1882 / 33 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 07 Feb 1882 18:00:01 GMT) scan diff

E ae E E nt E E R

derselben, welche {on seit Mitte vorigen Jahres bemerkbar wurde, beute als andauernd und weiterhin fortshreitend bezeichnen zu können,

Eisenerze finden zu befriedigenden Preisen \{lanken Absatz; die Produktion kann \fich allmäblih ausdehnen, und das Vert:auen auf die Andauer der Nachfrage hat sich bei den günstigen Berichten über die Beschäftigung der Hüttenwerke gehoben.

Nicht minder find die Noheisen-Werke stark engagirt und macht sih auch in Walz- 2c. Eisen eine steigende Tendenz bemerkbar.

Desgleichen ift der Bergbau auf Phosphorit zur Zeit ein ebenso flotter, als sehr lohnender, was in erster Linie dem geringen Strohertrage zuzuschreiben sein dürfte.

Für Blei- und Silberwerke is die Besserung bis dahin noc eine geringere zu nennen, doch erwartet man bei einem weiteren Anziehen der Metallpreise auch hierfür eine günstigere Konjunktur.

Die Nachfrage nah Braunstein ruht fast gänzli, ebenso geht Schiefer nur s{wach, was bei der winterlichhen Jahreszeit in- dessen kaum anders erwartet werden kann.

Ueber die Leder -Branche ist zu bemerken, daß die Rohwaare theuer geblieben und der Gewinn troß lebhafteren Absatzes daher sehr ges{mälert worden sein sol. Die Ausfuhr nach Rußland soll in Folge Vers{hlehterung der russischen Valuta eine geringere ge- worden, auch, wie alljäbrlih um diese Zeit der Bedarf Englands sehr kÉlein sein. In Deutschland ist die Schuhfabrikation stark beschäftigt, die übrigen Länder haben normalen Bedarf. Im Allgemeinen ist das verflossene Jahr ein mittelmäßiges zu nennen, doc soll alle Aussicht vorhanden sein, daß wir für die nächste Zeit wieder billigere RNoh- waarenpreise und damit zuglei ein lohnenderes Geschäft bekommen.

Üebergehend zu dem sür das gesammte Geschäftsleben unseres Be- zirkes niht minder wichtigen Faktor, zur Landwirthschaft, ke- ginnen wir mit dem Resultate der jüngsten Weinernte. Bis Ende Juli waren die Aussichten auf eine qualitativ und quantitativ gute Weinernte vorzüglich. Die Weinstöcke, in deren Reihen es allerdings viele Lücken giebt in Folge der furchtbaren Kälte im Winter 1879/80, hatten sich recht gut erholt und zeigten eine Fülle von heranwachsenden Trauben. Die Sonne brannte im Juni und Juli aus wolkenlosem Himmel derartig intensiv hernieder, daß es sogar dem Winzer fast zu stark wurde und alle Welt auch auf einen guten Verlauf der folgen- den Monate rechnen zu können glaubte. Leider sollte jedoch eine Enttäushung eintreten so groß, daß fsich Viele bis zur leßten Stunde noch nicht darin finden konnten. Gleich zu Anfang Auguft {lug die Witterung plößlich um und cs folgte unablässig während des ganzen August und Sep- tember —- also grade während dieser beiden für die Qualität wichtigsten und entscheidenden Monate ein kalter oder regnerischer Tag auf den andern.

In den ersten Tagen des Oktober kam Frost dazu, der die Wein- stöcke zum größten Theile entblätterte und dadurch die weitere Ent- widelung der Trauben noch mehr störte. Das Ende war, daß der quantitative Ertrag in der Rheinprovinz auf dur{\{nittlich # eines guten Herbstes reduzirt wurde. Die Qualität scheint nah Zusammen- fassung der Urtheile von sehr vielen Seiten her an der Mosel wi überhaupt in Deutschland durchschnittlih bei der Hälfte der neuen Gre8cenz die eines Mittelweines werden zu sollen, bei ver anderen Hâlste jedoch die eines geringeren Weines,

Kartoffeln, Zucker- und Runkelrüben gaben eine reiche, ansehnliche Ernte, während fich der Ertrag an Weizen und Roggen auf etwa 66 %/9 ciner Mittelernte beziffern mag Gerste licferte au) keine volle Mittelernte und Hafer fiel an Quantität und noch mehr an Qualität sehr unbefricdigend aus. Nicht minder war der Ertrag an Stroh, Wiesen- und Kleeheu ein sehr ungenügender und bereitete dem Land- wirthe große Verlegenheit für die Erhaltung seines Viehbestandes.

Das milde und trockene Wetter der leßten drei Monate ist der Landwirthschaft nach langem Regenwetter fehr zu Statten gekommen und seit 1878 ist zum ersten Male wieder eine regelrechte Bestellung der Wintersat möglich geroesen.

Im Getreidegeschäfte bleibt es in Erwartung großer russischer Zufuhren noch stille.

Im Kleinhandel war das Geschäft nur stellenweise ein lebhaf- teres, insbesondere hatten die mit Winterartikeln handelnden Ge- schäfte durch die milde Witterung einen gar beträchtlichen Ausfall.

Nach aus M oskau hierber gelangten Nachrichten hat die Bucha rische Firma Ibrahim Mustapha Achuschanow die Zahlungen cingestellt und offerirt den Gläubigern im Wege des Ver- gleihs 25 °/9 baar und 75 %/% in Wechseln. Die Passiva belaufen sich auf 1 112 000 Rubel.

Die Direktion der Marinektauten (direzione delle costruzioni navali) in Spezia wird daselbst im Palazzo della Regia Marina am 11. d. M., Mittags 12 Uhr, Lieferungen baltischer oder nordamerikanischer Nadelhölzer im Gesammttwoerthe von eiwa 131 750 Lire im Submissionswege vergeben. Die näheren Bedingungen können bei der genannten Direktion oder auch im Marine-Ministerium in Nom und den Direktionen der Marinebauten in Venedig und Neapel vorher cingesehen werden.

—- Die Generaldirektion der italienischen Eisenbahnen im Ministerium der öffentlichen Arbeiten zu Nom wird vaselbst am 17, d. M, Bormittags 10 Uhr, mehrere tausend Tonnen eiserner Ausrüstung8gegenstände (Räder, Bolzen, Schienen n. dergl.) für cine Anzahl kleinerer Eisenbahnen im Werthe von mehr als einer Million Lire im Submissionswege vergeben. Lieferungsorte sind die Stationen Parma, Seregno und Treviso.

Das von der französischen Regierung im Jahre 1881 erlassene Verbot des Vertriebes von cinheimischen, wie fremden Weinen mit cinem größeren Gehalt an \{chwefelsaurern Kali (sulfate de potasse) als zwei Gramm auf das ter wird zur Zeit nit gehandhabt.

Die Direktionssitung der Hamburg-Südamerika- nishen Dampfschiffahrts- Gesellschaft hat die Dividende für das verflossene Geschäftsjahr auf 18 % festgesetzt.

Nach dem Rechnungsabschluß dec Niederösterreichischen Es8compte- Gesellschaft für das Jahr 1881 gestatten die fast in allen Zweigen des Bankgeschäfts erzielten Mehrerträgnisse die Ver- theilung ciner Dividende von 50 F[. oder 10%, während 1880 8,6 9%, 1879 8,2 “/6 gezablt wurde. Das Reinerträgniß des verflossenen Ge- \chäftsjahres beziffert sich auf 816 710 Fl. gegen 675 300 Fl, im Borjahre.

Dem Geschäftsbericht der Effekten - bank pro 1881 entnehmen wir folgende Mittheilungen : Direktion: Der Reingewinn des vergangenen Geschäftsjahres, also Zeit vom 16, Mai bis 31, Dezember, belief sih nach Abzug der sämmtlichen Unkosten, ferner nach Abschreibung des gesammten Mobiliars, der Einrichtungskosten und der Kosten für die Aktienausfertigung auf 298 788 Æ Den größten Antheil an diesem Ertrage weist das Pro- vifion8konto auf. Der Zinêgewinn des Reportkonto gab einen Ertrag von 83750 Æ# Der Reingewinn von 298788 M entspricht 14,9 9% vom eingezahlten Aktienkavital und für die Geschäftszeit vom 16, Mai bis 31, Dezember einem Ertrage von 23,95 °/9 pro anno. Von dem Reingewinn im Betrage von 298 788 M \ind zunäcst 5 %/% Zinsen für die Aktionäre für die Zeit vom 16. Mai bis 31, Dezember auf 2000000 M mit 62500 M in Abzug zu bringen. Von den al8- dann verbleibenden 236288 F. sind 5% dem Reservefonds mit 11814 zu überweisen und bleiben sonach 224 473 M. zur Ver- theilung übrig. Dieser Betrag wird folgendermaßen verwendet; Als Superdividende erhalten die Aktionäre 10,2/, mit 127 500 A Ginem Gxtra-Reservcfonds werden gutgeschrieben 70000 Ferner sollen die Mitglieder des Aufsichtêraths 10%/, CTantième mit 23 628 M er- halten. Der Rest wird mit 3345 # auf ncue Rechbnung vorgetragen.

Die Lewentsche Buchdruckerei hierselbst, Landsberger Straße 32, bat kürzlich, als einen etwas verspäteten Nachzügler, einen in ihrer Offizin gedruckten Wandkalender für 1882 versandt, der sih durch seine ges{mackvolle und saubere Ausführung auszeichnet und Zeugniß ablegt von der Leistungsfähigkeit der genannten Druckerei. Der durch den Buchdruck hergestellte Kalender ist in sieben verscbie- denen Farben auf feinem Velinpapier gedruckt und macht einen ge- fälligen Gindruck. Wie die genannte Druckerei mittheilt, wird dieselbe

am 1. April d. J. ibr Domizil von der Landsberger Straße 32 nah der Lindenstraße 93 verlegen.

Antwerpen, 6. Februar. (W. T. B.) (Wollauktion.) 1510 Ballen angeboten, 970 Ballen verkauft, Preise unverändert.

Paris, 6. Februar. (W. T. B.) Die heutige Börse, an- fangs s{wach in Folge einiger Zwangsverkäufe, war \{ließlich fest und besser. Die Käufe per comptant dauern fort. Man bedient sich bei vielen Geschäften, die bisher von den Coulissiers besorgt wurden, jeßt der Agents3 de change. Der Syndikus der falliten „Union gónórale” wird, wie es beißt, die auf die alten Aktien bisher nit Es 375 Fres. einfordern und den Subskribenten neue Stüle iefern.

St. Peters8hutga, 6. Februar. (W. T. B) In Jarzewo ist gestern Nacht die Baumwollen-Manufaktur Chludows niedergebrannt. Dieselbe war sür 3 Millionen versichert. 2. t

S Verkehrs-Anstalten.

Die Berliner Stadtbahn is mit dem heutigen Tage dem Betrieb übergeben worden. Die Bahnhöfe prangen noch in dem reichem Flaggen- und Guirlandenschmuck, den sie aus Anlaß der gestrigen Kaiserfahrt angelegt hatten.

Drei, 7. Februar. (W. T. B) Der- Lloyddampfer „Apis, ist beute früh 72 Uhr mit der ostindish-cinesishen Ueber- landpost aus Alexandrien hier eingetroffen.

Plymouth, 6. Februar. (W. T. B.) Der Hamburger Postdampfer „Gellert“ ist hier eingetroffen.

Berlin , 7. Februar 1882.

Separat -Abdruck- aus der Festschrift zur Eröffnung des neuen Kunstgewerhbe- Museumsgebäudes zu Berlin am 21. November 1881 (Seite 56—58). Wir find mit unserem Bericht bis in das Jahr 1881 gelangt.

| Die Situation, în der sich das Gewerbemuseum zu Anfang desselben

befand, gleiht in mancher Beziehung derjenigen am Sch{luß der ersten Periode; aber der Maßslab und mit diesem die Dringlichkeit der Abhülfe ist erheblich größer geworden! Die Sammlung, wohl ver- sehen mit guten Vorbildern, in einzelnen Abtheilungen selb hervor- ragende Stücke besiteend, ist gezwungen , dieselben in engen Räumen dicht gehäuft der Anschauung und dem Studium darzubieten, zum Theil sogar gänzli zu verschließen; in der Sammlung der Gipsabgüsse, die bestimmt ist, theils dem Unterricht, theils den plastisch - ornamen- tirenden Künsten Vorbilder zu bieten, haben seit Jahren, aus Mangel an Naum und nicht weniger an Geld, nur kleine Gelegenheitsanläufe gemacht werden können; die Räume der Bibliothek, deren Inhalt, troß des mäßigen Umfanges, ein unentbehrliches und eifrig benukztes Hülfsmittel für alle Zweige des Kunstgewerbes geworden ist, sind längst zu eng, alle Einrichtungen zur Benußung derselben tragen den Charakter der sparsamen Dürftigkeit, die in den ersten Jahren unseres Bestehens geboten war; die Unterrichtsanstalt, welbe si in steter Entwickelung zu einer Kunstgewerbeshule mit Vorbereitungs- klassen und Vorschule hinauf gearbeitet hat, kämpft mit unermüdlicher Beharrlichkeit gegen die ungünstigsten lokalen Bedingungen !

So sind zwar mannigfache Hülfsmittel vorhanden, und die innere Aus8gestaltung des Museums ist so weit gediehen, daß es seine Auf- gabe mehr und mehr zu erfüllen vermag; aber die Abgelegenbeit des Lokals von allem Verkehr, die Enge und die kärgliche Einfachheit der Räume sind ein wesentlihes Hinderniß gewcsen, den weiter- reichenden öffentlichen Einfluß zu gewinnen, ohne welchen jene Hülfsmittel mehr oder weniger nußzlos find. In Folge dessen ift der Besuch des Museums trotz vielfacher in der Presse gegebenen Anregungen bisher sehr s{chwach gewesen, und es mußte davon abgesehen werden, die einheimishe Kunstindustrie zu regelmäßiger Ausstellung ihrer neueren muster- gültigen Erzeugnisse heranzuziehen, sowie öffentliche Vor- lesungen zu halten, wie dies an (nderen Kunstgewcrkb Museen geschieht. Das dadurch die Einwirkung auf die Bildung öffentlichen Geshmacks und die fo unerläßlihe Verbindung Museums mit den Kunstgewerbetreibenden wesentlih beeinträchti und einer der wichtigsten Zweige der Thätigkeit des Museums {wer geschädigt worden ist, licgt auf der Hand, und cs hat der verschiedenen oben erwähnten Mittel bedurft, um diese Verbindung troßdem einiger- maßen berbeizuführen.

Die Uebersiedelung des Muscums und seiner Unterricht8anslalt in die weiten und glänzenden Räume des jeßt vollendeten Neubaues, dessen näherer Beschreibung der Abschnitt 1V. dieser Festschrift ge- widmet ist, wird nicht allein mit einem Schlage diese Hemmnisse bescitigen, sondern auch dem Institut und allen denjenigen, welcbe ein Verständniß für seine veredelnde und sittigende, die Liebe zu der großen Borzeit unseres Volkes pflegende und den nationalen Wohl- stand hebende Thätigkeit besilzen, ein mächtiger Antrieb sein, anablässig weiter zu streben. Wir empfinden aufs Tiefste die Allerböc{ste Huld und Gnade, die Einsicht und Theilnahme der Königlichen Staats- regierung und der Landesvertretung, welchen unser Institut das neue Haus und die Sammlungen, deren hoher Werth erst in der anderen Umgebung Tausenden zum Bewußtsein kommen wird, verdankt und wir wissen, wie viel Erkenntlihkeit wir allen denen \hulden welche in ihrem Hause oder durch die eigene gewerbliche Thätigkeit mit Wort und Schrift, in Versammlungen und in der Presse unsere Bemühungen unterstüßt haben. Wir sind in vollstem Maße der erhöhten Verpflichtungen uns bewußt, welche daraus für alle Beamten und Lehrer des Museums folgen. Wir sind aber auch von der freudigen Zuversicht fest durhdrungen, daß uns diejenige Unterstüßung und diejenigen Mittel nit fehlen werden, welche unentbehrlich find, um die Aufgaben des Museums innerhalb der neuen weiten Räume und außerhalb derselben über das Weicbbild dieser Stadt hinaus zu erfüllen. Wir zweifeln nicht, daß die Staatsregierung und die Landesvertretung uns sobald als mögli in den Stand setzen werden, die sehr bedeutenden Lücken, welche die Vor- bildersammlung besonders auf dem Gebiet der nichtdeuts{en curopät- schen Kunstindustrie aufweist, zu füllen und zugleiß Deutschland vor dem Verlust vieler noch bei uns zurückgebliebener älterer Arbeiten, welchem unferem Kunstgewerbe die mannigfaltigste Anregung geben können, zu bewahren, Wenn die Mittel nicht ausreichen, um die Originale bei den noch immer steigenden Preisen des Kunstmarktes zu kaufen, oder wenn dieselben, weil im Besitze von Museen und Kirchen befindli, oder weil fie der ornamentale S{muck eines Ge- bâudes sind, nicht erworben werden können, wird die Anfertigung von Kopien von Gips, Holz und Metall an die Stelle treten müssen. Wer Kenntniß davon genommen hat, wie sehr der Fortschritt des Kunst- gewerbes in den Nacbbarländern dem Umstande zu danken ist, daß reiblice Mittel zu Studienreisen, zu forgfältigen Aufnahmen und deren mustergültiger Publikation zur Verfügung stehen, wer auch nur beachtet hat, welche Fortschritte die Dekorationêmalerei hier in Berlin gemacht hat îin Folge zweier kurzen Studienreisen eines Lehrers und einiger Schüler decs Museums, um ciniges Wenige von den Schätzen Italiens sorgfältig zu kopiren, der wird mit uns den Wunsch theilen, daß uns die Mittel gewährt werden mögen, von dem reichen Material, welches die Wände der Kirchen und Paläste der Kulturstaaten dar- bieten, nach einem wohldurchdachten Plane mit anderen Kunst- gewerbe-Muscen wirkend, soviel als mögli zur Hebung des Ge- [chmackes und des vaterländischen Kunstgewerbes aufzunehmen und zu veröffentlichen.

Wir werden an die Lehrer und an den Fleiß der Schüler unserer Kunstgewerbeshule immer höhere Anforderungen stellen dürfen, denen sie mit Freudigkeit entspreben werden, und wir glauben, daß sich an die bestehenden Fachklassen für Dekorationsmaler und für Giseleure neue für andere Zweige der Kunstindustrie, von denen bier die Glas- malerei und die Kunststickerei besonders genannt sein mögen, {ließen

werden. Aber uit allein durch die Schüler, welche das Museum ausbildet, nicht allein dur seine Publikationen und nicht blos durch das anregende Vorbild seiner Unterrichts8anstalt wird es künftig über die Grenzen dieser Stadt hinaus wirken müssen sondern es muß eine Sammlung ausgeführter Arbeiten geschaffen werden, welche, wie in England die des South-Kensington-Museums das ganze Jabr hindurch von einer bedeutenden Stadt zur anderen wandert und Anregung und Belehrung in die weitesten Kreise trägt. Großer Mittel wird es bedürfen, um diese Ziele zu erreichen. Wir hoffen, daß man sie uns, dem vaterländischen Kunstgewerbe, dem Nationalwohlstand reichlich und bald wird gcwähren können. Wir wenden uns mit unserer Bitte nicht allein an den Staat, nein an alle Freunde unserer Bestrebungen! Wir schen die Zeit kommen. wo diejenigen unserer Mitbürger, welche si ein bleibendes Verdienst um unser Volk erwerben und ihren Namen der Nachwelt auf immer überliefern wollen, nicht blos vereinzelt, wie dies heute {on geschieht, fondern vielfa, wie in England und Frankreich, einen Theil ibres Reichthums oder ihre kostbaren Sammlungen dem Museum zuwenden werden. Mögen unsere Wünsche sich erfüllen ; dann werden wir und mit uns immer größere Kreise als den zweiten Geburtstag unseres Instituts den Tag seiner Wiedereröffnung in der neuen Wohnstätte feiern.

Die Novität des Nesidenz-Theaters8, deren wir gestern bereits Erwähnung thaten, Victorien Sardou's einaktiges Scauspiel „Odette“ ist auch an den beiden folgenden Abenden unter großem Beifall des fehr gut besetzten Hauses gegeben worden. Der von dem Dichter be- handelte Stoff ift ziemli bekannt; wir geben daher nur in Kürze den Gang der Handlung wieder. Odette, die Tochter ciner Dame von zweifelhaftem Rufe, vermählt mit dem reichen Grafen (Slermont- Latour, wird von ihrem Gatten wegen Untreue verstoßen. Ihr laster- haftes Leben, das den Namen des Gatten bes{mutt, steht dem Glücke ihrer vom Vater liebevoll erzogenen Tochter im Wege. Beim lang- entbehrten Anblick ihres unschuldigen Kindes erkennt Odette die un- übersteigliche Scheidewand, die zwischen ihr und der Tochter Béran- gère besteht und welche sie doWß noch überwinden zu können wähnte, um das neuerwachte Gefühl der Mutterliebe zu genießen. Bérangère hat die Liebe eines vornehmen Mannes gewonnen, mit dem jedo eine Verbindung nicht stattfinden kann, so lange Odette den Namen des Gatten und der Tochter zur Shmah der Familie trägt. Un Un Ds O Wre Sool U Pearunben, gebt Odette in den Tod, den fie in den Wellen des Meeres findet. Victorien Sardou ist hier wieder zu den Ehebruchstramen zurück- gekehrt, deren Boden er in Daniel Rochat erfolgreich verlassen hatte. Dem Geschick, mit welchem Sardou in das gesellschaftlicbe Leben seiner Nation hineingreift und sozial: Probleme, die deren Herz und Geist beschäftigen, hervorzieht und zu löfen sucht, verdankt der Dichter seine tiefgehende Wirkung und seinen ungeheueren Erfolg. Seine Meisterschaft in der Exposition und Ausführung hat er auch in der „Bdette“ wieder voll zur Geltung gebracht. Er will den Zuschauern die Ungerecbtigkeit klar machen, die darin liegt, daß ein Weib den Namen ihres Mannes und threr Kinder in den Koth ziehen darf, obne daß man dasselbe zwingen kann, diesen Namen abzulegen. Die Schmach und Schande, in der sie lebt, überträgt se auch zum Theil auf die Unscbuldigen, die mit darunter leiden müssen. Er fordert vom Geseh eine Aenderung dieses Zustandes, der doh nicht nach der Meinung Aller eine Ungerechtigkeit ist. Daher scheint uns aub das Funda- ment, auf welchem dieses neueste Sittendrama aufgeführt ift, nicht kräftig genug, um das fünstlerisch ausgestattete Gebäude zu tragen. Der geistvolle Dialog und der sprühende Wiß, der Sardou eigen ist, lassen freilich die Schwächen des Stückes vergessen, welches unser volles Interesse und unsere ganze Aufmerksamkeit ge- fangen nimmt. Gespielt wurde vortrefflich: Hr. Keppler, das frühere beliebte Mitglied des Residenz-Theaters, ift an erster Stelle zu er- wähnen. Als Graf von Clermont entwickelte er vor uns mit voll- endeter Meisterschaft die ganze Skala der Gmpfindungen des Schmerzes, die das Herz dieses Mannes durchziehen. Ergreifend in Wort und Spiel beherrshte und fascinirte er die Sinne der Zuhörer, wie wir es von früher her an diesem trefflichen Schauspieler gewöhnt sind. Die Rolle der Odette lag in den Händen von Fr. Charlotte &rohn. In den leidenschaftlicbben Scenen haftet ihrem Organ eine ge- wisse Nauhheit und Schärfe an, die die Wirkung ihres durddachten Spiels etwas beeinträchtigt. Dagegen gelangen ihr vorzüglich die feinen Nüancirungen der scelishen Empfindungen, die beim Wiedersehen mit ihrem Gatten und später mit ihrer Tochter zu Tage treten; ihre Stimme hatte dann einen weicheren, modulationsfäbiaeren Klang. Auch Frl. Louise Bach (Bérangère) zeiate ihr naîves Talent von der günstigsten Seite; sie brate ihre Partie mit Maß und Empfin dung zur Geltung. Unter den andern Mitwirkenden sind Frl, Jolanda und die Herren Haack und Hâänseler lobend zu erwähnen. Auch in Betreff der Dekorationen hat sich die Direktion durch zw Ansichten von Nizza anerkennenswerthe Mühe gegeben. Ein reicber Erfolg hat auch die Bestrebungen nad) allen Seiten hin belohnt un dankend anerkannt.

Dem nach langen Vorbereitungen gestern im National-

endlich zur Aufführung gelangten Schauspiel „Bettina von Wilhelm Henzen war ein derartiger Ruf voraus- worden, daß man annehmen mußte, dadurchÞ cine Acra für das deutshe Theater inaugurirt zu \feben. sanguinisben Hoffnungen hat der gestrige Abend nun nicht* erfüllt. Der Verfasser bietet uns weder in deu Meotiven noch in den Charakteren irgend etwas Nationales, Originelle Jene sind, so sehr sich der Verfasser selbst dagegen durch ein in den Dialog verflochtenes Plaidoyer zu verwahren bemüht, dem französi- schen Chebruchsdrama entlehnt und die beiden Haupt-Charaktere, ebenfalls durch die typischen Schablonen der übertünchten unwahbren Salonfiguren der Pariser Comédie gezeichnet, an denen man sich nachgerade recht satt gesehen hat. Nur darin unterscheidet sih das deutsbe Stück von seinen Vorbildern, daß der Verfasser, seiner idealistisben Neigung nacbgebend, die Tugend in Gestalt cines ein- faden edlen Mädchens belohnt und das Laster, in der Person eine chebrecberishen Kokette, bestraft. Damit allein ist aber doch noc nicht eine Reform der deutschen Theater-Literatur angebahnt. Dazu gehört mehr, dazu bedürfte cs neuer eigenartiger Konflikte, wahrhastiger, dem Volksleben entnommener Charaktere und einer entspreenden originalen Gestaltungaskraft. Indessen soll damit der Werth des Stücks an sih keinesweges herabgeset:t werden; ganz im Gegentheil haben wir es hier mit einer relativ jelbr achtbaren dramatischen Leistung zu thun, deren Werth nur dur) dic zu großen Erwartungen beeinträchtigt wird, welbe man darüber erregt hatte. Das Schauspiel fand denn auß von Seiten des zaßhlreien Publikums eine sehr vohlwollende Auf- nahme und brate dem Verfasser zablreide Hervorrufe ein. Auch war es rect wirksam in Scene gesekzt und fand eine größten theils befriedigende Darstellung, voran durch Frl. Lange in der Titel rolle und Hrn. Günther als Dr, med. Kurt Strauße, wogegen Hr. Berla dem Schriftsteller Lothar Franke auch nit mit einem Strich von Charakteristik über den \chablonenhaftesten Typus des Salon Liebhabers hinaus verhalf. Sehr ansprehend waren Frl Paulo (Doris) und die Episodenrollen des Frl. Piquet und des Hrn. Nröscber. _Die Seitens der Direktion des National-Panoramas zum Besten des JInvalidendank bestimmte LTageseinnahme am VDonnerftag, den 2. Februar, war erbeblih. Das Panorama wurde ain genannten Fage von ca. (00 Personen besucht.

Nedacteur: Riedel. Berlin e i Veclag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Fünf Beilagen (eins{Glieflich Börsen-Beilage).

D E E RREA

E

N Bebo

Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Köuiglih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Dienstag, den 7. Februar

1882.

——

Landtags- Angelegenheiten.

Dem Hause der Abgeordneten ift folgender Entwurf eines

Geseyes, betreffend die Verwendung der Jahresüber-

der Verwaltung der Eisenbahn - Angelegen- vorgelegt worden.

Die Jahresübershüsse der Verwaltung der Eifenbahn-Angelegen- heiten werden vom Etatsjahr 1881/82 ab für folgende Zwecke in der nachstehend angegebenen Reihenfolge veranschlagt, bezw. verwendet :

1) zur Verzinsung der jeweiligen Staatseisenbahn - Kapital- uod S ;

2) zur Ausgleichung eines etwa vorhandenen Defizits in der Staatsverwaltung, weles andernfalls durch Anleihen gedeckt werden müßte, und zwar eines Defizits, welches fich in den Einnahmen und Ausgaben des letzt abgelaufenen Nechnungsjahres, oder welches {ch nach dem Voran\chlage für das bevorstehende Etatsjahr herausstellen sollte, bis zur Höhe von 2200000 M;

3) zur Bildung eines Eisenbahn-Reservefonds.

Unter UPeberschüssen der Verwaltung der Eisenbahn - Angelegen- heiten im Sinne dieses Gesetzes sind die Beträge zu verstehen, um welche die Einnahmen die ordentlichen Ausgaben übersteigen, nachdem in die leßteren die Zin8-, Nenten- und Amortisationsbeträge aus den mit Privatcisenbahn-Gesellschaften vom Jahre 1879 ab abges{lossenen Betricbs- und Cigenthumsüberlassungs-Verträgen eingerechnet sind.

De ddo

Der Cisenbahn-Neservefonds dient zur etwaigen Ergänzung der Jahresüberschüsse der Berwaltung der Eisenbahn-Ängelegenheiten auf Höhe des für die Verzinsung der Staatseisenbahn-Kapitalschuld er- forderlichen Betrages (8. 1 Nr. 1).

Zu diesem Zweck ist eintretenden Falls der bei dem Reservefonds

zu verausgabende Grgänzungsbetrag im Etat, bezw. in der Nehnung der Staatseisenbahn-Verwaltung in Einnahme zu stellen. Soweit der Betrag des Reservefonds 1 %/9 der jeweiligen Staats- eisenbahn-Kapitalschuld übersteigt, ist er alljährlich bis zur Höhe von L 9/0 der am 1. April 1880 vorhanden gewesenen Staatseisenbahn- Kapitalshuld und ihrer späteren Zuwüchse (8. 5) zur Tilgung zu verwenden. Der alëdann noch verbleibende Betrag des Reservefonds wird ebenfalls zur Tilgung der Staatseisenbahn-Kapitalschuld ver- wendet, wenn und soweit niht durch das Staatshaushaltgesetz eine anderweite Verwendung festgestellt ist.

Die disponiblen Bestände des Eisenbahn-Reservefonds sind in Schuldverschreibungen des Staates oder des Reiches anzulegen.

S B.

Behufs Tilgung der Staatseisenbahn-KapitalsGuld sollen die verwendbaren Mittel zum Ankaufe eines entsprehenden Betrages von Schulddokumenten verwendet werden.

S. 4, Cisenbahn-Reservefonds wird der Haupt- ulden unter Kontrole der Staats\chulden-

Die Verwaltung des verwaltung der Staatë\ch Kommission übertragen.

Die Verwendung oder Herausgabe des Reservefonds kann nur dur den Etat oder dur ein besonderes Geseß verfügt werden.

ton

Zum Zwecke der Verrechnung und Verwendung der Ueberschüsse

zerwaltung der Cisenbahn-Angelegenheiten wird die am 1. April vorhanden gewesene Staatseisenbahn-Kapitalshuld auf den Betrag von 1 498 858 100 4 festgestellt.

Dieselbe vermehrt sich um die Beträge der auf Grund von Eisenbahn-eKrediten seit diesem Zeitpunkte veraus8gabten Schuldver- Treibungen, sowie im Falle des Cigenthum8erwerbs von verstaatlichten rifenbahnen um die Beträge der vom Staate selbsts{huldnerish zu übernehmenden Prioritätsanleiheschulden derselben, und um die Be- träge der für Eisenbahnzwecke durch den Etat oder besondere Gesetze außerordentlich bewilligten Staatsmittel, sofern niht bei der Be- willigung etwas Anderes bestimmt worden ist.

Sie vermindert sich dagegen um die Beträge der in Gemäßheit des § 2 stattgehabten Tilgungen, sowie um die in Gemäßheit des § 1 getilgten Beträge der auf den Staat selbsts{huldnerisch über- gegangenen Prioritätsanlcibeschulden von verstaatlihten Eisenbahnen.

Q O der am 1. April 1880 vorhandensn erforderlite VBetrgg wird auf

Der für die Verzinsung Staatseisenbahn - Kapitalschuld 63 914 324 M. festgesetzt.

Bei der Bewilligung neuer Geldmittel für Eiscnbahnzwecke 5) treten demselben noch die Zinsen der bewilligten Summen und zwar, sofern niht bei der Bewilligung etwas Anderes bestimmt worden, zu 4 9/9 gerechnet hinzu.

S C

Die Autführung dieses Gesetzes wird dem Minister der öffent- lihen Arbeiten und dem Finanzminister Übertragen.

Urkundlich 2c.

Begründung.

Die Königliwe Staatsregierung hat in der Sißung des Ab- geordnetenhauses am 9. Dezember v. J. bei der Berathung des Ge- seßes vom 20. Dezember v. I, betreffend den Erwerb mehrerer Privateisenbahnen für den Staat (Geseßsamml. S. 635) si bereit erklärt, dem Landtage einen Gesetzentwurf über die Verwendung der Jahresüberschüsse der Verwaltung der Eisenbahn-Angelegenheiten nad Maßgabe der nacstchenden von dem Hause auf Antrag der Kommis- sion (vergl. den General-Bericht der XII. Kommission des Abgeord- netenhauses; Drucksachen Nr. 60) in einer Resolution niedergelegten Grundsätze zugehen zu lassen,

„L. Die Jahresübershüsse der Eisenbahnverwaltung nah Maß- gabe des Etats im Ordinarium werden für folgende Zwecke in der nachstehend angegebenen Reihenfolge veranschlagt und verrechnet:

1) Zur Deckung der Renten-, Zins- und Amortisationsverpflich- tungen aus den mit Privatbahn- Gesellschaften gesclossenen, dem Landtage jeßt vorliegenden, sowie aus solchen in Zukunft zu s{liceßen- den Verträgen ; : M :

2) zur Verzinsung der jeweiligen Staatseisenbahn - Kapital- {Guld (11.); :

3) so oft und soweit nach der Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben eines Rechnungsjahres oder bei dem Voranschlage im Staatshaushalts - Etat sich ein Defizit herausstellt, zu dessen Deckung andernfalls Anleihen aufgenommen werden müßten, bis zur Höhe von 2 200000 M zur Ausgleichung des Defizits; L E

4) zur Bildung eines Eisenbahn-Reservefonds, dessen Bestände in Scbuldverschreibungen des Staates oder des Reiches anzulegen sind, Derselbe dient aussc{ließlich zur eventuellen Ergänzung der sür die Verzinsung der Staatseisenbahn-Kapitalshuld erforderlichen Jahresübershüsse. Der 1% der jeweiligen Staatseisenbahn-Kapital- huld übersteigende Betrag des Reservefonds ist alljährli bis zur Höbe von # °% der jeßt festgestellten Staatseisenbahn - Kapitalschuld einschlicßlich ‘der nach 11, 111, hinzutretenden Beträge derselben zur Amortisation zu verwenden. E

Der alsdann noch verbleibende Betrag wird zur Amortisation der Staatsecisenbahn-Kapitalschuld verwendet, wenn und insoweit nicht durch das Staatshaushaltsgesey eine anderweitige Verwendung fest- gestellt ift.

11. Die Staatscisenkahn - Kapitalschuld wird zu dem Zwecke der Verrechnung und Verwendung der Eisenbahnverwaltunge-Ueberschüsse

auf den na dem Etat pro 1880/81 sich am 1. April 1880 ergeben- den Betrag der gesammten Staats\{huld von 1 396 000 000 Æ fest- gestellt und demgemäß die Summe der aus den Uceberschüssen der Eisenbahnverwaltung zu verwendenden Zinsen auf 59 800000 M4 bestimmt.

Jede Vermehrung der Staats\{uld nah dem 1. April 1880 bis zum Erlasse des im Eingang erwähnten Gesetzes in Folge bereits für Eisenbahnzwecke erlassener oder noch zu erlassender Kreditgesete wächst der Eisenbahn-Kapitalschuld hinzu. Dasselbe gilt, wenn in Folge des Ankaufs von Privatbahnen eine Vermehrung der Staats- \chuld vor dem 1. April 1880 stattfindet.

ITT. Nach Erlaß des Eingangs erwähnten Gesetzes soll bei Be- willigung von Krediten für Cisenbahnzwecke, sowie bei außercerdent- licher Bewilligung von Staatsmitteln für den Bau und den Betrieb von Eisenbahnen in jedem einzelnen Falle bestimmt werden, ob und in welher Höhe die bewilligten Summen der Staatseisenbahn- Kapitalschuld zuwachsen. Fehlt eine solche Bestimmung, so wird an- genommen, daß der Zuwachs in Höhe der ganzen bewilligten Summe erfolgen und die Verzinsung mit 4 % geschehen soll.

Jede in Gemäßheit des zu erlassenden Gesetzes stattgefundene Amortisation der Staatseisenbaha-Kapitalshuld wird von der leßteren abgeseßt und demgemäß der abzuführende Zinsbetrag vermindert.

IV, Die Verwaltung des Reservefonds wird der Hauptverwaltung der Staats\{hulden unter Kontrole der Staatsschuldenkommission übertragen. Ueber ‘die Verwendung und Herausgabe darf nur durch den Etat oder ein besonderes Gesetz verfügt werden.“

Die Königliche Staatsregierung, welche eine entsprechende Vor- lage dem Landtage bereits in der Session 1880/81 unterbeitet hat, legt dieselbe Hiermit in unveränderter Form von Neuem vor. Sie erfüllt damit die von ihr gegebene Zusage, und hat fich derselben ge- treu unter Beiseitelassung derjenigen Bedenken finanzieller Natur, welche bei strenger Auffassung des Etatswesens im Staate würden erhoben werden können darauf beschränkt, die in der Resolution des Abgeordnetenhauses enthalteneu Grundsäße in die Form des Ge- setzes zu bringen,

Die Resolution des Abgeordnetenhauses bezweckt, die Verwendung der Cinnahmen und Ausgaben der Verwaltung der Eisenbahnangelegen- heiten in der Art zu regeln, daß die Jahresübershüße derselben einem Neserve- und Amortisationsfonds zufließen und nur noch in einem gewissen bestimmt fixirten Betrage den allgemeinen Staatsfonds ver- bleiben. Dieser aus den Jahresüberschüssen der Staatseisenbahnver- waltung zu sammelnde Reserve- und Amortisationsfonds soll die Be- stimmung erhalten, zur Ergänzung der für die Verzinsung der Staats- eiscnbahn-Kapitalschuld erforderlichen Beträge zu dienen und den Staats- haushalt so gegen die Schwankungen, welche mit dem Steigen und Sallen der Erträge der Staatseisenbahnverwaltung verbunden sein können, ficher zu stellen. er Gesetzentwurf, indem er dem Prinzip der Tilgung der zu Eisenbahnzwecken verwendeten Staatskapitalien zustimmt, stellt hierfür die Üebershüsse, welhe nach erfolgter voll- ständiger Ansammlung eines Reservefonds fih ergeben werden, in Ausficht.

Zu diesem Behufe wird endlich die Höhe der Cisenbahnkapital- \{chuld und des Erfordernisses zur Verzinsung derselben für die Ver- gangenheit ziffermäßig und für die Zukunft grundsäßlich festgestellt. In allen diesen Beziehungen giebt. der Entwurf lediglich den Inhalt der Nefolution toieder und wird weiterer Motivixung niht hbe- dürfen.

Zu den einzelnen Bestimmungen desselben ist das Nachstehende zu bemerken.

8. 1 enthält die Definition des Begriffs der Jahres8übershüfse der Berwaltung der Eisenbahnangelegenheiten.

1) Der Ausdruck: „Verwaltung der Eisenbahn-Angelegenheiten ist in dein Entwurfe im Anschluß an den Staatshaushalts-Etat überall gebraucht worden, um auszudrücen, daß die anzulegende Berechnung in Einnahme und in Ausgabe die Rubriken :

A. Für Rechnung des Staats verwaltete Eisenbahnen,

B. Privatbahnen, bei welchen der Staat betheiligt ist, sowie

ferner noch in Einnahme

sonstige Einnahmen“ und in Ausgabe Central-Verwaltung und Eisenbahn-Kommissariate“ umfassen soll. Der Ausdruck:

„Staatseisenbahn-Verwaltung“ würde dafür zu eng sein.

2) Nach der Resolution des Abgeordnetenhauses \oll die Ver- anschlagung und demnächst die Verrehnung der Jahresüberschüsse der Verwaltung der Eisenbahnangelegenheiten in der angezogenen Reiben- folge stattfinden. Sobald daher die Berechnung der wirklichen Ein- nahmen und Ausgaben eincs Etatsjahres vorliegt, muß eine neue Berechnung darüber aufgestellt werden, ob, beziebungtwecise welcher Betrag in den Reservefonds zu legen und eventuell von demselben zur Amortisation der Eisenbahn-Kapitalshuld zu verwenden ist.

3) Nach der Resolution follen die Ucbers{hüsse in erster Linie zur Deckung der Renten-, Zins- und Amortisationsverpflichtungen verwendet werden. Hierbei ist zu erwähnen, daß die Ausgaben dafür ch in dem Entwurfe zum Staatshaushalts-Etat für das Jahr 1881/82 unter Kap. 31 des Gtats der Eisenbahn-Verwaltung vorfinden, und mithin bereits in den Ausgaben \tecken.

Dessen ungeachtet ist es zweckmäßig erschienen, derselben aus- drücklih Erwähnung zu thun. Auch erscheint dies in Bezug auf die Amortisationsverpflichtungen nothwendig, In den dur die Gesetze vom 20, Dezember v. J. (Geseßsamml. S. 635), 14. Februar d. J. (Geseßsamml. S. 20) und 25, Februar d. J. (Geseßsamml. S. 55) \anktionirten Verträgen mit den Berlin-Stettiner, Magdeburg-Halber- städter, Cöln-Mindener, Rheinischen, Berlin-Potsdam-Magdeburger und Homburger Eisenbahn-Gesellschaften hat si{ch der Staat ver- pflicbtet, für den Fall der Auflösung der betreffenden Gesellschaften die Prioritäts\{ulden derselben selbsts{huldnerisch zu übernehmen. Sobald dies geschieht, scheiden dieselben aus dem Etat der Eisenbahn- Verwaltung aus und gehen in den der Staatsschulden-Verwaltung über, wie dies auch mit den Prioritätéshulden der Niederschlesisch- Märkischen, Münster - Hammer und Taunus - Eisenbahnen früher geschehen ist. Indem diese Prioritätss{ulden, soweit sie noch unge- tilgt sind, der Eisenbahn-Kapitalshuld zuwachsen, sind deren Zinsen aus den Ueberschüssen der Verwaltung der Eisenbahu-Angelegenheiten zu decken, nicht aber die zur Tilgung planmäßig erforderlichen Beträge, da in der Resolution unter T. 2 einer Amortisation der Eisenbahn- Kapitälshuld nicht gedacht ist. Es hätte nun im §. 1 unter 1 des Entwurfs hinzugeseßzt werden können „und zur planmäßigen Tilgung der vom Jahre 1879 ab selbstsuldnerisch auf den Staat übergehen- den Prioritäts\culden verstaatlichter Gisenbahnen“, es ersien jedoch die Bestimmung am Schlusse dieses Paragraphen, in welchem eine Erwähnung der Renten-, Zins- und Amoriisationsverpflihtungen aus dem vom Staate seit dem Jahre 1879 abgeschlossenen Betriebs- und Eigenthumsühberlassungs-Verträgen ebenfalls nicht hätte entbehrt wer- den können, ausreihend, um den gedachten Fall dahin mit zu definiren, daß die zur Tilgung der Prioritätsanleihen der verstaat- lidten Babnen ersorderlihen Beträge aus den Ueberschüssen der Ver- waltung zu decken seien, gleichviel, ob sie ich auf dem Etat der Staats- eisenbahn-Verwaltung befinden oder auf den der Staatsschulden- Verwaltung übernommen s\ind.

4) Die Bezeichnung „vom Jahre 1879 ab abgescblossenen Ver- trägen" ist zur Unterscheidung der neueren Verträge von den Ver?

trägen gewählt, welche der Staat bereits mit der Niederschlesis{-

Märkischen (Gescß vom 31. März 1852, Geseßsamml. S. 89) mit

der Münster-Hammer (Geseß vom 30. April 1855, Geseßsammk.

S. 251) und der Taunus-Eisenbahngesellshaft (Geseß vom 3, Mai

1872, Geseßsamml. S. 420) abgeschlossen hat. Hiernah wird die zur

Tilgung der Prioritätsanleißhen dieser Gesell]chaften erforderliche

Summe bei Feststellung der dem Reservefonds zuzufsührenden Gelder,

sowie der zur Tilgung der Eisfenbahn-Kapitalshuld vorhandenen Mittel

nicht berücfsichtigt. Das Gleiche ist der Fall mit den Beträgen, welche zur Amortisation der Kurhbessishen, Nafsauishen und Frank-

furter Eisenbahnschuld erforderlich find. S

5) In der Resolution des Abgeordnetenhauses ift unter I. 3 ge- sagt:

s So oft und soweit nach der Uebersicht der Einnahmen und Aus- gaben eines Rechnungsjahres oder bei dem Voranschlage im Staatshaushalts-Etat fich ein Defizit herausstellt, zu dessen Deckung anderenfalls Anleihen aufgenommen werden müßten, bis zur Höhe von 2 200 000 -#

Nach dieser in den Entwurf aufgenommenen Bestimmung wird bei der Veranschlagung des Etats in erster Linie das Ergebniß des leßt abgelaufenen Rechnungsjahres maßgebend sein. Erst wenn keia solches rehnerisches Defizit oder ein geringeres als 2 200 000 vorhanden sein sollte, würde der Voranschlag {elbst dafür entscheidend sein, ob die fraglichen 2 200 000 Æ oder ein geringerer Betrag den all- gemeinen Staatsfonds verbleiben oder an den Reservefonds abgeführt werden sollen.

8. 2 enthält die Bestimmungen über die Ansammlung eines Reservefonds und dessen Verwendung.

1) Absatz 2, wona der bei den Reservefonds zu verausgabende Ergänzungsbetrag im Etat beziehungsweise in der Rechnung der Gijenbahnverwaltung in Einnahme zu stellen ist, giebt eine Vorschrift über die formelle Ausführung der Cingangsbestimmung.

2) Absatz 3 betrifft die Tilgung der Staatseisenbahn-Kapitalschuld. Hierfür ist als Grundsatz angenommen worden, daß der zu amortisirende Betrag nicht nah der jeweiligen Eisenbahn-Kapitalschuld, sondern nah der Summe b&echnet wird, welche sich ergiebt, wenn man zu der anderweit als Staatseisenbahn-Kapitalschuld fesigestellten Summe vom 1. April 1880 die späteren Vermehrungen derselben hinzurechnet. In der ersteren kommen die in Folge von Tilgungen eintretenden Verminderungen mit zum Ausdruck, in der leßten dagegen nicht.

Die Berechnung der Tilgungsrate nach dem durh Tilgung nicht verminderten Kapitale entspriht der Bestimmung unter I. 4 dec Resolution, sowie auch den bei Kapitals-Tilgungen allgemein maß- gebenden Grundsätzen. :

3) In dem Entwurfe ist angenommen, daß nach der Absicht der Kommission die Zinsen von den Beständen des Eisenbahn- Reservefonds wiederum diesem und nicht den allgemeinen Staatsfonds zufließen follen, da die Coupons der Reichs- oder Staatsschuldverschreibungen, in denen dieser Fonds angelegt sein wird, zu ihm gehören und über diefen nach der Resolution unter I. 4 aus\chließzlich nur zu dem da- selbst angegebenen Zwecke disponirt werden darf. .

& 3 ordnet das Verfahren, welches zum Zwecke der Tilgung der

Eisenbahn-Kapitalschuld beobachtet werden soll, indem er im Ans{luß

an die Vorschrift des §. 2 Alinea 2 des Gesetzes, betreffend die Kon-

folidation preußischer Staat8anleihen vom 19. Dezember 1869 (Gesehz-

Samml. S. 1197) den Ankauf eines entsprehenden Betrages von

Schulddokumenten vorschreibt. Ein anderer, als, der hier in Vor-

{lag gebrachte Weg freihändiger Beschaffung der zu tilgenden Staats-

\chuldverschreibungen ist nicht zu empfehlen. Hierbei ist davon aus-

gegangen, daß die zur Tilgung vorhandenen Geldmittel durch den

Reservefonds fließen, ohne vorher in Reichs- oder Staatspapieren

angelegt zu sein. i

8 4 folgt den Bestimmungen des Gesetzes vom 24. Februar 1850, betreffend die Verwaltung des Staatsschuldenwesens und Bildung einer Staats\chulden-Kommission (Gesez-Samml. S. 57), sowie der Bestimmung der Resolution unter IV.

8, 5 handelt von der Staatseisenbahn-Kapitalshuld und deren Festseßung. Nach 1]. der Resolution soll diese auf den nah dem Etat pro 1880/81 sich am 1. April 1880 ergebenden Betrag der

gesammten Staatsschuld von . . s 1 396 000 000 A angenommen werden. Hierzu sollen jedoch ferner

noch die Beträge treten, um welche in Folge

des Ankaufs von Privateisenbahnen eine Ver- mehrung dersclben vor dem 1. April 1880 etwa noch stattfinden möchte. Es erschien zur Ver- meidung komplizirterer Rehnungen zweckmäßig, den 1. April 1880 als Tag der Feststellung der

Staatseisenbahn-Kapitalschuld beizubehalten. Bis

ult. März 1880 sind auf Grund des Gesetzes

vom 20. Dezember 1879 (Geseß - Samml.

S. 635), betreffend den Erwerb mehrerer Privat-

cisenbahnen für den Staat, zufolge Allerhöchster

Ermächtigung vom 831. Dezember 1879

an ausgefertigten Schuldverschreibungen über

150 000 000 Æ im Ganzen nur. . Wer 102 858 100 M veräußert. Es stellt sih mithin die Staatseisen-

bahn-Kapitalshuld vom 1. April 1880 auf den s

E eei 1 498 858 100 A

Der Absatz 2 des §. 5 enthält die Bestimmungen über die künftige Berechnung der Staatseisenbahn-Kapitalshuld. Wenn hierbei neben den dur den Etat außerordentlih bewilligten Mitteln auch die erwähnt sind, welche durch besondere Gesetze bewilligt werden, fo hat dies darin scinen Grund, daß seit dem 1. April 1880 drei Be- träge von resp.

45 791 A 99 S

400000 . y und 5539770 , 90, zusammen 5 985 562 M 89

in Ausführung des §. 96 Abs. 1 der Hinterlegung8ordnung vom

14, März 1879 (Gesetz-Samml. S. 249) auf die der Königlichen

Staatsregierung durch die Gesetze vom 7. Juli 1876 (Geseß-Samml.

S. 288), vom 29. März 1877 (Geseßz-Samml. S. 124) und vom

26, Juni 1878 (Gesetz-Samml. S. 259) für Eisecnbahnbauten be-

willigten Kredite vereinnahmt worden sind, welche der Staats-

eisenbahn-Kapitalshuld hinzu gerechnet werden müssen. Selbstver- ständlih hat diese Bestimmung niht den Sinn, daß eine Hinzu- rednung stattfinden dürfte, wenn in den betreffenden Geseßen lediglich über die Verwendung von bereits für Eisenbahnzwecke zur Verfügung stehenden Mitteln Bestimmung getroffen wird und es sh nicht um die Bewilligung neuer Mittel handelt, wie dies beispielêweise bei einer Disposition über die von den verstaatlibten Bahnen über-

fommenen Reserve - Erneuerungsfonds 2c. der Fall ift. A

8, 6 trifft Bestimmung über die Höhe des för die Verzinsung der Staatseisenbahn-Kapitalshuld vom 1. April 1880 erforderlichen Betrages und f\tellt denselben fest auf . 63914324 M

Dieser Betrag ergiebt sid durch den - Hinzu- tritt des Zinserfordernisses für die vorstehend er- wähnten. L N 102 858 100 A E, M 4114324 zu den in der Resolution auf , 59 800 000 , angenommenen Zinsen der ac,ammtec:1 Staatsschuld voi 4

..1 396 090000 = 63914324