1882 / 15 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 18 Jan 1882 18:00:01 GMT) scan diff

Miitcl- und Süddeutsc{land (Württemberg, Sachsen, Thüringen, Hessen, Bayern, Baden, Elsaß-Lothringen, im Ganzen 163 Nrn.); 6) Oesterreib-Ungarn und die Schweiz (im Ganzen 71 Nrn.) ; 7) die romaniswen Völker: Frankreich (167 Nrn.), Spanien und Portugal (32 Nrn.), Ftalien (59 Nrn.) ; 8) die Niederlande (Holland und Belgien, im Ganzen 53 Nrn.); 9) roßbritannien (92 Nrn.) ; 10) die sfandinavishen Reiche (Dänemark, Norwegen und Schweden, im Ganzen 36 Ncen.); 11) der Orient: Griechen- land, Türkei, Donaufürstenthümer, Asien (im Ganzen 91 Nrn.) ; 12) Geographie, Reisen, Völkerkunde (im Ganzen 188 Nrn.); 13) Kriegsgeschichte und Kriegsalterthümer (im Ganzen 93 Nrn.); 14) Nadträge (35 Nrn.). In den verschiedenen Abtheilungen findet sid eine Menge werthvoller, interessanter und zum Theil seltener Schriften, namentlich in der 1., 3. und 5. Von den neueren be- kannteren und berühmteren Historikern dürfte man \{chwerlich einen vermissen. So find z. B. Dablmann, Droysen, Gervinus, Häufser, Heeren, Leo, C. Ad. und W. Menzel, F. v. Müller, Pölitz, Ranke, Fr. v. Raumer, Rotteck, Slosser, Stenzel, F. Voigt, Wach8muth, Alison, Carlyle, Macaulay u. \. w. mit ihren Schriften verzeichnet. Von älteren Werken führen wir Beispiels halber an: Carionis Chronica, Seb. v. Wörds Chronica, Gottfrieds Historische Chronik, Jornandes, Ludolffs Schau-Bühne der Welt, Sleidanus, Valckeniers verwirrtes Curopa, Theod. Zuingers Theatrum u. \. w.

Land- und Forstwirthschaft.

Belgrad; Ende 1881. Das Ernte- Resultat inSerbien jür das Jahr 1881 ist den aus den verschiedenen Kreisen ein- gehenden Nachrichten zufolge als ein höchst mittelmäßiges zu be- zeichnen.

Die onormalen Witterungsverhältnisse im vergangenen Sommer haben bewirkt, daß die Feldfrüchte in ihrer Entwickelung gehemmt wurden, und die Ernte demzufolge in keiner Weise dem günstigen Saatenstande des Frühlings entsprochen hat.

Es giit dies insbesondere vom Weizen, Noggen und Hafer, welche Sorten größtentheils zum Zwecke des Exports angebaut werden, während hingegen der türkische Weizen, welcher vorwiegend für den inneren Konsum bestimmt is, in den meisten Distrikten gut ge- rathen ist.

Dagegen hat die Pflaumen-Ernte sowie das Einsammeln der Cicen-Knöppern cin sehr günstiges Resultat ergeben, und auch die Weinlese ift fast überall zur Zufriedenheit auêgefallen.

Der Wein verspricht in den näcbsten Fahren eine bedeutende CEinnahmequelle zu werden, zumal die benachbarten ungarischen Distrifte von der Phylloxera stark heimgesucht sind, während auf dem diesseitigen Ufer diese Landplage sich noch nirgends gezeigt hat.

Wenn fomit im laufenden Jahre die Ausfuhr an Getreide auch sehr gering sein wird, so wird diefer Ausfall doch durch die bedeu- tenden Ausfuhrmengen an Wein, Pflaumen ‘und Knoppern gedeckt werden, wozu noch die stets zunehmende Ausfuhr an Nindern und Schweinen kommt, welche namentlih für letztere si in Folge der reichlichen Kufkeruz- und Eichelernte, und bei den hoben Preisen auf dem Pester Markte besonders günstig gestaltet.

Gewerbe und Handel.

Das deutsche Handel8arciv, auf dessen Inhalt hinzu- weisen wir vielfa Veranlassung genommen, erscheint von jett an in Monatsheften, von denen das erste so eben zur Ausgabe gelangt ist.

Wir können die Aenderung nur als eine vortheilhafte bezeichnen. Der Stoff sondert ih besser ab, als früher, er wird andererseits mehr zusammengehalten und feine Benußung auf diese Weise er- leichtert. Insbesondere gilt dies von den Konsularberichten, die, in der Wochenausgabe des Blattes oft durch mehrere Nummern fortlaufend, jeßt im Zusammenhange zum Abdruck gelangen werden, Auch ge- winnt die Uebersichtlichkeit dadur, daß diese Berichte in zwölf, den Haupthandelsgebieten der Erde entsprechende Gruppen vertheilt find.

Die Hefte zerfallen in zwei Theile, jeder für si paginirt und gesondert gelalten. Der zweite entkält die Konsulatsberichte, der erste die Gesetzgebung und den sonstigen Inhalt des Blattes.

Auch diese Theilung erscheint praktis. Wir können das Archiv nur erneut der Aufmerksamkeit aller Kreise cmpfeblen, welche für die Erscheinungen auf dem Gebiete des Handels und Verkehrs und ins- besondere für unsere Beziehungen zum Auslande Interesse baben.

Dortmund, 16. Januar. (Ess. Ztg.) Im Eisenge\chäft ist andauernd eine steigende Tendenz zu fkonstaliren. Im Roheisen- ges{häft werden die vorwöchenillichen Preise bei regem Bedarf fest be- havptet und in Walzwerkfabrikaten sind die Notirungen weiter erhöht worden. Da dieselben aber immer noch nicht in demselben Verhältnisse gestiegen sind, wie die Rohbeisenprcife, so ift cine weitere Steigerung derselben zu crwarten. Denn, während Puddel- rohcisen allmählich von 50 auf 70 Æ pro Tonne gegangen und demnach eine Erhöhung von 40 % erfahren hat, ift Stabeisen von 110 auf 140—143 A pro Tonne, also erft um ca. 30 9% gestiegen. Der Bedarf in Walzwerkfabrikaten nimmt noch immer zu, besonders aber in Foçoneisen und Blechen, welche Eisensorten in großen Quantitäten von den Schiffäwerften sowohl wie neucrdings auch von den Lokomativfabriken bezogen werden, Kesselblecbe werden außerdem von den Dampfkesfelfabriken in verstärktem Maße ver- arbeitet. Wegen der starken Nacbfrage haben Kesselbleche vom 11. d. M.

ab eine weitere Erhöhung von 5 M pro 1000 kg erfahren; ebenso |

sind Siegener Feinblehe um weitere 5 M pro 1000 kg erböbt worden und notiren demgemäß 208 A, während Kesselblede 220 M vro Tonne berechnet werden. Walzdraht wird noch immer stark für den Ervort verlangt, wie auch der Bedarf des Inlandes in diesem Artikel steigt, so daß die Drabtwalzwerke vollauf Beschäftigung baben. Ein Gleiches ist auch bei den Stahlwerken und der Kleineisenzeug-Industrie der Fall, denen sehr umfangreihe Posten von Oberbaumaterialien für inländische Eiscnbahnen in Bestellung gegeben \ind. Da bei dem gesteigerten Betricbe aller Eisenwerke die masc{inellen Einrichtungen derselben theils nit mehr ausreicen, theils den neueren KFort- schritten nicht mehr entsprechen, so sind viele Neuanlagen und

durchgreifende Umänderungen bestehender mas{ineller Einrichtungen |

erforderli, und find den Mascbinenfabriken irage seit dem Beginn der zugecslo))en, so daß

viele derartige Auf- Bcsserung des Eisengeschäfts dieselben sebr rciblide Beschäftigung

für längere Zeit haben. Auch die Kesselanlagen mancher Werke sind |

in der Erweiterung túesv. umfassender Reparatur begriffen, und ist darauf die zunehmende Thätigkeit der Kesselshmieden zurückuführen. Im Kocohblengescbäft ift andauernd ein reger Verkebr in Industrie-, Gas- und Kokeskoblen zu verzeibnen. Bei dem nunmebr einaetrete- nen Froflwetter ist au eine Belebung in Hausbrandkoblen und eine Befestigung der Preise derselben, die in der letten Wocbe ins Schwanken gerathen, zu erwarten. In Kokes dauert ein reger Ge- \chäftsgang an.

Elberfeld, 18. Januar. (W.T.B) Die Einnabmen der 1881 4 990 349 gegen 4 643 194 Æ im Dezember 1880, mitbin Mebr einnahme 347 155 Æ Vom 1, Januar bis ult. Dezember 59 321 528 M, gegen 59 602014 M in dem gleichen Zeitraum des vorigen Jahres, mithin Mindereinnahme 280486 M Die Einnahmen der Rubr-Sieg- Eisenbahn inkl. Finnentrop-Olpe betrugen im Monat Dezember 1881 5989 496 M gegen 535111 Æ im Monat Dezember 1880, mitbin Mebreinnahme 50385 Die Einnabmen der Bergis{-Märkiscben Eisenbahn und der Ruhr- Sieg-Eisenbahn zusammen betrugen im Monat Dezember 1881 5575845 M gegen 5178305 M im Monat Dezember 1880, mithin Mehreinnahme 397540 A Die Einnahmen der Bergish-Märkischen Eisenbahn und der Ruhr-Sieg- Eisenbahn zusammen betrugen vom 1. Januar bis ult. Dezember d. I. 66043 376 M gegen 66171607 F. im Jahre 1880, mithin Mindereinnabme 128 231 M

Hamburg, 17, Januar. (W. T. B,) Der Verwaltungsrath der Norddeutshen Bank bat die Dividende auf gefeßt. In der heutigen Aufsichtärathösitung der Arglo-Deut- \chen Bank wurde die Dividende auf 6 °/g festgesetzt.

Glasgow, 17, Januar. (W. T. B.) Die Verscchbiffungen von Roheisen während der letzten Woche betrugen 5767 gegen 6677 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres,

104 %/6 feste |

New-York, 16. Januar. (W. T. B.) WeizenversHif- fungen der leßken Woche von den atlantischen Häfen der Ver- einigten Staaten nach England 69000, do. na dem Konti- nent 4000, do. von Kalifornien und Oregon nach England

70 000 Qrtrs. Verkehrs-Anstalten.

Plymouth, 17. Januar. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „,Cimbria“ ist hier eingetroffen.

Berlin , 18. Januar 1882.

Mexiko, im April 1881.

Jn Mexiko herrsht al'’gemein die Ueberzeugung, daß die materielle Entwickelung des Landes mit dem Bau der Eisenbahnen zu beginnen habe. Von dem lebten Kongreß sind bereits zwei große Bahnnete konzessionirt worden. Sie sollen, das eine breitspurig und das andere s{chmalspurig, von der Hauptstadt ausgehend, bis zur Nordgrenze vordrinzen, zum Anschluß an die awerikanishen Bahnen und jedes der- scelven soll durch eine Querlinie mit beiden Meeren in Ver- bindung treten. An diesen beiden ungeheueren Eisenbahn- kreuzen, welche sich quer über das Land legen sollen, wird bereits mit Energie gearbeitet. Aber dabei foll es nit bleiben. Fn den meisten Theilen bes Landes bestchen außerdem noch Projekte für andere Schienenwege. Das allgemeine Denken ist so vorwiegend auf diesen Gegenstand gerichtet, daß man laum von etwas anderem noch spricht, und was noch wichtiger ist, überall finden sich au bereits die Faktoren ein, welche die Ausführung versprechen. Wohl ausgestattete Kara- wanen von amerikanischen Jngenieuren durchziehen das Land, um die Tracen für allerlei internationale unt: interozeanische Bahnprojekte auszufinden oder für Lokalbahnen aller Art die Vorstudien zu machen. Auch der berühmte Fngenieur, Cap- tain Eads, geht daran, um fein (bereits fonzessionirtes) groß- artiges Projekt ciner Schiffscisenbahn über den Fsthmus von Tehuantepec vorwärts zu bringen, Als Beispiel von der Napidität, mit welcher die ganze Bewegung Plaß greift, mag folgende Thatsache Erwähnung finden. Noch im Februar v. J. sah man in dem südlichen Staat Oagjaca mit Neid auf die Eisen- bahnentwickelung im Norden und besprah die Aussicht auf eine Bahn durch den Staat als eine schr fernlicgende Hoff- nung. Jm April war bereits eine „mexikanishe Südbahn- gesellschaft“ konstituirt, welhe den Staat Oajaca von Meer zu Meer mit einer Eisenbahn überspannen will. Auch war der General Grant in der Hauptstadt anwesend, um für die E deren Präsidium er übernahm, die Wege zu ebnen.

Daß dieses endli erkannte Bedürfniß des Landes für Eifenbahnen so schnell seine Besriedigung zu finden verspricht, ist dem Unstand zu verdanken, daß in der großen Nachbar- Nepublik eben gleichzeitig eine Bewegung Plaß gegriffen hat, welche die immensen materiellen und intellektuellen Mittel derselben dem mexikanischen Bedürfniß zur Hülfe führt. Von dem Austreten des Generals U. S. Grant in Mexiko im Jahre 1880 ist der wesentlichste Anstoß zu jener Bewegung herzuleiten. Seit dem Antritt des neuen Präsidenten ergießt sich ein wach- sender Strom amerikanischer Jugenieure, Techniker und Unter- nehmer für alles Mögliche und Unmögliche in das Land. Mexiko ist in der amerikanischen Geshästswelt „Mode geworden“ und der Unternehmungsgeist des spekulativen Volkes, jeßt doppelt kräftig, durh den Ueberfluß eigenen und fremden Kapitals, wirft sich mit mehr noch als seiner gewöhnlichen Energie auf das neu eröffnete Feld. Man kann kaum eine amerikanische Zeitung in die Hand nehmen, in welcher nit von Véexico, seinen Reichthümern und feiner Entwicklungs- fähigkeit in eingehenden Artikeln gehandelt würde. Neben dem Eifenbahnbau, in welhem bereits ein sehr bedeutendes amerikanishes Kapital investirt wurde, sind cs die mexikanischen Häfen, welche von der Spekulation ins Auge gefaßt werden. An verschiedenen Plößen der Ost- küste sind amerikanische Jngenieure beschäftigt, den Ausbau, resp. die Verbesserung der Golf: Häfen «José Maria (für Matamoros), Tampico, Anton Lizardo und Verakruz zu studiren, für welche theils die mexikanische Negierung, theils die interessirten Eisenbahn-Compaguien große Aufwendungen machen wollen. Am Stillen Mecre haben dieselben den Vor- sludien für die Einrichtung neuer Häfen, bei der Laguna von Tehuantepec, bei Huatulco und Topolobampo obgclegen.

Jn den nördlichen Grenzstaaten ist es ferner der Bergbau auf Edelmetalle, der kolossale Reichthum der mexikanischen Cordilleren an noch unverschlossencn Schäßen von Silber und Gold, welcher zahlreiche Spekulanten anzieht und es ist hier cine Einwanderung von Kapital und Arbeitskraft daneben auch von Abenteurern im Gange, die an die Borgänge in Kalifornien und Nevada erinnert. Jm Staate Sonora sind schon fast alle in ergiebigem Betrieb befindlichen Minen an amerikanishe Gesellschasten übergegangen. «Zet verbreitet sih die Bewegung auf die Staaten Sinaloa, Chihuahua und Durango; jeder Minenbesiter ist dort so zu sagen auf dem Lugaus nach der amerikanischen Gesellschast, die thm scin Bergwerk zu hohem Preise abkaufen soll. Auch sür landwirthschaftlice und eFabrikunternehmungen, für spe- kulative Land- und Häuserkäufe und sonstige Anlagen aller Art findet sich amerikanishes Kapital angeboten. Bereits macht sih der Einfluß dieses Angebots in den Grenzstaaten dur Steigerung aller Werthe und erhöhte Produktion auf vielen Gebieten bemerklich.

Der Gang dieser ganzen wirthschastlihen Bewegung ist

ein so rapider, daß cr wohl überstürzt genannt werden kann

Bergish-Märkiscen Eisenbahn betrugen im Monat Dezember | Und die Befürchtung eines Rücksschiags nahe legt.

Dafür spricht auch die Erfahrung grade mit den amerikanishen Ver- hältnissen, solhe fieberhaste Bewegungen pflegen damit zu enden, daß der „Nobby“ nach kurzer Zeit nieder-

| briht. Es mag dies wohl au dicsmal geschehen, wenn der |

mexikanishe Staatsschaß ih außer Stand sehen sollte, die

| großen Subventionen regelmäßia zu zahlen. Jmmerhin wird

jedoch vorher ein gutes Stück Eisenbahnen sertig gebaut sein und es ist auch anzunehmen, daß die Juteressenten bei einiger- maßen aussihtsvollen Linien das halbvollendete Stü nicht werden liegen lassen.

Der deutsche Handelsstand in Mexiko ist in allen g1ößeren Städten durch cine oder mehrere Firmen repräsentirt. Die Gesammtzahl derselben ist auf circa 120—130 zu säßen. Die größere Zahl dieser Firmen sind “alt begründete ¡Fafto- reien des hanseatischen Handels; sie haben ihre Mutterhäuser in Hamburg und Bremen. Jn den Hasfenpläßen des Golfs nehmen sie im Jmport- und Exrportgeschäst einen hervor- ragenden Play ein und an der Westküste haben sie fast die Allein- herrschast, Das Erstere gilt auc von den zahlreichen Großstädten

des Jnnern und von der Hauptstabt bes Landes. Man fann ohne Uebershäßung sagen, daß der deutsche Handelsstand im Lande unter allen fremden Kolonien die erste Stelle einnimmt. So stehen denn auch überall unsere wohlhabenden, gebildeten Kaufleute in hohem Ansehen und geradezu an der Spite des geschäftlichen und gesellschaftlichen Lebens. ;

Wie die Verhältnisse derzeit liegen, ist die Betheiligung der fremden Kolonien am Handel und Gewerbe die folgende. In spanischen Händen befinden si, neben einigen Export- und Importgeschäften, zahlreihe Bergwerke, Textilstoff: Fabriken und Zuckerplantagen; in den Städten wird das Spezerei- und das Pfandleih- resp. Wuchergeshäft vorwiegend von thnen betrieben. Englische und amerikanische Häuser giebt es nur sehr wenige, eine englische Bank in der Hanptstadt und einige amerika- nische Waffen- und Werkzeughandlungen. Jn deutschen Händen befinden sich in allen größeren Pläßen des Landes Engros- Geschäfte für Jmport und Export, in den Städten des Jnnern meist auch mit einem Detailhandel für sremdländishe Waaren aller Art verbunden. Daveben werden auch vielfah Bank- und Kommissionsgeschäfte, Textilstoff-Fabriken, Bergwerke und landwirthschastliGe Unternehmungen aller Art von Deutschen betrieben. Wie {hon gesagt, nehmen im Engroshandel die Deutschen überall einen hervorragenden Plaß ein, an einigen Punkten haben sie fast ein Monopol. Gegen diese donini- nirende Stellung des deutschen Handels haben in neuerer Zeit nur die Franzosen angefangen als Konkurrenten aufzutreten, Sie begannen mit dem Detailhandel in Schnittwaaren und hier ist «s ihnen, wenigstens in der Hauptstadt und in dem Haupt-Hasenplaße Verakruz, bereits ge- lungen, die deutschen Häuser aus dem Geschäste zu drängen. Als Gründe dafür werden L neben der Vorzüglichkeit und dem Prestige der französischen Waaren auf diesen: Gebiet die besondere Begabung des FFranzosen als Detailverkäufexr u:d die geringeren Regiespesen, die ihre Häuser gewöhnlich haben.

Was im Vorstehenden über die Lage des deutschen

Handelsstandes im Lande berichtet worden, is natürlich nicht Y zu verwechseln mit der Frage, wie sih der Handel mit } Der deutsche Kaufmann vertreibt |

deutschen Waaren stellt. hi:r Waaren aller Provenienz; er bezieht von da, wo es ihm am nmieisten Rechnung läßt und giebt dem deutschen Produkt nur bei gleicher Konvenienz den Vorzug. Ob der

deutshe Jmport im Ganzen ab- oder zunchmend ift, wird, bei |

tem bekannten Mangel an korrekten Aufzeihnungen übee die Provenienz, s{chwerlich mit statistish sicheren überhaupt belegt werden fönnen. Doch

Süden des Landes die deutshe Einfuhr

U nt cer ZU-

nehmend, im Centrum ziemlich stabil, in den nördlichen | dagegen mehr und mehr vor der aerikanischen |

Staaten

Konkurrenz zurückwoeichend sein. Die lehtere beherrs{t den

Markt bereits aus\{ließliGß im Gebiete des Maschinenwesens, |

der Waffen und der Eisen- und Stahlwaaren aller Art, und

sie gewinnt au täglih mehr Terrain auf dem Gebiete der

Webestoffe, Kurzwaaren und Chemikalien. Bei den groß- artigen Fortschritten der amerikanischen Fabrikation ist dex Tag nicht ferne, wo dieselbe der europäi hen Produktion auf allen Gebieten (etwa das kunstgewerbliche und wissenschaftliche ausgenommen) vollkommen ebenbürtig sein wird. Die geo- graphische Lage giebt den Vereinigten Staaten einen so unanfcchtbaren Vorsprung, daß dagegen, namentlih nach Ausbau der verbindenden Schienenwege, Europa nicht wird aufkommen fönnen.

Es seien hier nur flüchtig die Hauptmomente aufgeführt, welche schon jeßt bei vielen Artikeln die Ueberlegenheit der ameritanischen Einfuhr, namentlih gegenüber der deutschen, begründen.

1) Die geographische Nähe, welche es ermöglicht, bei den Bestellungen jede augenblicklihe Konjunktur zu benußen und die Waaren in ein Viertel der Zeit zu beziehen, die sie aus Europa brauchen.

2) Die nicht abzuleugnende bessere Qualität vieler Artikel, Es gilt dies vorzüglih für die oben gedachten drei Gebiete der Maschinen, Waffen und Werkzeuge, sämmtlich großen Kousun:s im Lande. An Werkzeugen, wie Beilen, Haumessern (machetas), Spaten, Sägen, Bohrern, Feilen x. liefert die amerikanishe Fndustrie zur Zeit überhaupt wohl das Beste, was auf der Erde erzeugt wird. Der Amerikaner sieht nur auf gutes Material und pzaktische Handlichkeit und Anpassung an die Bedürfnisse des Absaßgebietes, während der deutsche Fabrikant an hergebrahten Formen festhält.

3) Die Ausbildung des Offertenwesens , zahlreiche tech- nische Journale und die Waaren: Kataloge der verschiedenen amerikanischen Exporthäuser, in \panisher Sprache abgefaßt, werden nach allen Punkten Mexikos gratis versendet. Muster- Kollektionen von den lleineren Metallwaaren, wie Nägel, Feilen, Schlösser, in Bildersorm aufgemaht und gratis an die Detailgeschäfte versendet, findet man in jedem Laden als Wandzier. Von der amerikanischen Ueberlegenheit in dieser Beziehung kann man sich ganz besonders in den Eisen- Detail: geschästen überzeugen, in denen man neben dem reih aus- gestatteten Katologe eines amerikanishen Exporthauses, wo auf 300 Seiten Velinpapier jeder einzelne Artikel genau beschrieben und in hübscher Abbildung wiedergegeben ist, mit Nummer, Maßstab und Preis, den Prospektus ciner der ersten deut: {hen Eisenhandlungen findet, der auf 4 Seiten eine trockdne Auszählung der verschiedenen Artikel enthält, ohne Bild oder Preisangabe. Der hiesige Jmporteur zicht es begreifliher Weise vor, statt sich auf das Ungewisse einer solchen Offerte cinzulassen, lieber an das anmerikanishe Haus zu schreiben, von wo er in wenigen Wochen die, einfa nach der Nummer des Katalogs bestellten Waaren in getreuer Ausführung und guter Verpackung in seine Hände erhält.

Aus den Vorstehenden is} es zuglei begreiflih, warum auh von dem in Hamburg erscheinenden Blatt „Jndustria Alemana“ mit seinen simplen Annoncen wenig Nuhten er- wartet werden kann.

Im Krollshen Etablissement beginnt noch in dieser Wothe die Ausstellung der Gemälde des russis{hen Malers Wereschagin, die in Wien und Paris bekanntlich großes Aufsehen gemacht hat.

Nedacteur: Riedel. Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Sechs Beilagen (eins{ließlich Börsen-Beilage).

Berlinz

angeschen |

Ziffern |

Artikel |

2 15.

Nicztamtlicßes.

Preußen. Berlin, 18. Januar. Jm weiteren Ver- laufe der gestrigen (27.) Sißung trat der Reichstag in die Berathung des 7. Gegenstandes der Tagesordnung ein: Bericht der Wakblprüfungskommission, betreffend die Wabl des Abg. Dr. Clauswitz im ersten Wahlkreise des Ne- gierungsbezizks Merseburg. Die Wahlprüsungskommission beantragte :

Der Reich2tag wolle beschließen : :

1) die Wahl des Abg. Dr. Clauswitz zu beanstanden,

2) den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, über die Protest- beshwerde, daß mehrere sür einen Sonntag in Aussicht genommene Wohlversammlungen des gegnerishen Kandidaten Dr. Horwißz auf Grund von Polizeiverordnungen verbeten worden seien, zeugen- eidliche Grmittelungen anstellen zu lassen.

Hierzu beantragte der Abg. Riekert (Württemberg) die qu. Wahl für gültig zu erklären.

Der Abg. Schott erklärte, der Neichstag habe mehr als je allen Grund, über die Integrität der Wahlen zu wachen und jeden Versuch einer Regierung oder einzelner Organe derselben sofort zurücäzuweisen in Fällen, wo ihr Einfluß die Wahl bestimmt habe, nachdem die preußische Regierung sich in neuerlichen Kundgebungen das Recht der Wahleinmischung in einem die Süddeutschen befremdenden Grade zugesprochen habe. Es sei ihm schon früher aufgefallen, daß in diesem Hause, wo es sich vom König von Preußen handele, einfah der Ausdruck „der Monarch“ oder „die Krone“ gebraucht werde, während man hier nicht im preußischen Abgeordnetenhause, sondern im Reichstage siße, für welchen der König von Preußen alle Ehrfurc(t vorbehalten doch nichts anderes sei, als cin Mitglied der verbündeten Re- gierungen und zugleih der Präsident des Bundes mit dem Titel „Kaiser“. Weder dieses Präsidium aber, noch dieser Titel fönnten dem König von Preußen irgend mchr Rechte verleihen, sich in die Reichstagswahlen mehr einzumischen als jede andere Landesregierung und selbst als die Gesammit- heit der Bundesregierungen. Die Praxis, welche etwa in Berlin herrshen möge, die Anschauung des preußischen Staats- Ministeriums oder auch noch höher hinauf, wie der leßte Königliche Erlaß zeige, dürfe sür den Neichstag in keiner Weise maßgebend sein. Für den Neichstag sei es das erste Gebot, nicht nur ein Recht, sondern die Psliht gegen die Wähler und gegen die Neich8grundverfassung, darüber zu wachen, daß dur) keinerlei Antastungen die Freiheit des Wöhlers irgend. wie verkümmert werde. So gut jede Wahl- stimme fkassirt werde, die etwa auf Bestehung beruhe und ebenso wie ex damit einverstanden wäre, jede Wahl zu tkassiren, bei der konstatirt werde, daß cin industrieller Brodgeber die Niederträchtigkeit begangen habe, seine Arbeiter außer Brod zu seßen, wenn sie nit in seinem Sinne gestimmt hätten, vorausgeseßt, daß dieje Stimmen von Einfluß auf das Endresultat sein könnten, auch wenn eine Staatsanstalt in dieser Weise vorgehe, ebenso dürfe man nicht dulden, daß irgend ein Organ der Regierung und sei es auch ein ganz niedriges, sich unterfange, den Willen der Wähler zu nöthigen oder auch nur zu verlümmern und zwar durch Täuschungen. Er bitte deshalb die Kom- missionsvorschläge anzunehmen.

Der Abg. Dr. Hänel bemerkte, der Vorredner habe au den allbekannten Allerhöchsten Erlaß gestreift. Bei dieser Ge- legenheit möchte er von seiner (des Redners) Partei ankün- digen, daß sie bei der ersten passenden Gelegenheit diesen Allerhöchsten Erlaß hier zur Diskussion bringen werde. Die Gelegenheit der gegenwärtigen Verhandlung würde ihm und seinen politishen Freunden zu enge Fesseln auflegen, und blos deshalb gehe er heute auf die Vemerkungen des Vor- redners nit ein.

Der Abg. Riekert (Wüttemberg) vertheidigte seinen An- trag bezüglih der Gültigkeitserklärung der Wahl des Abg. Dr, Clauswiß, indem er namentli die Beschwerden über das Verbot der Abhaltung von Wahlversammlungen am Sonntag für unberechtigt halte.

Der Abg. von Brauchitsh machte geltend, daß eine für den ganzen Regierungsbezirk geltende Polizeiverordnung er- gangen sei, daß während des Gottesdienstes am Sonntage Versammlungen nit abgehalten werden dürften, Wenn man also Beschwerden einreihen wollte, so hätte man dies gegen den Negierungépräsidenten, der sih durch jene Ver- ordnung mit dem Wahlgesete in Konslikt gesetßt habe, geltend machen follen. Die unteren Polizeiorgane könne man nicht verantwortlih machen.

Der Abg. von Kardo!ff trat den Ausführungen des Vor- redne1s bei, und bat, die Wahl des Abg. Dr. Clauswihz sür gültig zu ertlären. Er müsse das Vorgehen cer Polizei- behörde in Schuß nehmen, dieselbe habe zwar nicht ganz kTorreït gehandelt, könne jedoch niht allzusehr getadelt werden, wenn sie die Forderung dcr Sonntagsfeier auch in dem vor- liegenden Falle ausrecht erhalten habe.

Dem gegenüber sührten die Abgg. Wölfel und Dr. Braun aus, daß selbst der Jnhalt der Oberpräsidialverordnung ein solhes Vorgehen nicht redtfertige. Es sei in demselben von Wahloersammlungen durchaus keine Rede gewesen, die Polizei ätte also auch ohne Kenntniß der Gefahr, welche ihr als einer

chôrde vor allen andern innewohnen müsse, die Abhaltung jener Versammlung gestatten müssen.

Die Abgg. Dr. Windthorst und Frhr. von Heereman erklärten sih sür den Kommissionsantrag, behielten sih aber ein definitives Votum so lange vor, bis die fraglichen That- sachen frstgestellt seien.

Hierauf wurde die Debatte geschlossen, und nach cinigen persönlihen Bemerkungen der Antrag der Wahlprüfungs- kommission in seinen beiden Alineas angenommen.

Der Abg. Kayser (Freiberg) knüpfte an diese Diskussion die Bitte, die Berichte über die Wahlen des Königreichs Sachsen etwas schleuniger zu erledigen, wo egen der Abg. Frhr. von Heereman, als Vorsißender der Kommission für die Wahlprüfungen fkonstatirte, daß die Vorlegung der Be- rihte in der Neihenfolge vor si gehe, wie die von der Kom- mission beslellten Referenten mit ihren Arbeiten fertig würden.

Es folgte die zweite Berathung des Entwurfs eines Ge-

Erste Beilage zum Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 18. Januar

seßes, betreffend die Erhebung einer Berufs statistik, sowie die Vornahme einer Viehzählung im Jahre 1882, und des Entwurfs einer Ergänzung des dem Reichstage vorliegenden Entwurfs des Reichshaushalte-Etats für das Etatsjahr 1882/83, auf Grund des mündlichen Berichts der VIL. Kommission.

Die Vorlage bestimmte im §. 1, daß im «Jahre 1882 im Gediete des Neiches eine Berufsstatistik und eine Viehzäh- lung aufgenominen werden solle. Die Kommission hatte die Viehzählung abgelehnt.

Der Referent Abg. Frhr. von Göler empfahl die Annahme Des Kommissionsvorshlages. Aïs die Regierung obigen An- trag dem hohen Hause vorgelegt habe, sei sie überzeugt ge- wesen, daß ihr zum Zwecke nüßlicher und zweckmäßiger Re- formen auf dem wirthschaftlihen Gebiet statistishes Material zu Gebote ftehen müsse. Jn der ersten Berathung nun sei von keiner Seite des Hauscs die Nothwendigkeit statistishen Materials für die Regierung bestritten, man habe aber gegen die Vor- lage eingewendet, daß sie dem Zwecke nicht entsp: ehe. Dies habe die Majorität der Kommission nicht finden können und empfehle daher die Annahme des ersten Theils der Vorlage. Was die Viehzählung anbetresfe, \o scheine, wie ja auch hier im Hause betont worden sei, die Zeit. des Frühjahrs nicht passend. Dieselbe könne wegen des kommenden Nachwuchses kein rihtiges Bild vom eigentlichen Viehsiande des Landes geben. An Stelle der Viehzählung habe die Kommission dem Antrage den Zusaß zugefügt: „mit besonderer Berücksichtigung der landwirthschaftlichen Verhältnisse“.

Der Kommissar des Bundesraths Geheime Neg.-Nath BVödiker bat, die Viehzählung wieder in das Geseßz aufzunehmen, den 8§. 1 also in der Fassung der Regierungsvorlage anzunehmen. Die Verwerfung der Viehzählung in der Kommission sei erst in der zweiten Lesung auf einen Antrag des Abg. Dirichlet hin erfolat, dieser Beschluß habe also eine doppelte Probe nicht bestanden. Man habe denselben damit motivirt, daß eine Viehzählung im Frühjahr keine Nesultate liefern würde, die mit der vorhergehenden Winterzählung vom Januar 1873 verglihen werden könnten, man habe ferner die Timatischen Verschiedenheilen angeführt, die gerade im Frühjahr auf den Vichstand cinwirkten, ferner auf den Futtermangel dieses Jahres, der den Viehstand beeinträchtige. Dhne das Gewicht dieser Gründe zu unterschäßen, könne er sie doch nicht für durchschlagend halten. Der Statistik sci es ganz gut möglih, durch Einschiebung von Verhältnißzahlen das Resultat einer Winterzählung mit der einer Frühjahrs- zählung zu vergleichen ; die klimatisen Unterschiede würden nur bei dem Federvieh in Betracht kommen, und der Hinweis auf den diesjährigen Futtermangel erledige sich dadur, daß ganz normale Verhältnisse in Deutschland“ wohl niemals vorliegen dürsten. Die Vornahme einer Viehzählung zu einer anderen Zeit als im Winter sei seit lange ein Wunsch der Landwirth- schast und im Jahre 1870 habe man si fast allgemein für eine Frühjahrszählung ausgesprochen, wenn auch später eine Sommerzählung beliebt worden sei. Auch die Vorstände des statistischen Centralbureaus hätten sich für eine Frühjahrs- zählung entschieden. Vom Starkdpunkte der Vorlage aus müßte der größte Werth auf die Verbindung der Vieh- zählung mit der Berufsstatitik gelegt werden, einmal ver- shone man dadurch die Bevölkerung mit einer neuen großen Zählung im Jahre 1883, auf der andern Seite erspare man große Kosten. Endlich fördere man dadurch erheblich die Zwecke der Berufsstatistik. Namentlich dadurch, daß man die- jenigen ermittele, welche die Landwirthschaft als Nebengewerbe betrieben. Er betone ausdrücklib, daß es der Regierung niht darum zu thun sei, eine möglichst zahlreihe landwirth- schaftlice Bevölkerung zu konstatiren, sondern nur darum, die Hahl der wirkli bei der Landwirthschaft Beschäftigten zu ermitteln.

Der Abg. Frohme konstatirte, daß die Sozialdemokratie die Berufsstatistik mit Genugthuung begrüße, daß sie den Be- ginn ciner neuen Aera anzeige. Die vielgeschmnähte rothe Znternationale habe in ihrem Programm im Prinzip die Nothwendigkeit einer Berufsstatistik angenommen. Im Ein- zelnen vermisse er genauere Bestimmungen über die Beurthei- lungen über die Berufsftatistik der wichtigen Hausindustrie, wurde aber vom Präsidenten bedeutet, daß diese Einzelheiten ae bei dem nächsten Paragraphen zur Erörterung kommen önnten,

Der Abg. Sonnemann erklärte, die Motive dieses Ge- sthes bezeihneten dasselbe ausdrüdlich als eine nothwendige Grundlage für die zu erwartenden sozialpolitishen Borlagen, welche dem Reichstage gemacht werden sollten, namentli für die Geseßentwürse über Unfall-, Jnvaliditäts- und Alters: versiherung. Nun sei es doch zweifellos, daß die Nesultate dieser Statistik bis zum näthsten Frühjahre nicht fest: gestellt sein könnten. Er rihte daher an die Vertreter der verbündeten Negierungen die Frage, wie diese Vor- lage in Einklang zu bringen sei mit der wiederholt kundgege- benen Absicht des Reichskanzlers, im nächsten Frühjahre dem Reichstage diese sozialpolitishen Vorlagen oder einen Theil derselben zugehen zu lassen? Die Einberufung des Neichs- tages sei allerdings Sache der verbündeten Negierungen, allein Angesichts dieses Widerspruhs scheine es ihm doch ge- boten, die Frage an die Vertreter der verbündeten Re- gierungen zu richten: bestehe noch die Absicht, dem Reichstage in diesem Frühjahre diese Vorlagen zu machen ? Nach den Erfahrungen, die man mit dem Unfallver- siherungsge seße gemacht habe, scheine ihm die größte Vorsicht um so nothwendiger zu sein. Er und das ganze Haus wolle gewiß die Lösung diejer hohwichtigen Fragen um keinen Tag hinausschieben. Aber es müsse doch hervorgehoben werden, daß die Negierungen selbst die Ausnahme dieser Statistik als nothwendig bezeichnet hätten. Hüte man sih, nochmals ohne gründliche Vorbereitung in die Berathung dieser Vorlagen einzutreten, denn dann würden s{mexzliche Enttäuschungen dem Hause nicht erspart bleiben.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staats-Minister Dr, von Boetticher, das Wort:

Der Herr Abgeordnete scheint keine große Neigung zu haben, im Frühjahr zu einer Reichstagssession wiederzukommen. Jch glaube, daß die Frage, ob im Frühjahr der Reichstag wieder zusammentreten

_188Z2.

wird, in diesem Augenblick sich noch gar nicht positiv ents{eiden läßt. Allerdings ist es die Absicht, die auf dem wirthschaftlichen Gebiete geplanten geseßgeberisben Arbeiten fo zu fördern, daß ein Theil derselben {hon im Frühjahr dem Hause vorgelegt werden kann, und wenn der Hr. Abg. Sonnemann einen Widerspru zwischen diefer Absicht und dem von ihm vorgelesenen Pafsus der Motive des vor- liegenden Gesctzentwurfes erblickt, so will ih ihm zur Lösung dieses Widerspruchs bemerken, daß wir allerdings den Entwurf eines Gesetzes über die Alters- und Invalidenversicherung unter allen Um- ständen abhängig machen von der Grledigung dec Berufsstatistik, daß wir aber, wie in diesem Augenblick unsere Arbeiten rücksihtlih der Herstellung eines neuen Gesetzentwurfs über die Unfallversicherung liegen, glauben, diefen Entwurf, au ohne daß die Ergebnisse der Berufê- statistik verarbeitet sind, dem Hause vorlegen zu können, und daß wir erst naher, wenn an die Ausführung dieses Gesetzes gegangen wird, die Resultate der Berufsstatistik nöthig haben. Darüber kann man ja verschiedener Meinung sein, daß man \ch{on zur Berathung des Unfallversicherungsgeseßentwurfs diese Resultate der Berufsstatistik vor sih haben muß, inzwischen kann ih dem Herrn Abgeordneten bemerken, daß es auc, abgesehen von dieser Vorlage, für die Früh- jahrsfession niht an Stoff fehlen wird.

Der Abg. Dr. Franz erklärte, der Regierungsvertreter habe noch nacträglich darauf gedrungen, es möchte eine Vieh- zählung mit der Erhebung der Berufsstatistik verbunden werden. Die Kommission habe dieses als zwecklos, wenigstens, wenn die Erhebungen im Frühjahre stattfinden würden, nicht annehmen können. Eine Viebzählung könne überdies ja au getrennt von der Berufsstatistik im Herbst oder Winter statt- finden. Außerdem könne sich ja die Regierung ganz gut ein richtiges Bild von der wirthschaftliGen Lage aus ter Angabe der bebauten Bodenfläche und- deren Erträge machen. Eine Viehzählung in Verbindung mit der Berufsstatistik würde der Beschuldigung Nahrung geben, als wolle die Regierung mög=- list viel ländliche Bevölkerung schaffen.

Der Abg. Frhr. von Ow (Freudenstadt) kat im Gegen- saß zu den Ausführungen des Bundeskommissars den Beschluß der Kommission anzunehmen und die Viehzählung abzulehnen. Vom Standpunkt des praktischen Landwirths habe er die Gründe dafür und dagegen erwogen und die leßteren als durchs{lagend erkanni. Namentlich sei die Hoffnung unbe- rehtigt, daß die Viehzählung zur Konstatirung derjenigen Bevölkerung führen würde, welche die Landwirthschaft im Nebengewerbe betreibe. Mancher, der Pferde halte, habe mit der Landwirthshaft gar nichts ¿ul Un, und andere, die wirklih eine landwirthschaftlihe Neben- beschästigung trieben, z. B. in seiner (des Redners) Gegend hielten die Besißer von Weinbergen und Obstgärten troßdem kein Vieh. Eine im Frühjahr aufgenommene Viehzählurg würde des wesentlihsten Werthes, der Vergleichbarkeit mit den früheren Zählungen, entbehren.

__ Darauf nahm der Staats-Minister Dr. von Boetticher, wie folgt, das Wort:

Meine Herren! Jch habe allerdings auc den Eindruck, daß die Mehrheit des Hauses die Viehzählung nit adoptiren wird in Kom- bination mit der Berufsstatistik, und ih glaube auch, daß die ver- bündeten Regierungen, welche diese Eventualität allerdings noch nicht in den Kreis ihrer Betrachtungen gezogen haben, aus der Ablehnun der Viehzäblung keinen Grund hernehmen werden, um au auf die Berufsstatistik zu verzihten; im Gegentheil, sie werden sie wahrscheinlih auch ohne die Viehzählung an- nehmen. Ich möchte aber doch noch einmal zur Rechtfertigung des Vorschlages, der Ihnen gemacht worden ist, hervorheben, daß in der That dieser Vorsch2ag auf nichts weiter als auf der Erwägung der Zweckmäßigkeit der Kombination beruht. Als die Frage der Er- hebung einer Berufsstatistik diskutirt wurde, da erinnerte man ih der wiederholten Forderung einzelner Regierungen und insbesondere der Mehrzahl der deutschen Statistiker, daß eine Viehzäblung auf- genommen werden möge, und man sagte si{ch: wenn einmal dec Apparat einer so umfassenden Aufnahme, wie er für die Berufs=- statistik erforderli ist, in Bewegung gesetzt wird, so läßt es sich kaum rechtfertigen, niht auch diese Aufnahme, die im anderen Falle eine abgesonderte scin würde, außer Verbindung mit der ersteren zu lassen. Man erwog weiter, daß in der That nicht blos die doppelte Aufnahme ein Grund ist, zu der Kombination überzugehen, sondern daß ein weiterer Grund darin liegt, daß die Kosten der Viehbzählung, wenn sie abgesondert erfolgt, niht ganz unbedeutende sind. ¿

Meine Herren! Hr. von Ow hat gemeint, es falle das nit schr ins Gewicht; er hat ausgeführt, es handele ih nur um Kosten der besonderen Aufnahme, die Verarbeitung müsse ja doc in jedem Falle man möge fkombiniren oder nicht besonders erfolgen und sie mache die erhebliheren Kosten. Es ift nun aber gerade die Aufnahme ein Faktor, der bei den Kosten keine ganz untergeordnete Rolle spielt. Jch erinnere den Hrn. Abg von Ow daran, daß, wenn wir cine besondere Aufnahme macben, wir au besondere Formulare haben müssen, wir mögen nun für das Zählfactensystem uns ent- scheiden oder das Haushaltungslistensystem wählen, während, wenn wir die Berufsstatistik mit der Vichzählung kombiniren, die für Beide bestimmten Fragen auf einem und demselben Formular steben können.

Meine Herren! Was wir für die Zwecke der Beruféstatistik an Notizen über den Viehstand brauchen, wird \ich ja glei- wohl feststellen lassen, wenn Sie auch die Viebzählung ab- lehnen; darin werden Sie uns jedenfalls freie Hand lassen, daß wir, wenn der Bundesrath zu der Ueberzeugung kommen sollte, daß eé, wie dies ja auch {on von Herrn Dr. Franz betont ist, nüßlich sei, bei der Landwirtbschaft treibenden Bevölkerung auch den Viehstand zu verzeicbnen, die bierauf bezüglichen Fragen stellen dürfen. Jch fasse die Sade nur so auf, daß Sie niht wollen, daß eine besondere Vichzäbhlung in dem Umfange, wie dies bei den früheren Viebzählun- gen geschehen ift, stattfinden soll. e

Wean der Hr. Frhr. von Ow uns ausgeführt hat, daß es in der That kaum möglich sei, bei einer Aufnahme im Sommer cine Ver- gleichung zu ziehen mit den früheren im Winter erfolgten Aufnahmen so mag ja eine solhe Vergleicbung ibre Mängel haben. Er kann sich dabei aber nit auf die Autorität der Statistiker stützen, die von dem Herrn Bundesrathékommissarius angezogen sind. Ich hatte mir gerade ge- dacht, als mir zuerst von dem Zweifel, der in der Kommission an der Nütlichkeit der Kombination der Vichzählung aufgetauht war, Mittbeilung gemacht wurde, daß es ganz gut und ersprießlih sein werde, anh einmal eine Sommeraufnabme zu ma oder vielmehr, da wir nit die Absicht haben, die Berufs» statistik erst im Sommer zu erheben, sondern möglichst bald, wenn irgend thunlid, {on vor oder bald na dem 1, April cine Frühjabrsaufnahme. Jch hatte geglaubt, daß es für die Landwirthschaft besonders interessant und werthvoU sein könnte, eine solhe Aufnahme zu haben und daß, wenn dieselbe nur gemacbt wäre welche, wie meine Kalkulatoren ausrechnen, im Verhältniß zu der Gesammtforderung, die an den Reicpstag gesteUt ift, nur cinen Minimalbetrag an Kosten erfordert und wir zu der Ueberzeugung fämen, diese Aufnahme gestatte keine Parallele mit den früberen Viehzählungen, daß wir dann ucinethalben ao im nächsten Jahre

Prt