1903 / 52 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 02 Mar 1903 18:00:01 GMT) scan diff

(Hört! hört! und Pfui! liberalen.)

Ist das eine Kost für Postboten? Und denken Sie von mir, daß ih das gutheißen werde? Jh stehe auf dem Standpunkt, den mein Herr Vorgänger eingenommen hat, und folange ein folches Blatt der- artige Aufreizungen predigt, werde ih immer verbieten, es zu unter- stüßen, und werde die Unterbeamten warnen, das Blatt zu lesen. (Sehr richtig! rechts.)" Und wer das niht will, der mag si eine andere Beschäftigung fuhen! Das ist ganz kurz das, was ich Ihnen zu sagen habe.

Alfo daß diefer Zustand fortbesteht und die Leute aufgereizt werden, das dulde ih nicht. Jch bin verantwortlich für die gute Disziplin, dafür, daß der Dienst gut wahrgenommen wird. Wenn aber Auflehnung und Aufreizung gepredigt wird, dann kann der Dienst niht gut wahrgenommen werden, und solange ich die Postverwaltung zu leiten habe, dulde ih das nit! (Lebhafter Beifall rechts, in der Mitte und bei den Nationalliberalen.)

Das is meine Meinung. (Wiederholter lebhafter Beifall.)

Abg. Stoecker (b. k. F., {wer verständlich) wendet u den Ausführungen des Abg. Singer. Das Verbot der Bie f dem erwähnten Falle sei gere@tsertigt gewesen, wenn es si{ch niht um eigene Kinder des Postbeamten handelte. Der Mann hätte sich fittlih gar nicht unter feinen Kollegen halten können, wenn es fremde Kinder waren. MNRedner bespricht dann die gedrückte Lage der Landbriefträger und diè |chlechten Anstellungsverhältnisse der Postassistenten, die sich anf die Verheißungen der Postverwaltung verlassen hätten und darin getäusht worden feien. Sehr un- passend habe der Abg. Singer die Auszeihnung für die Unter- beamten „Kinkerlißhen“ genannt. Es fönne niht jeder nach 15 Jahren gehobener Unterbeamter sein, und darum sei diese Aus- zeichnung durchaus gerechtfertigt. Verdenken könne es allerdings der Staatssekretär den Abgeordneten nicht, wenn sle die Wünsche und Beschwerden der Postbeamten zur Sprache brähten. Die Sonntags- ruhe der Postbeamten stehe doch immer noch zum großen Teile nur auf dem Papier. Der Staatssekretär sollte genauere Anweisungen ge en, daß die Sonntagsruhe strenger tun geführt werde. Das Volk ônne nit glauben, daß es dem Staat Ernst sei mit der Sonntags- heiligung, wenn am Sonntag die Postwagen auf der Straße herum- führen. Der Sonntagsshalterdienst könnte auch für Telegramme aufgegeben werden; er genüge von 11 bis 12 Ubr auch für die Ges {häftswelt. Eine so große Verkehrsanstalt müsse dem Volke ein gutes Beispiel geben.

Staatssekretär des Neichspostamts Kraetke:

Anschließend an die leßten Worte des Herrn Vorredners, kann ih nur sagen, daß mein Wunsch der gleiche ist wie der seinige, und ih möchte dem hinzufügen, daß wir, wie ih es auch {on früher gesagt habe, weiter darüber nachdenken werden, wie der Ausdehnung des Paketbestelldienstes an Sonntagen bis in die Mittags\tunde vor- gebeugt, und wie es abgestellt wird, daß nah 10 Uhr noh eine Be- stellung staltfindet. Ich hoffe, es wird gelingen, die Sache fo ein- zurihten, daß keine Schwierigkeit entsteht. Also, der Versuch ist in Berlin bereits im Gange.

Was den Sonntagsdienst anbetrifft an dem Ort, den der Herr Vorredner nit nannte, so möchte ih bezweifeln, daß der mir nit genannte Berichterstatter richtig berihtet hat. Unseren Anordnungen würde ein \folher Dienst nit entsprechen. Möglich, daß irgend ein Amtsvorsleher dort \sih versehen hat; ih würde dem Herrn Vor- redner dankbar fein, wenn er mir die Liste gäbe, damit der Sache nahgegangen werden kann. Nur \o läßt sih feststellen, ob gegen die Anordnung der Behörde verstoßen wird.

Was dann die gehobenen Unterbeamten betrifft, bezüglih deren der Herr Vorredner dem Herrn Abg. Singer dahin beipflihtete, daß ißre Auswahl mehr den Wünschen der Unterbeamten entsprehen und ein Examen abgenommen werden sollte, so muß ich sagen, und ih habe es {on in der vorigen Session ausgesprochen, ein Examen kann niht entscheidend sein. Ih erinnere daran, für die Assistenten ist ein Sekretärsexamen eingeführt, da kommen aber wieder Be- s{chwerden, ih mödhte das Examen öfter machen lassen, es sei nit rihtig abgenommen worden: kurz aus den Wünschen und Beshwerden kommt man nit heraus. Bei den gehobenen Unterbeamten kommt es eben nicht in allen Fällen auf wirkliche Kenutnisse, sondern auf Umsicht und Entschlossenheit des Betreffenden an. Die Verhandlungen des Vorjahres haben mir aber Anlaß gegeben, an die Oberpost- direktionen eine Verfügung folgenden Inhalts zu erlassen :

Die mehrfach hervorgetretenen Klagen über die Besetzung ter gehobenen Dienststellen für Unterbeamte geben mir Veranlafsung, die dafür maßgebenden Grundsäße im Anschluß an, meine Er- klärungen bei der Etatsberatung im NReichétage den Oberposts direktionen zur genauen Beachtung zu empfehlen.

Die für gehobene Stellen bestimmten Unterbeamten müssen niht nur die erforderlichen Dienstkenntnisse, sondern vor allem auch die nôötige Gewandtheit, Umsicht und Entschlußfähigkeit besitzen, sowie nah ihrem Verhalten und ihrer Veranlagung Gewähr dafür bieten, daß sie bei selbständigerer Tätigkeit im Verkehr mit dem Publikum und den Mitarbeitern in ihrem Auftreten die rihtigen Grenzen zu halten wissen. Das dienstlihe Interesse erheischt es, daß nur hinlänglih erprobte und befähigte Unterbeamte in die ge- hobene Stellung gelangen. Unterbeamte, die sih niht in jeder Beziehung bewähren, sind rechtzeitig aus der gehobenen Stellung zurückzuziehen.

Die Auswahl der gebobenen Unterbeamten ist von der Ober- postdirektion zu treffen und niht auf einen zu engen Kreis zu beschränken. Sie ist mindestens. auf alle Unterbeamten de3 Orts, nicht nur des Amts, bei dem die gehobene Stelle zu besetzen ist, auszudehnen. Unter den geeigneten Anwärtern hat die Auswahl nach dem Dienst- alter zu erfolgen.

Die Oberpostdirektionen haben dafür zu sorgen, daß stets cine genügende Zahl geeigneter Anwärter sür die verschiedenen Zweige des gehobenen Dienstes vorhanden ist. Soweit es nötig erscheint, ist auf rechtzeitige Ausbildung von Anwärtern Bedacht zu nehmen. Dabei muß vermieden werden, daß jüngere Kräfte lediglih aus dem Grunde in gehobene Stellen gelangen, weil ältere, ebentalls geeignete Unterbeamte für den in Betracht“ kommenden Dienst nicht vorgebildet sind. Zur Vertretung gehobener Unterbeamter und zur Aushilfe bei ihren Dienstverrihtungen sind deshalb in erster Linie solche Unterbeamte heranzuziehen, deren Uebernahme in die gehobene Stellung in Aussicht genommen wird.

Mehr, meine Herren, kann ih niht tun, und ih hoffe, daß die Oberpostdirektionen nun danach handeln. Die Auswahl liegt nicht allein in den Händen der Amtsvorsteher, sondern ist Sache der Oberpostdirektionen, die jedesmal zu prüfen haben, ob

rechts, in der Mitte und bei den National-

die sih nicht eignen; die Amtsvorsteher werden veranlaßt, sih darüber zu äußern.

Der Herr Abg. Singer hat sich dann abfällig geäußert über Ab- zeichen an der Uniform und neue Titel der Unterbeamten. Dabei handelt es fi aber niht allein um eine Auszeichnung, sondern auch um eine Kenntlihmahung der Unterbeamten. Der Herr Ab- geordnete hat sich wohl nicht gegenwärtig gehalten, daß wir die neue Klasse der gehobenen Unterbeamten haben und daß auf den Bahnhöfen, wo der Verkehr stark flutet, häufig neue Leute eingestellt werden und diese nicht wissen, an wen sie sih zu wenden haben. Daher diese Abzeichen für die Obershaffner, die ge- bobenen Unterbeamten ; sie sind eine Kenntlihmahung, damit alle anderen si an die richtige Stelle wenden können; es handelt si alsc nit bloß um eine äußerlihe Form. Wenn sich der Herr Abgeordnete dabei auf den Standpunkt stellte, es wäre doch \shrecklich, daß man die Titel Oberschaffner, Oberbriefträger usw. neu eingeführt habe, \o möchte ih zu berücksihtigen bitten, daß andererseits einer der Herren Vorredner fragte, warum die Assistenten niht wieder Ober- assistenten würden. Es ist ja richtig, daß die Beamten häufig gern einen anderen Titel haben wollen, aber allen Wünschen kann man hier auh nicht Rechnung tragen. Was den Titel Oberassistent be- trifft, so hat mein Herr Vorgänger seiner Zeit diese Bezeichnung auf- gehoben, denn damals, als die Oberassistenten geshafffen wurden, be- kundete diese Ernennung die unwiderruflihe Anstellung. Nachdem jeßt aber die unwiderruflihe Anstellung gleih bei der etatsmäßigen Anstellung als Assistent erfolgt, ist eine besondere Bezeichnung nach der Nichtung nicht mehr notwendig. Da im weiteren in Aussicht stand und noch. in Aussicht steht, die älteren Assistenten zu Sekretären zu ernennen, so sagte man sich, wozu fo viel Titel in derselben Beamtengruppe. Vorläufig möchte ih die Herren bitten, sih damit zu begnügen; wir wollen sehen, wie die Titelfrage sich gestaltet, und ob es wirkli erwünsht und notwendig ist, den Titel Oberassistent wieder einzuführen.

Sodann hat mich der Herr Abg. Singer vollständig mißverstanden bezüglih der 1400 Hilfsarbeiterstellen. Diese sind es gerade, die benutt werden sollen, um die neuen 2000 Assistentenstellen, die ih beantragt habe, zu hafen. Diese Hilfsarbeiterstellen bei den Aemtern l und Il find dazu bestimmt, in etatsmäßige Assistentenstellen umgewandelt zu werden, und die übrigen 600 Stellen kann ih nur dadur schaffen, daß ih bei den Aemtern 111, die mehr als 1 oder 2 nachgeordnete Beamte haben, die Beamten anstelle. Wenn von anderer Seite gesagt wird, man köônne die 1000 Mann anstellen dadurch, daß man bei den fleinen Aemtern alle Stellen mit Assistenten beseße: fo geht das einfa aus dem Grunde nit, weil, sobald irgendwo ein Mangel an Beamten eintritt und Beamte abklommandiert werden müssen, zunächst auf die Beamten bei den kleinen Aemtern zurückgegriffen wird. Wenn ih lauter etatsmäßig angestellte Beamte habe, kann i \{ließlich vlößlih an Orten auftretenden Bedürfnissen an Stellvertretern niht so {nell entsprechen, als im dienstlichen Interesse notwendig ist. Denn darin wird mir der Herr Abg. Stoecker ret geben, daß es für Verheiratete schr häßlih ist, wenn ihnen heute abend gesagt wird, morgen haft du dorthin zu reisen, und, wenn es, sobald er dort kaum angekommen ist, heißt, du mußt weiter nah jene1a Ort. Ih möchte nochmals ernstlih betonen, daß es tatsächlih sih darum handelt, die Beweglichkeit des Dienstes aufrecht zu erhalten, und daß ich niht mehr als 2000 ctatsmäßige Afssistentenstellen schaffen kann. Wenn ich im vorigen Jahre die Erwartung oder, ih möchte fagen, die Zuversicht ausgesprohen habe, es fönnten in diesem Jahre 3000 Stellen ausgebraht werden, so ist diese Zuver- sicht dadur getäusht worden, daß der Verkehr niht in dem Maße zugenommen hat, wie wir es erwartet haben und erwarten konnten. Wir haben die Zahlen habe ih \{chon vorhin genannt für gewöhnli eine Steigerung um 230 Millionen Sendungen im vorigen Jahre, aber nur um 180 Millionen, also um 50 Millionen weniger, und je geringer die Zunahme des Verkehrs, desto geringer ift natürli die Steigerung des Beamtenbedarfs, und zwar des Bedarfs an ständigen Kräften. Um die allein bandelt es sih bloß.

Wenn sodann seitens der Herren manhe Beamtenklassen eingehend behandelt worden sind, so kann ih ja als Chef der Verwaltung nur dankbar sein für das den Post- und Telegraphenbeamten bekundete Interesse. Aber es walten zum Teil doch irrige Auffassungen ob, wenn gesagt wurte, es würde bureaukratisch bei uns verwaltet, und die dienstliche Aus- bildungsart der Beamten sei nicht zweckmäßig. Jch glaube, der Herr Abg. Eickhoff hat das ausgesprohen. Er hat auch die Güte gehabt, uns aus einer Zeitschrift etwas vorzulesen. Wer auch der Verfasser sein möge, so möchte ich doch davor warnen, daß man die Ansicht eines einzelnen Beamten nun ofort verallgemeinert und sagt, so müßte es gemaht werden. Herr Eickhoff selbst hat gesagt, er kenne den Verfasser nicht, also er weiß nit, in wie weit dieser auf Sach- verständigkeit Anspruh erheben kann. Von den 210 000 Beamten, die im Dienste sind, werden vielleiht sehr viele ganz anderer Ansicht sein.

Was nun die Amtsvorsteher anbetrifft, so teile ih vollständig die Ansichten, die hier zum Ausdruck gekommen sind und bedaure au, daß es an vielen großen Orten nicht möglich ist, den Amtsvorstehern Zulagen zu gewähren: ich bin aber der Meinung, daß wenn wir einmal dahin fommen, Zulagen zu erteilen, ih stehe da auf dem Standpunkt des Herrn Abg. Stoecker es wünschenswert is, zunähst an die Unterbeamten zu denken.

An großen Orten wie Berlin sind Zulagen am Plate,

weil die Amtsvorsteher wirklih ein recht s{wieriges Amt haben. Im

weiteren möchte ih ein für allemal dem bier entgegentreten, daß immer

wieder behauptet wird, wir wollten Juristen anstellen. Alle Augen-

blie fällt es jemand cin, in die Zeitung zu seßen, die Postverwaltung

stellt Assessoren ein. Soll dann allemal der Staatssekretär die falsche

Zeitungönachricht berichtigen ? Ich kann doch nicht jedemal unter amtlihem

Titel bescheinigen, daß das unwahr ist; ih lasse dann durch die Presse

melden, daß an der ganzen Sache nichts ist. Jch möchte es hier

gleih sagen, ich habe an so etwas noch gar nit gedaht. Schon zwei-

mal ist die falshe Nachricht durch die Zeitungen gegangen trotz

fofortiger Berichtigung. Nun möchte ih bitten, daß, wenn Sie nicht

eine sichere Unterlage dafür haben, Sie mir nit zutrauen, daß ih

die Karriere und die s{lechten Avancementsverhältnisse der böberen j Beamten noch versclechtere.

Wenn der Herr Abg. Eickhoff vermißt, daß die Zahl der 283 Hülfsreferenten und Ortsinspektoren inzwishen niht vermehrt

etwo noch ältere Beamte vorhanden sind und gegebenenfalls, warum

wie sich die Maßnahme bewährt und ob. die Vermehrung notwendig ist; in dem Moment, wo wir diese Ueber- zeugung haben, möge er überzeugt sein, daß ih die Vermehrung der Stellen anregen und durhzuseßen versuchen werde.

Wenn dann der Herr Abgeordnete wieder auf die Stellenzulage

Marima niht gewährt, so kann ich im Moment niht angeben (Zuruf links), ob in den einzelnen Fällen niht bis zum Meistbetrage gegangen ist; aber das eine wolle er berücksitigen, daß bei uns die Absicht und das Bestreben vorliegt, möglich\t viele Beamte der Zulage teilhaftig zu mahen. Wenn statt dreimal 400 M

Vorgehen, denn dann haben weniger Beamte Grund, neidish darüber zu sein, daß andere etwas erbalten.

Was die Frage der Pensionsberechtigung derartiger Zulagen be- trifft, so ift zu berücksichtigen, daß die Zulage gewährt wird für objektiv s{wierige Stellungen wie man es bezeichnet. Sobald der Beamte

weiter zu geben; deshalb ist sie nit pensionsberechtigt.

Betreffs des Urlaubs mögen die Herren überzeugt sein: die Zentralbehörde sicht darauf, daß möglichst viele Beamte des Urlaubs teilhaftig werden. Nah den Bestimmungen können ältere Beamte Urlaub auf 14 Tage und darüber erhalten.

Herr Abg. Singer meinte sodann, daß die Zahl der wöchentlichen Dienststunden für die Unterbeamten bis 69 Stunden gehe. Wir haben die Bestimmung erlassen, daß für Unterbeamte 60 bis 69 Stunden als zulässig. erahtet werden, daß aber da, wo der Dienst sehr an- strengend ist, auf das Minimum wirkli zurückgegangen werden foll. Wird dagegen gesündigt, so hilft man am besten, wenn man die Fälle zu unserer Kenntnis“ bringt. Zur Kontrolle fordert die Zentralbehörde von Zeit zu Zeit die Stundenpläne einiger Aemter ein. Es kann allerdings vorkommen, daß da und dort mal ausgeschritten wird.

Abg. Dr. Müller-Meiningen (fr. Volksp.) kommt auf seinen vorjährigen Wunsch nah einem Zehnpfennigbrieftarif mit der roeiz zurü, der kaum einen nennenswerten finanziellen Ausfall t haben würde. An dem Postvertrage mit der Schweiz, fährt Redner fort, haben weite Kreise des Verkehrs ein großes Interesse. Nationale Bedenken könnten doch kaum in Frage kommen, da wir doch schon einen gleihen Vertrag mit Oesterreich-Ungarn haben. Es ist doch ein Mißverhältnis, wenn ein Brief vom Semmering nach Emmerich 10 Porto koste, dagegen von Norschach und Nomannshorn auf der einen Seite des Bodensees bis Konstanz auf der anderen Seite 20 Z. Auch mit Holland wäre ein folher Vertrag erwünscht, denn der Verkehr dorthin ist ebenso groß wie nah Oester- reih-Ungarn. Der Abg. Singer hat dem Abg. Eickhoff nit gut zugehört. Der leßtere hat ausdrüdcklich gesagt, er wolle in diesem Augenblick darauf verzichten, die Verhältnisse der Unterbeamten zu besprechen. Wir werden später darauf zurückommen. Nur das will ih sagen, daß die Unterbeamten ebenso auf gute Behandlung sehen wie auf hohe Gehälter. Es scheint, als ob die Stellung des Unterbeamten wie die eines Hausdieners oder Sosldaten- burschen angesehen wird. Es wäre besser, wenn die Neini- gungsarbeiten von Waschfrauen oder anderen dienstbaren Geistern verrichtet würden, und „niht von Unterbeamten. Solche Dienst- [eistungen drücken das Niveau der Unterbeamten. In einem Fall foll ein Posftunterbeamter fich geweigert haben, die Wohnung des Post- amtsyorstehers zu reinigen. Es wurde Anzeige bei der Oberpost- direktion wegen Gehorsamsverweigerung erstattet, es fand eine pein- lihe Untersuhung dur einen hohen Beamten statt, und der Unter- beamte soll eine empfindlihe Strafe erhalten haben; in der Verfügung heißt es, er hätte fih über den Befehl zur Reinigung beshweren follen, aber nicht den Gehorsam verweigern dürfen. Es ift also gerade wie beim Militär. Ein folhes Verhältnis möchten wir unter keinen Umständen einreißen lassen.

Staatssekretär des Reichspostamts Krae tke:

Ich möchte kurz dem Herrn Vorredner erwidern, daß mir ein derartiger Fall niht bekannt ist und daß ih es als vollständig un- gehörig erklären würde, wenn ein Postbeamter von einem Unter- gebenen eine Privatdienstleistung verlangte und die Verweigerung als Ungehorsam auffaßte und bestrafte. Eine derartige Strafe würde ih ohne weiteres niedershlagen, denn es liegt kein Dienstvergehen vor, alfo kann er auch nit bestraft werden.

_ Abg. Kir\ch (Zentr.) verbreitet \ich{ eingehend über die Verbält- nisse der Unterbeamten und verteidigt die Haltung seiner Freunde gegenüber dem Abg. Singer in der Frage des Servisgeseßes. Dieses Gesey ci zu umfangreih gewesen, als daß es im vorigen Jahre noch hâtte erledigt werden können. Vor allem müsse das Gesetz über den Wohnungsgeldzuschuß abgeändert werden, damit die Unterbeamten einen höheren Wohnungsgeldzuschuß erhalten könnten. Den Beamten musse eine genügende Sonntagsruhe gewährt werden, au an den hohen fatholishen Feiertagen müsse der Dienst geregelt werden wie an den Sonntagen. _Abg. Graf von Oriola (nl.) bedauert, daß man den Titel Postassistenten niht der Budgetkommission überwiesen habe. De ! jollte noch nachträglih geshehen, denn die betreffenden Beamten bs fänden fich in einer eigentümlichen Lage, da ihre Erwartung auf Ver- mehrung der Stellen niht erfüllt worden sei. Manche Beamten hätten fich vielleicht verheiratet in der Hoffnung darauf, daß sie nah fünf Jahren sest angestellt werden würden, und es sei eine Härte, wenn sie jeßt länger warten müßten. Es sei do ein Unterschied, ob die Witwe eines solchen Beamten auf eine Gnade zu rechnen oder ein Necht zu beanspruhen habe. Die Wünsche der Militäranwärter seien ja erwägungswert, aber diese rage müsse demgemäß für alle Militäranwärter geregelt werden. Redner empfiehlt no, den Postagenten Mankogelder und in einzelnen Fallen eine größere Entshädigung für ihre Tätigkeit zu bewilligen. Die Verdienste eines Landbriefträgers könne eigentlih nur ein Agrarier, ein Landwirt recht würdigen. in Anfangsgehalt sollte von 700 auf 800 M erhôht werden. Er wünsche zu iedene, niht falsch auf- gereizte Beamte. Blätter, die in absheuliher Weise die Au reizung betrieben, müßten verboten werden. Auf den Postbeamten berube das Wohl des Publikums. Die Disziplin müsse Eo werden. Abg. Werne r (Reformp.) empfiehlt ebenfalls eine Aufbesserun der Beamtengehälter und bestätigt, daß der „Deutsche Postbote* nah dem Verbot den Ton angeschlagen habe, den der taatssekret%- griadelt habe. Vorher sei das Blatt patriotish gewesen. Gegenwär' lg heine es, als ob es wieder in die alten Bahnen einlenken wolle Ur verständlich sei es, daß den Beamten dur eine Verfügung emr worden sei, ihre Kleider bei der Firma ne u. Co. zu kaufen. Ta Gratififkationswesen müsse beseitigt und die Sonntagsruhe streng durds»

geführt werden. : bg. Lenzmann (fr. Volksp.): Die Begründung , die der

Staatssekretär heute für die Nichtberü t

vorgebraht hat , ift nicht slichha tig. Die * Mehrere nie

Po tassistentenftellen würde eine IEROEN Erleichterung aller

bauten Si telgési t d Rebuer mit ea Dan bei Pofi- 3 er

seiner Mitarbeit am , tehen Postboten“ entlase Pestbeten

(S&hluß in der Zweiten Beilage.)

worden ist, so möchte ih darauf erwidern, wir müssen doch erst sehén,

zu sprechen gekommen ist und gesagt hat, seines Wissens würden die M

viermal 300 4 gezahlt werden, so glaube i, ist das ein zweckmäßiges

die Stellung nicht mehr einnimmt, ist kein Anlaß, ihm die Zulage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Preußischen

M 52.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Dem Manne sei ein flagrantes Unrecht geschehen, und die Linke habe ich seiner in der Kommi]sion warm angenommen. Der von ihm ver- faßte Artikel sei durchaus harmlos. Ueberhaupt könne er nicht finden, daß die Haltung des „Postboten“ im allgemeinen fo aufreizend sei, wie der vom Staatssekretär zitierte Artikel es allerdings beweise. Solle man einen Beamten deshalb entlassen, weil er ein solches Blatt gehalten oder einen Artikel dafür geschrieben habe? Die Entlassung fei zudem ein Jahr vor der Pensionierung erfolgt. Daß er die Autorschaft des Artikels anfangs geleugnet habe, könne man ihm niht zum Vorwurf machen. j

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

In dieser vorgerückten Stunde möchte ih nur richtig stellen, was der Herr Vorredner soeben zum Ausdruck gebracht hat. Ich muß da- gegen ganz entschieden Protest einlegen, wenn der Herr Vorredner sagt, daß irgendwie finanzielle Nücksichten entscheidend gewesen wären für die Einsetzung von nur 2000 Assistentenstellen. Wenn der Herr Vorredner die Güte gehabt hätte, dem beizuwohnen, was ih bei Er- öffnung der Debatte erklärt habe, um solhen Mißverständnissen vor- zubeugen, so würde er vernommen haben, daß es lediglich Rücksichten auf den Dienst find, die mich veranlaßt haben, nur diese 2000 ein- zustellen.

Im weiteren -befindet sih der Herr Vorredner im Jrrtum, wenn er von einem direkten Versprehen meinerseits \priht. Den meisten Herren wird erinnerlich sein, wie sih die Sache bei der zweiten und dritten Lesung abgespielt hat. Wenn ih nicht fehlgehe, ist es sogar der Herr Abg. Singer gewesen, der auf die Erklärung, die ih hier abgegeben hatte, sagte: der Staatssekretär spricht es nit direkt aus, er sagt nur: so viel wie möglih wird es ausgeführt werden.

Bei der zweiten Lesung habe ih gesagt :

Es liegt ferner in der Absicht, wie ih bereits vorher zum Ausdruck gebracht habe, auch in den nächsten Jahren eine Zahl von 3000 Stellen in den Etat zu seßen. Das if das Höchste, was wir cinsetzen können.

Dann bin ih fortgefahren : Und ih darf wiederholen, was ich vorher bereits angedeutet habe, daß, wenn mit der Schaffung von 3000 etatsmäßigen Stellen jährli fortgeschritten wird, wir innerhalb 4 Jahren, glaube ih, dahin kommen werden, daß das Diätariat im Durchschnitt nicht länger als 5 Jahre währen wird.

Dann kommen noh weitere Erklärungen, die ih nicht wiederholen

will. Kurz und gut, sie endigen dahin: auch ferner eine größere Zahl von etatsmäßigen Stellen in den Etat einzuseten, die im nächsten Jabre nah der Absicht der Ver- waltung auf die Zahl von 3000 sich erstrecken wird.

Dana habe ich weiter gesagt bei der dritten Lesung:

Diese Diäten sind so bemessen, daß sie dem Mindestgehalt, welches für die angestellten Assistenten ausgeseßt ist, und dem geringsten Satze des Wohnungsgeldzushusses dieser Beamtenklasse gleihkommen. Gegenwärtig würden nach meinem Vorschlag nicht nur die 1000 Beamten, die nicht zur Anstellung kommen können, sih der höheren Diäten zu erfreuen haben, sondern im ganzen circa 1700. Weiter ist es die Absicht der Regierung, beim künftigen Etat dahin Vorsorge zu treffen, daß möglichst viel Assistenten das sagte ih {hon in zweiter Lesung zur Anstellung komwen, wodurhch wieder ausgeglichen wird, was diesmal nah Lage der Ver- hältnisse nicht möglich ift.

Es ift eine nit richtige Darstellung, wenn der Herr Abgeordnete jeßt sagt, es sei von mir direkt versprohen worden. Ih habe bereits im Eingange ausgeführt, wenn meinem Wunsche Rehnung getragen wäre, daß im vorigen Jahre 4000 Beamte zur Anstellung gekommen wären, so hâtte ih in diesem Jahre nur 1000 Assistentenstellen in Antrag bringen können. Jh möchte in weiterem bervorbeben, daß die Assistenten sehr wohl wissen, wie die Sache liegt, und darüber in ihren Zeitungen geschrieben haben, und daß es dem Herrn Abgeordneten nicht gelingen wird, bei meinen Beamten eine falsche Vorstellung von dem Verhalten ihres Chefs und seinen Versprechungen zu erwecken. Sie wissen genau, daß ih im Augenblick nicht in der Lage bin, mehr Beamte anzustellen, als ih beantragt babe.

Ich wiederhole: wenn im vorigen Jahre 4000 Stellen bewilligt wären, so würden in diesem Jahre nur 1000 Stellen in Antrag ge- bracht worden sein

Abg. Sittart (Zentr.) verwahrt sih dagegen, daß seine Partei in dem Falle des entlassenen Postboten in der Kommission eine den Unterbeamten ungünstige Stellung eingenommen habe. Jm Laufe der Sigung sei die Stimmung zu Ungunsten des Mannes umgeschlagen. Er selbst habe der Verwaltung dasselbe Recht zugesprohen, das auch eine sozialdemokratishe private Organisation anwende, indem sie einen widerspenstigen Genossen bhinauswerfe. Erst die übertriebenen Lobes- erhebungen der linken Seite hätten einen Umschwung in der Meinung der Kommission herbeigeführt. Nachdem der „Postbote*“ versprochen habe, seinen Ton zu bessern, sollte der Staatssekretär cinen Strich dur das Vergangene machen.

Nach einer Erwiderung des Abg. Singer wird das Gehalt des Staatssekretärs bewilligt.

Auf Antrag dcs Abg. Dr. Müller-Sagan (fr. Volksp.) werden die Titel, die sih' auf die Assistentenstellen beziehen, der Budgetkommission zur Prüfung überwiesen.

Gegen 7 Uhr wird die weitere Beratung auf Montag, 1 Uhr, vertagt.

Prenufifcher Landtag. Haus der Abgeordneten.

33, Siyung vom 28. Februar 1903, 11 Uhr. Ueber den Beginn der Sihung ist in der vorgestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden. 5 Auf der Tagesordnung steht zunächst die Verlesung folgender Jnterpellation der Abgg. von Arnim,

Zweite Beilage

Berlin, Montag, den 2. März

„Beabsihhtigt die Königliche Staatsregierung, im Haushaltsetat für 1904 Mittel in angemessener Höhe zur nachhaltigen Be- seitigung dringender Notstände in den Stromgebieten namentlich der unteren Oder, Spree, Havel und Elbe zu fordern ?“ - 4

Auf die Anfrage des Präsidenten erklärt sih der Minister der öffentlihen Arbeiten Budde bereit, die Jnterpellation sofort zu beantworten. / Abg. Freiherr von Dobeneck (kons.): Die Frage der Beseiti- gung dringender Notstände in den Stromgebieten der unteren Oder, Havel, Spree und Elbe muß unabhängig von der Schaffung neuer

erfehrswege gelös werden. Seit Jahren [eiden diese Gegenden in- folge unvorteilhafter Einrichtungen [chwere Schäden. Die Regierung hat zugegeben, daß große Versandungen vorkommen, und daß die Vebershwemmungen \{chwere Schädigungen verursachen. Die Klagen sind geprüft und anerkannt worden und führten zu einer Vorlage, die in unserer Gegend lebhaft begrüßt wurde; man sah eine wenn auh nit völlige Besserung in naher Aus iht. Da kam plötzlich die Zusammenlegung mit der wasserwirts, aftlihen Vorlage, und obwohl in den leßten Jahren wieder große Nachteile eingetreten, sind diese Gegenden immer noch ohne Hilfe. Die Frage entbehrt jeglicher politischen Färbung.

Minister der öffentlichen Arbeiten Budde: j Meine Herren! Die Königliche Staatsregierung erkennt das Vor-

handensein dringender Notstände in den Stromgebieten, namentli

der unteren Oder, der Spree und der Havel nah wie vor bereitwillig

an. Zur Beseitigung dieser Notstände in den erwähnten Strom-

gebieten, insbesondere zur Verminderung der Hohwassergefahren und

Förderung anderer Landeskulturinteressen, daneben teilweise auch zur

Verbesserung der Schiffbarkeit und zur Erhaltung des Stromlaufs,

find deshalb von der Königlihen Staatsregierung, leider aber ver -

geblich, die erforderlihen Mittel bereits im Jahre 1901 angefordert

worden. Der Wunsch der Interpellanten, die erwähnten Notstände

tunlihst bald beseitigt zu sehen, wird von der Königlichen Staats-

regierung durchaus geteilt, und sie hofft mit den Interpellanten, daß es möglich sein wird, für 1904 entsprechende Mittel zur Verfügung stellen zu können. Für die Elbe war in der wasserwirtschaftlichen Vorlage von 1901 eine Forderung nicht gestellt. Das für sie dringend gewünschte Hochwasserregulierungsprojekt ist inzwischen zwar aufgestellt,

wird aber, da es eingehendster Pcüfung bedarf, über seine etwaige Aus- führung au zunächst mit den Interessenten verhandelt werden muß, besonders zu behandeln sein.

Abg. von Pappenheim (kons.) beantragt die Be- sprehung der Jnterpellation.

Das Haus stimmt diesem Antrage zu.

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Meine volitischen Freunde erkennen die Mißstände, die zur Interpellation Anlaß gegeben haben, durchaus an, find aber dagegen, daß dic Regulierung der hier genannten Fluß- läufe ohne Zusammenhang mit dem, was bisher von allen Parteien als Kompensation betrahtet wurde, angenommen wird. Schon daraus, daß die Regierung sich “damals bereit erklärt hat, im Zusammenhang mit der wasserwirtshaftlihen Vorlage diese und andere Kompensationen zu gewähren, geht hervor, daß die gleiche Notwendigkeit der Beseitigung von Mißständen in anderen Landesteilen ebenso besteht; wie in den in der Inter- pellation genannten. Wir werden deshalb bei der Besprehung der zweiten Interpellation hervorheben, daß auch im Westen Notstände ähnliher Natur vorhanden sind, die gleichzeitig behandelt werden müssen, und daß. es nicht angeht, einen Landesteil in wasserwirtschaft- liher Beziehung vor dem andern zu begünstigen. Wenn uns eine wasserwirtschaftlihe Vorlage zugeht, werden meine Freunde bereit sein, für sie zu stimmen, aber nur in dem Sinne, daß der gleihe Notstand auch in anderen Landesteilen beseitigt wird.

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (freikons.): Wir Find mir der Regierung der Ansicht, daß die Notstände dringender Ab- ilfe bedürfen.

Abg. von Locebell (kons.): Der Minister hat das Vorhanden- sein von Notständen anerkannt, von Notständen, die bereits 50, 60 Jahre bestehen, und diese bedürfen alsbaldiger Beseitigung. Ganze Ortschaften find in die shlimmste Notlaze gebraht worden, Mißmut ist in die Bevölkerung cingezogen, weil der preußishe Staat, der doch für Kulturaufgaben große Mittel aufwendet, hier nichts tut. Sie tun, als ob dies lediglih eine Frage von agrarischer Bedeutung wäre, lediglich ein Ausfluß von Interessenpolitik. Nein, wir sind der An- sicht, daß es eine Frage des Gemeinwohls, des Wohls des ganzen Staates ist. Auch die Interessen der Städte, die an dem schiffbaren Teil der Flüsse liegen, werden in Mitleidenschaft gezogen, auch diese leiden darunter, daß die Schiffahrt monatelang ruhen muß, weil die Flüsse versandet sind. Das ift die „Juteressenpolitik“, die wir verfolgen. Die Be- seitigung dieser Uebel- und Mißstände ift eine nationalpolitishe Auf- gabe.

Abg. Herold (Zentr.): Jch begrüße die Antwort der Regierung, daß baldigst mit der Abstellung der Uebelstände vorgegangen werden solle, und bitte sie, immer auf diesem Wege vorzugehen.

Abg. Bröômel (fr. Vgg.): Ich hoffe, daß die* Regierung die große wasserwirtschaftlihe Borlage zur Annahme bringt. Ich bin niht der Ansiht, daß die Beseitigung der Mißstände an den genannten Flüssen eine Kompensation für die große Kanalvorlage bildet Ich boffe, daß die im nächsten Jahre zu erwartende Vorlage auch den Wasserweg Berlin—Stettin enthält, dessen Notroendigkeit die Regierung mit Entsthiedenheit betont hat. Das letzte Jahr hat den Beweis der Notwendigkeit eines solchen Schiffahrtsweges aufs neue erbracht ; die Rhederei Stettins ist auffallenderweise im leßten Jahre zurückgegangen, wäh- rend sich die von Lübeck um das vierfache gehoben bat. Von Kom- pensation kann nicht die Rede sein; wenn die Verhältnisse gesprochen haben, muß die bessernde Hand dort angelegt werden, wo es fich als notwendig herausgestellt hat. Die Lösung der Frage der Flußregu- lierungen und tes Berlin-Stettiner Kanals sowie die Annahme der großen Kanalvorlage hängt von der Entschiedenheit und dem Nachdruck ab, mit denea die Regierung hier auftreten wird.

Abg. von Bockelberg (kons.): Die Worte des Vorredners be- weisen die Notwendigkeit der Flußregulierung, Diesen Eindruck muß avch der Minister aus der Besprechung gewmn haben. Die Miß- stände sind verschuldet durch den Eintritt großer elementater Er- eignisse. Die Lösung der Frage der Flußregulietrung muß erfolgen unabhängig von der Kanalvorlage, darin werden wir ja in dem Vor- redner einen Bundesgenossen haben. Möge die Kanalvorlage kommen oder nit, die Becgutiernngen müssen vorgenommen werden. :

s Dr. Sattler (nl): Die Konservativen haben seinerzeit Kompensationen verlangt, daber durfte Dr. ddes bon Kom- pensationen sprechen. Wir sind immer für die Beseitigung von Mißständen eingetreten. Wir müssen verlangen, daß Sie (nach rets) die wirtschaftli Bedürfnisse der westlichen Provinzen ebenso an-

von Lo ebell (kons) und Genossen:

erfennen, wie wir die der ösllichen.

Staatsanzeiger. S 1993.

¿— Abg. von E Le dpr r ttpin (fons.): Ih nehme mit Genugtuung entgegen, daß die Ansicht des Abg. Broemel unserer und der in Pommern herrschenden Arsicht entspricht. Die Vorlage von 1901 hat etwas nicht enthalten, was unbedingt hineingehört, eine Verkehrsordnung für die untere Oder. Von der Regierung muß hoffen, das sie dem Unterodergebiet dieselbe Fürsorge entgegenbringt wie den anderen Flußläufen.

Abg. von Eynern (nl.): Wir haben die Kanalvorlage immer nur als volfswirtschaftlihe Vorlage betrahtet, sind aber der Ueber- zeugung, daß von anderer Seite politishe Momente hineingetragen worden find.

Abg. Freiherr von D obene ck (konf.): Wir haben die Fluß- regulierungen niemals als Kompensationsobjekte betrachtet.

Abg. Dr. Krieger (fr. Volksp.): Wir sind der Ansicht, daß die wasserwirtschaftlichen Fragen des Ostens nur im Zusammenhang mit denen des Westens gelöft werden dürfen.

Abg. Dr. Sattler (nl.): Wer ein besonderes Projekt befürwortet, dem kommt es auf die ganze Vorlage niht an. Die Gewährung von Kompensationen für andere Landesteile is niht von unserer Seite, fondern von jener Seite (nah rechts) angeregt worden.

Abg. von Loebell (fonf.): Wir sind bereit, in anderen Landes- teilen G rojekte zu fördern, wie im Osten. In der Beseiti- gung von Mißständen haben wir nie einen Unterschied- zwischen Osten und Westen gemaht. Wir überlassen es dem Urteil der Geschichte, wer politishe Momente in die Kanalvorlage hineingetragen hat.

Abg. Dr. Friedberg (nl.): Jch habe mit keinem Wort den Kanal als solchen erwähnt, und meine politischen Preaive haben ihre Zu- stimmung zu den Flußregulierungen niht abhängig gemacht von der Bewilligung des Mittellandkanals, weil das feine sahlidhe Ent- scheidung wäre. Kompensationen sind immer nur von der anderen Seite gefordert worden. Es geht aker niht an, daß wir die Bedürfnisse eines Landesteils befriedigen, ohne au die Bedürfnisse der anderen Landesteile Rücksicht zu nehmen. Das haben Sie 0A rechts) dadur getan, daß Sie die wasserwirt- \chaftlihe Vorlage abgelehnt haben. Um das einigermaßen wieder gut zu machen, haben Sie diese Interpellation gestellt. i 2

Abg. Graf zu Limburg-Stirum (konf): Wir wollen die Adjazenten vor einer weiteren Schädigung bewahren, während Sie neue WalrePranen verlangen. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge. Wir haben keine Kompensationen gefordert, sondern nur darauf hingewiesen, daß dur die wasserwirtschaftlihe Vorlage Verschiebungen Ne daß wir in die Lage kommen könnten, hiergegen solche Forderungen zu erheben. Das waren unsere Bedenken gegen die Kanalvorlage. _WVir haben nichts gut zu machen, sondern es als {were Ungerechtigkeit von jener Seite (nach links) empfunden, daß Sie verlangt haben, die Fluß- regulierungen sollten verquickt wérden mit der Schaffung neuer Kanäle.

bg. von Eynern (nl.): Sie (nah rechts) hab:n uns derartig gedrängt, daß wir \{chließlich die Kompensationen in das Gesetz hinein- gebraht haben. Wenn Sie das nicht getan hätten, würden Sie heute wahrscheinlich ohne Kanalvorlage bekommen, was sie verlangen. Sie haben es aber in die Vorlage hinein haben wollen.

Abg. von Pappenheim (kons.): Der Abg. von Eynern hat kein Neht, immer „wir im Westen“ zu sagen. Andere Leute im Westen \ind der Ansicht, daß eine Besserung der Verkehrsverhältnifse auf andeiem Wege zu erreichen ist als dur Anlegung neuer Kanäle. Wir wollen nicht zwei heterogene Dinge mit- einander verbinden, wie es die Flußregulierung und die Schaffung neuer Verkehrswege sind. Auch in der Fraktion des Abg. von Eynern gibt es Leute, die der Ansicht sind, dur den Ausbau der Eisenbahn seien die Verkehrsverhältnisse besser zu ändern als durch den Bau neuer Schiffahrtsstraßen. Ich bestreite ihm das Necht, immer im Namen des Westens zu sprechen; wir wohnen auhch im Westen.

Abg. von Eynern (ul.): Jh wundere mich, daß der Vörredner wissen will, wer von meinen Parteifreunden anderer Ansicht ist. Er hat doch eben erst gesagt, er wolle kene politishen Momente gerer. : ;

Damit schließt die Besprechung.

Es folgt die Verlesung nachstehender Jnterpellation der Abgg. Dr. Beumer (nl.) und Genossen:

Sind die Vorarbeiten für den Bau eines Schiffahrts- fanals vom Rbein zum Dortmund-Ems-Kanal durch das Emschertal (als Teilstrede des Rhein Weser-Elbe- Kanals) so weit abgeshlossen, daß die zu wählende Linienführung endgültig feststeht ?

Ist die Königliche Staatsregierung für diesen Fall bereit, um eine abermalige, die wirtshaftlihen Interessen des dortigen Industrie- gebiets shädigende Verschiebung dieser Linie zu vermeiden, alsbald und, wenn möglich, noch in diefer Tagung mit einer Kreditforderung an den Landtag beranzutreten, um den Grunderwerb für die pro- jektierte Linie zu fichern.“

Der Minister der öffentlihen Arbeiten Bu dde erklärt ih zur sofortigen Beantwortung der Jntei pellation bereit.

Abg. Schmieding (nl.): Von allen Parteien, besonders von meinen Freunden, sind die Mißstände an der unteren Oder und Elbe anerkannt, aber wir halten Kompensationen im Westen für nötig. Ein innerer sahliher Zusammenbana besteht zwischen beiden Inter- pellationen niht, aber eine gewisse Abhängigkeit der einen von der anderen kann do auch nit geleugnet werden. Die Kanalvorlage ist ja nun abgelehnt; wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, aber die Mißstände im Westen sind in wasserwirtschaftlicher Beziehung noch \chreiender als die im Osten. Wir wollen eine Verbindung des rheinishen Industriebezirks mit dem ganzen großen Weltverkehr, und dazu bedürfen wir dec Wasserstraßen Unsere Jater- pellation seyt an der Stelle ein, wo die wichtigsten Interessen in der wasserwirtschaftlihen Vorlage zu Tage treten. Wir wollen dabei aber nicht jeyt \{hon eine Entscheidung über die Emscherlinie herbeiführen. Man darf, wenn man die Kosten des Mittellandkanals gegen die Aus- führung geltend macht, nicht die großen Koften anderer Kanäle ver- gessen, die an wirtshaftliher Bedeutung und wirtschaftlihem Nuzyen dem Mittellandkanal auch niht annäherad gleihkommen.

Minister der öffentlichen Arbeiten Budde:

Meine Herren! Was die Interpellation Dr. Beumer und Ge- nossen anbetrifft, so ift allseitig bekannt, daß die Königliche Staats- regierung dic baldige Ausführung eines Kaznals von Dortmund nah dem Rhein durch das Emschertzl als Teilstrecke eines Rhein-Weser- Elbekanals für notwendig erahtet. Jch erkläre namens der König- lihen Staatsregierung, daß sie nah wie vor an dieser Auffassung fest- hâlt. (Bravo !)

Was die besondere Anfrage der Interpellanten anbetrifft, ob die Vorarbeiten für diesen Kanal so weit abgéshlossen sind, daß die ug wählende Linienführung endgültig feststeht, so muß ih mitteilen, daß diese Feststellung bis heute noh niht möglich war. Denn in dem in Frage stehen- den Gelände schreitet die Bebauung bekanntlich mit großer Schnelligkeit fort. Es, sind in der ursprünglich geplanten Trace neuerdings

angelegt worden: ein Hochofenwerk, mehrere Arbeiterkolonien von Zechen sowie viele einzelne Häuser. Daher habe ih eine erneute Nachprüfung der