1881 / 127 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 02 Jun 1881 18:00:01 GMT) scan diff

Der Herr Verfassex dér Normatidbestir-muügèn bat aub Vor- forge getroffen für den Fall der Liguidäation einer Gesellschaft ; erx bat gemeint, es solle iw, Falle der Liquidation der Gesellschaft ein Kapital zurückgestellt “verden, welche8s genügend ist, um die N°-.ten, mit denen die GefN.schaft belastet ist, für alle Zeiten zu ewähr- leisten. Ja, meive Herren, wenn nun aber die Gesells®:aft nichts bat, wenn der Fall so liegt, wie ih ihn vorhin geschildert babe, daß im Falle cine? Massenunglücks und mit Eintritt deßelben die Gesell- chaft baukexott ist, woher will sie das Kapital nehmen, noch dazu, wenn fe 1 eristiren aufhêrt?

AUe, meine Herren, ich verkenne ja gar nit das Wohlwollen, welches in den Bestrebungen liegt, die darauf abzielen, die Möglich- keit oder Fortsetzung des Privatversicherungsbetriebs zu s\tatuiren. Meine Herren, auch die Reichsregierung und der Bundesrath baben fich sehr eingehend mit der Frage beschâftiat, ob und unter welchen Formen es wokl möglich sei, einen solchen Betrieb zu fkonserviren. E3 giebt aber keine Möglichkeit; Sie müssen, wenn Sie den Arbeiter zwingen, Prämien zu zahlen, für seine Versicherung, ihm auch absolute Gewähr dafür geben, daß im Falle des Unfalls ihm das wird, was ihm das Gesetz verheißt, und das kann ihm nur werden; die größtmögli®&ste Garantie können Sie ihm nur geben bei der öffentlihen Anstalt, binter der ein großer Verband, der Staat oder möglichst das Reich stebt.

Sie würden, meine Herren, mit der Zulassung der Privatgesell- schaften ih verstehe übrigens den Antrag, den Hr. Dr. Buhl jeßt gestellt hat, nicht so, als ob er die Privatge}ellschaften wieder einfüh- ren will, denn er sagt darin, daß eine Reichsversicherung8anstalt er- richtet werden foll, bei welcher die Versicherung für alle Betriebe stattfindet. Sie würden, wenn Sie die Zulassung der Privatgesell- {aften aufnehmen, in der That blos einen moralischen Effekt erzielen. Das Scchwergewicht der Verhältnisse, die Entwicke- lung des Unfallversicherungswesens wird ganz naturgernäß dahin drängen, daß der Geschäftsbetrieb der Pivatagesellschaften von selber aufhört, daß er von den offentlichen Anstalten übernommen wird, und darum bin ih der Meinung, daß ein \{neller Tod besser ist als ein langsames Hinsiechen.

Wenn nun von einem der Herren Abgeordneten der Antrag ge- stellt ist, man müsse die Privatversicherungsgeselschaften, deren Ge- schäftsbetrieb man einschränkt, wenn nicht ganz unterbindet, entschädi- gen, so bin ich der Meinung, daß ein solcher Entschädigungsanspruch in keiner Weise diesen Gesellschaften zur Seite steht Meine Herren, wo hat man denn jemals daran gedacht, cinen Fuhrmann zu entschä- digen, der eine Omnibusverbindung gehabt hat und der dies Geschäft niht mehr betreiben kann, wenn eine Eisenbahn gebaut ist, wo hat man jemals daran gedacht, einen Fahrberechtigten zu entschädigen, an dessen Fährstelle nunmehr eine Brücke gebaut ist? Allerdings find solche Entschädigungen vorgekommen, dann hat es immer daran gelegen, daß cin spezieller privatrehtlicher Titel vorlag, daß dem Be- theiligten der Betrieb gewährleistet war, aber niemals hat man daran gedacht, eine Entschädigung zu geben, wenn aus Rücksicht des öffent- lien Interesses und des öffentlichen Wohls Einrichtungen getroffen worden sind, denen berechtigte Privatrechtstitel nicht entgegenstehen.

Meine Herren, ein Gesichtspunkt, welchen der Hr. Abg. Nichter

gestern aufgestellt hat, um sih dafür zu interessiren, daß möglichst kÉleine Versicherungsverbände geschaffen werden, ist allerdings beachtens- werth, und das ift der Gesichtspunkt der Solidarität der Genossen. Fs ist ja ganz klar, daß, je öfter und je mehr von der in §. 56 des Gesetzes gegebenen Befugniß der Vereinigung der Betriebsgenossen zur gegenseitigen Versicherung Gebrauch gemacht wird, um fo wirk- jamer auch die Kontrole darüber sein wird, daß die zum Schutze gegen Unfälle vorzunehmenden Einrichtungen in möglichster Vollstän- digkeit und Güte hergestellt werden, und es ist sehr zu wünschen, daß von der Befugniß des §. 56 ein möglichst ausgiebiger Gebrauch gemacht wird. Wo das aber auch nicht geschieht und wo das nicht möglich ist wegen der loïalen und territorialen Verhältnisse, da, meine Herren, werden wir in der That nicht die Befürchtung zu haben brauchen, daß mit dem Eintritt der Wirksamkeit des Unfallversicherungs8geseßes nun eine laxere Hanhabung in Bezug auf die gewerbevolizeilide Seite eintreten wird. richte unserer Fabrikinspektoren gelesen haben; sie enthalten in der That cin fehr interessantes und werthvolles Material über die Wabr- nehmungen, die sie gerade nach der Seite der Einrichtungen zum Schutze der gewerblichen Arbeiter gemacht haben und sie geben fast ausnabmsélos die Ueberzeugung, daß die Kontrole über diese Einrich- tungen sehr wirksam gehandhabt wird. Ich nehme nicht an, daß mit dem Unfallversicberungsgeseß in dieser Beziehung eine larere Praxis eintritt; im Gegentheil, je mchr die Versicherungsanstalten, sei es Reichsanstalt, seien es einzelstaatlice Anstalten, dabei interessirt find, daß die Schußvorrichtungen wirksam hergestellt werden, desto cifriger werden sie auch dafür sorgen und ihre Mitwirkung dazu geben, daß die Fabrikinspektoren noch mehr als bisher ibre Schuldig- keit thun.

Meine Herren! Jch kann mich für jeßt auf diese Bemerkungen beschränken, die, wie gesagt, dazu haben dienen sollen, Ihnen darzu- thun, daß wir die Reichsversicherung8anstalt für das zweänäßigste Institut zum Betrieb der Unfallversiberung halten. Ich habe die Bedenken dargelegt, die es hat, zur einzelstaatlichen Versicherung überzugeben, und i bitte Sie, in erster Linie na dem Vorsclag der verbündeten Regierungen die Reichéversicherunaëanstalt zu accep- tiren, Aber, meine Herren, wenn die Mehrheit kes Reichétages ck=— und ich halte mi für verpflichtet, au das glei hier zu sagen sich nach dem Vorschlage der Kommission ents{ließt, die Reichs- anstalt zu verwerfen und einzelstaatlibe Versicherungsanstalten zu etabliren, so würde damit nach der Ucberzeugung der Reichsregierung der Grundgedanke des Gesetzes nicht verletzt werden, Wir halten diesen Weg für nit praktis, wir halten ihn für nactheilig oder wenigstens nicht für so vortheilhaft, wie es dic Reichsversicherungsanstalt ist; aber wir würden glauben, daß die Garantie, welche dem versicherten Arbeiter für den Bezug seiner Rente gegeben werden muß, au beraestellt werden Tann durch die Bürgschaft der Einzelstaaten, die binter den einzelstaatlichen Versicherungen stehen. Wie der Bundesrath sich zu dieser Frage stellt, das weiß ich nicht. Ich habe vorber die Ehre ge- habt, Ihnen zu sagen, daß die Frage innerhalb der Kreise des Bun- deéraths nit zur Sprache gekommen ist, und wir würden ja erst in der Lage sein, Stellung zu nehmen zwischen der zweiten und dritten Lesung für den Fall, daß Sie zur cinzelstaatlihen Versicherung über- gehen wollen. Meine Herren, was Sie aber au bescbließen mögen, das Ergebniß Ihres Beschlusses werden wir nit anschen als das Resultat ciner Kombination von politischen Parteien, wir werden es ansehen als das Resultat einer reifliben Erwägung der patriotischen Männer, die mit uns gewillt sind, dem Arbeiter einen Dienst zu leisten, der ihn freilich auch politisch festigt und ibn uns näher bringt.

Der Abg. Dr, Lasker erklärte, man müsse vor Allem die Frage, ob überhaupt eine monopolisirte Anstalt zugelassen werden solle, von der zweiten Frage trennen, ob, wenn die erstere bejaht werde, Neichsanstalt oder Landesanstalten den Vorzug verdienten, Nach ber ersten Berathung hätte ange- nommen werden müssen, daß die 10nopolisirte Anstalt nicht blos aus tehnischen, sondern aus Gründe höchster Erwägung abgelehnt würde; der Abg. Stumm habe dam.Us einen Vorktehalt für die Knappschaftskassen gemacht, der Abg. vont Marschall etwas verschämt e die Genossenschaften und der Abg. von Hertli1g habe si damals im Namen des Centrums so nahdrücklich gege;? das Monopol und den Auss{luß der Konkurrenz-Gesellschaste:1 a‘tsgesprochen, daß er kaum verstehe, wie derselbe noch Refe- ren Jür diesen Paragraphen habe bleiben sönnen. Jn dem Vorn dium jei von Staatsanstalten überhaupt nicht die Rebe gewesen, dieser Gedanke sei erst in der Kommission in sehr eigenthümlu, “T Weise gufgetauht und heute habe ihn auch der Minister für ácceptabel ertiórt. Was aber gegen die Reichs- anstalt vorgebracht werden fönne, treffe auch für die preu- hische, 28 Millioneiz umfassende Lanhesanstalt zu. Heute habe

Meine Herren, ich weiß nit, ob Sie Alle die Be- '

] nün der Minisitr die billige Verwaltung der Stäatsanstalten

nachgewiesen aber die Differenz falle nicht so ins Gewicht, daß man darnach die Prinzipienfrage zu Gunsten der Landeëzanstalten entscheiden müßte, zumal die Ziffern eines vielleiht an Bränden nit reihen Jahres keine fonderliche Beweiskraft hätten. Auch sei die Brandversicherungsanstalt in Bayern gar keine Staatsanstalt, sondern cine Versicherung auf Gegenseitigkeit, die unter Staatsverwaltung stehe, ohne Zwangsversicherung, die nur für gewisse Jnstitute obligatorisch jei und auf Antrag des Hypothekengläubigers. Auch entstehe der Sche n einer billigeren Verwaltung durch den Staat da- durch, daß derselbe dabei scine bereits im Etat aufgeführten Beamten verwende, während die der Gesellschaften in dem Etat derselben ersheinen müßten. Der Reichskanzler sei kon- sequenter als seine Bundesgenossen und sein Minister. Bei der ersten Berathung habe der Reichskanzler gesagt, daß der Staatëzushuß allein dem Staat ein Recht auf Begründung einer öffentlihen Anstalt gebe, falle der Staatszuschuß fort, dann sei ihre Begründung weder billig noch gereht. Nun wolle die Kommission diesen Staatszushuß nicht gewähren, das Haus werde, wenn nicht ein Wunder geschehe, ebenso beschlie- ßen und die rehte Seite dieses Hauses plädire immer noch für Staatsanstal!en, nachdem die von dem Reichskanzler auf- gestellte Bedingung und Voraussetzung eliminirt sei! Was habe man nun von anderen Gründen für die Staatsanstalt gehört? Eine Einwendung des Ministers, daß eine Sicherheit von den Privatgesellshaften gar niht gewährt werden könne und eine Verurtheilung der dem Abg. Stumm am Herzen liegenden Knappschafiskassen, welche do unter der Verwaltung der preußischen Regierung stehend, von dieser das höchste Lob erhalten hätten. Sei es denn auch nur wahrscheinlich, daß Versicherungsgesellschaften eingerihtet würden, welche nicht in sih die Mittel hätten, außergewöhnlihen Unglücksfällen zu be- gegnen, wenn die rihtigen Grundsäße angewendet würden ? Bei Brandversicherungsgesellshaften sei ja die Gefahr eine noch viel größere, aber da werde eben zu Rückversiherungen ge- griffen. Bei Aktiengesellshasten pflege ja auch nur ein kleiner Theil des Kapitals eingezahlt zu werden und sehr viel unein- gezahites bleibe rücständig für den Fall, daß ein großes ein- maliges Unglück eintrete. Die gewöhnliche Methode hierfür sei die Einzahlung von Solawechseln. Es sei ja möglich, daß inzwischen der Eine oder der Andere bankerott werde; aber sei es that- sächlih vorgekommen, daß dadurch die Sicherheit gestört wor- den wäre, vorausgeseßt, daß nicht eine schwindelhafte Unter- nehmung vorgelegen habe? Das müßte eine stümperhafte Regierung sein, welche nicht von vornherein mit Hülfe der Durchschnittsberehnnng solche Versiherungsmaßregeln zu treffen vermöchte, daß sie für das, was sie übernehme, für gewöhn- lihe Zeiten auffomme und für außergewöhnliche Zeiten Rückversicherung nehme. Ein zweiter Grund für die Reichs- anstalt sei die dadurh herbeigeführte bessere Statistik. Des- wegen könne man doch nicht einen vollsiändig neuen Weg ein- schlagen, zumal der Nutzen derselben hier im Hause oft genug als ein geringer angeschlagen worden sei. Das statistische Amt sei völlig ausreihend. Als Grund für den Staatszuschuß sei angeführt worden, namentlih auch vom Reichskanzler, man könne den Privatgesellschasten niht zutrauen, daß sie das öffentliche {Fnteresse wahrnähmen, weil sie Erwerbsgesell schaften seien. Die ganze Beamtenschast Deutschlands beruhe aber darauf, daß sie durch die Ausübung der Amtsthätigkeit sich einen sicheren Unterhalt, einen sicheren Gewinn begründen wolle, sieben Achtel der Beamten würden ihre Entlassung nehmen, wenn ihnen das Gehalt entzogen würde. Wem fiele es aber ein, zu sagen, die Beamten könnten deshalb nit gut wirken, weil fie das Amt verwalteten, um den Gewinn ihres Lebens herzustellen ? Es werde ferner gesagt, bei den Privatgesellschaften, selbst bei den Gegenseitigkeitsgesellschasten, sei das Risiko für die Arbeiter weit größer. Er gebe gern zu, daß der Arbeiter an den Chancen nicht Theil nehmen könne, es müsse für den Arbeiter eine bestimmte Prämie festgeseßt werden. Es wäre aber wunderbar, wenn der Staat gerade da {wach würde, wo es sih um die Kontrole der Privatgesellschasten handele, Sonst nehme der Staat Alles auf si; gerade in diesem Falle gehe demselben die Kraft aus? Er glaube, daß beim Staate das Versicherungswesen dezentralisirt werden solle. Dcr Abg. Stumm sage ferner, die Jnvalidenkassen könnten niht vom Staat geführt werden, einen Theil der Unfälle wolle derselbe also den Privatgesellshasten überlassen. Was die Zwangs- versicherung betreffe, so könne sih dieselbe nur dann halten, wenn eine Staatsanstalt errichtet werde, und der Regierungsvertreter meine sogar, daß das noch nicht genüge, es müßt.n auch die Privatgesellschaften ausgeschlossen werden. Der Meinung sei er nicht; die Maßregeln, wie sie die Kommission und der Abg. Auer vorgeschlagen hätten, seien weit entfernt von den Experimenten der Regierung. Selbst der Abg. Richter habe nicht die Staatsanstalten in erster Linie als besser empfohlen, als die Neichsanstalten, sondern derselbe habe den richtigen Gedanken verfolgt, daß es besser sei, zu dezentralisiren, und es deshalb nicht den Einzelstaaten, sondern den Selbstverwaltungskörpern und Regierungsbezirken zuzu- weisen sei. Unerwartet sei nun in der Kommission vor- geschlagen, statt der Versicherungsanstalt im Reiche solche in den Einzelstaaten einzuführen. Er zweifele keinen Augen- blick, daß außerhalb der Kommission, was sonst der Abg. Windthorst immer die Coulissen genannt habe, Verhandlungen stattgefunden hätten, wonach an den Fingern abgezählt sei, so und so viel Mitglieder von der Reichspartei, so und so viel von der deutsch-konservativen Partei, so und so viel vom Zentrum, wenn die sih verständigten, so würde eine Mehrheit in der Kommission zu Stande kommen, da sei man dann auf

den Vorschlag der Staatsanstalten gekommen und die Reichs -

partei habe gesagt, wenn das Zentrum es vorschlage, so nehme sie es an, und gestern habe der Aba. Stumm gesagt: das Ding sei zwar ganz abscheulih, es sei viel \{lechter als die Reichsanstalt, aber seine Partei wolle in dieser Session etwas u Stande bringen, die Vorlage also durchberathen, das heiße, man wolle nur theoretish, aber niht praktisch das Reich verleugnen. Ein Beschluß des Hauses werde für nichts geachtet, es sei ja nur interimistisch. Er (Redner) sei dagegen der Meinung, daß ein Beshluß des Hauses ein geschichtliches Faktum sei und es sei durchaus nicht gleihgültig zu erklären, daß es nur ein vorläufiger Veshluß, nur eine Anschauung sei. Aus der gestrigen Erklärung des Abg. Stumm sei er nicht reo,t klug geworden. Werde die Partei desselben für diesen Paragraphen stimmen oder niht? Ebenso verworren sei die Haltung der Regierung in der Kommission. Der technische Regierungsver::-eter habe die Staatsanstalten für nachtheilig und kaum durchfuzrbar erklärt, der politische Vertreter halte sie zwar für schlechter us die Neichsanstalt, die Regierung set aber nicht abgeneigt, daraux tinzugehen, s{ließlich beweise eine

Denkschrift des technischen Vertreters, daß der Beschluß der Kommission sehr wenig tauge; und jeßt die Erklärung des Ministers, daß die Staatsanstalten acceptabel. Er glaube nun, daß die Vertheilung der Versicherungsanstalten auf die einzelnen Länder mit großen Nachtheilen für die Volkswirth- schaft und für die Jndustrie und Gewerbebetriebe verbunden sein würde. Die hervorragendsten Vertreter der Jndustrie hätten erklärt, daß sie niht mehr produktionsfähig sein würden, wenn sie mehr als ?/; der Prämie übernehmen sollten. Habe man son bedacht, wie viel die kleinen Staaten, wie viel z. B. der fabrik- reiche Kreis, den er vertrete, verlieren würden, wenn derselbe eine höhere Prämie zu zahlen hätte? Gut werde sich allein Bayern siehen; es sei vielleiht groß genug, um eine solhe Versicherungsanstalt auf sih nehmen zu können; die bayerische Volksvertretung sei vielleiht vornehm genug, um für dieses Vergnügen eine {öne Summe jährlih mehr zu bezahlen - Sachsen und Württemberg könnten es nicht. Nun frage er, ob nicht in Preußen mit seinen 28 Millionen Einwohnern mit einer monopolisirten Verficherungsanstalt alle Gefahren der Revolution gerade so hineingetragen würden, wie die Reichs- versicherungsanstalt dies mit dem Reih thun würde. Und wer solle die Dinge zusammenhalten, wenn Preußen vor einer Revolution stche? Wenn der Reichstag ein Mittel in Händen hätte, Preußen zu zwingen, innerhalb einzelner kleiner Distrikte, die dazu tauglih seien, àuch selbständize An- stalten zu errihten, so würde, wenn schon einmal öffentliche Anstalten sein müßten, die Gefahr nicht so groß sein. Er werde dem Antrage Richter zustimmen, weil derselbe Voll- machten haben wolle für die Einzelstaaten ; und gerade fo wie man ‘den kleineren Staaten, die in si selbs niht im Stande seien, eine solhe Anstalt zu errichten, die Vollmacht gegeben habe, in eine Verbindung eintreten zu dürfen, so müsse man auch Preußen nicht zwingen, in eine große Anstalt zusammen- zugehen, lediglih um das Wort „Staatsanstalten“ festzuhalten. Wie man aus salihen Gründen gegen den Antrag Richter stimmen Éönne, sei ihm unbegreiflih. Ob es nothwendig sei, zur Aufrechterhaltung der Kombination, wie sie sih in der Kommission herausgestellt habe, wisse er nicht, da er, um sih eines Ausdruckes des Abg. Windthorst zu bedienen, nicht: hinter den Coulissen mitgearbeitet habe. Es sollten also Landesanstalten errichtet werden oder eine Ver- einigung mehrerer Staaten. Die Versicherungsbedin- gungen follten in jedem Einzelstaate durch Landesgeset. statuirt werden und zwar die Kassenverwaltung und die Kon- trole; der Tarif und der Reservefonds dagegen solle dur Reichsgeseß festgestellt werden. Diese leßteren Bestimmungen seien aber die Seele des Ganzen. Was würde nun geschehen, wenn die Landesgeseßgebungen sih zu diesen Ausführungs- gejeßen nicht verständen? Abstrakt beantworte sich die Frage sehr einfa; man brauche an die Bundesexekution gar nit zu denken. Er sei überzeugt, daß, wenn das Reih den Staaten auferlegt habe, gewisse Ausführungegesche zu schaffen, und die Einzelstaaten seien niht im Stande, mit diesen Geseßen fertig zu werden, daß dann das Neih das Recht habe, die Geseßgebung für diese Einzelstaaten hinsichtlih dieser Ausführungsgeseße selbst in die Hand zu_ nehmen. Aber dazu gehöre eine Vorausseßung: daß die Staaten die Grenze der loyalen Bemühungen über- schriiten hätten, um das betreffende Ausführungsgesez zu Stande zu bringen. Glaube man denn, vor 3 bis 5 Jahren einem Staate gegenüber feststellen zu können, daß derselbe die Grenzen der Loyalität überschritten habe, nahdem man den Einzelstaaten so schwierige Dinge auferlegt habe. Man werde sich nicht beklagen können, wenn in einzelnen Staaten die Dinge übers Knie gebrochen würden, wie jeßt im Neich. Er- komme deshalb zu dem Schluß, daß die Errichtung einer Reichs- anstalt sehr s{hwer vereinbar sei mit der Frage des Versiche- rungswesens, dessen System man annehmen wolle. Dur die Kommission sei aber die Sache so verwickelt und verschlechtert worden, daß er es für das größte Unglück halten würde, wenn das Gesetz in dieser Form in dieser Session zu Stande gebracht würde.

Der Abg. Dr, Windthorst erwiderte dem Abg. Lasker, der es zu bereuen scheine, hinter den Coulissen nicht mehr mitarbeiten zu können, daß nach seinen sorgsältigsten Erkun- digungen eine Coulissenarbeit hier gar nicht vorliege und daß die ganze Darstellung vom Abg. Lasker über die Vorgänge in der Kommission durhaus unrichtig sei. Was verhandelt wor- den, sei in der Kommission selbst verhandelt worden und keinem Mitglied sei der Zutritt dazu verwehrt worden, Uebri- gens dürfte es dem Abg. Lasker und seinen früheren Mikt- coulissenarbeitern ja niht auffallend sein, wenn in den langen Jahren andere Leute von ihnen gelernt hätten. Die Ansicht des Abg. Richter, daß das Centrum \ich in dieser Frage unter einem gewissen Druck befinde, sei wvölig un- begründet. Das Centrum wisse ganz genau, was es in dieser Sache wolle und werde seinen Weg verfolgen in der Erwartung, ob die Majorität sich derselben anschließen werde oder nicht. Dies bemerke er auch dem Abg. Stumm, dessen Erklärung, die der- selbe dem Centrum Namens seiner Partei abgegeben habe, ihnr allerdings überraschend gewesen sei. Er habe daraus entnom- men, daß die Herren in der zweiten Berathung für den Kom- missionsvorschlag stimmen würden, ih aber vorbehalten, \pä- ter von demselben abzuweihen. Gewiß seien die Herren hierzu formell durhaus berechtigt, ob aber eine solhe Erklärung zweuämäßig sei, wolle er dahingestellt scin lassen und nur daran erinnern, daß, wenn ein Paragraph falle, die noth- wendige Folge das Fallen auch anderer Barbacibari sein könnte. Wolle man ein in der Kommission bearbeitetes Ge- sey wirklih durchführen, so sei es klug und richtig, die in der Kommission gefundene Basis nicht allzu weit zu verlassen. Was die vorliegende Frage betreffe, so gebe es in der That nur zwei Systeme. Das eine sei die von dem Abga. Freund begründete Ausdehnung des Hastpflichtgeseßes und die daraus sih ergebende Weiterentwickelung der Privatversicherungsan- stalten. Dieses klare System baue auf der Basis des Bc- stehenden weiter und verdiene die ernsteste Erwägung; das andere generalisire die Haftpflicht zu einer Sicherung aller Un- fälle, ohne weitere Untersuhung über das Verschulden des Betroffenen, ohne weiteren Prozeß, und lege die Versicherung dieser Unfälle in eine vom Staate garantirte Kasse. Dies zweite System sei vollkommen neu und gebe zu sehr ernsten Perspektiven Anlaß. Wer darüber noch im Zweifel sein könne, den werde die gestrige sehr bedeutsame Nede des Abg. Liebknecht aufgeklärt haben. Für ihn sei diese Rede die belehrendste von allen gewesen, die er über diesen Gegensiand gehört habe, und es sei ihm dies ein neuer Beweis für die Nichtigkeit sei- ner Behauptung, daß man seine Gegner zu Worte kommen lassen müsse. Jhm habe diese Rede den Entschluß, den Weg der Vorlage zu betreten, nicht erleihtert, und wenn er es

denno versuche, so geshehe es nur, weil er die Forderung als berehtigt anerkennen müsse, daß die Unfälle, denen die arbeitende Bevölkerung ausgeseßt sei, mit größerer Raschheit und Sicherheit gesühnt werden müßten, als es jeßt geschehe und als es auch das System, das der Abg. Freund empfohlen habe, ermöglihen würde. Es werde dabei allerdings mit großer Vorsicht verfahren werden müssen, damit man nicht beim Betreten dieses Gebietes mit beiden Füßen aus die sozialdemokratishe Basis s\pringe. Es sei ja möglih, daß die Sozialdemokratie aus ter Annahme dieses Geseßes den Beweis zu führen suche, daß der Reichstag anfange, auf die sozialistischen Jdeen einzugehen; das s{hrecke ihn aber nicht, denn er habe stets gefordert, den berechtigten Kern, der im Sozialismus stecke, niht unbeahtet zu lassen, aber dahin, wohin die Sozialdemokraten gekommen seien, auf die Republik, den sozialen Staat und den Atheismus dahin würde er nicht kommen! Es bedürfe also großer Vorsicht, wenn man dieses Gebiet betrete, so daß, wenn der Schritt sich als ein falscher herausstellen sollte, man ihn wieder zurückthun könne. Ob die Kommission in dieser Hinsicht das Richtige getroffen, wisse er niht; er glaube aber, daß man si vor einem Zumweitgreifen fern gehalten habe, wenigstens würde man, falls der Schritt sich als fehlsam erweisen sollte, leichter zurücckönnen, als wenn die Regierungsvorlage unverändert zur Ausführung gelangen würde. Einer der wichtigsten Unterschiede zwischen beiden Vorlagen liege in der Frage: Staatsanstalt oder Reichsanstalt. Fn der Diskussion sei diese Frage cinigermaßen dadurh verwischt worden, daß man die Erörterung über die Zulassung von Privatgesellshaften und Genofssenschaftskassen mit hineingezogen habe. Was diesen leßteren Punkt betreffe, so hae er anzuerkennen, daß die bestehenden Privatversicherungsanstalten si um die vorliegende Angelegenheit verdient gemacht hätten. Es würde ihm sehr schwer, sie gänzlich aufzugeben, und nament- lih könne er nicht so leiht über die Entshädigungsfrage weg- kommen, wie der Minister es vermocht habe. Nach der Ar- gumentation des Ministers würde man auch mit einem Sc{lage das Tabaksmonopol einführen können, ohne einem Menschen eine Entschädigung zu gewähren. Wenn man im öffentlichen Interesse solhe Eingriffe mache, so dürfe man sih nicht auf den reinen Privatrechtstitel zurückziehen, und er glaube, daß man verpflichtet sei, den Privatgesell|haften in irgend einer Weise zu Hülfe zu kommen. Namentlich werde es sich empfehlen, daß die Leute, welche ihre ganze Lebensexistenz auf die Ver- siherungskassen gestellt hätten, bei den neuen Einrichtungen wieder eine Verwendung fänden. Eine ganz andere Frage sei die, ob bei der Einführung des Versicherungszwanges der Staat noch Privatgefellschaften zur Betheiligung an der Ver- sicherung zulassen könne. Jhm sei dies im höchsten Grade zweifelhaft. Wenn der Staat zur Versiherung zwinge, fo müsse derselbe au eine Garantie schaffen, daß die versic erte Summe wirklih gezahlt werde. Eine fsolhe Garantie wolle der Abg. Buhl in dem Erlaß von Normativbestimmungen, finden, wer bürge aber dafür, daß solhe Normativbestimmungen, die man ausstelle, überhaupt Sicherheit gewährten, da das stta- tistische Material zur Beurtheilung dieser Frage noch vollstän- dig fehle. Begehe man in der Organisation der Staatsanstalt einen Zrrthum, so daß dieselbe nit lebensfähig werde, so sei dies niht schlimm, weil es wenigstens die Versicherten nicht \chädige, da der Staat für seine Fehler eintreten müsse, bei den Privatgesellschaften aber liege die Sache ganz anders. Ueberdies würde die beständige Staatskontrole über die pünktliche Beob- ahtung der Normativbestimmungen für die Gesellschasten so drückend sein, daß sie dieselbe gar nicht ertragen könnten, und endlih würde die Konkurrenz der Staatsanstalt ihre Fort- existenz bald gänzlih unmöglih machen. Dies seien die Gründe, die ihn bestimmt hätten, die Privalgesellshaften aus- zuschließen; er thue es schr ungern, weil er einsehe, daß die Staatsomnipotenz dadurch wesentli verstärkt werde, im Jn- teresse der Vermeidung eines größeren Uebels sehe er sih aber dazu gezwungen, Was die Genossenschaftskassen betreffe, so sei er sehr gern bereit, auf geeignete Vorschläge, welche deren Mitwirkung in weiterem Umfange sicherten, bei §. 56 cinzu- gehen. Es bleibe für ihn hiernach nur noch die Frage, solle das Reich oder der Einzelstaat die Versicherung übernehmen ? Der Abg. Lasker, der so lebhaft für die Ausführung der Versicherung durch kleinere Kreise eingetreten sei, werde hier nun ganz inkonsequent, wie jedes Mal, wenn es sich um das Neich handele. Dieses Wort habe für das Ohr des Abg. Lasker einen vollständig bezaubernden Klang. Vou den kleineren Kreisen ausgehend, müsse der Abg. Lasker logischer Weise dem Staate vor dem Reiche als Versicherndem den Vorzug geben. Die Einzelstaaten lägen den Verhältnissen gerade so nahe und zum Theil näher, als die Privatanstalten. Wenn man einen so hohen Werth darauf lege, der Versiche- rungéanstalt eine möglichst breite Basis zu geben, weshalk bleibe man dann bei dem Reich stehen? Dann müsse man die Frage nah dem Beispiel des Weltpostvereins international regeln. Die Behauptung, daß das Reich sparfamer verwalte, als der Staat, sei bisher nicht erwiesen, im Gegentheil habe es in der Ausstattung seiner Behörden, in der Zahl seiner Beamten eine große Vershwendung geübt. Der Abg. Lasker habe sich auch für die von dem Abg. Nichter vorgeshlagene Bildung von kleineren Bezirken innerhalb eines Staates ausgesprochen, derselbe wolle also Dezentralisation und dennoch erkläre derselbe nh gegen die Versicherung der Einzelstaaten für das Reich. Er sehe darin nur cinen Ausdruck des wenn auch bestiit- tenen Strebens nah dem Einheitsstaat und in der That würde eine Reichsversiherungsanstalt ein gewaltiger Schritt zu diesem Ziele sein. Es seien deshalb neben den wirthschaft- lihen auch wichtige politishe Gründe, die das Centrum be- stimmten, dem Kommissionsvorschlage beizutreten, und er glaube erklären zu können, daß kein Mann seiner Partei dem Antrage auf eine Reichsversiherung zustimmen werde. Es solle dies kein Veto scin, er halte sih aber verpflichtet, wenn dem Centrum gegenüber verklausulirte Erklärungen abgegeben würden, seinerseits ganz offen und unverklausulirt die Stel- lung des Centrums zu kennzeihnen. Dem Antrage Richter auf Zulassung kleinerer Verbände innerhalb eines Staates werde er beistimmen. Je kleiner die Kreise seien, denen man die Versicherung übertrage, um so ungefährlicher sei der Schritt, und um s\o leichter könne man ihn zurückthun, wenn man si geirrt haben sollte. : i __ Der Abg. Dr. Frege betonte, daß die Frage, ob die Ver- siGerungéanstalt dem Reiche oder den Einzelstaaten zu über- tragen fei, in dem Kreise seiner Parteigenossen eine verschic- dene Beurtheilung erfahren habe. Sehr viele derselben seien von Anfang an für den Gedanken einer Reichsversicherung eingenommen und hätten sih erst in leßter Stunde cnt- |hlossen, den Staatsanstalten zuzustimmen, um das Zustande-

fommen des Geseßes nicht zu gefährden. Sehr wesentli habe zu diesem Entschluß au der Umstand mitgewirkt, daß er und seine politishen Freunde fehr gern mit dem Centrum zusammengingen, weil seine (des Redners) Partei mit dem Centrum bedeutende politishe Erfolge erzielt habe und auch in Zukunft noch zu erzieien hoffe. Der Abg. Stumm, der auf diesem Gebiete eines der sach- verständigsten Mitglieder sei, habe in der Kommission so durchshlagende Gründe für die Uebertragung der Versichc- rung auf die Einzelstaaten geltend gemacht, daß cr lebhaft be- daure, daß die Erklärung, welche derselbe gestern im Namen seiner Fraktion abgegeben habe, mit fo geringer Wärme für diesen Gedanken eingetreten sei. Die Entwickelung der Jn- dustrie sei eine solche, daß sie eine einheitlihe fchabionen- mäßige Behandlung nicht vertrage. Seine Partei wünsche deshalb eine möglichste Dezentralisation in der Verwaltung, weil sie im Interesse der Gerechliakeit es nicht für angemessen halte, daß der ackerbautreibende Osten zu den Lasten des in- dustriellen Westens mit herangezogen werde. Den Einwand, daß bei der Uebertragung der Versicherung auf die Einzel- staaten 25 verschiedene Tarife zur Anwendung kommen würden, fönne er als zutreffend niht anerkennen, denn mit folchen Argunienien könne man schließlich jede Dezentralifation ad absurdum führen. Ebenso wenig stihhaltig sei das Be- denken des Abg. Lasker, daß beispielsweise der Staat Mei- ningen für eine eigene Versicherungzanstalt zu klein sei, denn derselbe würde sih dann einem benabarten Staat anschließen können. Dieses Beispiel passe überdies um so weniger, als Meiningen fast ausschließlich Staatsindustrie besie. Man habe fodann behauptet, die Versicherungsanstalt müfse auf das Reich übertragen werden, weil es eine Verkehrsangelegen- heit und somit Neichssahe sei. Diese Thatsache sei richtig, es folge aber daraus nur, daß die geseßlihe Regelung durch das Reich erfolgen müsse, die Ausführung im Einzelnen fönne troßdem sehr wohl den Einzelstaaten überlassen werden. Die allgemeinen Normen, insbesondere die Fest- seßung des Tarifs möchten dem Neiche vorbehalten bleiben, die Verwalitung selbst werde am ¿weckmäßigsten in den Händen der Einzelstaaten liegen, die billiger arbeiten fönnten als das Neihh. So würde man in Sachsen die Unfall- Versicherungsanstalt ohne Schwierigkeit mit der Brand-Jmmo- biliarversiherung in Verbindung bringen können und dadurch sehr erheblihe Kosten sparen. Hierzu komme, daß, wenn ein- mal durch irgend welche unglücklihe Zustände der Fonds der Versicherungskasse in Gefahr gerathen follie, derselbe viel leiter gesichert werden könne, wenn derselbe an verschiedenen Orten in Deuts&land zerstreut, als wenn derselbe in Berlin konzentrirt sei. Die ethishen Vortheile der Unfallversicherung seien gewiß niht zu unterschäßen, es bedürfe aber bei der Ausführung der größten Vorsicht. Man bewege sich bei die- ser Vorlage auf einem völlig unbekannten Gebiete und die Errichtung von Staatsversicherungsanstalten sei ein Versuch, der sih erst bewähren folle, man werde deshalb gut thun, weder übertriebene Hoffnungen noch übertrievene Befürch- tungen zu hegen, abex alle Einrichtungen so zu treffen, daß etwaige Mängel dur die Dezentralisation weniger fühlbar gemacht und ohne Schwierigkeiten verbessert werden könnten. Hierauf nahm der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staats-Minister von Boetticher, wie folgt, das Wort: Meine Herren! Ich will in die Materie nicht zum zweiten Mal hbineinsteigen, ih will nur cine Berichtigung vornehmen, zu der mich die Revision des Stenogramms meines Vortrags veranlaßt, Es

bedarf eigentlich ciner Verichtigung für die Sachkundigen niht. Ich | sehe aber, ih habe mi, als ich die Uebersicht über die Verwaltungs- |

kosten der einzelnen Brandver}icherungsanstalten gab, eincs lapsns linguae schuldig gemacht und babe, wo es „Pfennige“ beißen sollte, von „Mark“ gesprochen. Es ist diese Uebersicht aufgestellt in der Weise, daß berechnet ist, wie viel Pfennige pro 100 4. der Versiche- rungsjumme an Verwaltungskosten von den einzelnen Gesellschaften aufzubringen sind.

Dann möchte ih nur cine kurze Bemerkung dem Hrn. Abg. Lasker gegenüber machen, die auch lediglich thatsächlicher Natur ist. Der Hr. Abg. Lasker hat gemeint, in der Kommission habe zunächst der Herr Regierungékommissarius von der technischen Seite die Sache beleuhtet und habe s\sich gegen die Landesanstalten crfläârt, Darauf babe ih mi von der politischen Seite aus für die Landcsanstalten erklärt, und dann sei wieder vertreter gekommen und habe sih von der technischen Seite wiederum dagegen ausgesprochen. Meine Herren! Ich glaube zu diesem Irr- thum, der thatsählicer Natur ist, hat Veranlassung gegeben der Um- stand, daß auf Seite 7 und resp. Seite 11 die Erklärung des Herrn Regierungskommissar erwähnt ist und daß naher als Anhang zum Bericht der Kommission eine auëführliche vom dem Herrn Negierungs- kommifsar besonders formulirte Erklärung beigefügt ist. Es ist diese letztere dieselbe Erklärung, von welher auf Seite 7 resp. 11 die

Endlich babe ich noch dem Abg. Lasker auch noch eine Berichti- gung thatsächlicher Natur entgegenzuhalten. Der Herr Abgeordnete hat gemeint, daß der Herr Neichskanzler sih dahin ausgesprochen habe, daß nur die Bewilligung cines Staatszuschusses ihm die Berechtigung zur Begründung einer Reichsanstalt zu geben scheine. Das wobl nicht richtig. Jh habe hier das Stenogranm der Herrn Reichskanzlers vom 2. April 1881 vor mir, darin wörtlich folgendermaßen : S

Mein Interesse an der ganzen Bearbeitung der Sache wird sehr abges{chwächt, sobald ih erkennen sollte, daß das Prinzip der Unter- lassung des Staatszuschusses definitiv zur Nnnavme käme, daß die Stimmung der Landesge)etgebung gegen den Staatëzushuß 1ch ausspräche. Dann würde damit die Sache rein in das Gebiet des

freien Verkehrs, sozusagen, gewiesen werden; man würde dann d Versicberer der Privatindustrie vielleiht beffer überlassen, als da man cine staatlihe Einrichtung ohne Zwang übt. Deun ih würde nit den Muth haben, den Zwang auszusprechen, wenn der Staat nicht auc gleichzeitig einen Zuschuß anbietet. L 5

Meine Herren, das heißt doch weiter nichts, als daß der Herr Reicbékanzler sagt, wenn wir cin solches Unfallversicherungsgeset maden, în dem wir gegen einen Zwang

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den Arbeiter auéüben, so sei es ganz gerechtfertigt, auch den Staatszuschuß zu bewilligen zur Sublevation derjenigen Arbeiter, welbe nicht die Prämie selber tragen können, es heizt aber meines Eracbtens nicht, und ich finde kein Wort darin, daß die Bewilligung des Staatszuschusses als Basis genommen sei und als Rechtfertigung für den Vorschlag einer Reichs- versicerungsanstalt. 7 A

Die Diskussion wurte geschlossen. Persönlich bemerkte der Abg. Stumm: der Abg. Lasker habe sich, wie er (Redner) erfahre, mehrfah mit ihm beschäftigt. Zu seinem Bedauern sei er niht gegenwärtig gewesen, so daß er nicht auf alles Ein- zelne eingehen könne. Doch auf den einen Punkt müsse er sich einlassen, wo der Abg. Lasker ihm einen Widerspruch habe nachweisen wollen zwischen seinen Aeußerungen über die Jn- validenbesoldungen, wo er Privatgesellschaften zulassen wollte, und seinen Auslassungen über die jeßige Vorlage, wo er diese Privatgesellshaften nicht wünsche. Der Abg. Lasker verwesele hier wieder einmal Privatgesellshaften mit fkorporativen Ge- nossenshaften. Wenn man zum §. 56 komme, hoffe er die Sisyphusarbeit bewältigen zu können, dem Abg. Lasker die)en

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Unterschied flar zu mahen. Was die Aeußerungen des Abg. Lasker über die Erklärung seiner Parteigenossen betreffe, fo sehe er keinen Grund, dieselben auch nur mit einem Wort zu berühren.

Der Abg. Dr. Lasker erklärte, er habe sich nit mit der Person des Abg. Stumm beschäftigt, sondern nur mit dessen Aeußerungen. Der Abg. Stumm scheine mit dem Wort „kor- porative Genossenschaften“ einen andern Sinn zu verbinden, als das gewöhnlih ges{hehe. Wenn der Abg. Stumm seinen (des Redners) Worten über die Erklärungen seiner Partei- freunde nichts zuseßen wolle, so habe er ihn ja noch gar nit darum gebeten, sih mit seinen Aeußerungen zu beschäftigen.

Der Abo. Stumm bemerkte, der Abg. Lasker habe aus- drüdlich betont, daß derselbe unter „Genossenschaften“ etwas Anderes verstehe, als er (Redner), er habe sih also einen Widerspruch nicht zu s{ulden kommen laffen. Bezüglich der lezten Bemerkung des Abg. Lasker bemerke er ihm, daß er sih um viele Dinge bekümmere, ohne daß der Abg. Lasker ihn darum bitte.

Der Abg. Hasenclever bemerkte zur Geschästsordnung, daß er, troßdem von seiner Partei ein Antrag gestellt sei und ex sich zeitig zum Wort gemeldet habe, dennoch nicht dazu ver- stattet sei.

Der Referent Abg. Dr. Frhr. von Hertling wandte si im Schlußwort besonders gegen die Ausführungen des Abg. Lasker, daß er das Referat überno:nmen habe, trozdem er nicht in allen Punkten mit den Kommissionsbeschlüssen über- einstimme. Es habe in der Kommijsion kein einziges Mit- glied gegeben, das in sämmtlichen Punkten mit den Beschlüssen der Majorität übereingestimmt habe, wie er ja {hon in der Einleitung auseinandergeseßt habe, daß die Beschlüsse speziell in Bezug auf §. 2a, nur durch ein Kompromiß hätten gefaßt werden ftönnen.

Jn der Abstimmung wurde der Antrag Buhl abgelehnt; damit war auch der Antrag Auer befzitigt. Der Antrag des Abg. Richter (Hagen) wurde mit 130 gegen 109 Stimmen verworfen und §. 2a. mit 145 gegen 106 Stimmen nach dem Beschluffe der Kommission angenommen.

Damit war §. 3 der Vorlage (die Reichsversicherung3- anstalt hat ihren Siß in Berlin) befeitigt.

8. 4 [autet :

Zur Vermittelung des Geschäftsverkehrs der Landesversiche- rungêanstalt mit den Betheiligten, insbesondere der Fests: und Erhebung der Prämien, sowie der Feststellung der Ent] gungen wird jeder Bundesstaat ein oder mehrere Verwaltungsstellen erriten.

Die bei Wahrnehmung dieser Geschäfte entstehenden find infoweit von der Landesversicherungsanstalt z1 n, als fie in baaren Auslagen für Tagegelder und Reis von Beamten oder Beauftragten der Landesversicherungäanstalt, sowie in ren von Zeugen und Sachverständigen bestehen.

Die Abgg. Kreuz und Genossen beantragten den ersten Absayß zu fassen: „Zur Vermittelung des Geschäftsverkehrs der Landesversicherungsanstalt mit den Betheiligten, insbe- sondere der Feststellung und Erhebung der Prämien und der Entschädigungen, wird jeder Bundesstaat eine oder mehrere Verwaltungsstellen, bei denen die Prämienzahler vertreten sein müssen, errichten.“

Jm Absay 2 hinter dem Worte „Landesversicherungs3- anstalt“ einzuschalten: „oder in Entschädigung der bei den Verwaltungsstellen mitwirkenden Arbeitnehmer.“

Der Abg. Kreuß befürwortete seinen Antrag unter Hin- we!s darauf, daß man nur den Anforderungen der Billigkeit gerecht werde, w2nn man bei Feststelung der Prämien und der Entschädigungen die Prämienzahler, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer, mitwirken lasse. Der Modus der Heran- zichung derselben sei durch Reglements der Landesregierungen zu regeln. :

Der Abg. Stumm widersprah dem Antrage, der einen Avparat scha}fe, welcher die Verwaltung, anstatt sie im Fnter- esse der Betheiligten möglichst zu vereinfachen, nur ershwere. Wie wolle man die Kollegien zusammenseßen? Durch Wahl ? Dann zeitige man damit alle Uebelstände, die mit solchen all- gemeinen Wahlen verbunden seien. Durch Ernennung ? Dann konstruire man für jeden Verwaltungsbezirk eine Art Bolks- wirthschaftsrath, was gewiß auch unzuträglich fei. Uederdies handle es sih hier um einfahe Verwaltung3geschäfte, die an besten durch wenigst umfangreiche Behörden erledigt würden.

Der Bundeskommissar Geheime Over-Negierungs-Rath Lohmann hielt es gleichfalls für unthunlih, für derartige laufende Verwaltungsgeschäfte einen solchen Apparat zu schaffe, wie ihn der Antrag bezwecke.

Der Abg. Servaes bat dennoch, den Antrag anzuneh- men, da es wescntlih mit dazu beitragen werde, die Wirkun- gen dieses Geseßes günstig zu gestalten, wenn eine Witwir- kung der prämienzahlenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer wenigstens in der untersten Stelle stattfinde, wo es fi die Beurtheilung des Unfalls und die Feststelung d schädigung handle. Die Polizei- und Ortsbehörden das allein niht vermögen. Der Antrag werd 1) wesentlihe Besserung in den Beziehungen zwischen Ar gebern und Arbeitnehmern zur Folge haben, wie die analog! Erfahrungen bei den Kranken- und Knappschastska}sen gezei; hätten. S

Der Abg. Dr. Löwe (Bochum) führte aus, man müsse de Gefahr entzegentreten, die darin liege, daß von sozialistisher Seite der Arbeiter stets dahin gedrängt werde, inuncr mehr vom Staat zu fordern. Zu diesem Bchufe dürfe man fogar Schwierigkeiten in der Organisation nicht sheuen und müye die betheiligten Kreise in die Verwaltung mit hereinziezen, damit fie hier darauf hingewiesen werden fönnten, dat; der Staat keine Staatspensionäre schaffen, sondern nur der Noth entgegentreten wolle. i

Nach weiteren kurzen Bemetkungen der Abgg. Kr:ußÿ und Stumm wurde der Antrag Kreuyz abgelehnt und §. 4 nach den Kommissionsbeschlüssen angenommen. E

88. 5 und 6 wurden zusammen berathen. Dieselben la:ten nah dem Kommissionsbeschlusse:

& 5, Die Organisation und Verw

anstalt werden, soweit nit dieses Gese 2 enthält, durch cin von der Landeëregierung regierungen zu erlasscndes Reglement geregelt.

Dasselbe bat namentlih Bestimmungen zu tit

1) über den Siß der Versicberungéantitalt,

9) über die Zusammenfetung und die Besu

3) über die Abgrenzung der Befugni}sc Verwaltungéstellen,

{) üker die Grundsäte, nah welchen d zustellen ist und über die Prüfung der}elbe

5) über die Veröffentlichung der KassenabschlüNe,

6) über dic Form der von der Anstalt zu: erlassenden L

machungen und die öffentlichen Blätter, in weid

avolten

Goebih-