1881 / 127 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 02 Jun 1881 18:00:01 GMT) scan diff

der Erneuerungsfonds auf 887 327 4, während sih für die Gera- Eichichter Bahn der Reservefonds auf 84 209 # und der Erneuerungs- fonds auf 1035 552 S. beläuft.

Die „New-Yorker Hdls.-Ztg.“ äußert sih in ihrem vom 23. v. M. datirten Wochenbericht folgendermaßen: Das Geschäft am Waaren- und Produktenmarkt ist im Ganzen genommen ruhig geblieben. Die größeren Zufuhren an Weizen und Mais, welche seit Eröffnung der Kanalsciffahrt eintreffen, haben dem Brod- \stoffmarfkt etwas mehr Leben verlieben; namentlich entfaltet die Exportbranche mehr Thätigkeit. Die Zahl der für volle Getreide- ladungen geschlossenen Fahrzeuge war daher auch größer und ist auf 16 gestiegen; Petroleumfrahten fanden wieder recht viel Beachtung und auch für andere Frachten hat sich etwas mehr Frage geltend gemacht. Disponible Baumwolle hatte befriedigen- den Erportbegehr und bat ebenso wie Termine im Preise angezogen. Rio- sowie ost- und westindishe Kaffees verkehrten in anhaltend weichender Tendenz. Am Markt für Rohzucker wurde bei ruhigem Geschäftsverlauf ein weiterer Avanz etablirt. Für Schmalz machte sich ein sehr reger Exportbegehr geltend, während Schweinefleish und Spe verhältnißmäßig still waren. Raff. Petroleum war fest und in guter Frage. Terpentinöl sowie Harz hatten steigende Tendenz. Mit fremden Manufakturwaaren war es wieder stiller. Der Import fremder Webstoffe betrug für die heute beendete Woche 1 191 503 Doll. gegen 1 811 760 Doll. in der Parakllelwoche des Vor-

jahres.

Frankfurt a./M., 1. Juni. (Oelberiht von Wirth u. Co.) Die New-Yorker Petroleumbörse hielt vor Kurzem ihre Sahresversammlung ab, in welcher der Borsitzende über den Verlauf des vorjährigen Geschäftes berichtete. Diesem Bericht zufolge wurden ckn der New-Yorker Börse im Durchschnitt pro Tag 700000 Faß umgeseßzt. Die größte Höhe erreichte der Umsatz am 9. April v. I. mit 4000 000 Faß und am 8. Mai mit 3 000000 Faß. Die täg- liche Durchschnittsproduktion giebt derselbe mit 75 000 Faß, die vor- handenen Vorräthe mit 25 000 000 Faß an, wovon 21 000 000 sich in den Tanks der Pipe Lines und 4000000 in Privathänden be- finden. Den Konsum der ganzen Welt hätt der Berichterstatter auf ungefähr 45 000 Faß pro Tag, also 30000 Faß wenigerals die Produktion. Sn Europa haben die Vorräthe sehr abgenommen, z. B. waren in Rotterdam am 20, Mai d. I. nur 8107 Faß am Lager gegen 50 404 am gleichen Tage 1880. Troßdem sind die Zufuhren weit hinter dem Vorjahre zurückgeblieben; sie betrugen seit dem 1. Januar in Rotterdam 35 122 Faß in 1881 gegen 107 518 Faß in 1880. Die- ses Zahlenverhältniß hat einige Kauflust hervorgerufen und eine Be- festigung des Marktes herbeigeführt; daher kommt es denn, daß raffinirtes Petroleum sich mit geringen Schwankungen auf 8 Cents pro Gallone hielt, Roböl fostet laut telegraphischer Notiz jeßt 82 Cents pro Faßz Kisten je nach Marke 115 bis 114 Cents. Lubricating-O0ils (Schmieröle) find etwas matt halten aber doch die Preise; Neutral-Tropaz-Oils werden mit 35 Cents pro Gallone notirt, West Virginia Reduced Oils je nach Gravity und Marke; Natural Oils find fehr selten.

London, 1. Juni. (W. T. B.) In der gestrigen Woll- auktion waren Preise bei fester Stimmung unverändert.

Verkehrs-Anstalten.

New-York, 1: Junt (W. L. W) Dee - Dampfer „Denmark“ von der National-Dampf\schiffs-Compag- nie (C. Messingsche Linie) und der Hamburger Postdampfer „Cimbria“ sind hier eingetroffen.

VBerlini, 2. Juni 1881. N o

Das Ausfstellungsterrain und die Ausstellung s- gebäulichkeiten in Halle a./S. (Ausft.-Ztg.) Die Gebäude der Ausstellung sind auf Grundstücken errichtet, deren Eigenthümer die Herren Maschinenfabrikant Zimmermann, Beyer und Mann, sowie die Magdeburg-Halberstädter und îdie Berlin-Anhaltishe Bahn sind. Das gesammte, 10 ha (= 40 Morgen) große Terrain liegt auf der Ostseite der Stadt Halle und zieht sih von Norden nah Süden hin. Begrenzt wird dasselbe nah Osten von der Berlin-Anhaltischen Eisen- babn, nach Westen theils und hauptsächlich von der Magdeburger- straße, theils von der fogenannten Maille, dem zeitigen Bureau der Auéftellung, und von Freybergs Garten, nah Norden von der Krausenstraße, Freybergs Garten und der Maille, endlich nach Süden von den Grundstücken des Fabrikbesiters Frit. Dieses Terrain i} insofern ungemein günstig gelegen, als es {ich einerseits unmittelbar an die Gleise der beiden genannten Bahnen anlehnt, so daß eine schnelle und bequeme Verladung der Ausf\tellungs- güter stattfinden kann, und cs andererseits von dem Centralbahnhbofe nur ! km und von dem Centrum der Stadt höchstens F km entfernt ist, also von den Besuchern der Ausstellung in der kürzesten Zeit erreiht werden kann. Der Haupteingang befindet sich im Westen des Terrains an der Magdeburgerstraße und zwar dort, wo in lettere die aus dem Innern der Stadt berführende Schimmelstraße ein- mündet.

Die Größe der bebauten Fläche mit völlig gedeckten Räumen beträgt circa 26 750 qm, die der bebauten Fläche mit halbbedeckten Räumen circa 1700 qm ; der Rest des Terrains ist für Wege, Gar- ten- und Teichanlagen benußt worden.

Das Hauptauéstellungëgebäude is im Süden des Terrains und in unmittelbarer Nähe der Magdeburgerstraße aufgeführt. Es bildet mit den nach und nach hbinzugetretenen Erweiterungébauten einen zusammenhängenden Bau von circa 18000 qm. Die Idee des Grundrisses if eine einfahe: Zwei sich fkreuzende, gleich lange, 16 m bobe Haupthallen, deren Vierung dur etnen 38 m hohen KuppelLau markirt wird, und in jeder der vier äußeren Winkelflächen des so entstandenen Kreuzes, unter Belaffung eines kleinen quadratischen Hofes, zwei niedrige, von den Haupthallen aus- laufende und sich rechtwinklig treffende Hallen, deren Eck- und Knotenpunkt durch einen hoben Pavillon bervorgeboben wird; die von Nord nah Süd gestreckte Haupthalle seßt sich nach Süden hin um ca. 102 lfd. Meter weiter fort und liefert in dieser Verlängerung den für Maschinen und Tranéportwesen und für die Metallindustrie er- forderliben Raum. Aus dem Grundriß ergaben sib naturgemäß drei gleichartige Aufrisse, von denen jeder in der Mitte das zur Haupthalle fübrende, bobe und von Thürmen flankirte Hauptportal und an den beiden Endpunkten die {on erwähnten thurmartigen Eckpavillons aufweist. Ueber dem Centrum der gesammten Anlage erbebt si die imposante Kuppel. Die nach Norden und nach dem Garten gerichtete Façade ift ihrer Lage wegen als Hauptfront zu betrachten; gleihwohßl findet aus Gründen der Bequemlichkeit der Eingang für das Publikum dur jenes Hauptportal statt, das sich in der na der Magdeburger- straße, also nach der Stadt gerichteten Front befindet.

Das gesammte Gebäude is aus Holz konftruirt, mit Brettern verscalt, cedielt und mit feuersiherer Dachpappe gedeckt. Abweichend hiervon sind die vier Eckpavillons, deren nah außen in bogenförmiger Nundung angelegte Felder mit Mauerwerk ausgesetzt sind.

Die Beleuchtung erfolgt im Wesentlichen dur hohes Seitenlicht.

Der Erbauer i} Hr. Arcitekt Hartel aus Krefeld, der in- zwischen nach Leipzig übergesiedelt ift.

Die größere Anzahl aller Auéstellungêgegenstände find in diesem Hauvtgebäude untergebraht. Innerhalb desselben befinden sib noch cin Empfangszimmer, darüber ein Lesezimmer, ein Garderobe-Raum, darüber ein Sitzungszimmer, eine Wein- und eine Bierstube, Closet- und Wascbräume.

Außerhalb desselben ist eine Restauration und zwar an die große Halle angebaut und von außen mit besonderem Zugange verseben.

Für Zwecke des mascbinellen Betriebes, für einzelne Gruppen und Auéstellungêgegenstände find Annerbauten errichtet, denen sich eine große Anzabl anderer Gebäude, von Auéstellern auf ibre Kosten ber- gestellt, und die Restaurationélokale anschließen. Die Disposition bei

der Raumvertheilung ist so getroffen, daß fast sämmtliche größeren Bauten an die Terraingrenzen gerückt sind, dem Ausstellungs- plaße also nach allen Seiten hin ein würdiger Abschluß ge- währt ift. Längs der Ostgrenze ziehen sih die gedeckten und halbge- deckten Hallen für Land- und Forstwirthschaft und der für die Aus- stellung landwirthschaftliher Maschinen bestimmte Pavillon von Zimmermann hin; längs der Nordgrenze zahlreiche Bierpavillons und elegante Restaurationslokale unter ihnen das Hauptrestaurant, welches in seiner Halle und Pergola je 400 Personen aufnehmen kann, ebenso das 300 Personen fassende Restaurant zweiten Ranges und längs der Nordgrenze des Ansaßstückes die Gemäldehalle; endlich längs der Westseite mehrere langgestreckte, dur das Kafsen- und Eingangs- gebäude getrennte offene Hallen und ein Aufbewahrungsraum für Kisten. Innerhalb des so ums{lossenen Terrains gruppiren sich

1) der Pavillon von Lauhhammer mit einer Ausstellung von Produkten des Kunstgusses;

D der Pavillon der „Magdeburgischen Zeitung“, in welchem vor den Augen des Publikums vermittelst einer großen Rotationsprefsse die „Ausstellungs-Zeitung“ wöchentlich in drei Nummern gedruckt und eine höchst interessante Sammlung von Druckproben und Werkzeugen aus- gelegt wird, und zahlreiche andere Pavillons für die Ausstellungen größerer Fabriken.

Zahlreichere kleinere Pavillons, eine Menge von Ausftellungs- gegenständen, die Wind und Wetter vertragen können, Selter-, Obst- und Wurstbuden sind hier und da in den mit alten Bäumen beseßten Gartenanlagen vertheilt.

Von diesen Bauten ist der Tempel für lie Alterthümer ganz aus Stein und der Pavillon von Loeshe mit massiven Wänden und feuerfester Dachung erbaut; die Pavillons von Lauchhammer, von Otto Neitsch und das Gewächshaus von Mosenthin bestehen ganz aus Eisen. Alle übrigen Bauten sind durhweg in Holz hergestellt und mit feuersicherer Dachpappe gedeckt. Die Façaden und die inneren Dekorationen der meisten Pavillons und Hallen sind, ebenso wie beim Hauptgebäude, im Stil der deutschen Renaissance gehalten eine wohlthuende Harmonie bervorrufend, die Hrn. Architekt Hartel zu danken ist.

In einigen Gebäuden findet cin Gewerbebetrieb statt. Zu diesem Zwecke ist auf dem hinter der Ostfront des Hauptgebäudes befind- lichen Terrain ein Kesselhaus erbaut worden, welches 4 ftationäre Dampfkessel entbält, deren Verbrennungsprodukte durch einen 38 m hohen und 1 m breiten, massiven Schornstein entweichen. In Bezug auf die Konstruktion der Dampfkessel t zu bemerken, daß erstens cin Feuerrohrkessel mit darüber liegendem Röhrenkessel von zusammen 40 qm Heizfläche, ein eben solcher von 60 qm Heizfläche, drittens ein Kornwallkessel mit patentirtem, sehr starkem Fox-Feuer- rohr von 45 qm Heizflächhe und endlich ein unerplosibler Waifertoßr: fessel von 85 qm Heizflähe verwendet werden. Der in diesen vier Kesseln erzeugte Dampf wird benuyt, um in dem Hauptgebäude vier Dampfmaschinen, deren Zweck ist, einzelne ausgestellte Arbeitsmaschinen zeitweise anzu- lassen, ferner eine Dampfpumpe im Pumpenhause und cine für den Betrieb der Rotations-Druckerpresse der „Ausftellungs-Zeitung“ noth- wendige Dampfmaschine im Pavillon der „Magdeburgischen Zeitung“ in Bewegung zu seten, sowie für mehrere Pulsometer, welche am Teiche stehen, und zur Eis- und Mineralwasser-Bereitung im Pa- villon von Vaßi u. Littmann nußbar gemaht werden. Eine im Pavillon von K nd aufgestellte Lokomobile inkl. Kessel dient zum zeit- weisen Betriebe von Ziegelei- und Holzbearbeitungsmaschinen, eine eben solche im Pavillon von Wolf zum Betriebe elektrischer Licht- mascinen.

Der oben erwähnte Teich, im Centrum des Ausstellungsterrains gelegen, hat eine Fläche von ca. 2000 qm; ein 35m hoher und 4 cm starker Wasserstrahl steigt aus demselben empor. Das Wasser wird vermittelst einer über das ganze Ausstellungsterrain provisorisch an- gelegten Wasserleitung mit 155 cm weiten eisernen Röhren und acht Stück Hydranten aus der städtischen Wasserleitung bezogen. Die 30 pferdige Dampfmaschine, welche den Springbrunnen treiben soll, ist zugleich mit den Hydranten in Verbindung geseßt worden, um im Verein mit einer Dampfsprißze bei jeder etwa eintretenden Feuersgefahr sofort gerüstet zu sein. Außerdem werden die Auëstellungsbauten bei Tage und bei Nacht durch bierzu angestellte Beamte bewacht und ferner wird auf dem Plate beständig eine Feuerwache der freiwilligen Feuerwehr in ciner Stärke von 6 Mann bei Tage und 12 Mann bei Nacht zu- gegen sein.

Die vier Seiten des quadratishen Hauptbaues würden sich in völliger Uebereinstimmung präsentiren, wenn nicht an die östliche, nah den Geleisen der Bahn gerichtete Seite in der Are der einen Haupt- balle ein Annexbau und an die südlicbe Seite in der Are der anderen Haupthalle jene im Konkurrenz-Auss\chreiben vorgeschriebene, 100 m lange Halle angefügt wäre. Da diese beiden Seiten den Blicken der Besucher überhaupt entzogen sind, so haben nur die nah Westen und nach Norden, also nach der Magdeburgerstraße und nach dem Garten gerichteten Fronten eine übereinstimmende dekorative Ausbildung er- halten. Jede dieser beiden Façaden zeigt in der Mitte, wo sie von den Endpunkten der Hauphallen getroffen werden, cin kräftig ausge- bildetes Hauptportal, rechts und links davon die langgestreckte nie- drige, in zwei Absätzen aufsteigende Halle und an den beiden End- punkten einen vierseitigen Pavillon, an dessen beiden äußeren Seiten fünfseitige Ausbauten angefügt sind. Portale und Ecpavillons sind in den unteren Theilen in Fachwerk, in den oberen Theilen, ebenso wie die Hallen, in einer gelbbraun gestrihenen Verschalung auêsge- führt. Ueber der Fagçade erhebt sich im Hintergrunde auf einem in zwei Absätzen aufssteigenden quadratiscben Unterbau die vierseitige Kuppel mit ihrer \{öên ges{wungenen Silhouette.

Wer seinen Standpunkt seitlich von dem Portal der Garten- façade wäblt, wird von der perspektivischen Wirkung des gesammten Gebäudes den besten Eindruck erbalten; die verschiedenen Hallen treten in carafkteristisher Gliederung ihrer Bedeutung gemäß klar bervor und der aufsteigende Charakter der ganzen Anlage, die în der gewal- tigen Kuppel 1ihren Zentral- und Abschlußpunkt findet, kommt zur vollsten und \{önsten Wirkung. Obwohl der Bau nur aus Balken und Brettern zusammengefügt und für einen kurzen Zeitraum be- stimmt ist, wirkt er dennoch wahrhaft monumental.

Denselben günstigen Eindruck, den das Gebäude in seiner Tota- lität mat, empfängt man auch von den einzelnen Details, So sind besonders die Portale mit sebr geringen dekorativen Mitteln äußerst wirkungévoll ausgebildet. Jedes Portal zeigt natürlich den Giebel des Mittel schiffs ciner der beiden Haupthallen. Dieser Giebel, flan- firt von zwei Thürmchen, öffnet \sih als bogenüberspannte Nische, welche dur cine Galerie in einen unteren und einen oberen Theil geschieden ist; der untere Theil ist in drei durch Rundbogen über- \spannte Eingänge zerlegt, die durch gekuppelte Pfosten, auf denen die Galerie ruht, getrennt sind; oberhalb der Galerie zeigt die Stirnwand der Nische cine fünftheilige offene Bogenstellung und über der letzteren cine halbrunde Verglasung. Die flankirenden Thürmen sind durch Gurtgesimse mehrfach gegliedert; der untere Theil bis zur Höhe der Galerie ift als ges{lofsener, durch Fenster erhellter Raum, der folgende Theil als offene rundbogige Loggia, der dritte Theil als einfache verschalte Wand und der dur ein Kon- solengesims getrennte, oberste Theil als cine zierlich dur{chbrocene Laterne mit Zeltdach und Flaggenstange ausgebildet. Die gesammte Arcbitektur ift schr kräftig, aber dem Charakter des Holzes durchaus angemessen.

Ein recht maleris{er Schbmuck, vorwiegend in cinem stumpfen Blau und Roth gehalten , vervollständigt die Dekoration der Haupt- portale. Die Giebelbekrönung zeigt auf Goldgrund den deutschen Reichéadler, ein unterhalb der Giebellinie laufender Fries auf stumpf- blauem Grunde die bunten Wappen der betheiligten Städte und die Archivolte des Nischenbogens auf demselben stumpfblauen Grunde die entsprechenden Städtenamen in hbellgelben Buchstaben; die Bogen- ¡wickel entbalten auf stumpfrothem Grunde hbellgelbe Lorbeerzweige und Kränze; endli is die Laibung des Nischenbogens mit ge- malten Kassetten in Roth und Blau auf gelbem Holzgrunde dekorirt.

Dem \chönen Aeußeren entspriht das Innere des Gebäudes,

funstgewerb-

Veberschreitet man die Schwelle des Portals der Gartenfront, ; öffnet sih zunächst cin von Galerien umgebenes vierseitiges Vestibül- zur reten Seite desselben liegt in zwei Geschossen eine altdeutsg; Bierstube und zur linken Seite in zwei Geschofsen eine altdeutice Weinstube. Von den oberen Geschofsen dieser beiden Lokale sind di Galerien zugänglich; leßtere werden ebenfalls als Restaurations räume benugtt, so daß die Gâste bei Wein und Bier in aller Behaa. lichkeit das Leben und Treiben da unten von erhöhtem Standpunkt aus überschauen und einen Fernblick in das Innere der Hauptballe und ihrer Fortseßung, der 100 m langen Halle werfen können, ; diese Galerien-Anlage {on aus diesem Grunde eine glückli con- cipirte zu nennen, so noch aus dem andern Grunde, daß sie den Cha- rakter des Vestibüls als Vorraum recht zum Ausdru bringt, obne den bequemen Zugang zum Mittelschiff der Haupthalle zu hindern,

In das weithin sih ziehende Mittelshiff tretend, fällt neben den s{chönen Verhältnissen des Raumes besonders die elegante und leichte Konstruktion auf. Das System {ließt sih dem in Düssel: dorf mit vielem Erfolg angewendeten Lattenbogen-System an; nux s Bau in den Querschnitten höher und stärker als dort auê- geführt. :

__ Rechts und links vom Mittelscbiff ziehen sich die niedrigen Seiten- schiffe hin; fie sind von jenen durch Rundbogen, welche zwischen den Bundpfosten eingespannt wurden; gewissermaßen getrennt und vor- zugsweise zur Herstellung von Nischen benußt. Innerhalb der Bogen wird eine Leinwandbekleidung mit dekorativer Malerei und oberhalb der Bogen ein fortlaufender farbiger Fries angebraht werden Argeiten, welche Hr. Dekorationsmaler Zander zu Halle a. d. S übernommen hat. :

Der große vierseitige Kuppelraum ist als Repräsentationéhalle ausgebildet. Vier riesige, zum Tragen der Konstruktion bestimmte Bohlenbogen von 12,50 m Spannweite, welche auf hohblen vierseitigen Säulen ruhen, öffnen ihn gegen die Mittelschiffe, die reich ausgebildeten Säulen enthalten zwei Aufzüge und zwei Wendeltreppen und vermitteln den Zugang zu der in Höhe von ca. 13 m im Innern umlaufenden Galerie und zu der höher gelegenen äußeren Galerie, die übrigens einen herrlichen Ueberblick über Halle und seine wald- und wiesen- reiche Umgebung gestattet. Zwölf große und breite Fenster (drei in jeder Seitenwandung), oberhalb der äußeren Galerie angeordnet, geben dem Raum sein Licht, Die Kuppel, von einer zierlichen Laterne gekrönt, hat sich troß der wirklich leihten und eleganten Konstruktion, welche durch die einfachsten Motive von Strebungen hergestellt wurde, bei den Herbst- und Frühjahrsftürmen vorzüglich bewährt.

Die innere Dekoration ist vorwiegend in hellen Farben gehalten, um den leichten, luftigen Charakter der ganzen Anlage nicht zu beeinträchtigen. Durch reiche Draperien foll der malerische Schmuck noch vervollständigt werden. Besonderes Interesse beanspruchen die acht allegorischen Frauengestalten, mit welchen die acht Bogenzwiel ausgefüllt sind. Auf Goldgrund in kräftiger dekorativer Manier ge- malt, repräsentiren diese O mit faltigen Gewändern bekleideten, hingelagerten Figuren den Maschinenbau, das Kunst- gewerbe, die Landwirthschaft, die Architektur, die Malerei, die Skuly- tur, die Wissenschaft und die Chemie. Es sind Arbeiten des bekfann- ten Historien- und Dekorationsmalers Kostka zu Berlin, die cinen bleibenden Werth beanspruchen dürfen.

Durch den Kuppelraum hindurch{chschreitend und das Mittelschif der Langhalle entlang wandernd, gelangt man endlich zu jener an- gefügten Halle von 100 m Länge, welche zur Aufnahme der Gruppe 11. (Nahrungs- und Genußmittel), 111. (Bergbau, Hütten- und Salinenwesen), VI. (Maschinen- und Transportwesen) und PVII, (Metallindustrie und Armaturen) bestimmt is. Da diese Halle mit dem Fußboden ca. 1,50 m tiefer liegt -eine Nothwendigkeit, die durch die Verschiedenheit des Terrains geboten war —, so führen drei 3,75 m breite Treppen zu ihr hinab. Ihr Mittelschiff entspricht in der Breite jener des Mittelschiffes der Haupthalle; die Konstruktion ist daher dieselbe geblieben. An das Mittelschiff dieser Halle {ließt sich zu beiden Seiten je ein 3,50 m breiter Gang an, in welchem ein s{chmalspuriges Geleise liegt und je ein Seitenschiff von 9,50 m Breite. ;

Betritt man das Hauptgebäude durch das nach Westen, also na der Magdeburgerstraße gerichtete Portal , so bietet sich natürlich dieselbe Anordnung u. st. w. dar, wie bei dem Eintritt dur das Gartenportal. Das Vestibül ist in derselben Weise gestaltet, wie dort. Jedoch sind die zu seinen beiden Seiten liegenden Räume zu anderen Zwecken benutzt worden, nämlih zu einem Empfangsraum mit darüber befindlichem Lesezimmer und zu einem Garderobenraum mit darüber befindlidem Sitzungszimmer. Noch besonders fei her- vorgehoben, daß beide Vestibüle an den Seitenwandungen oberhalb der Galerien einen malerishen Shmuck von der Hand des Hrn. Kostka erhalten baben 3 qm große Bilder, deren Motive der halleschen Geschichte entnommen sind.

Die Beleuchtung des ganzen Hauptgebäudes erfolgt durch hoheë Seitenlicht. Jeder Naum und jeder Punkt in den Hallen ift erhellt, so daß die ausgestellten Gegenstände von allen Seiten die vortheil- hafteste Beleuchtung erhalten.

Hannover, 2. Juni. (W. T. B.) Die fünszigjährige Jubelfeier der technischen Hochschule wurde durch einen historischen Festzug eingeleitet, welcher sih heute Vormittag, vom besten Wetter begünstigt, durch die festlih ges{mückten Straßen der Stadt bewegte. Bei der Ankunft des Zuges vor dem alten Poly- tenikum hielt Baurath Haase eine Ansprache. Am Nachmittag findet ein Festmahl und Abends Festvorstellung im Hoftheater statl.

In Wiesbaden hat die Saison so günstig begonnen, wie seit Jahren niht. Die Wohnungen in den eleganteren Straßen, 11 Hotels, Bade- und Privathäusern, sind zahlreich besetzt. Die in die jem Jahre verausgabten Saison-Kurtaxkarten (6 Wocben _gültig) tragen bereits bis zum 30. Mai die Nummer 8459, die Jahreé Kurtaxkarten die Nummer 186, die Jahres-Abonnementskarten verausgabt an in Wiesbaden dauernd wohnende Persönlichkeiten, wit Militärs, Beamten, Pensionäâre, Rentiers 2c. die Numm 2390, Es ist hierbei zu bemerken, daß bei der Numerirung v0’ stehend genannter Karten nur die Hauptkarte gezählt wird, während die Beikarten für Familicnangehörige dieselbe Nummer r halten. Die angeführten Zahlen dürften sih daher bei Konstatirung der cinscließlich der Beikarten verausgabten Kartenzahl auf zun! allerwenigsten das Doppelte erhöhen. An Tageskarten sind berctts 15 769 Stück in diesem Jahre bis 30. Mai verausgabt. Die Fru jahrs-Saison ift selten so glänzend gewesen.

Stuttgart, 31. Mai. Die Alterthümer - Abtheilung dek Württembergiswen Landes-Gewerbe-Ausstellung ist nun gleichfalls fertiggestellt und wird morgen 1. Juni dem Zutritt des Publikums geöffnet werden.

Im Zoologischen Garten finden aub in diesem Jahre am ersten und zweiten Pfingstfeiertage von Morgens 6 Uhr ab Frü hkon- zerte statt. Zu diesen Frühkonzerten werden die Wagen der Charlotten? burger Pferdebahn Morgens 5 Uhr von den Abfahrtsstationen ihr Fahrten na dem Zoologischen Garten beginnen. Am ersten, zweiten und dritten Pfingsttage ist Nachmittags von 4 Uhr ab großes Mililae fonzert bei ermäßigten Eintrittpreisen von 50 H für Erwachsene un 25 4 für Kinder unter 10 Jahren.

Nedacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsnek-

Fünf Beilagen (cins{hließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

zum Deutschen Rei

M 127

Nichtamtlicßes.

Preußen. Berlin, 2. Juni. Jn der gestrigen (54.) Sißung sehte der Reichstag die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesehes, betreffend die Unfallversiche- rung der Arbeiter, fort. Die Diskussion wurde mit dem schon gestern zur Debatte gestellten 8. 2a. aufgenommen. Die Debatte wurde vom Bevollmächtigten zum Bundesrath Staats- Minister von Boetticher mit folgenden Worten eingeleitet :

Meine Herren! Ich habe schon an dieser Stelle der Diskussion um das Wort gebeten, einestheils, weil ih glaube, daß es für den weiteren Verlauf der Berathung von Interesse sein wird, zu erfahren, welche Stellung die Reichsregierung in der hohwichtigen Frage, welche uns jeßt beschäftigt, ob wir eine Reichsversicherungsanstalt oder ein- zelstaatliche Versicherungsanstalten etabliren wollen, einnimmt. An- dererseits aber bin ih veranlaßt, jeßt zu sprechen aus dem Grunde, weil ausdrücklih gestern von dem Hrn. Abg. Lasker und auch von dem Hrn. Abg. Richter darauf provozirt ist, daß es wünschenswerth sei, die Stellung der Reichsregierung zu erfahren.

Der Hr. Abg. Lasker hat gemeint, es sei eine Wandlung in der Auffassung des Hrn. Reichskanzlers bezüglich der vorliegenden Frage eingetreten, und der Hr. Abg. Richter hat gemeint, der Hr. Reichs8- kanzler wisse noch niht, mit welcher von den beiden möglihen Mas joritäten, ob mit der Vereinigung der konservativen Partei mit dem Centrum oder der fonservativen Partei mit der nationalliberalen Partei, er in dieser Frage stimmen solle.

Meine Herren! Beides ist unrichtig. Die Reich83regierung steht nah wie vor auf dem Standpunkte, welchen die Vorlage einnimmt. Es ist bei der Berathung des Geseßentwurfs in den Vorstadien und insbesondere im Bundesrath die Frage, ob es den Vorzug verdiene, an Stelle einer Reichsversicherungsanstalt einzelstaatliche Versiche- rungsanstalten zu etabliren, gar niht aufgetauht; man hat gar nicht daran gedacht, man hat es fir zweckmäßig gehalten, das ganze Ver- sicherungsgeschäft, welches auf Grund dieses Geseßes begründet wer- den soll, in die Hand und Leitung einer Reichsanstalt zu legen, und für diesen Entschluß sind keineêwegs politishe Rücksichten maßgebend gewesen, sondern rein Gründe praktischer Bedeutung, lediglich Gründe der Zweckmäßigkeit. Die wesentlichsten Motive dafür, daß man si, wie gesagt ohne Widerspruch und ohne entgegenstehende Anregung, für die Einrichtung einer Reichsversicherungsanstalt entschieden hat, beruhen darin, daß einmal in einer solchen Reichsversicherungsanstalt die beste Vertheilung des Risikos gewährleistet wird, sodann daß man bei der Reichsversicherungsanstalt die beste Gestaltung des Tarifs er- möglicht und drittens darin, daß man die Verwaltung in einer Reichs- versicherungsanstalt für die billigste erachtet.

Meine Herren! Was den ersten Grund anlangt, also die mög- lichst gute Vertheilung des Risikos, fo kann ih eigentli alles das unterschreiben, was in dieser Beziehung der Abg. Buhl vorgebracht hat. Der Hr. Abg. Buhl hat Ihnen gesagt, daß, je breiter die Schultern, auf welche die Last der Prämien gewälzt wird, sind, die Last um so leichter zu tragen ist, und, meine Herren, diefer Satz bedarf keiner besonderen Begründung, da die Erfahrungen sämmtlicher Versicherungsanstalten, die wir haben, ihn bestätigen, und da es notorisch ist, daß, je größer der Geschäftsbetrieb einer Ver- sicherungsgesellschaft ist, sie um so billiger arbeiten und um fo nie- driger die Prämien stellen kann, die sie dem Versicherten bere{net. Meine Herren, wenn Sie jeßt nach dem Vorschlage Ihrer Kommission das Versicherungsgeschäft in die Hände einzelstaatlicher Versicherungs- anstalten legen, so werden Sie— und das hat auch con der Hr. Abg. Buhl dargethan in die Lage kommen, die Prämien nicht fo billig be- renen zu können, wie das bei der Reichsanstalt geshieht. Sie wer- den aber weiter aub vor die Möglichkeit geseßzt werden, daß unter Umständen eine ungebührliche finanzielle Belastung der Einzelstaaten eintritt. Der Hr. Abg. Buhl hat Ihnen gestern z. B. Zahlen ge- geben über die Verbreitung des Gewerbes der Herstellung von erplo- sibeln und Sprengstoffen. Mir es die Zahlen nicht gegenwärtig, aber i erinnere mih, daß er beispielsweise aus einem Lande be- richtet hat, daß dort nur eine ganz kleine Zahl von Arbeitern in der- artigen Betrieben beschäftigt ist, die si {wer zusammenwerfen lassen wird in eine Gefahrklasse mit anderen Betrieben, für die also eine besondere Gefahrenklasse gebildet werden muß. :

Nun bestehen zwei Möglichkeiten: entweder man nimmt glei bei der Feststellung des Tarifs Rücksicht auf die Mög- lihkeit eines Massenunglücks, und berechnet die Prämie so, daß die Rente, die demnächst im Falle des eintretenden Mafsenun- glücks gezahlt werden muß, daraus ihre Deckung findet, oder die Prä- mie wird mäßiger berechnet, und wenn das Unglück eintritt, steht der Staat im Hintergrunde und hat die Rente aus seinen Mitteln, und nicht gedeckt durch die Prämie, zu zahlen. : L

Meine Herren, beides ist unerwünsht. Das erste um deswillen, weil ganz nothwendiger Weise die Parallele, die aus dem Verbältniß dieser Versicberungéanstalt, von der ih eben gesprochen habe, gezogen wird, gegenüber der Versicherungsanstalt in einem großen Staat, in dem das Risiko auf breite Schultern gelegt ist, in dem es möglich wird, die Prämie niedriger zu bemessen, weil, sage i, diese Parallele nothwendig zu Klagen und Berufungen führen muß, und fie wird weiter dabin führen, daß man je länger je mehr darauf hindrängt, daß Anstalten, wie sie für kleine Staaten entstehen, an größere Staaten anges{lossen werden, Das Andere aber, daß das Risiko von dem Staat getragen wird bei einer unzulänglicen Prämien- zablung, kann doch unter Umständen für kleine Länder recht erhebliche und unerwünschte Belastungen herbeiführen. :

Meine Herren! Der zweite Grund, welccher meines Erachtens und nach der Ansicht der verbündeten Regierungen die Reichs- versiherungsanstalt ganz besonders empfiehlt, das is der, daß eine viel zweckmäßigere Gestaltung des Tarifs möglich ist, Meine Herren, der Fe Abg. Richter hat zwar gestern behauptet, daß gerade in kleineren Kreisen es möglih sei, viel \{neller den Bedürfnissen, welche auf eine Aenderung des Tarifs hinweisen, zu folgen, viel leiter Aenderungen vorzunehmen, und daß man da viel schneller und ribtiger die Zahlen treffe, die gefunden werden müssen, um die Ver- sicherungsanstalten zu stabiliren und sie für alle Zeit leistungsfähig zu machen, Das ist nit richtig; es ist unter Facbleuten darüber gar fein Zweifel, daß jede Versicherungsanstalt dabin streben muß, ihren Geschäftskreis so viel wie möglich zu erweitern, und daß die Vortheile der Versicherungsanstalten wachsen in dem Maße, in welchem die Betheiligung zunimmt; je besbränkter das Geschäftsgebiet ist, je kleiner daher die Zahl der vorkommenden Fälle, desto länger wird der Zeitraum, innerhalb dessen das wirkliche Geschäftsergebniß si in Uebereinstimmung sett ?mit der rechnung®- mäßigen Grundlage. Eine Versicherungéanstalt beispielsweise, welcbe in einem Jahre nur 1000 ‘Unfälle beobacten kann, bedarf, um auf Grundlage ibres statistishen Materials ihre Wahrscheinlichkeitsrech- nung zu berichtigen und zu ergänzen, einen zehnmal so langen Zeitraum wie eine Versicherungsanstalt, die 10 000 Fälle jährlich beobachtet. Nun gebe ih ja zu und diese Bemerkung betrifft auch die Geschäfts- gebahrung der Privatversicherungsgesellshaften und Genossenschaften daß, Sie mögen Reichs-Versicherungsanstalten nehmen oder einzel- taatliche Versicherungsanstalten, eine gewisse Scbwerfälligkeit in der

eststellung und Korrektur des Tarifs immer bestehen wird gegenüber der Möglichkeit, in der sih die Privatgesellshaften befinden; allein diese leihte Möglichkeit einer Aenderung der Privatgesellshaststarife

Erste Beilage

Berlin, Donnerstag, den 2. Juni

jat auch die Gefahr in si, daß die Erfahrungen günstiger Jabre zum Anlaß genommen werden können, die Tarife lberabzuseßen, und daß dann die Verlegenheiten größer werden, wenn die Gesellschaft einmal größere Risifen zu tragen hat.

Meine Herren! die Schwerfälligkeit, von der der Hr. Abg. Richter gesprochen hat, in der Festseßung und Korrektur der Tarife, nimmt meines Erachtens bei den einzelstaatlichen Versicherungsanstalten in aanz enormer Weise zu gegenüber der Reichsversicherungsanstalt. Denken Sie daran, daß die Möglichkeit besteht, wenn Sie die Kommissionsvorlage annehmen, daß wir 25 Tarife machen müssen durch Meich8geseß, und diese Tarife werden gar nicht übereinstimmend gemaht werden können, wir werden einmal nicht dieselben Gefahrenklassen annehmen können, weil die Ver- hältnisse zu verschieden sind, und wir werden nicht dieselben Tarifsäße annehmen können, weil die Risiken, die getragen werden sollen, inner- halb der einzelnen Anstalten sehr verschieden sih bemessen. Wenn wir aber au übereinstimmende Tarife für sämmtliche Bundesstaaten machten, so würde sehr bald die Erfahrung ergeben, daß der Be- trieb beispielsweise in Bayern ganz andere Risiken zu tragen habe, als der Betrieb in Reuß j. L., und es wird bald die Nöthigung zu we- sentlichen Korrekturen hervortreten.

Meine Herren! Der dritte Grund nun, der die Reichsversiche- rungsanstalt besonders empfiehlt, ist die Billigkeit der Verwaltung. Meine Herren, Sie haben gestern gehört, daß diese Billigkeit der Verwaltung stark in Zweifel gezogen ist; ein Beweis dafür, daß die einzelstaatlicben Anstalten und daß die Privatanstalten billiger verwalten als die Reicbsversicherungsanstalt, ist Ihnen indessen nicht beigebracht. Ich werde Ihnen sfogleih Zahlen mittheilen, die darauf hindeuten, daß in der That es nicht ungerechtfertigt ist, wenn ich behaupte, daß, wie man auch sonst wenigstens an der Hand der Erfahrung annehmen muß, die Staatsverwaltung billiger ist, als die Privatverwaltung und daß die Reichsverwaltung billiger sein wird, als die Einzelstaatsverwaltung. Was den leßten Saß anlangt, so glaube ih, brauche ich ihn nicht zu beweisen. Wenn Sie für das ganze Reich eine Centralanstalt haben, so erfordert diese sehr viel weniger Kräfte und sehr viel weniger Geldaufwand, als wenn Sie für 25 Bundesftaaten Anstalten etabliren. Der Saß wird mir von vornherein nicht bestritten werden können, und die Herren, welche die einzelstaatlichen Versicherungsanstalten vertheidigen, werden ih vermuthlih auf den Standpunkt stellen, daß sie sagen: gut, wir bringen das Opfer der theureren Verwaltung und müssen es bringen, um den Vortheil, den wir uns von der cinzelstaatlihen Anstalt ver- sprechen, zu erlangen.

Daß die Staatsanstalten aber im Allgemeinen billiger verwalten, als die Privatanstalten, dafür sprechen die Zahlen in der Uebersicht, die mir bier vorliegt. Wir haben nämlich bereits in Deutschland eine staatliche Versicherungsanstalt; das ist die Königlich bayerische Brandversicherungsanstalt, und der Direktor dieser Anstalt hat aus den Geschäftsberichten zahlreicher deutscher Feuerversicherungsanstalten eine Zusammenstellung gefertigt, aus der sich die Zahlen ergeben, wie sich das Verhältniß zwiscben den Verwaltungskosten der verschiedenen Aktien-, beziehungsweise Gegenseitigkeitsgesellshaften und dieser staat- liben Anstalt stellt. Aus dieser Uebersicht erlaube ich mir, Ihnen folgende Zahlen vorzutragen.

Die Königlich bayerische Brandversicherungsanstalt hat im Ge- \chäftsjahre 1878/79 an Verwaltungskosten aufgewendet auf je 100 M. der Versicherungssumme .1,96 F, und dabei fällt noch erheb- lih ins Gewicht der Umstand, däß es nothwendig war, für die Kosten der Grundbuchserneuerung eine Summe von 95 oder 96 000 auf- zuwenden; rechnet man diese Summe, die ja cine vorübergehende Ausaabe it, ab, so kommt man dahin, daß die Königlich bayerische Brandversicherungeanstalt nur einen Bedarf an Verwaltungskoften von 1,6 «4 auf 100 A. der Versicherungssumme gehabt hat. Dem gegen- über hebe ich die Zahlen hervor, wie sie sich aus den Geschäftsüber- sichten der Privat-Versicherungsanstalten ergeben. Da ersche ic, daß von den Gegenseitigkeitsanstalten die verhältnißmäßig noch billiger verwalten, als die Aktiengesellschaften die Gothaer Gesellschaft im Jahre 1880 auf 100 M der Versicherungssumme den Betrag von 4 -Z an Ver- waltungskosten gehabt hat. Es ergiebt sich weiter, daß die Lübeer Versicherungsgesell\chaft für Landbewohner ebenfalls 4 4 aufzuwenden gehabt bat und daß die Altonaer Gesellschaft sogar 8,3 -Zjaufzuwenden hatte. Bei den Aktiengesellschaften stet sich folgendes Resultat beraus. Die ihrem Geschäftsbetriebe nah ältesten und weitverbreitet- sten arbeiten natürlich billiger als die jüngeren. Bei ihnen variiren die Verwaltungskosten zwischen 2,3 «S und 10,6 A. Billig verwal- ten die Gladbacher, die Westdeutsche; diese haben 2,3 -, die Baseler Gesellschaft hat 3 S, die Aachen-Münchener 3,7 -§, die Magdeburger 34 A, die Helvetia 48 S, und das geht so herauf bis auf die Hamburg - Magdeburger und die Norddeutsche, welche 10,6 «F Verwaltunçgécosten für 100 K der Versicherungssumme haben. Noc6 \{limmer stellt sich das Resultat bei einzelnen auéländiscben Gesellschaften, die in Deutschland Geschäfte treiben. J will Sie nicht ermüden damit, daß ih Ihnen auch die auf diese bezüglichen Zahlen gebe. Nun, meine Herren, sehen Sie aus dieser Uebersicht, daß keine Brandversicherungsgesellschaft bei anderen Gesellschaften fann ih die Parallele nit ziehen, weil wir eben keine staatliden An- stalten auf anderen Versicherungsgebieten in Deutschland besißen nun sehen Sie aus dieser Ueberficht, daß, wenn man felbst die Kosten der bayerischen Anstalt berechnet unter Berücksichtigung des befonderen Umstandes, daß fih in dem Geschäftsjahre, für das die Uebersicht aufgestellt is, ein besonderer einmaliger Aufwand gefunden hat, daß dann dieser Kostenbedarf \sich nur auf 1,96 «4 pro 100 H. der Versicherungésumme berechnet, was immer noch eine billigere Ver- waltung als die der am besten und billigsten verwalteten Privatgefell- schaften ist. Meine Herren! Es ist dies auch ganz natürli. Aus meinen eigenen Erfahrungen habe ich wahrgenommen, daß die Kosten, welche die Versicherungsanstalten für ihre Agenten ausgeben, ganz enorm ins Gewicht fallen, und daß diese Kosten cinen großen Theil des Budgets der Versicherungsgesellshaften ausmachen. Ich habe cinmal selbst eine Versicherungsgesellshaft gegründet, den preußischen Beamtenvercin, und da habe ich mit meinen Mitgründern den Grundsatz angenommen, daß wir unser Geschäft ohne jegliche Agenten betreiben wollen. Der Erfolg is der gewesen, daß wir nicht allein ausgezeichnet prosperirt haben, daß wir gegenüber der Entwickelung anderer Versicherungsgesell schaften in den gleihen Entwicklungsstadien ganz außerordentliche Fort- {ritte gemacht haben, sondern der Erfolg ist auch der gewe]en, daß wir die Geschäfte billiger machen als wie alle übrigen Gesell- schaften. Meine Herren! Nun sagt der Herr Abg. Richter, daß die Staatsanstalt u. A. au den Nachtheil habe, daß sie mit fih führe ein Eindringen der Beauftragten der Versicherungsanstalt in die Privatverhältnisse der einzelnen Betriebe; es würde cine ganze Reihe von polizciliden Plackercien entstchen. Diese Plackereien würden zu

*

sehr erheblichen Klagen führen und man würde schr bald dahin fom- men, daß es viel besser sci, den gegenwärtigen Zustand mit dem Haft- pflitgesez beizubehalten, als in ein staatlides Versicherungêunter- nebmen \sich einzulassen. Ich glaube, die Befürchtung ift nicht zutreffend. Es is ja allerdings wahr, wenn eine Reichsversicherungsanstalt oder , eine Staatëversicherung8anstalt ins Leben tritt, daß es dann nothwendig sein wird, für den Geschäfts- betrieb die Hülfe von Behörden oder besonderen Beauftragten in An- spru zu nehmen. Es is auch richtig, daß in den Gesetzentwurf unter dem Beifall Ihrer Kommission in §. 27 ausdrücklih cine Vor- {rift aufgenommen worden ist, welche darauf abzielt, die Wirksam-

s-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Sf,

keit dieser Beamten sicher zu stellen und den Betriebsunternehmer zu verpflichten, daß er \sih gewisse Handlungen gefallen läßt, aber, meine Herren, sollte diese Befugniß der Versicherungsanstalt und ihrer Beauftragten zu Plakereien fübren, so bin ih meines Orts garnicht darüber im Zweifel, daß \{chon die eigene Landesbehörde die entsprechende Remedur zu treffen geneigt sein würde. Auch wird ja die Polizei täglich höflicher. Weßhalb wollen wir ibr nit mit Vertrauen auch solche Geschäfte übertragen.

Der Abg. Richter hat nun aus dem Grunde den einzelstaatlichen Versicherungsanstalten den Vorzug geben zu müssen erklärt, weil ein Monopol um so verderblicher seï, je mehr es zentralisirt werde und er bat diesem Saß noc einen zweiten angefügt: daß man, was man in kleinen Kreisen erreichen kann, nit auf größere übertragen solle. Ja, meine Herren, diese Säße klingen sehr s{ön, aber ich glaube doc nicht, daß sie auf ungetheilten Beifall oßen. Wie könnten wir unsere Post und Telegraphie, wie unser Münzregal vertheidigen, wenn diese Sätze Evangelien wären? Wir müssen bei solchen Unterneh- mungen, welche dem ganzen deutschen Reiche zu gute fommen sollen, möglichst dahin streben, zu zentralifsiren. Nur dann wird es möglich E: eine gedeihliche, förderliche, ersprießlihe Verwaltung einzu- führen.

Der Abg. Nichter hat dann ferner gesagt, öffentliche Organe hätten kein Interesse daran, strenge zu sein. Nun, meine Herren, dieser Satz klingt aub, ich halte ihn aber auch nit für rihtig. Wir haben, meine i, nicht darüber zu flagen, wir haben vielmehr häufig das Gegentheil gehört, daß beispielsweise die Steuerbehörden in Deutschland es an Strenge bei der Veranlagung und der Eintreibung der Steuern fehlen lassen, und die Besorgniß, daß, weil der Reichs- säckel im Hintergrunde der Reichsversicherungsanstalt steht und man aus diesem Reichs\äckel sehr bequem verausgaben könne, daß aus diesem Grunde eine leichtere Behandlung der Geschäfte eintrete, die theile ih ebensowenig. Die Erfahrungen, die wir gemacht haben auf dem Gebiete der Reichsverwaltung \prehen nicht dafür, daß ein laxer Geschäftsbetrieb stattfinden wird, im Gegentheil, es werden die Reichsbeamten es strenger nehmen und wenn sie es nicht strenge nehmen sollten, so würde das jedenfalls nit im Einklang stehen mit der anderen Behauptung des Hrn. Abg. Richter, wonach wir ganz besondere Scheerereien und Plackereien in den Einzelstaaten erleben würden.

Meine Herren! Die einzelstaatlichen Versicherungsanstalïien wer- den meiner Üeberzeugung nach dazu führen, daß wegen der Berschieden- artigkeit der Gestaltung der Geschäftsergebnisse ih habe daran {on vorhin erinnert lebhafte Klagen aus den Be- zirklen der weniger gut arbeitenden Anstalten hervortreten, man wird eremplifiziren auf die Ergebnisse der besser arbeitenden Anstalten und die Bewegung wird sich sehr bald darauf richten, daß man den Anschluß an die größeren Anstalten zu erstreben sucht, und,- meine Herren, von da bis zur Reichsanstalt wäre voraussichtlih nur ein Schritt.

Nun habe ih nur noch einige Bemerkungen zu machen. Ich kann mich dahin wiederholen , daß die Reichsregierung auch heute noch auf dem Standpunkte steht, daß sie glaubt, die Annahme des Institutes der Reichsversicherungsanstalt empfehlen zu müssen. Meine Herren, in der Kommission wurde von dem Hrn. Abg. Buhl, als er sich für die Reichsversicherungsanstalt erwärmte, gleichzeitig die Voraussetzung ausgesprochen, daß dann auc der Konkurrenzbetrieb der Privatversicherungsgesellschaften zugelassen werde. Ih habe damals in der Kommisjion mit aller Entschiedenheit mich dagegen erklärt und habe betont und diese Frage ist im Bundesrathe zur Erörterung gekommen —, daß ih nicht glaube, daß die verbündeten Regierungen auf die Zulassung des Koukurrenzbetriebes der Privatgesellschaften würden cingehen können. Es sind scit jener Erklärung keine Umstände eingetreten, welche mi zu einer Modifikation derselben berechtigen. Im Gegentheil, ih glaube, au heute bestimmt versichern zu können, daß der Konkurrenz» betrieb der Privatversicherungsgesellschaften unter keinen Umständen von den verbündeten Regierungen acceptirt werden würde. Es hat der Hr. Abg. Buhl \sih zwar die Mühe gegeben, und das Verdienst erworben, Normativbestimmungen zu entwerfen für den Geschäftsbetrieb der Privatversicherungsgesellschaften, denen sie sich zu unterwerfen hätten,

venn sie zu dem Konkurrenzbetrieb mit der Reichsversicherungsanstalt

zugelassen werden sollen. Meine Herren, ih habe diese Normativbestim- mungen einer schr sorgfältigen Durchsicht unterworfen, 1ch muß aber sagen, daß sie den Zweck, den sie verfolgen, nämlich den, daß durch die Privatgesellscchaften eine ebenso große oder wenigstens unter allen Umständen ausreichende Sicherstellung der Rente, die der Entschädi- gungéberechtigte empfangen soll, gewährleistet würde, in feiner Weise erreichen. i

In Nr. 2 dieser Normativbestimmungen ist gesagt, daß die Privatver- siherungsgesell schaft gehalten sci, ein Kapital zu leisten bei dem Cinritt eines jeden Unfalls der zur Entschädigung Berechtigten, welches ausreichend ist, um nach den Grundsäßen der Wahrscheinlichkeitsrehnung die Rente sicher zu stellen. Nun, meine Herren, behaupte ih, daß der Fall ein- treten kann und daß er gar nit so fern liegt, daß in dem Moment, in welchem dieses Kavital geleistet werden joll, die Gesellschaft be- reits unfähig ist, es zu leisten. Setzen Sie den Fall, es bätte sich cin Bergwerksbetrieb bei einer Privatgesellschaft, ih will einmal sagen, einer Aktiengesellschaft, versichert; es tritt ein Massenunglülk ein, 3 4 500 Menschen verlieren ihr Leben, 3 4 500 Familien sollen bezüglih des Rentenbezugs sicher gestellt werden, und rechnen Sie si das Kapital aus, welches dazu erforderlich ist, um diese Sicherstellung vorzunehmen, dann werden Sie keinen Zweifel daran haben fönnen, daß auf diesem Wege die Sicherheit, welche man dem Arbeiter, den man zwingt, zu den Prämien einer Versicherungéanstalt beizutragen, geben muß, nimmer erreicht wird. S

Dann hat der Herr Verfasser der Normativbestimmungen sür die Privatversicherungsgesellschaften vorbehalten die Befugniß zur Aus\c{ließung bestimmter Berufsarten, hat aber gleichzeitig vorgesehen, daß, wenn eine bestimmte Berufsart zum Versicherungsbetricbe bei einer Privatversicherungsgesellschaft zugelassen ist, dann auch alle gleih- artigen Betriebe aufgenommen werden müssen. Nun, meine Herren, diese Vorschrift wird meines Erachtens zur Folge haben, daß vor- sihtige Gesellschaften nur die mit weniger Risiken behafteten Betriebe in sih aufnehmen, und daß die gefährlicheren Betriebe demnäcbst alle den Reichéversicherungsanstalten zufallen werden. Die weitere Folge aber wird die sein, daß die Reichsversicherungsanstalt aud nit |o billig arbeiten kann, wie sie arbeiten würde, wenn fie alle, auc die weniger gefahrvollen Betriebe in si vereinigt. H

Es wird dann in den Normativbestimmungen vorgescbrieben, daß der Versicherte keine höhere Prämie zablen soll, als er bei der Landes- anstalt, forrcspondirend also bei der Reichsanstalt, zu zablen haben würde. Ja, meine Merten was ist die Folge solcher Vorschrift ? Also die Landesanstalt oder die Neichsanstalt mat einen bestimmten Tarif, die Privatversicherungsanftalt versichert zu höheren Säpen, weil sie nit so billig versichern kann, wie die weiter verbreitete, mit niedrigeren Kosten arbeitende Landesanstalt. Der Arbeiter, der den Beitrag zur Prämie zu leisten hat, darf nicht höher belastet werden, als er es bei der Landesanîtalt werden würde. Was ist die Folge davon ? Die Differenz zwischen dem Betrage, den er an die Privatversicherungs- gesellschaft und die Landesversicherungsgesell schaft zu leisten haben würde, fällt auf den Unternehmer, und die weitere Folge davon ift, daß jeder Unternehmer sich hüten wird, wenn er erst die Erfahrung gemacht, daß er höhere Prämien zahlen muß, lur Frivatgesellswalt zu gehen; er wird dann lieber die Landes- oder Reichsanstalt vorziehen.