1882 / 23 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 26 Jan 1882 18:00:01 GMT) scan diff

Beziehungen der öffentlichen Gewalten, und erklärt, daß es am Plote ist, die Verfassungsgeseße zu revidiren.“

L r. (P C. B) Dié Meinungen über den Ausgang der morgigen Debatte in der Deputirtenkammer gehen sehr weit auseinander. Das Kabinet hält die begrenzte Verfassungsrevision aufrecht und verlangt niht, daß die Kammer si für das Listenskru- tinium ausfprehe, wohl aber die Ermächtigung, diese Frage im Kongresse aufzuwerfen. Der „Temp 5“ sagt: viele bisher den Gambetta’shen Vorschlägen entschieden abgeneigte Depu- tirten kämen mehr und mehr von diesen Gesinnungen zurück

Italien. Rom, 2. Januar. (W. T. n E der heutigen Sißung der Deputirtenkammer interpellirte Berio wegen der Spielbank Monte Carlo in Monaco und sprach si beifällig über die philanthropische Jnitiative des Engländers Thomson aus. Der Minister des Auswärtigen, Mancini, erklärte: Jtalien sei bereit, sich wegen jeder diplomatischen Aktion, welche beantragt werden sollte und dem Völkerrehte entsprehen würde, den anderen Mächten anzuschließen. Bisher sei indessen keinerlei Vorschlag ge- macht worden. Er theile nit die Ansicht Berio's, daß Frankreih das Protektorat über Monaco habe. Er hoffe, der Fürst und die Bevölkerung von Monaco werde ih aus freien Stücken von dieser Geißel befreien, und erx rechne in dieser Beziehung auch auf die Wirksamkeit der öffentlichen Meinung. Auf die Interpellation Ricotti’'s über die aus- wärtige Politik erwiderte Mancini: er müsse sich die Vorlage der Dokumente, betreffend Tunis, Sfax und Mar- seille, für einen geeigneten Moment vorbehalten. Frankreich habe über Tunis noch nicht das leßte Wort gesprochen ; die Verhandlungen bezügli der Vorgänge in Marseille und Sfax seien noch nit ershöpft. Mit Rücksicht auf die geäußerten Besorgnisse über die allgemeine Lage konstatirte Mancini, daß alle Mächte einstimmig den Frieden wünschten, Rußland müsse sich noch von dem leßten Kriege erholen, Frankrei habe ernste innere Fragen zu lôsen und durch aus- wärtige Unternehmungen geschaffene Shwierigkeiten zu regeln, England sei systematisch der Sache des Friedens ergeben; Deutschland und Oesterreich-Ungarn hätten den festen Willen, den Frieden zu erhalten; Jtalien hege mit denselben den gleihen Wunsch. Die internationalen Beziehungen Jtaliens würden übrigens irgend eine Besorgniß nicht rechtfertigen. Die Haltung der italienishen Regierung gegenüber der Macht, mit welcher sich die Regierung jüngst in Meinungsdifferenzen befunden, habe nie aufgehört, eine \fkrupulös fkorrekte zu sein. Die Beziehungen Ztaliens zu allen Mächten seien durchaus freundschaftlihe, namentli diejenigen zu Deutschland und Oesterreich:Ungarn ; schon wiederholt habe die Negierung die ünstigen Wirkungen der Annäherung Jtaliens an jene biden Völker zu konstatiren vermocht. Das Nüstungs- problem müsse demna als Erfüllung einer Pflicht gegen die nationale Sicherheit betrachtet und von wesentlich tehnis{chem Gesichtspunkte aus geprüft werden, ohne hierbei irgendwelche politishe Momente und momentane, vorübergehende Verhält- nisse in Betracht zu ziehen. Mancini dementirte auf das Ent- schiedenste die Verdächtigungen gewisser Organe der Presse, daß zwishen den Ministern Meinungsverschiedenheiten beständen. Swließlich forderte der Minister Nicotti auf, er möge eine Motion einbringen, um der Kammer die Möglichkeit zu bieten ,„ ein Vertrauens- votum auszusprehen. Das Kabinet könne nach der bestehen- den Geschäftsordnung ein solches Votum nicht provoziren, doch wünsche das Ministerium eine baldige Gelegenheit hierzu. Wenn Ricotti keine Motion einbringen würde, so wäre dies ein Beweis dafür, daß Ricotti zugestehe, die Majorität der Kommer billige die Politik des Kabinets. Nicotti brachte keine Motion cin.

Türkei. Konstantinopel, 24. Januar. Dem „Pest. L.“ wird von hier gemeldet: Man hält hier die Publikation des Kaiserlichen Jrade, betreffend die Details des Anschlusses der türkishen an die europäischen Bahnen, für bevorstehend, da es Reschid Bey während seiner Anwesenheit in Wien gelungen sei, die wesentlihsten Hindernisse, welche diesfalls einer Verständigung zwishen der Türkei und Desterreih-Ungarn im Wege gestanden hatten, zu beseitigen, und die seither durch den türkischen Botschafter in Wien; Edhem Pascha, mit dem österreichish:ungarischen Kabinet fort- geseßten Unterhandlungen eine entschiedene Wendung zum Besseren genommen hätten.

Aus St. Petersburg, 25. Januar, meldet 00, S. B.“ : Die „Börsenzeitung“ erfährt, daß zwischen Rußland und der Pforte cin Einvernehmen in Betreff der Za h- lung der Kriegsentschädigung erzielt sei. Darnach verpflihte sih die Pforte, 10 Millionen Francs jährlich an Rußland zu zahlen. Die Zahlung wird sicher gestellt dur ein Zehntel der Steuern einiger Provinzen und außerdem speziell dur ein Zehntel der Hammelsteuer. Die Erhebung dieser Steuern für die Kriegsentshädigung wird von der Kommission ausgeführt werden, welhe die Steuern für die Garantie der Besißer türkisher Bonds erhebi,

_ Numänien. B Urares, 25, Januar, (W. T, B.) Eine , Versammlung sämmtliher Deputirten der liberalen Partei beschloß, den Minister des Innern, Rosetti, durch eine Adresse um Zurückziehung seines Entlassungsgesuchs zu er- suchen. Die Entschließung Rosetti’'s ist noch nicht bekannt.

Amerika. Washington, 25. Januar. (W. T. B.) Prozeß Guiteau. Nach der heutigen 11/slündigen Rede des Richters Burant, in welcher derselbe auf das Eingehendste die Gesehesbestimmungen über das in Frage stehende Ver- brechen auseinanderseßte und die Zeugenaussagen für und wider den Angeklagten hervorhob, zog sih der Gerichtshof zu- rück. Nach mehr als einstündiger Berathung kehrte er zurü, um sein Verdikt abzugeben, dur welches Guiteau der Er- mordung des Präsidenten Garfield schuldig befunden wird.

E

Zeitungsstimmen.

Dem in der „B erg- und Hüttenmännischen Zee i- tung“ von Hrn. Dr. Franh veröffentlichten Jahresberichte vom Montanproduktenmarkte, aus dessem ersten Theile wir gestern einen Auszug mitgetheilt haben, entnehmen wir weiter noch die folgenden Ausführungen :

Der wichtigste Faktor der Eisenproduktion ist die Verarbeitung des Rohbeisens und sonstigen Materials u Fabrikaten aller Art, die rOELon der Eisengießereien, der Schweiß- und Flußeisenwerke.

uh bei dieser ist in den letzten Jahren ein Aufschwung eingetreten, der sih besonders in der Mehrung der Inlandsproduktion und in der Minderung des Imports fremd er Eisen- und Stablwaaren zeigt.

_ Wie bereits oben erwähnt, mehrte sid die Bevölkerung weit s{wächer, in fünf Jahren nur um 9,87 °/0, dagegen eine so starke Zunahme der Eisenproduktion, wie sie sich in vorstehenden Prozent- säßen zeigt, {on in drei Jahren. Unzweifelhaft tritt damit die Wirksamkeit der neuen Eisenzölle hervor, und sie ift unbestreitbar eine wohlthätige, wenn sie au begleitet ift von gleiéhzeitiger Besserung der Preise und der Löhne. Ob und wie diese Besserung Thatsache ist, wollen wir näher untersuchen und die weiteren Folgerungen aus den angegebenen Zifferta unseren Lesern überlassen. Ueberall läßt si ja leiht in ähnlicher Weise, wie wir es oben gethan, die Differenz der Gegenwart gegen die Zeit vor den neuesten handels- und wirth- \chaft8politishen Reformen erkennen, so weit es sich um die Haupt- faktoren der “FXontanindustrie, um- Produktion und Konsumtion, handelt. Das Jahr 1881 wird, wenn niht noch günstigere, jeden- falls ¿cine ungünstigeren Resultate ergeben, wie schon aus obigen Zahlenangaben \ich {ließen läßt. Um dies noch ersichtlicher zu machen, haben wir die Produktionsziffern des Vorjahres mit den 11 Monatsangaben von 1881 fombinirt, was um so zulässiger erscheint, da die Produktion von 1881 noch diejenige von 1880 über- steigen wird.

Der Preisstand vor der Zollreform war ziemlich niedrig, die Produktionskosten kaum erreidend oder doh wenig überschreitend. Erst seit 1880 zeigt sich{ jene entschiedene Besserung, die bis in die neueste Zeit andauert. Um auch bier an der Hand der Statistik möglichst unparteiise sachliche Nachweise beizubringen, geben wir eine Zusammenstellung der amtlich festgestellten, vom Kaiserlichen Statistishen Amt zu Berlin veröffentlihten Jahrc2- und Monats- durchshnittspreise . ;

Der Eingangszoll ist bei diesen Preisfäßen nur beim Noheisen von Bedeutung, da Steinkohlen und die übrigen Metalle zollfrei sind. Der Roheisenzoll beträgt seit 1. Juni 1879 für 100 kg 1 M Mag derselbe an der oben ersichilich) gemachten Preiserhöhung immer- hin feinen Antheil haben, diese ihm allein beizumessen ist um so weniger zulässig, da auch die zollfreien Meontanprodukte eine Preis- steigerung aufweisen. Daß und wie die Roheisenpreise {on auf den Hütten gestiegen sind, also ganz unbeecinflußt von dem Eingangszolle, geht {Gon daraus hervor, daß die von den Produzenten zur offiziellen Statistik nah den Verkaufspreisen angegebenen Durch\chnittswerthe gestiegen sind, eine Thatsache, die bei der starken Produktionssteige- rung ihre selbständige, von dem Eingangszolle völlig unabhängige

ürdigung beanspruchen kann. Der offiziell in der Roheisenproduk- tions-Statistik konstatirte Dur{schnittswerth betrug pro Tonne Roh- eisen:

in den J 1878 1879 1880 im Deutschen Reiche . #4 55,40 2/70 65,03 in Luremburg E 8720 33,10 A2

Die Preissteigerung ist also hier {on loco Hütte eingetreten und jedenfalls bei Weitem mehr dem allgemeinen Industrieauf- schwunge und der dadur bedeutend vermehrten Nachfrage, als dem indirekten Einflusse des Roheisenzolles beizumessen.

_Es fragt sich dann weiter, ob und wie die Arbeiterklafsen eine Besserung ihres Lohnstandes dur den wirth\chaftlihen Um- und Aufschwung erfahren haben? Leider fehlt es hier an allem einiger- maßen brauchbaren ftatistischen Materiale, und noch immer ist man bezüglich einer für die wichtigsten volkswirthschaftliben und sozial- politischen Fragen so unentbehrlihen Berufs- und Lohnstatistik auf Verheißungen für die Zukunft angewiesen. Doch immerhin läßt sich [hon nach einzelnen bekannten Daten nachweisen, daß die Arbeiter ebenfalls an dem allgemeinen Umschwunge zum Bessern betheiligt sind. So z. B. nah der Privatstatistik der obershlesis&en Montan- industeiellen A

Die Lohnzahlung ift also weit stärker gestiegen, als dic Arbeiter- zahl und der Produktionswerth, eine Thatsache, welcbe beweist, daß die Löhne auch in ihren Durschnitts\äßzen erhöht sein müsscn. Im Jahre 1878 erhielt der Kohlenarbeiter cinen durchscnittlihen Jahreslohn von nur 455 4, dagegen 1880 von 525 M, also 70 M. pro Kopf mehr. Und diese Lohnbesserung verdankt der Arbeiter seinem Arbeitgeber, dem Produzenten, denn 1878 betrugen die Löhne nur 42,64, dagegen 1880 44,99 %/%0 des Gesammtwerthes der Kohlenproduktion. Ob und in welchem Maße die Mgntanarbeiter überhaupt mit ihrem Lohnstande zufrieden / sein könnent“ lößt fon - etne Vergleichüng ihrer Jahres- durch\ch{chntttslöhne beuttheilen

_In Oberschlesien stehen die Löhne bekanntlih niht hoch, dennoch lassen die angegebenen Dur{scnitte annehmen, daß der Lohnstand der Montanarbeiter im Verhältniß zu demjenigen der Arbeiter vieler anderer Industriezweige als ein befriedigender, ja völlig genügender zu bezeichnen ist, zumal mit der Crwägung, daß die obigen Kopf- durbschnitte in vielen Arbeiterfamilien und Arbeiterhaushalten mehr- sah zur Erhebung kommen. Selten is der Montanarbeiter völlig lsolirt, meist ist er Mitglied einer seinem Berufe angehörenden Familie. Wer Fachmann ist, weiß auch die Prozentsäize der Quote zu würdigen, welche die Löhne von dem Gesammtwerthe der Pro- duktion vorwegnehwmen, namentlih bei dem Bergbau, der so kost- spielige Anlagen und Vorrichtungen erfordert. Wenn die Lobnguote bei den Hütten weit geringer ist, so hat dieses scinen Grund einer- seits in der Kostbarkeit des zu dem Hüttenbetriebe anzulegenden Kapitales und Materials, andererseits in der verhältnißmäßig ge ringeren Anzahl von Arbeitern, die derselbe erfordert. Im Uebrigen macht die Höhe der Durcschuittslöbne der Hüttenarbeiter im Ver- hältniß zu den Grubenarbeiterlöbnen einen angenehmen Eindruck.

Jn einer Betrachtung über die Verhandlungen in der Reidl-stagssizung vom 24. d. M. sagt die „Germania“:

„Die beutige, von den „Vereingten Liberalen“ provozirte Debatte über den Königlichen Erlaß bat einen Berlauf genommen, den Unternehmer der großen Aktion weniger gewüns\ch{t D

die siherlih nicht erwartet und noc der erste Theil des Erlasses nichts firirt und zum Ausdruck bringt, so konnte er dem Abg. Dr, Hänel nur Anlaß zu einer unwirksamen \taatsredt- lichen Darlegung bieten. Die Redner der Linken hatten sich darum von vornherein auf einen Vorstoß gegen die im Erlasse ansceinend

über die Stelluzg der

haben. Da anderes, wie altes Recbt

bestätigte Theorie des Hrn. von Puttkamer Beamten zu den Wahlen gerüstet. Es läßt sib nit leugnen, daß der Reichskanzler ihnen die bereitgehaltenen erfolg- reicher Taktik entwand, indem er zunäcbst die unbestrittene monar- ische Frage mit Emphase behandelte unt dann dem Wablpassus des Erlasses eine Interpretation gab, gegen welche wobl kaum etwa Stichhaltiges cingewendet werden fann unter der Voraussetzung, daß sih der Minister des Innern und die ihm unterstellten Beamten strikte an die Auéleguna des Reichskanzlers balten.“

Jn ihrem gestrigen Abendblatt bemerkt die „Germ.“ zu dem nämlihen Thema :

«In den Blättern der Parteien, welche die gestern begonnene und heute beendete Debatte über den Königlichen Erlaß provozirten, mat si, trotz aller Nedewendnngen über den Erfolg des gestrigen Tages, doch das Gefühl bemerfkflich, daß di Aktion den Liberalen keinen Sieg cingetragen babe. Sie verzeibnen zwar mit Genugthuung, daß der Reichskanzler seinerseits in Abrede gestellt, einen Konflikt zu wünscven, aber sie können doch nit umbiîa, auf die zablreicben Thatsachen hinzuweisen , welcbe dennahenden Konflikt andeuten. Der Reichskanzler müßte nit ein gewiegter Diplomat sein, wenn er irgend eine Gelegenheit sih entgeben lassen fönnte, um seine ¿Friedfertigkeit vor dem Lande in belles Licht zu stellen und seine liberalen Geankc ins Unrecbt zu Auch die gestrige Debatte bleibt auf ibrem Scchuldkonto, Nab den großen Worten, mit welchen die liberalen Wortführer im Parlamente und in der Presse den Wablpassus de Erlasses behandelt baben, war der Cffekt der gestrigen Debatte fast fomisch. Man hatte âlso Don-Quirotcrie getrieben, gegen Windmüblen getämpft! Denn was der Erlaß na der Interpretation des Reicbs- fanzlers den Beamten untersagen und auferlegen will, mußten die Herren roa Bennigsen, von Stauffenberg und Eugen Richter als Mit dieser Taktik waren die Gegner entwaffnet, und die Diskussion verlor jede Bedeutung.“

berechtigt anerkennen. __— In einem Artikel „Das Brod des armen Mannes“ widerlegt; die „Nordd, Allg. Ztg.“ die Behauptung von der

R 45 1 assen mit

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Vertheuerung des Brodes durch die Wirthschaftspolitik der Regierung, indem sie hervorhebt, daß es feststehe, daß sogar viel namhaftere Preisverschiebungen in den Zerealien- und selbst in den Mehlpreisen, als sie durch den Zoll bedingt seien, auf die Brodpreise nicht den geringsten Einfluß übten, und zum Beweise dafür folgende Thatsachen anführt :

Hier in Berlin wirken die Mieth®preise der verschiedenen Stadt- theile, die Bezirksusanze, die Ingredienzen, die örtliche Honkurrenz allein maßgebend auf die Brodpreise cin und ergeben Differenzen, die ganz unabhängig von den Roggen- und Mekblpreisen sind. So erhält man um 50 F an Sc{warzbrod

in der Niederwallstraße -3 Pfd. 24 Lth. in der Friedrichstraße (Süden) 3 „, 15 f

in der Anhaltstraße Ds

in der Manteuffelstraße D

am Zionskirhplaßz O Lv.

Im vergangencn Jahre 1881 finden wir am 20. Januar fast an allen diesen Verkaufsstellen die nämlicben Gewichtsmengen ebenfalls für 50 S erhältlid, obwobl die Rohmaterialienpreise sihch in folgendem Maße geändert darstellen :

100 kg Roggen gute Sorte 1881 21.00 Æ# bis 20.80 4 100 kg Roggen gute Sorte 1882 18.80 M. bis 17.80 M. bestes Roggenmehl im Fahre 1881 15.00 6 pro 100 Pfd. bestes Roggenmehl im Fahre 1889 1250 4A pro 100 Pfd. : Ungeachtet der neuen Wirthschaftspolitik und dem Getreidezoll ist also Roggen und Mehl um etwa 12 % billiger geworden, das „Brod des armen Mannes“ aber unverändert im Preise geblteben.

Die „Leipziger Zeitun g “enthält eine Correspondenz

aus Thüringen über die wichtigsten politischen Zeitfragen ; dieselbe bespriht im Eingang die Stellung der Liberalen Thüringens zu dem Allerhöchsten Erlaß vom 4. Januar und fährt dann fort: __ Gbenso is für das von dem fortschrittlicben Liberalismus eingebrachte Unfallversicherungsgeset in Thüringen keine Begeisterung zu spüren. Man bricht dafür nothgedrungen und aus Parteirücksich- ten eine Lanze, doch erscheint in dem Entwurf die Verquickung von staatlicher und privater Versicherung als ein folches Morstrum, daß fich keine lebhafte Parteinahme für dasselbe finden will und eigentlich Jeder zufrieden ist, wenn es in der Kommission ein frühes, aber ver- dientes Grab findet.

Weiterhin heißt es dann:

Auch die Resultate der in Folge des Schutzolles sichtbar besseren industriellen Verhältnisse Thüringens begleitet der Fortschritt und diesmal in seinem eigenen Interesse! mit keinem Worte der Ermuthigung oder Anerkennung. Mit \aurer Miene re- Ute E u umgehenden Thatsachen. Hatte er doch in der Zeit manchesterlicher Freihandelsherrschaft nur über den Niedergang der besten industriellen Geschäfte zu berichten ! Nun wird aus Meiningen, Gera, Weimar und Gotha ein Aufschwung und eine Lebhaftigkeit der Industrie konstatirt, die zu den besten Hoffnungen berechtigen. In Meiningen is das dur seine große Spielwaarenfabrikation und dur fein Wollengeschäft bekannte Sonneberg auch nah Weihnachten noch vollauf mit der Ausführung von - tmmer neu wiederkehrenden Aufträgen aus England, Amerika und Frankreich beschäftigt, so daß die nach Weih- naten gewöhnliche Stille im Geschäft sich gar nicht geltend macht. Das sind erfreulibe Zeichen für die beginnende Wirkung der wirth- schaftlichen Politik des Reichskanzlers, freilih liegt au darin die Verurtheilung der manchesterlichen Freihandelstheorie, welcbe nur die Prei8gebung an die industriell und kapitalistish überlegenen Staaten, wie England und Amerika, bewirkt hat und das ist der Grund, weshalb der Fortschritt nur widerwillig die besseren Resultate der neuen Wirthschaftsreform verzeihnet. Wir aber freuen uns, wenn auch hier der Reichskanzler in wirthschaftliher Beziehung Deutsch- land „in den Sattel hilft, reiten wird es \{on lernen !“

Die von Dr. Victor Böhmert und Dr. Arthur von Studniß herausgegebene „Sozial-Corre spondenz“ bringt in Bezug auf den Arbeitsmarkt u. A. folgende Mittheilungen : __ Der Aufschwung, den in Scneeberg in Sacsen die Mascbinen- stickereibranbe in Folge der Einfübrung der Tüllstickerei feit einiger Zeit zu verzeichnen hat, scheint erfreulicherweise von Dauer zu sein: dafür spricht die Vermehrung der Maschinen und die volle Beschäfti- gung aller Arbeitskräfte. Die Arbeiter verdienen gegen früber be- träcbtliÞh mebr, da ein fleißiger und gescickter Arbeiter per Woche recht gut einen Reinverdienst von 20 M und darüber erzielen fann. Die in Adorf sehr stark betriebene Perlmutterwaarenfabrikation batte in der Regel vor Weihnacbten eine stille Zeit, da die Aufträge für den Sommerbedarf immer erst nab Neujahr eingehen. Diesmal tra aber keine Stocung ein, fo daß die Arbeiter immer beschäftigt waren. Ueber die Löhne hört man allerdinas manchmal klagen, denn gestiegen sind dieselben feit langer Zeit nicht.

Landtags: Angelegae

ete

, Die Begründung des Gesctentwurfs, betreffend den weiteren Erwerb von Privat-Eisenbahnen E den Siadt (C Ne U W R St.-A.,*), lautet im allgemcinen Theil :

In ausführlicher Begründung hat die Staatsregierung bei Vor

lage des Gesetzentwurfs, betreffend den Erwerb mehrerer Privat- eisenbahnen für den Staat (Nr. 5 der Drucksachen des Hauscs der Abgeordneten, Session 1879/80), die Durchführung des Staatseisen- bahn-Svystems als das nothwendige Ziel der preußisben Eisenbabn- Politik bezeihnet und darin die Zustimmung der Landesvertretung dur Annahme der unterm 20, Dezember 1879 und 14, Februar 1880 Allerhöchst sanktionirten Gesetzentwürfe (Gesetz-Samml. de 1879 S. 635 ffffl. und Gesetz-Samml. de 1880 S. 20 ff.) gefunden. : Es hat damit das Gebiet der Staatseisenbalnverwaltung seiner Gesammtausdebnung von mehr als 15000 km bereits cine mehr gesclossene Gestalt erhalten, dur welcbe die Mögli@&keit ciner einheitliheren Organisation der Verwaltung gegeben und zuglei die im wirthscaftliden und finanziellen Interesse des Landes aecbotene einheitliche Regelung des Betriebes angebahnt ist.

Immerhin aber befinden sid noch wictige und ausgedebnte Linien in ciner Gesammtlänage von 95486 km in dem Besitz und der Verwaltung von Privatgesclls{aften. Aub wird ein sehr beträcbt- licher Theil der in der Verwaltung des Staates befindlicben Linien mit im Ganzen 3676 km noch für Nechnung der Privataesell- schaften, deren Eigentbum sie find, verwaltet, so daß die völlige Ver \bmelzung des Betriebes und der Verwaltuna mit den ansc{licßenden fisfaliscen Linien dur die nothwendige Rücksicht auf die Interessen der Eigenthümer ausges{lossen wird.

Es widerräth \ic, dieses mit allen Unzuträglikeiten cines unfer- tigen und Uebergangszustandes verbundene unvolllommene Verhältniß länger und in weiterem Umfange, als nöthig und erträglich, besteben zu lassen.

So lange dieser Zustand dauert, ift die einheitliche Regelung des Betriebes nur mit erheblichen, für die wirths{haftlihen Interessen des Landes nachtheiligen Einschränkungen mögli. Die dem Eigen- betriebe von Gesellsaften verbliebenen Linien werden dem Interesse der Aktionäre entsprechend verwaltet und bleiben den für das Gebiet der Staatseisenbahnverwaltung in Auësiht zu nehmenden, die Landeswohlfahrt bezweckenden einbeitliden Neformen unzugänglich, soweit das maßgebende Erwerbsinteresse der Gesellschaften eine Be- cinträbtigung befürchten läßt. Die Auésbildung cinbeitlicber Grundeinrihtungen in Betrieb und Verwaltung, im Tarif- und Fahrplanwesen und jene Gleid mäfßigkeit und Uebereinstimmung des gesammten Betriebsapparates, welche die Benutzung der Eisen- bahnen durch die Tranéportinteressenten, wie die Orientirung des Publikums erleichtern, besc{ränken si daber im Wesentlichen auf das engere Gebiet der Staatseisen ahnverwaltung. Die Gntwickelung

y in

des Cisenbahnwesens dränkt unverkennbar in cine Richtung, welche eine Modifikation der bisherigen Verwaltungéform zu einer auf die Dauer unabweisbaren Forderung macht. _Die sakundige Mitwirkung der wirthschaftlichen Kreise, deren Interessen auf die Leistungéfähigkeit des Eisenbabnbetricbes vorzugêweise angewieser sind, bat immer weiteren Boden gewonnen und {on in dem beshränkteren Um- fange, in welcem sie bisher zur Geltung gelangt i, ihre fünftige hohe Bedeutung erlennen lassen. Jn der That ist sie ein geeignetes Mittel, um die obere Leitung der Cisenbahnverwaltung sowohl eine uznsa}endere, freiere Ueber- sicht über die wirthshaftliben Bedürfnisse des Landes gegenüber den Cifenbahn-Transportanstalten gewinnen zu lassen, als jie über eine einseitige nur auf die Steigerung der finanziellen Er- trägnisse gerichtete Bewirthschaftung zu erheben. Mit der Einführung diejes neuen Elementes und seiner lebenéfkräftigen Gestaltung wird die Erörterung und Entscheidung aller das Eisenbahnwesen berühren- den wirthschaftlichen Fragen, aller wichtigen Reformen des Eisenbahn- wesens, deren Tragweite in die verschiedenen Zweige der wirthschaft- lichen Entwickelung des Landes hineingreift, aus dem geschlossenen Kreise der Eifenhahnverwaltung in die Oeffentlichkeit getragen und der freien Diskussion eröffnet. Um aber tie Mitwirkung dieser neuen Institution zu einer gedeihlihen und wirkungêvollen zu machen, muß dieselbe in organiswer Gestaltung das gesammte Gebiet der inländischen Eisenbahnen umfassen und an eine gleichmäßige, kTonforme Organisation derselben anschließen, Um andererseits unter den vielfa divergirenden Interessen, welcbe in den Berathungen der wirthschaftlichen Konferenzen zum Austrage gelangen follen, die Verständigung auf der Grund- lage einer ershöôpfenden, mit zuverlässigem Material ausgerüsteten Norbereitung zu finden, bedarf es einer über alle Berkehrsgebicte und Verkehrsrichtungen sich erstrecenden, unter einhbeitlicher Leitung ge- gliederten Einrichtung, welche die Verkehrsbewegung und ihre Bedeu- tung, in ihrem Fallen und Steigen, in ihren wechselnden Nichtungen, in ihren Ursachen und ihren Zielen jederzeit festzustellen und zu er- kennen geeignet ist. Die Durchführung einer solchen Reform ist nicht möglich, so lange große inländische Eifenbahnen verschiedenen Herren und Jateressen unterstehen, so lange ein Drittheil des gesammten Gebietes in willkürlicher und zufälliier Zerstückelung, im Gemenge mit anschließenden Staatsbahnstrecken, unter mannigfaltigen Betriebs- und Verwaltungêformen ebenfsoviel verschiedenen Interessen dienstbar ist, als sich das Eigenthum und die Verwaltung auf die verschiedenen Unternehmungen vertheilt. :

Die Unhaltbarbeit eines folchen Zustandes ist bcreits so offen- kfundig geworden, daß das Interesse der Privatgesellshaften ihre Unternehmungen unter möglichst günstigen Bedingungen an den Staat abzutreten, zahlreibe andere Rücksichten überwiegt und nament- lih die Fürsorge der Verwaltungen für eine ¿wectmäßigere, dem allgemeinen Interesse entsprechende Umgestaltung der Berkehrseinrich- tungen, für die Vervollständigung der Bau- und Betriebsanlagen, für eine mehr der künftigen Entwickelung, als der augenblicklichen Rente günstige Grweiterung des Unternehmens, ja selbst für die Erhaltung eines normalen und betriebsfiheren Zustandes der Bahn und der Transportmittel vielfach zurücktreten läßt. In der Erhaltung einer hohen Rente und eines günstigen Aktienkurses erkennt man die wesentlichen Vorausfetzungen einer für die Gesellschaft mög- lihst vortheilhaften Verstaatlichung. Daher die ngstliche Zurückhaltung mit Maßnahmen, welhe einen Rückgang der Rente und des YAktienkurses befürchten lassen! Im Interesse des Verkehrs odec der Landesvertheidigung erwünschte Anlagen und Einrichtungen begegnen der Ablehnung der Gesellschafts- Vertretungen, während Konkurrenzprojekte, welche den Verkehr der Staatsbahnlinien beeinträchtigen würden, eifrig verfolgt und betrieben werden, um den Staat zum Ankaufe zu drängen. ; i

&ür den Ausbau des inländischen Eisenbahnnetzes, so weit der-

selbe von den vorhandenen großen Privatbahnen abhängig ist, muß sich eine solche Haltung derselben besonders nachtheilig erweisen. Die Herstellung sekundärer Verzweigungen des bestehenden Netes der Hauptbahnen, welcbe für die wirthschaftliche Zukunft des Landes längst als eine unabweisbare Nothwendigkeit erkannt ist, kann erfahrungs- mäßig auf vollkommen legalem und folidem Boden nur zurn geringeren Theil selbstständigen Privatunteraebmungen überlassen werden. Die natürliche Abhängigkeit fsoiher Zweigbahnen von den Hauptverkehrslinien, an welche sie ansc{ließen, die beschränkten Aus- nchten auf einen rentablen Betrieb derselben bieten für die Spekula- ion nur äußerst selten cinen Anreiz, so daß in den meisten Fällen die Ausführung derselben dem Unternehmer der ansc{ließzenden Hauvt- bahnen überlassen bleibt, welcbe in dem von der Zweigbahn zu ge- värtigenden Verkehrszufluß die Ausgleichung des unzureienden Er trages der leßteren finden. Während der Staat in den letzten drei Jahren in umfassendstem Maße für den Ausbau solcber Zweigbahnen in dem Verkehrsgebiete der fiskalishen Bahnen Sorge trägt, wird ) i n die Zumuthung eines gleichen Vorgehens, \o-

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gesammte Staatsgebie

eine Verkünnmerung, welcbe

L i e des Staates für das t ie Dauer nicht vereinbar ist. / E uf dem Gebiete der Verkehréleitung hat die Gegnerschaft gegen e Staalseisenbahnverwaltung ihren \{ärfsten Ausdruck gefunden. Mit der Erweiterung und geschlosseneren Geîitaltung des Verwaltungs gebietes der Staatseisenbahnen mußte die vielfa in widersinniaer Konkurrenz hervortretende Selbstständigkeit der einzelnen Staatsbahn verwaltungen in der Leitung des Verkehrs cine Einschränkung erleiden, Um den Staatsbahnen den ibnen gebührenden, bis dabin aber vielfa entzogenen Antheil an dem Verkehr zu siccern und die agegenscitige Konkurrenz der fiskalis{en Linien zu beseitigen, mußte die gesammte PVerkehrsleitung nah dem Gesichtspunkte der Solidarität aller für Rechnung des Staates betriebenen Linien einer einbeitlicben Regelung unterzogen werden. Wenngleich hierbei. überall das öffentliche Interesse zunächst und in erster Linie maßgebend sein mußte, so ergab fi doch in soweit, als dasselbe bei der Leitung der Transvorte und der Ver- theilung auf die verschiedenen Routen, nit berührt wurde, gegen den früheren, den Staatsbahnen vielfa ungünstigen ZUstand eine größere Betheiligung derselben an dem dir Verkehre (vgl. die Mittheilungen in der Denkicrift betreffend die biéherigen Erfolge der Erweiterung und Konsolidation des Staats- bahnbejitzes; Drucksacben des L s der Abgeordneten Session 1880/81. Nr. 44 S. 32 ff 58 kann nit befremden, daß die bierdur einz vacbsenden Verluste bisheriger Verkebrs- einnahmen dem Biderspruch der betheiligten Verwaltunge: begegneten. Mittel der verschiedensten Art find von Privatbahnen zur Anwendung gebracht, um \sich den Besitz der streitigen Verkebre zu erhalten. Nicht cine den veränderten Verhältnissen entsvrecende Revision der vormaligen Verkehrsleitung, sondern eine Vergewal- tigung der Privatbahnen dur das Uebergewicht der Staatäbahnen wollte man in dem Vorgehen derselben erkenuen. Während es früher völlig unbedenklih gefunden wurde, daß; dic Transporte von jeder Verwaltung auf den eigenen Linien so weit gefahren werden, als es ihrem Interesse entsprehend angänglich it, und von diesem Grundsaß in der Konkurrenz gegen die Staatsbahnen rüdcksihtslos Gebrauchß gemacht wurde, wollte man es jeßt als einen unerhörten und ungerechtfertigten Gewaltakt bezeicnen, daß von den Staatsbahnen nunmehr der ibnen gebührende Antheil an dem Verkehr in Anspru genommen wurde. Weit ent- fernt, von ihren größeren Machtmitteln den vollen Gebrau zu macen, hat die Staatébahnverwaltung nit Anstand aenomuien, die wirklich leistungsfähigen und fonkurrenzberechtigten Routen an dem Konkurrenzverkehr zu betheiligen. Immerhin aber sind durch Ausscheidung unwirthscaftlidber Konkurrenzen und dur die der Billigkeit und dem Verkehrsinteresse entsvrechcnd neugeordnete Ver- fehrêtheilung manchen Privatbahnen Verluste erwacsen, welche von den Aktionären um so s{werer empfunden wurden, als fie den auf eine künftige Verstaatlichung gerichteten Hoffnungen nit qünstig waren.

So unleidlih dieser Zustand gegenüber den im Eigenbetriebe

der Geselischaft stehenden Privatbahnen erscheint, so hat derselbe bei folchen vom Staate für Rechnung der Gesellschaften ver- walteten Privatbahnen, deren Linien mit den für Staatsrecbnung ver- walteten Bahnen konkurriren, in vieler Hinsicht noch bedenklichere Seiten. Jn der Bégründung des Gesetzentwurfs, betreffend den Er- werb mehrerer Privatbahnen für den Staat (Druckscriften des Hauses der Abgeordneten 1879/80 Nr. 5 S. 73) find die Unzuträg- lichkeiten eines folen Verhältnisses offen ausgesprocwen. Je mebr die Linien eines solchen Unternehmens mit den im fiskalischen Betriebe stehenden Linien sich berühren und im Gemenge liegen, desto mehr wird die Kollision der Pflichten hervortreten, durch welche die Stellung des Staates als Verwalter entgegengesctzter Interessen eine überaus \hwicrige wird. Wie foll überdies der Staat von der ihm zustehenden Aufsichtsgewalt solchen Unternehmungen gegenüber Gebrauch machen, wenn jede Anwendung von Zwangsmitteln ebensowohl dem fisfalischen Interesse, wie den öffentlihen Interessen des allgemeinen Verkehrs und der Landes- vertheidigung zu Gute kommt! Was von der einen Seite als voll berechtigt, als geboten durch die pflihtmäßige Fürsorge des Staates für die Wahrung der ihm anvertranten öffentlichen Interessen ver- langt wird, wird von der anderen Seite als eine Vergewaltigung, als RNechtsverlezung bezeilnet. Die Differenz der Auffassungen, welche bei den vorigjährigen Verhandlungen über den Erwerb der Rhein-Nahe-Bahn für den Staat hervorgetreten ist, hat die s{hweren Mißstände, welche mit der Fortdauer solcher Verhältnisse verbunden sind, in grellem Lite gezeigt. Wenn sonach für die Ordnung des inländischen Eisenbahnwesens in feiner Gesammtheit die Unvollkommenheit der bestehenden Zustände in die Augen fällt und die Nothwendigkeit, niht auf halbem Wege stehen zu bleiben, felbst demjenigen einleuchten muß, dessen grundsät- lie Auffassung des wirthschaftlichen Lebens dem Staatébetriebe ein fo weites Gebiet nur ungern einräumen möchte, so ist andrerseits auch innerhalb des enger begrenzten Gebietes der Staatêcisenbahnverwal- tung die Ausbildung eines einheitlih geregelten Betriebs\ystems in vollkommener Weise nicht zu erreichen, so lange an den zahlreichen Berührungspunkten mit den nicht fiskalishen Linien den ge- fonderten Interessen der verschiedenen Eigenthümer Rechnung zu iragen ist. Gerade in der jüngst verflossenen Zeit, welche in die seit langen Jahren stagnirenden Verkehrsverbältnisse neue Bewegung ge- bracht hat, sind die Mängel der Tran8portzustände in den großen Industriebezirken des Landes und die Weg3e, auf welchen Abhülfe zu suchen ist, offenbar geworden.

Jede durchgreifende Reform begegnet naturgemäß in der Ueber- gangsperiode besonderen Schwierigkeiten. Um die nah dem Gesichts- punkte der Konkurrenz ausgebildeten Betriebsordnungen der Rheinisch- Westfälifchen Bahnen dur ein einheitlich geregeltes Betriebs\ystem zu erseßen, bedurfte cs einer wesentlichen Umgestaltung in der Ver- waltung, in dem Betriebe und in den baulichen Einrichtungen der vereinigten Bahnen. Die mit einer Maßregel von folder Tragweite verbundenen Schwierigkeiten mußten aber eine erhöhte Bedeutung und einen zeitweise nicht unbedenklichen Umfang durch den Umstand gewinnen, daß die Durchführung der Maßregel gerade in die Zeit eines8außerordentlihen, unerwarteten und rapiden Verkehrsaufs{hwunges fiel. Nach den vorliegenden Be- richten üter den Umfang der Kohlenförderung im Nuhrrevier berec- nete sich die Steigerung {on im dritten Quartale 1881 auf nahezu 10 % gegenüber dem Vorjahre. Dieselbe entspricht ciner vermehrten Produktion auf dem gesammten Gebiete dec Montanindustrie. Die hierdurch bedingte erlöhte Transportleistung der Eisenbahnen be- gegnete gleihzeitig den Anforderungen, welche die umfangreichen Ge- treide-, Kartoffel- und Nübentransporte neben der jährlich wieder- fehrenden Bestellung der Wintervorräthe während der dret letzten Monate des verflossenen Jahres an die Eisenbahnen gestellt haben. Ein solcher Verkehrsaufshwung ist in den Kreisen des Handels und der Industrie ebenso wenig, wie von den Eisenbahnverwaltungen vorhergesehen worden. In einem auf Vermehrung des Wagenparks3 der Staatsbahnen gerichteten Antrage eines der angesehensten in- dustriellen Vereine des Landes aus dem Januar 1880 wurde die vor- ausfihtlihe Tranêportaufgabe der Eisenbahnen im Rubßrrevier für das laufende Jahr auf die täglide Gestellung von 13000 Halhb- ladungen veranschlagt, während die effektive Gestellung dieses Maß weit übersteigt, glei{bwohl aber nit unerheblich hinter dem Bedarf zurücgeblieben ist, Mit einer veränderten Organisation, einec ver- änderten Betcicb8aufgabe und in vielen Beziehungen geänderten Be- trieb8einrihtungen standen die Verwaltungen der Rheinischen Bahnen einer Anferderung gegenüber, deren Höhe über alle Erwartun- gen hinausging. Die NMeorganisation der Verwaltung hatte zugleich eine Verschiebung in dem Personal der höheren Be- amten zur Folge gehabt, so daß cin Theil der betreffenden Beamten mit dem ihnen angewiesenen neuen Wirkungskreise voch nicht völlig vertraut geworden war Auch das Personal der niederen Beamten in seiner bisherigen Gewöshnung an eine nah dem Gesichtspunkte der Konkurrenz der früber getrennten Linien aus2- gebildete Betriebs8ordnung hatte sib in das neue Svstem tes einheit- lich geregelten Betziebes der nunmehr vereinigten Bahnen noch nicht in erwünschtem Maße finden können. Die weitaus arößte Schwieri keit aber mußte aus dem Umstande erwachsen, daß d ( richtung der Bahnhöfe und der früber getrennten Glei et Rheinischen Bahnen noch fast unverändert in dem »Sustande verblicben war, in welchem sie bei der Uebernahme aus dem Gesellschaftsbetriebe sich befand. Die Vereinigung der bisher getrennten Bahnhöfe, -— der Umbau eines Theiles derselben und zwar gerade der größten und hauptsächlih belasteten Bahnhöse die bessere Verbindung der früheren Konkurrenzlinien, um den Ucbergang zu er- leichtern und die kürzesten und leistungsfähigsten Routen aus den ver- einigten Strecken zu bilden, cine Vermehrung der Gleise auf manchen Linien, um cine möglihst gleilhmäßige und zweck entjprewende Belastung der einzelnen Routen zu ermöalicben, furz cine neue und rationelle Gliederung in der bauliden Anordnuna des dicht verflohtenen Netzes der rheinischen Bahnen im Rubraebiet ist die unerläßlide Vorauêsetzung für die Herstellung und Ausbildung eines leistungéfähigen, einheitlich geregelten Betriebssvstems. Für die Ausarbeitung der Projekte zu so umfassenden baulichen Aenderungen, für die zu der Ausführung erforderlide Geldbewillizunag, zesdbweige ur die Ausführung selbst war die* seit Uebernahme der Babnen ne kurze Zeit selbstverständlid nit ausreibend. Ueberdies

Zeitpunkt für die Ausführung einer so umfanareicben

L reiche! vierigen Aufgabe noch nit gekommen. &

Konkturrenz-

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o lange die für

ing der Gejellschaft verwalteten, mit den im fiskalisben Be stehenden Strecken im dichten Gemenge liegenden Linien der 2 gis Märkischen Bahn noch nit auf den Staat übergegangen \ | die Verschiedenheit der Interessen auc ieder durchgreifenden Umge staltung der baulichen Einrichtung de Gesamzntnetzes hindernd ent- zegen. Die Staatécisenbahnverwaltung war daber außer S ande, die baulide Anlage der Bahnstrecken wie der Bahnhöfe dem neuen Betriebésystem zu aptiren. Mit unzureibenden Mitteln unter der Einwirkung der Unzuträglichkeiten einer si naturgemäß nur langsam vollziehenden Uebergangéperiode hatte sie eine ia diesem Umfange nicht erwartete Aufgabe zu lösen, so daß die Leistungsfäbig- keit des neuen Systems der cinheitlicben Ordnung des Betriebes auf eine {were Probe gestellt wurde. Gleichwohl wird eine unbefangene Prüfung das Zeugniß nit verweigern dürfen, daß die Probe be- standen ist, Wenngleich die vielfa über das Maß der Berechtigung hinaus gesteigerten Klagen noch kaum verballt find, so hat do be- reits die Einsicht Raum gewonnen, daß bei der Ungunst der Ver- hältnisse Seitens der Verwaltung in der That das Mögliche ge leistet ist, Dank der erhöhten Leistungsfähigkeit, welbe dur die Vereinigung des Wagenparks aller für Staat8re{chnung verwalteten Bahnen und eine einheitlibe Wagendisposition für das gesammte Verwaltungsgebiet

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erreiht worden ifff find die S@(wierigkeiten in der Hauptsade in nit zu zer Zeit überwunden worden. Im Rubhrrevier, wo die Klagen über un- genügende Wagengestellung am lebhaftesten hervorgetreten sind, ist es thatsächlich gelungen, während der Periode vom 8. bis 15. Dezember

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die täglibe Wagenstellung auf die Höhe von 16091 Halb- ngen zu bringen, während die Durcschnittsleistung der gleichen tperiode des Vorjahres sich auf 14 311, diejenige des Iahres 1879 13 636 Halbladungen bezifferte. Im Monat November erhob fi Marimalleiftung zeitweise auf 18 393 Halbladungen, während die- e im Vorjahre nur die Zahl von 154095, 1879 sogar nur die thl von 15 122 erreichte. Wenr die bis zu solcer Höhe gesteigerte Zranéportleistung, den in den Kreisén der Industrie felbst veran- {lagten Bedarf weit übersteigend, denno zeitweise hinter den wirklihen Anforderungen zurückgeblieben ijt, so fann zwar das Bedürfniß einer Vermehrung des Wagenparfs nicht von der Hand ewiesen, wohl aber der Vorwurf, daß die zeitweise ungenügende Leistung in dem Mangel genügender Voraussiht oder in der ÜUnzu- länglihfeit des neuen Betriebssystems ihren Grund habe, abgelehnt werden. Nicht in dem System selbst, sondern in der Ungunst der Verhältnisse, vor allem in dem Umstande, daß die Reform nur in unvollkommener Weise und in beschränktem Umfange ausführbar war und deshalb zur vollen Wirkung nicht gelangen fonnte, liegt der Grund, daß es bis jeßt noch nicht mögli gewesen ist, die Leistungs- fähigkeit der einheitlih verwalteten Bahnen in ihrem ganzen Umfange zur Entfaltung zu bringen.

Alle diese Erwägungen drängen darauf bin, die aus dem Fort- bestande großer Privatbahnen erwacsenden Hindernisse einer einheit- lichen Betriebéordnung fobald als möglich zu beseitigen.

In der Begründung des Gesetzentwurfs über die erste Serie der für den Staat zu erwerbenden Privatbahnen ist die Nothwendigkeit eines allmählichen und planmäßigen Vorgehens durch den Hinweis auf den Umfang einer so großartigen Reform, auf die finanziellen und administrativen Schwierigkeiten ihrer Durcbführung gerechtfertigt worden. Nach der von der Königlichen Staatsregierung unter Zu- stimmung der Landesvertretung abgegebenen Erklärung wurde die erste Serie mit den damaligen Bewerbungen als abgeschlossen bezeichnet und die Nothwendigkeit ausdrücklich betont, daß zunächst der Effekt dieser großen Operation für das Staatsinteresse, das wirthschaftliche sowohl, wie das finanzielle na allen Seiten hin gesichert werden müsse, bevor mit neuen Erwerbungen vorzugehen sei. Um dieses Ziel \chnell und sider zu erreichen, hat die Regierung mit der Uebernahme der Verwaltung der in ihren Besiß übergegangenen Bahnen alle Kräfte aufgeboten. In der Denkschrift, betreffend die bisherigen Er- folge der Erweiterung und Konsolidation des Staatseisenbahnbesites, welche in der vorigjährigen Session dem Landtage vorgelegt ist, sind im Anschluß an die Ausführungen in der Begründung des die ersteren Er- werbungen betreffenden Gesetzentwurfs die Grgebnisse der Reorganisation in dem Betriebe und der Verwaltung der vereinigten Bahnen ein- gehend erörtert worden. Weitere Mittheilungen sind in dem dies- jährigen Bericht über die Ergebnisse des Betriebes 1880/81 enthalten. Ueberblickt man den Gesammterfolg der Reform, soweit dieselbe bis- her zur Ausführung gebracht ist, so kann es einem begründeten Zweifel nicht mehr unterliegen, daß die Vorausseßungen erfüllt sind, von welchen die weitere Durchführung der Staatseisenbahnpolitik abhängig gemacht ist, und daß alle Bedenken sowohl gegen die Berechtigung der eingeleiteten Neform, wie gegen die Opportunität der Weiterfüh- rung haltlos sind.

Durch den Umtaush von Aktien und Prioritäts - Obligationen der verstaatilhten Bahnen ist bis jetzt ein Gefammtbetrag von Staats- schuldverschreibungen in Höhe von mehr als 420 000 000 M zur Ausgabe gelangt, ohne daß der Cours der leßteren irgend welche nennenswerthe Schwankung gezeigt hat. Weder die bisherigen Emissionen, noch die Nü- sicht auf die bevorstehende noch umfangreichere Emission hat den Staats- kredit in irgend nachtheiliger Weise beeinflussen können. Ebenso wenig hat die Umwandlung des Aktienkapitals in feste Rententitel irgend welche bedenkliche Verschiebungen in den Verhältnissen des Geldmarktes zur Folge gehabt.

Im Gegentheil icheinen die Verhältnisse des Goldnrärktes seit vent

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der Cinleitung der gegenwärtigen Staatseisenbahnpolttif eine wd&ent- lich solidere Gestaltung anzunehmen. Die zcitweise Erregung, 1 : durch die Erwartung bevorstehender weiterer Verstaatlichungen auf detn -Cisenbahnmarkt selbs herbeigeführt worden ist und ungeachtet wiederholter Erklärungen, daß zur Zeit weitere Bahnankäufe nicht in Aussicht genommen worden sind, zum Theil nod fortbesteht, ift dagegen ledigli eine begleitende Erscheinung solcher Operationen, welche an sih unvermeidlich erst mit dem Abschluß der leßteren ihr Ende erreicht. '

Der finanzielle Erfolg der bisherigen Erwerbungen kann als ein in hohem Grade befriedigender bezeichnet werden. Für das Jahr 1879 berechnet si der Gesammtgewinn für die Staatskasïse von den in den Betriebsrechnungen nit zur Erscheinung kommenden Po- fitionen abgesehen auf 5254 857 M“ (vergl. die in der vorigen Session vorgelegte Denk\chrift Nr. 44 der Drusachen pag. 82), für das Jahr 1880 auf 14905138 A Für die Folge tritt der aus der Verstaatlichung der Staatskasse zufließende Gewinn nicht mehr ge- sondert hervor, da mit der Reorganisation die für die Recbhnungslage maßgebenden Verwaltungsgebiete verscboben sind. Dagegen erbellt derjelbe aus dem Gesammterträgniß der für Staat8rechnung verwal- teten Bahnen, welches für das laufende Rechnungsjahr den etats- mäßig veranschlagten Betrag von 159 756 000 M voraussichtlich nicht unerheblich übersteigen wird, während dasselbe nab dem Etat8voran- sblage für das Jahr 1882/83 auf 155 825 000 X, mithin um 5089000 4 höher, als für das Vorjahr angenommen ist.

Die beträcbtlichen, dem Staate anheimgefallenen Ertrafonds der \etreffenden Gesellschaften im Gesammtbetrage von rot. 91 000 000 M aben die Mittel geboten, um dem Lande zu einer nit unwesent- ben Erweiterung des Eisenbahnnetzes durch den Ausbau vor Zweig ihnen zur Melioration zurückgebliebener Landestheile und zur Ver- besserung der bestehenden Verkehrêwege zu verhelfen. Der Verschwen- dung des Nationalkapitals, welche in den Konkurrenzbauten der ver- staatlichten Privatbahnen hervortrat, ist Einhalt gethan und bierdurch cin Gesammtkapital von annähernd 84 000 000 M für eine nütlichere und wirthschaftlihere Verwendung erhalten worden.

Der wirthschaftlibe Effekt der Durcbführung des Staatsbabn- systems liegt nit allein in der Möglichkeit einer rationellen, plan- mäßigen Verwendung des Nationalkapitals für den weiteren Ausbau des vaterländischen Eifenbahnnetes, sondern vor allem darin, daß die einbeit- lihe Ordnung des Betriebes auf dem gesammten Gebiete der grof:en Ver- lehrélinien eine bessere und wirksamere Pflege des Verkehrs ermöglicht. Die Bedeutung einer einbeitlicben Berwaltungsorganisation, einer übereinstimmenden Ordnung des gesammten Betrieb8apparates, eines in den Grundzügen einbeitliben, übersichtlicen und für alle Trans- portinteressen leit verständlicben Fracbttarifes, einer ecinheitlih ae ordneten Verkehréleitung und einer*cinbeitlieren Disposition üker die gejammten Transportmittel der inländishen Bahnen ift in der Be- gründung des Gefeyentwurfes über die erste Serie der Erwerbung on Privatbahnen eingehend darzelegt worden. In dem enger be“ grenzten Umfange des gegenwärtigen Gebietes der Staatseisenbabn- verwaltung ist die Reform in dicsem Sinne, soweit es die Zeit und die Verhältnisse gestatten, zur Dur{führung gelangt.

Die Verwaltung is in gleihmäßiger Weise innerbalb des ges jammten Gebietes organisirt. Die Abgrenzug der saclichen Zustän- digkeit zwiscen den oberen und den niederen Verwaltungsbebörd-n ist nach dem Gesichtöpunkte thunlihster Decentralisation geregelt. Für die örtlihe Abgrenzung der Bezirke ist bei den Streckenbebörden (Be- triebéämtern) im Wesentlichen der Betriebswecsel, bei den oberen Behörden (Direktionen) dagegen vorzugsweise die Nücksicht bestimmend zewescn, jeder Verwzltung ein möglichst gescblo\senes und für die volle Auênußzung des Verwaltungsapparates genügend großes Ver- lehrsgebiet zu überweisen. Durch eine soldbe naturaemäße Bildung der Verwaltungékörper sind feste und für das Publikum leit ¡u ibersehende Formen des äußeren Verwaltungsapparates gefunden. Pcaftisch bat si die Organisation unbeschadet ihrer weiteren Aus- bildung und Ergänzung für die besonderen Bedürfnisse einzelner Ge- biete mit sehr starkem und concentririem Verkebr vollkommen be- währt. Sie ermöglicht eine promvte und wohl geregelte Verkehrä- und Betriebsleitung und hat sich sowobl für die Interessen des Ver- kehrs, wie für die Oekonomie der Verwaltuna als zweckmäßig er-

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