresrechnung pro 1880, sowie Ertheilung der Decharge, 2) Wabl von Mitgliedern zum Verwaltungsaus\chusse.

Auf Höchsten Befehl: Anzug: Ueberrock.

Berlin, den 14. Mai 1881,

Der Verwaltungs-Aus\{Uuß der Kaiser-Wilbelms-Stiftung für Deutsche Invaliden. A. von Etel.

Die Kassenbücher und Beläge liegen vom 16. d. Mts. ab in dem Bureau, Matthäikirhstraße 19, 3 Tr., zur Einsicht der Mitglieder des Gesammt-Vorstandes aus. Es wird gebeten, Kenntniß von den- selben zu nehmen und etwaige Monita zu ziehen.

Der erste deutsche Geographentag ift auf den 7. und 8 Juni d. J. nah Berlin einberufen. An den genannten Tagen werden Vormittags von 10—1 Uhr Vorträge und Verhandlungen über Ge- genstände aus den - verschiedenen Gebieten der Erdkunde stattfinden, während die Nachmittagéstunden von 4—6 Uhr den Fragen des geographischen Unterrichts gewidmet fein sollen. Vorträge werden halten die Herren Professoren Dr. Zöppritz (Königsberg), Dr. Neu- mayer (Hamburg), Dr. Rein (Marburg), Dr. Bastian (Berlin), Dr. Kirchofff (Halle), Dr. Wagner (Göttingen), Dr. Meißen und Dr. Ascherson. Die Sitzungen finden im Ardcbitektenhause statt. Meitaliedkarten können für 3 Æ in der Bibliothek der „Gesellschaft für Erdkunde“, Friedrichsstraße 191, oder an den Sißungstagen im Arcbitektenhaufe in Empfang genommen werden.

Mit der morgigen Aufführung der „Götterdämmerung“ im Victoria-Theater endet der IT1I. Cyklus des „Ringes des Nibelungen“ und zuglei das Gastspiel der Fr. Friedrih-Materna.

Sgr. Ernesto Rossi tritt morgen im National-Theater als „Romeo“ und am Dienstag als „Shylok“ auf. Diese definitiv letzte Vorstellung findet zugleich zum Benefiz des Künstlers statt.

Im Flora-Etablissement zu Charlottenburg sind gestern Nachmittag die Luft\ch iffer Eugène Godard und Pierre Crom- melin aus Paris mit ihrem Ballon „La Comète“, 1 500 0001 Gas fassend, eingetroffen. Der Ballon mit der Gondel hat ein Gewicht von 700 kg; die Gasl[eitung zur Füllung des Ballons ift bereits fertig gestellt, und es wird mit der Füllung selbst morgen, Sonntag, Vormittags §8 Ubr, begonnen werden, während die Auffahrt Nach- mittags 7 Uhr erfolgen soll. Der Ballon trägt 8—10 Personen. Meldungen zur Mitfahrt werden im Etablissement entgegengenommen.

Redacteur: Riedel.

Berlin:

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Sechs Beilagen einsc{ließlich Börsen-Beilage).

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Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staals-Anzeiger.

M f,

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 21. Mai. Jm weiteren Ver- laufe der gestrigen (45.) Sißung seßte der Neichs tag die zweite Berathung des Entwurfs eines Geseßes, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung auf Grund des Berichts der XI. Kommission mit der Diskussion des 8. 100E. fort. Der Abg. Dr. Delbrück bemerkte, die frühere preußishe Geseßgebung von 1845—49, welche in ihrer alige- meinen Tendenz vollkommen auf dem Boden der Vorlage einshließlih des §. 100E. gestanden habe, habe bei der BVil- dung der Jnnung vorausgeseßt, daß die Betheiligten in der Regel an denselben Orten wohnten, und daß nur Vertreter gleicher oder verwandter Gewerbe zusammentreten foll- ten, sie habe die Anzahl der Mitglieder bestimmt und habe für die Befugniß zum Halten - von Lehrlingen und zum selbsländigen Gewerbebetrieb Prüfungen ein- geführt. Die Vorlage sehe von diesen Beschränkungen ab. Es sei au charafteristisch, daß in derselben das Wort „Handwerk“ und „Handwerker“ nicht ein einziges Mal vor- komme. Aber die Sache gewinne ein vollkommen anderes Gesicht, wenn in dieses von dem früheren fundamental abweichende System der Freiheit nun in der einen Ede das Prinzip des Zwan- ges hineinkomme. Ueber die wirkliche Tragweite der Eingangs- worte des §8. 100E. gingen die Ansichten weit auseinander. Der Abg. Stumm habe sogar gemeint, der Fall komme nur ganz vereinzelt vor. Könnte er (Redner) diese Ansicht theilen, dann könnte erx sih wohl beruhigen, aber es würden auch die- jenigen Kreise, welche sih jeßt für das Zustandekommen des Ge- Tebes interessirten, sih ganz unglaublich getäuscht haben. So Tchwer auch eine Definition des Zustandes zu geben sei, welchen man im Auge habe, wenn man einer Fnnung die in Rede stehenden Befugnisse verleihen wolle, so könne er do daraus nicht folgern, daß man die Ercheilung dieser Befugnisse in die Willkür der Verwaltungsbehörden stelle, sondern umgekehrt solle man in einem solchen Falle von der ganzen Sache ab- stehen. Es sei gestern die Frage aufgeworfen worden, ob cin Holzarbeiter, der Gegenstände der Kunstindustrie fertige, nach der Vorlage in die Dre(hslerinnung aufgenommen werden könne? Der Bundeskommissar habe die Frage verneint. Er zweifle, ob derselbe damit auf dem Boden der Vorlage stehe. Die Vorlage lasse es zu, daß sih eine Fnnung der vereinigten Holzarbeiter bilde. Daß aber zu den vereinigten Holzarbeitern demnächst auch der Kunstdrehsler gehöre, sei ihm zweifel- haft. Es heiße im Geseß nur, die Jnnung jolle einen Namen haben, der si von dem anderer Jnnungen unterscheide, der- selbe könne ganz allgemein sein. Wenn die Sache so stehe, so glaube er, daß die Ausdehnung der Befugnisse des §. 100 E. in Bezug auf den wirklihen Großbetrieb gar niht verhindert werden könne. Daß ein Fabrikant von den Wirkungen des Gescßes ausgeschlo}sen sei, sei nirgends festgeseßt. Für die eigentlihen Fabrikanten habe dies nicht viel auf sih, da sie meistens keine Lehrlinge hätten. Aver zwischen dem Hand: werk und dem eigentlihen Großbetrieb lägen eine Anzahl Zwischenstufen, in denen überwiegend Lehrverträge geschlossen würden, und die Betheiligten ständen hier vor der Alternative, entweder in die Fnnung einzutreten, was sie, wie er glaube, niht blos aus Leichtfertig- keit oder Hohmuth, sondern aus ganz gere@tfertigten materiellen Gründen ablehnen mölhten oder ihre Lehrlinge in die Innung eintreten zu lassen. Das leßtere würde gerade das Gegentheil sein von dem, was der Reichstag gewollt habe, als derselbe das Gesey von 1878 über die Lehrlingsverhält- nisse votirt habe. Dieses habe die entschiedene Tendenz in allen Betrieben gehabt, die nicht eigentlich Großbetriebe seien, die Lehrlingsverhältnisse aufreht zu erhalten und unter eincn geeigneten Shuy zu stellen. Wenn der Abg. Stumm

emeint habe, daß der Reichstag sih einer Jnkonsequenz huldig machen würde, wenn derjelbe den §. 100E. ablehne, nahdem derselbe den entsprehenden Saß der vorjährigen Anträge angenommen habe, p differirten do die da- maligen und heutigen in sehr erhebliher Weise. Jm 8. 97 sei ausgedrückt, daß die Jnunungen niht auf den Ort beschränkt seien, sondern daß fie in Beziehung auf ihre einma unbeschränkt seien. Nun entstehe die Frage, wie geschehe es, wenn in einer kleineren Kreisstadt sih eine Jnnung bilde, welhe ihrerseits das Bedürfniß empfinde, \sih über das platte Land des Kreises auszudehnen? Er sei in Verlegenheit, diese Frage zu beantworten, möchte jedoch nah der Tendenz des Geseßes annehmen, daß man nicht gtrade

eng verfahren werde mit einer Handwerkerabstimmung auf

m platten Lande darüber, ob eine Neigung zum Anschlusse an die in der Kreisstadt befindlihe Jnnung vorhanden sei. Er unterstelle, daß die Jnnungen, die si in der Kreisstadt ge- bildet hätten, den Bestimmungen des §. 100 E. entpracen. ie stehe es nun aber mit den Landhandwerkern? Selbst in der alten Jnnungszeit seien diese frei vom Jnnungszwang. Diese Gewerbe nun bedürsten durchaus der Lehrlinge, sie seien aber außerordentlich \{wer in der Lage, an irgend einem Vor- theile der Städte Theil zu nehmen. Sie könnten wegen der Entfernung kaum in_ die Jnnunsversammlungen kommen, ebensowenig könnten sie ihre Lehrlinge in die Fortbildungs- \cule shicken. Die Sache würde dann darauf hinauslaufen, daß diese Landhandwerker gezwungen würden, nachträglih die Meisterprüfung zu machen. Ob fie sie bestehen würden, at eine Frage für b. Das Ende des Ganzen sei: große Be- \{ränkungen für den Betrieb des Handwerks auf dem Lande ohne irgend einen entsprehenden Nußen. Hätte sih die

orlage auf den Ort beschränkt, so wäre ja diese Frage überhaupt nicht zu diskutiren, Er könne hier-

i cin ländlihes Gewerbe, das der Müllerei , nicht unerwähnt lassen. Eine große Anzahl von Gutsbesißern in den preußischen östlihen Provinzen trieben die Müllerei ge- werbsmäßig und selbständig. Sie würden, wenn sie nicht ge beitreten würden, durch das Geseh in die Nothwendig- eit verseßt, d prüfen zu lassen. Was die Frage der Ge- An der Sache betreffe, so werde jede Jnnung ihr ganzes

estreben dahin richten, die Bejugni e aus § 100 zu er- halten. Sie werde sich daher Mühe geben, die Einric)-

tungen in Bezug auf Lehrlingsverhältnisse möglichst gut zu

Berlin, Sonnabend, den 21. Mai

treffen und werde sich dann an die Behörde wenden mit dem Antrage, ihr die Befugnisse zu ertheilen. Daß dadur die Behörden zu viel behelligt würden, daraus fomme es nicht an, aber werde es wirkflich nüßlich für die Verwaltung sein, wenn sie zu wählen hätten, entweder mit einer gewissen Milde in den Anforderungen diese Befugnisse zu ertheilen oder braven Leuten, die si viel Mühe gegeben hätten, zu erfüllen, was nah ihrer Ansicht das Geseß vor- schreibe, die Befugnisse zu versagen, deren Ertheilung sie als ein Necht beanspruchen zu können glaubten? Es werde durch Annahme dieser Bestimmung ein Ferment in die Fnnungen hineingeworfen, welches nicht zum Nußen des Gewerbes und Gemeinwohles gereichen dürste, und deshalb bitte er, die Be- stimmungen des §8. 100E. abzulehnen.

Der Abg. von Kleist-Reßow konstatirte, daß der Haupt- einwand des Vorredners der gewesen sei, daß eine scharfe Grenze zwischen Fabrikation und Handwerk sich nicht ziehen lasse, und daß man deshalb die für den Fabrikationsbetricb völlig ungecigneten Bestimmungen des vorliegenden Para- graphen nicht annehmen dürfe. Es sei dies ein Vorwand, der von dem Liberalismus sehr häufig benußt werde, und in der deutschen Geseßgcbung schon die unheilvollsten Folgen ge- habt habe. Es liege in der Natur der Sache, daß die be- stehenden Orzganismen des öffentlichen Lebens da, wo sie sich berührten, gewisse Grenzverschiebungen erlitten und in ein- ander übergingen ; solle aber das Geseß deshalb diese beiden verschiedenen Organiémen unizifiren und nah einer ein- heitlihen Schablone behandeln? Man habe dieselbe Argumentation früher bezüglich der Unterscheidung von Stadt und Land geltend gemaczt, weil sih die Grenze zwischen städtishen und ländlihen Verhältnissen an gewissen Orten iwer ziehen lasse, und die unselige Folge sei gewesen, daß man ganz verschiedene Dinge nach derjelben Schablone behan- delt und dadurch die größten Mißstände herbeigeführt habe. Im Großen und Ganzen sei die Fabkikation vom Handwerk sehr wohl zu scheiden, und man brauche gerade hier die Be- denken des Vorredners um so weniger zu berücksihtigen, als die Fabzikation meist gar keine Lehrlinge habe, sondern froh sei, wenn das Handwerk ihr tüchtige Kräste ausbilde, und das Handwerk gar fein Jnteresse daran habe, die Fabrikation in das Innungsre(ht hineinzuziehen. Derartige künstlih konstruirte Konflikte, die sich in der Praxis sehr leicht lösen ließen, dürfte das Haus nicht veranlassen, eine Bestimmung aus dem Gesetze zu eutfernen, die dem leßteren seinen Hauptwerth gebe und es exst in vollem Umfange wirksam mache. Jn dem Kampfe gegen die gefährlihen Béstrebungen der Sozial- demokratie sei es cine der shärfsten Waffen, wenn man die Bedürfnisse des kleinen Mittelstandes zu befriedigen wisse und dem Handwerk eine feste Stütze gebe; er bedauere deshalb, daß die Regierung in vielen Punkten ihrer Vorlage hinter den im vorigen Jahre aufgestellten Forderungen des Reichs- tages. zurückgeblieben sei, Nur dure ‘eine * feste Organisation könne das Handwerk widerstandsfähig -gemacht werden gegen die Konkurrenz, die es mehr und méhr zu vernichten drohe, eine solche Organijation aber lege naturgemäß den Betheiligten, niht nur den Lehrlingen und Gesellen, sondern auch den Meistern selbst sehr erheblihe Beschränkungen auf, und des- halb sei es nothwendig, daß das Geseß den Jnnungen eine Stellung gebe, welhe mit jenen Beschränkungen aussöhne und den Veitritt lieb und werth mahe. Thue man dies nicht, so sei die unabweislihe Folge, daß man, um die im öffentlihen Jnteresse nothwendige Organisation aufreht zu erhalten, {ließli doch ju obligatorishen Fnnungen über- gehen müsse, welche die linke Seite dieses Hauses so ent-

schieden bekämpfe. Zur Entscheidung der Frage, welchen Innungen die im §. 100 E. aufgesührten Rechte gewährt werden sollten, habe seine Partei vorgeshlagen , allge-

meine Normativbestimmungen zu erlassen, deren Erfüllung jede Junung berechtigen follte, die Uebertragung jener Privileaien zu beanspruhen. Die Regierung habe dies für unmöglih erklärt, weil die Qualifikation der Jnnung nur nah den lokalen Verhältnissen beurtheilt werden könne, und deshalb habe sie die Forderung des Geseves dahin formulirt, daß die Thätigkeit der Jnnung auf dem Gebiete des Lehrlingswesens sich bewährt haben müsse. Mit vollem Nechte werde hiergegen eingewendet, daß zur A darüber, ob diese Thätigkeit sich bewährt habe, der Ablau vieler Jahre erforderli sei, er glaube aber nun, daß gerade für eine erfolgreihe Wirksamkeit der Jnnung die Rechte, welche ihr nach §, 100 E. gegeben werden könnten, unentbehr- lih seien, und somit komme man in einen vitiösen Zirkel, der dahin führe, daß die Absicht des Geseßes gar nicht zur Verwirklichung gelangen könne. Um diesem Uebelstande abzu- helfen, habe er sein Amendement gestellt, welches einer A die in Rede stehenden Rechte gewähre, sobald ie „nach Umfang, Organisation und Thätigkeit die Gewähr für die Ecfüllung der in §§. 97 und 97a. gedahten Zwede biete.“ Die Forderung des Gesehes, daß einem Meister, wel- cer sih der Jnnung entgiede, die Annahme von Lehrlingen verboten werden könne, sei durhaus berechtigt. Möge der- selbe immerhin in tehnisher Beziehung ein tüchtiger Lehr- meister sein, so dürfe man doch nicht vergessen, daß das Ver- hältniß zwishen dem Lehrherrn und dem Lehrling auch ein sittliches sei, und daß ein Meister, der sih den Pflichten gegen sein Handwerk entziche, in dieser Hinsicht nicht die wünschens- werthen Garantien biete. Ueberdies s{ädige ein solcher Meister zugleich seine Gesellen und Lehrlinge, indem derselbe ihnen das RNeht der Benußung des Schiedsgerichts und anderer nüßlicher Jnstitutionen der Jnnung vorenthalte. Wenn die linke Seite dieses Hauses diese Befugnisse des 8. 100 E. als unzulässige Privilegien bezeihne, so gesGebe dies nur, um die volle Ungebundenheit zu re{htfertigen, die die linke Seite selbst anstrebe. Eine Beschränkung sei urs das öffentlihe Jnteresse geboten, und der kleine Nachtheil, welchen eine solhe, bei jedem gemeinsamen Zusammenwirken nothwendige Beschränkung mit sich bringen werde ebenso wie in der Ehe bei weitem überwogen durch die damit erzielten Vortheile. Nicht seine Partei, sondern die Liberalen selbst verlangten Prioilegien, indem sie jedem Meister das Recht geben wollten, nicht nur si selbst, sondern auch seine

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Gesellen und Lehrlinge den im öffentlichen Jnteresse für das Handwerk geschaffenen Jnstitutionen zu entziehen.

Der Abg. Dr. Löwe (Bochum) erklärte, die konservativen Mitglieder behaupteten, daß fte obligatorishe Fnnungen nit wollten, dabei sei aber ihr ganzes Streben dahin gerichtet, den Innungen solhe Vortheile und solche Herrschaft einzuräumen, daß schließlich doch jeder Meister zum Beitritt gezwungen sei. Die Vorzüge ciner folchen Organisation verkenne er keines- wegs, er glaube aber, daß die Tüchtigkeit derselben und die Erfolge ihrer Wirksamkeit allein genügen müßten, alle Ge- werbetreibenden z":r Theilnahme heranzuziehen. Wenn man die gewaltige Leistungsfähigkeit des freien Genossenschafts- wesens ins Auge fasse, solle man dann daran verzweifeln, daß es auch auf dem Gebiete der gewerblichen Organi- sation gelingen werde, ohne Polizei und allein aus der freien Entschließung der Gewerbetreibenden selbst zu günsti- gen Resultaten zu kommen? Er empsehle deshalb in erster Linie die Ablehnung des ganzen §. 100E. Sollte das Haus troßdem die Bestimmung annehmen, daß dem Meister, welcher der Jnnung nicht beitrete, die Befugniß zum Halten von Lehrlingen entzogen werden könne, dann bitte er au, den von ihm beantragten Zusaß anzunehmen, daß die Jn- nungsmeister selbst in Bezug auf die Zahl der Lehrlinge be- schränkt würden. Jn der Ausnugzung billiger Arbeitskräfte, wie sie die Lehrlinge böten, liege ein großer materieller Vor- theil; wenn man also auf der einen Seite durch den Aus- {luß der Meister, welche der Jnnung niht angehörten, viele tüchtige Lehrherren der Ausbildung von Lehrlingen entzöge, müsse man andererseits auch dafür forgen, daß nicht s{hlehte JInnungsmeister die Kraft der Lehrlinge lediglih für ben eige- nen Vortheil ausbeuteten und dur einseitige Beschäftigung ohne Rüdsicht auf ihre allseitige tehnishe Ausbildung sie zu einem bloßen mechanishen Werkzeug herabdrückten.

Der Abg. Dr. Reichensperger (Olpe) erkärte, die Auf- fassung, daß die Handwerker einer Erweiterung der Befugnisse der Jnnungen unsympathish gegenüberständen, wie von der linken Seite immer hervorgehoben werde, sei durchaus irrig. Im Gegentheil nähere man sich jeßt sogar mehr und mehr dem Gedanken der Zwangsinnungen. Eine Stärlung des JFnnungswesens lasse sich noch dadurch erreichen, daß die Fn- nungen in die Stadtverwaltung hineingezogen würden, wozu die Städteordnung die Hand biete. Die Blüthe des Hand- werks in früherer Zeit habe gerade darauf beruht, daß die Innungen an das Stadtregiment gelangten. Mit der Blüthe der Jnuungen sei der Wohlstand und die Macht der Städte selber Hand in Hand gegangen. Auch heute müsse es ih demnach darum handeln, die Jnnungen rationell zu organisiren.

Der Abg. von Kardorff konnte in der Empfehlung dieses Paragraphen nicht so weit gehen, wie sein Freund Stumm. Er sei der Ansicht, daß schon die in den Nummern 1 und 2 enthaltenen Befugnisse ein genügendes Kompelle zum Eintritt in die Jnnung enthielten. Dagegen würde er der Bestim- mung, betreffend das Lehrlingswesén, denn doch obligatorische Innungen vorziehen. Bei dem größten Wohlwollen der Ver- waltung könnten doch in dieser Beziehung Fehlgriffe vor- kommen, die oft zu großen Aergernissen Anlaß geben und der Stärkung des korporativen Geistes {wer s{hädigend im Wege stehen würden. Er bitte, den Antrag Kleist, sowie die Nr. 3 abzulehnen.

Der Abg. Dr. Baumbach bemerkte, auch er hoffe, daß es gelingen werde, die Nr. 3 zu streichen, um so mehr, als die- selbe in der Kommission mit nur einer Stimme Majorität angenommen sei. Er beantrage deshalb, über die 3 Ziffern getrennt abzustimmen. Der Abg. Stumm habe die Sache so dargestellt, als ob sie gar nicht die Bedeutung habe, welche man ihr. vindizire. Er glaube aber, daß gerade Ziffer 3 den Zwang in einer Weise sanktionire, daß damit die „Zwangs- innung sans phrase“ etablirt sei. Bei allem Vertrauen, das er für seine Person den Verwaltungsbehörden entgegenbringe, meine er doch, daß dieselben dur diese Bestimmung sehr oft in eine schr prekäre Lage kommen würden. Einen Vorge- \{hmack von dem, wie dieser Zwangs-Paragraph in Handwerker- kreisen wirken werde, zeige das neuerlihe Vorgehen der hie- sigen Bäckerinnung. Nun sollte man meinen, daß eine solche Innung doch wenigstens Vorzügliches auf gewerblihem Ge- biete leiste. Auch das scheine indessen niht der Fall zu sein; denn nah dem Etat der genannten Jnnung werde der größte Theil der im Ganzen 9780 4 betragenden Einnahmen dur Gehälter und Repräsentationskosten verschlungen, während für gewerblihe Zwecke nur minimale Aufwendungen gemacht seien. Die Blüthe der Gewerbe hänge auch keineswegs von der Schaffung korporativer Jnnungen ab. Das beweise die leßte Berliner Gewerbeausstellung. Die Holzindustrie habe 77 Aus- steller gezählt, wovon nur 21 Jnnungsgenossen gewesen seien. Die Thonindustrie habe unter ihren 43 Ausstellern nur einen einzigen Jnnungsgenossen gehabt. Kurz- und Galanteriewaaren hätten 147 ausgestellt, darunter 39 Jnnungsgenossen. Jm Ganzen habe sich das Verhältniß der ausstellenden Fnnungsmitglieder zu der Gesammtzahl der Aussteller wie 4 zu 31 gestellt. Dennoch habe diese Ausstellung glänzende Resultate aufgewie}en. Auch die Berliner Lehrlingsausstellung habe gezeigt, daß in hiesigen gewerblichen Kreisen Vorzügliches geleistet werde, was elbst von der „Norddeutschen Allg. Zeitung“ konstatirt sei. Der „Reichsbote“ hätte allerdings niht umhin gekonnt, in der Lehrlingsausstellung ein Werk des Manchesterthums der Berliner Stadtoerwaltun zu erbliden, das zu dem Zweck ins Leben gerufen sei, um gegen diese Vorlage Stimmung zu machen. Jn Wahrheit habe jene Ausstelung einer Anregung des Handels- Ministers ihre Entstehung verdankt, der auch zu derselben einen Zushuß von 300 F gezahlt habe, während der Zu- {uß der Stadi sich auf 4500 H belaufen habe. Die YJn- nungen hätten allerdings für die Ausstellung keinen rothen Heller gehabt. Man meine, die Lehrlingsausstellung habe gezeigt, daß die Lehrlinge niht mehr in dem ganzen Umfange des Gewerbes unterwiesen würden. Das sei aber auf die Ar- beitstheilung zurückzuführen, die n als ein volkswirthschaft- liches Gesecß darstelle und durch Geseßesparagraphen nicht be- seitigt werden könne. Was die Petitionen betreffe, die zu Gunsten dieses Gesetzes cingegangen seien, so müsse ex gestehen, daß er auf