1903 / 35 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 10 Feb 1903 18:00:01 GMT) scan diff

wie die verbündeten Regierungen zu diesen Jnitiativanträgen stehen, und weil ich namentlich niht weiß, wie sie sich in Zukunft zu den- jenigen Jnitiativanträgen stellen werden, denen gegenüber sie bisher eine ablehnende Stellung eingenommen haben. Aber auf einen Punkt möchte ih doch eingehen: den Antrag, jugendlichen Arbeitern zu ver-. bieten, daß sie Arbeit mit nach Hause nehmen. Meine Herren, wir haben hier {on einen ähnlihen Versuch gemaht mit einem Gesetz, das wir felbst vorgelegt haben. Aber auch damals war im hohen Hause die Stimmung außerordentli geteilt darüber, ob die Vorschriften, die wir vorgeschlagen hatten, überhaupt ausführbar seien. Mir will es \heinen, daß auch dieser Vorschlag, der jeßt in Form eines Fnitiativ- antrages gemacht ist, so gut gemeint er auh sein mag, doch kaum ausführbar sein wird. Wie wollen Sie verhindern, wenn Sie einem Arbeitgeber verbieten, jugendlichen Personen Arbeit mit nah Hause zu geben, daß die erwahsenen Personen diese Arbeit mit nah Hause nehmen (Zustimmung rechts) und dann durch die jugendlichen Per- sonen diese Arbeit ausführen lassen? Meine Herren, ich will mich gern belehren lassen; ich sehe aber zunächst in diesem Antrage kein Mittel, um den an sich gewiß lobens8werten Zweck zu erreichen. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, es is gestern seitens eines der Herren Redner auch die Frage der Erhebungen über das Handwerkergeseß vom 26. Juli 1897 berührt worden. Zur Vorbereitung dieser Erhebungen sind unter Mitwirkung des Statistishen Amts und unter Zuziehung von Sachverständigen aus Handwerkerkreisen 7 Fragebogen ausgearbeitet, die den freien Innungen, den Zwangsinnungen, den Innungsaus- schüssen, den Innungsverbänden, den höheren Verwaltungsbehörden und den Landeszentralbehörden zur Beantwortung zugegangen sind. Als Stichtag für eine Reihe zahlenmäßiger Angaben ist in diesen Fragebogen der 25. Oktober d. J. gewählt; die Fragebogen im ganzen sollen aber erst beantwortet und eingeshickt werden im Jahre 1904, weil in der Tat für manche Einrichtungen, die das Handwerkergesetz mit si gebracht, die abgelaufene Zeit noch zu kurz ist, um bisher ausreichende Erfahrungen zu sammeln

Hierbei komme ich auf den Befähigungsnahweis der Bauhand- werker zu \sprehen. Auch darüber, meine Herren, haben wir bekanntli Erhebungen angestellt. Zur Herbeiführung einer gutachtlihen Aeußerung der Handwerkskammern über die Frage der Einführung und Ge- staltung des Befähigungsnahweises für das Baugewerbe ist zunächst seitens der beteiligten preußishen Herren Minister ein Fragebogen auf- gestellt und unter dem 12. Februar v. J. den Handwerkskammern über- sandt worden. Dieser selbe Fragebogen if durch Rundschreiben au den fämtlihen verbündeten Regierungen mitgeteilt mit der Bitte, auch ihrerseits ähnlihe Erhebungen anzustellen. Es hat \ich dabei aber ges zeigt, daß eine ganze Anzahl der Handwerkskammern ihre Gutachten erstattet haben nah Maßgabe einer vou dem Innungêverbande deutscher Baugewerkêsmeister ihnen empfohlenen Beantwortung. (Hört, bört! links.) Meine Herren, das war nicht der Zweck der Erhebungen. (Heiterkeit links.) Wenn wir cine Enquete anstellen, dann wollen wir doch, daß wir aus dem selbständigen Urteil und der eigenen Erfahrung der einzelnen Verbände herausbören, wie \sch in ibrem lokalen Bezirk die Verhältnisse entwickelt haben, welche Ansichten fie hierbei gefaßt haben, und welche Tatsachen sie zu ihrer Auf- faung führten. Wenn aber von einer Zentralstelle, ähnli, wie das bei Petitionen vielfah ges{icht, ein Formular für die Beantwortung vershickt wird, was uns dann in einer Anzahl von Eremplaren wieder zugeht, meine Herren, so muß ih doch sagen, verliert eine solde Er- hebung für uns jeden Wert. (Sehr richtig! links.) Der Herr Handelsminister hat das auch gegenüber den preußischen Handwerks- kammern gerügt und verlangt, daß dieselben nach eigenem Urteile und niht nach einem ihnen vorgeschriebenen Nezept diese Beantwortung vornehmen sollten. (Zuruf links.) Auf Namen kommt es bierbei gar nit an; es handelt sih hier nur um den Erfolg der Sache.

Ich werde nachher noch über den allgemeinen Befähigungsnachweis sprehen, wenn ih die Ehre haben werde, mi zu den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Oertel zu wenden. Von einer Neibe von Staaten sind die Antworten auf unsere Anfrage über den Befähigungs- nahweis im Baugewerbe überhaupt noch nicht eingegangen. Aber das muß ih doch schon jeßt sagen: so einfach liegt au die Befäbigungéfrage für das Bauhandwerk nicht, wie viele meinen. Die große Schwierigkeit liegt meines Erachtens vor allem îin der Vielseitigkeit des Baugewerbes. Nehmen Sie an die Verschiedenheit der notwendigen Befähigung für ten, der eine Brücke über einen Fluß oder über einen Graben, der ein großes Warenhaus oder eine Scheune, ein einfaches Landhaus oder cine große Fabrik baut. Den Besähigungönachweis nach diesen verschiedenen Gebieten des Baugewerbes zu regulieren, wird eine außerst schrwierige Sache scin. Die Frage also, ob eine solde Vor- \chrift zu erlassen, ist seitens der verbündeten Regierungen noch lange niht entschieden. Jh kann aber dem Herrn Abg. Dr. Oertel ver- fichern, daß wir sie mit Ernst prüfen werden, wenn wir alle Aeußerungen seitens der verbündeten Regierungen und der beteiligten Verbände erhalten baben.

Es ift vorgeflern au hingewiesen auf die Stcllung der Privat- beamten einerseits in Bezug auf die Invalidenversicherung, anderer- seits in Bezug auf den Arbeitershuy. Was die Jnvalidenversicherung der Privatbeamten betrifft, so sind diejenigen Privatbceamten, die kein größeres Einkommen als 2000 „M haben, schon jet in das Invaliden- verficherungsgesey zwangöweise inbegriffen, und diejenigen, die über 2000 „A Einkommen haben, können sich jederzeit freiwillig versichern. Ich glaube, damit ift in der Tat dieser Kategorie die Möglichkeit gewährt, ihr künftiges Lebenslos zu fichern. Was aber den Arbeiter- shuy der Privatbeamten betrifft, so habe ih mi zunädhst mit dem preußischen Herrn Justizminister, der dabei sehr beteiligt ift für die Hilföbeamien der Rechisamwälte, Gerichtöbeamien usw. in Verbin- dung geseyt. Es hat sich aber, soweit die Verhandlungen bis jeyt geiührt sind, schon gezeigt, wie sch{hwierig die Regelung auth dieser Frage ist, weil die Stellung der Privatheamten nab der Art ihrer Beschäftigung und der Stellen, wo sie beschäftigt werten, sehr eng ¡zasammenflicht mit der amtlichen Tätigkeit der betreffenden Behörden. Auth in dieser Frage läßt sich die Entscheidung noch nicht übersehen.

Meine Herren, es isl ferner vorgestern mitgeteilt, ela Arbeitgeber ia der Provinz habe sich dahia geäußert, die Erhebung, die seitens des Herrn Reichéslanilers bezicheatlih des Nelchsamts des Fnnern über die Acbeltäzeit der Frauen angeslellt sel, wäre nit so erni gemeiat, sie sei nur eine Art Kulisse; man habe an der betrefenten Stelle des Reichs gar niéhi die ernile Alsibi, dne Ver-

ih bin hierbei aufgefordert worden, den „Geheimerlaß“ vorzulegen, den ih in dieser Frage erlassen habe. Ih tue das sehr gern und will nachher noh auf einen zweiten „Geheimerlaß“ zurückfommen. Meine Herren, ich bitte Sie aber, nicht auf jeden derartigen amtlichen Schriftwechsel den Ausdruck „Geheimerlaß“ anzuwenden. Die Be- hörden können doch nicht jeden amtlihen Schriftwehsel in den Zei- tungen veröffentlichen; daraus folgt aber noch lange nit, daß das, was darin steht, die Oeffentlichkeit zu scheuen hätte, und so ist es auch bei diesem Erlaß, den ich ausdrücklich vorlesen will. In diesem Erlaß heißt es wörtlich: In meinem Schreiben vom 26. Oktober 1900 VI. 3314 habe ich mir vorbehalten, neben den regelmäßigen Jahresberichten der Gewerbeaufsihtsbeamten Sonderberichte über einzelne sozial- politi\ch _ besonders wichtige Fragen zu erbitten. Nach Lage der Verhältnisse erscheint es mir wünschenswert, daß für das Jahr 1902 die Dauer der täglichen Arbeitszeit der in Fabriken und den diesen gleichgestellten Anlagen beschäftigten Arbeiterinnen über 16 Jahre, sowie “die Zweckmäßigkeit und Durchführbarkeit einer weiteren Herabseßung der gegenwärtig zulässigen Dauer der täglihen Arbeitszeit der Arbeiterinnen 137 der Gewerbe- ordnung) einer zusammenhängenden eingehenderen Erörterung nah Maßgabe * des beigefügten Frageblatts mit Ueber- \sihtsmuster unterzogen werden. Es darf angenommen werden, daß das hierdurch gewonnene Material in Verbindung mit den Ergebnissen der für das Berichtsjahr 1899 angestellten Erhebungen über die Beschäftigung verheirateter Frauen in den Fabriken geeignet sein wird, die Stellungnahme zu den Bestrebungen, welche auf die Ein- führung des 10stündigen Arbeitstages für Arbeiterinnen über 16 Jahre gerichtet sind, wesentlih zu erleihtern. Dann ist ein Schema für die Beantwortung der Fragen und eine weitere Neiße von Gesichtspunkten für die Erörterung der Dauer der Arbeitszeit der in den Fabriken bes{chäftigten Arbeiterinnen beigefügt. Dabei finden sich am Schluß unter Nr. 3 folgende Fragen ich kann Ihnen das nicht alles vorlesen, das würde Sie ermüden —: Erscheint es zweckmäßig und durchführbar, a. die nah § 137 Abs. 2 der Gewerbeordnung zulassige tägliche Arbeitszeit von 11 auf 10 Stunden herabzuseßen, b. die nah § 137 Abs. 3 zu gewährende Mittagspause von 1 auf 1X Stunden zu verlängern, c. den Arbeits- {luß an Sonnabenden und Vorabenden der Festtage auf eine frühere Stunde als 5} Uhr Nachmittags zu verlegen und auf welhe? Oder besteben zu a. bis c. Bedenken entgegen, und welche, und zwar allgemein oder nur für einzelne Betrieb3zweige ?

Also eine ganz objektive Erhebung, die uns das Material zu einer ganz objektiven Entscheidung bieten soll. Als durch die Zeitungen die Nachricht ging, daß ein Industrieller eine dahin gehende Aeußerung getan hätte, diese Erhebung sei keine ernste, man beabsihtige gar nicht, eine solhe Maßregel zu ergreifen, habe ih mich sofort an den Herrn Handelsminister mit der Bitte gewendet, diese Nachricht festzu- stellen. Die mir von dem Herrn Handelsminijter gewordene Antwort lautet dahin, daß eine solche Aeußerung nit gefallen sei, und jeder, der diesen Erlaß, den ih ins Land geshickt habe, liest, wie ih ihn Ihnen jeßt vorgelesen habe, muß ehrliherweise sagen, daß in diesem Erlaß auch nicht die Spur eines Anhalts für irgend jemand liegt, um anzunehmen, wir hätten beabsichtigt, hier nur eine Kulisse vorzu- shieben und niht eine chrlihe Erhebung anzustellen. Ich glaube, meine Herren, damit dürfte diese Frage erledigt sein.

Ich möchte zur Frage der Berihte der Gewerbeaufsihtsbeamten übergehen. Auch da war von einem „Geheimerlaß* die Rede, den ih aber in der Sißung am 23. Januar 1902 in allen seinen wesent- lichen Teilen ausdrüdcklich vorgelesen habe. Ich babe dort insbesondere folgende Stellen des Erlasses angeführt:

Wenn hiernach erwartet werden darf, daß der Inhalt des Jahresberichts im allgemeinen eine wesentlihe Kürzung erfahren wird - ih werde über die Kürzunz danah noch sprechen! —, so behalte ih mir anderseits vor, in der Art, wie dies bereits wiederholt geshehen ift, einzelne Gebiete, wie die allge- meine Volksernährung, Kinderarbeit, Frauenarbeit, allgemeine Wohblfahrtseinrichtungen zu bezeichGnen, über die für das Berichtsjahr eine besonders ausführliche und umfassende Berichterstattung von den aufsihtsbeamten gewünscht wird.

Meine Herren, die Gewerkeaufsichtsbeamten baben na den Bestimmungen der Gewerbeordnung niht Gesetßzesvorshläge zu machen; sie sollen vielmehr nah dem Wortlaut der Gewerbeordnung uber ihre amtliche Tätigkeit berichten, d. h. sie sollen über die Tatsachen berichten, die sie bei der Inspektion wahrgenommen haben. Wir hatten die Erfahrung gemacht, daß in den Berichten einzelner Gewerbeaufsichtsbeamten weniger liber Tatsacben be- rihtet wurde, dagegen lange allgemeine sozialpolitiste Er- örterungen fsih fanden. Ich glaube aber, das ganze Haus wird mit mir darin cinig sein, die Hauptsaße für den Gewerbe- aufsichtöbeamten ist nicht, daß er in seinem Bureau sozialpolitische Erörterungen s{hreibt die können wir auvch anstellen —, sondern daß er möglichst oft in die Fabriken geht und fesistellt, ob der Zu- stand der Fabriken den geseylihen Anordnungen entsprechend ist, die zum Schuhe des Lebens, der Sittlichkeit und der Gesundheit ter Arbeiter erlassen sind. (Sehr wahr! rets und links.) Uns, meine Herren, kommt es nur auf Tatsachen on. Jh habe immer erklärt, ih will keine Fiktionen im öffentlichen Leben, ich will, daß die Ge- werbeaufsihtebeamten die Tatsachen, die sie finden, eingehend unkd furhilos darstellen, und sie können selbsiverständlih aub dabei diese Tatsachen in Vergleich ziehen mit den Vorschriften, die in der be- treffenden Richtung bestehea; darauf haben sie dann ihr Urteil zu sâllen, was geschehen ist und was noh zu geschehen hat

Daß von dieser Stelle aus Ninerlei Einfluß acubt il, um cine objeftive Aeußerung des Gewerbeaufsichtöbeamten irgendwie zu be- shränken, ergibt sich \{chon, wenn Sie die Berichte aus den ver- schiedenen Ländern nur in die Hand nehmen. Sie werden daun sébea, welche verschiedene Stärke diese Berichte haben. Das hängt eben von der Individualität der Gewerbeaussichtöbeamten selbt ab. Der eine faßt sich kürzer, der andere ist weitshweifiger.

Ich kann Jhaen noh andere Beweise dafür anführen, dak i in der Tat die Gewerbeaufsicht als eine außerotdentlih ernste Angelegen- heit ansehe. Auch mir ist es ausgzefailen ih habe das schon eln- mal im Reichstage erflärt dah manchmal die Bestrafungen wegen Vergehens gegen die Schayvorschriflen der Gewerbeordnung ganz

Gewerbe-

fützang der Acbeitézelt der Frauen herbeizaführen. Meine Herten,

außerordentlich niedrig zu sein scheinen. Ih knlvfe daran kein Urteil :

etwas näher kennen zu lernen. In demselben Erlaß vom 17. April 1902 heißt es daher folgendermaßen :

Daneben ist es mit Rücksicht auf vielfahe Verhandlungen im Reichstage, insbesondere au auf die am 14. Januar 1901 (Steno, graphische Berichte S. 674 B) von mir abgegebene Erklärung er. wünscht, daß die tabellarishen Nachweisungen über die zur Kenntnis der Aufsichtsbeamten| gelangten Bestrafungen wegen ‘Zuwiderband, lungen gegen die Arbeitershußbestimmungen neben den zusammen- fassenden Nachweisen, welche die Tabellen II1 und IV der Jahresberichte hinsihtlih eines Teils dieser Bestrafungen regelmäßig bieten, zunächst für das laufende Jahr in eingehenderer Weise bearbeitet werden. Wie das beifolgende Muster erkennen läßt, handelt es sih darum, die wesentlichen Tatbestandsmerkmale der Einzelfälle unter Angabe der verleßten Bestimmungen und des sachlichen Kerns der Entscheidungen kurz nadzuweisen. Damit die Uebersicht über die Bestrafungen möglichst vollständig wird, möchte es sih empfehlen, etwa erlassene Bestimmungen über die Mitteilung von - solhen Bestrafungen an die Gewerbeaufsichtsbeamten den hierzu verpflihteten Behörden in Erinnerung zu bringen.

Und, meine Herren, dieser Erlaß {ließt mit den Worten :

Hiernah beehre ih mich zu ersuchen, die Gewerbeaufsichts- beamten für das laufende Berichtsjahr mit der eingehenden Bericht- erstattung über die bezeihneten Sonderfragen nah näherer Anleitung der Anlagen zu beauftragen.

Und es heißt weiter :

Soweit die Berichterstatter zur Erörterung weiterer, auf die Angelegenheit bezügliher Fragen auf Grund ihrer Erfahrungen Veranlassung finden, wird eine entsprehende Erweiterung der Be- richterstattung erwünscht sein.

Also, meine Herren, daß meinerseits niht dazu beigetragen ist, die objektiven Aeußerungen der Gewerbeaufsihtsbeamten irgendwie zu beschränken, davon werden Sie wohl nah Verlesung dieses Urkunden- materials sich reichlich überzeugt haben.

Es ist gestern auch die Stellung der Arbeitersekretäre berührt worden. Jch glaube, ih habe hier die Auffassung über die Bedeutung der Vorschriften der Gewerbeordnung über die Stellung der Arbeiter- sekretäre in wiederholten Reden so klar gestellt, daß ih mich nit zu wiederholen brauhe. Aber da, wo eine rechtskräftige Verurteilung er- gangen ist, kann selbstverständlichß die Verwaltungsbehörde und die politishe Behörde nihts mehr tun; da kann allenfalls nur, wenn der Betreffende glaubt, daß er zu unrecht bestraft ist, der Weg der Gnade angerüfen werden.

Meine Herren, was speziell den Verkehr der Gewerbeauf\ichts- beamten mit den Arbeitern anlangt, so sind von dieser Stelle aus nie Anordnungen in irgend welcher Beziehung erlassen worden. Ih stehe auf dem Standpunkte, daß da, wo Arbeiter in geseßlichen Formen ihre Berufsinteressen vertreten, sie auch voll gehört werden müssen. (Sehr wahr! links.) Jch habe deshalb gar keinen Anstand genommen, seitens des Reichsamts des Innern zu dem Kongreß der Gewerkvereine in Stuttgart einen Kommissarius zu \{chicken, und mit meiner ausdrücklihen Zustimmung is die arbeiter- statistishe Abteilung des Reichsversicherungsamts auch * mit den organisierten Gewerkvereinen in Verbindung getreten, um auch von ihnen das Material zu erhalten, was für die Beurteilung des Arbeitsmarktes wichtig ist und was in der Zeitschrift verwendet werden soll, die jenes Amt über die Arbeiterverbältnisse herausgeben wird.

Vorgestern is auch die Frage, betreffend die Verwendung von Bleifarben, erörtert. Jh gestatte mir, dazu zu bemerken, daß die Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der Bleifarben- und Bleizuckerfabriken, einer Abänderung unterworfen werden soll; dieselbe ist nahezu fertig gestellt und wird in allernätster Zeit dem Bundesrat zugeben.

Ebenso ist in Angriff genommen eine Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb von Bleibütten. Es ist richtig, wie ih das vermittels des Auswärtigen Amts habe feststellen lassen, daß die französishen Behörden, insbesondere der Minister des Innern, der Kriegs- und Finanzminister im Oktober 1901 durch Nundscbreiben angeordnet haben, daß im Bereih ihrer Messorts bei Maler- arbeiten die Bleiweißfarben durch Zinkweiß erseßt werden sollen. Es i ferner rihtig, daß den französishen geseÿgebenden Körperschaften ein Gesetz vorliegt, was aber meines Wissens noch nit verabschiedet ist, dahin gehend, daß Bleiweiß im Zeitraum von 3 Jahren vom Erlaß des Gesehes ab im Innern von Gebäuden nicht mehr ver- wendet werden soll, und wodurh ferner der Handeléminister bevoll- mächtigt wird, nachdem er eine Gewcrbekommission gutachtlih ge- hört hat, das gleiche Verbot auch für das Aeußere von Gebäuden zu erlassen.

Ih habe mih mit den Nessorts im Reiche und in Preußen wegen einer gleichen Anordnung in Verbindung gesetzt, habe aber die Antwort erhalten, daß cin derartiges Verbot weder tehnisch noch wirtschaftlich möglih erscheine (hört, hört! rets) und daß bisher, soweit fiskalishe Anlagen in Frage kämen, Uebelstände aus der Ver- wendung von Bleiweiß nicht hervorgetreten seien. Man kann si ja über dicse Frage später noch weiter unterhalten.

Es ift ferner auf die sleigenden Unfälle in ter Landwirtschaft dingewiesen worden. Wenn Sie gefälligst die Statistik der Beruss- genofsenshaften ansehen wollen, so werden Sie finden, daß die Totes- fälle fast konstant geblieben, ebenso die Fälle dauernder Erwerbsunfähig- leit; daß aber freilich die Fälle der teilweisen oder vorübergehenden Erwerdsunfähigkeit nicht unerheblich gestiegen sind. Jch schreibe diese Zunahme der Unfälle einem ziemlich natürlichen Umstande zu. Bei den fnappen Arbeitskräften ift die Landwirtschaft, selbi die kleinere, immer mehr genötigt, mit der Maschine zu arbeiten, und je mehr diese eingeführt wird, deslo mehr ist die Möglichkeit gegeben, dah Un- fâlle vorkommen. Aber wenn die Fälle der leichteren und der vor- übergehenden Erwerbsunfähigkeit so erheblich zunehmen, so können Sic sich darauf verlassen, daß das auch daran liegt, daß die Kenntnis tes Gescyes immer mehr in diese Schichten eindringt (sehr richtig!) und jeder, auch der fleinsle Unfall zum Gegensiand eines Vergütungs- anspruhs gemacht wird. Immerhin soll eia erneuter, keästiger Eix- fluß auf die Berufsgenossenschaften geübt werten, dak sie die Sihe- rung#vorschriften mehr als bisher einführen.

Ich mêéchie nun noch mit ein paar Worten auf die Frage der Müttelsiandspolitik kommen. Meine Aeußerungen, die heute der Herr Abg. Oertel zum Gegenstand einer längeren Ausführung gemacht hat, {lossen sich zunächsi aa die Froge des allgemeinen Besühigunsk- nachweises an. Es muß doch Herr Oertel darin mit mir einverstanden

ia habe jedoch den Wansch gehabt, ciamal die sahlithen Grundlagen

sein, daß das, was nichi mehr zu beleben ist, auch nicht mehr belebt

werden kann. Er is mit mir nur darin verschiedener Ansicht, was überhaupt noch belebt werden kann und was nicht. Also, meine Aeußerungen bezogen sich nur auf den allgemeinen Befähigungs- nahweis.

Der Herr Abg. Jacobskötter, ein konservativer Mann und selbst im Handwerk stehend, hat in einem ausgezeihneten Aufsaz des „Tages“ in flarer, ruhiger und wirflich überzeugender Weise nach- gewiesen, daß der allgemeine Befähigungsnachweis nicht mehr einzuführen ist. Wenn ein solher Nahweis eingeführt würde, dann wäre die natürliße Folge doch die, daß feiner mehr etwas herstellen oder verkaufen darf, der niht die Befähigung dazu erworben hat. Die weitere Folge wären dann sfolche Kon- flifte, wie sie tatsählich anderwärts vorgekommen sind, daß eine Frau, die Portemonnaies macht, bestraft wird, weil sie nur die Befähigung zur Herstellung lederner Hosen nachgewiesen hat. Ein weiterer Fall liegt aus einem deutsWen Staat vor, wo ein derartiger Befähigungsnahweis früher existierte. Es bestand dort ein Unter- schied zwischen den Gastwirten, die kalte Kost, und solchen, die nur warme verkaufen durften, und da wurde entschieden, daß der Wirt, der nur warme Kost verkaufen darf, keinen Schinken den Gästen vor- seßen darf, auch wenn er glühend heiß ist, weil es der Beruf des Schinkens is, kalt genossen zu werden. Wer aber nur kalte Speisen führt, der darf keinen Kalbsbraten seinen Eästen vor- seßen, weil es der Beruf des Kalbsbratens ist, im allgemeinen warm genossen zu werden. Das mag anekdotenhaft klingen, aber solhe Fälle kamen und kommen tatsächli vor. (Sehr richtig !) Wenn ih ferner gesagt habe, was nicht zu beleben ift, kann nit mehr belebt werden im modernen Staat, so habe ih an die alten Innungen gedacht und den Einfluß der Innungen, wie er manchen Kreisen noch vorshwebt. Die deutshen Innungen haben eine lange, ehrenvolle, ja glänzende Geschichte im deutschen Kulturleben. Nürnberg, Augsburg, Negensburg, Worms, alle diese Städte mit ihren großen geshichtlichen Erinnerungen sind glänzende Beispiele für das, was vorzugsweise die deutshen Jnnungen geleistet und aus den deutshen Städten gemacht haben. Aber zu der Zeit waren die Innungen politi sche Körper- haften. Die Innungen führten eigentlich das Stadtregiment, und da konnten sie natürlichß eine ganz andere Rolle spielen wie heute. Eine solche Belebung der Innungen und \o, Herr Dr. Oertel, habe ih das gemeint, und Sie werden darin mit mir ein- verstanden sein eine f\olhe Wiederbelebung, daß die Innungen diese wirtshaftlich politishe Rolle im Stadtregiment spielen, das, glaube ich, ist mit den modernen Verhältnissen niht mehr vereinbar. Abgesehen hiervon aber, bin ich der Ansicht, kann für den Mittelstand und speziell für das Handwerk noh unendlich viel geschehen. (Sehr richtig! rechts.) Die Gewerbe- ordnung foll ja die Grundlage dafür bieten, und wenn die betreffende Erhebung Ihnen vorgelegt wird, werden wir ja seben, inwie- weit die Bestimmungen der reuen Gewerbeordnung, des s\o- genannten Handwerkergeseßes, sich bewährt haben oder nicht. Aber das können Sie doch nicht leugnen, daß heutzutage die Art der Fabrikationsmethode einen Einfluß auf das Handwerk hat, dem das Handwerk \ich nit entziehen kann. (Sehr riGtig!)) Wenn dur mechanische Einrihtung eine Ware so unendlih viel billiger in einer Fabrik herzustellen ist wie vom Handwerker, so kann der Hand- werker mit der Fabrik niht mehr konkurrieren. (Sebr wahr! links.) Dann kommt binzu, was zu bedauern ist, die starke Konzentration der Bevölkerung; ih kenne Städte in Deutschland, kleine und mittlere Städte, die hatten, ehe das Eisenbahnneß in dieser Weise ver- vollklommnet war, ehe wir Telephon und Telegraphen hatten, ein großes blühendes Handwerk und reges kaufmännishes Leben. Die Nachbarschaft kaufte nur beim Kaufmann und Handwerker in der nächsten Stadt. Jetzt sind die Eisenbahnen gekommen, der Hand- werker, der Kaufmaun der kleinen Stadt kann niht mehr die Aus- wabl haben, die gefordert wird, im besten Falle kann er dem Kunden nur sagen, ih will Ihnen das kommen lassen. (Sehr richtig!) Der Kunde will aber niht warten, er seßt sih kurzer Hand mit einem Retourbillet auf die Babn, fährt nah der nächsten großen Stadt und kauft dort den Gegenstand, den er wüns{cht. Der Rückgang des Kaufmannsstantes und Handwerkerstandes in mittleren und kleinen Städten bängt in der Tat mit unseren ganzen öffentlichen Nerkebhräverbältnissen zusammen, und auch diese Verhältnisse, glaube ih, werden wir geseßlih niht ändern können. Aber ih glaube, es gibt für die Handwerker, die niht unter der Konkurrenz der Fabriken leiden, und deren sind doch noch eine ganze Anzahl für Sachen, die nur mit der Hand bergestellt werden können und nur mit der Hand aut bergeslellt werden können —, es gibt fär diese Handwerker die Möglichkeit, ibnen zu helfen in vielfacher Weise. Dazu gehört vor allem cine tüchtige Vorbildung derselben, die Organisation des Ge- nossenschastöwesens und, daß man den Leuten billig cine mechanishe Kraft ins Haus liefert. Wer jemals die Verhältnisse im Kanton Genf gesehen hat, und ih habe sie gesehen, wie von der elektrischen Zentralstelle in Genf aus fast im ganzen Kanton die Uhrmacher mit elektrischer Kraft versehen werden, wic infolgedessen eine ganze Reihe von Sachen in Handwerksiätten zu konkurrenzfähigen Preisen her- gestellt werden können, die sonst nur in der Fabrik hergestellt werden fönnten, der muß darin das beste Mittel finden, den Handwerkerstand wettbererbsfähig zu erhalten, soweit er erhalten werden kann. Das sind aber Ausgaben, die durch das Reich nicht gelöst werden können, sondern die gelöst werden müssen von den Einzelstaaten, von den Kommunen. Ich habe z. B. in Rothenburg a. d. Tauber gesehen, dak ta unter Hilfe der Stadt von den Tischlermeistern ter Stadt eine Meisterwerkslätte eiagerichtet ist; da waren die neuesten Holz- bearbeitunasmaschinen aufgestellt und mit elektrischer Kraft betrieben. Da meldet der Tischlermeister an, zu welcher Zeit er die Maschine benußen will, er wird vornotiert und komint dann mit seinen Gesellen bin und verriéhiet dort die Arbeit, die sonst vielleicht nur in der Fabrik zu dem Preise gemacht werden könnte. Das sind Wege, auf denen, glaube ih, auch im modernen Staat dem Handwerker- stande noch wesentlich geholfen werden kann.

Der Herr Abg. Oertel sagte, es versänken doch immer mehr Existenzen in das Meer des Proletariats. Jh glaube aber, wenn man bewelsen will, Jann man doh immer noch am besien mit Zahlen beweisen. Ich habe hier die Zahlen der preußischen und sächsischen Einkommensteuer vor mir. Wie haben sich da die Verhältnisse ge- stellt seit 1893/94, allo in cinem Zeitraum von 8 Jahren? Jn diesen 8 Jahren if in Preußen die N M 118% scsiilegen bitte, hallen Sie die Zahl fes 2 % in derselben Zeit slleg die Zahl der Zensiten von 1500 bis

1650 A Einkommen um 35,6 9%, der von 1650 bis 1290 um 34,4 0/0, also um das Dreifache gegenüber der Steigerung der Bevölkerung, der Zensiten von 1800 bis 2100 um 32,9 %/o, der von 2100 bis 2400 um 33,3% und so weiter um 42,4%/o, 44,7 °%/0, 42,9 0/0, 40,7 9/0, 41,9 9/0, 40,4 9/0, 39 9/0, 37,2 9/0, 32,1 9/0 und die Zahl der Zensiten von 5500 bis 6000 (A Einkommen um 33,3 9/6. In Sachsen stieg die Be- völkerung in den leßten vier Jahren um 10,8 0%/, und die Zahl der Zensiten in den verschiedenen Einkommensteuerklassen von 1500 bis 6000 A um 43,3 9/0, - 32,5 9/0, 29 9/0, 29,2 %/0, 28,6 9/6 usw. bis 18,8 9/6 in der Klasse von 5500 bis 6000 M Einkommen. Sie sehen also, eine Steigerung des Einkommens gegenüber der der Bevölkerung um das drei- und vierfahe. Darin liegt do der zahlenmäßige, un- zweifelhafte Beweis, daß in der Tat diejenige Klasse, die wir unter Mittelstand zu verstehen pflegen, sehr erheblich gewachsen ist, daß nit ein Versinken dieser Klassen în das Proletariat stattgefunden hat, sondern umgekehrt ein Steigen aus den Klassen des Proletariats in den Mittelstand.

Nun zitiere ih hier noch ein Wort aus dem ausgezeichneten Werke des Professors Zabn es ist das ja ein mir nachgeordneter Beamter, aber ih glaube, man hat do auh das Recht, hier auch einmal einen nahgeordneten Beamten zu loben —, also ein Wort aus dem Werk „Deutschlands Volkswirtschaft beim Eintritt ins 20. Jahr- hundert". Dort heißt es:

„Der Mittelstand ist also nicht im Schwinden, sondern lediglich in der Umbildung begriffen. Auch erfährt der selbständige Mittel- stand zu seiner Erhaltung und Kräftigung nachhaltige Unterstützung durch das von der neueren Geseßgebung besonders geförderte Ge- nossenschaftswesen.“

Von diesen Genossenschaften sagt er weiter:

„Sie tragen viel dazu bei, dem Kleingewerbe, Handwerk und der bäuerlichen Landwirtschaft die Vorteile des Großkapitals, Groß- betriebes und Großhandels zugänglih zu mahen und sie auf diese Weise dem Großbetrieb gegenüber zu stärken.“ /

Es ist richtig: die Zahl der Selbständigen nimmt in manchen Er- werbszweigen ab; das hängt aber mit der Konzentration der Bevölke- rung, der modernen Fabrikationsweise zusammen und mit den Um- ständen, die ih vorhin zu erläutern die Chre hatte. Aber die Ein- fommensverhältnisse gehen niht zurück; der Mittelstand, der jeßt diese Einkommensverhältnisse aufweist, i zwar vielfah in abhängiger Stellung, aber seine GCinkommensverhältnisse sind vielleicht besser wie das Einkommen vieler selbständiger Handwerker, denen es noch ver- bältnismäßig gut geht.

Meine Herren, es sind hier von dem Herrn Vorredner verschiedene Mittel angegeben, um den Handwerkerstand zu heben: erstens die Selbstversiherung. Die Selbstversiherung genießt ja {hon der Hand- werker; aber er muß zunächst 400 Wochen bezahlt haben. (Zuruf rechts.) Es mag sein 500 Wochen, mir ist die Zahl nicht gegen- wärtig. Es ift aber unbedingt notwendig, daß jemand, der ‘das

feindlih den Besitlosen gegenüber zu stehen. (Zurufe links.) Meine Herren, ich will zugestehen: der Staat mag seine Aufgabe eine Zeitlang auf diesem Gebiete versäumt haben, und auch die bürgerlihe Gesellshaft. Nachdem im Anfange des 19. Jahrhunderts die alten Fesseln und die alte Ordnung gefallen waren, lebten wir in einer Zeit, wo man wirtshaftlihe Fragen, soziale Fragen in dieser Weise nicht traktierte. (Sehr richtig!) Aber ih meine: das is das unvergängliche Verdienst der großen Kaiserlißen Botschaft, daß von dem Tage an der Staat einen anderen Weg eingeschlagen hat, und die Herren von der Sozialdemokratie mögen das, was der Staat, was die bürgerlihe Gesellschaft seitdem geleistet hat, für groß oder klein ansehen, Sie werden nicht leugnen können, daß seit Erlaß der großen Kaiserlichen Botschaft das Gefühl und das VBerständnis für sozial- politishe Aufgaben in den besigenden Kreisen in ungeheurer Weise ge- wadhsen ist. (Sehr richtig!)

Meine Herren, der ganze Zweck unserer Sozialpolitik ist ja, die Kluft zwishen Besißenden und Besitlosen zu überbrücken und zu mildern, und ih wünsche dringend, daß, wenn auch ein jolcher Grund- saß von der Unversöhnlichkeit zwishen Besißenden und Besißlosen ausgesprochen wird, die besizenden Klassen sih dadur niht abhalten lassen, das zu tun, was ihnen ihre Religion, was ihnea ihr soziales Gewissen gebietet. Und, meine Herren, solange ih an dieser Stelle stehe, werde ih ebenfalls tun, was in meinen Kräften steht, auch meinerseits zur Förderung einer verständigen Sozialpolitik beizutragen. (Lebhafter Beifall )

Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim (nl.): Jh bin erfreut, daß die verbündeten Regierungen die ernste Absicht haben, die Kranken- versicherung auf die Heimarbeiter auszudehnen, und ih hoffe, daß die entitandenen Schwierigkeiten sich überwinden lassen werden. Die Wäscheindustrie dem Geseß zu unterstellen, ist ja seinerzeit noch im leßten Augenblick geglückt. Herr Trimborn und ih haben das Ver- bot der Mitgabe der Arbeit nah Hause an jugendlihe Arbeiter und Arbeiterinnen beantragt, und wir woll-n auch die notwendigen Aus- nahmen gestatten; wir halten dafür, daß in dieser Begrenzung die Durchführung möglih ist. Dem Einwand des Staatssekretärs, be- treffend die Umgehung des Verbotes, wird von den Antragstellern dadur begegnet, daß diese Umgehung unter Strafe gestellt wird. Der erwachsene Arbeiter wird ih also bei der eventuellen Höhe der Strafen (bis 2000 46) wohl hüten, das Verbot zu umgehen. Die verbündeten Regierungen werden, wenn sie sih genauer mit der Sache beschäftigen, erkennen, daß ohne ein solches Verbot die Regelung der Heimarbeit niht durchzuführen sein wird. Herr Trimborn und ih Pian hon seit langem auf dem Standpunkt, daß das Schuytalter der jugendlichen Arbeiter erhöht werden soll; ih habe schon lange, bevor von den Wablen die Rete war, einen solchen Antrag ein- gereiht, den auch Herr Trimborn zu unterstüßen bereit war; es handelt sih_ also feineswegs um Wahlmanöver. Die national- liberale Presse hat ja diesem Antrage auch }o wenig Unterstüßung angedeihen lassen, daß es sich tatsächlih nicht um ein Parteimanöver für die Wahlen handeln kann. Auch bei meinen eigenen Wählern kann ich mit diesem Antrage keine Provyaganda machen; er entstammt nur meinem warmen Herzen für den

Benefizium haben will, eine- Rente sein Leben lang zu genießen, eine gewisse Karenzzeit durchmacht, während deren ein gewisses Deckungs- material für die Gewährung seiner Rente angesammelt wird. (Sehr rihtig!) Daß wir diese Karenzzeit ermäßigen, halte ih nicht für aus\ihtsvoll.

Es ist ferner die Frage des unlauteren Wettbewerbs hervor- gehoben worden. Jh glaube, der Herr Abg. Dr. Oertel wird darin

weiter gehen will, cs gut ist, zunähst noch Erfahrungen zu sammeln. Der unlautere Wettbewerb tritt ja in unendlich vielen Erscheinungen

mif mir einig sein, daß, wenn man überhaupt auf diesem Gebiete |

Arbeiterstanz. Herr Richter sagt in seinem „Abc-Buche“ : „Die Sozial- demokraten stimmen für die weitgehendsten Erhöhungen der den Ar- beitern zu gewährenden Renten, Rie aber dann regelmäßig gegen den Etat, sie verweigern also die Mittel zur Beschaffung dessen, was se selbst beantragt baben.“ Das trifft auch auf die Anträge zu, die sie über den Antrag Trimborn- Heyl hinaus eingebraht haben. Wird die Verordnung, betreffend die Wäscheindustrie und Konfektionsindustrie, auf andere Industriezweige ausgedehnt, so wird die Befürchtung, daß die Arbeitgeber sh den gesetzlichen Vorschriften dur Ueberführung der Ar- beiter in die Hausindustrie entziehen würden, mchr und mehr ausges{lossen. Die Eiaschränkung der Arbeitszeit verheirateter Frauen hat der Reichs-

tag vor einigen Jahren in einer Resolution verlangt; wie denken \ih diese Herren, namentlich meine eigenen Fraktionsgenossen, diese Ein-

ins Leben, in Erscheinungen, die erstens gar niht zu hindern sind, und die wohl au fein denkendex Mensch ernst nimmt, z. B. solde Reklamen, wie „Das größte Welt usw." Ich glaube nicht, daß, wenn die Verhbält- nisse so liegen, wie der Herr Abg. Dr. Oertel in Spezialfällen targestellt hat, solde Reklamen ernst genommen selbst wenn tas so ist, so könnten wir doch, was speziell die Aus- verkäufe betrifft, nur eine glatte Bestimmung erlassen: jeder Nahshub von Waren ist verboten. Wir haben darüber Rükfragen bei den Re- gierungen angestellt, und es ist uns von den verschiedensten Seiten versichert worden, ein solches Verbot würde niht autführbar sein, weil, wenn man einen NaGshub bei Ausverkäufen glatt ver- bieten würde, die Restbeslände zum Teil gar niht oder nur zu Scleuderpreisen verkauft werden könnten. im vorigen Jahre {hon angeführt, daß ih hier in Berlin eine An- nonce in einem Bilderladen gefunden habe: „Heute Verkauf zu be- sonders billigen Preisen!* Wenn wir das alles erfassen wollen, wenn wir tas Beispiel, das Herr Dr. Oertel angeführt hat, fassen wollen, daß jemand behauptet, daß er einen viel größeren Umsay habe, wie es in der Tat der Fall ist, so müßten wir das Gewerbe unter cine Kontrolle stellen, eine Buchkontrolle einführen, die vielleiht das Ec- werbe viel mebr belästigen würde, als jeyt diese unlautere Reklame- fonkurrenz. Die Frage ist indes noch niht abgeschlossen, sie wird weiter geprüft werden. Wir haben zunähst Anordnungen erlassen, das bestehende Gescy mit möglichster Sc{ärfe durchzuführen, und es ist möalich, daß man seinerzeit auch über diese Fragen sich weiter unterhalten wird.

Ich möchte \{ließen, intem ih an eine Acußerung anknüpfe, die vorgestern seitens des Herrn Abg. Wurm gefallen ist. Der Herr Abg- Wurm sagte: Zwischen Besizenden und Besißlosen gibt es nur cin

daß irgend eine Staats- oder Gesellschaftsordnung in der Welt geschaffen werden kann, die den Unterschicd wischen Besihenden und Besihlosen dauernd autgleichen könnte. (Sehr richtig! links.) Wenn wir heute in

einführen wollten, die den Besiy aller Menschen gleich machte, so würde es ia kürzester Zeit roleder Woblhabende und Arme geben, weil es intelligente und nichtintelligente, weil es sparsame und nicht sparsame Menst#en gibt; das ist Menscheanatur, die wir nicht ändern fönnen- Abec die Religion und die Moral jedes gesitteten Volkes lehrt, daß es eine Pilicht der Besizenden ist, Opfer zum Besten der Armen und

Religion in ter \hönsten und erhabensten Weise ausgedrüet man den Grundsay aufstellen wollte: zwishen Besizenden und Besitlosen gibt es nur Kampf was würde die Folge sein ? Tas ganze Volk würde in zwei Klassen geteilt sein: in cine Kasse deter, die mit Hak auf die Besizenden blicken, und die Besihendea würden

der Versuchung sehr nahe geführt werden, gleichgültig, henlos,

Schuhgeshäft der ..

werden. Aber |

Meine Herreo, ich habe |

shränkung durhzuführez, wenn sie niht die Einschränkung der Arbeits- zeit für alle Frauen wollen? Durch die Prefse derjenigen Arbeitgeber, | deren Interessen persönlich mitsprehen, sollten sich die verbündeten | Regierungen niht beeinflussen lassen. Daß ein Arbeiter erst mit

18 Jahren zum Vollarbeiter wird, ist in der Schweiz geseßlih an-

erkannt; der französishe Arbeitsminister Millerand, der keineswegs

dem achtstündigen, sondern dem zehnstündigen Normalarbeitstag an-

hängt, hat sih dasselbe Ziel geseyt; auch in England ist die

Gesetzgebung nah dieser Richtung hin vershärft worden. In | meiner enaeren Heimat wird diese Anschauung durchaus ge- | teilt. Die Arbeiterin muß unter allen Umständen ges{hüyt werden. Das Bedenken der „Köln. Ztg.*, daß die Landwirtschaft durch diese Verkürzung der Arbeitseit der Frau in der Industrie geshädizt werden könnte, ift hinfällig. Der Abg. Bebel ift in seiner leyten Yede, die ih an eine kleine Grupre Republikaner in der deutshen Nation richtete, wieder auf die Verelendungstheorie zurückgekommen, die doch gerade seine Partei hon aufgegeben hat; zum Ueberfluß wird er dur _| cinen eigenen Parteigenossen David widerlegt. Man leugnet in der Sozial-

demokratie, daß der sozialpolitishe Segen von oben gekommen sei, er sei | allein der Sozialdemokratie zu danken. Da muß man fi gegenwärtig | balten, welcher Art die Partei für ihre eigenen Angehörigen sorgt. In den Parteivorstandsberichten müssen Sie (links) ausdrücklih anerfennen, daß die Partei ganz auf dieselben Wege gedrängt ist, welche die Kaiser- liche Botschaft weist, nur daß sie 10 oder 15 Jahre später damit fommt. (Abg. Bebel: Lächerlih!) Jh verbitte mir diese Aeußerung. Ich würde den Parteiführern empfehlen, sih weiter mit der Frage zu deschäftigen, wie diesen Parteiredakteuren 2c. geholfen werden fann. (Unruhe und Zwischenrufe bei den Sozialdemokraten ; Vizepräsident Dr. | Graf zu Stolberg - Wernigerode ersucht, den Redner niht zu | unterbrehen.) Die Landwirtschaft hat allen Anlaß, au ihrerseits diesen Fragen ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden; die englishe Grund- | aristofratie hat gerade aus diesem Grunde in England eine so große | politische Bedeutung. An der Lohnfrage hat man sich în Dae die Zädne bereits ausgebissen ; die Lohnfrage ist viel leichier als die Frage der Arbeitézeit zu regeln. Für die deutschen Arbeiter, die bei ibrer Arbeit besonderen Gefahren auëgeseyt sind, so für die Bera- arbeiter, muß auch nah meiner Ansicht der 8 stündige Marimal- arbeitêtag gelten. In einer Reihe von Einzelstaaten ist für die

Hüben und Drüben; er slellte es so dar, als ob zwischen Besihlosen | und Besiyendea cin unüberbrüc’kbarer Abgrund beslände. Jh bestreite, |

drakonischer Weise in kleinen Verbältaifsen eine Gesellschaftsordnung ;

Besitilosea zu bringen und diese Lehre ist ja in der érisilichen | Wenn

imelnen Betriebe son manches in dieser Richtung geschehen. Für Cen Ee Rolle unserer Industrie auf dem Weltmarkte wird aus der Durchführung der Verkürzung der Arbeitszeit nah unserem An- | trage cine Becinträchtigung nicht entstehen. Das Opfer, das die Industrie zu bringen bat steht in gar feinem Verbáltnis ju dem Segen, der daraus den Acbcitern er L.

Aba. Dr. Crüger (fr. Volksp.): Der Abg. Trimborn hat die Ditwea- und Waiscnverficherun iesen und den Zolltarif als eine e Maßregel bezeichnet. Dieser n fönnte doch aber den Witwen und Waisen der Arbeiter erst 1910 zu gute kommen, und wie soll es mit den Witwen und Waisen ter Handwerker werden? Diese werden durch die Zollerböhung doch ebenso geschädigt wie die Arbeiter. diese Ledentverteuerung wird auch die Witwen- und orge die Arbeiter aufgehoben werden. Der A - Dessau vom Aba. Wim als weißer Rabe unter Unternehmei zeichnet worden. fann mi mit seinem Vortrage im großen

cinverstonden erflären. Eine Zufricdensicllung

aiprücde der äußerslen Linken ist f undenkbar. Witwea- und Waisen- und Arbeitslosen âber die Ziele kar sein; denn hat man irittea, fo gibt es keine Umkehr. Herr Wurm m iHaften zu Trägern der Arbeitslosenversichetu kann feine Rede sein. auf

m chaft ausgedehnt werden. Das isl der springende Punkt, nicht, od die

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