1925 / 125 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 30 May 1925 18:00:01 GMT) scan diff

nflation und bei der s{wierigen Wirtschaftslage, in die wir geraten sind, diese Sammlungen so ziemlih versiegt sind. (s kommt nihts mehr zusammen. Fragen Sie einmal einen anderen Mann, den Herrn von Miller in München, der als Sammelgenie bekannt ist, wie {wer es ist, nur 50- oder 60 000 Mark zusammen- zubringen. Jch trage für diese Sammlung die Verantwortung und bürge Ihnen dafür, daß diese Mitel zu einem sahgemäßen Zweck verwendet werden. Ich freue mi, wenn es mir gelingt, ouf diese Weise die sozialen Einrichtungen, die Fürsorgeeinrichtungen für die Meichswehrangehörigen zu erweitern und ihnen ständig mehr zu

ben. E Wir haben unendlich viel elternlose junge Leute bei der Neichs- wehr. Wir haben viele Leute, die aus den abgetretenen Gebieten îm Osten stammen, und die niht wissen, wohin sie in ihrem Urlaub gehen sollen. Auch hier mußte viel geschehen.

Die Ausstattung unserer Mannschaftsräume ist sehr kümmer- li, teilweise recht fkitshig. Es ist eine Kulturaufgabe für uns, auch diese Gelegenheit zu benußen, dem Soldaten gute Bilder in seine Stube hineinzuhängen, ihm zu zeigen, was wir an deutscher Kunst haben, statt der anderen Dinge, die man dort sieht. Aber ibm das einfah herauszureißen und nichts anderes dafür hinein- zutun, ist ganz etwas anderes; das bringt niemand fertig..

Dann handelt es sich um die Frage der Versorgung. Die Lage hat si hier für uns durch das Zusammentreffen von Beamten- abbau und Eirstellungssperre ganz katastrophal gestaltet. (Sehr rihtig) Dadurch sind Verhältnisse entstanden, denen der verant- wortlihe Minister nur mit der größten Sorge entgegensehen kann. Wenn ich daran denke, daß um Neujahr herum ungefähr 8000 nicht versorgte Heeresangehörige in den Kasernen gewesen sind mit Vebergangsgebührnissen, die völlig ungenügend waren, und daß die betreffenden Leute keinerlei Aussicht auf Anstellung für absehbare Beit gehabt haben, dann bewundere ih auch hier die Gewissen- haftigkeit und die Pflichttreue der Leute, die im Vertrauen auf ihre Vorgeseßten und im Vertrauen auf die Hilfe der Regierung diese Dinge bis jeßt in Nuhe getragen haben. (Zustimmung.) Es wird eine ernste Aufgabe der Länder und der Gemeinden sein, bei der Lösung dieser wichtigen Neichsaufgabe mitzuwirken. (Sehr richtig!) Wir haben nah der Richtung hin seit Jahr und Tag energisch die Verhandlungen aufgenommen, und zwar nah doppelter Michtung. Einmal wollten wir unseren Heeresunterriht ausbauen, um zu erreichen, daß die Abshlußprüfungen als vollgültig anerkannt werden, und andererseits wollten wir dafür sorgen, daß die Leute, wo Einstellungsmöglichkeiten bestehen, auch wirklih eingestellt werden. Bei dem Abbau sind Tausende von früheren Heeres- angehörigen, die bereits geglaubt baben, bei einer NReichs- oder Landesverwaltung untergekommen zu sein, auch wieder auf die Straße gekommen. Wir haben Leute gehabt, die drei Jahre gewartet haben,

angestellt worden waren, dann auf einmal wieder verabschiedet und entlassen worden sind und nicht einmal Uebergangsgebührnisse irgend-

welcher Art erhalten haben.

Das, meine Herren und Danen, sind die besonderen Sorgen der Heeresverwaltung wirtschaftliher und sozialer Art. Jch halte es für meine Pflicht, das hohe Haus auf diese Dinge aufmerksam zu machen. Eine gewisse Abhilfe enthält schon der gegenwärtige Etat dadurch, daß jeyt die Leute vom vierten Dienstjahre ab die Bezüge als Oberschüßen und Gefreite bekommen. Das ist Gon ein gewisser Fortschritt. Außerdem sind wir, wie das auch hier angeregt worden ist, mit dem Finanzministerium wegen der Schaffung einer besonderen Gehaltsordnung für Heer und Marine in Verbindung getreten. Denn an sich da hat der Herr Bericht- erstatter durhaus Reht passen Heer und Marine in diese Gehallt8ordnung für "die Beamtenschaft, die auf lebenslängliche Anstellung abgestellt ist, niht hinein. Der Herr Finanzminister hat das bei der gegenwärtigen Sachlage ablehnen zu müssen geglaubt, ist aber immerhin insofern entgegengelommen, als er zu- gestimmt hat, daß wenigstens das Unrecht, daß Dienstjahre auf das Besoldungsdìienstalter nicht angerehnet worden sind, beseitigt wird, so daß ih immerhin glaube, feststellen zu dürfen, daß nunmehr eine wesentliche Verbesserung auch für die Chargen, für die Unteroffi- giere und Feldwebel und für die Offiziere einshließlih des Stabs- offiziers eintritt. Jch bin mir aber durhaus darüber klar, daß das nur eine vorübergehende Lösung der Sache sein wird. Die endgültige Lösung wird man darin suhen müssen, für die Wehr- macht des Reiches eine besondere Gehaltsordnung zu schaffen. (Sehr wahr! bei den Deutschen Demokraten.)

Jch bin den Herren dankbar, die freundlih von den militä- rischen Leistungen und der Disziplin der Truppe gesprochen haben. Diese Anerkennung ist, wie ih ausdrücklich feststellen möchte, auch aus dem Munde derjenigen Herren gekommen, die sih sonst dem Etat gegenüber ablehnend verhalten haben. Sie haben anerkannt, daß die Festigung der Truppe, ihr militärisches Können, ihr Auf- treten, ihre Leistung sih außerordentlih gehoben haben und daß wir siherlich mit Genugtuung auf die Arbeit der vergangenen Jahre zuvückblicken. Das ist um so dankbarer anzuerkennen, als wir eigentlich erst im Vorjahr, im Jahre 1924, zum erstenmal ruhige Verhältnisse gehabt haben und die Truppe niht bald da, Hald dort oingeseyt werden mußte und niht mehr dieses Zu- fammenschieben nötig geworden ist wie in den ersten Jahven, wo dieses Wandern von Garnison zu Garnison stattfinden mußte. Das {t um so mehr anzuerkennen, als auch diese Arbeit vielfah unter Überaus drüdenden Verhältnissen geleistet werden mußte. Die Heit der Juflation, diese ständigen Kontrollen, die Durhsuchungen unserer Kasernen durch die Kontrollkommission, dann aber vor allem das Gefühl der Truppe, daß ihr alle modernen und modernsten Waffen entzogen sind, auch das wäre zu ertragen gewesen, wenn das Gefühl bestanden hätte: auch in der übrigen Welt paßt man sih entsprehend der Zusage des Vertrages von Versailles diesen Bestimmungen an. Aber vie liegen die Dinge? Statt einer Abrüstung sehen wir in der ganzen Welt eine unend- liche Steigerung der Rüstungen. (Sehr wahr! rets.) Soweit man in diesen Dingen mit Zahlen arbeiten kann, können wir fest- stellen, daß, obwohl das deutsche Heer um „über 600 000 Mann ver- vingert worden ist, heute in Europa eine halbe Million Soldaten mehr unter den Waffen stehen als im Jahre 1913. (Lebhafte Rufe: Hört! Hört!) Also hon nah der Richtung hin fehlt der Durch- führung der Entwaffnung8bestimmungen der moralishe Unter- grund. :

Das zweite Bedrängende ist etwas anderes gewesen. Das muß Ammer wieder gesagt werden. Meine Damen ünd Herren! Wenn “man sragt: warum haben wir überhaupt noch eine Reichswehr?, so

Ut diese Frage auch bei den Beratungen im französischen Parlament

im Jahre 1919 gestellt worden, und dort ist eine Antwort gegeben worden, die man immer und immer wieder in Deutschland wieder- holen muß. Tardieu, der Berichterstatter, hat gesagt: Gewiß, die Frage haben wir überlegt, und wir hätten den Deutschen gern ihr Heer weggenommen; aber dazu waren unsere Alliierten nur bereit gee wesen, wenn man Deutschland auch die Integrität seines Gebietes gesichert und garantiert hätte (bört! hört!), und das wollte niemand. Daraus ergibt sih doh die Hauptaufgabe der Neichswehr, wie sie auch im Vertrag von Versailles ausdrücklih genannt ist: der Schuß der Grenzen unseres Landes. (Sehr rihtig)) Das muß ihre Haupt- aufgabe sein, und das muß das sein, worauf sie in ihrer Arbeit ein- gestellt wird.

Gegen einen vernünftigen Pazifismus hat niemand im Heere etwas. (Abgeordneter Dr. Breitscheid: „Wie ih ihn auffasse!“) Jm Gegenteil, wer die Schrecken des Krieges kennengelernt hat und das sind die Leute gewesen, die an vorderster Front gestanden sind —, die werden am wenigsten leihtfertig vom Kriege reden, wie es viele tun, die in der Heimat die Tyrtäus-Gesänge verfaßt haben. (Lebhafte Zu- stimmung in der Mitte und links.) Jch glaube nirgends sieht man den Schreken des Krieges und allem, was damit verbunden ist, mit einem größeren sittlichen Ernst entgegen als gerade in unserem Offizierkorps. (Sehr richtig! rechts.) Jch könnte mih dabei auf Zeugnisse berufen von Männern, die sonst nihts am Offizierkorps übrig gelassen haben, die aber darauf aufmecksam machen, daß der Offizier diese Frage viel ruhiger ansieht und darüber klarer denkt als manche Gruppen, die sonst den Frieden zu predigen haben oder die sonst in der Schule für eine vernüftige Auffassung und für eine ruhige Klarstellung der Dinge wirken sollen. (Sehr gut! links.) Das muß festgestellt werden.

Daraus ergibt sih ganz klar die Pflicht der für die Landes- verteidigung verantwortlichen Stelle. Die Politik der Neichsregierung ist friedfertig, und es wäre ein Wahnsinn, wenn ihre Politik anders wäre. Ich darf daran erinnern, daß ich schon früher gegenüber all den Treibereien von draußen das Wort geprägt habe, daß nur ein Ver- rüdckter an Krieg in dieser Zeit denken könne. Das Wort ift in dieser Form durch Deutschland gewandert. Wir haben erst in diesen Tagen die Genugtuung gehabt, daß der Herr Reichspräsident, der doch auch ein erster militärisher Fahmann is, ausdrüdlich erklärte, daß Deutschland an einen Krieg nicht denken könne. Die Reichsregierung war immer bereit, an einer internationalen Regelung zur Schaffung internationaler Sicherheitésbedingungen mitzuwirken, Aber solange diese niht geschaffen sind, hat der Reichswehrminister die Ver- pflichtung, im Rahmen des Vertrages von Versailles alles zu tun, um zu verhindern, daß unser Land Kampfplay und Etappengebiet für fremde Truppen wird (lebhafte Zustimmung), und er hat weiter dafür zu sorgen, daß, wenn nicht abgerüstet wird, und wenn der Tag kommt, wo Deutschland gleihberechtigt ist und das wird von Ihnen allen gefordert; ich habe es dankbar anerkannt, als gerade Herr Kollege Breitscheid das betont hat (sehr richtig; bei den Sozialdemokraten): wix wollen eine Gleibberehtigung entweder im Sinne einer all- gemeinen Abrüstung oder im Sinne der Schaffung eines Wehr- systems, wie es den Bedürfnissen unseres Volkes nah Sicherheit ent- spricht (allseitige Zustimmung) —, daß wir dann, wenn dieser Zeit- punkt gekommen ist, auf dieser Truppe ein solches Heer aufbauen können. (Sehr rihtig! rechts.)

Das ist das, was man jebt drüben im französischen Lager Kaders nennt. Gewiß, hätte man uns ein. Zweihunderttausendmannheer mit halbjähriger Dienstzeit gegeben, dann wäre das Bild anders. Aber das ist richtig und das müssen wir der Entente danken —, daß dieses System für uns den Vorteil gehabt hat und hat, daß wir eine militärische Elitetruppe schaffen können, (Zustimmung.) Jch habe nie davon gesprochen, daß die Neichswehr die beste Armee der Welt ist, So etwas zu sagen, liegt mir erstens fern und zweitens wäre es niht wahr; denn eine Truppe, die niht mit modernsten Kampf- mitteln ausgerüstet und ausgebildet ist, kann das niht von si sagen. Jh hake vielmehr eine diesbezüglidhe Behauptung des Generals de Castelnau zurückgewiesen. Was hat man daraus gemaht? Man hat meine Zurüchweisung umgedreht und gelogen, 1ch hätte eine solche Behauptung aufgestellt. Jh war in der Lage, den betreffenden Herren das unkorrigierte Stenogramm meiner Rede zur Verfügung zu stellen.

Wir können also mit voller Offenheit das sagen, was wir haben. Denn halten Sie die obersten militärishen Stellen und verzeihen Sie, wenn ich mich da auch einshiebe für so töricht, anzunehmen, daß wir in Deutschland geheime Rüstungen machen können? Ein Volk, das geheime Rüstungen machen will, muß ganz anders aussehen als das deutshe Volk. (Zustimmung und Zurufe rechts.) Ein Volk, das derartig zerrissen, ein Volk, das derartig shwaßhaft ist, kann das niht. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) Richtig! Jch nehme das Wort auf: ein Volk, das derartig Militärspielerei liebt, das Militärspielerei mit ernstem Dienst ver- wechselt, kann das niht. Jh habe das Wort vom Fahnenschwenken in diesem Zusammenhange häufig gebraucht.

Und dann etwas anderes! Glauben Sie, wir hätten in Deutschland das Geld, um wirklih eine moderne Rüstung heim- lih aufzubauen? Jch darf Fhnen nur eine Ziffer nennen. Es ist heutzutage sehr shwer, die Etatsziffern der fremden Heere zu vergleichen, weil auch eine Anzahl anderer Länder in notleidende Valuta geraten ist. Aber ich will ein Land mit fester Währung nehmen. England, das abgerüstet hat, getreu dem englischen Grundsä, zunächst die Finanzen in Ordnung zu bringen, gibt allein für seine Luftrüstungen mehr aus, als unser ganzer Heeres- etat beträgt. (Lebhafte Rufe: Hört! hört!) Dabei bitte ih si ein- mal klar zu machen, daß gerade diese angeblihe Rückständigkeit der englishen Luftverteidigung, Gegenstand lebhafter Angriffe im Parlament gewesen ist. Wenn Sie weiter bedenken, daß wir alle 50 Jahre nur einen Mörser herstellen dürfen (Bewegung), wenn Sie bedenken, daß uns unser ganzes Festungssystem in Widerspruch mit dem klaren Wortlaut des Versailler Vertrages durch das Londoner Ultimatum auch im Osten gestrihen worden ist, daß wir also kein eingiges \chweres Geschühß, abgesehen von Königsberg, wo uns das konzediert wurde, an unserer ganzen Ostgrenge haben, da wäre es doch ein Verbrehen von den verantwortlichen Leuten, unser Volk, wie ein Negerstamm bewaffnet, in einem Kampf mit einer modern aus8gerüsteten Armee hineinzuheyßen. (Sehr richtig!)

Jch habe Zhnen genau gesagt, was unsere Ausgabe ist. Von heimlihen Rüstungen kann also keine Rede sein. Und das weiß man au drüben! (Zustimmung.) Sonst häiten wir die Note doh \shon längst bekommen. (Erneute Zustimmung.) J habe immer die Auffassung vertreten: man kann einen Mann wie den „General“ Morgan mit Denkschriften herausstellen; aber ein Mann, der einen glängendon militärishen Namen hat, wird seinen

Y¿amen nieht unter Kindereien siellen. (Sehr gut) ¡Fi diejer Auffassung bin ih durch das bestärkt worden, was General Allen in seinem Tagebuh sagte: man müsse diese Vorwürfe nur aus inneren Gründen aufbauschen, bestärkt auch durch das, was mir selbst von führenden Herren der Entente gesagt worden ist.

Nun sind in zwei Fällen, die das Heerwesen anbelangen, zweifellos Verfehlungen vorgekommen, für die die Regierung die Verantwortung zu tragen hat. Das eine ist die Einstellung der sogenannten Zeitfreiwilligen im Herbst 1923, und das zweite, was zwar in der Oeffentlichkeit niht so bekannt geworden ist, was wir aber au der Entente mitgeteilt haben, ist, daß wir zur selben Zeit au begonnen haben, weil unsere Munitionsbestände voll- fommen erschöpft gewesen sind, die JInfanteriemunition herzue stellen, auf deren Herstellung wir nach dem Vertrag von Vers sailles Anspruch haben.

Wie wenig ih daran gedacht habe, diese Sache heimlich zu machen, geht daraus hervor, daß ich damals im Kabinett den Antrag gestellt habe, diese beiden Tatsachen gleich der Entente mitzuteilen. Das ist unterblieben aus Gründen, die ih hier nicht erörtern will.

Nach dem Ende des katastrophalen Zustandes, der durch den rechtswidrigen Ruhvreinbruh herbeigeführt wurde und uns an den Rand des Bürgerkviegs und Abgrunds brachte? wurde ja die Milis tärkontrolle wiedec aufgenommen. Wir haben dortmals im Voll- zug der Verhandlungen von London sofort der Entente den Vors schlag gemacht: bitte, wir wollen mit euch die ganze General- fontrolle vereinbaren, bitte, sagt, was ihr habt! Wir werden euch über alles völlig klaren Wein einschenken, was wix haben. Jhr habt ja viel mehr als wir haben, weil ihr unendlich viel gefälshte Berichte habt, für die ihr in Deutschland viel gutes deutsches Geld ausgegeben habt. Wir kriagen doch solche Berichte auch, fsolhe gefälshten Berichte über das was drüben passiert. Wir kennen doch auc diesen Krieg, der da im Dunkeln geführt wird. Wäre dieser Vorschlag der deutschen Regierung akzeptiert worden, dann wäre die ganze Sache in wenigen Wochen aus- gestanden gewesen. S

Wir haben schon einmal bewußt und gewollt gegen die milis tärischen Entwaffnungsbestimmungen des Vertrags von Versailles gehandelt. Der Herr Kollege Müller beginnt bereits zu {munzeln. Er denkt an die Zeit, wo ih die Ehre hatte, in seinem Kabinett: als Neichswehrminister zu sein, wo wir ‘vor der Frage gestanden haben, ob wir das Nuhrgebiet zerstören lassen ‘oder in das Ruhrgebiet ein» rüden sollten. Nachdem wir uns die größte Mühe gegeben haben, das zu verhindern, nachdem wir gesehen haben: die Sache ist nicht anders zu machen, haben wir bewußt und gewollt diesen Sqritk getan. (Hört, hört! bei den Kommunisten. Lachen.) Wir haben uns damals eigentlich auf eine feierliche Zusage der Entente berufen können; denn in den Wilson-Punkten steht auêëdrücktlich darin, daß jedes Land die militävishen Machtmittel haben dürfe, die zu seiner inneren Sicherheit nötig sind. (Hört, hört! bei den Kommunisten, Abgeordneter Müller [Franken]: Artikel 160 des Versailler Vere trags!) Natürlih, und um dieselben Dinge hat es sich im Herbft 1923 gehandelt. Man kann über die damaligen Zustände in Deutschland denken, wié man will; aber ih habe hier zufälligénveise ein Buch, das mir mein Parteifreund Herr Dr, Haas gegében hat, von einem Franzosen, der die Verhältnisse Ende 1923 schildert. Wir haben ‘damals mit einem gang großen Bürgerkrieg in Deutsche land gerehnet und hätten unsere Pflicht verleßt, wenn wir nicht alles getan hätten, um diesen Bürgerkrieg mit allen Mitteln zuw verhindern oder, wenn er ausbräche, niederzuschlagen. (Sehr richtig!) Fh will Ihnen au verraten, daß es dortmals Leute gegeben hat, die viel weiter gegangen wären, als wir es tun wollten. Nicht na außen, sondern um die Machtmittel zu schaffen, daß wir unter aller Umständen der Dinge Herr geworden wären. Aber dafür hatten wir die Bewaffnung gar nicht.

Jedenfalls, meine Damen und Herren, haben wir das der Entente gleih mitgeteilt. Ih gestehe gang offen, daß es mir au eine gewisse Beruhigung war, abenteuerlustige junge Leute in dew Lagern zu haben, sie zum Wachtdienst verwenden zu fönnen, sie Kniebeugen machen zu lassen usw. Das war mir viel lieber, als wenn sie in München gewesen wären. (Sehr gut! links) Wer die Verhältnisse kennt und dortmals in unseren Eisenbahnzügen gesehen hat, was da füc ein starker Andrang von akademischer Jugend war, der hat vielleiht ein gewisses Verständnis dafür, wenn ih sage: ih bin au froh gewesen, eine Anzahl von diesen jungen Leuten bet mir gehabt zu haben.

Dzß die Einstellung seinerzeit einseitig erfolgt ift, ist nicht rihtig. Ih habe bei einem sächsischen Regiment nachprüfen lassen, daß dic größte Zahl derjenigen, die eingestellt worden sind, Arbeiter gewesen waren. Der Mann, der diese Einstellung vermittelt hat, ist der Sobn eines früheren Mitglieds dieses Hauses, eines Mitglieds meiner Partei. Jch glaube, nah der Richtung hin haben wir ein gutes Gewissen. Dabei will ih durhaus nicht verschweigen, daß nihb da und dort auch große Mißgriffe vorgekommen sind. Allein, das läßt {G in folden Zeiten niht verhindern, vor allem, wenn man im- provisieren muß, Als dieser Zustand vorbei war, habe ih mit der all-rgrößten Energie auf den Abbau dieses Systems gedrängt, und zwar weil ich die Sache außenpolitisch für unmöglih und milie tärish für völlig wertlos gehalten habe. Jh mache jeßt aus der Not keine Tugend, sondern bitte auch hier überzeugt zu sein, daß der Chef der Heeresleitung in der Beurteilung dieser Dinge nicht rüdsbändiger ist als eiwa der General Wille in der Schweiz, Die Hevren lesen vielleicht einmal die große Denkschrift, die General Wille im vorigen Jahre dem Bundesrat für die Reform dev schweizerishen Armee eingereiht hat. Darin spricht er sih mit allen Mitteln und aller Schärfe gegen diese kurze militärishe Dienstzeit aus. Meine Damen und Herren! Wer selbst gedient hat, wird wissen, was man nach einem Vierteljahr gekonnt hat. Ich war immerhin {on absolvierter Universitätsstudent, Dr. jr., also der äußeren Art mah habe ih jedenfalls nicht zu den rück\bändigen Re- kruten gehört. (Heiterkeit. Zuruf vom Mitglied des Reichstags Professor Spuler-Erlangen.) Ih habe in Erlangen meinen Doktor gemacht! (Erneute Heiterkeit.) Ich bitie also nach der Nichbung sehr vorsichtig zu sein. (Große Heiterkeit. Zuruf links: Herr von Graefe wird anders darüber denken!) Ja, Herr von Graefe denkt oft anders. (Heiterkeit.)

Wir haben das also abgestellt; aber ch habe keinen Zweifel, daß da und dort draußen über unseren Kopf hinweg anders gehandelt worden ist. Da kann ih aber nur zugreifen, wenn ich die einzelnen Tatsachen weiß. Es sind eine ganze Reihe von Leuten im Lande draußen herumgefahren und haben gesagt: Eure Vorgeseßten müssen

das anordnen, fie erwarten von eurer Verantwortungsfreudigkeit, daß ihr das und. das macht. Auch diese Sache ist im Laufe des Sommers rücksihtslos abgestellt worden, und ih habe die bestimmte Meldung des Chefs der Heeresleitung und des Chefs der Marine- Tleitung, daß Zeitfreiwillige im Heere nicht eingestellt sind und nicht eingestellt werden, und daß jeder Offizier, der das tun würde, sich dafür aufs shwerste verantwortlißh machen würde. Das ist kein Defaitismus irgend welcher Art, sondern einfach die nüchterne und klare Betrachtung der Dinge, wie man sie realpolitish betrachten muß.

Ich wünsche von ganzem Herzen, daß unsere deutsche Jugend von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken sich körperlich

ertüchbigt (bravo!), sih moralisch hebt und sih geistig bildet. (Erneutes Bravo.) Das kann sie aber in der einfachen, alten, {lichten deutschen Weise, in den Sportvereinen, in den Turnvereinen, das kann sie überall, und wenn sie noch Alkoholmißbrauch vermeidet (sehr richtig!) und an das Wort von Tacitus von der sera Venus denkt, dann wird eine Jugend heranwachsen, die niht in diesen Militärspielereien auf- gehew muß, und wer an die Zukunft Deutschlands denkt, muß gerade diese Bewegungen stärken. (Sehr richtig! rechts.) Das geschieht auch in den anderen Ländern. Polen hat eine ausgezeichnete Jugend- erziehung. Jn Frankreich beginnt vom ersten Schuljahr ab die militärische Ertüchtigung und militärishe Erziehung der Jugend. Das Pann uns niemand nehmen, das ist uns im Versailler Vertrag nicht verboten, und wir müssen den anderea sagen: Solange ihr niht an- fangt, für diese internationale Regelung in der Welt zu sorgen, kann uns niemand daran hindern, das zu tun, was wir für notwendig halten, um unser Volk gesund und leistungsfähig zu erhalten. (Bravo!) Meine Damen und Herren, lassen Sie mih zwei Dinge feststellen. Die größte Heeresvorlage, die je einem Volke angesonnen war, ist die die Herr Herriot und das Linkskartell in Frankreih vorbereitet hat (hört, hört! rechis und bei den Kommamisten), die radikale Durch- führung dessen, was wir im Kriege kaum als Hindenburg-Programm gewagt haben. Es ist also niht an dem, was behauptet wird, daß NMepublik und Demokratie ihrer Natur und ihrem Wesen nah defaitistisch sind. (Sehr richtig!) Sie sind friedliebend und müssen friedliebend sein. Wer den Respekt vor seinem eigenen Volke ver- langt, muß auch fremde Nationalität respektieren, (Sehr richtig!) Aber die Demokratie würde \ich selbst aufgeben, wenn sie auf die Maßnahmen von Sicherheit der Nation verzichten würde, auf die sie einen Anspruh hat, Wir werden den Vertrag von Versailles ge- wissenhaft halten, solange er uns bindet, niht weil wir ihn moralisch anerkennen (lebhafte Rufe: sehr rihtig!), sondern aus Klugheits- gründen. Wir werden ehrlich mitarbeiten an jedem System der europäischen Befriedung, Jch habe an anderer Stelle einmal ge- sagt, jedes Kind, das dem Revanchegedanken geopfert würde, würde ich beklagen; aber für die deutshe Freiheit kann und darf kein Opfer zu groß sein (lebhafter Beifall), und zwar im Interesse aller Schichten des deutschen Volks. Meine Damen und Herren, ih halte das für einen vernünftigen Pagifismus, ih freue mi, daß wir uns auf diesem Boden, wie es scheint, relativ zusammenfinden.

Das führt mi nun zu der Behandlung hinüber, die diese Dinge in der Oeffentlichkeit vielfah gefunden haben. Ich komme jeßt auf die Broschüre der Liga für Menschenrehte. Ih halte es nicht für Landesverrat, was in dieser Broschüre steht. (Zurufe rechts.) Durch diese Broschüre geschieht ein ungeheurer Schaden für Deutschland (sehr wahr! rechts und in der Mitte); aber Landesverrat ist es nicht. Denn was in der Broschüre steht, das sind neun Zehntel Erörterung der Bestimmungen des Vertrags von Versailles. Die Leute klagen uns an wir ein Neichswehrministeruum haben. Die Lahl der Offiziere ist im Friedensvertrag genau bestimmt. Sie klagen an die Einteilung in Gruppen, sie klagen an vie Einteilung in Divisionen und all das. Wenn wir freie Hand hätten, würden wir es wahrscheinlich viel anders, viel ein- facher machen. Unser Systzm und unsere Venvaltung ist darauf auf- gebaut, alles für uns möglichst teuer zu machen. Das haben wir alles listenmäßig der Entente unterbreitet, Also hier wird wirkli nichts verraten, meine Damen und Herren. Aber das Verhängnisvolle und das Vernichtende dieser Art von Publikation ist, daß damit nicht dem Frieden gedient wird (sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten), sondern baß dieses Material von der uns feindlihen Propaganda auf- gegriffen wird. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten und bei der Bayerischen Volkspartei.) Jch kann mich da direkt auf die Nede von Herriot beziehen. Er betont in seiner berühmten Anklagerede vom 28. Januar ausdrüclih, seine Beschuldigungen gründen sich lediglich auf Mitteilungen, die den Zeitungen entnommen sind. Meine Damen und Herren, wenn die Zeitungsnotizen erscheinen, dann er- scheinen die Herren Offiziere der Entente bei uns und sagen: „Bitte, wie steht die Sache, das muß doch wahr sein, das steht do hier!“ (Zurufe rets.) Jch bin deshalb der Auffassung, daß man si einmal über diese Situation völlig klar werden muß. Einem souveränen Staat gegenüber sind derartige Dinge unwesentlich. Aber ein Staat, der bestimmte völkerrechtlihe Verpflichtungen hat, wie wir sie haben, und der sie halten will, kann nit fortwährend von der eigenen Presse und von Leuten aus dem eigenen Volk des Vertragbruhs beschuldigt werden, ohne daß die zuständigen Stellen vorher die Möglichkeit haben, daß sie diese Dinge nacprüfen. (Lebhafte Zustimmung rechts, in der Mitte und bei den Deutschen Demokraten.) Das ist das Ent- \cheidende. Wenn wir uns auf diesem Boden einigen können, meine Damen und Herren, dann sind diese famosen und berüchtigten Landes- verratsprozesse sehr rasch verschwunden.

Es sind mir ja die Vorwürfe gemaht worden. Jch will Jhnen einige typishe Fälle vortragen. Für den ersten Fall habe ih ja den Vorzug, meinen verehrten Herrn Kollegen Sollmann hier als Zeugen zu haben. Eine Sache, die eine große Nolle spielte, war seinerzeit die sffentliche Anklage des früheren Ministerpräsidenten Zeigner. Ich habe im Mai Herrn Zeigner in Dresden besucht, bin mit dem General Müller bei ihm gewesen, und der General hat in meiner Gegenwart die Erklärung abgegeben: ih habe weder Beziehungen zu rechtsradikalen Verbänden noch überhaupt zu Verbänden, noch habe ih irgendwelche \s{hwarzen Waffen. Darauf sagte Herr Zeigner: das genügt mir, sollte ih irgendetwas anderes hören, werde ih Jhnen das mitteilen. Dann hat Herr Zeigner seine große öffentlihe Anklagerede gehalten. Wir hatten eine Besprechung im Reichskabinett. Herr Zeigner wurde ein- oeladen. Er wurde gebeten, sein Material uns zu geben. Herr Heigner hat sich geweigert, dieses Material zu geben. (Lebhafte Nufe: Hört, hört!). Er hat sh geweigert, dieses Material sogar seinem Kollegen Sollmann zu geben. (Erneute Rufe: Hört, hört!) Jch kann es verstehen, daß er es mir nit gibt. Aber auch Herrn Soll- mann hat er es nicht gegeben. (Hört, hôrt!) Er hat es auch nicht gekonnt. Er hat nämlih keines gehabt, (Heiterkeit und Unruhe.) Sein Material waren die Anklagen, die Herr von Graefe seinerzeit in seinem Pvogeß vor dem Sttaaisgerichtöhof gemacht hat. Das ist

das Material des Herrn Zeigner gewesen, und das ist das, worauf ih mich neulich bezogen habe. Herrn Zeigner muß man guten Glauben insofern zubilligen, als er natürlich niht gedacht hat, daß die An- gaben des Herrn von Graefe von A bis Z unrichtig gewesen sind. (Nufe links: Er hat ihn nit gekannt!)

Aber ih will Jhnen eine andere Korrespondeng vorlesen, die auch harakteristisch ist. Die Korrespondenz spricht für sich selbst. Jch tue es niht gern; nahdem mir aber vorgeworfen wird, daß ih meine Pflicht nicht tue, muß ih es tun.

An den Herrn. sächsishen Minister des Jnnern Lipinski. Jch glaube, Herr Lipinski ist noch Mitglied dieses Hauses; er wird mir die Echtheit dieses Schriftwechsels bestätigen.

Der Herr Neichspräsident hat mir mitgeteilt, daß Sie ihm gegenüber geäußert hätten, Sie wären im Besiß eines reichhaltigen Materials über die Verbindung zwischen Neich8wehr und ver- botenen Organisationen; Sie hätten mir dieses Material übersandt, aber ih hätte nichts darauf veranlaßt. Da bisher weder bei mir persónlih noch bei meinem Ministerium etwas Derartiges ein- gegangen ist, bitte ih, um nähere Feststellungen machen zu können, mir Datum und Briefnummer Jhres Schreibens mitzuteilen bzw. mir Ihr Material baldmöglichst einzusenden.

Und nun, meine Damen und Herren, passen Sie auf die kurze Antwort auf. Die Antwort lautet: Herrn Reich8minister Geßler! Auf Ihr Schreiben vom 23, Oktober erwidere ic, daß ein Irrtum vorliegen muß. Jch habe Ihnen kein Material übersandt, au nie behauptet, daß ih das getan habe. (Hört, hört!)

Eine andere Sache. In einer badischen Zeitung i glaube, es war zunächst ein Blatt des Zentrums war gestanden, daß nun- mehr die Ausbildung der Reichswehrsoldaten ihr Ende erreicht habe und daß die Leute jeßt nach Münsingen kommen. “Ein sozialdemo- Fratishes Blatt hat das aufgenommen und geschrieben: Es muß do endlih einmal mit der Ausbildungs\shweinerei Schluß gemacht werden. Dot handelt es sich um eine ganz legale Ausbildung, meine Damen und Herren! Es wird übersehen, daß jeßt die Aus- bildung gang anders ist als früher. Jedes Regiment besteht aus vier Bataillonen, drei Marschbataillonen und einem Ausbildungsbataillon und in das Ausbildungsbataillon werden diejenigen Leute eingestellt die durch die Werbung die Verpflichtung übernommen haben. Sie erfahren also das, was man sonst Rekrutenausbildung nannte, 1n diesem Ausbildungsbataillon, und wenn das halbe Jahr vorbei ist, das dazu bestimmt ist, werden sie auf die Marschkompagnien verteilt. Sogar die betreffende Landesregierung hat wegen dieser Angelegenheit bei mir eine Demarche gemacht. Es war niht Herr Hummel, es ist nah seiner Zeit gewesen. Sie sehen, wie das gang andere System in unserem Volke noh gar nicht bekannt ist.

Ein Freund von mir sagte mir vor einiger Zeit: Du hast mir do erklärt, die Ausbildungssache sei zu Ende; ih kann Dir jeßt wirklih einmal mit Namen dienen: Herr X. X. Jch habe sofort telegraphish nachgeforsht. Die Sache ist richtig, der junge Mann war als Offizieranwärter eingetreten, nah 14 Tagen hat si seine Untauglikeit herausgestellt, und er ist entlassen worden. Das wollte er aber offenbar nit sagen und hat infolgedessen in bekannterweise erklärt, er sei Zeitfreiwilliger gewesen. Es werden manchmal Leute eingestellt und bald wieder entlassen, die naher behaupten, sie seien Beitfreiwillige. (Lachen und Zuruf links: Arabische Erzählungen!) Das sind keine arabishen Erzählungen Herr Kollege Schöpflin s{üttelt mit dem Kopf. Jh muß dazu folgendes sagen, ih bitte an dem, was ih Ihnen sage, nicht zu zweifeln. (Erneutes Lachen links.) Sa, dann ift keine Diskussionsmöglichkeit mehr. (Zustimmung rechts und in der Mitte.) Wenn mir die verantwortlichen Führer des Heeres erklären, die Sache sei zu Ende, dann kann ih nit sagen: das glaube ih Ihnen nicht, sondern dann muß ih im eingelnen Fall verlangen, daß mir der Gegenbeweis erbracht wird. (Sehr richtig!) Herr Sc{öpflin hat mich wegen des Weserunglücks mit den Zeit- freiwilligen gefragt. Wir haben in dieser Sache sämtliche Ver- pflihtungsscheine eingefordert. Sie stehen auch ihm zur Einsicht offen. Daß von diesen jungen Leuten einige beim Jungdo früher gewesen sind, ist nicht zu verroundern. Es sind auch eine ganze Anzahl bei Gewerkschaften gewesen, andere sind nicht organisiert gewesen, Wir wissen das au gar nicht. Wenn wir über die Organisations- zugehörigkeit fragen es ist das früher hier {on einmal beanstandet worden —, Wird das als eine Art Gesinnungsriecherei angesehen. (Sehr rihtig!)) Ih muß also darauf verzichten. Die Leute waren in der Tat am Ende. Das wird nämlich in „Das andere Deutsch- land“ gesagt; ihre Ausbildungsperiode wäre damit zu Ende gegangen. Das ist richtig, die halbjährige Ausbildungsperiode mar zu Ende, und die Leute sollten jeßt auf die Truppenteile verteilt werden.

Jch komme damit überhaupt zu der Frage, welche Möglichkeiten der Minister hat, bei Verfehlungen einzugreifen, Sie waren vor einigen Jahren stolz darauf, meine Damen und Herren, daß Sie das ganze Gerichtswesen und das ganze Disziplinarverfahren im Heere neu geregelt haben, und zwar unter dem Gesichtspunkt: Schuß den Unter- gebenen gegen den Vorgesetzten, Der oberste Vorgesebßte, bei dem sih diese Sache auswirkt, bin ih. Der Reichswehrsoldat ist niht mehr wie früher auf Gruad der allgemeinen Wehrpflicht da, sondern er steht in einem ganz bestimmten Vertragsverhältnis zum Reih. Wann dieses Vertragsverhältnis gelöst werden kann, ist im Reichswehrgeseß be- stimmt. Jm Nahmen dieser Zeit untersteht er für alle Verfehlungen, entweder für die friminellen, aber auch für die schweren militärischen Verfehlungen, der Entscheidung der bürgerlichen Gerichte, für die leihieren Verfehlungen der Disziplinarahndung. Es sind da ganz be- stimmte Vorschriften über die Feststellung des Tatbestandes erlassen. Jch habe niht einmal die Möglichkeit der Beeidigung in solchen Fällen. Das Disziplinargeseß, das dem Reichstag vorgelegt wird, soll ja diese Möglichkeiten schaffen, das Disziplinarverfahren einerseits mit der Möglichkeit einer Feststellung des Tatbestandes, andererseits auch mit weiteren Sicherungen zu versehen.

Nicht in einem einzigen Fall, der mir vorgetragen wird, der an mich kommt oder der in der Presse erscheint, wird nmicht untersucht. Das geschieht nicht etwa, damit ih Ihnen hier im Reichstag eine \chóne Rede halten kann, sondern aus militärishen Gründen. Wir müssen doch die Ordnung im Heer halten. Wir können doch nit dulden, daß Untergebene etwas anderes tun, als wir für rihtig halten. Es ist im Ausschuß gemeint worden, man habe den Eindruck, als ob es zwar von oben verboten würde, aber zugleich gesagt würde: laß dih nit erwishen. Meine Damen und Herren! Sie können gegen den General v. Seeckt jeden Vorwurf erheben, einen können Sie nicht erheben gegen ihn: daß er der Mann wäre, nicht das zu deken,

Diese Regelung wird also, wenn dieser Punkt dex Ententenois an uns kommt, keine Schwierigkeiten machen, sondern hier ist absolut reiner Boden gescaffen, und wer sih daran nicht hält, der hat die volle Schwere zu tragen, allerdings in einem Verfahren, auf das ich relativ wenig Einfluß habe.

i Ich bin eigentlich bei der Anklagerede, die Herr Schöpflin gegen mich gehalten hat, fast elegish geworden. Denn ih habe im Grunde genommen nichts anderes tun können, als das System auszubauen, vor das mich die Herren im Jahre 1920 in dem großen Chaos gestellt haben. Das will ich Jhnen sagen: die Grundlage des Heeres sind doch die Weimarer Abmachungen über die landsmannschaftlihen Be- stimmungen. Was das für mih füc Hemmungen bedeutet (Ab- geordneter Schöpflin: Das gebe ih zu!), daß ih die Verantwortung tragen muß für Ernennungen, auf die ih gar keinen Einfluß habe (hört! hörct!), wo ih einfah meinen Namen drunter seßen muß, und ¿war ganz entscheidende Ernennungen, das können Sie sich nit denken. (Hört! hört) Zweitens haben Sie das Disziplinar- und Gerichtsverfahren völlig neu geregelt, ohne daß ih etwas dabei tun fonnte. Das hat man als einen Fortschritt gepriesen, Heute ver- langt man von dem Minister, daß er eine Art Kabinettsjustiz üben soll. (Widerspru des Abgeordneten Schöpflin.) Natürlich wird das gefordert; nicht von Ihnen, Herr Abgeordneter Schöpflin, ih halte Sie für viel zu verständig, aber von anderen Leuten. (Zurufe.) Der Herr Abgeordnete Schöpflin ist ein Mann, der, wenn erx auch ganz anders denkt als ich, von militärischen Dingen etwas versteht.

Drittens, meine Damen und Herren, habe ih das alte Offizier- korps übernehmen müssen. Es war gar nicht möglich, ein Heer anders aufzubauen als auf dem alten Offizierkorps. Das hat auch Troßki in Nußland getan. Man kann ein Heer nicht anders als mit Fachleuten aufbauen. (Zustimmung.) Aber auch das System der Auswahl war mir vorgeschrieben. Das ist doch alles im Laufe des Jahres 1919 in Weimar ausgemacht worden, die Art der Ausscheidung und alles das. Dann kam der Kapp-Putsh, Diejenigen, die sih dabet Verfehlungen hatten zushulden kommen lassen, wurden festgestellt und die Neihsamnestie, die hier erlassen war, auf sie angewendet. Das ist auch niht von mir gemacht worden, sondern von einem Mitglied des Hauses, das der Linken angehört. Für mich hat es do gar keine andere Möglichkeit gegeben, als von dem Boden des Gegebenen aus die Aufgabe zu lösen, die meines Erachtens heute militärtehnisch gelöst ist. (Abgeordneter Schöpflin: Das haben wir immer anerkannt!) Darauf komme ich! Man darf die Dinge nicht im luftleeren Naum betrachten. Jh habe auch dem Heer gegenüber nur bestimmte Belastungen vortragen können. Wir haben Aufstände gehabt, wir haben die Abrüstung gehabt. Wir haben allein im vorigen Jahre etwa 2000 Kontrollbesuhe in den Kasernen gehabt. Dabei haben unsere Leute genau gewußt, daf: das gar keine militärishe Bedeutung hat. Selbst wenn ein paar hundert Pistolen gefunden werden, so kann man damit keine Schlachten s{chlagen; das weiß ein jedes Kind. Nein, es handelt sich darum, uns zu \{ikanieren (sehr richtig! rechts) und uns zu Torheiten zu verleiten, die dann den Grund abs geben sollten, die Kontrolle abzubrechen. Das haben wir mit allen Mitteln verhindern müssen. Wir haben dafür Sorge getragen, daß die Kontrolle durhgeführt werden konnie. j

Meine Damen und Hecren! Sie könnten mir heute geben, was Sie wollten, ih würde diese fünf Jahre niht wiederholen. J kite es niht mehr. Sie haben €s ta von Herrn von Graefe gehörte ih werde von allen Seiten verlacht und verspottet. Jch glaube, alle Parteien des Hauses haben zu meiner Biographie etwas geliefert. Erinnern Sie sich daran, wie ih in den Jahren 1920 und 1921 mit den verschiedenen Negimentstagen und al den Geschichten auf« räumte, wie ih den Deutschen Offiziersbunt verboten habe. Alle diese Sachen sind mir vorgehalten worden. Ih habe eine reiche Sammlung, und wenn ih jeßt spre{e, dann sprebe ih wirklich überparteilih, (Heiterkeit) J muß einmal über diese Dinge reden. Ih habe jedes Jahr gedaht: Gott sei Dank, das war das lebte Mal, daß du eine Etatsrede gebalten hast. Jch hoffe auch heute, daß es die lebte ist. Deshalb muß ih, da wir an einem historisch bedeut- samen Abschnitt stehen, über die Dinge sprechen, um so mehr, als man so tut, als ob sonst in Deutschland alles in Ordnung wäre. (Heiterkeit.) Jh will meine Kollegen nit heruntersehen, aber i frage Sie (zu den Sozialdemokracen): Haben Sie vielleicht den preußischen Justizetat oder den Kultusetat abgelehnt? Wenn man zum Beispiel von den viel2n Justigirrtümern in den Zeitungen liest, dann muß man do sagen, daß bei mir doch keine Ver- s{lechterung eingetreten isi. (Heiterkeit) Es i do viel ruhiger und stiller geworden. (Zurufe.) Natürlich ist es stiller geworden, wenn ih die Dinge im einzelnen untersuhe; und von dem, was hängen bleibt, kann ih dann immer noch 80 Prozent abziehen. Es war nicht \s{chön, Herr Schöpflin, daß Sie das, was wir Ihnen geschrieben haben, hier vorgelesen haben (sehr richtig! rechts), deshalb niht, weil wir Jhnen genau das mitgeteibkt haben, was die Leute don draußen geshickt hatten, Wir haben Jhnen au gesagt, daß wir diese Methode, Unteroffiziere ju Werbezwecken mit psyo- tehnischen Vcethoden hinauszusGicken, sofort abgestellt haben. Das ist ja Tovheit, aber die stultitia hominum macht leider vor den Kasernentoren nicht halt. (Heiterkeit.) Auch hier muß ih damit vehnen. Jch habe vor einigen Wochen einen bayerishen Leutnant gesehen und sagte zu ihm: Ihr seid oft gräßlih unvernüftige und tôvichte Leute. Da hat er mir gesagt: Herr Minister, Sie haben gar keine Ahnung, wieviel verständige Leute es bei uns gibt; Sie seßen nur die anderen. (Heiterkeit.) Der Leutnant hat rectgehabt. Denn “enn er nit rechtgehabt hätte, dann hätten Sie in diesen Jahren eiwas erlebt. Sehen Sie sih doch einmal unsere Nachbar- staaten an, die ihr Heer neue aufbauen mußten! Was it bei un8 nah dem Kapp-Putsch geschehen? Hat jemals das Heer sh bemüht, auf die Politik Einfluß zu nehmen? Hat das Reich nit die gange Außenpolitik, obwohl sie uns wahrhaftig oft contrs coeur gogangen ist, ungestört durchführen können? Da und dort ist eine un- besonnene Rede gehalten worden; das ist alles gewesen, Deshalb kann ih heute sagen: das Heer, wie es \teht, ist ein Heer der Republi?. Damit wären die Herren vor ein paar Jahren zufrieden gewesen. Heute wird von mir ein Heer der Republikaner verlangt. Dann hätten Sie das Heer anders aufbauei müssen. Dann durften Sie es niht mit dem alten Offizierskorps aufbauen. Dann mußten Sie Leute es ist eine ganze Anzahl dabei, die die Denkschrift der „Liga für Veenschenrechte“ herausgegeben haben wie General Schoenaich und Oberst Lange nehmen. Die standen ihnen damals zur Verfügung. Das alte Offizierskorps hat sich aus Pflichtgefübhl für den Staat gur Verfügung gestellt, Und wir konnten überhaupt nur mit dem

was er für richtig hält, So liegen die Dinge nicht,

alten Offizgierökorps diese Frage lösen. (Sehr richtig1) Nicht nux

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