Sélußkapitel ist den englischen, dänishen, spanischen, franzö- siscben, niederländisben und portugisishen Kolonien und ihren Ver- fafsungen -nah deren Stande am 1. Januar 1880 gewidmet. — Das umfangreiche Werk ift sicherlih das Resultat einer langen und mühbe- vollen Arbeit. Das bekundet schon die lange Reihe der am Schlusse aufgeführten Schriften, welche die Verfasserin zu ihrer Arbeit fludirt und verwerthet har. Es ist ihr gelungen, mit großer Sorgfalt und gründlichem Wissen auf einem Gebiet, das im Allgemeinen der
Thätigkeit der Frau fern liegt, ein sehr nüßlihes Werk “zu schaffen, das Vielen als Nahschlagebuch willkommen sein und viel- fältige Erleichterung bei ftaatsrechtlichen Arbeiten gewähren wird. Nicht unerwähnt auch dürfen wir die reihe Ausstattung lassen, dur welche si der mächtige Folioband auszeichnet. Zur besonderen Zierde gereichen demselben die 37 treflich ausgeführten Bild- nisse in Medaillenform, mit welchen er ges{müdckt is. Als Titel- bild erscheint das Porträt der Verfasserin. An der Spitze der den einzelnen Staaten gewidmeten Kapitel befinden sich fol- gende Bildnisse von: Kaiser Wilhelm, Kaiser Franz Joseph, Großherzog Friedrih Wilhelm von Baden, den Königen Ludwig I. von Bayern, Leopold T. und Il. von Belgien, Christian IX. von Dänemark, Alphons RII. von Spanien, einer alle- gorischen Figur der französischen Republik, dem Kaijer Napoleon 1II., der Königin Victoria, dem Könige Georg von Griechenland, dem Könige Victor Immauel von Italien, dem Prinzen Mut der Niederlande, Statthalter von Luxemburg, den Königen Wilhelm III. der Niederlande und Don Pedro V von Portugal, dem deutschen Kronprinzen, dem Könige Karl von Rumänien, dem Kaiser Alexan- der 11. von Rußland, den Päpsten Pius IX. und Leo XUI,, einer Allegorie der Republik San Marino, dem Her- zoge Ernst Il. von Sachsen-Coburg-Gotha, dem König Oscar II. von Schweden und Norwegen, einer allegorischen Figur der Schweiz, dem Sultan Abdul-Medjid und dem Könige Karl 1. von Württem- berg. Dem zweiten Theile sind beigegeben die Porträts von dem Kaiser Pedro 11. von Brasilien, dem Präsidenten Grant und die allegorishen Figuren der Vereinigten Staaten und der Republiken von Mexiko, von Mittel-Amerika, der Insel Haiti, der südamerika- nischen Republiken, des egyplischen Vize-Königreiches und der Kolonien.
…_— Unter dem Titel „Die deutschen Landsknechte" erscheint bei C. A. Starke in Görliß ein Kulturb:ld aus dem Zeitalter der Reformation, von Dr. Friedr. Blau, in welchem die Entstehung und Entwickelung des deutschen Landsknecbtswesens, die originelle Zunsft- verfassung, das Gerichtswesen, die Kriegsthaten, das Lagerleben, die Trachten der Landsknechte sowie ihre Verherrlichung in Bild, Sang und Schwank anschaulich dargestellt sind. Die fehr elegant ausge- stattete Schrift bringt - gegen 60 Jllustrationen in Holzschnitt und
hotolithographie nach Bildern zeitgenössischec Künstler, wie A. Dürer,
ans Holbein, Jost Amman u. A., Dichtungen von G. von Uge erg, Hans Sachs, Burkard Waldis 2. Es eignet sich, da alles An-
Se und Rohe vermieden ift, zum Weilhnachtsgeschenk für die reifere ugend.
— Karl Emil Franzos* Noman „Ein Kampf um's Recht“ (Verlag von S. Schottlaender in Breélau) hat eine so freundliche Aufnahme gefunden, daß die erste, sehr starke Auflage, welche Mitte Oktober d. J. ausgegeben wurde, bereits vergriffen ift. Die Verlagshandlung bat mit der Herstellung eines Neudrucks8 be- gonnen, den sie bis Anfang Dezember cr. in den Buchhandel zu bringen hofft. p
— Von Ferd. RNaabe's Nacfl., Eugen Heinrich, welcher ein Antiquariat und eine Bucbhandlung in Königsberg i. Pr. besitzt, ist vor Kurzem ein Verzeichniß einer „Bibliotheca historica“, die in seinem antiquarishen Bücherlager vorräthig ist, aus- gegeben worden. Dasselbe erscheint in 7 Abtheilungen (8000 Werke), welche folgenden Inhalt haben: 1. Abthl., Kat. 52: Numismatik, Genealogie, Heraldik, Ordenswesen, Freimauerei, Jesuitica, Mysti- cismus, Militärwissenschaft. — 2, Abth, Kat. 53: Allgem. Geschichte und Geographie, alte Geschichte, Kirchengeschichte, Kulturgeschichte, Encyklopädien, Zeitschriften, Atlanten und Karten. — 3. Abth., Kat. 54: Deutsche Geschichte. — 4. Abth, Kat. 55: Bibliothek Joh. Jacoby's. Schriften zur politischen Geschichte Deutschlands und Preußens ; Demokratie, Kommunismus und Sozialismus. — 5. Abth,, Kat. 56: Prussica. Geschichte Ost- und Westpreußens und des deut- schen Ordenslandes nebst altpreußischer, lithauischer, lettisGer und ruthenischer Spracbwissenschaft. — 6. Abth., Kat. 57 : Außecdeutsche und außereuropäisbe Geschichte, mit Aus\{luß des Orients. — 7. Abth., Kat. 58: Bibliothek Nesselmann. Orientalia — Geschichte und Sprache — Die vorstehende „Bibliotheca historica“ enthâlt cin reihbaltiges Verzeichniß einer Menge wichtiger und interessanter Werke aus den genannten Gebieten und dürfte jedem Historiker, ins- besondere Jedem, der sich für deutsche Geschichte interessirt und sich mit derselben eingehender beschäftigt, willklommen sein. Wir machen besonders auf die 3. Abth. (Deutsche Geschichte) aufmerksam. Die- selbe umfaßt 1216 Nrn. unter folgenden 6 Rubriken: Allgemeine deutsche Geschichte (280 Nrn.); Luther, die Reformation und die Re- formatoren (73 Nrn.); die Krtege gegen Frankrei (123 Nrn. ; das Königreih Preußen mit Hannover, Hessen, Frankfurt, Ne Scbleëwig-Holstein (521 Nrn.); die übrigen deutshen Staaten (105 Nrn.); Oesterreich mit den Kronländern ; Schweiz (im Ganzen 114 Nrn.) Die Rubr. „das Königreich Preußen 2c.“ bringt nament- lih viele Schriften zur Geschichte Friedrichs des Großen, sowie der Könige Friedri Wilhelm 111. und Friedrich Wilhelm 1V. von Preußen; die Rubr. „die Kriege gegen Frankrei" aber besonders viele Schriften über den leßten Krieg mit Frankrei. — Die 5. Abtb. (Prussica), im Ganzen 749 Nrn. umfassend, ist für Jeden wicbtig, der sih mit der Gescicbte der beiden Provinzen Oft- und West- preußens, namentlich Oftpreußens, beschäftigt; es sind hier ca. 730 Schriften zusammengestellt, die theils die Geschichte der beiden Provinzen überhaupt, theils die Geschichte einzelner preuß. Land- schaften und einzelner Städte (besonders Stadt und Universität Königsberg), die Geographie des Landes, das Kirchenrect Preußens, einzelne Greignisse u. \. w. betreffen.
,_— K. F. Köhblers Antiquarium in Leipzig hat kürzli die Nr. 357 seiner Kataloge veröffentlicht. Dieselbe enthält ein Ver- zeicbniß von 1715 Schriften über Literatur und Kunst und zer- fällt in folgende Abtheilungen: Aeltere und neuere deutsche Literatur (alle bekannteren deutschen Dichter, Romane, wissenschaftliche Werke, allerhand Zeitschriften, verschiedene historishe Schristen; im Ganzen 386 Nrn.); holländische und friesishe Literatur (30 Nrn.); englische Literatur (92 Nrn.); skandinavishe Literatur (44 Nrn.); fran- ¿ôfishe Literatur (234 Nra.); italienisde Literatur (68 Nrn.); catalanishe, spanische, portugiesisbe Literatur (37 Nrn.); Bi- bliographie, Buchdruck und Buchhandel (102 Nrn. dar- unter das Archiv für Geschichte des deutslen Buchhandels Bd. 1—6); Kunstgeschichte, Kupfer- und Holzschnitwerke (412 Nru., viele interessante Werke enthaltend); Theater und Musik (127 Nrn.); Schachbücher (38 Nrn.); vermishte Scriften, Kuriosa, Nachträge (145 Nrn. des verschiedenartigsten Inhalts, z. B. Scriften über Freimaurer, Grimmelshausens Simplicianiscbe Schriften, Alex. v. Humboldts Briefwechsel mit Berghaus, Murrs Journal zur Kunstgeschichte, Peschels Abhandlungen zur Erd- und Völkerkunde, allgem. deutswe Biographie u. A.) — Köhlers Antiquarium kauft ganze Bibliotheken und einzelne werthvolle Werke, insbesondere aus den Fäcbern der Sprachwissenschaft, der Geschichte und der Natur- wissenschaften.
— Die in Leipzig am 10. Dezember erscheinende Nr. 2006 der eZllustrirten Zeitung“ enthält folgende Abbildungen: Graf Gustav Kálnoky, österreihisch-ungarisher Minister der Auêwärtigen Angelegenheiten. — Das Nationalmuseum in Amsterdam na seiner Vollendung. ,— Prof. Karl Fortlage, f am 8. November. — Prof. Chr. Gottfried C iebel, f am 15, November. — Das neue Schwimm- dock der Kriegêmarine im Kieler Hafen. Nach einer Zeichnung von C. Waap. — Im deutschen Hwa: Schreiender Hirsch, mit dem Rudel zu Holze ziehend. riginalzeihnung von Chr. Kröner. — Züdische Lumpensammler in Masuren. Nah einem Gemälde von Ernestine Friedrihsen. — Darwins neueste Forschungen über die Thätigkeit der Regenwürmer. 2 Abbildungen. — Deutsche S{löfser
und Burgen: S{loß Muskau. Originalzeihnung von B. Mann- feld. — Amerikanische Skizzen: Ein „Kängurugericht“ in Texas. — Mme. Albani. — Kuriositäten aus den Gebieten der Heraldik, Sbaeagittn Numismatik 2c.: Ein altes französisches Pfarrersiegel. — Polytechnisde Mittheilungen: Geigers Drehbank für Dilettanten, sowie für gewerblihe Zwecke. Makart-Bouguet. Etablissement des. Hoflieferanten N. L. Chref fertigten Exemplar. Patent - Pianinolampe. 2 Figuren. Koc- maschine für die Fuphenahe. Neue Kinderspiele: Fig. 1. Bom- bardementspiel. Fig. 2. Rennspiel. — Weihnachtsbüchertisch: Das Haldenthor in Aarau. Gezeichnet von Gustav Bauernfeind. Nach einem Blatt aus den „Handzeichnungen deutscher Meister“ (Stuttgart, I. Engelhorn). Holzschnitt aus Wold. Kadens „Scweizerland“. Friedrich Wilbelm I., König von Preußen, besucht eine Schule. Aus dem Werk „Die Hohenzollern vnd das deutsche Vaterland“ von Dr. R. Graf Stillfried-Alcántara und Prof. Dr. B. Kugler (Mün- cen, Fr. Bruckmanns Vetlag). Wiesbaden, 4. Dezember. Um die Aufstellung des Natio- naldenkmals auf dem Niederwalde zu fördern, ist die be- kannte Firma H. Gladenbach in Berlin zum Guß des Reliefs „Der Abschied der Krieger* herangezogen worden. Es sind somit jeßt fünf deutsche Grzgießereien mit Aufträgen für das großartige
Denkmal betraut. (Céln. Ztg.) Auf einer nördlich von
Nach einem im tensen in Erfurt ange-
Inden, 3. Dezember. unserem Orte ge]egenen, rings von Höhen ums{lossenen und gegen Osten si steil zur Jnde-Niederung absenkenden Feldflur stieß man seit undenklichen Zeiten beim Pflügen beständig auf hinderliches unter- irdishes Mauerwerk, ein Umstand, der einem hiesigen Freunde der Alterthumskunde zu Nachforschungen Anlaß gab. Demselben gelang es in kurzer Zeit, ein wohlerhaltenes römisches Bad nebst H y- pokaustum bloßzulegen. Stücke von Mosaikböden, Marmor- und Glasreste, welche in dem Schutt vorkamen, und die Entdeckung, daß sih noch sehr weitläufiges Mauerwerk unter dem Boden hinzieht, lassen n \{ließen, daß man es hier mit einer nit geringen rö- mischen Anstiedlung zu thun hat, wenn si dieselbe niht gar als das Standquartier der ala Indiana ausweist, die den ebrenden Bei- namen „pia fldelis“ trug und bei dem Dorfe Inden stationirt ge- wesen sein soll. i
Gewerbe und Handel.
Durch éine Verordnung der Kaiserlich russischen Regierung ist zur Verhütung einer Einschleppung der Reblaus die Einfuhr von Komposten, Gartenerde, Weinreben, Pfeifenrohren, Stäben und Blättern nah Rußland *) gänzlih verboten, und hinsibtlih der Häfen des Asowschen und Schwarzen Meeres so- wie der südlichen und südwestlichen Landesgrenze bis einschließlich Wolotscisk jenes Verbot außerdem auch auf sämmtliche lebenden Pflanzen erstreckt worden.
, Bei Einführung der Leßteren an den übrigen Grenzpunkten ist, eingezogenen Crkundigungen zufolge, die Beibringung eines Ursprungs- oder sonstigen Zeugnisses nicht erforderlich, vielmehr genügt die Bei- fügung eines von dem Absender zu unterzeichnenden Reverses darüber, pad die betreffenden Pflanzen nicht zur Kategorie der Weinstöcke ge- ören.
— Dem Gescbäftsberiht der Schloßbrauercei Oranien- burg über das Betriebsjahr 1880/81 entnehmen wir folgende Mit- theilungen: In dem abgelaufenen Betriebsjahre hat der Umsatz die Ziffer des Vorjahres nit erreibt; es ist ein Minderumsaß von circa 1000 t zu verzeihnen. Die Lage des Geschäftes war aber im Allgemeinen günstig ; die Gerste hatie — bei reiherem inneren Ge- halt — den gleichen Preis wie im Vorjahre, Hopfen notirte ganz erheblich billiger ; durch die Verwaltung sind Gespann und andere Unkosten auf das niedrigste Maß herabgemindert, so daß die Gesell- haft troß des geringeren Umsaßes zum ersten Male wieder (na den Abschreibungen) einen Nettogewinn von circa 10000 #4 er-
Übriate.
— Der Geschäftsbericht der Dortmunder Aktienbrauerei pro 1880/81 weist einen günstigen Jahresäbs{chluß auf. Der Absatz betrug 6 840 857 1 gegen 5 648 363 1 im Vorjahre. Die Hypothek hat sih um die am 1. Februar d. J. erfolgte Ratenzahlung von 24 000 M. vermindert, so daß dieselbe noch 132000 M beträgt. Wie die Bilanz nahweist, beträgt der in 1880/81 erzielte Ge- winn 201490 A Von demselben ist zunähst ein Be- trag - von 26 261 F dem Neservefonds überwiesen, um diesen auf die runde Summe von 100000 # zu bringen und ferner ist beshlofsen, als außerordentliche Reserve für die im Bau begriffene Cismaschine, welche einen Kostenaufwand von “ ungefähr 100 000 Æ erfordern wird, 50000 M zu bestimmen. Nach Abzug der statutgemäßen Tantième für Aufsichtsrath, Direktion und Ange- stellte der Gesellschaft mit 18995 Æ verbleibt ein verfügbärer Rein- gewinn von 106 233 Æ, von dem der Aufsichtsrath vorsclägt, eine Dividende von 10% mit 105990 # unter die Aktionäre zur Ver- theilung zu bringen und den Rest von 243 M auf neue Rechnung vorzutragen.
Dessau, 6, Dezember. (Lpz. Ztg.) In der Herzoglicben Saline zu Leopoldshall hat vor einigen Tagen wicder cin Zu- sammenbruch stattgefunden, wie ein solcher bereits wiederholt Und au in diesem Falle nicht unerwartet vorgekommen ist, Glüklicher- weise sind die Berichte über die Katastrophe au dieses Mal sehr 4 übertrieben. Die „Cöth Ztg.“ berihtet: Jh kann Ihnen auf Grund der Anzeige der Verzoglihen Salzwerksvkrwaltung mittheilen, daß der sih über eine horizontale Erstre{ung von muthmaßlih (her- angehen und Genaueres konstatiren kann natürlich Niemand, wenig- stens niht früher, als bis sich Alles berubigt hat) 150—200 m ausdehnende Bruch auf dem Seitenflügel der 1. und 11. (nit fünften) Etage, also in einer Tiefe von über 700 Fuß unter der Erdoberfläche vor si gegangen ist, sich auch {on seit einigen Ta- gen gemeldet hatte, so daß man auf das Eintreten der Katastrophe ziemlih genau vorbereitet war. Menscenleben sind nicht zu befkla- gen, au ist mir nicht bekannt, daß überhaupt Arbeiter gefährdet ge- wesen sind. Eine Verbreiterung und Vertiefung der schon früher an einer bestimmten Stelle der Tagesoberfläche beobacteten Spalten soll stattgefunden haben, doch sprechen viele Gründe dagegen, daß diese Spalten in ursälihem Zusammenhange mit dem oben erwähnten Bruche in der Tiefe stehen; ich halte dieselben mehr für sekundäre
olgen, verursacht durch die Einwirkung der Erschütterungen auf ein enachbartes altes Steinbruchsterrain, an dessen muthmaßlichen früheren Rändern auc stets die beobachteten Spalten auslaufen.
London, 7. Dezember. (W. T. B.) Jn der gestrigen Wollauktion waren Preise unverändert.
Verkehrs-Anstalten.
Breslau, 7, Dezember. (W. T. B.) Der Verwaltun 8rat der Oberschlesishen Eisenbahngesellschaft vertagte in seiner heutigen Sißung die Beschlußfassung über den Lokalaus- nahmetarif für Steinkoblen und Koks auf die näcbste Sitzung.
Narb tetton, 7, Dezember. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd , Mosel * ist bier eingetroffen.
New-York, 7. Dezember. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Necckar* ift hier eingetroffen i
*) efr. Reichs-Anzeiger Nr. 266 de 1881,
Berlin, 8. Dezember 1881.
Morgen, Freitag, den 9., findet Königliche Parforce- agd Tae, Rendezvous: Mittags 1 Uhr zu Jagdschloß newald.
,_ Die Reichs-Postverwaltung ‘hat durch das am Montag Abend erfolgte Hinscheiden des Geheimen Ober-P ost- raths Günther einen sehr s{hmerzlihen Verlust erlitten. Der Verewigt., am 3. August 1828 geboren, trat 1847 in den Postdienst, wurde 1863 in das General-Postamt berufen und gehörte seit dieser Zeit demselben mit geringen Unterbrechun- gen an. Vom Jahre 1870 ab hat er das Referat für die inter- nationalen Postbeziehungen wahrgenommen. Die persönliche Lie- benswürdigkeit des Verstorbenen, die vorzüglichen Eigen- schaften seines Charakters, sowie seine umfassenden Kenntnisse ün Bereiche des Auslandsverkehrs nnd in den neueren Sprachen befähigten ihn ganz besonders zu dieser wichtigen Stellung, welche ihn häufig in persönliche Beziehungen zu den Vertretern fremder Länder brachte. Mit \eltenem Geschick und aroßem Erfolge hat er die ihm auf diesem schwierigen Ge- biete zugefallenen Aufgaben gelöst, Er hat zahlreiche Post- und Telegraphenverträge abgeshlossen und war einer der Mitbéegründer des Weltpostvereins. Ein Muster echten Beamtenthums, in treuester Pflicht- erfüllung ausharrend bis zum leßten Athemzuge, hat erx \ih durch seine lautere Gesinnung, wie durch sein biederes Wesen die allgemeine Liebe und Werthshäßung weit über seinen Berufsfreis hinaus erworben. Jn der großen und folgen- reichen Entwielungsperiode des deutshen Postwesens wird Günthers Name stets einen ehrenvollen Play einnehmen, und sein Andenken als das eines edlen Menschen von Tausenden in Dankbarkeit bewahrt bleiben !
In der am Mittwoch abgehaltenen Sitzung des A u 8\chusses des Centralvereins für Hebung der deutschen Fluß- und Kanalschiffahrt legte der Präsident Mulvany aus Düsseldorf Zeichnungen zum Modell eines Schiffes vor, das sowohl zur Fahrt auf offenem Meere als auch für bedeutendere Ströme, soweit die- selben die nöthige Tiefe des Fahrwassers besißen, sih eignet. Hr. Dr. Landgraf-Mannheim sprach alsdann über den Stand der Är- beiten der Rheinschiffahrts-Interessenten in Betreff der Gesetzgebung für die Binnenschiffahbrt. Referate erstatteten Ministerialdirektor a. D. Weishaupt über „Meyer, Kosten der Binnenschiffahrt“ und Prof, Schlichting über „v. Wagner, hydrologische Untersuchungen.“
__ Frankfurt a. M., 6. Dezember. Die Lotteriekommis- sion der Patent- und Musterschuß-Ausstellung is zur Zeit mit Ankauf der Gewinne für die zweite Serie der Ausftellungs- lotterie beschäftigt. Als erster Preis wurde ein aus Diadem, Ohr- ringen und Niviere bestehender Brillantschmuck erworben. Das Diadem, einen Rosenzweig in naturgetreuer Ausführung darstellend, [äßt sih in drei kleinere Zweige zerlegen, welche alsdann eben so viele Brochen von reizender Form bilden. Die Ohrringe stellen kleine Rosenknoëpen mit Blättern dar, und die Riviere besteht aus einer Schnur von 48 Brillanten, von welchen die kleinsten faum weniger wie Crbsengröße haben. Das in tausend Farben funkelnde Geschmeide ist im Schaufenster seiner Verfertiger, der Herren Schürmann u. Co, auf der Zeil ausgestellt.
, Aurich, 5. Dezember. (Neue Hannoversche Ztg.) In der heutigen Sitßung der außerordentlichen Synode der S anth Gemeinden der Provinz Hannover wurden die der Kommission zur Vorberathung überwiesenen Paragraphen der Synodalordnung
bis inkl. §. 57 nach dem Vorschlage der Kommission unverändert angenommen.
Elm, 5. Dezember. (Bund.) Beschießung des Nisi- kopfes. Nachdem der Sonntag zu möglichst genauer Untersuchung der beschossenen Stelle benußt wurde, so konnte nun definitiv fest- gestellt werden, daß der am ersten Tag mit 40 Schüssen bearbeitete Angriffspunkt als der richtigste bezeihnet werden muß. Allein es zeigte sih hierbei aub, daß das leichte Feldgeshüt ih do als zu schwach erwiesen hat und das 15Cm.-Geshütßz mit seiner Geschoß- sprengladung wohl am geeignetsten wäre, um einen hori- zontalen Strih von 2—3 m Tiefe und 2—30 m Länge mit circa 500 Schüssen zu erschießen. Nach Ansit aller Betheiligten wäre dann mit ziemlicher Sicherheit auf einen Absturz der Massen zu rechnen. Das Aufstellen dieses schweren Geschüßes könnte an der Straße Matt-Elm stattfinden und es würde dadur der s{hwierige Transport über die Schutthalde ver- mieden. Die betheiligten Herren begnügten si aber nit allein mit der Prüfung dieses neuen Versuches, sondern sie untersucbten neuerdings die Frage, ob nicht doch noh die Sprengung ohne Gefährdung für Elm und ohne allzu großes Risiko für die Mineurs in Szene gesetzt werden könnte. Es „wurde in Folge dieser Besprehung dann be- \{lofsen, die Frage cinem im Minenwesen erfahrenen Spezialisten zu übergeben. :
Von Interesse ist wobl noch, daß die Einwohner von Elm immer mehr Vertrauen zu dem Gelingen des Versuches erhalten und den O RCLOON die Gefahr zu beseitigen, in anerkennender Weise ge- neigt sind.
St. Petersburg, 7. Dezember. (W. T. B.) Der Prozeß gegen General Mrowizaski, Fursfsorff und Tjaegleff hat unter Zuziehung von Geschworenen beute Vormittag 11 Ühr unter Ausfluß der Oeffentlichkeit der Verhandlungen begonnen. Als An- kläger fungirt Murawieff ; als Vertheidiger sind Spassowits{, Gerard und Passower zugezogen. Die Zabl der vorgeladenen Zeugen be- trägt 50. Die geri{tlihe Verhandlung wird vorausfichtlih zwei Tage dauern.
Im Königlichen Opernhause eröffnete gestern Abend vor einem distinguirten Publikum Madame Albany vom Coventgarden- Theater in London ihr Gastspiel als „Lucia“. Die Sängerin be- währte den ihr vorauësgegangenen Ruf einer der hervorragendsten Vertreterinnen des Kunstgesanges der Gegenwart in vollem Maße und wurde namentlich nach dem zweiten Akte oftmals hervorgerufen und mit Beifall E gezei ne. Der Vorstellung, in welcher Hr. Beh als Lord Heinrich Asthon und Hr. Crnst als Sir Edgar mitwirkten, wohnten Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin und die Kron- prinzlichen P errianen bei.
,— Millöôckers „Apajune“, welher am Sonnabend im
riedrich-Wilhelmstädtischen Theater, von Hrn. Direktor &Srißsche inscenirt, zur ersten R ESens gelangt, ist die dritte Ope- rette, mit welcher der Wiener Komponist vor dem Berliner Publi- kum erscheint. Sowohl die „Gräsin Dubarry“ wie noch mehr „Das verwunschene Scloß““haben ihrer Zeit Erfolg . gehabt. Die Libret- tisten Zell und Genée lehnen sich in der Handlung, die übrigens in der Gegenwart spielt, an romantishe Motive der Sagenwelt Ru- mäniens an, so daß dem Komponisten Gelegenheit wurde, der Musik einen aparten nationalen Charakter aufzuprägen.
— Die 25. Ausführung der Posse „Kyritz-Pyriß“ im Belle- Alliance-Theater, welche gestern vor fast ausverkauftem Hause stattfand, brachte den Hauptdarstellern, Frl. Schwarz und Hrn. Wil- ken, die prachtvollsten Bouquets und Lorbeerkränze, sowie den übrigen hervorragenden Darstellern die lebhaftesten Beifallébezeugungen ein.
Redacteur: Niedel.
Verlag der Expedition (Keffen). Druck: W. Elsner. Vier Beilagen (eins{ließlich Börsen-Beilage).
Berlin:
2 288,
Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.
Berlin, Donnerstag, den §8. Dezember
S1.
Niqcßtamtliches.
Preußen. Berlin, 8. Dezember. Jm weiteren Verlaufe der gestrigen (12.) Sißung seßte der Reichsta g die zweite Berathung des Entwurfs eines Ge- seßes fort, betreffend die Feststellung des Reihshaushalt 8- Etats für das Etatsjahr 1882/83 mit den der Budget- kommission zur Vorberathung überwiesenen Kapiteln und Titeln des Etats der Verwaltung der Kaiserlichen Marine (Kay. 60" Werftbetrieb 11 706 558 /(). Nach dem Abg. Dr. Hirsch ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath Staats-Minister von Stosch, wie folgt, das Wort :
Dem Herrn Vorredner will ih in den einzelnen Sachen folgen, aber vorweg bemerken, daß die vorbandene Unterstüßungsfkasse, die eben {on ein paar Jahre cristirt, und angelegt ist auf das Bedürf- uiß, was si geltend mate zur Unterstüßung . und Erhaltung des vorhandenen Arbeiterstandes, also daß diese Anstalt nit in Vergleich gezogen werden darf mit idealen Fordérungen, die in der neueren Zeit in Bezug auf die Unterstüßung aller arbeitbedürstigen oder die alter- versorgungverdienenden Leute gehegt und ausgesproWen wird. So wie das Gesetz in dieser Beziehung neue Normen aufstellt, werden die Kaiserlichen Wersten natürlich denselben folgen, fo lange dies aber nit der Fall ist, müssen wir uns innerbalb der an Ort und Stelle vorhandenen Bedürfnisse halten. ; i
Was nun die einzelnen Abzüge betrifft, so mache ih darauf auf- merksam, daß die Fixiru1g des Lohnes nicht hier Gegenstand der Firxi- rung ist, wie etwa die Gehälter, sondern daß der Lohn eine wechselude Höhe hat, je nach den Marktverhältuissen der Arbeiter und daß der Lohn in Bezug auf elwaigen Abzug von jedem Arbeiter nah dem berechnet wird, was er in die Hand bekommt und ihm allmonatlih zweimal auébezahlt wird. Das, was an Abzügen oder Zuscblägen in die Unterstütungskasse fließt, rechnet keiner von den Arbeitern, die sich dort engagiren lassen. Ich kann sagen, die vorhandenen Privatwersten bestimmen die Höhe des Lohnes und wir haben in dieser Beziehung in der Regel etwas höhere Löhne und außerdem noch etwas Zuschlag, weil wir im Ganzen ältere Arbeiter haben. : :
Was das Recht der Arbeiter anbetrifft, so glaube ich, daß bei der, wie die Statuten angeben, nur maßvollen Unterstüßung, die ich im Vergleich mit den bestehenden Verhältnissen als allein zulässig er- achte — daß Jeder sih hilft und Einer dein Andern hilst, aber nur so viel gegeben wird, als gegeben werden muß und die Etatmittel aus- werfen, und daß cs dem gegenüber unmöglich ist, den Arbeitern die Verwaltung dieser Kasse zu überantworten, da können wir sicher sein, daß wir nicht auskommen und die staatliche Verwaltung hat vor Allem diesen Standpunkt festzuhalten. O :
* Was die Komuiunalverbältnisse anbetrifft, fo ist die Werft cine Staatsanstalt, die bekanntlih von den Kommunallasten ausgeschlossen ist, und“ ist sie in dieser Beziehung nicht im Stande, etwas zu thun, was sie nicht absolut thun muß. In keinem Etat finden Sie irgendwo Mittel, auch nur einen Groschen, um damit in dieser Beziehung eiwas u geben. y i j A Hier mache ich aufmerksam auf den einen Titel der Extraordi- narien, wo ein Schulhaus bei Wilhelmshaven gebaut wird auf Kom- munalforderung. Es is dies ein Gegenstand, der in der Kommission aufgefallen ist. Wir sind hier genöthigt, hierfür Kommunallasten in den Etat aufzunehmen — da wir aber im Allgemeinen nicht zu den Kommunallaflen verpflichtet sind, können wir sie auch nicht allgemein in den Etat aufnehmen. Nur bei der Gemeinde in Wilhelmshaven, wo die ganze Kommune eigentlich dur die Werst entstanden ist, sind wir genöthigt, zum Schulbau beizutragen und sind uns dort eine Menge Kommunallasten zugefallen, aber auch im Etat und in unseren sonstigen Verbältnissen vorge- schen. In Kiel sind Forderungen in dieser Beziehung in neuerer Zeit auc viel stärker geworden, weil die Privatwerften auch in viel größerer Zahl sich Arbeiter zuziehen und auf derselben Seite von Kiel liegen, wo die Kaiserlice Werft liegt. Die Kommune hat na- türlid zunähst von der Kaiserlichen Werft besondere Unterstüßung zu bekommen, das ist etwas, was wir dem Geseß gegenüber nicht können. Ich gebe zu, daß die Kommune für den Anfang, nahdem sie auf einmal so auffallend gcwachsen ist — ih glaube von 300—400 Mcnschen auf 4000 — daß da für die Kommune cin Notbstand eintritt, aber wir müssen au berüdsichtigen, daß diese gut beschäftigten Ar- beiter ein gewisses Elewent der Wohlbabenheit der Kommune bilden, daß diese mit der Zeit aus solchen Verhältnissen herauskommt und sich vortheilhaft entwickelt. Es hat noch nie geschadet, wenn fo große Etablissements in cinem Orte sich entwickeln und groß werden und — wie gesagt Di de: Kaiserlichen Werft befinden sih noch ver-
iedene große Privatwersten. E | ) Der Abg. Dr, Hirsch erklärte, der Minister habe, foviel er verstanden habe, die Thatsache der bedeutenden Lohnreduk- tion im Oktober nicht in Abrede gestellt. Auch er sei nicht der Ansi&t, daß die Neichsbehörde außer Zusammenhang mit dem privaten Arbeitsmarkt die Löhne willkürlich feststellen solle. Allein bei der Beschäftigung von über 8000 Arbeitern, welche an den drei Werstorten die überwiegende Mehrzahl in ihren Berufen bildeten, sei das Reich der größte, also aus- \hlaggebende Arbeitgeber und soilte jedensalls auf eine an- gemessene Regulirung der Löhne, auf Milderung der ex- tremen Schwankungen hinwirken. Daß dies richt ge- schehen, sei zu bedauern, da die Lage der Arbeiter und der in Mitleidenschaft gezogenen Kommunen ohnehin eine ungünstige sci. Bezüglich der Unterstühungskassen handele es sich niht um „ideale“ Zwecke, sondern um sehr praktische Aufgaben ; sehr vicle andere Etablissements, sowohl private als staatliche, hätten seit Jahren bei wesentli höheren Unter- slüßungen die Rechtsansprüche und die volle Mitwirkung der Arbeiter eingeführt und gerade hierdurch eine sparsame Ver- waltung erzielt. Die Kaiserlihen Wersten hätten unbedingt die Aufgabe, die Zukunft ihrer Arbeiter sicher zu stellen und deshalb sprehe er nohmals, gewiß im Sinne der großen Mehrheit bes Hauses, den dringenden Wunsch aus, daß be- reits für den nälhsten Etat eine Abstellung dieser Uebelsiände
angebahnt werde. ; N Hierauf nahm der Staats-Minister von Stosch das Wort : :
Ich will nur den Standpunkt der Verwaltung in Betreff der
Bestimmung der Löhne hier klar stellen. Ih halte es für meine
fliht, als an der Spitze einer Staatsverwaltung stehend, für die S der Löbne keine leitende, sondern eine den Privatverhält- nissen solgende Stellung einzunehmen. J halte es für falsch, wenn der Staat mit den großea Mitteln in die Fixirung der Löbne, die die Privatverhältnisse ganz anders bestimmen, eingreifen will, und werde danach immer bandeln.
Was die Theilnahme der Arbeiter an der Bestimmung der Unter- stützung betrifft, so glaube ich, daß die Organe, die auf den Werften vorhanden sind, zu den Sachen vollständig gehört werden und glaube, daß die Stimmen ganz die Berückfichtigung erhalten, die sie finden können. Ich habe wenigstens in dieser Beziehung noch keinerlei Klagen vernommen.
‘beim Postetat angebracht sei.
Darauf wurde auch das Extraordinarium der Marine- verwaltung, 8 728 800 #6, ohne Diskussion genehmigt.
Es folgte der Etat der Reichs post- und Telegraphen- verwaltung. i :
Kap. 3 fixirt die Einnahmen in 10 Titeln auf 145 128 000 , darunter Titel 1 Porto und Telegramm- gebühren 130 000 000, Titel 2 Personengeld 3 000 000 M, Titel 9, Wiltwen- und Waisengeldbeiträge 1 600 000 H, Titel 10, Absatz der Zeitungei 2c. 3 300 000 M
Ohne Diskussion wurden die Einnahmen genehmiat.
Bei dem Ordinarium der Ausgaben (Centra!verwaltung), Kap. 3 wurde Titel 1, Staatssekretär 24 000 f, desgleichen Titel 2, „Direktoren 239 400 4“, ohne Debatte genehmigt.
Bei Tit. 3 „geheime expedirende Sekretäre, Registrato- ren 2c. 386 400 @“ ging der Abg. Stoecer auf die Frage der Sonntagsruhe ausführlih ein, deren Erörterung gerade Der Staatssekretär habe sich freilih cinmal bes&wert, daß man diese große prinzipielle Frage gerade bein VPostetat immer diskutire, daß man die Schmerzen in dieser großen Angelegenheit gerade immer nur hier ausshütte. Jm Grunde sei das jedoch nicht verwunder- lih. Hier sei in der That der Punkt, an dem die Stellung des Staates zur Sonntagsfrage zum klaren Ausdruck fomme und in der jeßigen sozialpolitisch so bewegten Zeit habe diese Frage diè allergrößte Bedeutung. Vor wenigen Monaten erst jei man in diesem Hause über eine Petition in dieser Ange- legenheit zur Tagesordnung Übergegangen; aber die große Fcage der Sonntagsruhe stelle sih immer wieder von selber auf die Tagesordnung. Troß der damaligen Erklärungen der Vertreter der Postbehörde sei es doch ein aügemein ver- breitetes Gefühl, daß die Thatsachen denselben nicht ganz ent- sprochen hätten. Die Sonntagsruhe gehöre zu den sittlichen Fun- damenten des chrisllihen Volkslebens, von denen die Kaiserliche Botschaft geredet habe, sie gehöre auch zu den Bedingungen eines gesunden persönlichen, sozialen und Familienlebens. Es sei darum in der leßten Zeit von w'anchen Seitcn gerade in dieser Nichtung eine Neaktion eingetreten, „die auch die linke Seite diescs Hauses gewiß sür berechtigt halten werde. Diese Frage habe in neuester Zeit sehr an Bedeutung ge- wonnen, die Bestrebungen eines internationalen Vercins zu Genf zur Herstellung der Sonntagsruhe würdcn von den Provinzialsynoden unterstüßt. Es liege ihm fern, hier Unzu- friedenheit säen zu wollen, aber î rei Punkte seien es, welche er der Aufmerksamkeit des General-Postmeisters unterbreiten möchte: 1) die Thätsahe, daß die Beamten der Post: und Telegraphenverwaltung keinen freien Sonntag von Nehtswegen hätten; 2) die Besorgung der Paketbeförderung an den Sonn- tagen und 3) die Einführung der regelmäßigen Briefbestellung an den Sonntagen auf dem Lande. Namentlich durch leßteres werde etwas völlig Neues geschaffen, wodur ledhafte Unruhe hervor- gerufen werde, Das Bedürfniß liege meist ih den industriellen Jnstituten und diese könnten ihr Bedürfniß durch eigene Boten befriedigen. Die Sonntagsruhe sei eine nothwendige Bedingung des Wohlverhaltens. Daß den Beamten die Sonntagsruhe gewährt werde, sei eine Nothwendigkeit für die Beamten der Verkehrsanstalten. Er wolle nichts Anderes als für diese große, gute, gerehte Sache eintreten und er glaube, daß er sich an keinen Anderen mit mehr Zuversicht wenden könne, als an den Staatssekretär Dr, Stephan selbst, zu dem er das Zutrauen habe, daß, wenn derselbe sich davon über- zeugen würde, daß Die Bitte um Verbesserung der Sonntags- ruhe dur weite Kreise des Volks gehe, derselbe Mittel finden werde, mit seiner Energie die Sache durchzuführen, Das Unsterbliche im Menschen, seine Seele anzuregen, sie den Umsturzgedanken zu entfremden, — diese Aufgabe müsse an allen Ecken angefaft werden. Er wolle der Postverwaltung keineswegs irgend welches Uebelwollen zuschreiben. Man habe hier cinen großen Konflikt ¿wishen den immer höher an-
chwellenden Forderungen des Verkehrs und dem kirchlichen Bewußisein. Wenn indessen das Publikum selber si be- mühen werde, zu scinem Theil an der Lösung dieses Kon- fliktes mitzuarbeiten, dann werde auch ein wohlthätiger Nü- schlag auf die Postverwaltung niht ausbleiben. Die Haupt- aufgabe liege indessen doch der Behörde ob. Ueber die großen Leistungen der deutschen Postverwaltung herrsche gewiß all- gemeine Anerkennung; er könne aber nicht vershweigen, daß in den Kreisen ihrer Beamten das Gesühl einer großen Anstrengung, ja ciner zeitweisen Ueberbürdung lebhaft sei, Wenn die Beamten aber für die zeyen des Dienstes 6 Tage lang ihre ganze Kraft einseßen müßten, dann sei es unbedingt geboten, ihnen in regelmäßiger Wiederkehr das Ge- sühl zu gewähren, daß sie cinen Feiertag hätten, um si er- holen, ihre Leibes- und Seelenkräste stärken zu fönnen, Es liege in der Lust, den Staatsbetrieb zu vermehren. Die Freu- digkeit, mit welcher dieses Thema aufgenommen werden solle, hänge wesentlich davon ab, daß innerhalb des Staatsbetricbes auch für die Bedürfnisse des Menschen im Juteresse eines Christen würdigen Daseins genügend gesorgt würde, daß ein auékömmliher Lohn vorhanden sei, daß sie pensions- fähig angestellt würden und ihnen die nöthige Ruhe- eit zur Versügung stehe. Ec wolle keine Uebertrei- Edin, Auch in streng kirchlichen Kreisen sei die Anshauung lebendig, daß man fh in die Ansprüche des Verkehrs finden müsse. Einen puritanishen Sonntag verlange er nicht, aber au feinen egyptishen. Er und seine polilishen Freunde wollten den guten deulshen Sonntag zurüähaben, einen Tag der Erquickung und der Erholung. Er wolle, daß auc den Angehörigen dieser Betriebe die Morgenglocke, die zum Gottes- dienst rufe, mehr sei, als die Pfeife der Lokomotive und das Posthorn. Darum richte er im Namen des deutschen Volkes, der sozialen Frage, der Gen tens und des Familienlebens die herzliche Bitte an den Staatssekretär, daß derselbe thun möchte, was er könne, um diesem Bedürfniß Geltung zu ver- schaffen. Derselbe werde seinen großen Verdiensten um die Hebung des Postwesens das größte hinzufügen, wenn es ihm gelungen sein werde, die Sache so zu regeln, daß die Be- denken verstummten und die Du [al ten, jeßt hätten sie das Gefühl, einen Sonntag zu 1 Aa "A Bundetraths-Kounnissar Direktor im Richs-Postamt
Dr, Fischer erwiderte, die Verwaltung sei ihrerseits von der
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Nothwendigkeit der Sonntagsruhe überzeugt, soweit eben die Verkehrsverhältnisse damit zu vereinbaren seien. Was die vom Vorredner hervorgehobenen drei Punkte betreffe, so müsse er dem ersten widersprehen. Die Reichs-Postverwaltung sei von Alters her darauf bedacht gewesen, ihren Beamten am Sonntag freie Zeit für die Wahrnehmung des Gottesdiensies zu verschaffen, und dieselbe habe sich alle Zeit bestrebt, dieses Stre- ben mit den Anforderungen des arr is pi in Einklang zu bringen. Den Beamten bleibe sodann mindestens der dritte Sonntag immer dienstfrei. Betreffs des zweiten Punktes konstatire er, daß im ganzen Lande und auch hier am Sonntag eine wesent- lihe Einschränkung der Packetbestellung bestehe. Es sei noh neuerdings in Erwägung gezogen worden, ob diese für Berlin bestehende Einschränkung noch weiter ausgedehnt werden könne. Der ihm hierüber vorliegende Bericht der hiesigen Ober-Post- direktion erkläre dieselbe indessen aus räumlihen Gründen für unzulässig. Die zu 3) erwähnte Einrichtung endlich sei keineswegs neuen Datums. Es bestehe vielmehr {hon seit längerer Zeit in einer großen Zahl der dem Neichspostgebiet neu zugefügten Bezirke, namentlih in Elsaß-Lothringen, ein ausgedehnter Sonntagsbetrieb für die Landbriefbestellung. Als nun im Vorjahre die vom Reichstage und im Lande bei- fällig begrüßte Reform des Landpostdienstes in Angriff genom- men sei, sei eine Sonntagsbesiellung sür die verkehrsreiheren Landorte in Aussicht genommen worden. Daß die Verwal- tung dabei mit großer Schonung verfahren sei, könne er dem Vorredner nur bestätigen. Der Konflikt, von dem der Vorred- ner gesprochen, werde niht dadurch gelöst, daß man sich aus- \{ließlih auf den k.rhlihen Standpunkt stelle, Es sei doch unbedingt nöthig, daß neben den kirchlihen Gesichtspunkten auch die des Verktehrslebens in Betracht gezogen werden müßten. Der Abg. Dr. Lingens bewerkte, die Erklärungen des Bundeskommissars würden gewiß freudig begrüßt werden ; über die wohlwollende Gesinnung der Postbehörde herrsche auch kein Zweifel, nur sei zu beklagen, daß den Anordnungen derselben niht immer in der richtigen Weise entsprochen werde. Aus den Reihen der Postbeamten seien ihn vielfahe Klagen geführt worden, daß es ihnen absolut unmöglih sei, in zureihendem Maße dem Gottesdienste beizuwohnen. So sei ihm bekannt, daß an einem Orte der Schalter am Sonntage zwar geschlossen, hinter demselben aber weiter gearbeitet werde. Es sei sehr bemerkenswerth, daß den Postbeamten dec dritte Sonntag ganz freigegeben werde. Umsomehr sei es zu bedauern, daß diese Anordnungen nicht hinausgedrungen -seien in alle Postämter. Die ganze Sache ite sih zu der Frage, was sei ausschlag- gebend, die Bedürfnisse des Verkehrs oder Gottes Gebot. Er stehe nicht an, sih für das leßtere zu entscheiden, und er habe auf seiner Seite die Postbeamten, welche die Sonntagsruhe und Heiligung dringend wünschen; diese Sonntagsruhe werde dem öffentlihen Verkehr gewiß ebenso wenig schaden, wie die Sonntagsheiligung in Ameria, wo in der Oeffentlich- keit volllommene Ruhe am Sonntage herrshe. : Der Abg. Richter (Hagen) erklärte, es sei rihtig, daß in Amerika am Sonntage in der Oeffentlichkeit Ruhe herrsche, dasür sehe es aber hinter den Läden um fo unerfreulicher aus, und in der Beziehung halte Amerika mit Deutschland keinen Verg!eih aus. Die Klagen der Postbeamten in Bezug auf nicht genügende Sonntagsfeier vershwänden gegenüber ihren anderweitigen Wünschen, Jndessen halte er diefe Frage für sehr wichtig, und der Staat hätte alle Ursache, zunächst gegenüber feinen eigenen Beamten zu zeigen, was dec- selbe als guter Arbeitsgeber leisten könne. Die Sonn- tagsseier hänge nicht zusammen mit einer religiösen, au nicht mit einer spezifish christlihen oder kirhlihen Richtung. Wäre der Sonntag resp. der Sabbath nicht s{hon vorhanden, so müßte man ihn vom allgemeinen humanen Standpunkte aus schaffen. Als man in Frankreih Gott habe abschaffen wollen, habe man sich zur Beibehaltung des zehntägigen Sonntags entschließen müssen. Selbst vom rein materiellen Standpunkte aus sei es wünschenswerth, daß nach angestrengter Arbeit eine Nuhepause eintrete. Dies sei also keine Frage für Pastoren und Synoden, sondern interessire jeden Menschen gleihmäßig. Er mein, daß sie rein praktish und mit nüchternem Verstande gelöst werden müsse. Eine absolut beshauliche Ruhe am Sonntag sei unwöglih. Jn allen Familien müsse gekocht werden. Das wäre schon eine gewisse Anforderung an Arbeit. Dann wolle man Geselligkeit haben, man mache Reisen, es finde also am Sonntag ein Verkehr, ja mitunter ein gestei- gerter Verkehr siatt. enn die Gutsbesißer zum Sonntags- ottesdienste führen, so verursahe das an den Orten, wo der ottesdienst stattfinde, vielmehr Unruhe, als wenn ein ein- facher Landbriesträger über die Felder gehe. Vor zwei Jah- ren habe der Reichstag die einmalige Vriefbestelung, die bis 1/,10 Uhr erledigt sei, beschlossen, das genüge dem Bedürf- niß; aber auf dieser einmaligen Bestellung müsse man bestehen. Er halte es für möglih, daß den Post- beamten öfter als am dritten Sonntag cin freier Ta gegönnt werde. Aber es sei unmöglih zu erreihen, da Alles um 10 Uhr die Kirche besuhe. Das gehe selbst in cinem bürgerlihen Haushalt nit. Wenn die evangelischen Pastoren sich beklagten, daß der cingerichtete Sonntags-Abend- gottesdienst seinen Zweck nicht erreihe, warum machten sie es niht wie die katholischen Geistlichen, welhe um 5 Uhr Mor- gens den Gottesdienst abhielten? Für die Herren Geistlichen wäre das sreilih ctwas weniger bequem, aber sie würden ihren Zweck erreihen. Der Abg. Stöckter wolle nicht, daß die Landbriefsträger am Sonntage die Briefe bestellten, derselbe wünsche, daß Jeder scinen eigenen Boten zur Post nah den Briefschasten \{hicke. Würde das nicht viel mehr Sonntagsunruhe hervorbringen, wenn die Leute den ganzen Sonntag über am Schalter erscheinen würden, und würde dadurh niht den übrigen Postbeamten der Sonntag entzogen? Wenn aber di Pakete nicht am Sonntage, sondern erst am Montage bestellt würden, so würden die Büreaus und Comtoire eine viel stärkere Neigung empfinden, am Sonntag Vormittag zu arbeiten. Es würde also das absolute Gegen- theil erreicht. Er müsse sagen, er habe in dem Vortrage des Abg. Stöcers sehr schöne flangreihe Worte gefunden, aber nihts, was praktisch zur Lösung der Frage verwerthet werden