1849 / 354 p. 4 (Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

behufs Herbeiführung einer Vereinbarung der deutschen Qushes-Nes gierungen über die Verfassungs - Angelegenheit von Berlin aus an denselben ergangen ist und welche der, den preußischen Ständen dieserhalb gemachten bekannten Eröffnung genau entspricht. L

Wir haben bereits vor Empfang dieser Mittheilung den Herrn Gesandten von der Bereitwilligkeit der Regierung in Kenntniß ge- seßt, an einer desfallsigen Verständigung Theil zu nehmen und der hierunter gegenwärtig vorliegenden Einladung, die auch an den N K. ósterreichischen Hof ergangen sein wird, wird daher von hieraus bereitwillig Folge gegeben werden. : E

Man glaubt hiesigerseits dabei vorausjeben zu dürfen, daß die

Königlich preußische Regierung den nah Frankfurt eingeladenen Be- vollmächtigten der übrigen deutschen Bundes-Regierungen mit be- stimmten Vorschlägen über die. zu vereinbarende Verfassung entge= genkommen werde. : “Die von der preußischen Regierung ausgesprochene Ucberzeu- gung aber, daß eine definitive Erklärung über die deutsche Sache ¡hon binnen längstens 414 Tagen werde abgegeben werden fönnen, so wie der geäußerte Wunsch, in Frankfurt solche Bevollmächtigte bestellt zu sehen, welche bindende Erklärungen abzugeben im Stande seien, macht eiue nähere Kenntniß der vou Preußen dabei gehegten Absichten allhier um so wünschenswerther, da diese aus der ergan genen Mitthcilung, insbesondere aus den in dieser hervorgehobenen Erklärungspunkten mit hinlänglicher Sicherheit niht haben entnom men werden können.

Zur möglichst baldigen Herbeischafsung der vermißten Auf-= chlüsse wünshen Wir daher, daß der Herr Gesandte sich unver= züglih im Wege vertrauliher Verhandlung mit dem Königlich preußischeu Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten in Com- munication seße, um dieserhalb das Nöthige in Erfahrung zu bringen.

Jn Beziehung auf die zuvörderst gewünschte Erklärung „Uber den Beitritt zum Bundesstaat und die Bedingungen, unker denen er stattfindet“, ist vor Allem nothwendig, zu wissen, was dort unter dem „Bundesstaat“ verstanden wird; ob man dabei vorzugsweise eine Vereinigung der sämmtlichen deutschen Bundesstaaten, welche durh die „noch bestehenden Bundes - Verhältnisse‘ mit einander verknüpft sind, oder einen engeren Verein vor Augen hat, wie er sich bilden könnte, wenn auch nur ein Theil jener Staaten mit ein- ander in einer derartigen Gemeinschaft bliebe.

Man glaubt, auf eine Klarstellung dieses Punktes hiesigerseits ein besonderes Gewicht um deswillen legen zu müssen, weil davon eine Erklärung über die beiden anderen Punkte wesentlich abhängt.

Vorzugsweise wird unter dem neu zu bildenden Bundesstaate zwar eine Vereinigung der sämmtlichen deutschen Regierungen ver= standen sein; theils weil ein engerer Verband die im Juteresse der Einheit, Macht und Größe Deutschlands unstatthafte Ausschließung Oesterreichs bedingen, und je nah dem Außenbleiben uoch anderer Staaten sich verschieden gestalten, theils weil der engere Bundesstaat eine weitere Vereinbarung mit der jeßigen National-Versammlung, zusammgeseßt aus den Vertretern sämmtlicher deutscher Volksstämme, dem Anschein nach ausschließen, mithin eine Erklärung über die Stellung der zu vereinigenden Regierungen

„zu der deutschen National-Versammmlung und den von ihr be- reits gefaßten Beschlüssen“ kaum übrig lassen würde.

Sollte man aber von Königlich preußischer Seite einen solchen engeren Bundesstaat mit im Auge gehabt und dabei eine, eventuell anscheinend unentbehrliche Modification des bisherigen auf die Theil nahme sämmtlicher deutschen Staaten berechneten Verfassungs-Ent wurfs mit berücksichtigt haben, so würde die königliche Regierung mit besonderem Danke eine Aeußerung entgegennehmen, welche so- wohl die bei dieser Vereinsform zu verfolgenden Zwecke, “als auch den Weg deutlicher crkennen ließe, auf welchem dieselbe zu bilden sein möchte. :

Erst mit Hülfe . solher Aufklärungen würde die Königliche Regierung glauben, eine bestimmte Ansicht

über das Verhältniß zu denjenigen deutschen Staaten fassen zu

können, welche diesem Bundesstaate beizutreten Anstand nehme? möchten,

Endlich wird, sofern Se. Kaiserl. Hoheit der Reichsverweser bei dem Beschlusse, von der provisorischen Centralgewalt zurückzutreten, beharren sollte, die Uebernahme der provisorischen Leitung ter deut hen Angelegenheiten abseiten Sr. Majestät des Königs von Preu- gen den hiesigen, aus dem Bedürfniß des Augenblicks geschöpsten Wünschen allerdings entsprechen. Aber auch in dieser Rücksicht macht die in Frage gestellte „definitive Erklärung binnen längstens 14 Tagen“

eine weitere Aufklärung über den Zweck einer so kurz zu bemessen- den provisorischen Thätigkeit jener Art wünschenswerth.

Die gegenwärtige Verfügung wird dem Herrn Gesandten durch den Klosterrath von Wangenheim überbracht werden, welcher von dem Inhalte derselben unterrichtet ist und im Stande sein wird, den Inhalt des gegenwärtigen Reskripts näher zu erläutern,

Hannover, den 7. April 1849.

Königl. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten.

(gez) Bennigsen. An ten Herrn Gesandten Grafen Knyphaufen zu Berlin. M

Ew. 2c. geehrtes Schreiben vom 9ten d. M. habe ich nebst der gefälligen mitgetheilten Anlage des Schreibens Sr. Excellenz des Herrn Grafen von Bennigscn vom 7ten d, M. zu erhalten die Ehre gehabt.

Ew. 2c. drücden im Austrage Jhrer Regierung ven Wunsch aus, nähere Erläuterungen in Betreff der Punkte zu erhalten, übcr welche unsererseits turch die Cirkular - Depesche vom 3ten d. M. von den deutschen Regierungen definitive Erllärungen erbeten wor-= den waren, und ich ersehe aus ‘em Erlasse des Herrn Grafen von Bennigsen an Ew. Hochgeboren, daß die Zweifel der Königlich han- noverschen Regierung hauplsächlih den Punkt betreffen, ob Preußen vorzugsweise eine Vereinigung der sämmtlichen deutschen Bundes- staaten, welche tur die noch bestehenden Bundes-Verhältnisse mit einander verknüpft sind, oder einen engeren Verein vor Augen hake, wie er ih bilden fönnte, wenn auch nux ein Theil jener Staaten mit einander in eine derartige Gemeinschaft träte ?

a Erwiederung darauf kann ih Ew. 2c. nur zunächst daran erinnern, wie es au der Königlich hannoverschen Regicrung nicht

unbekannt L A daß es fortwährend Preußens innigster Wunsch gewesen , Vie Zeuthen Verhätnije so gesaltet zu schen , daß c

1) Sglleder gleihmäßig daran betheiligen könnten, und daß es uns eben \o wenig in den Sinn gekommen, irgend Jc- mand von der neuen Gestaltung auszuschließen, als zur Theilnahme an derselben durch irgend welhe Einwirkung zu veranlassen.

Eben so wenig aber is es der Königlich hannoverschen Regie- rung unbekannt geblieben, daß wir {on in der Cirkulardepesche vom 23. Januar die Eventualität eines engeren Bundes, welcher innerhalb des Staatenbundes cinen Bundesstaat bilde, íns Auge fassen mußten, und daß wir zugleich erklärten, Preußen werde in einem solchen Bundesstaate die Stellung in Anspruch nehmen, welche

2320 ihm nah seiner thatsählih vorhandenen Bedeutung in Deutschland und Europa gebühre.

Wir können nicht umhin, diese Eventualität als nunmehr ein- getreten anzusehen. Es is daher erforderlich, daß die deutschen Regierungen sich eben über die Sr. Majestät dem Könige zuge- dachte Stellung äußern, und die Königliche Regierung muß daher ihrerseits zunächst die Erklärungen der anderen Regierungen über den Beitritt zum Bundesstaat erwarten, d. h. die Erklärung über die Bereitwilligkeit, in einen Bundesstaat einzutreten, an dessen Spibe die Krone Preußen stehen sokl. (

Daß die Königliche Regierung zunächst und direkt zu einer solchen Erklärung auffordert, dazu {öpft dieselbe die Berechtigung in der Stellung, welche sie in Deutschland einnimmt, in dem Be- {luß der National-Versammlung, welche Se. Majestät den König an die Spiße Deutschlands beruft und in den vielfach an sie ge- langten Aufsorderungen deutsher Fürsten und Regierungen, sich diesem Rufe nicht zu entzichen. j :

Der weitere oder engere Umfang dieses Bundesstaates aber fann lediglich erst durch die Erklärungen der Regierungen selbst festgestellt werden. Die Erklärung über diesen Punkt also, welche Staaten bereit seien, in einen Bundesstaat, mit Preußen an der Spitße, cintreten zu wollen, bildet die nothwendige Vorfrage für jede weitere Verhandlung über den Inhalt der Verfassung des Bun- desstaates. Die Königliche Regierung hat daher auch schon in ihrer Cirkulardepesche vom 3ten d. Mts. jenen Punkt vorangestellt und zugleich ausgesprochen, daß die Formen dieses Bundesstaates sich erst bestimmen lassen würden, wenn feststehe, wie viele und welche Staaten denselben zu bilden bereit sind. Eben jo wird sich dann auch erst das ebenfalls in dem Schreiben des Herrn Grafen von Bennigsen berührte Verhältniß zu der sür ganz Deutschland berufenen und noch bestehenden NationalVerscammlung in Franksurt bestimmen lassen.

Es läßt sich in Bezug auf die Bedingungen, unter welchen deutsche Regierungen in diesen Bundesstaat, mit Preußen an der Spibe, eintreten möchten, die doppelle Voraussetzung machen: ent- weder, daß sie beizutreten bereit sind unter Annahme der von der National-Versammlung berathencn Verfassung, oder daß sie eintre ten wollen, mit dem Wunsche bestimmter Modificationen Der Ver- fassung. Ersteres is {on von mehreren Regierungen erklärt wor- den, Für eine Verhandlung über das leßtere dagegen ist es klar, daß eine bestimmte und feste Basis erst erlangt werden kann dur die Beitritts- Erklärungen der Regierungen. Denn es ist unver= fennbar, daß zu einer Verhandlung oder Vereinbarung mit den Regierungen, welche in einen Bundesstaat, mit Preußen an der Spitze, nicht eintreten wollen, in dem gegenwärtigen Falle die Ver- anlassung nicht vorliegt, und daß eben nur in jener Vorausseßung der Grund zu derjenigen Juitiative liegen konnte, welche wir in der Cirfulardepesce vom 3tcn d. M. ergriffen haben.

Indem ih Ew. 2c. crsuche, die hier ausgesprochenen Ansichten der Königlichen Regierung

zur Kenntniß des Königlich hannover {hen Kabinets zu bringen, darf ich mich der Hoffnung hingeben, daß das leßtere nunmehr nicht umen werde, diejenige Erklärung abzugeben, welche dem Willen Sr. Majestät des Königs von Han nover und den Absichten von Allerhöchstdessen Regierung entsprechen wird.

Ich ergreife 2c.

Berlin, den 11, April 1849,

(gez.) Graf Arnim, Sr, Hochgeboren : dem Herrn Grafen zu Inn e Knyphaujen. I. 4

Die Königliche Regierung hat, wie dem Herrn Gesandten be- fannt ist, wiederholt Gelegenheit- gehabt, die Bereitwilligkeit auszu- sprechen und zu bethätigen, mit welcher sie die in Beziehung auf

die deutsche Verfassungs - Angelegenheit von der Königlich preupi schen Regierung an die übrigen deutschen Bundesstaaten ergangenen Mittheilungen und Vorschläge in Erwägung zu ziehen gencigt ist. Gleichwie in diesem Sinne die Mittheilungen des berliner Ka binets vom 16. Februar d. J. über die frankfurter Verfassungs- Beschlüsse allhier eine entgegenkommende Berücksichtigung gesunden haben, eben so ist auch die Cixkular-Depesche vom Zten d. M. einer ernsten Berathung unterworfen und is bereits unker dem 7ten d, M. Gegenstand einer an die Königliche Gesandtschaft gerichtelen Ber fügung gewesen, welche cine uähere Ermittelung der jener & opesche zum Grunde liegenden Absichten Preußens bezwedte, |

Die auf eine evisprecente Mittheilung dem Herrn Gesandten zugegangcne Erwiederung des Herrn Grafen von Arnim vom 11,

d. M. hat zwar die allhier gewünschte Auskunft über Preußens Ansichten von dem Zwecke und der Bedeutung eines engeren Bun desstaats, dessen Bildung in der Cirkular Devesche als Haupterklä- rungspunkt vorangestellt worden, insofern nicht dargeboten, als, je ner Erwicderung zufolge, der weitere oder engere Umfang diejes Bundesstaats, der Jnhalt seiner künftigen Verfassung, wie dessen Formen erst durch die, bis dahin ermangelnden Beitritts-Erklärun= gen der Regierungen selbst bedingt erscheinen. ; _ ] Die Mittheilung des Herrn Grafen Arnim hat indeß der Ko niglicen Regierung eine lebhafte Befriedigung durch die darin aus gesprochene Fortdauer der innigsten Wünsche Preußens gewährt, die deutschen Verhältuisse so gestaltet zu sehen, dap sich alle deut {chen Bundesglieder gleichmäßig daran betheiligen könnten.

Wie schr die Wünsche mit denen der Königlichen Regierung übereinstimmen, bedarf klaum der Erwähnung.

Hannover ist von ihnen bei jeder Kundgebung seiner Absichten iber die Verfassungs-Angelegenheit geleitet worden, und hat sie ins- besondere auch den Bemerkungen vorangestellt, welche seiner Ertl rung über den Beitritt zu der Kollektiv-Note verschiedener deutscher Regierungsbevollmächligten in Betreff der Verfassungsbeschlüsse der Nativonalverfassung (vom 23. Februar d. I.) erläuternd hinzuge fügt sind. Bri dieser, den Jnhalt, der Verfassung selbst bezielen- den, Erklärung bleibt die Königliche Regierung auch gegenwärtig stehen.

Es liegt ihren Wünschen insbesondere die Ueberzeugung zum Grunde, daß weder eine im Interesse der Einheit, Macht und Größe Deutschlands gedeihlihe Umgestaltung seiner Gesammiver- fassung ohue eine ecinhellige Verständigung der deutschen Regierun- gen, und namentlih ohne e'n Einvernehmen der beiden deutschen Großmächte über Tie Oberhauptsfrage zu erreichen, noch daß auf einem anderen Wege ven von Seiten Preußens wie Oesterreichs neuerlich wiederholt als bestehend anerkannten Bundesverhältnissen zu genügen scin werde. :

Das von der National-Versammlung zu Frankfurt inne gehal tene Verfahren bei zweiter Lesung der Verfassung z der cinseitige Beschluß derselben über die Oberhauptsfrage ; die dadur hervorgerufenen, von einander abweichenden Erklärungen Oesterreihs und Prenßens endlich der frankfurter Beschluß vom 11ten d. M,, an der in zweiter Lesung beschlossenen Verfassung unwandelbar festzuhalten, haben allerdings als geeignet betrachtet werden können, ein einhelliges Zusammenwir-

ken der beiden deutschen Großmächte in der Verfässungs-Angelegen- heit in Zweifel zu stellen.

Je tiefer die Königliche Regierung die Verw?rklichung einer

derartigen Besorgniß beklagt haben würde, zu um so größerer Be- ruhigung hat derselben diejenige Erklärung gereicht, welche unter dem 2sten d, M. von dem Königlich preußischen Minister-Präsiden- ten, Herrn Grafen Brandenburg, in der zweiten Kammer der dor- tigen Ständeversammlung über die Ansichten Preußens in Betreff der deutschen Verfassung ertheilt worden ist.

Das auch in dieser Erklärung angedeutete Rechtsgültigkeits- Erforderniß einer Vereinbarung mit den Regierungen der deut- hen Staaten über die von der National-Versammlung beschlossene Verfassung z die gegründete Bemerkung über die Nichtberüksichti- gung der von den Regierungen aufgestellten Erinnerungen bei zwei= ter Lesung dcr Verfassung; die Darlegung der dringenden Noth- wendigkeit einer Abänderung der frankfurter Verfassungsbeschlüsse, deren Aufrechterhaltung auch nach hiesiger Ansicht mi dem Wohle Deutschlands unvereinbar sein würde: diese Aeußerungen lassen, dem erwähnten fraukfurter Beschlusse vom 11ten d. M. gegenüber, die Absicht Preußens erkennen, gegen die deutsche National - Ver- sammlung eine Stellung zu behaupten, welche eine Annäherung gegen Oesterreih und cine Verständigung mit dem wiener Kabinet über die dcutshe Verfassungs-Angelegenheit ermöglichen würde.

Mit einer solchen Verständigung dürfte das Verbleiben Dester reihs innerhalb des neu und inniger zu gestaltenden Vereins der deutschen Staaten gesichert und damit diejenige Eventualität ent- fernt crscheinen, deren Eintritt oder Fortdauer die Begründung eines engeren Bundesstaates auch nach der Erklärung des Herrn Grafn Brandenburg allein zur Frage gebracht haben kann.

Die hiesige Regierung legt auf eine Lösung der Verfassungs= frage in dieser Richtung einen zu großen Werth, als daß sie der- malen einen Verlauf der Sache näher ins Auge fassen dürfte, der auf entgegengeseßten Annahmen beruhen würde.

Im Hinblick auf den ausgesprochenen cigenen innigen Wunsch des Königlich preußischen Kabinets glaubt die Königliche Regierung vielmehr der Billigung desselben sich versichert halten zu durfen,

wenn sie bei der gegenwärtig veränderten Sachlage ihre Erwiede=- rung auf die Cirkular - Depesche vom 3ten d. M. auf die wieder- holte Aeußerung des dringenden Wunsches beschränkt, daß die Kü= niglich preußische Regicrung sich bewogen finden möge, eine bundes- freundliche Verständigung mit dem Kaiserlich österreichischen Kabi- net, wie mit den übrigen deutschen Regierungen über das deutsche Verfassungswerk eintreten zu lassen.

Für die Gewährung dieses Wunsches bürgen die Gesinnungen patriotisher, nur Deutschlauds rechtverstandenes Wohl bezielender Hingebung, welche Preußen wiederholt und namentlich am Schlusse der Cirkular-Depesche vom 23. Januar d. J. auf das Bestimmteste ausgesprochen hat. O

Wir beauftragen den Herrn Gesandten, den Jnhalt dieser De- pesche durch abschriftliche Mittheilung zur Kenntniß des Königlich preußischen Herrn Ministers der auswärtigen Angelegenheiten zu bringen.

Hannover, den 24. April 1849.

Königliches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, (gez.) Bennigsen. An den Herrn Gesandten, Grafen

Knyphausen zu Berlin.

M 0: : S

Die Lage, in welche Deutschland dadurch verseßt ist, daß die größeren Bundes =- Regierungen sich genöthigt gesehen haben , Ne von der National - Versammlung zu Frankfurt a. M. in Anspruch genommene Alleinberechtigung zur Begründuug einer neuen deut- {hen Verfassung zurückzuweisen und die von dieser Versammlung einseitig beschlossene, mit dem Wohle des deutschen Volks jedoch un= verträglih erkannte Verfassung abzulehnen, hg Se. Ma jestät den König und Allerhöchstdero Regierung zu der Ueber zeugung geführt, daß, zur Beruhigung des gemeinsamen Va tcrlandes, gegenwärtig für die deutshen Regierungen keine drin=- gendere Obliegenheit bestehe als die, der Naticn die Zuversicht zu gewähren, daß es den Regierungen ein wahrer Ernst ist, auf dem von thnen fest gehaltenen Wege der Vereinbarung eine Verfassung herzustellen, welche das Bedürfniß nach Deutschlands größerer Eini gung und Kräftigung dauernd zu befriedigen geeignet sein wird, Mit besonderer Genugthuung haben daher Se. Majestät der König in der zu Jhrer Kenntniß gelangten Cirkular-=Depesche des Königl. preußisccen Herrn Minister-Präsidenten, Grafen Branden burg, vom 28sten v. M., den Ausdru sder hierunter von Ihnen selbst gehegten Wünsche angetroffen und haben gern Den Beschluß gefaßt, der bezüglichen Einladung gemäß, Bevollmächtigte nah Berlin zu entsenden, um sich mit den Bevollmächtigten Preußens und der übrigen deutschen Bundesstaaten über eine Verfassung zu verständigen, welche, au die Arbeiten der Nationalversammlung in dem durch die Cirlular-De pesche näher bezeichneten Sinne anschließend, wenn irgend möglich durch versöhnendes Zusammenwirken der Regierungen und der Ver= treter des deulschen Volks zu Stande zu bringen, oder dem lebte= ren von dcn Regierungen darzubieten sein wird. ,

Se. Majestät überlassen Sih dabei der aus entsprechende Mittheilungen des Königlich preußischen Kabinets gegrün deten Hoffnung, traß auch die Kaiserlich dösterreichishe Re- gierung, in gleicher Sorge für die Ruhe und das Wohl Deutschlands, einen derartigen Schritt beifällig betrachte und selbs in dem Falle unterstüßen werde, wenn Umstände obwalten sollten, welde eine unmittelbare Betheiligung Oesterreichs bei der eingelei teten Verständigung zeitweilig ershweren. :

Von dieser Hoffnuug und der obigen Ansicht geleitet, haben Se. Majestät ferner zu bestimmen geruht, daß nach Beendigung der über die Verfassung bei dem Königlichen Gejammt Ministerium unverzüglich eingeleiteten Berathungen der Herr Mi- nisterial-Vorstand Pr, Stüve sich, in Begleitung des Perrn Klo sterraihs von Wangenheim, nach Berlin begeben, um anu den dort zu erCffffnenden einschlagenden Verhandlungen Theil zu nehmen,

Wir seßen den Herru Gesandten hiervon init dem Austrage in Kenntniß, eine weitere Anzeige hiervon ohne Zeitverlust an das Königlich preußische Ministerium Ler auswärtigen Angelegenheiten gelangen zu lassen, und halten Uns gern versichert, daß Der Herr Gesandte sich werde angelegen jein lassen, den Wünschen vex gs nannten Herren Bevollmächtigten au} jede irgend thunliche Weise förternd entgegen zu fommen.

Hannover, den 3, Mai 1849, : f

Königliches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten,

: (gez.) Benuighen. An ten Herrn Gesandten, Grafen Knyphaujen zu Berlin.

Frankfurt a. M,, 21, Dez. Die O. P. A. Z+ | nachstehende, auf das (bereits er

(

Jo -

Frankfurt. ran R

ilt in ihrem amtlichen LThelte F

A ULNRUMI Sr. Kaiserlichen Hoheit des Erzherzogs hann aus seinem Amte bezügliche Aktenstücke:

Geschehen : S

Frankfurt am Main, im Palais Seiner Kaiserlichen Hoheit des

Erzherzog-Reichsverwe|ers, Donnerstag den 20. Dezember 1849. Nachdem Seine Kaiserliche Hoheit der Erzherzog - Reichéver= weser wiederholt den Wunsch ausgesprochen, daß Jhm die Möglich=

feit gegeben werde, der von Ihm. bekleideten Würde eines deutshen Reichsverwesers zu entsagen, und nachdem die wegen Errichtung ei= ner anderweitigen Bundes-Centralgewalt eingeleiteten Verhandlun= gen unter dem 30, Sevtember le J. zu einer Uebereinkunft zwischen der Kaiserlich österreichishen und Königlich preußische! Regierung geführt und die deutschen Regierungen genannter Uebereinkunft bei- getreten, auch Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich den wirkichen Herrn Geheimen Rath und Kanzler des Leopold- Ordens, Karl Freiherrn Kübeck-Kübau, und den wirklichen Herrn Geheimen Rath und Feldmarschall-Lieutenant Karl von Schönhals, j ; und Seine Majestät der König von Preußen den Herrn General-Lieutenant von Radowihß und j den Herrn Oberpräsidenten Dr, Bötticher zu Mitgliedern der Bundeskommission in Gemäßheit genannter Uebereinkunft ernannt, und diese sih als solche durch Vollmachten ihrer hohen Souveraine legitimirt, so hatten sich in Felge Einla dung Seiner Kaiserlichen Hoheit des Erzh rzog = Reichsverwesers vorbcnannte Herren Kommissäre versammelt, um die Entsagung auf Seine Würde entgegen zu nehmen und zu beurkunden. i Das Protokoll führt der Ministerialrath Doctor Mettenius. Um 1 Uhr trat Seine Kaiserliche Hoheit- ver Erzherzog-Reichs verweser eiu, umgeben von Seinem Ministerium, nämlich: dem Präsidenten des Reichsministeriums, auch Reichsminister des Krieges, Herrn Fürsten zu Sayn - Wittgenstein - Berleburg, dem Reichsminister der auswärtigen Angelegenheiten und der Marine, Herrn Jochmus, i dem Reichsminister der Justiz, des

: n Handels, Herrn Vetmold

Innern und des und dem Reichsminister der Finanzen, Herrn Mer.

Zunächst legten die Herren Kommissare beider Regierungen die zwischen der Kaiserlich Oesterreichischen und Königlichen Preußi schen Regierung unter dem 30. September l. J. zu Wien geschlof jene Uebereinkunft wegen Errichtung einer neuen Bundes Central gewalt sammt Ratifications - Urkunden vor, fo wie die Beitritts Erklärungen sämmtlicher deutschen Regierungen, mit Ausnahme jener von Oldenburg, von der jedoch die vorläufige Zusicherung des Beitritts bereits gegeben ist, und jener von Luxemburg, in Beziehung auf welche über den Beitritt kein Zweifel obwaltet, Da der König-Großherzog bereits als Herzog von Limburg seine Zu- stimmung förmlich erklärt hat,

Diese Aktenstücke, so wie die Vollmachten der Herren Mitglie= der der Bundes-Kommission von Seiten ihrer Souveraine, werden dem Protokolle in beglaubigten Abschriften unter

Nummer 1 bis 40

§

beigefügt.

Se. Kaiserl. Hoheit der hierauf zu erklären:

e „„Meine Herren!

„Es i Jhnen bekannt, daß Jch seit längerer Zeit den Wunsch gehegt habe, das Mir anvertraute Amt niederzulegen.

„Nachdem aber bei Meinem Antritte die Bundes-Versammlung ihre Thätigkcit beendet und später auch die National-Versammlung

Erzherzog - Reichsverwescr geruhte

zu haben, so würde mit der Ausführung jencs Wunsches der Fort bestand des Bandes, welhcs die deutschen Staaten zusammenhält, zerstört und Deutschland abermals den Gefahren preisgegeben sein, denen dasselbe noch bei unserem Gedenken fast erlegen ist.“

„Die von Mir úbernommenen Pflichten erheischten daher Mein Verharren, bis ein anberweitiges Organ für die gemeinsamen An- gelegenheiten des Vaterlandes geschaffen war.“

„Dicser Augenblick ist gegenwärtig gekommen.“

„Die bciden Faktoren. der Mir übertragenen Gewalt waren die Gesammtheit der deutschen Regierungen und die deutsche Na tional - Versammlung. Beiden für die dir provisorischen Ceutral gewalt gewährte Mitwirlung und Unterstübung zu danken, fühle Ich Mich auf das Junnigste gedrungen.“

Letztere besteht indessen nicht mehr. Sie selbst hat ihr Ende herbeigeführt, indem sle diejenige Stellung, welche das Geseß ihr angewiesen, überschritt und sich von derfelben gerade da am Be deutendsten entfernte, als die Ereignisse sih so gestaltet hatten, daß jede Abweichung von ihrer Rechtssphäre ihr selbst zum Verderben gereichen mußte,“

„Die Geschichte der National - Versammlung, ihr Untergang giebt dem deutschen Volke die große Lehre, daß seine Verfassung auf keinem andern Wege heilsam entwicelt werden kann, als auf dem des ruhigen und steten Fortschrittes, unter gewissenhastem Festhalten an dem, was durch Recht und Geseß einmal geheiligt ist.

Nach dem Ausfcheiden der National-Versammlung konnte durch Meinen Rücktritt die Mir anvertraute Gewalt nur an die Gesammt heit der deutschen Regierungen zurückkehren. Um für diesen Fall die einstweilige Leitung der gemeinsamen Angelegenheiten des Va terlandes zu vegeln, haben Oesterreich und Preußen unter Meiner Mitwirkung dur Uebereinkunft vom 30, September L N Oer einen zu diesem Ende den übrigen Bundesgliedern zu machenden Vorschlag geeinigt.“

„Letztere haben diesen Vorschlag angenommen.“

„Jm Gemäßheit Meiner bereits unter dem 0. Dover S. erfolgten eventuellen Zustimmung entsage Ich in Vollziehung des §. 7 der geschlossenen Uebereinkunft Meiner Würde als Reichsver- weser und lege die Mir übertragenen Rechte und Pflichten Des Bundes in die Hände Jhrer Majestäten des Kaisers von Oester reich und des Königs von Preußen nieder. :

Jch nehme das Bewußtsein mit Mir, getreulich gestrebt zu ha- ben, die Mix anvertraute Gewalt zum Ruhm und zur Wohlfahrt des Vaterlandes auszuüben. ——

„Noch is} es nicht gelungen, ein neues Verfassungsband um dasselbe zu s{lingen, welhes des Volkes Rechte, so wie des Vater landes Größe und Macht, dauernd sichert und stärkt, Wohl aber ist das gemeinsame Band erhalten und der Friede gewahrt. Be- ruhigt werde Jch auf die Zeit Meiner Waltung erst dann zurück- blicken können, wenn die Zukunst des Vaterlandes durch dauernde Einigung gesichert is. Allein Meine Sorge für dieselbe fühle Ich erleichtert, indem deren Obhut nunmehr dem Zusammenwirken der- jenigen beiden deutschen Regierungen anbefohlen ijt, welche durch ihre Macht zunächst dazu berufen sind. Wo beide vereint, treu an dem Rechte festhaltend, vorangehen, können die anderen Regierun gen getrost folgen, und das Gelingen wird nicht ausbleiben.

„Möge Deutschland der vielfachen s{chweren Erfahrungen ein- gedenk, möge sein Geschick unter des Allmächtigen Beistand Der Eintracht und Vaterlandsliebe der deutschen Fürsten und dem guten Geiste der Nation empfohlen sein !“/ i

Der Kaiserlich österreichische wirkliche Herr Geheime Rath Frei- herr Kübeck-Kübau erwiederte :

„ÖSnädigster Herr!

„Als Ew, Kaiserliche Hoheit dem Rufe folgten, das hohe Amt

eines deutschen Reichsverwesers zu übernehmen, waren alle staat-

| Jhre Tage rühmlich bezeichnen. ““

2321

lichen und gesellschaftlihen Verhältnisse in einem großen Theile Europas, insbesondere auch in Deutschland in Frage gebracht, und einer Bewegung anheimgefallen, deren Ergebnisse zu den größten Gefahren führten. Ihrem Muth und Jhrer Standhaftigkeit, gnä- digster Herr, is es vorzüglich zu verdanken, daß diese Gefahren, als sie im Herbste vorigen Jahres das staatliche Dasein eines gro- ßen Theiles des Vaterlandes bedrohten, glücklich abgewendet wur- den, und Deutschland nicht anarchischen Bestrebungen anheimgefallen ist, Ew. Kaiserliche Hoheit, erhaben über alle eigensüchtigen Zwee, haben sich einer großen Pflicht aufgeopfert und sich davur für alle Zeiten Ansprüche auf die Bewunderung und die Dankbarkeit unsercs deutschen Vaterlandes erworben.“

„Allerdings haben Sie, gnädigster Herr, den gerechten Wrisch gehegt und mit gewohnter Offenheit ausgesprochen, Sich wieder jener Stellung zuwenden zu können, in welcher die Jhrem crhabe= nen Kaiser gewidmeten Dienste und die Weihe der Wissenschaft

__ Empfangen Sie, guädigster Herr, in dem Augenblick des Scheidens aus Jhrem hohen Amte die dankbare Huldigung, welche wir Ihnen heute darzubringen verpflichtet sind. Jndem wir, in Folge des Einverständuisses der hohen deutshen Regierungen und in Folge der uns ertheilten Vollmachten, die Functionen der ein geseßten provisorischen Bundes-Kommission im Sinne der Ueberein funft vom 30, September 1849 übernehmen, geben wir im Namen unserer crlauchten Allerhöchsten Vollmachtgeber, Sr. Majestät des

| Kaisers von Oesterreich und Sr. Majestät des Königs von Preußen,

| vorgezeichnete Bestimmung

sich aufgelöst, ohne das deutsche Verfassungswerk zu Staude gebracht | sabeth, von Guhrauer,

die feierliche Versicherung, keine Anstrengung zu scheuen und nach Umständen alle geseßlichen Mittel in Anwendung zu bringen, um für die bestimmte Zeit der Dauer der Bundes-Konumission die ihr zu erfüllen.“ Hiermit wurde das gegenwärtige Protokoll geschlossen und Beifügung der Unterschriften genehmigt. S) Wittgenstein.

dur (gez) Erzhc G) O Ins. (064) Ver d. Karl Freiherr Kübeck-Kübau, Kaiserlich österreichische Kommissär der deutschen Bundes-Kommission, : von Radowiß, Königlich preußischer Kommissär der deutschen Buundes-=Kommission. Schönhals, Feldmarschall - Lieutenant, Kaiserlich Csterrei chischer Bundes-Kommissär. Dr, Bötticher, Königlich preußischer Ober-Präfident und Mitglied der deutschen Bundes-Kommission, Der Protokollführer: (gez) Dr. Mettenius.

40A 250 hann. (Q C2.) 5

COER)

Cnt oLD: (gez.) (Ge3.) (gez.)

(gez).

Wissenschaft und Kunst. Zur hiflorischen Literatur.

Historisches Taschenbuch, herausgegeben von Friedrich von Raumer. Dritte Folge. Erster Jahrgang. Leipzig, F. A. Brockhaus.

Das historische Taschenbuch für 41850 enthält folgende fünf Aufsäße 1) die erste Abtheilung einer Lebensbeschreibung der Pfalzgräfin Eli- Elisabeth, Tochter Friedrichs V. von der Pfalz, die Schülerin und Freundin des Cartesius, gehörte zu den bedeutendsten Frauen, deren Erinnerung die Geschichte aufbewahrt hat, Wegen ihrex glänzenden Geistesgaben und ihrer vorzüglichen wissenschaftlichen Bildung wurde sie von ihren Zeitgenossen das Wunter des Nordens genannt. Auch den Juhalt des zweiten und dritten Aufsayzes , die beide höchst zeitgemäßes Themen behandeln, werden wir sogleih etwas näher eingeheu. Jn dem vierten von Gustav Friedrih Waagen wird ein Bild von dem Leben und Wirken der Maler Andrea Montegna und Luca Signorellí entworfen. Jm fün ften, ciner Skizze aus dem Leben des berüchtigten Karl Friedrich Bahrdt, der seiner Zeit ein bewunderter © christsteller, Kanzelredner und akademischer Lehrer, zulegt als Bierwirth starb, hat Robert Pruß einen interessanten Beitrag zur Sittengeschichte des acht-

| zehnten Jahrhunderts geliefert.

Der zweite Aufsaß, die Geschichte der Bildung des deutschen Bundes auf dem wiener Kongresse, aus gedruckten und unge druckten Quellen, von Adolph Friedrich Schaumann, enthält eine höcbst lebensvolle und übersichtliche Darstellung der Verhandlungen und Bestre- bungen, aus denen die deutsche Bundedakte von 1815 hervorging. Der Verfasser wirft sich am Schluß der Arbeit die Frage auft „welchen Zt ed es haben könne zu ciner Zeit, wo nenes Leben treibt, den Geist des wie- ner Kongresses wieder aus scinem Grabe herauf zu beschwören?“ Uber

| wenn auch scines Bleibeus nicht mehr unter der jezigen Generation is, so

| l l | | |

|

soll er doch berichten über Vergangenes, „Des Menschen eigene Weisheit reiht nicht für alle Fälle aus, und {hon mehr als cinmal hat er gemeint, an die Geisterwelt eine Frage stellen zu müssen, Dabei wird man aber stets am besten thun, sich an den Geist der Vergangenheit zu wendenz er ist noch immer der freundlichste und auch der zuverlässigste und gehört nicht zu jenen bösen Wesen, die sih ihre Dienste mit Blut in trü- gerischen Pakten versichern lassen, Nur Blut und Unglück zu hindern is seine Sache.‘‘

An der traurigen Ueberhebung unserer Zeit, welche sich dazu erufen hielt, mit Verleugnung der ganzen Vergangenheit, die Weltgeschichte gleich- sam von vorn auzufangen, haben wir die edelsten Bestrebungen, die s{chön- sten Hoffnungen scheitern sehen, Die meisten Reorganisationstendenzen des vorigen Jahres gingen eben daran zu Giunde, daß sie an nichts Bestehen- des anknüpften, vielmehr die ganze Vergangenheit, alle Arbeiten früherer Geschlechter, als onerose Erbschaft zurückwiesen, Es is natürlich, daß eine Zeit, die sich allein für die gotibegnadigte hielt und in allem früheren nur Unrecht und Verirrung erblicte, von der nächsten Zukunst gerichtet werden mußte. Die Geschichte is der nothwendige Fortschritt zu einem leßten Ziele, und ihre Perioden sind nur Glieder einer großen Kette, Es liegt nicht in der Macht der Menschen, diesen vernünftigen Zusammenhang an einer be- liebigen Stelle abzubrehen; und die Geschicke der Völker in neue Baÿnen zu leiten.

Der vorliegende Aufsaß zieht eine interessante Parallele zwischen dem iviener Kongreß und dem s\rankfurter Parlament, Beide hatten den Be- ruf, durh eine Verfassung die cinzelnen so lange getrennten Glieder des Vaterlands zu einem Ganzen zu verbinden und beide, obwohl getragen durch das Etnheitsgefühl der Nation, konnten doch ihre Aufgabe nicht lösen. Den Grund davon, daß der wiener Kongreß den begeisterten Er- wartungen des Volks nicht enisprach, uud so vielen gerechten Forderungen weiter nichts entgegen zu halten hatte, als die dürftige Abschlggszahlung der Bundesakte, findet der Vcrfasser in zwei Umständen, nämlich einmal darin, daß in Wien das Verfassungswerk einseitig von den Fürsten und ihren Abgesandten in die Hand genommen wurde und dann, daß man von vornherein in den Allianzverträgen mit, den gegen Napoleon Verbündeten fremden Mächten ihnen einen Einfluß au fdie Gestaltung der inneren Vet- hältnisse Deutschlands gestattet haite,

Jn den Befreiungskämpfen gegen Frankreih war zuerst der Gevanke eines einigen Deutschlands in das allgemeine Bewußtfein getreten; denn gemeinsame Thaten, Leiden und Siege sind ein mächtigeres Band, als die- selbe Abstammung oder Verfassung, Dieser Gedanke war aber zunächst noch ein ganz formloser und unbestimmter, nicht vielmehr als ein Jdeal, mit dem sich die Phantasie gern beschäftigte; eine festere Gestaltung gewann er erst in dem Allianz - Traktat von Töpliy vom 9. September 1813 zwi- hen Preußen und Rußland einerseits und Oesterreich andererseits, oder vielmehre in den geheimen Verträgen und Verabredungen, die sich an ihn knüpften. Hier entsagte Oesterreich ein für allemal der deutschen Kaiser- krone, den kleineren Staaten wurde ihre Selbstständigkeit garantirt und ein künftiges Föderativband in der Weise festgeseßt, daß zwei Bundesspsteme geschaffen werden sollten: ein süddeutshes mit Oesterreih und ein nord-

E E R E

deutsches mit Preußen an der Spiße‘ der Mair soklte die Gränze bildett, Die auswärtigen Großmächte erblickten aber in der Nealisirun dieses Pla- nes eine Störung des europäischen Gleichgewichts : deshalb BRas Oester- reih und Preußen sih genöthigt, ihn fallen zu lassen, und in Folge der in Chaumont gepflogenen Verhandlungen überreichte der Minister Stein am 10. Márz 1814 dem Kaiser Alexander, dem Staatskanzler von Hardenberg und dem Grafen Münster einen vollständig ausgearbeiteten Entwurf einer fünftigen deutschen Reichsverfassung. Der leitende Gedanke hierin wars die deutschen Staaten werden unabhängig und durch ein Föderativband vereinigt sein, Dieser Grundsay wurde auch durch den ersten pariser Frieden bestâ- tigt. Das war also uach langer Anstrengung die gewonnene Grundlage, auf welcher die deutsche Nation das weitere Gebäude ihrer Hoffnungen und Wünsche aufbauen sollte. Das Gebäude eines neuen, durch Einheit ver- bundenen Vaterlands, Da war wohl Jeder darüber einig, daß dies Ge- bäude nicht allcin nah außen eine feste Burg bilden müsse, um gegen Ue- bergrife übermüthiger, nicmals ruhiger Nachbarn zu shirmen, es mußte vielmehr au im Jnnern bei den vielen Wohnungen, die es zählte, so ein- gerichtet sein, daß Keiner den Andern drückte und drängte, vielmehr Jeder mit dem behaglichen Gefühl der Zufriedenheit aufstehe und sih niederlege, welches daraus entsteht, daß ihm sein eigenes Recht unverkümmert bleibt, wofern er nur wieder unverkümmert dem Bruder das Seinige gegeben. Jedoch die äußere Form des Gebäudes “ist zunächst abhängig von dem Grundraum, der verwendbar is, Diesen hat Deutschland sich nicht ganz frei und unabhängig abstecken dürfen, er ist ihm nämlich unter Theilnahme von ganz Europa angetoiesen, Es ergab sich daher, als man auf dem wicner Kongreß daran ging, die deutschen Angelegenheiten zu ordnen, so- gleich der Mißsstand, daß den deutschen Staaten zweiten und dritten Ran- ges, die den pariser Frieden nicht unterzeichnet hatten, von vorn herein ihr freies Beschließungsret geuommen war, und daß sie gleichsam als Peten- ten vor einer großen europäishen Kommission erscheinen mußten. Schon vor der förmlichen Eröffnung des Kongresses hatte der Fürst Hardenberg am 13, September 1814 dem Fürsten Metternich den Entwurf einer Bun- desversassung für Deutschland den darüber vorläufig abgeschlossenen allge- meinen Bedingungen gemäß, vorgelegt. Deutschland war hier in vier Kreise getheilt, die Leitung der Kreisangelegenheiten lag dem Kreisobersten ob, an der Spiße des Ganzen sollte eine Bundesversammlung stehen, die aus dem Rathe der Kreisobersten und dem der Fürsten und Stände gebilvet würde, Das Direktorium war bei Oesterreih und Preußen. In allen Staaten sollte die landständische Verfassung eingeführt werden, und den Ständen sollte cin Minimum von Rechten garantirt sein. Endlich war ein oberstes Bun- desgericht angeordnet, Die Bestimmungen dieses Entwurfs wurden zu- nächst in 12 Artikel gebracht und einem engeren Ausschuß, der aus den Abgesandten der Staaten Oesterreich, Preußen, Hannover, Bayern und Württemberg bestand, zur Berathung vorgelegt, Diese Kommission, nach- dem sie in der Zeit vom 14, Oktober bis zum 16, November 13 Sizungen gehalten hatte, löste sich indessen wieder auf, ohne das Verfassung8werk ge- fördert zu haben, Bayern und Württemberg wollten von der ihnen zuge- sicherten Souverainetät auch nicht den geringsten Theil aufgeben und vor Allem nicht auf das Recht der Bündnisse und des Krieges und Friedens verzichten, Die Verwirrung wuchs noch durch die an sich berechtigte Fer- derung der 31 kleinen deutschen Staaten, bei der Berathung der Verfassung auch ein Woxt mitsprehen zu dürfen, und zu dem Allen kam endlich, daß die auf dem Kongreß vertretenen Mächte über die großen europäischen Angelegenhei- ten sich nicht vereinigen konnten und die immer größer werdende Spannung fast in offene Feindschaft auszubrechen drohte.

Bei diesem großen Kampfe der konnte das deutshe Einigungswerk keinen gedeihlihen Fortgang nehmen und Alles, was în dieser Beziehung geschah, beschränkte sich auf vereinzelte Versuche und Entwürfe, in denen die Betheiligten das ihnen vorshwebende Verfassungsideal zu verwirklichen strebten, So über- reichte Schmidt - Phiseldeck aus Braunschweig im Namen der kleineren Staaten dem Grafen Münster eine Note, welche die Wiederherstellung des Kaiserthums sordert, Der hannöversche Gesandte ging auch mit vieler Wärme auf den Plan cin, der aber an dem Widerstande Oesterreichs \chei- terte, welches in seinen Allianzverträgen mit ven europäischen Großmächten ausdrücklich anf die Wiederannahme der Kaiserwürde verzichtet hatte. Ein preußisches Kaiserihum, an welches der Freiherr von Stein dachte, hatte damals weit weniger Chancen, als vierunddreißig Jahre später, An allen Ecken und Enden von Deutschland tauchten in Büchern, Zeitungen und Brochüren ie verschiedenartigsten Verfassungs-Entwürfe auf und jeder der- selben hatte eine Partei des Volkes hinter sich und wurde {von einem der in Wien versammelten Diplomaten vertreten. Jm Dezember 1814 hatte Oesterreich eine vom Herrn von Wessenberg ausgearbeitete Verfassung in 15 Artikeln eingereit, die bald wieder ad acta gelegt wurde, Am 10, Fe- bruar übergab Preußen cinen von W, von Humboldt verfaßten Entwurf, in dem die zukünftige Gestaltung D eutsclands ausführlicher, als je vorher bestimmt war, Die gemeinschaftlihen Angelegenheiten besorgt hier eine Bundesversammlung, bestehend aus den Bevollmächtigten aller Mitglieder. Zie besteht aus einem ersten und zweiten Nathe. Zugleich wiro Deutsch- land in Kreise getheilt, über welche gewisse Fürsten das Kreisvorsteheramt führen, Jn allen Staaten sollen Landstände eingeführt werden, die das Recht der Mitberathung der Geseye, der Steuerbewilligung und der Be- schwerden haben, Ferner müssen alle Bundesmitglieder ihren Unterthanen wenigstens folgende Nechie einräumen + Freiheit, in jeden Bundesstaat ohne Abgaben auszuwandern und dort in Kriegs - oder Civildienste zu tretenz Freiheit, sih auf jeder deutschen Lehranstalt zu bilden; Freiheit der Person und des Eigenihums geg n jede Beeinträchtigung auch gegen den Nach- druck, so wie das Recht nur vor dem ordentlichen Richter zu stehenz Auf- hebung der Leibeigenschaft und Preßfreiheit mit Verantwortlichkeit der Schriftsteller, Buchhändler und rucker, Ein ständiges Bundesgericht ent- scheidet in allen Bundessachen. Ein zweiter Entwurf war beigelegt, der sic) vom ersten nur durch Weglassung der Kreiseintheilung unterschied. Jm April überreichten abermals die preußischen Abgeordneten die Grund- züge ciner deutschen Bundesverfassung in 14 Paragraphen. An der Spiye des Bundes steht hier die aus allen Fürsten gebildete Bundesversammlung z aus ihr wird ein permanenter Vollziehungsrath ausgeschieden, Die Ver- einigung der Streitkräfte geschieht durch die Stellung angemessener Kon- tingente. Alles Uebrige is nur eîn dürftiger Auszug aus dem früheren Entwurf. Zu den allgemeinen staatsbürgerlichen Rechten kommt hier nur noch die freie Religionsübung, Jm Mai übergab Oesterrei einen Ent- wurf, in welchem die wichtigsten Bestimmungen der späteren Bundesakte hon enthalten sind. Jn materieller Beziehung unterscheidet er sih von dem preuß schen dadurch, daß von keiner Festseßung eines Minimum der landständi hen Rechte mehr die Rede is und durch die Beschränkung der allgemeine : staatëbürgerlichen Rechte, Am 28, Mai legte der Fürst Met- ternich entlich einen Bundesplan in 17 Paragraphen vor, worin die Ver- mittelung oer früheren österreichishen und preußischen Vorschläge enthalten ist und welcher mit wenig Modification die spätere Bundesakte wurde. Am 23. Mai hatten nämlich schon die Abgesandten aller deutschen Staaten mit Ausnahme Württembergs und Badens, die erst viel später dem Bunde beitraten, sich zu ciner Versammlung geeinigt, welche in elf Sizungen bis zum 10, Juni die Berathung der deutschen Verfassung vollendete, So entstand statt eines Bundesstaats der deutsche Staatenbund „das föó- derative Band mit seiner kleinen unt {wachen Grundlage, der deut- schen Bundesakte, die am 8. Juni zur Welt gefördert, gleich dem neuge- bornen Kinde nur einige Laute hören ließ, sich aber über nichts Wichtiges vernehmbar und verständig aussprach,“ Die athemlose Hast, mit der man zuleßt gerade im Gegensay zu dem früher beobachteten System des Zau- derns und Hinausschiebens das Versassungswerk vollendete, erklärt sid aus der Rückkehr Napoleon’s nah Frankreich und aus den ungeheueren Er- folgen, welche jedén seiner Schritie begleiteten, Alles Uebrige trat von da an in den Hintergrund und, um nun recht rasch mit den inneren deutschen Angelegenheiten fertig zu werden, ließ man einen Punkt nah dem anderen bei denen sich Verschiedenheit der Meinungen zeigte, fallen und war zu- frieden, ein Paar allgemeine Bestimmungen zum großen Theil nur fraft- und saftlose Anweisungen auf die Zukunst zu Stande gebracht zu haben. Im lehten Kapitel seines Aufsayes wirft der Vei fasser einen Blick auf die Arbeiten des frankfurter Parlaments, Der Grundfehler, dur den alle Bestrebungen dieser Versammlung vereitelt wurden, sieht er darin, daß sie das Verfassungswerk usurpatorisch zur einseitigen Sache des Volks machte, während der wiener Kongreß eben so einseitig eine Priv-atAngelegenheit dex Fürsten darin erbltckte, Ein falshes Souverainctätsgefühl habe die Män- ner in der Paulskirche dazu verführt, zuerst eine unmögliche Verfassung zu entwerfen, und dann an ihrer Schöpfung hartnädig und um jeden Preis

verschiedenartigsten Juteressen

d D S