1882 / 36 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Feb 1882 18:00:01 GMT) scan diff

denjenigen entsprächer, welche s{hon der frühere Minister Graf Eulenburg vorgeschlagen habe. Damals habe das Haus die Uebergangsbestimmungen abgelehnt. Weshalb kämen este jeßt schon wieder zum Vorschein? Nach §8. 119 und S. 120 sollten die Selbstverwaltungsorgane ganz außer Thätigkeit geseßt und die Befugnisse derselben durch die Landräthe, resp. durch die Regierungspräsidenten ausgeübt werden. Das ganze System der Selbstverwaltung werde um- gestoßen. Die wesentlihe Grundlage einer gesunden Verwal- tung, daß die Staatsbehörden mit den Gemeindebehörden zusammenwirken sollten, sei hier ganz außer Act gelassen. n Hannover habe man si einstimmig geäußert, man möge die Staatsregierung mit der Kreisordnung nit behelligen, bevor man mehr Erfahrung gesammelt habe. Nun sei noch niht ein Fahr verflossen, und man wolle schon jo flar sein, daß die Verwaltungsorganisation dort revisionsbedürstig sei? Der Minister wolle nur einen Versuch machen, ob derselbe leichter eine Majorität finden werde, als sein Vorgänger Graf Eulenburg. Der Eingriff der Borlage in die bestehenden Verhältnisse sei ein fehr starker. Man habe in Hannover 100 Aemtec und 43 selbständige Städte. Jeßt sollten 33 Aemter aufgehoben werden, und von den selbständigen Städten lasse man nur 6 als Kreisstädte bestehen. Also nicht nur die Verwaltung, sondern auch das Ver- hältniß von Stadt und Land werde vollständig geändert. Er l:hne im Namen seiner Partei diefe Uebergangsbestimmungen ab! Es sollten aus dem Verwaltungsorganisationsgeseßze über die Be- hörden diejenigen Bestimmungen eingeführt werden, welche an die Stelle des Kollegialsystems für die Abtheilung des Jnnern und die Bureaus treten follten. Die Landdrosteien würden also aufgelöst und daneben eine andere Staatsbehörde, die Finanzdirektión eingeführt, welche Steuern, Domänen und Forsten verwälten sollte und diese würden vertheilt auf die sechs Ne- gierungen, auf dieauch ein Theil der Kompekenzen der ecangelischen und tatholischen Konsistorien übertragen würden. Das sei Alles, was aus dem ganzen Organisationsgeschß auf Hannover übergehe. Dagegen sei der seiner An- sicht nach wichtigere Bestandtheil, die Verbindung der reinen Staatsbehörden mit Selbstverwaltungskörpern, das ge- meinschaftlihe Arbeiten von delegirten Selbstverwaltungs- körperschaften mit Beamten des Staats, die alleinige Thätig- leit von Selbstverwaltungskörperschaften als folhen noch voll- ständig in ver Einführung zurück. Es solle der Krei3aus- chuß feine irgendwie beschaffene Thätigkeit iu öffentlichen Angelegenheiten haben, abgesehen von der Kommunal- verwaltung, weder als Beschlußvehörde, noch als Kreis- betôórde. Es solle eine mittlere Jnstanz, das Verwaltungs- geriht überhaupt gar nicht eingeführt werden. An Stelle des Beziris- und Provinzialcaths solle der Landrath, Regie- rungs- und Ober-Präsident treten. Nur in einzelnen Fällen habe man ein Jnterimistikum aufgenommen. Jn gewerbe- polizeilichen Angelegenheiten, wo eine follegiale Entscheidung erforderli sei, trete an Stelle des Vezirksraths der Regierunags- Präsident mit seinen Räthen ad hoc zu einem Kollegium zu- sammen. Andere Fälle betrefss der Aufsicht über das Kom- munalwesen und Beschwerden über polizeilize Ver- fügungen seien bedenklich. Diese wolle man nur dem Dber-VBerwaltungszeriht nebst anderen Bestimmungen, wie

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3. B. Beschwerden wegen Zwangsetatisirung überweisen. Das ganze Sysiem der Selbstoerwaltungskörper vershwinde hier vorläufig in Folge dieser interimistishen Bestimmungen. Die wesfentlihe Grundlage des Behördenorganismus im Or- ganisationsgeseße, wonach die Staatsbeamten gerade bei den wichtigsten Sachen mit den Laien zusammen wirken sollten, werde hier zurückgestellk. Warum mache man wieder diesen Ver- such, da derselbe 1879 schon abgelehnt sei? Man beschäf- tige sich mit einer allgemeinen Revision des Organisations- geseßes und deshalb wolle man in Hannover dies noch nicht einführen. Daneben fei noch cin andcrer Grund. Der Eingriff der neuen Kreisordnung in die ¡annoverischen Verhältnisse, sage man, sei fo bedeutend, daß es gewazt scheine auf einmal diese ganze Um- wandlung vorzunehmen. Jm hannoverschen Provinzial-Landtage have man einstimmig den Wunsch ausgesprochen, man möchte den Landtag der Monarchie nicht mit diesen Kreis- und Vro- vinzialordnungen befassen, ehe nit feststände, wie es mit dem Staatéorganisationëge)eze sein werde, weil man die Sache auf einmal auêgesührt wissen wollte, also ganz das Gegentheil von dem, was der Minister hier vorausseze. Jn welcher Lage sei dieser Landtag, der vor zwei Jahren nach monatelangen Berathungen das Organisationsgesez fertig gestellt have, welhes am 1. April vorigen Jahres ins Leben getreten sei? Der Landtag folle in dem Augenblicke, wo derselbe diese Uebergangsbestimmungen annehme, anerfennen, daß diescs von demselben Landtage beschlossene Vrganisationsgeseß einer grundlegenden Revision bedürftig sei. Damals sei freilih ein tiefgehender Streit gewesen, ob nicht eine Vereinfahung im Verfahren der Behörden herbei- geführt werden könne. Der Landtag habe aber im Sinne der Vorlage des damaligen Ministers entschieden, Ansprüchen gegenüber, die der Minister selbst in der Kommission durchge)eßt habe in der Nihtung der größeren Verein- fahung. An - Ja sei noch vergangen, und {on

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nicht sollte man klar fein, daß das Gefeß einer Revision bedürfe, und daß man vor derselben in anderen Provinzen diese Be- stimmungen nicht einführen dürfe. Vielleicht ergäben die be- vorstehenden Wahlen die gewünschte Majorität, aber demselben Landtage die Revision zuzumuthen, sei doch zu viel. Die Ein griffe in die bestehenden Zustände Hannovers durch die beiden Vorlagen, namentlih dur die Kreisordnung, seien sehr ein- schneidend. Nicht blos die Verwaltung der Aemter, au das Verhältniß von Stavt und Land werde grundsäßlih geändert. Einen Ersag für diese Eingriffe sollten diejenigen Jnstitutionen bieten, die die Verbindung der Selbstverwaltungsorgane mit dem Staatsbeamtenthum herstellten. Wenn dieser Ersatz fehle, dann verdè der Uebergang ein viel s{wierigerer sein. Er hoffe, daß die Mehrheit des Hauses davon abstehen werde, das Haus mit solchen Uebergangsbestimmungen, die er Namens seiner Partei ablehne, zu behelligen. Er wünsche den Einführungstermin auf den 1. April 1885 angeseßt. Bis dahin werde man Klar- heit darüber haben, ob für eine solhe Nevision eine Mehrheit ih finden würde oder niht. Man wünsche in Hannover, daß das Zusammenwirken der Staatsbeamten und Laien s\o geregelt werde, wie in den alten Provinzen, und wenn die Verbindung in den zwei Jahren, wie er hoffe, geschaffen werde, dann möze man die Kreis- und Provinzialordnung einführen, aber nicht vorher.

Hierauf ergriff der Vize-Präsident des Staats-Ministeriums, Minijter des Jnnern von Puttkamer das Wort:

Meiue Herren! Jm Namen der unachît init Dank davon Akt

T iz E A Staatsregierung möcbte ih nevmen, daß es in Hannover befriedigt

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hat, daß diese Vorlage dem Provinziallandtag der Provinz zur Begutach- tung vorgelegt worden ist. Jh würde ja auf diesen Punkt, da er zwischen uns erledigt is, weiter einzugehen feine Veranlaffung haben, wenn Hr. von Bennigsen nicht als eine gewisse selbstverständliche Konsequenz der Thatsache, daß wir den hannöverischen Provinzial-Landtag befragt haben, es hingestellt hätte, daß nun auch die Provinzial-Landtage der anderen neuen und westlihen Provinzen, bei denen die Kreisordnung noch bevorsteht, in derselben Weise befragt werden würden. Meine Herren, ich halte das für etwas ganz selbstverständliches und einfach aus dem Prinzip hervorgehendes, aus welchem mein Vorschlag sich entwickelt hat, die sämmtlichen Provinzial-Landtage zu hören. Ih kann ja nicht leugnen, daß &8s mir \{chwer ge- worden ift, bei diesem Punkt einen von dem Standpunkt meines Amtêsvorgängers abweichenden Standpunkt einzunehmen, da ich der Meinung bin, daß in allen wichtigen politischen und administra- tiven Fragen die Kontinuität der Anschauungen der Staatsregierung doch immerhin auch eine sehr wihtigè Sache ift, aber wenn ich auch ge- wiß auf den Standpunkt stehe, daß die Provinzial-Landtage ein staatsre{tlibes jus quaesitum auf Anhörung bei folchen {hließli doch nit blos provinzielle Gesichtspunkte, sondern aub allgemein organifatorische Fragen enthaltenden Geseßen niht haben, so bin ih andererseits ganz entschieden der Meinung, daß man sich über diese etwaigen staatsrehtlichen Bedenken in sfolchen Fällen hinweg- seßen muß und daß man si einfa zu halten hat an das praktis Richtige. Ich bin der Meinung, daß, wenn es sich um die Ein- führung fo wichtiger, umfangreiher und wie der Hr. Abg. von Bennigsen richtig hervorgehoben hat ungeheure Ver- änderungen des bestehenden Zustandes enthaltenden Gesetze in den einzelnen Provinzen handelt, man einfache politische Pflicht erfüllt, wenn man diejenigen Organe hört, welhe den Körper vertreten, den die Sache am nächsten angeht. Ich werde also hier die Erklärung abgeben können, daß die Staatsregierung bereit und entschlossen ift, bei dem weiteren Fortschreiten und der Entwickelung der Frage die Cinführung der Verwaltungsgesetzgebung in den westlichen und neuen Provinzen auch die Provinzial-Landtage der Übrigen Provinzen in der- selben oder ähnlichen Weise zu hören, wie dies bei dem Provinzial- Landtag in Hannover geschehen ift.

Nun hat ferner der Hr. Abg. von Bennigsen zu meiner Befrie- digung konstatirt, daß im Großen und Ganzen die Vorlage, wie wir sie geboten haben, abgesehen von den nachher noch zu - erörternden

Üebergangs8bestimmungen, eine freundlihe Aufnahme bei dem Nrovin- zial-Landtage gefunden hat. Das ist für mich eine fehr wichtige Sache, denn ich darf darauf die Hoffnung bauen, daß au in den übrigen Provinzen, wenn wir nur zweckmäßige Borschläge bringen, cin ähnliches Entgegenkommen uns nicht fehlen wird. Freilich wird nun meine in dieser doppelten Beziehung ausgesprochene Befriedigung über den bisherigen Verlauf der Dinge erheblich gedämpft durch diese Schlußerklärung oder vielmehr ih muß weiter gehen durch den ablehnenden Standpunkt, der ic durch die Erklärungen des Orn. von Bennigsen zog, denn ohne die Uebergangsparagravhen 119 und 120 werden wir, wie ih nachher noch auszuführen gedenke, taum auskommen können.

Wenn fodann der Hr. Abg. von Bennigsen seine Stellung zur Sache in Verbindung gebracht hat mit der Frage der allgemeinen Jevisionsbedürftigkeit der bisher bestehenden Verwaltungêgesetzgebung, so wird das hohe Haus bei dem allgemeinen Interesse, das diese Frage doch hat, mir gestatten, hierüber zunächst einige Worte zu sagen und dann überzuleiten auf die Konsequenzen, die ih meinerscits aus dem Standpunkt, den ih in dieser Bezichung einzunehmen habe, für die Einführung der Kreisordnung in der Provinz Haunover ziehen muß.

Meine Herren! Das halte ih für ganz selbstverständlich, daß die politischen Grundgedanken, welche durch die allseitige Ueberein- stimmung der gesetgebenden Faktoren in Bezug auf Selbstverwaltung sowohl auf Tommunalem, wie auf obrigkeitlihem Gebiete in Preußen und anderen deutschen Staaten gelegt sind, daß diese unter allen Umständen unveränder® festgehalten werden müssen. Ich bin der Meinung, daß die Kreisordnung vorn Jahre 1872, welche diese Frage in der Lokalinstanz, wenn ih fo sagen darf, zu regeln unternahm, ein sehr gelungenes und auch populär gewordenes Werk ift: ih mag ja da verschiedenen Ansichten begegnen, meine, auf Erfahrung und Studium gegründete Ueberzeugung ist das. Was dagegen de1

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Ausbau in der Bezirksinstanz betrifft, so kann ih nicht leugnen, daß ich von Anfang an diejenigen Herren, welche einen von mir er- statteten und publizirten Bericht in dieser Beziehung cines Blickes gewürdigt haben, werden das auß {on wissen daß i von Anfang an auf dem Standpunkt mich befunden babe, daß der Aufbau der Selbstverwaltungsbehörden in der Bezirksinstanz uns nicht in dem Maße gelungen ift, wie der Unterbau in der Kreisordnung. Die abstrakte und dem wirklichen Leben nicht entsprechende Trennung zwischen Verwaltungsstreit- und Verwaltungsbes{lufß; sachen und die

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darauf basirende Nothwendigkeit der formalen Trennung der Bezirks behörden in Verwaltungsgericht- und Verwaltunasbes{lußbehör!

hot meines Erachtens eine sehr starke Inkonvenienz zu Folge gehab nämlich vor allem eine bedenkliche Unübersichtlichkeit der Instanzen u starke Zweifel über die Zuständigkeit, sowohl bei den Behörden felbst die zur Entscheidung berufen sind.

__UVeber die Frage, ob cs angänglich und nöthig ift, dessenungeachtet, daß wir bis auf einen gewissen Grad formell bereits mit der Sache abges{lossen haben, den Versuch zu machen, eine dem wirklichen praktischen Lebensbedürfniß entsprechende Vereinfachung in diesem fomplizirten Systeme herbeizuführen kann ih mi in diesem Augen blicke nur im Allgemeinen dahin äußern, cinen solchen Versuch halte i für durchaus angezeigt. Wenn es si{ch hier nur darum handelte, daß wir ein niht nur theoretisch in sich abgeschlossenes, sondern au bereits über den ganzen räumlichen Umfang der Monarchie aus- gebreitetes System der obrigkeitlichen Selbstverwaltung vor uns hätten, daun wäre ich der Letzte, fo mangelhaft auc vielleiht das System sich erwiesen hätte, ihm nit wenigstens cine ehrliche Probe zu gönnen. Ich bin gestatten Sie mir das zu sagen eine viel zu konservativ angelegte Natur, um nicht ein formell vor mir liegendes und zu Necht bestehendes Geseßgebungssystem so weit zu respektiren, um ohne Noth an dessen Aenderung zu gehen. Aber wie liegt die Sache ? Es handelt sich darum, ein System, an dessen Zweckmäßigkeit doch jedenfalls erbeb lihe Bedenken obwalten, zu übertragen auf dic Hälfte der Monarcdie, wo es noch nit gilt, Da frage ih nun Hrn. von Bennigsen, Hand aufs Herz, Tann er aus seiner Heimathésprovinz bezeugen, daß man

]o weit man eben die Sache in ihrer Art aas Erfahrung kennt

daß man dort sih dana sehnt, die unveränderte Annahme des ganzen Komplexes der Selbstverwaltungsgesetgebung verwirklit zu schen? Kann Hr. von Bennigsen Garantien geben, daß in den übrigen neuen und in den westlihen Provinzen ähnliche Wünsche wegen der Einführung der unveränderten Verwaltungsgese ¡gebung be- stehen? Nach den der Staatsregierung vorliegenden Informationen bestehen dagegen nicht nur erhebliche Zweifel, fondern gestatten Sie das Wort auszusprehen, ich selbst will ja nicht so weit gehen es besteht dagegen eine weit verbreitete Ab neigung, eine bange Furcht davor. Wenn Sie sich die Mühe geben, mit denjenigen Herren über diese Frage \ich zu bespreben, welche in obrigkeitlihen Aemtern in den neuen und in den westlichen Provin- zen stehen, und die damit den Beruf haben, \sich auc theoretisch mit diesen Fragen zu beschäftigen, dann, so fürWte id, werden Sie fast einstimmig die Antwort erhalten: um Gotteswillen, überleat euch die Sache noch einmal, prüft gründlich, ob ihr nit die auf diesem Ge- biete \{on vorhandene Organisation an der Hand der Erfalzrung erst revidiren wollt, und dann kommt uns mit dem Gedanken, das ganze System auch auf uns zu übertragen und damit ein neues Band zu schaffen, das uns au in Beziehung auf Ne{ts\{ußz und NRechts- fontrole auf dem Gebiete der Verwaltung und des öffentlihen Rechts mit dem großen Körper der Monarchie enger verknüvft. Meine Herren, ic gehe in diese Materie gegenwärtig nicht weiter cin, aber das sei doch noch gestattet von Bennigsen nicht ganz im Klaren, ob er nicht doc etwas gejagt hat, als er selbst sagen wollte \| abzugeben, daß ja selbstverständlichß hier ein Provisorium \ich in eminentester Bedeutung vor Ihnen entwickelt; es ist in keiner Weise

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anderes

id habe die Versicherung

die Absicht aub nur in irgend eincr der Bestimmungen der 88. 119 und 120 eine systematische capitis deminutio der Provinz Hannover auf irgend eine längere Zeitdauer herbeiführen zu wollen, Wenn Hr. von Bennigsen sagt, die dur{greifende Veränderung, welche uns die Krei8ordnung bringt, die Aufhebung der Jahrhunderte alten Trennung von Stadt und Land, wird uns s{chwer, und wir sehen cine Kompensation für diese Acnderungen nur in der freudigen und aus- giebigen Mitwirkung des Latenelements auf dem Gebiet der obrigkeit- lihen Selbstverwaltung, so bin ih der Allerletzte, der das in irgend einer Weise in Abrede stellt, im Gegentheil, ih bin au der Meinung, daß, wer überhaupt cinen Werth auf die obrigkeitliche Selbstverwaltung legt, die Ueberzengung theilen muß, daß, wenn man einem Landestheile so durchgreifende Aenderungen feiner ganzen bigsg- herigen Éfommunalen und volitishen Verwaltung zumuthet, ibm auch auf der anderen Seite dieses hohe Gut der obrigfkeitlichen Selbstverwaltung in demselben Maße zu Theil werden muß, wie es in den alten Provinzen bereits der Fall ist. Aber, meine Herren, es ist ja au gar feine Nede davon, hiervon auch nur irgend einen Theil der Provinz Hannover vorenthalten zu wollen, cs handelt ih lediglih um die Frage: ist die Einführung der Kreti2ordnung heute oder vom 1. April 1883 ein fo wesentliches Interesse für Staat und Provinz, daß wir für eine kurze Zeit eine Reihe dann unentbehrlicher Üebergangs8bestimmungen uns gefallen lassen wollen, in der Erwartung des demnächst eintretenden Zeitpunktes, wo die ganze Organisations- gesegebung auf die Provinz übertragen werden kann. Einfach darum handelt es sih ich möchte nicht zu lang werden, wir werden das in der Kommission noch gründlich erörtern, aber wenn ih zunächGft nur mit ein paar Worten auf den §. 119 eingehen kann, was sagt der denn? Er führt zunächst in der Provinz und natürli definitiv diejenigen Theile des Organisationsgesetzes ein, welche fich mit der Konstituirung der Behörden beschäftigen, der Kreis- und Bezirks- behördenz das ift also keine Uebergangsbestimmung, sondecn ein defini- tiver Zustand, der geschaffen wird und dort eine Abänderung natürlich nicht erfahren wird.

Die weiteren Bestimmungen des Organisationsgeset2es, welche der F. 119 einführt, also namentli 8. 63, 65, 66, 67, 68, 71, 82, 81, was bedeuten sie? Sie sollen der Provinz dafür, daß sie für eine kurze Uebergangéperiode in Folge der Aufhebung der Kollegial- instanz der Landdrosteieu des tollegialen RNechts\chutzes entbehrt, eine Kompensation, Aequivalent gewähren, indem zunächst der 8. 63 ein- geführt wird, welcher den Rechts\{uß gegen polizeiliche Berfügungen mit der Maßgabe einführt, daß das Ober-Verwaltungsgericht als höcbste Berufungsinstanz über jede Beschwerde zu ent- scheiden hat. Es sollen ferner Zwangsbefugnisse der Ver- waltungsbehörden, die jeßt in Hannover für die Kreisinstanz bis zu 100 Thalern gehen, eingeschränkt werden auf 150 1, also aud eine Bestimmung, die keineswegs in dem Sinne eine Uebergangs- bestimmung ist, daß sie wieder abgeschafft werden muß, wenn die Krei8ordnung in Hannover cingeführt ist; im Gegentheil, von diesem Theil der Organisation etwas ändern, kann nicht die Absicht sein, das ist etwas vollkommen Definitives. Ich kann also die Einwendungen gegen die Uebergangsbestimmungen ih v U O E e E Ot für durs{lagend halten, und möchte doch den Hrn. Abg. von Ben- nigsen dringend bitten, in der Kommission diese Frage noch auf das gründ- lichste zu erwägen. Meine Herren, vergegenwärtigen Sie fich doch den Zustand, wenn wir uns etwa wirklich darauf einließen, dem Amendement dahingehend zuzustimmen, die Kreisordnung ini Ganzen ohne Uebergangsbestimmungen mit dem Einführungstermin am 1, April 1885 anzunehmen mit allen denjenigen Borschriften, die sie ena M Du uf die SOraanisation dex Zelbst- verwaltungsbehörden, und wenn nun der 1, April 1885 herankommt, und wir dann noch nicht so weit sind, daß eine definitive Entschließung über die Nevision der Organisations- geseßgetung ersolgt ist, soll dann etwa die letztere in ihrer Mangel- hastigkeit und Unfertigkeit oder etwa nur in den unmittelbar auf die Kreisordnung bezüglichen Theilen auf Hannover übertragen werden ? Im leuteren Falle würde ein vollkommen unhaltbarer Zustand ein- treten, indem wir Selbstverwaltungsbehörden einführen würden, die kaum wirkliche Kompetenz haben, denn die Zuständigkeiten, die in der Kreisordnung liegen, können doch nicht für ausreidend erachtet werden, um darauf ein ganzes System von Verwaltungsstreit- und Beschluß- behörden zu gründen. Ih kann also nur dringend bitten, meine Herren, selbstverständlich nehme ich an, daß die Vorlage einer Kommission zur gründlichen Vorberathung überwiesen werden wird daß die Herren doch nicht so gar fundamental ablehnend in Bezug auf die Uebergangsbestimmungen, die ich in dieser Lage der Sache für unent- behrlih halte, sih verhalten mögen und uns helfen, zu lichen und sicheren Einigung zu komznen.

Mw U u ne o zum Punkt eingehen, den der Hr. Ube U Die ordnung , wie er klärte, einstimmig im

einer möge

Scchbluß auf einen Abg. von Bennigsen auch be- Provinzialordnung. Während die FKreis-

selbst zu meier Befriedigung er- [ Provinzial-Landtag angenommen ift, haben nch bei der Frage der Zusammenseßung des künftigen Pro- vinzial-Landtags die erheblichften Meinungsverschiedenheiten beraus- gestellt, aber merkwürdigerweise, ohne daß durch irgend eine Kom- bination es möglich gewcsen wäre, eine Majorität zufsammenzubringen gegen den Gesetzentwurf der Regierung, sondern ib glaube, mit einer Stimmenmajorität sind die grundlegenden Prinzipien der Regierung angenommen worden.

Jch kann nun erklären, daß ih mich in dieser Beziehung mit all Demjcnigen wirkli einverstanden erklären kann, was Hr. von Bennig- jen uns gesagt hat, und ih möchte noch Einiges dem hinzufügen.

Meine Herren! Als wir in den Kreis8ordnungsprovinzen an die Neubildung der Provinzial-Landtage herantraten, kann ih versichern, hat sich bei vielen konservativen Männern lebhafte Besorgniß geregt; man fragte sich: welche Physiognomie werden unsere Provinzial- Landtage künftig haben, werden sie in der nöthigen An zahl diejenigen Männer für die Berathung der wichtigen Dinge, die ihnen anvertraut sind, enthalten, welbe durch Beruf, Vermögen, soziale Stellung, Intelligenz, Ovfe willigkeit im Stande sind, thren Aufgaben gerecht zu werden? Es sind ganz die- jelben Zweifel, die Hr. von Bennigsen theilt sie ja nicht, aber er hat fie eben referirend erwähnt au bei uns hervortreten, und, meine Herren, 1ch glaube mit gutem Gewissen sagen zu können und ich kann mich gewiß auf das Zeugniß mancher der hier im Hause sitzenden Herren berufen diese Befür(b- tungen haben sich nicht erfüllt, obglei wir eine Zufammen- seßung der Provinzial - Landtage geschaffen haben, welche sih von unserem alten ständischen Zustand sehr viel weiter entfernt wie dasjenige, was jeßt für Hannover vorgeslagen wird. Die Vor- lage will die f

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Repräsentation der Provinz nicht auf ständische, sondern auf forporative Basis stützen, indem sie die Vertretung hervorgehen läßt aus der freicna Wahl der Kreistage. Meine Herren! Das hat, wie ich glaube, einen tiefen und richtigen politischen Oinlergrund, nämlih den, daß die Provinz doch wesentli eine wirthschaftliche ‘ökonomishe Gesammtheit ist, welche ih darstellt als eine Vereinigung von Kreisen, und daß die in den Kreisen leben- den und vorherrschenden Interessen in der Provinz ihre höhere Ver- mittelung durch Ausgleichung finden sollen, deshalb kann man füglich sagen, daf, abgesehen von allen anderen politischen Prinzipien, es rihtlig und weise war, und auch durch den Erfolg fi be- WaE i. M e D 1 Provinzialordnug mit ihrer Vertretung gegründet haben, auf das Kreiselement. Daf- selbe thun wir jeßt in Hannover. Dabei ift ja anzuerkennen, daß in dem Umstand, daß erst im Jahre 1867 für Hannover aus der Jnitiative der preußischen Staatsregierung heraus eine neue quasìí ständische Vertretung geschaffen worden ist, ein Moment liegt, welches zur Borsiht mahnt in Bezug auf das Verlangen, jetzt {on wieder eine neue Basis der Vertretung zu \{afen. Aber daß die bisherige Grundlage nicht beibehalten werden fann, soviel ist aus den Verhandlungen des Provinzial - Landtages vollständig {lar geworden und ih würde s\chon hier erklären müssen, daß die Staatsregierung si gegenüber jeder Aenderung na einer

Richtunx hin für die Vertretung im Landtage der Beibehaltung dieser, ich will es jo nennen, drei Stände: Großgrundbesiß, Städte- und Landgemeinden, ablehnend würde verhalten müssen. Wir können au, con aus dem Grunde, weil in diesen Dingen der Grundsaß: ‘in necessariis unitas“ in der preußishen Monarchie gelten muß, auf diesem Gebiete uns nicht dazu entschließen, eine Organisation zu- zulassen, welche n viel zu weit von dem einheitlichen Gedanken in der preußishen Monarchie entfernt. :

Ich gebe ja nun zu, und habe das auf meiner Reise durch ‘die Provinz Hannover von vielen sehr provinzkundigen und mit warmen Herzen an ihre Heimath hängenden Männern gehört, daß man auch jeßt noch bedeutende Bedenken und Besorgnisse in der Beziehung hegt, daß der Provinzial-Landtag gestatten Sie mir ten Ausdruck nach dem Uebergewiht der Landgemeinden ein sogenanntes Bauernparlament“ werden würde. Jch glaube das niht. Hr. yon Bennigsen hat ganz richtig hervorgehoben, wenn auch die soziale Potenz des Großgrundbesitzes in der Provinz Hanno- ver bei weitem niht die Slärke und das Gewicht besißt, wie in den alten Provinzen, so ist doch zu hoffen, daß der Gemeinsinn

die Erinnerung an frühere gemeinschaftlide Arbeit auf dies

erden,

ider liegt nun allerdings die Sache so, und das ist eine Ver- shiedenbeit von dem System der Provinzialordnung der alten Pro- vinzen daß, während in den alten Provinzen jeder Kreis für sich mit ganz geringen Ausnahmen eine Mehrzahl von Abgeordneten zum Provinzial-Landtage wählt, darin aljo die Garantie liegt, faktisch wenigstens, daß [hon innerhalb des einen Kreises cine Ausgleichung der Interessen dahin stattfinden wird, daß jede berechtigte soziale Potenz zur Geltung und Erscheinung kommt, daß wegen der Kleinheit der Kreise îin der Provinz Hannover zu einer Ausnahmemaßregel hat gegriffen werden müssen, die aber auch vom Provinzial - Landtag als richtig anerkannt ist, nämlich die in die Hände des Provinzial-Landtags und für das erste Mal in die Hände des Dber-Präfidenten gelegte Fakultät mehrere Kreise zu größeren Wahlverbänden auch gegen den Willen der ein- zelnen Kreise znsammenzulegen und dadurch die Möglichkeit geschaffen, daß der Vorstand und die Einsicht der Wählerschaft \sich über Aus- aletMuUng Der SIIere en Vere } hege die Hoffnung, daß diese überaus wichtige provinzielle Frage in der Regulirung, wie wir sie Ihnen vorschlagen, eine zum Heil der Provinz auss{lagende Lösung finden wird. Ich werde mich in diesem Augenblick über die Provinzialordnung nit weiter verbreiten und {ließe nur mit der Bitte ih glaube, der Antrag ist noch nicht gestellt —, die Vorlage ciner Kommission zu überweisen. Die Staatsregierung wird sich mit allem Eifer an deeen Arbeiten betheiligen und hält an dem Wunsche und der Hoff- nuug fest, daß wir zu einer Vereinbarung und zu einer Verständigung gelangen werden. i

Der Abg. von Liebermann erklärte, man müsse das Bestreben der Regierung anerkennen, die Verwaltungsreform fortzuführen und auf die neuen und westlihen Provinzen aus- zudehnen. Dabei trete der Mißstand hervor, daß das Zu- ständigkeitsgeseß in der vorigen Session niht zu Stande ge: kommen sei, es werde dadurch die Ueberführung der Reform aus den östlihen auf die mwestlihen “Provinzen sehr erxshwert. Die konservative Partei mißbillige es nicht, e D M von BeNliglelt, Jondern 0 Damit einverstanden, daß der Versuh gemacht werden solle, die über dem Kreisausshuß stehenden Verwaltungsinstanzen umzu- gestalten unter der Wahrung der politishen Grundgedanken der Verwaltungsreform. Eine folche ernsthaste Revision biete aber viel zu große Schwierigkeiten, als daß man irgend einen Zeitpunkt nennen könne, zu dem es möglich wäre auf Grund der Revision die Verwaltungsreform auf die westlihen Pro- vinzen auszudehnen. Es frage sich also, solle man die Einführung der Kreisordnung auf unbestimmte Zeit sistiren oder mit provisorischen Jnstitutionen sich behelfen. Da könne seine Partei nun ihre Bedenken gegen die vorgeschlagene Art des Vorgehens nicht unterdrücken. Das alte System habe si in Hannover doch gut bewährt, es sei sehr fraglich, ob die neue Beamienordnung sih genügend einleben werde, und ob die Handhabung der Polizei durch den Landrath sich für hannoveri- he Verhältnisse empfehle. Diese Bedenken könnten nur in einer Kommission berathen werden, deshalb beantrage er die Verweisung der Vorlage an eine Kommission von 21 Mit- gliedern, und seine Partei sei bereit, zur Erzielung eines positiven Resultats mitzuwirken.

Der Abg. Dirichlet betonte, die Angelegenheit habe eine über die Provinz Hannover hinausreihende allgemeine Bc- deutung, wenn man auf die Motive und die Uebergangs- bestimmungen achte. Aber auch die speziellen Bestimmungen für Hannover seien ihm bedenkih. Es würde fehr zu be- dauern sein, wenn das Fnstitut der Amtsvorsteher nicht ein- geführt würde, Die Motivirung der Vorlage sei in diesem Punkte unzutreffend, denn auch in den östlichen Provinzen habe man seiner Zeit die Befürchtung ge- habt, daß sich die geeigneten Elemente zur Uebernahme der Selbstverwaltungsämter niht finden würden, troßdem hätten fie sih gefunden. Auch das Jnstitut der Kreisdepu- tirten wünsche er der Provinz gesichert zu sehen, und darin stimme er mit dem Abg. von Bennigsen überein. Sehr zu bedauern fei es, taß aus den Motiven und den heutigen Ausführungen des Ministers das Resultat ih ergebe, daß man einer abermaligen Revision der Grundsätze der Selbst- verwaltung näher stände als man geglaubt. Die angeb- lihe Unpopularität der oberen Verwaltungsinstanzen sei we- niger in dec Sache begründet, sondern beruhe zum Theil auf Unkenntniß un5 in den westlihen Provinzen auf eine dur eine gewisse Partei künstlich geschürte Unzufriedenheit. Sei es z. B. nicht sehr bedenklich, daß ein cinflußreihes Mitglied der rehten Seite des Hauses gesagt habe, die ganze Selbst- verwaltung könne ihm gestohlen werden, die praktischen Schwierigkeiten seien sicher nicht so bedeutend, wie der Minister es geschildert habe. Jedenfalls fei die neue Beunruhigung und Fnfragestellung der Verwaltungsreform eine sehr be- klagenswerthe Erscheinung.

Der Abg. von Meyer-Arnswalde bemerkte, wenn er dem Hause alle feine Shmerzen über diesen Gegenstand mittheilen wollte, fo müßte er über eine halbe Stunde sprechen ; die Geduld des Hauses scheine ihm aber ershöpft und er bean trage daher den Schluß der Diskussion.

Der Schlußantrag wurde abgelehnt.

Der Abg. Dr, Windthorst erklärte, mit einer gewissen Befangenheit trete er in diese Diskussion, die von dem Minister und dem Abg. von Bennigsen ge- führt sei, als ob Letterer der alleinige Vertreter von Hannover wäre. Jndessen, da es in Hannover eine Reihe von Leuten gäbe, die in dieser Angelegenheit noch niht zu Worte gekommen seien, so wolle er die Anschauungen derselben hier vortragen, so bedenklih das an sich auch sein möge. Dem Minister müsse er sagen, daß derselbe scine Jnformationen

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nover die Organisation nur fstückweise

nur aus einseitigen Quellen geshöpft habe. Denn, wenn die Frage, ob diese Reform vorgenommen werden solle oder nicht, dem Provinzial-Landtage gestellt wäre, so würde eine enorme Majorität erklärt haben, man wolle beibchalten, was man besitze. Er sei überzeugt, daß die Einführung der Kreisordnung destruktiv wirken müsse, und für Hannover lange Zeit eine Quelle von Unzufriedenheit bilden werde, er werde darum, fo lange er könne, dahin wirken, daß den Hannoveranern ihre bisherige Verwaltung erhalten bleibe. Wie die Beamten in Hannover die Sache ansähen, wisse er niht. Aber er habe die Erfahrung gemacht, daß Beamte sehr leiht zu Neu- ordnungen geneigt seien, omnibus novationibus intenti schon mit Rücfsiht auf das bessere Avancement. Was in Bezug auf die Provinzial-Landschaft bestehe, sei im Jahre 1867 durch Vertrauensmänner der Provinz Hannover geschaffen und, so sehr er auch die Diktatur bedauere, er müsse doch anerkennen, daß die Ordnung der Pro- vinzial-Landschaft nicht mißlungen sei. Das Landesdirektorium, an dessen Spiße der Abg. von Bennigsen stehe, habe so gut funktionirt, daß man in Hannover allgemein damit zufrieden sei und, er sollte meinen, in neuerworbenen Provinzen hätte man ein besonderes Jnteresse daran, Zustände zu erhalten, über die Zufriedenheit bestehe. Man sage, es seit Zeit, daß endlih uniformirt werde. Er glaube, daß die Uniform nur Unzusriedenheit erregen könne und daß ein guter Staat weniger an die Uniform denken solle als daran, daß das Kleid .so zugeschnitten werde, wie es dem Leib am besten passe. Funktionirten etwa die Ver- valtungs3organe in Hannover so, daß Unordnung entstehe ? Sei die finanzielle, die politishe Verwaltung mangelhaft oder der Einfluß der Negierung auf die Beamten gefährdet? Hier sei der Amtshauptmann von Gifhorn, der ihm bezeugen tônne, daß man in Hannover recht gut mit der alten Ord- nung der Dinge auskommen könne. Deshalb sage er, es habe mit den Reformen keine Eile. Alles, was der Minister zu Gunsten derselben angeführt habe, beruhe auf falschen Jnformationen. Selbst der Militär-Gouverneur von Hanno- ver sei nie im Zweifel darüber gewesen, daß die be- stehende Verwaltung mustergültig sei. Sie arbeite mit Voll- kfommenheit, die Steuern gingen gut cin, wozu also neue Organisationen? Wenn der Provinzial - Landtag dieselben nicht kurz vont der Hand gewiesen habe, so liege der Grund hierfür darin, baß demselben nicht die Frage fo vorgelegt sei, ob überhaupt organisirt werden solle oder niht. Jn diesem Falle würde derselbe siher mit Nein geantwortet haben. Die Herren aus Westfalen und den Rheinlanden möchte er bitten zu beachten, daß das Kleid, das hier zugeschnit- ten würde, auch für sie bestimmt sei. Sie „dürften \ich darum nicht indisserent zeigen in dem Wahn, daß fie damit den FJnteressen ihrer Provinzen niht Abbruch thäten. Mit dem Abg. von Bennigsen sei erx darüber einverstanden, daß uan sih in Hannover das Justitut der Kreisdeputirten erobern müsse, und mit dem Abg. Dirichlet, daß das Wesen der Selbstver- waltung in den Amtsvorstehern beruhe. Dieselben bildeten inmitten des Volïfs stehend das konservative Element der Selbsiverwaltung, sofern man nur aus der seßhaften Bevölke- rung die richtige Auswahl treffen wolle. Wenn die Herren aus Hannover das Jnstitut der Amtsvorsteher ablehnten, fo bewiesen sie nur, daß sie zu bequem oder ganz in bureaukra- tishen Anschauungen befangen seien, denn Elemente für dasselbe seien in Hannover zur Genüge vorhanden, es brauchten ja niht immer Advokaten und Professoren zu sein, Er komme nun zu der Provinzialordnung, die von Preußen oktroyirt sei. Er sage das für den Abg. von Meyer- Arnswalde, der keinen Hannoveraner mehr hören wollte. Der Minister sage, daß die Neuordnung, die hier geschaffen werden solle, einem Bedenken nicht unterliege, da auch so das ritterschaftlihe Element in dec Vertretung zur Geltung fommen werde, wie die in den Kreisordnungsprovinzen gemachten Erfahrungen erwiesen. Der Beweis sei nicht sonderlih schlagend. Abgesehen davon, daß in jenen Provinzen die NRittershaft in größerer Anzahl an- sässig sei, beruhe die ganze geschihtlihe Entwicklung Han- novers darauf, daß der ritterschaftlihe Besiß in allen öffent- lihen Verhältnissen maßgebend sei. Jn der Provinz Sachsen sei bei der ersten Wahl zum Provinzial-Landtag zwar das ritterschastlihe Element herangezogen worden, aber bei der zweiten {hon sei es verweht, Seine Ueberzeugung sei, daß ohne eine dur Geseß gesiherte Vertretung der Aristo- kratie die Selbstverwaltung in Hannover niht möglich sei, sie werde sonst einfah ein Jnstrument der Bureau- kratie. Das fei nicht konservativ, und er werde darum gegen die Provinzialordnung stimmen, wenn ex nicht alles erreiche, was er als nothwendig bezeihnet habe. Mit dem Abg. von Bennigsen stimme er dagegen, daß man Han- if bringe, und während in den unteren Kreisen die Selbstverwaltung bestehe, in den oberen die Bureaukratic fortdauere. Man warte, bis die Re- form fertig sei und er frage dann den Provinzial-Landtag, was man in Hannover von der alten Organisation beibehalten solle, und was nicht, Denn er sei gegen Vivisektion auch auf diesem Gebiete. Die Vorlage selbst bitte er einer Kommission zu überweisen.

Demnächst nahm der Vize-Präsident des Staats-Min iste-

riums von Puttkamer, wie folgt, das Wort:

Meine Herren! Jch werde das Haus nur für wenige Augenblicke noch in Anspruch nehmen, aber einzelne Ausführungen des Abg. Dr. Windthorst möchte ih doch nicht gern so ganz ohne Erwiderung lassen. Zunächst habe ih meine Befriedigung darüber zu konstatiren, daß er den jeßigen administrativen Zustand der Provinz Hannover im Allgemeinen ret lobend geschildert hat. Das erfüllt mich mit so großer Befriedigung, als wir sonst doch manche rect berbe Kritik der jeßigen hannoverischen Verhältnisse aus seinem Munde gewohnt find und wir uns doch wohl fagen dürfen, daß ein Theil dieses be friedigenden Zustandes auf die Bemühungen der jetzigen preußischen Verwaltung zurückzuführen ist. Der Hr. Abg. Windthorst hat unsere Verwaltung in Hannover, vielleiht unfreiwillig, aber jedenfalls that- \äcblich mit cinem Lobe bedacbt, welches ih sehr gern entgegennehme.

Aber cine andere Frage liegt mir näher. Nämlich der Herr Abgeordnete lobt mi einerseits, daß ich die Provinzial-Landtage im All gemeinen in diesem Falle nur speziell den hannoverishen Provinzial-Land tag über die Frage der Einführung der Kreisordnung gebört habe, und in demselben Athemzuge sagt er mir, ih müßte auf ganz falsche Infor- mationen meine Vorschläge aufgebaut haben, in demselben Augen- blickde, wo ih doch nachweisen kann, daß dieser Provinzial-Landtag sich niht etwa in große Meinungsverschiedenheiten gespalten hat über diese Frage, nachdem er vielmehr einstimmig, eins{ließlich alle die- jenigen Herren, von denen ich annehmen muß, daß sie die politischen Anhänger des Hrn. Abg. Windthorst find, erklärt hat, daß er zu- frieden sei mit den Grundlagen, auf welchen die Regierung die Kreis- ordnung für Hannover aufbauen will, Selbst diejenigen Herren, von denen ih annehmen immuß, daß sie die Wähler des Hrn. Abg. Windt- horst sind, beispielsweise die Vertreter der Landgemeinden im Herzog-

C

haben sich im Provinzial-Landtage voll- ständig mit der von uns angebotenen Basis einverstanden erklärt. Also ich möchte es doch in aller Bescheidenheit ablehnen, daß mir der Vorwurf gemacht wird, ib hätte aus falschben Informationen geschöpft. Ja, meine Herren, wo soll ih denn eine JIn- formation hernehmen? Doch, womit ja der Hr. Abg. Windthorst nch einverstanden erklärt bat, von den fonstituirten und legitimen Organen der Provinz! Das ift geschehen, und ih kann doch unmög- lih annehmen, daß der ganze hannöversche Provinzial-Landtag vom ersten bis leßten Mitgliede sih unter einer großartigen Täuschung und Illusion befunden hat, indem er diese Fragen, die thm vorgelegt sind, in bejahendem Sinne beantwortet hat. Der Herr Abgeordnete fagt. dieser Entwurf sollte nur für die Provinz Hannover eine Uniform zushneiden, mit der man doc besser thun möge, zu warten. Dieser Vorwurf ist in der That doch recht hart und sehr wenig gerecht. Wenn ich mir die Vorlage der hannöverschen Kreisordnung durch- gehe und mir vergegenwärtige, wie zahlreich die Rücksichten sind, welche in diesem Entwurfe auf die Eigenthümlichkeiten der Provinz Hannover gerade genommen sind, so wird, glaube ich, die Behauptung niht ungerech{tfertigt sein, daß, wenn man Bedenken ge- gen die hannövershe Kreisordnung auf diesem Gebiete erheben will, fie dann vielleiht unter dem Gesichts- punkte der alten Lande8theile erhoben werden könnten, daß man zu viel Rücksicht auf Hannover genommen hätte; ih glaube, wenn die Diskussion sih verlängert hätte, so würden wir diesem Einwand gerade in den Reihen der Rechten begegnet fein. Jch möchte also glauben, daß es nicht richtig ist, hier gegen die Regie- rung den Vorwurf zu erheben, als wenn sie gar zu sehr mit der Schere der Uniform die Sache behandelt hätte.

Ich gehe auf die zuleßt von dem Herrn Abgeordneten berührte &rage der Zusammenseßung des Provinzial-Landtages nicht weiter ein. Ich habe mir son erlaubt, sie in Kürze zu beleuchten und will nur das Eine her noch hervorheben: wenn der Hr. Abg. Windthorst mit vollem Recht sagt, daß in den Kreisordnungsprovinzen der große Grundbesitz eine viel stärkere Basis und einen stärkeren Einfluß în der Bevölkerung habe, wie in Hannover, dann folgt doch meines Er- achtens aus diesem ganz rihtigen Saß das Gegentheil von dem, was er hin- sichtlich der Zusammenseßung des Provinzial-Landtages verlangt, nämlich die Unthunlichkeit einer übertriebenen Bevorzugung des früheren Standes der Ritterschaft in der Vertretung der Provinzial-Landtage. Wenn die Kreis8ordnungsprovinzen es sich haben gefallen lassen müssen, daß bei ihnen der Großgrundbesiß, der früher die völlige Prâponderanz in der provinzialständischen Vertretung hatte, jeßt die Gewalt zu theilen hat mit den Stadt- und Landgemeinden, so gilt das doch a fortiori von Hannover, wo der Großgrundbesit, wenn er auch gewiß an Intelligenz und sozialer Stellung im Einzelnen sich messen kann mit dem in den alten Provinzen, in seiner Gesammtheit doch keineswegs die hervorragende Stellung inne hat, wie es dort der Fall ist.

Der Hr. Abg. WintSthborst hat gemeint, wenn ih nit das In=- stitut der Amtsvorsteher erobern kann, dann verwerfe ich diese ganze Kreisordnung. Die Motive prinzipieller Natur, die er zur Begrün- dung dessen mit so großer Entschiedenheit ausgesprochen hat, sind mir durchaus sympathisch, daraus mache ih fkein Hehl; ih bin auch der Meinung, an und für sich betrachtet, daß das Institut der Amtsvorsteher die eigentlihe Wurzel der lokalen Selbstverwaltung bildet, vorausgeseßt, daß die Elemente darin ausreichend vorhanden sind. Aber, meine Herren, die andere Frage ist doch die, wie soll ih mich verhalten, wenn die Vertretung einer ganzen Provinz mir ein- stimmig erklärt, unsere Verhältnisse sind nicht so geartet, daß wir das im Großen und Ganzen erforderliche Personenmaterial für die Amts- vorsteher aufbringen können, sollte ih denn dem Hrn. Abg. Wind- horst, der für die entgegengesetzte Seite eintritt mehr Glauben {enken als dem Provinzal-Landtage? Das wäre doch eine vollkommene Un- möglichkeit. Wenn die Verhältnisse der Provinz Hannover nach über- wiegendem Gutachten der Provinzial- und Lokalvertretung so geartet wäre, daß wir die Amtsvorsteher dort einführen können, und die Regierung diese Meinung theilen könnte, dann würde fie sih bedenken, eine Kreisordnung ohne das JIn- stitut vorzulegen und ih glaube auch vom altländischen Stand- zu sagen! Hr. von Bennigsen hat mir darin etwas unrecht gethan, wenn er meint, es fei in den Motiven ein materielles Revisionspro- gramm bereits enthalten, das ift doch keineswegs der Fall, sondern ih habe nur beabsichtigt ob die Worte das genau ausdrüen, lasse ich dahingestellt in den Motiven das Programm für den ge]chäftlihen Gang der Erwägungen darzulegen, aus denen etwa eine Revision der neuen Verwaltungsgeseßgebung hervorgehen müßte. Die Absicht der Königlichen Staatsregierung ist die, den Provinzial-Land- tagen der Kreis8ordnungsprovinzen, also derjenigen Provinzen, welche mit der Selbstverwaltungsgesetgebung bereits versehen {ind und diese Landtage werden ja in einigen Wochen zusammentreten for- mulirte Fragen vorzulegen des Inhalts: wie haben fich die haupt- \ächlihen Punkte der betreffenden Gesetzgebung bewährt, welche Abe änderungsvorschläge prinzipieller Natur sind Eurer Meinung nab nothwendig, um uns zu der erwünschnten Vereinfahung des Systems zu verhelfen? Jch werde mi deshalb hier abgesehen davon, daß ih offen gestanden, ein klar und definitiv àbges{lofsenes Bild von der Sache noch nicht habe hüten, durch Ausführung der materiellen Fragen, zu Gunsten der Provinzial-Landtage im Voraus zu konstatiren, sondern i wünsche, daß Sie diese in völliger Unabhängig- keit aus dem reihen Brunnen ihrer Erfahrung \{öpfend, berathen und votiren. Jch bin der Meinung, daß kein anderes Organ in der Beziehung fo berufen ist, wie gerade die Provinzial-Landtage. In ihnen finden sich sämmtliche Männer der Provinz vereinigt, welche sih mit den Fragen der Organisationsgeseßzgebung in Praxis seit Jahren beschäftigt haben, also der Amtsvorsteher, die Mitglieder der Bezirksräthe, Bezirksverwaltungsgerichte, Provinzialräthe und Pro- vinzialaus\chüsse. Diesen Männern Gelegenheit zu geben, in öffentlicher, fontradiftorisch zu führender Diskussion zu erwägen, ob und welche Aenderungsvors{chläge sie zu machen haben, halte ich für nothwendige Vorbedingung jeder Erwägung darüber, in welhem Umfange wir die Aenderung eintreten können und lassen müssen. Nun, meine Herren, erkenne ih ja und ich glaube, mit der Bemerkung, die ih hier zu machen habe, einigermaßen Hrn. von Bennigsen entgegentreten zu können, ih erkenne ja die große Schwierigkeit, die mit der Ab- änderung dieser Gesetzgebung verbunden ist, in vollem Maße an. Die Staats8regierung wird si bemühen, auf der Basis, die die bevor- stehenden Berathungen der Provinzial-Landtage ihr gewähren werden, das System der nothwendigen und wünschenswerthen Vereinfachung zu fonstruiren, und hofft demgemäß, Vorschläge machen zu können, Aber, ob und namentlich eine zum befriedigenden Abschluß führende Ver- einbarung auf diesem schwierigen und komplizirten Gebiet sich wird vollziehen lassen, darüber kann ich auch nicht eine Andeutung machen. Ich kann eine Verantwortung dafür nicht übernehmen, daß bis zur nächsten Session oder bis zum 1. April 1885, welen der Abg. von Bennigsen als den passenden Termin für zur Einführung der Reform- gesezgebung in den neuen Provinzen bezeichnete, daß wir uns bis dahin auf diesem Gebiete einigen werden. So lange das nicht der Fall ist, muß es doch bei folgendem allgemeinen Zustande bleiben: in den Kreis- ordnungsprovinzen fährt das bestehende System, so gut oder so mangelhaft es ift, fort, zu bestehen, in den neuen und westlichen Provinzen können wir es nicht einführen, sofern wir uns nicht ge- einigt haben, und da komme ich nun auf den Kernpunkt, der uns heute beschäftigt da entsteht der Zweifel, wie soll es gehalten werden auf dem Gebiet der Kreis- und der Provinzialordnung für die noch ausstehenden Provinzen in der Zwischenzeit? Wenn dem fo ist, meine Herreu, daß wir uns vor diesen Schwierigkeiten, die namentlich der Zeit na unübersehbar find, befinden, dann entsteht für die Staatsregierung die schr ernste Frage: sollen wir die noch niht mit der Kreisordnung versehenen Provinzen, nament- lid sollen wir die Provinz Hannover gestatten Sie mir den Ausdruck vershonen mit der Kreis- und Provinzialordnung, bis wir uns über die allgemeinen Grundsätze der übrigen Selbstverwaltungsorganisationen geeintgt haben ?

thum Arenberg-Meppen,

Ich weiß ja sehr wohl, meine Herren, und i glaube einigere