1925 / 103 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 04 May 1925 18:00:01 GMT) scan diff

ANrtitfel 16. (Zu § 35 Ab). 1 und Ab). 2 Sah 1.)

(1) Die Arbeitgeber sind verpflichtet, gleichzeitig mit der Ab- fbrung der Beiträge den Kranfenkfassen mitzuteilen welche Beträge auf die Kranfkenversiherung und welche Beträge auk die Erwerbs- Iosenfürsorge entfallen. Unterbleibt die Mitteilung. so gilt als Be!- trag zur Erwerbélosenfüriorge der Teil des abgeführten Betrags, der zu dem- Nest in dem Verbältnis steht, in dem die für die Erwer bé- “vid zu entrichtenden Zuschläge zu den Krankenkassenbeiträgen

ehen.

(2) Soweit die Arbeitgeber zur Zahlung von Vorschüssen ver- pflichtet sind 403 der Neichsversicherungéordnung, § 93 des Neichs- knappschafitsgeletzes), haben sie auch Vorichüsse»auf die Beiträge zur Enwerbslosenfürsorge zu entrichten.

(3) Die Krankenkassen überweisen die vereinnahmten Vorschüsse und Beiträge spätestens binnen drei Tagen nah ihrer Einzahlung oder Gut\hrift an die nah 8 35 Ab}. 2 oder § 39 empfangsbetech- tigte Stelle, sofern nicht gbweibende Vereinbarungen getroffen sind oder der Neichsarbeiteminister für die Abführung der Beiträge der Betriebskrankenkassen, der Ersaßkassen oder der knappschaftlichen Krankenfassen Abweichendes bestimmt hat. Unpünktliche Abführung der vereinnal;mten Beiträge verpflichtet die Krankenkasse zur Zahlung von Verzugszinsen in Höhe des Neichebankdiskonts. Zieht eine Krankenkasse die Beiträge \chuldhaft verspätet ein, so hat fie bei der Abführung einen Zus{blag in Höhe des Neichébankdiskonts zu ent- ritten. Die oberste Landesbehörde oder die von ihr bezeichnete Stelle kann in beiden Fällen einen böberen Zinésay festießen. Ueber Streit entscheidet endgültig das Versicherungsamt.

(4) Die Krankenkassen überwachen die rechtzeitige und vollständige Eutrichtung der Beiträge. Sie verbuchen diese nah näherer An- weisung des Versicherungéëamts gesondert und legen der empfangs- berechtigten Stelle bis spätestens zum 15. jeten Monats über die im Vörmonat vereinnaßmten Beiträge zur Erwerbslofen!"ürsorge unter Mitteilung der Zahl der Krankenkassenmitglieder Rechnung; auf Verlangen haben sie der emvyfanasberechtigten Stelle Einsicht in die Bücher zu gewähren. Sie sind berechtigt, Beitragsrückstände nieder- zuschlagen, sofern sie auf die Einziehung der Beiträge für die Krankenversiherung verzichten (9) Die Befolgung dieser Vorschriften überwa@ßen bei den Krankenkassen nah der Neichéverisicherungso1dnung und bet den Ersatz- kassen die VersiGerungtämter, bei den Bezirsknappschastsvereinen deren Aufsichtébehörden Für die örtlihe Zuständigkeit ist der Sitz der Kasse oder der selbs\ändig ablieserungépflihligen Zweigstelle (Art. 17) maßgebend. Von allen erheblicheren Anständen in der Geschättéführung der Erlalzkassen haben die Versicherung8ämter deren Autsichtsbeßörden Mitteilung zu machen. i

(6) Sofern die Arbeitnehmer bei Ersatzkassen versicert sind, finden auf die Entrichtung des Arbeitgeberanteils der Beiträge die Vorschriften der Neicbéversicberungéordnung über die Entrichtung des Arbeitgeberanteils der Beiträge- zu den Ersaykassen entsprechende Anwendung.

(7) Den Krankenkassen werden die durch die Durchführung ent- flandenen Kosten ersezt. Das Nähere bestimmt der Präsident der Meichsarbeitsverwaltung (Neich8aint für Arbeitsvermittlung) im Be- nehinen mit dem Präsidenten des Neichsversicherungs8anits:

Mot V7, (Zu § 35 Abs. 2 Say 2.)

(1) Zweigstellen von Krankenkassen nach dem Neichéknappsclafts- gesetz, Betriebskrankenkassen und Ersatzkassen sühren die bei ihnen eingehenden Beiträge zur Erwerbslosentüi)orge an die für ihren Siß emptangéberechtigle Stelle ab. Art. 16 gilt sinngemäß.

(2) Zweigstellen im Sinne bieser Bestimmungen sind alle Stellen und Personen. denen für einen Unterbezirk die Einhebung der Krankenkassenbeiträge obliegt. Im Zweifel entscheidet die oberste Landesbehörde oder die von ihr bezeihnete Stelle nah Benehmen mit der für die Haußtverwalktung der betreffenden Kasse zuständigen obersten Landesbehörde oder der von diefer bezeihneten Stelle.

(3) Die beteiligten obersten Landtesbehönden oder die von ihnen bezeidneten Stellen können Be)reiung von den Vorschriften des NAbs# 1 bewilligen. Die Befreiung hat zu erfolgen, wenn die Er- füllung der Vorschriften mit unverhältniémäßigen Schwierigkeiten verbunden ift Wird ein Befreiungs8anlrag der Hauptverwaltung einer Krankenkasse abgelehnt, so kann die für diese zuständige oberste Landesbehörde die Entscheidung des Neichsarbeitéministers aurufen.

ANLtitel 8 (Zu §87)

Dic Gemeinden baben die Miltel der Erwerbélosenfürsorge von sovstigen Geldern getrennt zu verwalten. Soweit die Beiträge und Gemeindeleistungen den Bedarf der Erwerbelosenfürsorge in einer bestimmten Zeit etwa übersteigen, dürfen sie au päter nur für Zwecke der Erwerbélosenfürsorge verwandt werden.

Aut Tel 19 (Zu § 40 Abs. 1.)

(1) Die öffentlihen Arbeitsnachweise und die Ausgleichskassen renen über die Cinna‘ men und Auêégaben der Erwerbélosenfürsorge nah näherer Anweisung der obersten Landeëbehörden monailih nach einem be)onderen, von der Reichsarbeitêverwaltung (Reichsamt für Arbeitsvermittlung) im Cinvernehmey mit der obersten Landesbehörde vorgeschriebenen Muster ab. Die obersten Landetbehörden oder die von dieien bestimmten Stellen übersenden der Neichsarbeit8verwaltung monatli einè Zusammenstellung dieser Abrehnungsübersichten nach einem besonderen, von der Neichsarbeitéverwaltung bestimmten Muster. Diese Uebersichten müssen auch über die Einnahmen, Ausgaben und den Bestand der Ausgleichskassen sowie über die sonstigen Nücklagen innerhalb eines Laifdes Auskunft geben.

(2) Trilt die Beibilfevfliht des Neichs und der Länder ein, fo reihen die obersten Landeëbehörden oder die ihnen bezeichneten Stellen

usammenstellungen der Abrechnungsövordrucke für die Arbeitsnahweise h, Bezirks zur Erstattung der Neichsbeihilfe bei der Neichsarbeits- verwaltung ein. Die Vorsitzenden der öffentlichen Arbeitsnachweife haben dabei zu versichern, daß die höchsten, nah § 34 Ab}. 3 und 4 ulässigen Beiträge erhoben, etwaige Nüklagen erschöptt und von den n die Beträge beigesteuert sind, die diejen gemäß § 37 zur

t tallen.

i (3) Die Abrechnungen und Uelersihten sind bis zum 25. des auf den -Abrehnungémonat folgenden Kalendermonats bei der obersten Landesbehörde oder der von ihr bezeichneten Stelle und bis zum letzten Tage des auf den Abrechnungémonat folgenden Kalendermonats bei der Reichéarbeitsverwaltung einzureihen. Die oberste Lanteébehörde oder die von ihr bezeichnete Stelle faun einen früheren Vorlagetermin vorschreiben. Werden die Fristen nit innegehalten. so können Vor- {üsse und Erstattung der Neiché- und Landeébeihilten versagt werden.

(4) Die Neichsarbeitévernwaltung hat den Ländern auf Antrag Vorschüsse für einen angemessenen Zeitraum zu gewähren. Die An- träge sind zu begründen. Uebersteigen die Vorschüsse den wirklichen Bedarf, so hat das Land den Mehrbetrag zurüctzuerstatten.

Artikel 20.

Die Artikel 7 und 9 treten am 1. Mai 1925, die übrigen NBe- stimmungen am 1. Juni 1929 in Kraft. Mit dem 1. Mai 1929 treten die Antikel 4 und 5, mit dem 1. Juni 1929 die übrigen Be- stimmungen der Autführungsvorschri\ten zux Verordnung über Er- Pa Ro]uniluionge vom 25. März 1924 (RGBI. 1 S. 376) außer

raft.

e ———

Die Reichsindexziffer für die Lebenshaltungsfkosten im April 1925.

Die Reichsindexziffer für die Lebenshaltungskosten (Er- nährung, Wohnung, Heizung, Beleuchtung, Bekleidung und „Sonstiger Bedarf“) beläuft sich nah den Feststellungen des Statistischen Neichsamts für den Durchschnitt des Monats April auf 136,7 (gegen 136,0 im Vormonat). Sie hat sich

\sonach um 0,5 vH erhöht. Nach der alten Methode würde sich die JIndexziffer für den Durchschnitt April auf 126,8, sonach um 0,9 vH höher als im März (125,7) tellen. Berlin, den 2. Mai 19%25. Statistisches Reichsamt. V. V: Dr. Plazer.

Belanmfmachunqg

über Uebernahmepreise für Branntwein und Monopolausgleich.

Auf Grund der am 2. März 1925 von der Reichs3- monopolverwaltung gemeinsam mit dem Beirat gefaßten und durch Reichsratsbeschluß vom 30. April 1925 8 260 der Niederschriften abgeänderten Beschlüsse wird in Abänderung der Vefanntmachungen vom 31. Oktober und 17. Dezember 1924 und 27. März 1925 folgendes bekanntgegeben:

Zu Ziffex 1 Für den vom 1. Juni 1925 ab hergestellten Branntwein beträgt 1. der B1annlweingrundpreis i 30,— NM 2. der Zuschlag ¿um Grundpreis für Branntwein a) der unter Gewinnung von Hefe im Würze- verfabren hergestellt ift é N b) aus Wein Sts ; E e) aus Kirschen, Himbeeren, Brombeeren oder Heidelbeeren . 50— d) aus Pfirsihen, Aprikosen, Zwetschgen, Pflaumen, Mirabellen Sc{bleken, Vogel- beeren Holunderbeeren, Wacholderbeeren oder Enzian ; für das Hektoliter Weingeist. Für den vom 1 Juni 1925 ab aus Mais hergestellten Brannt- wein wird ein Zuschlag zum Grundpreis nicht gewährt. 3. Der Abzug vom GBrundpreis für Branntwein aus anderen, vorstebend- unter 2b, c und d nicht genannten Obststoffen R G S e D N tür das Hektoliter Weingeist. S U E. Vom 1. Junî 1925 ab beträat #/ 1. der regelmäßige Vlonovyolausaqleih, a) wenn er von der Weingeistmenge zu be- renen is 152 des Geseßzes) .. ; für ein Fefktoliter Weingeist, b) wenn er von dem Gewichte zu berechnen ist 153 Abs. 2 des Gesetzes) 1. hei Lifören und anderen weingeisthaltigen (Frzengnissen . . A S é 2, bei Arr Num Und Kogg 3. bei anderent Bränntwê# für einen Dopvelzentner. 2, Der besondere ermäsiate Monopolausg!eih (§8 152 in Ver- bindung mit § 92 Abs. 2 des Geseßzes), a) wenn er von der Weingeislmenge zu berechnen is 170, RM tür ein Hektoliter Weingeifst, b) wenn er von tem Gewicht zu berechnen ift 153 Abs. 2 des Gesetzes) . ¿ G O für einen Doppelzentner. Berlin, den 1. Mai 1925. Reichsmonopolverwaltung für Branntwein, Nebelung.

10,— , 90,

‘A

450,— RM

270, 360,— 450,

Verbot von Vildstreifen. „Das goldene Tox der Träume“, 5 Akte, 1393 m, Ursprungsfirma „Robertson Cole Production, Amerifa, Antragsteller: Siegel-Monopolfilm, Dresden-A. Prüf- nummer 10 373. „Der Gefangene in den Cordilleren“, 8 Akte, 9397 m, Ursprungasfirma: Pathé exchange. Awerifa, Antragsteller: Alböfilm (Althoff-Böcker), Berlin, Prüf- nummer 10 348. Berlin, den 1. Mai 1925. Der Leiter der Filmoberprüfstelle. Dr. Seeger.

Belt uns

Der Württembergishen Hypothekenbank in Stuttgart wurde die Genehmigung erteilt, weitere 8prozentige Goldpfandbriefe auf den Inhaber im Gesamtbetrag von 5 Millionen Goldmark in den Verkehr zu bringen.

Stuttgart, den 29. April 1925.

inisterium des Junern. V V Aa

PVreufßfßen.

Ministerium des Jnnern.

Das Preußishe Staatsministerium hat den Ober- regierungsrat Grzesinski zum Polizeipräsidenten in Berlin ernannt.

Der Regierungsrat von Breitenbach ist zum Landrat in Limburg, der Regierungsrat Dr. Creuß zum Landrat in Adenau und der Regierungsrat Dr. Nordbeck zum Landrat in Göttingen ernannt worden.

Ministerium für Wissenschaft, Kun s

und Volksbildung.

Der Unterstaatssekretär a. D. Dipl.-Fng. Professor von Moellendorff ist zum Direktor des Staatlihen Material- prüfungsamts ernannt worden. Die bisher auftragsweise ge- führte Leitung des Amts is ihm daraufhin endgültig über- tragen worden.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Der Königlich dänische Gesandte Zahle ist nach Berlin zurückgetehrt und hat die Leitung der Gesandtschaft wieder Übernommen.

Der Bevollmächtigte Vertreter (Botschafter) der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken Krestinski hat Berlin ver- lassen. Während seiner Abwesenheit führt der Botschastssekretär Jakubowitsch die Ge\chäfte der Botschaft.

Deutscher Reichstag.

51. Sitzung vom 2. Mai 1925, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscer Zeitunsverieger*).F

Am Regierungstische: Reichswirtschaftsminister Ne us haus. A

Präsident Löbe eröffnet die Sizung um 1 Uhx 20 Minuten und gedenkt zunächst des furchtbaren Eisens- bahnunglüdcks, dem in der Nähe von Preußish-Stargard etwa 30 Menschenleben zum Opfer gefallen sind.

Die Ursachen seien noch nicht vollkommen aufgeklärt, man er- warte aber die Aufklärung durch eine genaue Untersuhung. Ihren Geschäften nachstrebend, seien diese armen Leute mitten in der Nacht in einem verhängnisvollen Augenblick vom Tode Singen worden. Ein jeder werde sib das düstere Schicksal der von der Katastrophe Betroffenen ausdenken können. Der Reichstag nehme teil an der Trauer und werde bemüht sein, die durch das Ünglück hervorgerufene Not und die Folgen abzustellen. Pläßen.)

Die zweite Lesung des Haushaltsplans beim „Reich8wirtschaftsministerium“ wird darauf fortgeseßt.

Aba. S chlak (Zentr.) erkennt an, daß die deutsche Wirtschaft unverkennbare Foriscbritte gemacht hat, aber sie befindet si noch immer im Zustande der Beunruhigung Sie is zu einer Binnen- wirtschast geworden, weil die deutshen Waren in weitem Maße vom Auslandsmarkt versGwunden sind. In der Inflationszeit sind die deutschen Güter vers{leudert worden. Dafür müssen wir jeßt die Folgen tragen. Die deutshe Wirtschaft wieder leistungsfähig zu machen, ist eine Hauptaufgabe der Reichsregierung und des Neichs- tags. Solange die Grenzen beseßten deuischen Gebiets nicht in das deutsche Zollgebiet einbezogen werden, wird die Beseitigung unserer passiven Handelébilanz unmöglich sein Deutschland muß leider ente weder Menschen oder Waren «ausführen. Ersteres bedeutet aber immer einen Verlust. Daher wird es Aufgabe des Neicbswirischafts- ministeriums sein, die Bedingungen für die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf dem Weltmarkt zu schaffen. Einen Vinnen- zoll, wie die Umsaßsteuer, kann die deutshe Wirtschaft auf die Dauer nicht tragen. Die Lurxussteuer muß in gewissem Umfange abgebaukt werden im Interesse unseres Qualitätêware erzeugenden Handwerks, Die Gemeinden werden auch die Gewerbesteuer ermäßigen mussen. Die boben Zinssäbße müssen gleichfalls vers{winden. Aufgabe des Mirtschaflteministeriuums müßte es sein bei der Reichsbank in diejer Nichtung vorstellig zu werden. In der Aufwertungsfrage muß endli etwas Neales geschaffen werden. Die deutsche Wirtschaft ohne zus \ammens&luß hat ohne Kartellierung nicht konkurrenzfähig sein können, aber die Frage der Preisgestaltung auf dem inneren Markt muß in tragbarer Weise acreaelt werden. Großer Umsaß kleiner Nußen muß da die Parole der Wirtschaft sein. Die Lohnhöhe in Deut sch» land lieat zurzeit so, daß sie, falls nicht etne baldige Aenderung eine tritt zu einer Degeneration weiter Schichten des Volkes führen muß. Die Gewinnquote muß auf das geringste Maß herabgeseßt werden, um die Lohnhöhe nah Möglichkeit zu verbessern. Die Stärkung der Kaufkraft der aroßen Massen des Volkes ist die. wichtigste Ausgabe der deutshen Wirtschaft. Die Eristenzen im Zwischenhandel, die aus anderen Berufen gekommen sind, müssen wieder hinaus; sie wirken nur preisverteuernd. Die Organisation des deutschen Handwerks muß die Fraae prüfen, wie man ihm den Auslandsmarkt ershließen kann Das Wirtschaftsministerium muß das Handwerk hierbei tats fráftia unterstüßen. Außerordentlih wichtig ist auch der Ausbau und die Stärkung des deutschen Genossenschaftswesens, Stärkung von Landwirtschaft, Industrie und Handwerk kommt dem ganzen Volke zugute. Vor allem is auch politische Beruhigung ersordeclich, Die politischen Krisen müssen endlich beseitigt werden; dann wirt auch das deutsde Wirtschaftsleben wieder aufblühen. E

Abg. Havemann (D. Vp.): Der Minister hat sein Interesse für die Mittelstands- und Handwerksfragen bekundet; hoffentlich werden nun stärker als bisher die Belange des Mittelstandes und des Handwerks gefördert. Verbilligung der Kohle, der Frachlen, der elektrishen Krast sind Mittel dazu. Die Grhöhung der Perionai tarife auf den Eisenbahnen sind auch für die Wirtschaft von großer Bedeutung, da viele (Beschäftsleute reisen müssen. Der „Nei chs» verband des Deutschen Handwerks sollte bei allen einschlägigen Fragen von den Behörden mehr befragt werden; im Wasserstraßen» beirat ist er z. B. nicht vertreten. Ein dringendes Erfordernis ist auch für das Handwerk die Herstellung von Qualitätsarbeit. M Handwerk ist der Prozentsak des Nachwuchses für die Ausbildung

ität8arbei är ls in der Industrie. Jn dem zum Qualitätsarbeiter noch stärker als in Industrie. r bevorstehenden Entwurf eines Gesebes über die Berufsausbildung darf der Handwerksmeister für die Lehrling8sausbildung nicht übers ehen werden. Die erhöhte Umsaßsteuer für Lurusartikel muß bes nt werden. Die Beteiligung des Handwerks an den Messen zeugt von dem Bestreben, durch die Herstellung von Exporiwaren in die Weltwirts{haft hineinzukommen, aber vor allem_ muß der ins} ländishe Markt erhalten bleiben. Die Länder müssen angebalten werden, für die Kunstgewerbeshulen mit allen Mitteln zu sorgen, damit wieder Kunst und Handwerk in die frühere enge Berbindung miteinander oœbracht werden. Auf die Neichshandwerkêordnunt warten wir seit Jahren, sie ist länast versprochen, aber vorläufig lieg nur ein Referentenen{twurf vor. Mit den alten Theorien Schmollers und anderer über die Bedeutüng des Handwerks muß aufgeräumtk werden, die Volkswirtschaft muß jeßt andere Wege gehen. Im Neichswirtschaftsministeriuum muß ein Mann ob Staatssokretär oder Minifertaldirektor, ist uns gleichgültig besonders mit den Handwerksfragen beauftraat werden, aber es muß ein Mann_ sein, der sich auch durchseßen kann. Die Kapitalnot des Mittelstands ist bekannt: wir haben beantragt, daß dem Handwerk 30 Millionen Kredit zur Verfügung gestellt werden sollen, und zwar aus den Bes ständen der Reichspost und zu einem billigen Zinsfuß. Teueres Geld kann überhaupt niht genommen werden. Die Genossenschaften bieten eine hinlängliche Garantie für die Sicherheit des Geldes. Der Abg. Simon (Soz.) hat kürzlih behauptet, daß das Handwerk in feinen Preisen avf die Löhne 100 vH aufshlage und dann noch 59 vH Unkosten berechne; er sollte aber gerade als Sachverständiger wissen, baß mit 100 vH im Handwerk die Unkosten vielfah noch nichi ges det sind. Das Verdingungswesen muß endlich geregelt werden. Die Preistrerbereiverordnungen und die Preisprüfungsstellen müssen mögli bald aufgehoben werden. Das geht in gleicher Weise Handwerk und Handel an Wir haben noch immer 1700 Preis» prüfunossstellen, die keine Bedeutung mehr haben, da die Konkurrenz so stark ist, daß alle Preise so niedrig wie mögli gehalten werden müssen. Das Wandergewerbe hat einen Umfang angenommen wie man ihn niht für möglih gehalten hätte; der Straßenhandel muß auf steuerlichhem Wege möglichst eingedämmt werden, eine Ausnahme fönnte nur zugunsten derjenigen gemacht werden, die aus Not zu diesem Handel getrieben werden. Möge auch für das Handwerk wieder eine bessere Zeit kommen! (Beifall rechts.) 5

Nbg. Koenen (Komm.): Man \spriht vom Wiederaufbau der deutshen Wirtschaft: er soll troß aller Differenzen zwischen den Parteiaänaern von Marr und Hindenburg im Zeichen der „Volks- gemeinschaft“ von den Deutschnationalen bis zu den Sozialdemokraten betrieben werden. Diese leßteren haben dein auch schon eine weit- achende Vehereinstimmuna mit dem reaktionärsten aller Reicb&wirt- \chaftsminister, mit dem früheren Meichsverfassunaseidverweigerer Neubaus erkennen lassen. Zur Hebung der Wirtschaft werden seit der Stabilisierung der Mark Ueberstunden, Ueberarbeit, Verlänge- rung der Arbeitszeit verlangt und seit anderthalb Jahren geleistet, obne daß die erwartete Hebung eingetreten wäre; im Gegenteil, “die Nerelenduna der Arbeiterschaft die Arbeitslosiakeit ist in dauerndem Ansteigen, eine Krise folgt auch heute noch der andern. Cine neue RlallematGwierigkeit scheint uns zu drohen. Zehn Millionen Tonnen Koblen liegen nuklos auf den Halden; aber nicht etwa daß man ih nun zu einer Preisherabseßung ents{ließt, um eine Ver- billigung der Produktion der gesamten Wirtschaft herbeizuführen, sondern ganz im Gegenteil arbeitet das Kohlensyndikat auf eine

*) Mit Ausnahme der dur® Sperrdruck bervoraebobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

(Das Haus erhebt sich von den

weitere Preiserhöhung hin. Eine ähnliche verhängnisvolle Absatz- krise besteht in der Textilindustrie; aber auch hier denken die profit- wütiaen Unternehmer nicht an Ermäßigung der Preise, so sehr auch das Volk nah Verbilligung der Kleidung und Wäsche hreit. Auch die Lage in der Landwirtschaft deutet nicht auf Erleichterungen in der Ernährung der großen Volksmasse bin. Auf dem Bau- und Woh- nungsmarkt ift voller Stillstand, da die Baustoffindustrie nah dem Vorgang der Schwerindustrie die Preise abermals gewaltig erhöht it. Die i De Schwerindustrie herrsht eben souverän, und ihr iel der Hochhaltung und Steigerung der Preise will sie nicht durch bung, sondern durch Verengerung der Produktion erreicben! Daher die horrende Zahl von 14 Millionen Arbeitsloser! Die vorüber- gehende Verminderung dieser ershrecklihen Ziffer im Frühjahr darf darüber nicht hinmvegtäuschen, daß die Krise permanent ist, daß die deutsche Wirtschaft in ihrem Kern bedroht wird. Früher hieß es „Großer Umsaß, kleiner Nuten“, jeßt umoekehrt: „Kleiner Umsaß, großer Nußen!“ Die Steuerlast tragen nicht die Besißenden, sondern die Leidtragenden sind aub hier die Unbemittelten, die Besitz- losen, “die Arbeiterschaft; denn die die Wirtschaft belastenden Steuern werden ja sämtlich auf die Verbraucher abgewälzt. Das heutige verzwickte Steuer]ystem beaünstigt noch diese scbandbare Preistreiberei und Profitwut des großindustrie!len und agrariscben Unternehmertums. Die Gewährung der Niesenkredite an die Land- wirtschaft brachte eine gewaltica Stelgerung des Brolpreises, und ganz ähnlich baben die 715 Millionen, die die Reic ierung den Muhrbaronen binwarf, auf die Steiaerung der Eisenpreise gewirkt. Dabei zählen wir eine halbe Million S{ckaververleßte auf dem Sc{lacbtfelde der Arbeit in einem Fahr. Von den 800 der Land- wirtschaft als Kredit gegebenen Millionen wird dieser, wie wir ießt Hören, ned dazu die Hälfte erlassen werden! Zu aleicher Zeit spricht sich der kapitalistishe Neichäwirtschaftsminister kaltblütig gegen jede Erhöhung der Arbeitarlöhne aus. Man will die Lohnspanne zwisLben gelernten und ungelernten Arbeitern erhöhen, und auch dieser Tendenz seht dieser Meichwirtlscaftsminister mit größtem Wohlwollen gegenüber. Der Lehrlingszücbterei, der durch eine \ckävfere Lol-n- \panne natürlih nur Vorsckub geleistet wird, brinat er ebenfalls Jein Fnieresse entgegen. Die deutsche Arbeiterschaft muß rüdsidhtälos den Kampf aegen diese volksverderbenden Tenbenzen aufnehmen und bis zum äußersten durchführen, auch gegen den kleinen, wie den gvoßen Zolltarif, der alle Nohbstoffe weiter verteuern, die Lebens- Haltung der breiten Masse also weitèr herabdrücken muß. Di «„Kapitalneubildung“ wird auch nur auf Kosten des Mittelstandes und der Arbeiter zustande kommen; auch hier werden die Stinnes und Barmat, die großen Konzerue, das Fett abshöpfen. Dann ist endgültig Schluß mit der Sozialpolitik, dann wird es mit tem Beamtenabbau lustig weiter gehen, wie es damit im Eisenbahnwesen con angefangen hat. Wir werden geaen Republik und Monarchis- mus für die Beseitigung des Kapitalismus kämpfen; für uns sind Ebert, Marx, Hindenburg Jacke wie Hose! Aba. Me yver- Berlin (Dem.): Die kritiste Situation der deutsden Wirtschaft ift aub in dem Dawes-Gutachten anerkannt, in dem uns eine Sconfrist zur Kräftcsammlung gewährt wird.

» Deshalb ist es jeßt das Gebot der Stunde, die denkbar aktivste

Mirtschaftépokitik zu treiben. Wir müssen den Anschluß an den Weltmarkt wieder finden, unsere Produktion erhöhen und verbilligen, die wirtshafls\ckchGädliden Steuern und Steuersäbe abbauen und lo8- Tommen von den fofsilen Ueberresten der Zwangwirtschast. Das alles mit dem Hintergrund einer stetigen. und verständigen Gesamt- politik, die im In- und Ausland das Vertrauen zu unserem Staat und unserer Staatsform befestigt. Von einer aktiven Wirtschafts- politik ift aber nis zu spüren. Obwohl wir seit dem 10. Januar von den handelWelitishen Bindungen des Wersailler Vertrages befreit sind, ist bisher dem Reichstag weder eine Zolltarifvorlage unterbreitet, noch von ihm ein wihtiger Handelsvertrag ratifziert. Der deutsch-spanishe Handelevertraa ist kennzeihnend für die fehlende Führung -in unserer Wirtshaftpolitik. Alle maßcebliGben Spißzen- verbände von Industrie und Handel verlangen die \{leunige Natifi- zievung dieses Vertraas. Obroohl die Regierung weitachende Koms- pensationen für den Weinbau zugesagt hat, ift der Handelsvertrag im Ausschuß gefallen, und zwar durh die geschlossenen Stimmen der Deutscbnationalen Volkspartei. Industrie und Handel haben hier die erste Quittung dafür empfangen, daß große und wichtige Teile von ibnen den Deutscbnatiorkalen zur Mat verholfen, die Mitte geschwächt, und die Sozialdemokratie, die sogar unter der kaiserliben Regierung eine verläßlide Stüke der Handelsvertragspolitik war, in die Oppositionss\tellung gedrängt haben. Wo ift hier die Führung der Regierung? Für die weiteren wirts&aftliwen Verhandlungen mit dem Ausland wünschen wir die sorgfäliiae Wahrung der Interessen der vérarbeitenden Industrie. Zu den Verhandlungen müssen Ver- treter der Wirtschaft zugezogen werden, und zwar als Mitglieder der Delegationen. Mit der Handelsvertragspolitik hänat eng zu- fammen die Frage des Zolltarifs. Wir wollen, daß das Problem besonders der Agrarzölle offen diéfutiert wird. Warum hindert man den Reichéwirtschaftsminister an der Bearbeitung dieses Problems? Natürlich nüten aber auch die besten Handelsverträge nichts, ohne Förderung der Warenerzeugung und Senkung der Warenpreise. Welches Hemmnis hier-die Kreditnot bedeutet, ist bekannt. Um so größere Bedenken erregt es, daß die Rentenbank-Kredit-Anstalt so gestaltet werden soll, daß eine weitere Erschawverung der Befriedigung des Kreditbedarfs anderer Wirtschaftszweige unvermeidlih erscheint. Der geplante Abbau der das Gewerbe belastenden Steuern ist unzulänglih, Das bezieht sich namentlich auf die Umsaßsteuer, besonders auf die Luxuésteuer und die Börsenumsabsteuer. Das gleiche gilt von den Frachhtsäben, die das Anterthalbfahe und mehr der Vorkriegs\äbe betragen. Die Warnung des Ministeriums vor einer Hochtreibung des Lohnniveaus findet gewiß in der heutiaen Notlage der Wirtschaft ihre Unterstüßung; indessen ist nit darüber Hinwegzukommen, daß die derzeitigen Löhne kaum- dem Lebens- haltungsinder entspreben. Im Rahmen der gesamten Handels- politi? ist besonders Bedabt zu nehmen auf die Stärkung des selbständigen gewerblichen Mittelstandes. Statt dessen läßt man u, daß der gewerbliche Mittelstand durch die wirtschaftliche Betätigung des MNMeichslandbundes auf das \ckchwerste gescbädigt wird. Der Reidcdslandbund erstrebt nicht nur die Erlangung der Herrschaft über die Ernährungswirts{aft, sondern darüber hinaus die Umgebung von Handel und Handwerk bei der Her- stellung und dem Vertrieb von Produktion8mitteln der Landwirtschaft. in Mangel an Aktivität tritt au zutage darin, daß die Negierung fih immer noch niht zur Aufhebung des Preistreibereirehts ent- {ließt. Gerade der Einzelhandel, den die Kriegögeseßgebung viel- fah zur Vershleuderung seiner Waren dezwungen hat, darf bean- \spruchen, daß man ihn endlih einmal in Nuhbe läßt. Wir verlangen die glatte und uneingeschränkte Aufhebung der überlebten Verord- nungen unter gleichzeitiger Einstellung der s{webenden Verfahren. Natürlich wird damit nicht bezweckt, daß die Kontrolle der Preis- bildung eingestellt wird. Wir haben namentlich nichts geaen eine energishe Anwendung der Kartellverordnung, die nah dieser Richtung weitgehende Möglichkeiten bietet. Dagegen stimmen wir nicht einem Abbau der Verwaltungsgerichtspflege zu; wir verlangen im Gegen- teil ihre Ausgestaltung. Es i} eine unerhörte Tatsache, daß das in Artikel 107 der Reichsverfassung vorgesehene Neichsverwaltunasgericht aus föderalistischen Gründen nticht errihtet werden kann Wo wir hinsehen, vermissen“wir die Führung in der Wirtschaftspolitik Wir fordern mehr Aktivität und wir versprechben der Regierung, daß wir ihr bei allen Schritlen zum Schuße der Wirtschaft folgen werden, mögen wir ihrer parteimäßigen Zusammenseßung und ihrer allgemeinen Politik mit noch so großen Bedenken gegenüberstehen. Denn wirt- \chaftlide Fragen dürfen nur sachlich behandelt werden. Die uns bewilligte Atempause ist kurz. Regierung, Reichstag und Wirtschaft mögen sich darüber klar sein, daß von threr intensiven Ausnübßung Wohl und Wehe der Zukunft abhängt. (Beifall bei den Demokraten.)

Abg. Drew i h- Berlin (Wirtsc{aftl. Vereinig.) tetont, daß wir in Deutschland Qualitätsarbeit brauchen, um überhaupt vorwärts zu Tommen. Da ift viel gesündiat worden, denn früher hieß es, mir brauhen Massenfabrikation. Die Gewerbefreiheit zeigt heute ganz bedentlibe Auwwüchse. Die Landwirtschaft darf den gewerbliden Mittelstand nicht vernick@ten, sonst geht es ihr später selter an den Kragen. Aber auch die Industrie macht dem gewerblichen Mittelstand

durch Einrichtung von Verkaufsstellen Konkurrenz. Der Nedner wendet sih auh gegen die Beamtenwirtschaftsvereine. Mit Sqm- pathietundgebungen der Regierung, so führt er aus, ist uns nicht ge- dient. Der Reichswirtschaftsminister muß sih endlich zu einer grund- legenden Aenderung der Gewerbeordnung bequemen Fallen die Mittelstands\chihten, fällt der feste Steuerzahler des Staates. Daher muß die steuerliche Üeberlastung aufhöref. Warum wird die Luxus- steuer nicht aufgehoben? Wir vermissen die Anhörung des gewerb- lichen Mittelstands bei der Vorbereitung der Handelsverträge. Durch Qualitätsarbeit schaffen wir wieder bodenstandige Elemente. Wir wollen dem Staate durchaus geten, was dem Staate gehört, aber die Belastung muß tragbar sein. Das gesamte Gewerbe muß durch Pflichtorganisationen erfaßt werden. An Strafgefangene darf keine Handwerkslehre erteilt werden, Bezüglich der Wuchergeseßgebung ist uns mit Sympathiekundgebungen des Ministers nicht gedient. Es ist unerhört, wenn ir diesen Tagen noch ein Gewerbetreibender wegen 40 Goldpfennigen zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt worden ift. Die Entlassung von Beamten wegen wirtschaftliter Betätigung wird vielfach parteiish gehandhabt: andererseits darf niht geduldet werden, daß Beamte sich während ihrer Dienstzeit wirtscaftlih betätigen Eine grundsäßlihe Aenderung der Gewerbeordnung ist daher er- forderlih, damit endlih einmal im demokratishen Staat auch das gleibe Recht zur Geltung konimt

Abg. Na u ch (Bayr. Vp.): Es bedarf eines stahlharten Erxistenz- willens, eines harmonishen Zusammenwirkens und praktischer Organt- sation, um unter den heutigen Verhältnissen die Wirtschaft wieder gesund zu machen. Die leßten Neste der Zwangswirtschaft müssen vershwinden. Die wirtschaftliche Geseßgebung muß sih den Ver- hältnissen anpassen. Der Medner fordert baldige Schaffung eines Handwerksgeseßzes und eines Kaufmannsgeseßes. Der Zusammen- \chluß von Zweigen der Wirtschaft zu Trusts darf nicht zur Schaffung eines Preismonopols führen. Eine Wirtschaftsoligarhie is untrag- har. Die Preispolitik der Kraft- und Elektrizitätswerke muß ein- mal genau geprüft werden. Die bayerische Eisenverbraucherschaft muß angesichts ihrer ungünstigen Frachtlage sorgfältige Beachtung der deutsch-französisckden Verhandlungen x

fordern. Herr Schmidt hat auf das Daniederliegen des obershlesischen Kobhlenbergbaues hingewiesen. Durch eine entsprechende Eisenbahnfrachtpolitik könnte sowohl Bayern als auch Oberschlesien geholfen werden. Wir hoffen, daß der Neichs- wirtschaftéminister in dieser Richtung auf die Reichsbahn einwirkt. Eine bloße fiskalishe Tarifpolitik der Reichsbahn wäre verderblich. Bezüglich der Ausführung der Sachleistungen an Frankreich weist der Nedner auf die Gefahr hin, daß sih weitere Firmen in der günstigen Frachtlage des beseßten Gebiets ansiedeln. Durch f Maßnahmen könnte da ein Ausgleich erfolgen. Auf dem Gebiete bér Stleuerpolitik hat die deuts Wirts- haft in den vergangenen 1% Fahren eine wahre Sintflut über sich ergehen lassen müssen; sie braucht nunmehr eine Pause im Anziéhen der Steuershraube. Bayerns Brauindustrie, die Weltruf genießt, darf durh die Brausteuer nicht erdrosselt werden. Eine solhe Steuer würde für Bayern zugleich den bitteren Beigeshmack einer Sondersteuer haben. Hochwertige Qualitätsn findet auf dem Weltmarkt überall ihre Abnehmer. Hi

deutschen Handwerks eine wibtige

gearbeitet werden. J

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Ls rio larIfart che

Insbesondere auf dem Gebiete des Beru bildungswesens warten unserer große Aufgaben. Das in Aussicht aestellte Berufsbildungsaesez begrüßen wir, fordern aber die Vorleaung des Handwerkeraeseßes. Die Beschwerden über unsach- liche Vergebung der öffentlichen Arbeiten müssen vershwinden. Dann wird der deutsche Handwerkerstand auch endlih aus der Neibe der Petenten ausscheiden. Durch ein Kaufmannsgeseß muß dem Handels- stande eine selbständige Grundlage gegeben werden. Auf Sauberkeit in den eigenen Reihen muß geseben werden. Die Anknüpfung von Wirtschaftsbeziehungen ist besonders wichtig. Asffsessoren sind dazu aber vielfah nicht die geeigneten Persönlichkeiten, sondern Kaufleute und Ingenieure. Unsere Produktion ist in erster Linie auf die Kauf- kraft des Vinnenmarkies angewiesen; sie ist der Negulator, der sich bei Flauheit des Auslandsmarktes automatisch einschaltet. Der Redner fordert vor allem auch den Schuß der Landwirtschaft. Die Lohnpolitik der deutschen Industriellen darf sickch nichi auf die augen- blikliche Macht stüßen, sondern muß. die sozialen Notwendigkeiten berücksichtigen.

Abg. Schröder -Mecklenburg (Deutschvölk. Vereinig.): Die heutige Wirtschaftslage darf niht unter dem optimistischen Gesichts- winkel betrachtet werden. Noch immer taslen wir troß der Mark- stabilisierung nach dem richtigen Wege zum Wiederaufbau. Die Passivität unserer Handelsbilanz und das Anwachsen dieser Passivi- tät sind ershrelend. In der die Ausfuhr so stark übersteigenden Einfuhr S fich große Mengen überflüssiger und Luxuswaren, in einem das Vockriegsverhältnis ganz unverhältnismäßig über- E Umfange. Unsere e Wirtschaft muß èben von Grund auf neu aufgebaut werden, weil eben alles zusammengebrochen ift. Der Reichsfinanzminister und der Neichswirtschaftsminister dürfen nicht durch ein die Wirtschaft erdrückendes E ps den Wieder- aufbau aufhalten oder verhindern; ihre Aufgabe ift es im Gegenteil, Steuern, die für die Wirtschaft untragbar geworden sind, zu be- seitigen, um die Wirtschaft wieder arbeitsfähig zu machen. Hier ist von der Meichsverwaltung in der leßten Zeit viel versäumt worden. Untex die bisherige Wirtschaf 8volitik muß ein gründlicher Strich gemacht werden; mit den Nesten der Zwangswirtschaft ist aufzuräumen. Noch immer nicht sind wir zu den guten alten Me- thoden der fkaufmännishen Kalkulation zurückgekehrt. Den aus- gezeichneten Bemerkungen der beiden Vorredner über die Laage des gewerblihen Mittelstandes kann ih mi einfach anschließen. Jedem Arbeiter das Seine, muß es heißen, aber niht jedem Arbeiter das Gleiche; wer mehr und Besseres leistet, muß besser belohnt werden. Darum treten wir auch ein fie die Förderung aller Bestrebungen, deutshe Qualitätsarbeit zu |chaffen; unsere Handelsbilanz wieder aïtiv zu gestalten, wird eine der s{chwierigsten Aufgaben scin, die Deutschland zu lösen hat, denn der Weltmarkt it für Deutschland kleinec geworden; mit der Anspannung der Erportindustrie allein ist es niht getan. Der innere Markt Bedarf der gleichen intensivsten Förderung. Vor allem muß der Landwirtschaft entaecgengekommen werden. Leider haben die Dawes-Gesete die deutshe Wirtschaft der deutshen Gesebßgebung fast vollständig entzogen, und die nacteiligen Wirkungen diefer wirts{aftliden Depossedierung machen si in der Frachtenpolitik der Reichsbahngesellschaft bereits nur zu sehr be- merêtbar., Es rächt sich jeßt bitter, daß Deutschland seine Hoheits- rechte aus der Hand gegeben hat; wir können die Schlußfolgerungen, die der Reichswirtschastsminister aus diesem tragishen Taibestand gezogen hat, keineswegs als rihtig anerkennen

Hierauf vertagt sich das Haus. Nächste Sißzung Montag 2 Uhr (Fortseßung der ersten Lesung der Steuer- und Auf= wertungsvorlage).

Schluß 6 Uhr.

Parlamentarische Nachrichten.

Im Haushaltsaus\chuß des Reichstags warde vorgestern die Beratung des Etats des Reichsministeriums [gs Ernährung und Landwirtschaft fortgeseßt. Abg.

athilde W urm (Soz.) wies, laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger, darauf hin, daß im Jahre 1920 mehr als 100 000 Menschen an Tuberkulose zugrunde gegangen sind als Folge der s{lechten Crnährungswverhältnisse. Sie verlangte des- halb eine Aktion zur Verbilligung von Milch und anderen Nahrungs- mitteln und das Nichtwiedereinführen des § 12 des Fleisbeschau- gesebes. Abg. Gerauer (Bayr. Vp.) wandte sich aeaen die Freigabe

Einfuhr von Erzeugnissen, die die heimische Landwirtschaft, den Obst- und Weinbau schwer schädigen. Der spanisce f A sei ein Musterbeispiel verkehrter Handelsvertragspolitik. Zugunsten einzelner Exportindustrien \{ädige er das wichtige landwirtschaftliche Gewerbe. Das habe ein schweres Jahr hinter sih. Der süddeutsche Bauer sei inébesondere durch die Leberegelseucbe geschädigt. Die Steuer- belastung müsse gemildert, der Kartoffelbau gestüßt werden. Der süd- deutsche Zuckerrübenbau leide an Arbeitermangel. Die Grünland- bewegung verdiene die Förderung durh das Ministerium. Der Stik-

stoff sei zu verbilligen, ebenso wie die anderen künstlichen Dünge- mitiel. Abg. Korel l (Dem.) verlangte im Interesse der physischen und sozialen Gesundheit des deutsben Volkes Stärkung und Vers mehrung der landbebauenden Bevölkerung. Dazu gehöre eine eins gehende Prüfung der Frage, ob der Getreidebau dur geeignete Schußz- lle wirkli langafristia gekräftigt werden könnte. Lasse sih diese Frage bejahen, werde er für Getre1idezölle stimmen. Jn seiner Heimat seien die Obst- und Gemüsezüchter techmisch auf außerordentlicher Höhe; leider fehle noch die Typisierung der Erzeugnisse; die Vielheit der Sorten verhindere den rjand. Er bitte, seinem Antrage zu entsprechen und eine Reichskonfereng für den Obst. und Gemüsebcu e Klärung dieser Fragen einzuberufen und "damit eine Propaganda ür inländisches Obst zu verbinden. Der deutshe Rotweinbau könne sich eine Auëdehnung um so weniger leisten, je mehr für den deutschen Weifßzweinbau geworben werde. Der Redner ersuchte, die Sommerzett nicht wieder einzuführen. Die Pachtschutzfrist sei zu verlängern. Die Pachizinsen seien für die kleinen Pächter zu bo; die Bieter stünden noch unter der Inflationshypnose. Abg. Me yee r - Hannover (Wirt- chaftl. Va.) forderte, daß das Reichsministerium für Ernährung und vandwirtschaft mehr zu einem Landwirtschaftsministerium aus2ebaut werden solle, in dem beispielsweise auch das Siecdlungswesen in den Geschäftëöbereich " des Ministeriums einbezogen werden möge. Die hohen Preise für L-bensmittel, über die so viel geklagt würde, be- ruhten auf der großen Cpanmung zwishen Erzeugerpreis und Ver- braucherpreis, die wiederum zurückzuführen sei auf eine zu streng an- gespannte Frachtpolitik; insbesondere leiste hierbei die Umsaßsteuer Berheerendes. Nedner wandte sich dann gegen die Pferdeeinfuhr, die er als Datastrophal für die deutsche Pferdezucht bezeichnete. Der kleine Landwirt könne \ih keine kostspieligen Motoren leisten, deshalb habe troß allem Automobilbau die deutsche Pserdezuht noch eine Zukunft. Jtedner {loß mt dem Wunsche, doß eine gesunde Zollshußpolitik die deutsche Landwirtschaft nach Möglichkeit unabhängig vom Auslande machen solle. Abg. Dr. Cr - Mümnzebrock (Zentr.) hielt vor allem zur Förderung des Siecdlungêwesens die Flüssigmachung von Krediten für notwendig. Betreffs der allgemeinen Lage der det Landwirtschaft erklärte der Redner, daß die Lantwirtshaft sid augen- blicklih in einer Aararkrise befinde, wie wir sie unter Caprivi nit gehabt hätten. Der Weg von dieser Agrarkrise bis zur Agrarkatastrophe sei mcht weit. England habe i, wie leit ein bodenständiger Bauernstamm vernichtet, wie s{twer aber eine neue Bauernschaft auf» zubauen sei. Da für den deutsGen Tkleinen und mittleren ung die wichtigste Eristenzbasis bilde, so eb und tierisde Produkle ni&t unler

s R T e ee { A A Bt werden. Hierauf vertagte sich der

Aa LAE JCZeigt,

__ Der Barmat-Aus\chuß des Neichsbags beschäftiate sich vorgestern in einer Sibunz mit seinem Arbei lan für die nächite Zeit. Es wurde beschlossen, zunächst die Angelegenheit der Reichssett- [telle zu erledige Dazu sollen als Zeugen vernommen werden Thiele» Hamburg, Direktor Fleis{mann - Hamburg, Kauf- mann Theodor Li nd - Hamburg, S ch1w o o n -Hambura Ha rms- Holland (auf dem Wege der Nechtshilfe), Prit\chow und Direktor Staudinger. Unmittelbar 1m Arschluß an diese Zeugen- vernehmungen foll der Fall der „Dema“ aufgeklärt werden. Dazu lind zunächst zu vernehmen Reichskanzler a. D. Bauer, Geheimra# Heiman n - Berlin, Nobert A ß mann von der Ein- und Verkaufs genossenschaft deutscher Konsumvereine, Hamburg, Direktor Adalbert Lewin - Berlin, Hugo Da wn - Spandau. Die Beschlußfassung über die Beweisaufnahme in Sachen der Reichspostkredite soll zurü gestellt werden, bis die Frage der Eröffnung des gerichtlichen Haupt- verfahrens geflärt ist. Die Staatsanwaltschaft hat starke Bedenken geaen eine óffentlihe Betceiserhebung in dieser Angelegenheit ge- außert, Der Vorsitende, Abg. S nger (Soz.), sprach die Ér- E or daß der Ausshuß allerspätestens Anfana Juni die Unters Muna »gec\chlossen baben werb, Q :- Cituria Yas 1 f N M e e n E M der Sißuna fam ein, Brief " el L L R TULEI AOTUIDeCreine zur Berlelung tin den ausgeführt wird, Barmat habe zu Unrecht behauptet, daß er während dos Krieges fast auêss{ließlid an Konsumvereine geliefert habe. Solche Lieferungen seien während der Kriegszeit ganz unmögli ges r weil die R EE damals nur Verkaufsvermittler der YXmeinden waren. Eine Umfraae habe eraeben ; ch d Krieae nur ein dem cit L E e s “hans ias eOE „ein dem Zentralverband melSlollener Ronjumbveretn Geschäfte mit Barmat gemacht habe. Die nächste Sikuna des Ausschusses dürfte voraus\ibtlich am 11. oder 12. Mai tattf unden.

Im NReichstagsaus\chuß für soziale An- elegenheiten wurde in der vorgestrigen Sitzung zunächst ein Se ebentwurf über den Verwaltungsrat des Internatigqs-

nalen Arbei t8amts beraten. Meichsarbeitsminister Dr. Brauns erläuterte, dem Nackrichtenbüro des Verins deutscher Zeitungsverleger zufolge, den Geseßentwurf. Das önternationale Arbeitsamkt, das eines der Organe des im Vertrage von Versailles geschaffenen Internationalen Arbeitsverbandes ist, steht untec dec Leitung eines aus 24 Mitgliedern bestehenden Verwaltungsrats, von denen 12 Negierungsvertreter und je 6 Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer sind. Von 12 auf die Negierungen entfallenden Siben werden 8 von den Hauptindulstriestaaten eingenommen: die übrigen 4 Negierungsvertreter ebenso wie die Vertreter der Ärbeit- geber und Arbeitnehmer werden alle drei Jahre in der Haupts versammlung des Internationa!en Arbeitsverbandes gewählt Da bet der ersten Wahl des Verwaltvngsrats im Jahre 1919 die euroväisdhen Staaten eine weitaus überwiegende Vertretung erhielten, erhoben die außereuropäishen Staaten Hieraegen Einspruch und drängten seitdem auf eine bessere Vertretuna im Verwaltungsrat. Um diesem Drängen nachzugeben, hat die Haurtversammlung des Internationalen Arbeits- verbandes eine Erhöhurg der Zahl der Siße im Verwaltungsratb vorgesehen, wodurch sicbergestellt wird, daß auch die außereuropäishen Staaten eine arößere Vertretung im Verwaltungsrat erhalten. Zur- zeit besißt Deutschland als einer der Hauptindustriestaaten einen Regierunasvertreter im Verwaltungsrat und wird ferner dur einen ordentlichen Vertreter der Arbeitnehmer und ein stellvertretendes Mit- alied der Arbeitgeber vertreten. Der Siß eines ordentlichen Arbeikt- gebervertreters, den 4. B. Ftrankreih und Großbritannien innehaben, fehlt ihm noch. Die vorgesehene Vermehrung der Sibe für Arbeit- geberbertreter Fönnte die Möglichkeit bieten, die Vertretung nah dieser Nichtung zu vervollständigen. Die vorhin erwähnte Erhöhung der Zahl der Sitbe im Verwaltungsrat kann jedo erst rechtswirksam werden, „wenn sie von den Staaten, deren Vertreter den Nat des Völkerbundes bilden, und von drei Vierteln der Mitaliedsstaaten ratifiziert worden ist". (Art. 422 Versailler Vertrag.) Da Deuts{- land dem Internationalen Arbeitsverband anaechört, ersien dem Minister die Ratifizierung des Abänderunasbes{lusses angezeigt. Der Gesetzentwurf enthält ledialih die Zustimmung Deutschlands zu dem erwähnten Abänderungsbes{hluß. Im Ans&luß an den Geseß- entwurf über den Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamts wurden au noch Geseßentwürfe, betreffend vas Washingtoner Uebereinkommen über die Arbeitslosigkeit, betr. das Genueser Uebereinkommen über die Stellen- vermittlung für Seeleute, und s{ließlih betr. die Gênfer Vebereinkommen über das Vereins- und Koalitionsrecht der landwirtschaftlihen Arbeiter und über die Ent- schädigung der Landarbeiter bei Arbeitsunfällen durcbagesprochen. Hierbei legte der Reichsarbeitsminister die grund- \säklibe Stellunanahme der Neichsregieruna zur Natifizierung inter- nationaler Arbeitsübereinkommen dar. Nachdem er die deutscen Wünsche nah Einführung der deutsben Sprache als Amtssyracbe und Vermehrung des deutshen Personals beim Internationalen Arbe;!s- amt erörtert hatte, besprach er die Aufsichtsbefuanisse der Internatio- nalen Arbeitsorganisation bei Dur{führung ratifizierter Ueberein- kommen. Dabei feien zwei Fälle zu unters®deiden: Bes{were sich ein Berufsverband, so habe der Verwaltunasrat des Internationa"en Arbeitsamts die Befuanis nicht die Vervflichtuna die Be- {werde der Neaieruna zu übermitteln und sie um eine Erklärnng zu ersuchen. Gebe eine Erfkläruna nicht ein oder halte der Ver- waltunagsrat die einaeaangene nicht für aenügend. so fönne er die Beschwerde und die Antwort veröffentliben Damit i in diesem Falle das Bes{werdeverfahren erledint. Wenn hingeaen nit ein Berufsverband, sondern ein anderer Mitagliedstaat oder ein Vertreter

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